Erste Auswertung der Kommunalwahlen
Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Juni 2014
Die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen haben am 25. Mai ihre Interessenvertreter/innen in die Kommunalparlamente gewählt. DIE LINKE ist wieder drittstärkste Kraft (mit Stimmenanteil von 16,5 %) in den Kommunen, nach der CDU (mit 33,3%) und den Wählervereinigungen (mit 23,7%). In den Kommunen, wo sie in den vergangenen Jahren erfolgreiche Arbeit geleistet hat, konnte sie ihre Wahlergebnisse stabilisieren oder sogar ausbauen. So legte DIE LINKE in allen kreisfreien Städten zu. Den höchsten Zuwachs an Wählerstimmen erzielte sie in der Stadt Dresden mit einem Anstieg um 4,7 %, absolut um 42.872 Stimmen. In Leipzig erreichte DIE LINKE prozentual das beste Wahlergebnis (mit 24,2 %), vor Chemnitz (mit 23,6%) und Dresden (20,9 %). Den Spitzenplatz errang DIE LINKE in Bennewitz mit 51,2 %. In den Kommunen, in denen sie Bürgermeister stellt oder unterstützt, konnte DIE LINKE gute bis sehr gute Wahlergebnisse erreichen. Ihre Schwäche liegt im ländlichen Raum. In 134 von 429 Gemeinden trat sie mit keinen Kandidaten an. Am besten flächendeckend präsent war sie im Landkreis Leipzig. Nur in zwei Gemeinden konnte sie dort keine Kandidaten für die Gemeinderatswahlen aufstellen, so dass der Landkreis Leipzig mit einem Stimmenanteil von 16,9 % der für die LINKE erfolgreichste Landkreis ist. Hier gab es auch die besten Wahlergebnisse in Bennewitz, Böhlen, Borna, Rötha, Brandis und Kitzscher. In den Kreistagen wurde die LINKE zweitstärkste Kraft hinter der CDU. In den Landkreisen Zwickau, Leipzig und Bautzen erreichte sie Wahlergebnisse über dem Landesdurchschnitt von 16,5 %. Wählervereinigungen und SPD sind in den Kreistagen die drittstärkste Kraft. Die neu gegründete AfD erzielte bei den Kreistagswahlen landesweit 5,4 %. Sie trat jedoch nur in sechs Landkreisen an. Auffällig ist:
Dort, wo die AfD gute Wahlergebnisse erzielte, hatte die LINKE mit erheblichen Stimmenverlusten zu kämpfen. Bei den Ortschaftsratswahlen sind die Wählervereinigungen die eindeutigen Gewinner. Über 2.700 Sitze erreichten die verschiedenen Wählergruppierungen. Die Parteien spielen in den 825 Ortschaften nur noch eine geringe Rolle. Die CDU ist mit einem Stimmenanteil von 34,3 % noch in den Ortschaften präsent. DIE LINKE hat als Partei in den Ortschaften nur noch einen geringen Einfluss. Teilweise ist sie in den Wählervereinigungen vor Ort präsent. Die Ergebnisse der Kommunalwahlen zeigen, dass DIE LINKE zwar zweitstärkste Partei in Sachsen ist, aber erhebliche Stimmenverluste hinnehmen musste. Es gibt große regionale Unterschiede. Dieses Kommunalwahlergebnis kann nicht zufrieden stimmen. In den nächsten Jahren muss DIE LINKE ihre kommunale Basis landesweit stärken und ausbauen. Der ländliche Raum braucht aktive Unterstützung. Mehr Mitstreiterinnen und Mitstreiter für die Kommunalpolitik vor Ort sind nötig, die Bürgerbeteiligung in den Kommunen ist aktiv zu gestalten. Die vielen Kommunalpolitikerinnen und -politiker sowie die vielen Wahlkämpferinnen und -kämpfer verdienen herzlichen Dank für die geleistete Arbeit vor Ort. Ohne diese ehrenamtliche Arbeit in den Kreistagen, Stadt-, Gemeinde- und Ortschaftsräten wäre DIE LINKE nicht so erfolgreich. Sie braucht viele engagierte Menschen, die sich für eine soziale, transparente und bürgerbeteiligte Kommunalpolitik einsetzen. Die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, bessere Bildung und der Ausbau der kommunalen Demokratie sind für die LINKE entscheidende Aufgaben. Die Grundlagen für eine aufgabengerechte Finanzierung der Kommunen legt die Regierungskoalition fest. Seit Jahren erhalten die Landkreise, Städte und Gemeinden weniger Schlüsselzuweisungen vom Land, aber mehr Aufgaben werden übertragen. Diese schreiende Ungerechtigkeit zwischen Land und Kommunen muss endlich beseitigt werden! Dafür und vieles mehr lohnt es sich, zu kämpfen.
Links! im Gespräch
Links! 06/2014 Leonore Thielemann kann auf ein wechselvolles Leben verweisen. Aufgewachsen auf der Meißener „Fürstenschule“ St. Afra als Tochter eines Naturwissenschaftlers, ausgebildet zur Chemikerin und technischen Zeichnerin, entwickelte sie sich zur Kunstmalerin, zur Chronistin ihrer Heimat und Beobachterin fremder Länder. Heute lebt sie idyllisch, aber abgeschieden in einem kleinen Ort in der sächsischen Schweiz und ist trotz ihres hohen Alters aktiv – sie malt, unterrichtet Künstlernachwuchs, betreut am Telefon andere Menschen, die auch einsam sind. Sorgenfreiheit sieht anders aus, denn die Freizeitpädagogin lebt selbst am Existenzminimum. „Links!“ sprach mit ihr über Gestern, Heute und Morgen. Frau Thielemann, Sie stammen aus einem bildungsbürgerlichen Elternhaus. Wie hat Sie das geprägt? Wir durften in unseren Lehrerhaushalten leben als Kinder, wir wurden zwar gut beeinflusst mit Wissen und Manieren, aber ansonsten in Ruhe gelassen. So habe ich mir für die Entwicklung Zeit genommen. Das war vorbei, als ich nach nur drei Jahren von der Volksschule auf die Oberschule wechseln musste. Ich war noch nicht bereit dazu, wollte noch ein bisschen trödeln. Die Oberschule war nazistisch geprägt. Man verfügte über mich, und ich durfte nicht tun, was ich wollte. Mein Vater wurde als Lehrer, der sich nicht beugte, von der Fürstenschule strafversetzt und dann noch zum Volkssturm eingezogen. Er war 24 Jahre älter als meine Mutter, die beiden verstanden sich bald nicht mehr, und man hat sich mit mir nicht beschäftigt. Das war für mich alles sehr schwierig, so bin ich in das Kriegsende gerutscht. Dann kamen die furchtbaren Erfahrungen, die Leichen, die im Wind schaukelten. Das vergisst ein Kind nicht. Dann kamen die Buchenwaldhäftlinge. Wir wollten denen, weil sie im Rittergut im Winter in einem Hühnerauslauf lagern mussten, etwas Stroh von der Scheune runterwerfen. Da habe ich auch die SS kennengelernt. Auf unserer Flucht nach Freiberg haben wir diese Buchenwaldhäftlinge wiedergetroffen, was von denen noch übrig war. Dann kam die Siegesfeier der Russen. Die haben uns nichts getan, aber wir hatten panische Angst vor ihnen. Folgte Aufbruchsstimmung? Ich habe 1950 mein Abi an einer Dresdner Oberschule gemacht. Wir wurden nicht gefragt, mussten unseren Mann stehen, Leistung zeigen. Wir mussten plötzlich einem Haushalt vorstehen, in die Schule gehen, kulturell tätig sein. Dann kam die politi-
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„Aber ich bettele nicht“
sen. Mit dem Zug kann ich nicht mehr fahren, weil man als Gehbehinderte hier in unserem Ort nicht ein- und aussteigen kann. Es wird für uns Alte immer dünner. Wir müssen unseren Geist immer mehr anstrengen, dass wir noch Möglichkeiten finden, um hier zu überleben. Wir können nicht von anderen dauernd Hilfe in Anspruch nehmen. Das untersagt unser Stolz. Wir wollen unser eigenes Leben führen. Ich will nicht Bettelsuppen ins Haus getragen bekommen. Es gibt eine Notlösung, den ASB Königstein, mit dem wir einmal in der Woche für eine Stunde nach Pirna zum Einkaufen fahren können. Das ist aber ein Provisorium. Hilft die öffentliche Hand?
sche Orientierung, die Abwendung von der Kirche. Wir waren ja streng religiös erzogen. Es war für uns ein starker Halt, dass es ein Wesen gab, das für alles verantwortlich zeichnete und wo wir uns in der größten Not hinwenden konnten. Auf einmal wurde alles umgeworfen. Das war hart, aber eine gute Lebensschule. Durch mein Leben zieht sich dieser Faden der Entwicklung nach dem Kriege. Die viele Hoffnung, die wir hatten, nochmal in ein normales Leben zu kommen. Ich war vorgesehen, in Leipzig Literatur und Journalismus zu studieren. Mein Zeichenlehrer hatte mich an der Dresdener Kunstakademie angemeldet, ohne Prüfung wäre ich angenommen worden. Aber ich habe mir nichts zugetraut. Da bin ich Chemikerin geworden. Haben Sie als Chemikerin gearbeitet? Ja, als Spektrochemikerin, in Strömungsmaschinenbau und Werkstoffprüfung. Dann wollte ich mein Kind selbst groß ziehen. Ich hatte beim Studium auch technisches Zeichnen abgeschlossen, habe mich also zum Teilkonstrukteur weiterentwickelt und daheim gearbeitet. Im Nachhinein kann ich das alles in meinem Beruf verwerten, wenn ich zum Beispiel ein Sägegatter zeichne. Dann bin ich dankbar, dass ich Maschinen porträtieren kann.
das damals, zuliebe habe ich meinen Beruf noch einmal geändert und in Dresden mein letztes Studium, das eigentlich nicht das Letzte sein sollte, absolviert, als Leiterin im Volkskunstschaffen mit Lehrbefähigung. Diese ganze Zeit hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin, auch dazu, dass ich mit Menschen, besonders alten, umgehen kann. Deshalb versuchen Sie auch im hohen Alter, zu helfen. Ich habe Aufgaben, die mich am Leben halten, obwohl ich manchmal ganz schön runtergedrückt bin. Die Schönheit des Lebens muss ich mir immer wieder vor Augen führen, aber die Aufgaben sind doch das Wichtigste, was der Mensch hat, und dass er helfen kann. Ich telefoniere mit anderen, die auch Angst vor der Zukunft haben, ohne sie zu kennen, spreche mit ihnen die Lebensmaximen durch. Nicht salbungsvoll, nicht im Gebetsrhythmus, sondern ganz normal. Vor einigen Tagen hat mich eine Nachbarin besucht, weil sie nicht mehr ein und aus wusste. Als sie kam, stand ihr die Angst ins Gesicht geschrieben, sie wusste nicht weiter. Sie hatte Angst vor der Zukunft, Angst vor allem. Ich habe ihr Bilder gezeigt, und als sie ging, strahlte sie, freute sich, dass sie etwas zu sehen bekam. Die Angst stand ihr nicht mehr im Gesicht.
Man lernt nie etwas umsonst.
Dabei sind Sie selbst nicht frei von Angst.
Nein. Später habe ich in Wehlen kulturelle Kinder- und Jugendarbeitsgemeinschaften geleitet. Das war die schönste Zeit. Als ich das aufgeben musste, war das schlimm. Die Kinder haben mich gebeten, weiter zu machen, aber der Rat des Kreises wollte, dass ich mich als Kunsthandwerker selbstständig mache. Dann war ich Fachberaterin beim Rat des Kreises. Dieser gesellschaftlichen Arbeit, so hieß
Nein. Es geht um meine und meines Nachlasses Zukunft. Das sind viele Bilder, Skizzen und so weiter. Ich habe durch den Unterricht versucht, Nachfolger zu finden. Das ist misslungen. Ich habe mir die Frage gestellt, ob ich überaltert bin, ob ich mich ändern muss oder ob die jungen Menschen sich ändern müssen und versuchen sollten, nachzuforschen, warum wir so geworden sind, wie wir sind, und was
wir alles erleben mussten. Wir haben uns Mühe gegeben, unser geistiges Eigentum und das Eigentum der Nation zu erhalten. Das war sehr im Wanken. Wir hatten kaum etwas zu essen, haben gefroren, aber wir haben Theaterbesuche organisiert, Musik gepflegt, unser Kulturgut hochgehalten. Was wir ererbt haben, wollen wir bewahren und weitergeben. Da habe ich angefangen mit meinen Lebensbildern, damit ich die Vergangenheit mit Bildern begreiflich mache, weil viele das geschriebene oder gesprochene Wort nicht mehr verstehen wollen. Auch Ihre Kunst beschäftigt sich mit Ihren Reisen, etwa in die Toskana. Mich interessieren vor allem die Menschen, ich unterhalte mich mit ihnen, obwohl ich kaum ihre Sprache spreche. Nur mit Gesten. Wir verstehen uns aber. Diese Begegnung ist das Interessante. Man muss versuchen, sich geistig in dieses Milieu zu vertiefen und sich selbst zu vergessen. Dann kommt man auf eine gemeinsame Basis. Reisen kann ich heute nicht mehr. Es ist gut, dass Sie gekommen sind, damit Sie sich unsere schöne Landschaft mit den unschönen Möglichkeiten für uns Bewohner ansehen können. Und sich auf der Zunge zergehen lassen, wie ein alter Mensch hier lebt. Was meinen Sie damit? Dass ich hier angebunden bin, dass ich keine Möglichkeit mehr habe, ein Konzert zu besuchen. Meine Rente liegt unterhalb der Armutsgrenze. Mit der muss ich auskommen. Das ist ein Rechenkunststück. Das ist keine Klage – ich schaffe das! –, sondern eine Feststellung von Tatsachen, die ich verdammt ungerecht finde. Wir haben unser Leben lang gearbeitet, und wir haben immer ehrenamtlich gearbeitet, nebenbei. Man wird hängengelas-
Ich habe es erlebt, dass ich von der Wohngeldstelle weinend nach Hause gefahren bin, weil man mir gesagt hat, dass „ich die Klitsche verkoofen soll“. Dann hätte ich genug zum Leben und bräuchte nicht zu betteln. Dann habe ich Grundsicherung beantragt, und da kam vom Landratsamt in etwa dieselbe Antwort. Ich habe für Zigtausende Bilder verschenkt an staatliche Institutionen, auch an das Landratsamt, zuletzt an ein Altenheim. Aber das habe ich gerne getan. Sie hätten die Freude in den Augen der alten Leute sehen sollen, als ich ihnen sagte: Die Bilder müssen Sie nicht wieder hergeben, das sind ihre. Die Menschen sind so misstrauisch geworden, dass es nicht in ihren Kopf reingeht, dass jemand etwas einfach so hergibt. Was wünschen Sie sich? Ich wünsche mir, dass man uns wenigstens die Fahrt zu einem Facharzt bezahlt, wie es früher von den Kassen möglich war. Wer hier kein Auto hat, ist abgehängt. Ich kann mir die Fahrtkosten nicht leisten. Warum streicht man uns in den Gegenden, in denen es keine Verkehrsanbindung gibt, die Finanzierung dieser Fahrten? Auch ein Schwerbehindertenausweis ist sehr schwer zu bekommen. Und ich bettle nicht. Ich war schon jahrelang nicht mehr beim Arzt und habe beschlossen, dass ich nicht hingehe, sondern, wenn ich krank werde, ins Jenseits eingehe. Warum lässt man uns nicht in Ruhe und ohne Angst alt werden? Wir wünschen kein Mitleid und keine Barmherzigkeit, sondern unser Recht. Was raten Sie anderen? Ich versuche, mich in meiner Abgeschiedenheit noch kundig zu machen, mich zu informieren. Das gelingt mir ganz gut, und ich lebe deshalb auch interessant. Die Fragen stellten Kevin Reißig und Andrea Roth.
