Kampf um Würde
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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt April 2018
Arbeitskämpfe sind ein Motor politischer Veränderung. Was heute selbstverständlich scheint, etwa die 40-StundenWoche oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wurde mit Streiks und Kampagnen erzwungen. Auch heute streiten Gewerkschaften für Forderungen, die über Tarifverträge und Branchen hinausweisen. PflegerInnen an der Berliner Charité und im Saarland beharren auf einer verbindlichen Personalbemessung, die IG Metall kämpfte für ein Recht auf Teilzeit mit Lohnausgleich, Amazon-Beschäftigte für einen Tarifvertrag nach Einzelhandelskonditionen und gegen Arbeitshetze und Überwachung. Dass um Arbeitsbedingungen hart gerungen werden muss, liegt in der Natur des Kapitalismus. Schon Marx formulierte, das Kapital habe die Tendenz, „sobald ihm Verlängerung des Arbeitstags ein für allemal durch das Gesetz abgeschnitten ist, sich durch systematische Steigerung des Intensitätsgrads der Arbeit gütlich zu tun und jede Verbesserung der Maschinerie in ein Mittel zu größerer Aussaugung der Arbeitskraft zu verkehren.“ Das ist in Zeiten von Arbeit 4.0 nicht anders als in der Frühphase der Industrialisierung, in der Metallindustrie nicht anders als beim Pflegepersonal im Krankenhaus. Solange der Kapitalismus besteht, müssen wir ihm die kleinsten Verbesserungen abtrotzen und dann alle Kraft aufbieten, um das Erreichte zu verteidigen. Dabei müssen Gewerkschaften und parlamentarische Linke zusammenarbeiten: Was in Arbeitskämpfen durchgesetzt wurde, muss rechtlich fixiert werden; was im Gesetz steht, muss verwirklicht werden. 8-Stunden-Tag, Entgeltfortzahlung und betriebliche Mitbestimmung sind Beispiele dafür, was sich so erreichen lässt. Schwächelt die ArbeiterInnenbewegung, kann ebenso viel verloren gehen. Als um die Jahrtausendwende die Gewerkschaften Mitglieder verloren und die SPD gegen die Interessen von ArbeitnehmerInnen Politik machte, wurden rapide arbeitsund sozialrechtliche Errungenschaften geschleift. Bei vielen wuchs das Gefühl, mit ihren
Interessen von der SPD nicht mehr vertreten zu sein. Einige kamen zur LINKEN. Doch andere wenden sich nach rechts. Rechte Listen treten bei Betriebsratswahlen an, AfD-Funktionäre laufen ungefragt auf Gewerkschaftsdemos mit, 15 Prozent der DGB-GewerkschafterInnen wählen AfD. Dahinter steckt aber nicht immer ein faschistisches Weltbild, sondern das subjektive Empfinden, AfD und Co. würden ihre Probleme kennen und ihre Sprache sprechen. Dass das AfD-Programm von Arbeitgeberinteressen geprägt ist, wird zur Nebensache. Die Nation allerdings bleibt bloß vorgestellte Gemeinschaft, geeint durch gemeinsame Identitätszuschreibungen, nicht durch gemeinsame Interessen. Die Interessengegensätze verschwinden dabei nicht, sie werden zugeschüttet und verschärfen sich. Das nährt Wut. Sie entlädt sich nicht etwa gegen das Kapital und seine Machtmechanismen, sondern gegen die Entrechteten dieser Gesellschaft: Geflüchtete, ArbeitsmigrantInnen, Erwerbslose, Obdachlose. Die „Verdammten dieser Erde“ werden gegeneinander gehetzt. Ein Kampf um Krümel statt um den Kuchen. DIE LINKE muss in und mit den Gewerkschaften Position beziehen: Für den Zusammenhalt der Belegschaften, für gute Arbeit, für Streit- und Streiklust statt Krötenschlucken. Linke Politik heißt, der Wut eine Richtung zu geben. Strukturen zu bekämpfen und nicht Menschen. Interessengegensätze sichtbar zu machen, statt sie zuzuschütten. Mit den Beschäftigten vor Ort in ihrer Sprache zu sprechen, ohne einfache Antworten zu geben. DIE LINKE muss deshalb Arbeitskämpfe als Impulsgeber nutzen, um Visionen zu entwickeln und konkrete Verbesserungen durchzusetzen. Aus solchen Auseinandersetzungen kann für die Beschäftigten Selbstbewusstsein erwachsen, das nicht auf der Abgrenzung beruht. Sondern auf der Erfahrung, dass, wer für seine Interessen einsteht, sich seine Würde selbst zurückgibt. • Sabine Zimmermann, MdB und Cornelia Falken, MdL