NATO-Beitritt der Ukraine ausschließen!
Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt März 2015
Als der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Anfang Februar in der Talk-Show Maybrit Illner den NATO-Beitritt der Ukraine als souveräne Entscheidung der Ukraine behandelte, konnte man sich doch nur wundern, wie ein gestandener Politiker so geschichtsvergessen und unsensibel zugleich sein kann. Man muss an dieser Stelle einmal zu Ende denken, was ein Beitritt der Ukraine zur NATO bedeuten würde. Mit diesem Schritt könnte schnell ein Szenario eintreten, wonach die großen Weltmächte hier in Europa direkt Krieg führen. Die ukrainische Regierung und das ukrainische Parlament zeichnen sich schon jetzt dadurch aus, dass sie beim Einsatz von Militär nicht gerade zimperlich sind. So erklärte der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko die prorussischen Separatisten zu Terroristen, was ein faktischer Freibrief für deren Vernichtung ist. Überhaupt lässt sich eine verstärkte Militarisierung der Politik feststellen. So gibt es enge Verknüpfungen von ukrainischen Politikern mit militärischen Verbänden und Freikorps. Beispielhaft stehen dafür zwei Mitglieder des ukrainischen Parlaments, Semen Sementschenko und Oleh Ljaschko. Sementschenko, Kandidat der Partei Samopomitsch bei den letzten Parlamentswahlen, ist Kommandeur des ukrainischen Freiwilligenbataillions Donbass. Ljaschko, Vorsitzender der Radikalen Partei, hat das Freiwilligenbataillion Asow mitgegründet. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft ihm schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Beide waren jüngst als „neutrale“ Kommentatoren der Entwicklungen in der Ukraine im ZDF zu sehen. Durch diese Verschränkungen wird die Trennung zwischen militärischer und politischer Logik faktisch aufgehoben. Doch auch auf anderen Ebenen ist zu hinterfragen, inwieweit die neue ukrainische Regierung wirklich für – wie Ministerin von der Leyen behauptete –, Demo-
kratie und Pressefreiheit steht. So steht die Ukraine stark unter dem Einfluss einiger weniger Oligarchen. Poroschenko ist beispielsweise, neben seiner Funktion als Staatspräsident, Eigentümer des Fernsehsenders Kanala 5. Und auch der ukrainische Ministerpräsident, Arsenij Jazenjuk, hat gleich mehrere Eisen im Feuer. Er war früher nicht nur Vorstandsvorsitzender einer der größten ukrainischen Banken, sondern später auch Leiter der Verhandlungskommission für den WTO-Beitritt der Ukraine. Die Interessen zwischen Politik und (Militär-)Wirtschaft verschwimmen jedoch nicht nur in der Ukraine, sondern auch international. Der Druck auf einen NATO-Beitritt der Ukraine wird von verschiedenen Seiten befeuert. So haben der transatlantische Think Tank, Atlantic Council, und der Chicago Council on Global Affairs unlängst ein Papier veröffentlicht, in dem sie der US-Regierung und den restlichen NATO-Staaten empfehlen, Milliarden von Euro in die militärische Aufrüstung der Ukraine zu investieren. Befürchtungen, dass eine militärische Unterstützung zu einer Eskalation führen könnte, wird mit der Argumentation begegnet, dass die Situation ja sowieso bereits eskaliere. Wenn man sich diese Gemengelage vor Augen führt, darf ein möglicher ukrainischer Antrag auf eine NATO-Mitgliedschaft nicht wie ein x-beliebiger Verwaltungsakt behandelt werden. Wer – wie die Bundeskanzlerin Angela Merkel – die Kontrolle der Grenze zwischen der Ukraine und Russland durchgesetzt sehen will, muss Russland auch hinsichtlich seiner sicherheitspolitischen Befürchtungen entgegen kommen. Die Antwort auf eine Entspannung der Lage kann nur heißen, dass die Bundesregierung ihre Bereitschaft gegenüber Putin erklärt, völkerrechtsverbindlich eine NATOMitgliedschaft der Ukraine auszuschließen. In der NATO herrscht das Prinzip der Einstimmigkeit. Daher hat es Deutschland selbst in der Hand, Russland den Weg zu ebnen: Grenzkontrollen durch die OSZE gegen einen verbindlichen Verzicht einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Die völkerrechtliche Verbindlichkeit wird unverzichtbar sein. Denn Russland hat mit unverbindlichen Erklärungen zu einem Verzicht einer Nato-Osterweiterung durch den Westen in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht. Um den Frieden in Europa nicht weiter zu gefährden, muss der Status der Ukraine als militärisch neutraler Staat gewahrt bleiben. • Katja Kipping