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06/2014 Links!
Alle Jahre wieder
Resignierte Anmerkungen zu einer Serie schlechter Trivialliteratur Manchmal ändert sich etwas im Freistaat Sachsen. Langsam, und nicht immer zum Besseren. Und vieles bleibt einfach, wie es schon immer gewesen ist. Als endlose Kette von Wiederholungen. Wie im Fernsehen. Jedes Jahr zu Sylvester fragt Butler James in der Komödie „Dinner for one“ eher rhetorisch: „Same procedure as last year?“ Und Miss Sophie antwortet erwartungsgemäß „Same procedure as every year“. Jedes Jahr legt das Landesamt für Verfassungsschutz - mit der bereits üblichen Verspätung seinen Bericht vor. Und jedes
Jahr fragt man sich rhetorisch und resigniert, ob es sich dabei eher um einen kreativen Umgang mit der Wahrheit oder aber um das berühmte Münchhausen-Syndrom handelt. Dieses Jahr aber war alles anders. Nun ja, etwas anders wenigstens. Es durchbrach jedenfalls das bekannte Schema, dass der Geheimdienst des Freistaates im Vorfeld seines Berichts Zahlen zur Statistik politisch motivierter Kriminalität präsentierte, die einen drastischen Anstieg linker Straftaten belegen sollten. Dumm war nur: Erstens ist für Straftaten die Polizei zu-
ständig, nicht das Landesamt für Verfassungsschutz. Dieses hat auch keine eigenen Erkenntnisse dazu. Zweitens waren die Zahlen nun wirklich nicht neu, denn die Statistik auch der politisch motivierten Kriminalität war längst durch den Innenminister vorgestellt worden. Und drittens stimmten die präsentierten Zahlen schlichtweg nicht. Ausgerechnet „BILD“ hatte zuvor eine Analyse publiziert, die deutlich stärker durch Realismus geprägt war und sowohl auf Ursachen als auch auf regionale Verteilung einging. Was der „Verfassungsschutz“ selbstre-
dend unterlassen hatte. Viertens reihten sich die Behauptungen des Landesamtes in eine Propagandakampagne ein, deren Ursprung im Bundesinnenministerium liegt. Und der Weg von Thomas de Maizière zu Markus Ulbig ist ungefähr so lang wie der von Georg Maaßen zu Gordian Meyer-Plath. Man bemerkt die (parteipolitische) Absicht und ist verstimmt. Wenn simple Verstöße gegen das Versammlungsrecht, wie die Teilnahme an Sitzblockaden, in den behaupteten drastischen Anstieg von Straftaten durch „Linksextremisten“
einfließen, relativieren sich die Zahlen deutlich. Im konkreten sächsischen Fall hieße dies, dass auch die Ermittlungen gegen knapp 400 Personen wegen der Geschehnisse in Plauen am 1. Mai in die Statistik einfließen würden. Fünftens ist laut „Spiegel“ der starke Anstieg linksmotivierter Straftaten wesentlich auf diesen Deliktbereich zurückzuführen. Sechstens – und nicht zuletzt - sei darauf verwiesen, dass nach gleicher Quelle Polizeikreise die betreffende Statistik für „abstrus“ erachten. In Sachsen arbeitet man weiterhin mit der „abstrusen“ Statistik. „Same procedure as every year“. Nichts hat sich geändert. Nicht an der mangelhaften Analysefähigkeit des Landesamtes, die bereits zu Beginn der Aufklärung des NSU-Skandals eingeräumt wurde. Daran scheint es vor allem noch immer an der Spitze des Amtes zu mangeln. Wenn der Präsident Gordian Meyer-Plath im Interview mit der „Zeit“ allen Ernstes aus dem faschistischen Theoretiker Ernst Niekisch einen Lyriker macht oder bei einer öffentlichen Veranstaltung die Band „Die Ärzte“ in die Nähe der kriminellen Vereinigung „Landser“ rückt, dann ist das Maß des Erträglichen überschritten.„Same Procedure as every year“? Nächstes Jahr wieder? Ich kann nicht mehr darüber lachen. Schafft dieses überflüssige und peinliche „Landesamt für Verfassungsschutz“ endlich ab! Kerstin Köditz
sium im benachbarten österreichischen Städtchen besuchen kann. Natürlich erweitert das das Weltbild, und nebenbei erfährt man noch, dass er in Österreich schon als Siebzehnjähriger Bier trinken darf, was ihm in Slowenien erst mit 18 Jahren
Diese Glosse schreibe ich eine Woche vor der Wahl zum Europäischen Parlament. Da kann man die Antwort auf die Frage natürlich für offen erklären. Dann muss man aber auch daran glauben, dass dieses Europäische Parlament wirklich über das Schicksal Europas entscheiden kann. Wenn die Glosse erscheint, ist die Wahl gelaufen. Auf die Frage zu antworten ist deshalb nicht einfacher geworden. Die älteste Antwort findet sich in der griechischen Mythologie. „Europa“ war eine phönizische Königstochter, auf die Zeus ein Auge geworfen hatte. In Gestalt eines Stiers entführt er sie schwimmend nach Kreta
und verführt sie dort endgültig. Europa – schön, erotisch, sexy – wie Conchita Wurst? Nun, das Europa von heute scheint komplizierter zu sein, selbst komplizierter als das reale Fabelwesen Conchita. Man weiß schon nicht, wer und was ist Europa. Die österreichische „Kleine Zeitung“ titelte am Sonntag vor der Europawahl, „Europa hautnah erlebt“. Es ging nicht um Erotik und Sex, auch wenn „hautnah“ fett und größer als die anderen Worte gedruckt wurde. Im Untertitel stand vielmehr die Aufforderung: „Lesen Sie in Nahaufnahme, wie es sich in und mit der EU lebt.“ Aha! Die EU ist gleich Europa? Nein, das noch nicht, aber verführerisch für den Rest, der noch nicht zur EU gehört? Zum Anbeißen attraktiv wird diese EU jedenfalls in insgesamt zehn Beiträgen dargestellt. Wer kann da widerstehen, gar einen Haken vermuten? Soll ja auch keiner und keine! Man lässt sich doch gerne entführen in ein Europa, in dem ein slowenischer Junge, der sieben Sprachen spricht, das Gymna-
die Ukraine diesem Charme erliegen sollte. Und, und, und ... Künstler, Unternehmer, Bauern ... verführerische Chancen! Um ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Ich finde ein solches Europa toll. Deswegen werde ich aber nicht gleich zum Stier wie der verliebte Zeus. Zum „Stier“ wird man nämlich hierzulande nicht aus Liebe. Zum „Stier“ wird man vielmehr auf spanische Art, wenn eine Sache sich zum „roten Tuch“ wandelt und man ihr wütend den Kampf ansagt. Genau auf solche Weise werde ich zum Stier, wenn ich feststelle, dass die „Verführer“ Europas ganz andere sind als nur sympathische Studentinnen, Gymnasiasten, Sportlerinnen, Künstler oder Bauern. Dieses Europa ist längst entführt zu anderem Vorteil und anderen Zwecken. Bei einer Podiumsdiskussion im Vorfeld der Europawahlen ging es um die Frage, ob man nicht vielleicht aus der EU austreten sollte. Könne man so nicht dem Einfluss des großen Geldes und seiner Banken entgehen, die
sich Europas bemächtigt haben und es schändlich für ihre Zwecke missbrauchen? Kapital und Banken hörige Politiker und Politikerinnen rühmen und verteidigen den Burgfrieden im Inneren und verhalten sich aggressiv und kriegerisch nach außen. Und hinter der Ecke lauern zu allem Überfluss noch die USA mit einem Freihandelsabkommen zur Entführung der Entführten. Dem allen könne man nur durch Austritt entgehen und hätte es leichter, im nationalstaatlichen Rahmen eine soziale, gerechte, ökologische und demokratische Gesellschaft durchzusetzen. Doch schon bei Zeus war die Devise gegenüber der schönen Europa klar und deutlich: „Bist Du nicht willig, so brauch‘ ich Gewalt!“ Glaubt wer im Ernst, das eigentlich herrschende Kapital ließe die Wahl, nicht mehr mitzumachen? Nein, aus diesem Serail entführen können ihr schönes Europa nur die Menschen selbst, um sich zu befreien zum Widerstand von unten für ein Europa der Menschen und ihrer Kulturen!
Warum und zu welchem Ende entführt man Europa? erlaubt wäre. Eine junge Frau erzählt von ihren Heimaten. In Serbien wurde sie geboren. In Zagreb leben die Großeltern. In Wien hat sie trainiert, um schließlich für Österreich die Goldmedaillen aus dem Wasser zu fischen. An anderer Stelle lesen wir von einer ukrainischen Studentin, wie sie das Europa der EU erlebt und deshalb auch
Hintergrund
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Aufklärung des NSA-Skandals wird blockiert zu den USA und Großbritannien. Vermeintliches Staatswohl wird gegen Grundrechtsschutz und Informationsfreiheit ausgespielt. Auf der Strecke bleibt die parlamentarische Aufklärung der massenhaften und anlasslosen Überwachung der Menschen sowie politischer und wirtschaftlicher Spionage in der Bundesrepublik. Ein unglaublicher Vorgang, zumal sich Herr Snowden über seinen Anwalt ja ausdrücklich bereit erklärt hat, hier auszusagen, wenn ihm sicheres Geleit oder auch ein Aufenthaltsstatus in Deutschland zugesichert wird. Nach der Rückkehr der Kanzlerin aus den USA wurde zwar
die Ladung Snowdens beschlossen, aber die CDU will ihn allenfalls in Moskau vernehmen, wohl wissend, dass er dort nicht über Details der NSA sprechen darf, ohne sein Asyl in Russland zu gefährden. Die Bundesregierung ist gesetzlich verpflichtet, die Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses zu unterstützen. Deshalb war es indiskutabel, dass das Kanzleramt für sein Gutachten eine amerikanische Anwaltskanzlei einschaltete, die gleich noch prüft, welche juristischen Folgen die Vernehmung Snowdens in Deutschland haben könnte. Unverhohlen wird gewarnt, dass die Mitglieder
des NSA-Untersuchungsausschusses sich durch eine Befragung Snowdens womöglich strafbar machen würden. Es sei sogar möglich, dass die deutschen Abgeordneten bei der nächsten US-Reise in Haft genommen werden. Das ist ein unerträglicher Versuch der Einschüchterung gewählter Volksvertreter, die einstimmig vom Bundestag den Auftrag erhalten haben, die NSA-Affäre aufzuklären. Wir jedenfalls lassen uns von niemandem einschüchtern. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse darf man vom Ausschuss keine Wunder erwarten, einige brisante Dinge wird
er aber wohl doch zutage fördern. Schon in der ersten Anhörung machten gleich drei Verfassungsrechtler deutlich, dass die NSA-Aktivitäten in Deutschland eindeutig gegen das Grundgesetz verstoßen und die Bundesregierung verpflichtet wäre, die Bürger davor wirksam zu schützen und ggf. auch politischen Druck auf die USA auszuüben, zum Beispiel durch einen Baustopp für das neue NSA-Spionagezentrum in Wiesbaden oder eine Aussetzung der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen. Frau Merkel fehlt dazu ganz offensichtlich der Mut. André Hahn Eliza does / Wikimedia Commmons
Die im Bund regierende Koalition unternimmt seit Wochen fast alles, um im Bundestag die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses zu torpedieren. Das begann beim Umgang mit dem Antrag von LINKEN und Grünen, Edward Snowden, der den Überwachungsskandal aufgedeckt hat, als Zeugen in Berlin zu vernehmen. Die Entscheidung hätte schon im April fallen müssen, aber CDU/CSU und SPD setzten mit ihrer Mehrheit eine Verschiebung durch. Man wolle erst eine Stellungnahme der Bundesregierung einholen, unter welchen Umständen die Einreise Snowdens nach Deutschland möglich sei, wie er hier geschützt werden könnte und was der Umstand bedeutet, dass er wegen Geheimnisverrats von den USA strafrechtlich verfolgt wird und ein Auslieferungsersuchen vorliegt. In Wahrheit ging es darum, dass der für Anfang Mai geplante Besuch der Bundeskanzlerin bei US-Präsident Obama nicht durch eine Zeugenladung Snowdens überschattet wird. Als die Stellungnahme der Bundesregierung eintraf, wurde klar: Die Regierung will eine Vernehmung des Whistleblowers Edward Snowden vor dem Ausschuss verhindern. Argumentiert wird, eine Befragung Snowdens in Berlin gefährde die guten Beziehungen
