Drei Jahre nach der verheerenden Reaktorkatastrophe von Fukushima Daichii
Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt April 2014
Als hätte die Naturgewalt von Erdbeben und Tsunami in Japan mit tausenden Todesopfern, hunderttausenden Verletzten, Millionen Obdachlosen und Schäden in Milliardenumfang nicht genug Grauen verbreitet, hält sie eine zusätzliche Katastrophe bereit, deren Folgen erst allmählich begreifbar werden. Als vor drei Jahren in Fukushima ein Reaktorblock nach dem anderen in die Luft flog, saß ich gebannt vor dem Bildschirm und ahnte mit etwas Vorstellungskraft, dass das die schwerste Atomreaktorkatastrophe sein würde, die die Menschheit bisher erlebt hat. Für Laien schienen sich die Explosionen in Block 1, 2 und 3 kaum zu unterscheiden. Aber für Experten wie Helmut Mayer, ehemaliger Betriebsleiter des AKW Biblis, schoss der Adrenalinspiegel hoch, als der dritte Block explodierte. Sofort erkannte er, dass sich diese Explosion von den anderen unterschied. Sie sah aus, als ob eine Atombombe explodierte. Und er sollte Recht behalten. Der Super-Gau einer Kernschmelze war als relativ unwahrscheinliches Restrisiko eingetreten. Täglich strömen Tausende Tonnen kontaminiertes Wasser in den Ozean, verseuchen Fische, Tiere und Pflanzen und Strahlung wird durch Wind und Regen über breite Gebiete verbreitet. Über 100.000 Personen mussten innerhalb der 20-km-Sperrzone ihre Heimat verlassen, leben immer noch zum großen Teil in Wohncontainern, haben ihre Heimat und ihre Beschäftigung als Fischer wohl für immer verloren, weil die Strahlendosis um das Tausendfache zu hoch ist, um
in diesem Gebiet gesund zu überleben. Trotzdem will die japanische Regierung das Sperrgebiet für Heimkehrer öffnen. Nicht weil dies gesundheitlich unbedenklich wäre. Nein. Vielmehr will die Regierung damit der Betreiberfirma Tepco Kosten ersparen, die sie an die Atomflüchtlinge bis ein Jahr nach Aufhebung des Evakuierungsbefehls für die Verluste zahlen muss. Bisher wurden zwar lediglich die Wohngebiete, aber nicht das gesamte Gebiet dekontaminiert. Die Strahlungswerte und der in der Umgebung herumliegende notdürftig in Plastesäcken verstaute Atommüll tut sein Übriges zur hohen Strahlenbelastung. Und die Regierung hält wesentliche Informationen vor der Bevölkerung geheim, ja unterbindet sogar eine kritische Berichterstattung in den Medien. So werden die Menschen noch einmal in die Irre geführt und ihrem Schicksal ausgeliefert. Die geschmolzenen Brennstäbe aus den Reaktorkernen herauszuholen, ist nur sehr schwer möglich, weil dafür erst noch geeignete Technologien entwickelt werden müssen. Selbst wenn das gelingt, veranschlagt die Betreiberfirma rund 40 Jahre für den Rückbau der Atomruinen. In Deutschland gibt es sechs mit Fukushima baugleiche Siedewasserreaktoren, von denen bisher nur zwei abgeschaltet sind. Das Sicherheitsproblem dieser Reaktoren besteht darin, dass sie nur über ein einziges Kühlsystem verfügen. Fällt das aufgrund einer Störung des Pumpsystems oder eines Stromausfalls aus, besteht die Gefahr einer Kernschmelze mit allen Folgen. Das kann auch ohne Erdbeben und Tsunami geschehen. Deshalb muss am Atomausstieg in Deutschland festgehalten werden. Denn schon regen erste Stimmen an, wie die vom ehemaligen CSUVerkehrsminister Ramsauer, über eine Verlängerung der Laufzeiten für die AKW nachzudenken.