Unser ukrainisches Dilemma: Wer sind „die Guten“? Die Ukraine, mit ihren 46 Millionen Einwohnern eines der großen Länder Europas, ist in einer tiefen Krise. Sie hat bereits einen Teil ihres Staatsgebietes verloren und steht womöglich am Rande der Spaltung und/ oder eines Bürgerkrieges. Das Land ist angesichts der Brückenfunktion zwischen EUEuropa und den weiter östlich liegenden Staaten der postsowjetischen Sphäre (die auch mit dem umstrittenen Begriff „Eurasien“ umschrieben werden) tatsächlich von erheblicher geostrategischer Relevanz. Allen dürfte klar sein, dass eine weitere Verschärfung der Situation in diesem Nachfolgestaat der Sowjetunion schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Folgen für die weitere Entwicklung Europas haben dürfte. Dies gilt doppelt für uns in Mitteleuropa, denn die Russländische Föderation (RF)*, eine der Konfliktparteien, ist einer der wichtigsten Wirtschaftspartner der BRD. Viele Menschen in Deutschland und viele unserer Genossinnen und Genossen haben Sympathien für die Putin-Regierung, die den „EU-Europäern“ und
den „Amerikanern“ zeigt, „was eine Harke“ ist. Emotional ist das auch angesichts täglich erlebter einseitiger „schwarz-weißer“ Berichterstattung in den deutschsprachigen Leitmedien gut verständlich. Angesichts des amerikanischen Interventionismus und postkolonialer EUEinmischungspolitik (z. B. in Afrika), angesichts der langjährigen „Eindämmungspolitik“ der USA und der NATO gegen Russland, angesichts der offensichtlichen Diskriminierung russischsprachiger Bevölkerungsgruppen in der EU (z. B. in Estland und Lettland) scheint das russländische Vorgehen in „seinem Vorgarten“ legitime Züge zu haben. Bei aller berechtigten Kritik an der Politik „des Westens“ ist es dennoch geboten, ebenso kritisch über die Politik der RF zu urteilen. Die Putin-Regierung betreibt ihrerseits eine imperiale Außenpolitik und eine autoritärreaktionäre Innenpolitik. Politische Gegner_innen, darunter alle linken, ökologischen, feministischen und Menschenrechtsgruppen, werden offen unterdrückt, Menschen mit abweichenden Lebensweisen
werden faktisch zum Freiwild für Nazis und christlich-orthodoxer Aktivist_innen erklärt. Die gegenwärtige RF ist keine „verkleinerte Sowjetunion“, wiewohl sich viele Menschen (zum Beispiel in der Ukraine und in Russland) nach einer solchen sehnen. Sie ist ein bürokratisch-kapitalistischer Staat, in dem soziale Standards systematisch abgebaut werden. Vladimir Putin, im Westen häufig genug eine Projektionsfläche für negativste antirussische Stereotype, ist ein geschickter Staatsmann und Machtpolitiker. Er hat allerdings keineswegs die Interessen der Menschen im Blick, so wie dies progressive sozialistische Linke verstehen würden. Auch und gerade die RF steht nicht „auf der Seite des Fortschritts“. Die Implementierung der Krim in die RF bleibt fragwürdig. Der notwendige Schutz russischsprachiger Menschen kann und muss auch auf anderen Wegen erfolgen können. Es scheint mir wichtig, auch dies im Rahmen unserer Friedensinitiativen herauszustellen. Noch ein Blick jenseits der geo-
politischen Schachspielerperspektiven. Zu oft rückt die von Korruption und oligarchischen Machtspielen schwer geplagte Ukraine aus dem Fokus. Auf die innerukrainischen Konfliktlinien, die auch die Geschichtspolitik und unterschiedliche regionale Entwicklungen einschließen, kann hier leider nicht eingegangen werden. Wichtig scheint aber folgendes: Für viele der dort lebenden Menschen bedeutet die gegenwärtige Situation vor allem eine zunehmende soziale Not aufgrund von Wirtschaftskrise und politischer Instabilität. Kaum jemand im Westen hat dies im Blick. Nationalistische Perspektiven, ob „pro russisch“ oder „pro westlich“, verschleiern den Umstand, dass die Fragen der sozialen Gerechtigkeit und Freiheit keine „nationalen“ Lösungen haben können. 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges sind wir in der Pflicht, so differenziert, so umsichtig, so weise wie wir nur können über die Ereignisse zu urteilen. Das macht uns glaubwürdig in einem komplizierten, in vielen Zügen imperialen Konflikt, der (un)gleichzei-
tig unter alten nationalistischen, faschistischen und leider auch sowjetischen Flaggen, mit Stereotypen aus dem Kalten Krieg, in jedem Fall aber auf Kosten der Menschen ausgetragen wird. Wir als Linke in der EU müssen gemeinsam mit den uns nahe stehenden Genoss_innen in anderen Teilen Europas und „Eurasiens“ die Forderung nach Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit stellen. Dann können WIR „die Guten“ sein. Boris Krumnow ist Mitglied des Osteuropa-Netzwerkes AGRU und stellvertretender Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. Er tourt zur Zeit mit einem Workshop zu geschichtlichen und aktuellen Hintergründen des Konfliktes in und um die Ukraine durch Sachsen. * Der in der Osteuropaforschung häufig gebrauchte Begriff „russländisch“ gibt den Staatsnamen der Föderation genauer wieder. Seine Verwendung richtet sich auch gegen die Vermischung ethnischer und sprachlicher Identitäten mit dem Staat und der Regierung der Föderation.
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Juni 2014
Sachsens Linke
Tilman Loos arbeitet die Satzungsänderungen auf, die der Bundesparteitag vorgenommen hat. Jule Nagel ordnet Diskussionen um eine Moschee in Leipzig ein. Klaus Tischendorf be richtet umfassend von
einer Delegationsreise der Staatsregierung nach Japan mit Ministerpräsident Tillich, an der er als Vertreter der Opposition im Sächsi-
schen Landtag teilgenommen hat. Dazu gibt es interessante Veranstaltungseinladungen.
Dialog für Sachsen
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Weiter voran gegen AfD & Co.
Ein Ergebnis mit Licht und Schatten Am 25. Mai waren die WählerInnen im Freistaat aufgerufen, ein neues Europäisches Parlament zu wählen und die Kommunalparlamente neu zu bestimmen. Für DIE LINKE. Sachsen war dieser Wahltermin nicht nur eine Pflichtübung zwischen Bundestagswahl und Landtagswahl. Im Freistaat haben unzählige Mitglieder, Aktive und SympathisantInnen einen engagierten Wahlkampf für eine starke LINKE hier und in Europa geführt. Am Wahlabend war der Blick auf die Bildschirme dann jedoch zunächst ernüchternd. Ohne Zweifel hatten sich viele andere Ergebnisse für die Europawahlen ausgerechnet. Das vorläufige Endergebnis sollte sich bei 7,4 Prozent einpendeln. Dass DIE LINKE bei steigender Wahlbeteiligung bundesweit ihr Ergebnis von 2009 halten und am Ende sogar über 200.000 Stimmen hinzugewinnen konnte, ist jedoch zumindest ein Erfolg. Dass die Partei einen Sitz abgeben muss und nunmehr auf sieben Sitze im Europaparlament kommt, war angesichts der verringerten Gesamtsitzzahl für die Bundesrepublik und des Wegfalls der Drei-Prozent-Hürde dann auch kaum noch überraschend. Der eigentliche Aufreger des Wahlabends war jedoch das Er-
gebnis der rechtspopulistischen AfD. War angesichts fehlender Hürde ein Einzug mittlerweile sicher, so hatte doch kaum einer diese Partei so stark auf dem Zettel. Mit 7,0 Prozent hat sie die Erwartungen deutlich übertroffen. Und offenbart tatsächlich auch in Sachsen ein Problem: Während die Verschiebungen der Europawahlergebnisse mit Ausnahme der FDP im Landesergebnis relativ moderat ausfallen, kann die AfD hier aus dem Stand 10,1 Prozent der Stimmen erringen. Sie erreichte damit zum zweiten Mal nach der Bundestagswahl in Sachsen ein überproportional gutes Ergebnis. Sachsen bestätigt sich damit als Hochburg der Rechtspopulisten. Mit ihrem Ergebnis von 18,4 Prozent verliert DIE LINKE gegenüber 2009 in den landesweiten Europawahlergebnissen 1,8 Prozent. Lediglich in Dresden konnte sie, nach dem tiefen Einbruch nach dem WOBA-Verkauf und den inneren Zerwürfnissen der Stadtratsfraktion, auch bei der Europawahl hinzugewinnen. Deutliche Gewinne zeigten sich in Dresden auch bei den Kommunalwahlen. Das muss als neuerlicher Vertrauensbeweis der WählerInnen für die glaubwürdige Arbeit der Stadtratsfraktion in der vergangenen Le-
gislatur gewertet werden. Auch Leipzig konnte noch einmal hinzugewinnen, in fünf Wahlkreisen wurde DIE LINKE stärkste Partei, landete nur knapp hinter der CDU. Die SPD wurde deutlich auf die Plätze verwiesen. Im Ortsteil Connewitz konnte so beispielsweise ein Plus von 8,5 % der Stimmen gefeiert werden. Auch Chemnitz verbesserte sich nochmals gegenüber 2009. Die Ergebnisse im ländlichen Raum blieben jedoch hinter denen von 2009 zurück. Bei den Kreistagswahlen verlor die Partei im Schnitt rund zwei Prozent der Stimmen. Interessanterweise korreliert die Stimmentwicklung dabei mit der Entwicklung der sächsischen Kreise und kreisfreien Städte insgesamt. Während der ländliche Raum Menschen verliert, wachsen die Großstädte Leipzig und Dresden. Ähnliches zeigt sich bei den Stimmen für DIE LINKE. Dieses Problem teilt sie im Übrigen mit der CDU. Wie die Partei auf die Veränderung des eigenen StammwählerInnenpotentials in Sachsen reagiert und neue WählerInnen gerade im ländlichen Raum für sich gewinnt, wird eine der Hauptfragen sein, die es im Hinblick auf zukünftige Kommunalwahlen zu diskutieren gilt. DIE LINKE hat dabei in beiden Wahlen ihre Position als zweit-
stärkste Partei im Freistaat verteidigt. Die Chancen für einen Wechsel für Sachsen im August unter Federführung der LINKEN sind mit den Wahlgängen nicht unwahrscheinlicher geworden. DIE LINKE, SPD und Grüne hatten gegenüber der CDU bei beiden Wahlen eine klare Mehrheit. Wobei man feststellen muss: Sowohl die Europa- als auch die Kommunalwahlen sind eigenständige Wahlgänge. Das zeigen auch die tatsächlich deutlich unterschiedlichen Ergebnisse der Partei in den Wahlgängen. Sie bilden ein grundsätzlich solides Fundament für den Landtagswahlkampf. Deshalb werden wir mit spezifisch sächsischen Themen für eine starke LINKE im neuen Sächsischen Landtag kämpfen. Thomas Dudzak Korrektur Im Artikel „DIE LINKE. Sachsen wählt Landesliste“ schrieben wir, dass u. a. Edith Franke, Volker Külow und Heiderose Gläß dem nächsten Landtag nicht mehr angehören werden. Richtig ist, dass Edith Franke und Volker Külow nicht auf der Landesliste stehen, Heiderose Gläß als Unterstützerin auf Listenplatz 39. Alle drei treten jedoch selbstverständlich als DirektkandidatInnen in ihren Wahlkreisen an. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.
Die nächste Etappe in diesem Wahljahr haben wir bewältigt. Wir haben einen starken Wahlkampf vor Ort geführt. Ich kann mich an dieser Stelle nur für dieses Engagement bedanken. Die Ergebnisse, das muss man zugeben, blieben hinter unseren Erwartungen zurück. Aber: Wir müssen auch nicht resignieren. Die Union zeigt sich nicht unangreifbar. DIE LINKE, SPD und Grüne können zusammen über fünf Prozent mehr in die Waagschale werfen als die CDU. Diese Wahlgänge sind aber keine Vorwegnahme der Landtagswahlen. Sie können höchstens Potentiale aufzeigen, gerade weil Europa- und Kommunalwahlergebnisse erheblich voneinander abweichen. Gerade im Hinblick auf das Abschneiden der AfD zeigt sich, dass diese zu den Landtagswahlen das Zünglein an der Waage sein kann. Sie profitierte dabei von ihrem offenen Populismus. Klar ist jedoch: Diejenigen, die sie aus Enttäuschung über die herrschende Politik wählten, werden in ihr nicht die Vertreterin der kleinen Leute finden, sondern eine rechtspopulistische, neoliberale und erzkonservative Partei, gegen deren Programmatik die FDP wie eine ArbeiterInnenpartei aussieht. Deswegen gilt für die Landtagswahl: Wer die AfD wählt, verhindert im Zweifel eine Veränderungsmehrheit jenseits der CDU. Eine Wahl der AfD, um die herrschende Politik abzustrafen, kann sich ins Gegenteil verkehren: Ihr Einzug in den sächsischen Landtag ist im Zweifel die Lebensversicherung einer CDU in Regierungsverantwortung.
Sachsens Linke! 06/2014
Meinungen Zu „Eindrücke aus Afghanistan“, SachsensLinke! 05/2014, S. 8 Ich stimme zu, dass nicht der einzelne Bundeswehrsoldat unser Gegner ist, sondern die Bundeswehr als Institution zur Durchsetzung wirtschaftlicher und politischer Machtinteressen auf Kosten der Menschen, und die Auftraggeber(innen) der Bundeswehr. Der Bundeswehrabzug aus Afghanistan ist nur dann beschlossene Sache, wenn die afghanische Regierung die Verbrechen der Bundeswehr zukünftig verfolgen will. Sonst sollen Militärberater bleiben. Das heißt, es soll mehr afghanische und weniger deutsche Tote geben, aber die Bundeswehr soll jederzeit eingreifen können. Warum hat Michael Leutert nicht auch mit Vertreter(inne)n der Zivilgesellschaft gesprochen, die die Besatzungstruppen ablehnen? „Eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung, an der die Menschen auch teilhaben können“, in Afghanistan ist nur gemeinsam gegen die Bundesregierung und die von ihr durchgesetzten Interessen verwirklichbar. Uwe Schnabel, Coswig Zu „Bürokratiemonster vs. Bandwurmgruppe: Über Armutsexperten und Expertenarmut“, Links! 05/2014, S. 1 Ich schlage vor, den Politikern, die glauben, dass man mit Hartz IV gut leben kann, ihre Vermögen und Konten einzufrieren und diesen dann einmal als eine Selbsterfahrung über zehn Jahre nur den Hartz-IV-Regelsatz von z. Zt. 391 Euro im Monat plus angemessene Kosten für die Unterkunft auszuzahlen. Dann werden sie sehen, wie man mit dem Regelsatz nicht nur Nahrungsmittel in der benötigten Kalorienmenge kauft und auch alle anderen Kosten, die im Leben entstehen, davon finanzieren soll. Damit die Politiker auch am eigenen Leib merken, wie es ist, wenn man der Willkür der Jobcenter ausgeliefert ist oder unter der Androhung von Sanktionen seine Arbeitskraft praktisch für umsonst verkaufen muss, sollte diese Zeit auch mit Bewerbungstrainings, Arbeitserprobungen sowie Ein-Euro-Jobs „angereichert“ werden. Ulrich Neef, Plauen
Impressum Sachsens Linke! Die Zeitung der Linken in Sachsen Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Kultur
Ökonomischer Schwachsinn Eine Studie der Commerzbank hat herausgefunden, dass sächsische mittelständische Unternehmen gar nicht so schlecht mit der Eigenkapitalausstattung dastehen, im Ost-WestVergleich auch mitunter besser. Investitionen würden deshalb vorwiegend auch aus Eigenkapital finanziert. Außerdem gehe es den Unternehmen vorwiegend um Substanzerhalt und zu wenig um Wachstum. Dabei bestehe doch in Maschinen- und Werkzeugbau, Nanotechnologie und Elektrotechnik „Nachholbedarf“ und könne die „Expansion“ angekurbelt werden. So weit der Chef der Mittelstandsbank der Commerzbank in Sachsen in der „Freien Presse“ vom 22.05.2014. Und nun greinen die Banker: keine Risiko-Bereitschaft. Von ihren beabsichtigten auszureichenden Krediten in Höhe von 2,6 Mrd. Euro wurde nur die Hälfte abgerufen. Wie schlimm. Da dann darauf keine Zinseinnahmen erfolgen, wird möglicherweise das Gewinnergebnis der Bank am Jahresende nicht wie gewünscht aussehen. Nach der Volkswirtschaftsrechnung würde sich das auch im Bruttoinlandsprodukt (BIP) niederschlagen, denn beim Konto Banken/ Versicherungen/Finanzwirtschaft fällt die Zahl entsprechend kleiner aus. Aber warum sollen denn gesunde Unternehmen unbedingt Kredite nehmen, wenn sie das bisschen Rationalisierungsinvestition aus ihrer Tasche ohne Zinslast bezahlen können? Schon hier wird klar, da redete kein Ökonom, sondern ein interessengeleiteter Banker. Und dass ein Banker die Entwicklungschancen realwirtschaftlicher wertschöpfender Branchen richtig einschätzt aus der Sicht seiner zum beabsichtigen „Verkauf“ bereitgestellten Kreditsumme, ist noch nicht mal ein ökonomisch fachlicher Treppenwitz. Warum sollten Unternehmen größere Investitionen mit größerem Risiko tätigen, wenn ihre Einschätzung der Marktlage in ihrem Sektor davon ausgeht, dass für erweiterte Produktionskapazitäten keine Grundlage, bzw. eben kein „Markt“, d. h. kein Absatz/Umsatz, vorhanden ist oder das Unternehmen zu instabil macht? und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redakti-
Seite 2 Denn ein Kredit muss regelmäßig bedient werden, sonst wird er noch teurer. Aber der „Markt“ schwankt gegebenenfalls, damit auch die Unternehmenseinnahmen und die Fähigkeit, den Kredit regelmäßig zu bedienen. „Nachholbedarf“, aus welcher dürren Statistik auch immer kondensiert, bedeutet noch lange nicht, dass für ein entsprechendes Branchenunternehmen auch ein „Markt“ erschließbar ist, der entlang der Kreditbedingungen auch den sog. „Return on investment“ sichert. Insofern ist es eben besser, wenn in den Führungen der Unternehmen keine Banker sitzen. Die unternehmerischen Entwicklungsstrategien sind realwirtschaftlich einfach gesünder. Bei Unternehmen, deren Jahresumsatz nur bis zu 2,5 Mio. Euro beträgt, das sollen immerhin um die 93 % der sächsischen mittelständischen Unternehmen sein, muss jede Investition sehr sorgfältig geplant werden, da sie eine erhebliche Größe im Budget darstellt. Und schließlich gibt es staatliche Förderprogramme gerade für innovative Branchen. Das hilft solch kleinen Unternehmen besser als ein Bankkredit. Wirtschaftsförderung soll nachhaltig orientierte Investitionen anregen. Warum daran dazwischen noch eine Bank verdienen sollte, ist auch nicht einzusehen. Das BIP könnte dadurch kleiner ausfallen, die Wachstumsrate schmälern, aber wir hätten gesunde, nicht zu sehr von Schuldenlast geplagte Unternehmen, im andern Falle ein aufgeblasenes BIP und gegebenenfalls, spätestens bei der nächsten Banken-/ Börsenkrise, instabile, weil höher verschuldete Unternehmen, möglicherweise eine Insolvenzwelle. Was lehrt uns das? Wenn der Banker traurig ist, ist die Wirtschaft gesünder! Denn die Gewinne bleiben in den Unternehmen und werden nicht über den Schuldendienst (Zins) der „Börsenverbrennung“ zugeleitet. Ralf Becker Blattlob Ich lese Ihre Zeitung immer wieder mit großem Interesse und möchte diese Informationen nicht mehr missen. Ihre April-Ausgabe sprengte mit einem Artikel den üblichen Rahmen, von einem Autor, der durch persönliche Kontakte über hervorragende Sachkenntnisse verfügte und so alles sehr interessant und faktenreich eronssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf lage von 15.150 Exp. gedruckt. Der Redaktion gehören an: Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Rico Schubert, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt,
läutern konnte. Es ist der Artikel von Dr. Reinhold Gläß„ „Von Sotschi über Kiew zur Krim“. Seine ganze Argumentation findet meine uneingeschränkte Zustimmung, spricht mir voll und ganz aus dem Herzen. Die aktive Einmischung Deutschlands in die gegenwärtige Krise zwischen der Ukraine und Russland kann man wirklich nicht gutheißen, vor allem vor dem Hintergrund seiner geschichtlichen Rolle. Es fehlt dabei schon viel – noch besser gesagt jegliches – Fingerspitzengefühl. Solch ein Verhalten ist nicht nur sehr beschämend gegenüber den Betroffenen, sondern auch vor den kritischen Augen in aller Welt. Putin zu verteufeln, ihn zu demütigen, immer wieder Sanktionen gegenüber Russland anzudrohen, das spricht für wenig Bereitschaft für Diplomatie, besser noch für überhaupt keine, erst recht nicht für eine Politik von doch so „christlichen“ Politikern. – Alles, was die doch so „vorbildlichen“ USA tun und zu tun gedenken, wird von deren Vasallen widerspruchslos hingenommen – schließlich darf man doch seine amerikanischen Freunde nicht vergraulen. Die Abhörpraktiken der USA schluckt man, es wird alles einfach unter den Teppich gekehrt, auch wenn die Kanzlerin dabei eine persönlich Betroffe ne war. Alles nicht so schlimm! Kann man sich dabei nicht auch einmal in die Situation von Russland versetzen? Nur beispielweise – hat die russische Regierung all die vielen Militärstützpunkte rund um Russland ohne Widerspruch und vorbehaltlos zu akzeptieren? Unsere doch so „objektiv“ berichtenden Medien würden das schon entsprechend begründen … Harald Lorenz
Einladung zur LandesseniorenInnenkonferenz 16. Juni 2014, 10 – 15 Uhr, TurmBrauhaus, Neumarkt 2, 09111 Chemnitz Tagesordnung: 1. Eröffnung & Konstituierung 2. Vorbereitung der Landtagswahlen 2014 3. Rechenschaftsbericht des SprecherInnenrates der LAG SeniorInnen zur vergangenen Wahlperiode 4. Wahl des neuen SprecherInnenrates 5. Wahl der Delegierten für die Landesparteitage und den Landesrat 2015/2016
Aufruf
zur Gründung einer LAG Hochschulpolitik In und bei der Partei DIE LINKE. Sachsen sammeln sich viele Menschen mit hochschulpolitischem Hintergrund: Seien es sachkundige Studierende, studierte junge Menschen, ältere Graduierte oder gestandene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie auch Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer. Die Hochschulpolitik als Landesthema gehört zu den Schlüsselkompetenzen unserer Partei. Wir müssen uns mit dieser Kompetenz nicht verstecken. Das hat zuletzt auch die intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema bei der Erarbeitung unseres Landtagswahlprogrammes gezeigt. Umso wichtiger ist es gerade in diesen Zeiten, dass wir uns darum bemühen, diese Kompetenz zu bündeln und in eine langfristig wirkende Arbeitsstruktur zu überführen. Die sächsischen Studierenden wollen angesichts der prekären Situation an den Hochschulen und Universitäten und den drohenden Kürzungsorgien in diesen Bildungsinstitutionen die Hochschulpolitik zum Wahlkampfthema machen. Wir sind der Überzeugung: zu Recht! Die Partei DIE LINKE muss dies mit eigenen Konzepten und Aktionen für die Entwicklung von Wissenschaft und Hochschulen unterstützen. Wir dürfen die akademischen Einrichtungen nicht Technokraten und ignoranten Sparfüchsen überlassen. Wir müssen die Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre gegen die Zwecksetzung durch Wirtschaft und Militär verteidigen. Die Partei soll daher mit der vorgeschlagenen Landesarbeitsgemeinschaft Hochschulpolitik ihre einschlägigen, nicht geringen Potentiale konzentrieren und sich auch für Nicht-Mitglieder öffnen. Weil Hochschulpolitik eben nicht nur auf Wahlkampfzeiten beschränkt sein kann, soll die Arbeit der LAG dabei auf Langfristigkeit angelegt sein. Wir laden ausdrücklich alle Interessierten zur Mitwirkung an einer solchen LAG ein. Die Gründung der AG Hochschulpolitik findet am 16. Juni um 16.00 Uhr ct in der Wir AG in Dresden statt. Prof. Dr. Peter Porsch , Rico Gebhardt
Ralf Richter, Stathis Soudias. Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt:
Fax. 0351-8532720
Archiv, iStockphoto, pixelio. Kontakt:
Die nächste Ausgabe erscheint am 30.06.2014.
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Redaktionsschluss 26.05.2014
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Die Satzungsdebatte auf dem Bundesparteitag Auf dem Programm des Bundesparteitags standen unter anderem diverse Satzungsänderungsanträge sowie Anträge zu weiteren grundlegenden Formalia der Partei DIE LINKE. Die Behandlung von Satzungsänderungsanträgen musste auf anderen Parteitagen immer wieder verschoben, abgesagt oder unfertig abgebrochen werden, zuletzt beim Bundesparteitag in Dresden. Das hat dazu geführt, dass sich diverse Satzungsänderungsanträge bis zu diesem Parteitag in Berlin „aufgestaut“ hatten. Auch der Landesverband Sachsen hatte diverse Änderungsanträge eingereicht, die von einer kleinen Arbeitsgruppe im Anschluss an einen „Kleinen Parteitag“ erarbeitet worden sind. Insgesamt lässt sich sagen, dass es die meisten der Satzungsänderungsanträge natürlich nicht leicht hatten, das nötige Quorum zu erreichen und daher nicht angenommen worden sind. Dennoch gab es einige durchaus relevante Änderungen und Debatten, über die hier kurz berichtet werden soll. Angenommen wurde beispielsweise ein Antrag bezüglich der Quotierung in der Partei DIE LINKE. Dieser Antrag wurde von unserem Landesverband gestellt und hatte die Unterstützung des bundesweiten Jugendverbandes. Bisher durfte in Gliederungen der Partei, deren Frauenanteil unter 50 % liegt, frei wählbare Ausnahmen von der Quote beschlossen werden, also die Quote beispielsweise auch auf 0 % und damit faktisch gänzlich beseitigt werden. Durch die beschlossene Änderung auf dem Parteitag ist dies nun nicht mehr möglich und die Quote darf den Frauenanteil der Gliederung nicht unterschreiten. Von den Delegierten ebenfalls
abgesegnet wurden die Streichungen von nicht mehr nötigen Übergangsregelungen und einige Anträge zum Thema Mitgliederentscheide. Diese dürfen, was eine Neuerung darstellt, zukünftig auch über „herausgehobene Personalfragen“ stattfinden und statt der absoluten Zahl von 5.000 Mitgliedern der Partei können in Zukunft 5 % der
träge, die wollten, dass die Zusammenschlüsse ihre Delegierten künftig auch per Briefwahl wählen können, wurden hingegen abgelehnt, ebenso zwei auf und vor dem Parteitag leidenschaftlich diskutierte Anträge zum Umgang mit den Delegierten der Zusammenschlüsse. Einer dieser Anträge wollte den Zusammenschlüssen nur noch
trag, der für die stellvertretenden Parteivorsitzenden eine Obergrenze von 4 Mitgliedern ziehen wollte. Bezüglich des Umgangs mit künftigen Satzungsänderungen nahm der Parteitag ebenfalls eine neue Regelung sowie eine Präzisierung auf. Die Präzisierung schreibt explizit fest, dass zu den zu zählenden ab-
Mitglieder einen Mitgliederentscheid herbeiführen. Letztere Anpassung des Quorums wurde vom sächsischen Landesverband beantragt. Unsere bundesweiten Zusammenschlüsse betreffend gab es auch diverse Anträge. So geht es mittlerweile nicht mehr, dass bundesweite Zusammenschlüsse nur einmal anerkannt werden müssen und danach quasi dauerhaft bestehen. Sie müssen die Erfüllung der formalen Anforderungen (Mitgliederzahl etc.) nun laufend nachweisen. Die Zusammenschlüsse müssen sich, was ein Wunsch der Bundesschiedskommission war, zudem künftig eine eigene Satzung geben. Mehrere An-
Delegierte mit beratender Stimme zukommen lassen, während ein anderer aus unserem Landesverband das Stimmrecht der Delegierten der Zusammenschlüsse auf inhaltliche Anträge begrenzen wollte. Es lagen weiterhin mehrere Anträge vor, welche die Zusammensetzung des Parteivorstandes verändern wollten. Zwei miteinander zusammenhängende Anträge, welche den gesamten Parteivorstand von bisher 44 auf 30 Mitglieder verkleinern und den geschäftsführenden Parteivorstand künftig nur noch aus direkt gewählten Mitgliedern zusammengesetzt wissen wollten, wurden jedoch ebenso abgelehnt wie ein An-
gegebenen Stimmen auch Enthaltungen zählen. Die bisherige Möglichkeit, dass Satzungsänderungen durch zwei gekoppelte absolute Mehrheiten aus einem Mitgliederentscheid und einem Parteitagsbeschluss gefällt werden können, wurde gestrichen. Künftig ist die 2/3-Mehrheit auf dem Bundesparteitag also bindend. Sehr kontrovers diskutiert wurde ebenfalls ein Antrag, der das Verbot von Unternehmensspenden in der Satzung verankern wollte. Dieser Antrag fand jedoch keine Mehrheit. In einer zuvor erfolgten Gegenrede wurde beispielsweise auf Würstchenspenden für kleine Festivitäten von Parteigliede-
rungen verwiesen. Gerade im Nachgang des Parteitags hat dies medial zu eher negativer Aufmerksamkeit geführt und wird wohl auch noch im neuen Parteivorstand leidenschaftlich diskutiert werden. Eine nicht unerhebliche Änderung der Finanzordnung wurde ebenfalls angenommen. In der Beitragstabelle sind die Beiträge bisher (und nach wie vor) bis zu einem Einkommen von 2.500 Euro gestaffelt, ab 2.500 Euro hört die Staffelung auf und es müssen „4 % des Nettoeinkommens“ bezahlt werden. In der Beitragsordnung war jedoch bisher geregelt, dass sich jedes Mitglied pro unterhaltspflichtigem Kind in der Tabelle eine Stufe niedriger einsortieren durfte. Das führte dazu, dass Top-Verdiener_innen, beispielsweise Abgeordnete im Bundestag, im Europäischen Parlament oder hohe Gewerkschaftsfunktionäre, ab einem Kind und einem Verdienst deutlich über 2.500 Euro dennoch nicht „4 % des Nettoeinkommens“ zahlen mussten. Spitzenverdiener_innen wurden mit dieser Regelung bisher also deutlich stärker entlastet als Mitglieder mit einem geringen Einkommen. Dies ist künftig nicht mehr der Fall, da diese Sonderregelung entfallen ist, Unterhaltsverpflichtungen künftig in voller Höhe vom Einkommen abgezogen werden können und danach die Einstufung nach Beitragstabelle stattfindet. Dies dürfte schlagartig dazu führen, dass diverse Topverdiener_innen ihren Beitrag ordentlich erhöhen müssen. Tilman Loos hat als Delegierter von linksjugend [´solid] am Parteitag teilgenommen und war zusammen mit Sarah Buddeberg für die Anträge des Landesverbandes verantwortlich.
Fit in den Landtagswahlkampf - Einladung zur Landesfrauenkonferenz Die Kommunal- und Europawahlen haben wir erfolgreich geschafft. Zahlreiche Genoss_ innen sind für uns in die Kommunalparlamente eingezogen und kümmern sich in den nächsten fünf Jahren um die Belange und Bedürfnisse der Menschen in den Kommunen. Nun gilt es, den nächsten Wahlkampf zu den Landtagswahlen am 31.08. zu meistern. Veranstaltungen mit den Direktbewerber_innen, Infostände, Plakate hängen und Materialien verteilen – unsere bevorstehenden Aufgaben sind vielfältig und auch mit der einen oder anderen Herausforderung gespickt. Um uns fit zu machen für den Wahlkampf, wollen wir euch
Die Workshops zum Landtagswahlkampf sind: • Arbeit am Infostand – von A wie Aufbau bis Z wie Zeit • Argumente gegen die AfD • Veranstaltungen vor Ort – Schutz vor ungewollten Gästen • Pressearbeit – wie schaffe ich es, dass DIE LINKE auch in der Presse erscheint?!
reformieren und nicht hinter die schon erlangten Errungenschaften zu fallen. So waren s der Erhalt der Frauenhäuser und auch die finanzielle Absicherung der Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen unsere Schwerpunkte. Nun gilt es, diese Inhalte weiter im Landtag zu transportieren. Heiderose Gläß spricht über ihre Arbeitserfahrungen und wird uns über geplante Vorhaben informieren.
Heiderose Gläß hat sich in den letzten fünf Jahren im Sächsischen Landtag mit dem Thema Gleichstellung beschäftigt. Es galt, dass überarbeitete Landesgleichstellungsgesetz zu
Liebe Frauen, wir laden euch recht herzlich zur Landesfrauenkonferenz am 28.06.2014 von 10-16 Uhr nach Dresden ins Gewerkschaftshaus (Schützenplatz 14, 01067
Frauen zu verschiedenen Themen noch einmal besonders gut vorbereiten:
Dresden) ein. Das Objekt ist barrierefrei, Fahrtkosten werden erstattet. Für eine Mittagsversorgung ist ebenfalls gesorgt. Hier der geplante Ablauf: 10:00 Uhr: Begrüßung durch die Sprecherin für Gleichstellung und feministische Politik Claudia Jobst 10:15 Uhr: Die Arbeit der Landtagsfraktion – Rückblick und Vorschau. Inforunde mit MdL Heiderose Gläß und Landtagskandidatin Sarah Buddeberg 11:00 Uhr: Landtagswahlkampf - Arbeit in Workshops
12:45 Uhr : Mittagspause 13:30 Uhr: Möglichkeiten der Zusammenarbeit kommunaler MandatsträgerInnen mit den Gleichstellungsbeauftragten der Kommunen. Erfahrungsaustausch der Kommunalpolitikerinnen – Vorstellung einzelner Projekte 14:45 Uhr Austausch Landesrat Linker Frauen Wir freuen uns über eure Teilnahme! Solltet ihr Fragen haben oder euch anmelden wollen, meldet euch bei Claudia Jobst unter claudia.jobst@ dielinke-sachsen.de.
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Direktkandidierende zur Landtagswahl
In dieser Ausgabe: Peter Reichel, Franz Sodann Peter Reichel Direktkandidat für den Wahlkreis 9 (Zwickau 5) Warum will ich für den Sächsischen Landtag kandidieren? In meinem Wahlkampf zum Bürgermeister der Gemeinde Callenberg, den letztlich ein auswärtiger CDU-Kandidat gewann, hörte ich immer wieder folgenden Satz: „Mit der CDU sind wir seit Jahren gut gefahren!“ Eine Antwort auf das „Wohin“ bekam ich nie. Der Stand des Freistaates nach 23 Jahren CDU-Herrschaft mit wechselnden Partnern ist erschreckend, und ich möchte daran mitarbeiten, das zu ändern. Besonders mit meiner, eher seltenen, Mischung aus Beruf und politischer Überzeugung – ich bin Bundespolizist – hoffe ich den LINKEN auch dort Ohren zu öffnen, wo diese bisher eher ablehnend verschlossen waren. So sehe ich meine politischen Felder vor allem in der öffentlichen Sicherheit und dem Kampf gegen den Stellenabbau bei der Polizei, aber auch bei der Stärkung der Kommunen als Dienstleister des Staates für seine BürgerInnen, und im Kampf gegen den Privatisierungs“wahn“ des Freistaates. Auch mit anderen „Leistungen“ der CDU wie dem völlig undemokratisch
entstandenen Landesentwicklungsplan, der eher ein Deentwicklungsplan ist, will ich mich beschäftigen. Hier werden ganze Regionen von der Entwicklung abgehängt, sichtbar nicht nur am Rückzug des Staates, allen voran der Polizei, aus der Fläche. Hier gilt es, die Entwicklung umzusteuern, damit Sachsen wieder ein lebenswertes Land wird, und sich nicht dem so oft beschworenen demografischen Wandel zu unterwerfen. Lasst uns diesen schwarzen Kraken endlich von den Schalthebeln der Macht verdrängen! Viele Grüße, Peter Reichel!
„Bildung, Kultur und Soziales sind eins und nicht voneinander zu trennen“ Die Zeiten sind, wie sie sind, sagt man gern und lehnt sich in den Schaukelstuhl, richtet sich ein, zieht sich ins Private zurück. Man geht nicht mehr wählen und empört sich nur noch im kleinen Kreis. Desillusioniert verabschieden sich viele aus der weniger mit Geld und Möglichkeiten gesegneten Bevölkerung und den bildungsferneren Schichten aus dem politischen Entscheidungsprozess und geben damit ein Stück ihrer gesellschaftlichen Teilhabe und auch ihrer Verantwortung auf. Diese Menschen muss Politik wieder mitnehmen. Sie muss Grundlagen für alle schaffen, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Und sie könnte es: Sechs Billionen Euro Vermögen in Form von Immobilien, Bargeld und Aktien haben die Deutschen angehäuft. 10 % der Bevölkerung besitzen 53 % davon, 50 % der Bevölkerung nichts. Und die Schere spreizt sich weiter. Die Verteilung und forcierte Besitzstandswahrung können ungerechter nicht sein. Die Gelder, die in öffentlicher Hand sind, werden zum Teil in die falschen Richtungen gelenkt, nicht nachhaltig in die Zukunft
unserer Gesellschaft investiert. Bildung ist Zukunft. Hier mangelt es an allen Enden. Dabei muss gelten: Bildung, Bildung und nochmals Bildung! Kostenlos und mit gleichen Chancen für alle, von Anfang an bis zum Schluss! Weg mit dem dreigliedrigen Schulsystem, für gemeinsames Lernen an unseren Schu-
len. Das ist für mich ein Baustein für die Zukunft der Demokratie, für emanzipierte BürgerInnen, für echte Chancengleichheit in einer gerechten, gemeinorientierten Gesellschaft. Einen Haken gibt es allerdings: Es bedarf nicht nur der Bildung
Debatte um die geplante Moschee in Leipzig Seitdem im September 2013 der Bau einer Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde bekannt wurde, regt sich in Leipzig Protest aus der Neonazi-Szene, aber auch aus der bürgerlichen Ecke. Einwände wie „der Islam gehört nicht zu Deutschland“, die vermeintliche Überfremdung der Stadt, inner-islamische Auseinandersetzungen oder aber die Ungeeignetheit des Standortes im Leipziger Ortsteil Gohlis heizen die Stimmung an. Auf der Facebookseite der rein virtuell agierenden Bürgerinitiative „Gohlis sagt nein“ wurde ausgiebig darüber sinniert, der verbalen Ablehnung auch Taten folgen zu lassen. Erst nach einem Anschlag auf das Baugelände der Moschee – fünf aufgespießte Schweineköpfe und ein Feuer – folgten Distanzierungsakte, beispielsweise von einer lokalen CDU-Funktionärin, die für eine Online-Petition gegen den Moscheebau verantwortlich zeichnet. Bis April unterschrieben 11.000 Menschen, die zum großen Teil nicht aus Leipzig kommen, diese Petition. Bei der Unterschriftenübergabe zur Sitzung des Leipziger Stadtrates im
April enttarnte sich die bis dahin gesichtslose Bürgerinitiative als Initiative der NPD. In der Stadt Leipzig leben schätzungsweise 5000 Muslime, die insgesamt fünf Moscheen bzw. offene Gebetsräume nutzen können. Der Unterschied zum geplanten Neubau ist, dass dieser als Moschee erkennbar wäre. Zwei Zierminarette sollen das für 100 Menschen konzipierte Gebäude schmücken. Für die GegnerInnen ist genau dies eine Provokation und der Grund, das Ende des „christlichen Abendlandes“ zu beschwören. Die Moschee in Leipzig-Gohlis soll das zweite muslimische Gebetshaus mit Minarett in Ostdeutschland sein. 2006 gab es in Berlin-Heinersdorf heftige Auseinandersetzungen um den Moscheebau der islamischen Sondergemeinschaft Ahmadiyya, in deren Zuge sich u.a. die rechtspopulistische Partei „Die Freiheit“ gründete. Neben dem Asyl-Thema ist der Moscheebau für die NPD das Hauptkampffeld für die Wahlkämpfe. Doch auch die AfD in Leipzig bläst zum Sturm gegen den „Islam light“ der Ahmadiyya-Gemeinde, der nur das Ein-
fallstor für „stärkere Varianten“ (des Islam) sei. Nicht zu vergessen die CDU: Sowohl die für ihre zweifelhaften Aussagen zum Thema Asyl bekannte Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla als auch der Landtagsabgeordnete und Stadtrat Wolf-Dietrich Rost positionierten sich klar gegen den Standort für das Gebetshaus. Beide taten sich bereits mit Widerspruch gegen Asylstandorte in ihren Wahlkreisen hervor. DIE LINKE engagiert sich derweil mit zahlreichen anderen gesellschaftlichen Akteuren im zivilgesellschaftlichen Netzwerk „Dialoge für Gohlis“. Mit Veranstaltungen und Kommunikation sollen Ängste genommen, aber auch gegen rassistische Stimmungsmache vorgegangen werden. Auch die Ahmadiyya, die in Hessen bereits als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt ist, nimmt an diesem Kreis teil. Die Religionsfreiheit, die explizit die Freiheit, nicht zu glauben, einschließt, ist die Klammer für ein linkes Engagement in Sachen Moscheebau. Es kann nicht darum gehen, Religionen – egal ob das in Deutschland hegemoniale Christentum, das Judentum, den
Islam oder andere – unkritisch gegenüberzustehen. Die Ahmadiyya-Lehre lehnt beispielsweise Homosexualität ab, offen nicht-heterosexuell lebende Menschen müssen im äußersten Fall mit Ausschluss rechnen. In ihrer Positionierung und Praxis unterscheidet sich die Religionsgemeinschaft damit nicht von der führender Akteure der Regierungspartei CDU/ CSU oder der christlichen Kirchen. Hier wird sichtbar, dass es in der Diskussion nicht um die Herkunft von Gläubigen geht, sondern um die Bereitschaft, sich gesellschaftlichem Fortschritt zu öffnen oder gar ein Teil davon zu werden, wie es beispielsweise von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung aus der Grundeinkommensdiskussion bekannt ist. Linke Religionskritik muss sich von einer zumeist mit xenophoben bis rassistischen Stereotypen gespickten Islamkritik klar und deutlich abgrenzen. Unbenommen davon sind die notwendige Kritik an der starken Verquickung von (christlicher) Religion und Staat und der gesellschaftlichen Funktion von Religionen. Jule Nagel
des Kopfes, sondern auch der des Herzens. Wer könnte das besser als die Kunst und Kultur? Denn sie kann gemeinschaftliche Werte wie Moral, Ethik, Solidarität und humanes Handeln vermitteln. Als Schauspieler weiß ich um die teils missliche Lage der Kulturbetriebe und die prekäre Lebenssituation vieler Künstlerinnen und Künstler. Vor sieben Jahren habe ich mich selbständig gemacht, mit einer Gastspielagentur für Theater und Lesungen. Meine Intention war und ist es, mit geringem Budget überall dort Kultur stattfinden zu lassen, wo es sie nicht mehr gibt. Dies trifft besonders den ländlichen Raum. Für den Erhalt, für eine gute Ausfinanzierung und langfristige Planungssicherheit der bestehenden Kulturbetriebe, der Freien Szene, der Theater, Museen, Bibliotheken etc. und für deren ressourcennutzende Vernetzung lohnt sich jeder Einsatz. Sollte ich am 31. August – über ein Direktmandat oder über die Landesliste – in den Sächsischen Landtag einziehen, wären Kultur, Bildung und Soziales die Bereiche, die mir am Herzen liegen. Ich bin motiviert und freue mich darauf, dafür zu streiten. Für einen politischen Wandel in unserem Land. Franz Sodann
Neue Krise – neue NATO? Die aktuelle Zuspitzung im Konflikt um die Ukraine lässt die Frage des Charakters und der etwaigen Reformfähigkeit der NATO - und Europas - wieder in den Mittelpunkt außenpolitischer Debatten rücken. Welchen Anteil haben die führenden Staaten des NATO-Bündnisses an der Eskalation des Konflikts? Wie wirkt das Bündnis - als Bremser oder Verstärker? Lässt sich eine Reformfähigkeit hin zu friedlichen Konfliktlösungsansätzen überhaupt erkennen? Was sind die Ziele der handelnden Akteure? Und welche Haltung hat die LINKE dazu? Diese und weitere Fragen wollen wir mit zwei erfahrenen Beobachtern der Außenpolitik diskutieren: Alexander S. Neu (Obmann der Bundestagsfraktion der LINKEN im Verteidigungsausschuss) & Wilfried Schreiber (Oberst a.D., Dresdner Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e.V.). Moderation: Thomas Kachel. Mittwoch, 18. Juni 2014, 19.00 Uhr Schumann-Club Dresdner Straße 162, 01705 Freital. Veranstalter ist die Landesarbeitsgemeinschaft Frieden/Internationale Politik der Partei DIE LINKE. Sachsen.
Kommunal-Info 5-2014 26. Mai 2014 Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de
KFS
Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Ausschüsse Wie Ausschüsse in Kommunalvertretungen gebildet werden
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Investitionsstau Investitionsstau bei Straßen und Schulinfrastruktur der Landkreise Seite 4
Grundlagenwissen Das Kommunalpolitische Forum bietet Seminare an eine Terminübersicht Seite 4
Kommunale Fraktionen
Nun steht nach der Kommunalwahl fest, wer das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler erhalten hat und in den neuen Gemeinderat, Stadtrat oder Kreistag einziehen wird. Bis zur ersten konstituierenden Sitzung der neuen Gemeinde- oder Stadträte und Kreistage haben sich jetzt die Fraktionen neu zu bilden, denn die bisherigen Fraktionen hören mit dem Ende der Wahlperiode auf zu existieren.
Fraktionsbildung
§ 35a der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) enthält die allgemeinen Bestimmungen über die Bildung von Fraktionen im Gemeinderat. Näheres über die Bildung, die Stärke der Fraktionen, ihre Rechte und Pflichten innerhalb des Gemeinderats hat die Gemeinde durch Geschäftsordnung zu regeln. Dazu gehören u.a. der Akt der Fraktionsbildung (ihre Bezeichnung, der Name des Vorsitzenden, des Stellvertreters sowie die Namen der Mitglieder), der Zeitpunkt, Form und Anzeige gegenüber dem Bürgermeister ; die Fraktionsstärke; Rechte von Fraktionen im Zusammenhang mit dem Geschäftsgang im Gemeinderat (z. B. Antragsrecht, Anfragerecht, Recht auf Geschäftsordnungsanträge, Entsendungsrecht in Ausschüsse) innerhalb des rechtlichen Rahmens, den die Sächsische Gemeindeordnung zulässt. Wenn nachfolgend von den Fraktionen im Gemeinderat die Rede ist, dann sind selbstverständlich die Stadtratsfraktionen immer mit gemeint. Da für die Fraktionen in den Kreistagen § 31a der Sächsischen Landkreisordnung (SächsLKrO) analoge Regelungen enthält, gelten die hier getroffenen Aussagen sinngemäß im Grundsatz auch für
die Kreistagsfraktionen. Nach § 35a Absatz 1 SächsGemO können sich Gemeinderäte zu Fraktionen zusammenschließen. Das heißt: Fraktionen beruhen auf freiwilligem Zusammenschluss, die Gründung erfolgt durch freie öffentlich-rechtliche Vereinbarung ihrer Mitglieder; eine Verpflichtung zur Fraktionsbildung oder zum Beitritt von Fraktionen besteht somit nicht; Mitglieder der Fraktion können nur Gemeinderäte sein, keine Mitglieder können z. B. sachkundige Einwohner oder Fraktionsbedienstete sein. Es liegt in der Natur eines Zusammenschlusses, dass eine Fraktion aus mindestens 2 Personen bestehen muss. In den Geschäftsordnungen von Gemeinderäten kann bestimmt werden, dass mindestens 5 Prozent der Mitglieder des Gemeinderats eine Fraktion bilden können. Sogar eine Mindeststärke von 10 Prozent der gesamten Vertretungskörperschaft für einen Fraktionsstatus ist in der Rechtsprechung mit dem Minderheitenschutz für vereinbar gehalten worden.1
Sinn und Funktion
Eine Fraktion ist der freiwillige Zusammenschluss politisch gleichgesinnter Mandatsträger, die für die Entscheidungsfindung ihre Vorstellungen aufeinander abstimmen. Der Sinn einer Fraktion besteht darin, die kommunalpolitische Willensbildung unter Gleichgesinnten zu koordinieren, durch eine fraktionsinterne Vorberatung der Tagesordnungsgegenstände eine zügige Behandlung derselben in der Gemeinderatssitzung zu unterstützen und so die Gemeinderatsarbeit zu optimieren und effektiv zu gestalten; die einzelnen Mitgliedern der Kom-
munalvertretung zustehenden Rechte durch den Zusammenschluss in einer Fraktion wirksamer zu gestalten, dem Einzelnen den Zugang zu Informationen zu erleichtern, durch Arbeitsteilung in der Fraktion das Wirken der Gesamtheit der Fraktionsmitglieder effektiver zu gestalten. In der Regel handelt es sich bei Fraktionen um die Vereinigung der Mitglieder des Wahlvorschlags einer Partei oder Wählervereinigung. Möglich ist aber auch die Bildung einer Fraktion aus mehreren Parteien und Wählervereinigungen bzw. aus Bewerbern oder Gruppierungen, die sich erst nach der erfolgten Wahl mit der Konstituierung des Gemeinderats zusammenfinden. Jedoch darf es keine nur vorübergehende, fiktive oder auf kurzzeitige Einzelzwecke ausgerichtete Gemeinschaft sein, etwa aus bloß taktischen Erwägungen zur Absicherung von Sitzen in Ausschüssen des Gemeinderats. Fraktionen sind nicht für einen nur vorübergehenden Zweck möglich, sondern sie werden nur anerkannt als Vereinigung von Mitgliedern mit gemeinsamen Grundanschauungen zu einem relativ dauerhaften Zusammenschluss.2
Rechtsstatus der Fraktion
Kommunale Mandatsträger schließen sich in Fraktionen nicht als natürliche Personen zusammen, sondern kraft ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung als gewählte Mitglieder der Vertretungskörperschaft. Deshalb kann der Zusammenschluss in der Fraktion auch nicht auf der Basis des Privatrechts (z.B. als eingetragener Verein) erfolgen, sondern Fraktionen sind von ihrer rechtlichen Natur her ein öffentlich-rechtliches Gebilde. Die SächsGemO trifft hierzu in § 35a, Absatz 1 die klarstellende Bestimmung, dass Frak-
tionen „Organteile des Gemeinderats“ sind. Als „Organteil“ ist die Fraktion die Fraktion jedoch keine juristische Person, sondern eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung. Als solche besitzt sie aber die Beteiligungsfähigkeit im Kommunalverfassungsstreitverfahren, soweit es zur Wahrnehmung der Fraktionsrechte erforderlich ist. Wenn Fraktionen „Organteile des Gemeinderats“ sind, hat das weiterhin zur Folge: dass Fraktionen in ihrer Tätigkeit der SächsGemO unterliegen, dies gilt insbesondere für die Wahrung der Verschwiegenheitspflicht nach § 19 Absatz 2 und § 37 Absatz 2 SächsGemO; dass Fraktionen „öffentliche Stellen“ im Sinne von § 2, Absatz 2 des Sächsischen Datenschutzgesetztes sind und damit die bei ihrer Tätigkeit anfallende Datenverarbeitung und Datenweiterleitung den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes zu entsprechen hat; dass Fraktionen nicht Teil einer Partei oder Wählergemeinschaft sind und jene daher auch keine Aufträge oder Weisungen an die Fraktionen erteilen können, in Verbindung mit § 35 Absatz 3 SächsGemO („freies Mandat“). „Freies Mandat“ sowie rechtliche und organisatorische Unabhängigkeit der Fraktion von der Partei schließen nicht aus, dass zwischen Fraktion und Partei normalerweise gemeinsame kommunalpolitische Zielvorstellungen bestehen. Die Fraktionen werden sich bei ihren kommunalpolitischen Aktivitäten und Entscheidungen regelmäßig an den politischen Leitvorstellungen der Partei orientieren (z.B. am Kommunalwahlprogramm der Partei).
Rechte erweitert
Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung
Kommunal-Info 5/2014 des Kommunalrechts vom 28. November 2013 wurden die Rechte von Fraktionen weiter konkretisiert: Nunmehr steht es den Fraktionen ausdrücklich zu, für die Willensbildung und Entscheidungsfindung im Gemeinderat ihre Auffassungen öffentlich darstellen (§ 35a Absatz 2 SächsGemO). Die Geschäftsordnung des Gemeinderats kann vorsehen, dass Arbeitnehmer der Fraktionen zu nichtöffentlichen Sitzungen des Gemeinderats und seiner Ausschüsse Zutritt haben (§ 35a Absatz 4 SächsGemO). Nunmehr kann auch eine Fraktion beantragen, einen Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung spätestens der übernächsten Sitzung des Gemeinderats zu setzen (§ 36 Absatz 5 SächsGemO).
Fraktionsgeschäftsordnung
In der Geschäftsordnung des Gemeinderats wird nicht die innere Organisation der Fraktionen geregelt. Um die Rechte und Pflichten der Fraktionsmitglieder klarzustellen, können sich Fraktionen jedoch eine eigene Geschäftsordnung geben, eine Pflicht hierzu besteht allerdings nicht. Aber: als „Organteil“ des Gemeinderats muss die Fraktion in ihrer inneren Organisation demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen. Das gilt auch, wenn eine geschriebene Geschäftsordnung der Fraktion nicht existiert. D.h. unter anderem: jedem Fraktionsmitglied stehen die gleichen Rechte zu, insbesondere muss jedes Fraktionsmitglied die Möglichkeit haben, innerhalb der Fraktion gleichberechtigt seine Auffassungen in den Meinungsbildungsprozess einzubringen. In einer Fraktionsgeschäftsordnung können u.a. Bestimmungen aufgenommen werden über die Mitglieder, ihre Aufnahme und deren Ausschluss, über Rechte und Pflichten der Mitglieder, über Wahl und Abwahl des Fraktionsvorsitzenden, seiner Stellvertreter und ggf. des Fraktionsgeschäftsführers sowie deren Befugnisse, über Einladung und Ordnung der Fraktionssitzungen, über die Beschlussfähigkeit, über die Fraktionsfinanzen und ggf. über das Fraktionspersonal.
Freies Mandat und Fraktionsdisziplin
Mit § 35 Absatz 3 SächsGemO wird dem einzelnen Gemeinderat das freie Mandat gesichert. Damit ist er an keinerlei Aufträge oder Verpflichtungen gebunden, ob von den Wählern, von der eigenen Partei oder der eigenen Fraktion. Damit ist aber auch jeder Fraktionszwang mit dem freien Mandat unvereinbar. Dennoch unterliegt im Sinne der Kollegialität jedes Fraktionsmitglied einer Fraktionsdisziplin, denn es ist nachgerade das Wesen einer Fraktion, dass sich politisch gleichgesinnte Mandatsträger zu geschlossenem Handeln vereinen. Die ihr zugedachte Aufgabe, die Arbeit im Gemeinderat zu rationalisieren, indem sie die Meinungsbildung fraktionsintern koordiniert, kann nur erfüllt werden, wenn ihre Mitglieder ein Mindestmaß an kollektiver Geschlossenheit aufweisen. Daher sind Sanktionen zulässig, die sich
Seite 2 auf die Stellung eines Gemeinderats in der Fraktion beziehen, wenn er sich in zentralen Fragen der kommunalpolitischen Arbeit gegen die Fraktionsinteressen stellt. Gleichzeitig ist aber zu gewährleisten, dass in der Fraktion unterschiedliche Auffassungen zu einer Sache vorgebracht werden können. Erst wenn durch das Verhalten des einzelnen Gemeinderats die Arbeit der Fraktion nachhaltig beeinträchtigt würde und damit dem für die Zusammenarbeit notwendigen Vertrauensverhältnis die Grundlage entzogen wäre, läge ein wichtiger Grund vor, der den Fraktionsausschluss rechtfertigen könnte.3
Öffentliche Fraktionssitzungen
Wenn die innere Ordnung von Fraktionen demokratischen Grundsätzen zu entsprechen hat und die Grundannahme gilt, dass das Prinzip öffentlicher Sitzungen zu den Fundamenten kommunaler Demokratie gehört, dann darf daraus gefolgert werden: auch die Sitzungen von Fraktionen haben in der Regel öffentlich stattzufinden. Wenn nach SächsGemO die Fraktion ein Organteil des Gemeinderats ist, dann dürfte sinngemäß für Fraktionssitzungen auch das gelten, was nach § 37 SächsGemO für die Sitzungen des Gemeinderats gilt: „Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, sofern nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner eine nichtöffentliche Verhandlung erfordern.“ Nichtöffentliche Fraktionssitzungen wären dann gerechtfertigt, wenn Gegenstände beraten werden, die der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht unterliegen (§ 19 Absatz 2 SächsGemO); wenn das öffentliche Wohl, die Interessen der örtlichen Gemeinschaft gefährdet wären; wenn die Rücksichtnahme auf berechtigte Interessen Einzelner das erfordert; wenn die Fraktion durch öffentliche Behandlung eines Gegenstands bei der kommunalpolitischen Willensbildung in der Gemeinde oder im politischen Wettbewerb mit Kontrahenten in ihrer Handlungsfähigkeit geschwächt würde oder Nachteile in Kauf nehmen müsste. Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass die o.g. Gründe für nichtöffentliche Sitzungen von Fraktionen dauerhaft und permanent gegeben sind, was dann ausschließlich nichtöffentliche Sitzungen legitimieren würde. Auch hier gilt sinngemäß, was für den Gemeinderat gilt: alle nichtöffentlichen Tagesordnungspunkte müssten im Einzelfall begründet werden. Die Fraktionen sollten sich hier im Interesse der Transparenz strenge Maßstäbe setzen und das Prinzip des „Gläsernen Rathauses“ praktizieren, d.h., die Fraktionssitzungen in der Regel öffentlich abhalten.4
Fraktionsauflösung und -ende
Genauso wie die Bildung von Fraktionen bzw. der Beitritt zu ihnen ein Akt freier Entscheidung ist, können umgekehrt Gemeinderäte die Fraktion jederzeit verlassen oder die Auflösung der Fraktion beschließen. Ebenfalls hört eine Fraktion auf zu existieren, wenn durch Tod, Ausscheiden aus dem Gemeinderat, Fraktionsaustritt oder –
ausschluss die Mindestfraktionsstärke nicht mehr erreicht wird, weil kein „Nachrücker“ mehr zur Verfügung steht bzw. im Falle einer Ergänzungswahl nach § 34 Absatz 7 SächsGemO die Mindestzahl nicht mehr erreicht wird. Eine Fraktion besteht immer nur für den Zeitraum einer Wahlperiode des Gemeinderats. Die mit der neuen Wahlperiode sich konstituierende Fraktion gleichen Namens und gleicher politischer Abkunft, ja selbst mit den gleichen Personen ist mit der vorhergehenden Fraktion weder identisch noch ihre Rechtsnachfolgerin. Ist eine Fraktion erloschen, dann ist sie mit dem Ziel der vollständigen Beendigung abzuwickeln, u.a. heißt das ggf. auch, noch vorhandene finanzielle Mittel aus dem Gemeindehaushalt sind an die Verwaltung zurückzuführen.
Fraktionsfinanzierung
Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts vom 28. November 2013 wurden auch bei der Fraktionsfinanzierung die gesetzlichen Regelungen geändert: Weiterhin gilt die bereits bisher geltende Bestimmung, wonach die Gemeinde den Fraktionen Mittel aus ihrem Haushalt für die sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung gewähren kann. Neu ist die Bestimmung, dass in Gemeinden ab 30 000 Einwohnern den Fraktionen Mittel aus dem Haushalt gewährt werden sollen. Für die Fraktionen in den Kreistagen gilt nach § 31a SächsLKrO jetzt, dass der Landkreis soll den Fraktionen Mittel aus seinem Haushalt gewähren soll. Bisher galt die weitergehende „MussVorschrift“: der Kreistag gewährt den Fraktionen angemessene Mittel für die Geschäftsführung. Eine „Soll-Vorschrift“, wie sie für die Fraktionsfinanzierung in Gemeinden ab 30 000 Einwohnern und in Landkreise nun gilt, bedeutet in der praktischen Anwendung, dass in der Regel so zu verfahren ist. Eine Abweichung davon ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich. Die Fraktionsmittel sind im Haushaltsplan der Gemeinde in einem gesonderten Ausgabetitel auszuweisen. Hierbei ist darauf zu achten, dass unzulässigerweise keine Vermischung mit dem Ausgabetitel „Aufwandsentschädigung für Gemeinderäte“ nach § 21 Absatz 2 SächsGemO erfolgt.
Für welche Zwecke können u.a. die Finanzmittel der Fraktion eingesetzt werden: zur Unterhaltung einer Geschäftsstelle, sofern nicht durch Gemeinde bzw. Kreis ein Büro mit entsprechender Büroausstattung zur Verfügung gestellt wird; Personalkosten für voll- oder teilzeitbeschäftigtes Fraktionspersonal; Kosten für die Anmietung eines Sitzungsraumes für Fraktionssitzungen, sofern Gemeinde bzw. Landkreis keine zumutbaren Räumlichkeiten zur Verfügung stellen; Kosten für die Teilnahme an Lehrgängen und Seminaren zur Weiterbildung zu kommunalpolitischen und kommunalrechtlichen Themen sowie für die Anschaffung von Fachliteratur zur Qualifizierung im ehrenamtlichen Mandat; von Mitgliedern aufgewandte Beiträge für kommunalpolitische Vereinigungen, sofern diese Vereinigungen satzungsgemäß bzw. tatsächlich nicht nur eine untergeordnete Beratung der Fraktion anbieten; Öffentlichkeitsarbeit, sofern sie im Zusammenhang mit der Fraktionstätigkeit steht (§ 35a Absatz 2 SächsGemO) und keine offene oder versteckte parteipolitische Werbung enthält. Nicht aus Fraktionsmitteln finanziert werden dürfen ausdrücklich u.a. folgende Ausgaben: Kosten für Sachverständige, Gutachten und Studien; Ausgaben für Bewirtung mit Speisen und Getränken; Ausgaben für Repräsentation und gesellige Veranstaltungen. Über die Verwendung der Fraktionsmittel ist ein Verwendungsnachweis in einfacher Form zu führen. Die Verwendung unterliegt sowohl der örtlichen Prüfung (Rechnungsprüfungsamt) als auch der überörtlichen Prüfung (Landesrechnungshof). AG 1 Vgl. VGH München, in: NVwZ-RR 2000, 811ff; VGH Mannheim, in: DÖV 2002, 912ff. 2 Vgl. Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar mit weiterführenden Vorschriften, Erich Schmidt Verlag, Kommentar zu § 35a. 3 Vgl. ebenda. 4 Vgl. Das gläserne Rathaus. Kommunalpolitik von A-Z, VSA-Verlag, Hamburg 2001, S. 132.
Zweckbindung
Die an Fraktionen ausgereichten finanziellen Mittel unterliegen bestimmten Beschränkungen und Zweckbindungen: die Fraktionsmittel sind im wesentlichen dafür einzusetzen, dass die Fraktionsmitglieder ihr ehrenamtliches Mandat qualifiziert wahrnehmen; der Einsatz der finanziellen Mittel hat sich auf die Angelegenheiten der Gemeinde zu beschränken; Fraktionsmittel dürfen nicht der Finanzierung von Parteien oder Wählervereinigungen dienen, eine verdeckte Parteienfinanzierung ist gesetzwidrig; aus Fraktionsmitteln darf keine Entschädigung an Fraktionsmitglieder gewährt werden, soweit diese bereits einen Entschädigungsanspruch nach § 21 Absatz 2 SächsGemO haben.
Impressum Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de V.i.S.d.P.: A. Grunke Die Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird aus finanziellen Zuwendungen des Sächsischen Staatsministeriums des Innern gefördert.
Kommunal-Info 5/2014
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Ausschüsse in der Kommunalvertretung Nach den Kommunalwahlen werden in der ersten konstituierenden Sitzung oder der darauffolgenden Sitzung des Gemeinderats die Ausschüsse neu bestellt. Gemeinde- bzw. Stadträte können entsprechend §§ 41 und 43 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) für die effektivere Gestaltung der Ratsarbeit beschließende und beratende Ausschüsse bilden.1
Sinn und Zweck
Der Zweck von Ausschüssen besteht darin der Entlastung des kommunalen Hauptorgans Gemeinderat, damit dieser sich auf die Beratung und Beschlussfassung der grundlegenden und wichtigeren, auf die Ausschüsse nicht übertragbaren Aufgaben konzentrieren kann sowie der sachkundigen Vorberatung von Fach- und Detailfragen, um so dem Gemeinderat eine fundiertere Grundlage für seine Entscheidungen geben zu können. Wie viele und welche Ausschüsse gebildet werden, gibt die SächsGemO nicht vor, das liegt vollständig in der Zuständigkeit der kommunalen Selbstverwaltung. In der Regel werden in allen größeren Gemeinden zur Entlastung des Gemeinderats Ausschüsse gebildet. Wie viele und welche das sind, hängt ganz von der Größe der Gemeinden ab. In größeren Gemeinden wie etwa den kreisfreien Städten, wo auf verschiedensten Sachgebieten eine Vielzahl von Entscheidungen durch den Rat zu treffen ist, wird es aufgrund eines höheren Grads an Arbeitsteilung mehr Ausschüsse geben müssen als etwa in einer ländlichen Gemeinde. In kleineren Gemeinden kann es sogar sinnvoll sein, ganz auf die Bildung von Ausschüssen zu verzichten, da eine Aufsplittung der Gemeinderatsarbeit in Ausschüsse eher von Nachteil wäre.2 Nach § 71 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes /Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ist durch Bundesrecht vorgegeben, dass die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe – das sind die Landkreise und die Kreisfreien Städte – verpflichtet sind, in ihren Vertretungskörperschaften einen Jugendhilfeausschuss als beschließenden Ausschuss zu bilden.
Zuständigkeiten
Ausschüsse sind keine Organe der Gemeinde, sondern Organteile des Gemeinderats mit nur vom Gemeinderat abgeleiteten Zuständigkeiten. Soweit ihnen eigene Aufgaben übertragen wurden, besitzen sie eigene Innenrechtspositionen, die im Kommunalverfassungsstreit geltend gemacht werden können.3 Die Bildung von beschließenden und von beratenden Ausschüssen kann nur durch die Hauptsatzung der Gemeinde erfolgen. Dabei können den beschließenden Ausschüssen bestimmte Aufgabengebiete zur dauernden Erledigung übertragen werden. Nicht übertragbar sind die wichtigen Gemeindeangelegenheiten, die nach § 28 Absatz 2 SächsGemO von vornherein nur in die Zuständigkeit des Gemeinderats
fallen. Den Vorsitz in beschließenden Ausschüssen führt nach § 41 Absatz 5 i.V.m. § 36 Absatz 1 SächsGemO der Bürgermeister bzw. nach SächsLKrO der Landrat. Für beratende Ausschüsse kann die Hauptsatzung nach § 43 Absatz 3 bestimmen, dass der Ausschuss den Vorsitzenden anstelle des Bürgermeisters/Landrats aus seiner Mitte wählt.
Zusammensetzung
In Gemeinden bestehen die Ausschüsse aus dem Vorsitzenden und mindestens vier Mitgliedern, in Landkreisen aus dem Vorsitzenden und mindestens 10% der Mitglieder des Kreistages. Die Mitglieder der Ausschüsse und in gleicher Zahl deren Stellvertreter werden widerruflich aus der Mitte des Gemeinderats/Kreistags bestellt. Für Jugendhilfeausschüsse in Landkreisen und die Kreisfreien Städten besteht nach § 71 Absatz 1 SGB VIII die Besonderheit, dass ihnen als stimmberechtigte Mitglieder angehören: 1. zu drei Fünfteln Mitglieder aus der Vertretungskörperschaft (Stadtrat bzw. Kreistag) oder von „ihr gewählte Frauen und Männer, die in der Jugendhilfe erfahren sind“, 2. zu zwei Fünfteln Frauen und Männer, „die auf Vorschlag der im Bereich des öffentlichen Trägers wirkenden und anerkannten Träger der freien Jugendhilfe von der Vertretungskörperschaft gewählt werden“. Dabei ist zu beachten, dass unter den drei Fünfteln der stimmberechtigten Mitglieder nicht nur Stadt- bzw. Kreisräte bestellt werden können, sondern Frauen und Männer, die in der Jugendhilfe erfahren. Sie müssen also selbst nicht Mitglieder der Vertretungskörperschaft sein. Bei den zwei Fünfteln sind Vorschläge der Jugendverbände und der Wohlfahrtsverbände angemessen zu berücksichtigen. Für die Zusammensetzung aller Ausschüsse gilt als Grundsatz: Die Zusammensetzung der Ausschüsse soll der Mandatsverteilung im Gemeinderat/ Kreistag entsprechen. Für den Jugendhilfeausschuss bezieht das dann auf den o.g. Drei-Fünftel-Anteil.
Bildung der Ausschüsse
Für die Bildung der Ausschüsse sind
nach § 42 Absatz 2 SächsGemO mehrere Verfahren möglich: Zunächst sieht das Gesetz die Möglichkeit der Einigung vor, wobei auch hier der Grundsatz gilt, dass die Zusammensetzung der Ausschüsse der Mandatsverteilung im Gemeinderat/ Kreistag entsprechen soll. In der Praxis geschieht das so, dass die Fraktionen eine ihnen entsprechende Zahl ordentlicher Mitglieder und Stellvertreter dem Bürgermeister/Landrat vorschlagen. Diese Vorschläge sind in offener Wahl im Gemeinderat/Kreistag anzunehmen. Möglich ist im Einigungsverfahren in Abhängigkeit vom politischen Klima in der Gemeinde auch die Einbindung einzelner fraktionsloser Mandatsträger in die Ausschüsse. Eine Einigung liegt dann vor, wenn alle anwesenden stimmberechtigten Mitglieder der Vertretung unter Einschluss des Bürgermeisters/Landrats zustimmen; ist nur einer dagegen oder enthält sich auch nur der Stimme, ist die Einigung nicht zustande gekommen. Kommt nun eine Einigung über die Zusammensetzung eines Ausschusses nicht zustande, werden die Mitglieder von den Gemeinderäten/Kreisräten auf Grund von Wahlvorschlägen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl unter Bindung an die Wahlvorschläge gewählt, um auf diese Weise der Mandatsverteilung im Gemeinderat/Kreistag entsprechen zu können. Bei dieser Wahl hat der Bürgermeister/Landrat kein Stimmrecht. Da es sich hier um eine echte Verhältniswahl mit „gebundener“ Liste handelt, hat jeder Gemeinderat/Kreisrat nur eine Stimme. Gewählt wird also nicht eine Person, sondern eine Liste. Bei der Auswertung werden die Sitze auf die einzelnen Wahlvorschläge verteilt. Für die Aufteilung der Sitze auf die Bewerber ist die Reihenfolge im Wahlvorschlag entscheidend. Wird nur ein gültiger oder kein Wahlvorschlag eingereicht, findet Mehrheitswahl ohne Bindung an die vorgeschlagenen Bewerber statt. In diesem Falle hat jeder Gemeinderat so viele Stimmen wie Mitglieder in den Ausschuss zu wählen sind. Gewählt sind die Bewerber mit den höchsten Stimmenzahlen, bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.
Anstelle einer Wahl der Ausschussmitglieder kann der Gemeinderat/ Kreistag beschließen und darüber hinaus in der Hauptsatzung festschreiben, dass sich alle oder einzelne Ausschüsse nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zusammensetzen. Die Sitze sind gemäß § 21 Absatz 1 des Kommunalwahlgesetzes nach dem d‘Hondtschen Höchstzahlverfahren auf die Fraktionen zu verteilen. In diesem Fall werden die Ausschussmitglieder dem Bürgermeister/Landrat von den Fraktionen schriftlich benannt; dieser gibt dem Gemeinderat/Kreistag die Zusammensetzung der Ausschüsse schriftlich bekannt. Die Mitglieder der Ausschüsse können sich im Einzelfall durch andere Gemeinderäte/Kreisräte vertreten lassen. Die von einer Fraktion benannten Ausschussmitglieder können von dieser abberufen werden; die Abberufung ist gegenüber dem Bürgermeister schriftlich zu erklären. Treten im Verlaufe der Wahlperiode solche Änderungen im Stärkeverhältnis der Fraktionen auf, die sich auf die Zusammensetzung der Ausschüsse auswirken, sind sie zu berücksichtigen. Gemeinderäte/Kreisräte eines Wahlvorschlags einer Partei oder Wählervereinigung, die infolge des Wahlergebnisses nicht so viele Mandate errungen haben, um zu einem Sitz in einem Ausschuss zu kommen, haben die Möglichkeit, sich bestehenden Fraktionen anzuschließen. Möglich ist aber auch der Zusammenschluss von einzelnen Mandatsträgern kleiner Parteien, Wählervereinigungen oder Gruppierungen, die sich mit der Konstituierung des Gemeinderats/Kreistags in einer Fraktion zusammenfinden. Anders als im Landtag ist es auf kommunaler Ebene möglich, aus Wahlvorschlägen verschiedener Parteien eine Fraktion zu bilden. Zu beachten ist dabei aber, es nicht nur eine vorübergehende, fiktive oder auf kurzzeitige Einzelzwecke ausgerichtete Gemeinschaft sein darf, etwa aus bloß taktischen Erwägungen zur Absicherung von Sitzen in Ausschüssen des Gemeinderats. Fraktionen werden nur anerkannt als Vereinigung von Mitgliedern mit hinreichend gemeinsamen Grundanschauungen zu einem relativ dauerhaften Zusammenschluss. AG 1
Die Aussagen über beschließende und beratende Ausschüsse gelten sinngemäß auch für die Kreistage, da die §§ 37 und 39 der Sächsischen Landkreisordnung (SächsLKrO) analoge Bestimmungen enthalten. 2 Vgl. Hegele/Ewert, Kommunalrecht im Freistaat Sachsen, 3. Aufl.2004, S. 129. 3 Vgl. Menke/Arens, Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Kommentar, 4. neubearb. Aufl. 2004, S. 114.
Kommunal-Info 5/2014
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Investitionsstau Investitionsstau bei Straßen- und Schulinfrastruktur der Landkreise Das im Mai veröffentlichte KfW Kommunalpanel 2014 belege die nach wie vor deutlich unterfinanzierte Situation der kommunalen Infrastruktur. Das auf Ebene der Landkreise wahrgenommene Investitionsdefizit steige 2013 zum Vorjahr von 22,8 Mrd. Euro auf 25,5 Mrd. Euro. Der Präsident des Deutschen Landkreistages Landrat Reinhard Sager hob insbesondere die Straßen- und Verkehrsinfrastruktur sowie den Zustand der Schulgebäude hervor, die nach wie vor die größten Sorgen bereiten: „Wir setzen bereits 80 % unserer Investitionsmittel in diesen Bereichen ein. Trotzdem reicht in vielen Kreisen das Geld hinten und vorne nicht. Den Kommunen fehlen aufgrund der vielerorts nach wie vor angespannten Haushaltslage Mittel für Erhaltungsinvestitionen oder Neubauten. Daher liegt der Schlüssel zur Lösung des Investitionsstaus in der strukturellen Verbesserung der kommunalen Finanzlage. Auch 2013 konnten knapp die Hälfte der 295 Landkreise ihre Haushalte nicht zum Ausgleich bringen... Kommunale Unterfinanzierung, Strukturschwäche und demografischer Wandel verbinden sich in vielen ländlichen Gebieten zu einer unheilvollen Allianz. Und das, wo gerade in diesen Landkreisen Zukunftsinvestitionen in kommunale Infrastrukturen, Bildung und günstige Wirtschaftsbedingungen notwendig wären“, so Sager. Insgesamt machten die für die Landkreise besonders bedeutsamen Bereiche der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur, der Kinderbetreuung und der Bildungseinrichtungen gut die Hälfte des Investitionsstaus aus. „Im Schulbereich haben wir einen großen Investitionsbedarf, etwa mit Blick auf die auch für die Energiewende bedeutsame energetische Sanierung. Demgegenüber konnten zwar konjunkturbedingt mehr Mittel für die Straßen eingesetzt werden; dennoch bleibt vor allem der Straßen- und Verkehrsbereich eindeutig das Sorgenkind.“ 65 % der befragten Landkreise würden von einem gravierenden oder nennenswerten Rückstand bei der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur sprechen, was sich vor allem beim Straßenerhalt oder Investitionsdefiziten bei Brücken oder Unterführungen zeige. Bei den Schulen seien das sogar 70 %. Trotz positiver Signale bei der Kinderbetreuung bleibe die Lage der Kommunalfinanzen aber besorgniserregend. Zuallererst und generell seien und blieben die Länder in der Pflicht: „Sie sind für die Finanzausstattung der Kommunen verantwortlich und müssen dieser Verantwortung besser als bislang gerecht werden. Sonst wird sich an dem neuerlich festgestellten und doch altbekannten Befund des Kommunalpanels nichts Wesentliches ändern“, so der DLT-Präsident abschließend. (DLT, Pressemitteilung vom 12. Mai 2014)
Das Kommunalpanel kann abgerufen werden unter: www.kfw.de/kfw-konzern/newsroom/ veranstaltungen/kfw-kommunalpanel/
Veranstaltung des Kommunalpolitischen Forums Sachsen e.V. im Februar 2012 in Leipzig
Seminare Grundlagenwissen Kommunalpolitik Für unsere anstehende Bildungstour 2014 zur Vermittlung von Grundlagenwissen für kommunale Mandatsträger/innen hier eine aktuelle Übersicht über Termine und Orte zu den Seminaren: Donnerstag, 12.06., 17.30 Uhr, Krauschwitz, Gasthaus »Zur Linde« (Großer Saal), Bautzener Straße 26 Dienstag, 17.06., 18 Uhr, Borna, Café »Vis a Vis«, Kirchstraße 22 Dienstag, 17.06., 18 Uhr, Plauen, Rathaus, Altmarkt, Marktstraße Mittwoch, 18.06., 18 Uhr, Siebenlehn, Hotel »Schwarzes Ross«, Freiberger Straße 9 Donnerstag, 19.06., 18 Uhr, Naunhof, Hotel »Rosengarten«, Nordstraße 22 Samstag, 21.06., 10 –16 Uhr, Stollberg, Kulturbahnhof, Bahnhofstraße 2 Montag, 23.06., 17 Uhr, Chemnitz, Rathaus, Markt 1 Dienstag, 24.06., 17 Uhr, Eilenburg, Bürgerhaus (kleiner Saal), F.-Mehring-Straße 23 Mittwoch, 25.06., 17 Uhr, Zittau, Infoladen Zittau, Äußere Weberstraße 2 Vor allem für jüngere Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sowie allgemein an Kommunalpolitik interessierten bieten wir darüber hinaus drei Wochenendseminare an: 13.06.2014 bis 15.06.2014, „Alte Schule e. V.“, Schulweg 10, 01920 Schönteichen / Cunnersdorf, 20.06.2014 bis 22.06.2014, Jugendherberge Rochlitz, Zaßnitzer Straße 1, 09306 Rochlitz 27.06.2014 bis 29.06.2014, Jugendherberge Bad Lausick, Herbergsweg 2, 04651 Bad Lausick/OT Buchheim Für diese Termine bitten wir um rechtzeitige Anmeldung, da die Teilnehmeranzahl jeweils begrenzt ist und rechtzeitig die Übernachtungen gebucht werden müssen. Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de
Mai 2014
Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
PARLAMENTSREPORT Sachsen muss gentechnikfrei bleiben!
Liebe Leserinnen und Leser, „Für ein starkes Sachsen – Staat modernisieren, Bürokratie abbauen“, gab Justizminister Martens jüngst in einer Fachregierungserklärung als Devise aus. Durch Strukturveränderungen und Bürokratieabbau wolle man Staat und Verwaltung effizienter gestalten. Kern des schwarzgelben Umbaus ist jedoch bloßer Abbau, vor allem beim Personal des Freistaates. Vor Jahren hatte der Ministerpräsident angekündigt, dessen Stärke von 87.000 auf 70.000 zu reduzieren. Dass es dafür bis heute kein Konzept gibt, ist nicht nur dem Rechnungshof aufgefallen. An die Stelle von Analysen und Planungen setzt die Staatsregierung lieber Anekdotisches: Unlängst verteilte das Wirtschaftsministerium die Werbekarte „Vorfahrt Sachsen“, in der sich Minister Morlok mit Infrastrukturprojekten brüstete, die von der EU finanziert wurden. Aue im Erzgebirgskreis fehlte darauf jedoch komplett. Wer nun befürchtet, die schwarz-gelbe „Staatsmodernisierung“ habe bereits ein erstes größeres Opfer gefordert, sei beruhigt: Wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, steht meine langjährige Heimatstadt weiter am gewohnten Platz. Einen Lichtblick gibt es aber doch. Die FDP-Idee vom „sächsischen Nationalmuseum“, die es sogar in den Koalitionsvertrag schaffte – obwohl die Sächsinnen und Sachsen keine eigene Nation bilden –, wurde vom Finanzminister beerdigt. Das kann man getrost als gelungenen Akt der Staatsmodernisierung bezeichnen. Wer weiter nach guten Beispielen suchen will, sollte sich aber eine starke Lupe besorgen und seine Hoffnungen begrenzen.
Rico Gebhardt Fraktionsvorsitzender
Gentechnisch veränderte Pflanzen gelten oft als Heilsbringer, die Erträge steigern und Ernten besser gegen Schädlinge rüsten könnten. In zahlreichen Ländern, insbesondere auf den amerikanischen Kontinenten, wird gentechnisch veränderter Mais schon seit längerem angebaut. Diskussionen zu Gen-Mais und GenKartoffeln gibt es auch hierzulande. Seit 2009 werden in Deutschland keine genmanipulierten Pflanzen eingesetzt, seit 2009 besteht ein Anbauverbot für Mais der Sorte MON 810. Auch Frankreich, Ungarn, Österreich und Italien haben den Gen-Mais verboten. Spätestens seit den Verhandlungen zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, das wohl auch Verbraucherschutzstandards infrage stellen wird, weicht die Abwehrhaltung gegen gentechnisch veränderte Kulturen aus Übersee allerdings auf. So ist gentechnisch veränderter Mais inzwischen praktisch zugelassen, soll ab 2015 auch in Deutschland wachsen. Indes lassen Erfahrungen aus Brasilien an seiner Schädlingsresistenz zweifeln: Dort droht eine Raupenplage mehr als 30 % der Maisernte zu vernichten. Der GenMais 1507 des Unternehmens Pioneer, der dort im dritten Jahr großflächig angebaut wird, sollte eigentlich über ein eingebautes Insektengift verfügen, das die Raupen abtöten sollte. Letztere gedeihen jedoch prächtig. Nun stehen vor allem Kleinbauern vor Einnahmeverlusten, zumal das Saatgut bereits sehr teuer
war. Teure Insektizide sind notwendig, bei deren Beschaffung Pioneer – wen wundert’s – keine Unterstützung leisten muss. Solche Zustände sind auch für Sachsen alles andere als wünschenswert. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag formuliert: „Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an“. Ob dieses Bekenntnis tatsächlich etwas wert ist, muss allerdings bezweifelt werden. Denn anstatt klare Kante gegen Gen-Pflanzen zu zeigen, hat sich Deutschland in Debatten auf EUEbene stets der Stimme enthalten. Auch die sächsische Staatsregierung hüllt sich in beredtes Schweigen, weshalb die Fraktion DIE LINKE eine Aktuelle Debatte mit dem Titel „Gentechnikfreie Region Sachsen – Minister Kupfer soll Farbe bekennen!“ beantragte. Kathrin Kagelmann, agrar- und tierschutzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, verwies auf laufende Debatten zur Zulassung grüner Gentechnik. Es gebe Zweifel daran, ob die nationalen Anbauverbote rechtssicher seien. 1,2 % der EU-Anbaufläche sind derzeit mit dem Anbau gentechnisch veränderter Kulturen belegt. Dieses Bollwerk gelte es zu halten, allen Forderungen aus Übersee, Verbraucherschutzstandards abzusenken und den europäischen Markt für genma-
nipulierte Pflanzen zu öffnen, zum Trotz. Da die Bundesregierung nicht aktiv geworden sei, habe es zahlreiche Initiativen anderer EU-Staaten und deutscher Bundesländer gegeben, um dafür zu sorgen, dass Deutschlands Felder gentechnikfrei bleiben. „Bayern, Hessen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen sind gleich dem Netzwerk ,Gentechnikfreie Regionen in der EU‘ beigetreten. Und was macht Sachsen? Nichts! Sachsen dackelt der Bundesregierung hinterher – zumindest bis jetzt“, kritisierte Kagelmann. Sie forderte ein klares Wort von Umweltminister Frank Kupfer (CDU): „Wie halten Sie es mit der Gentechnik in Sachsen?“ Dieser bekannte, sehr viel von grüner Gentechnik zu halten. „Zumindest mit dieser Staatsregierung kommen wir in Sachen Gentechnikfreiheit keinen Schritt weiter. Ich halte das mit Hinblick auf die große Ablehnung durch die Bevölkerung für tragisch“, reagierte Kagelmann. Die ethische Verantwortung für die Vielfalt auf unserem Planeten verlange es, die Folgen einer Technologie wissenschaftlich abzuschätzen. Das geschehe nur unzureichend. „Wir wollen Gentechnik weder auf den Tellern noch im Trog“, so Kagelmann. Produkte von Tieren, die mit genmanipulierten Pflanzen gefüttert wurden, müssten europaweit gekennzeichnet werden. Gesunde und regionale Kost solle also auf sächsische Tische – Genmanipulation bringe mehr Unheil als Heil.
Die Farce geht weiter Am 19. Februar 2011 demonstrierte der Landtagsabgeordnete Falk Neubert (DIE LINKE) friedlich und gewaltfrei gegen einen geplanten Naziaufmarsch in Dresden. Die Staatsanwaltschaft Dresden leitete ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein, das sich jahrelang hinschleppte. Nun hat das Amts gericht Dresden den Politiker zu einer Geldstrafe von 1.500 Euro verurteilt. Falk Neuberts erste Reaktion: „Ich bin auch weiterhin entschlossen, gegen die Kriminalisierung zivilgesellschaftlichen Protests gegen Nazis in Sachsen zu kämpfen. Wir werden das Urteil so nicht stehen lassen.“ Neuberts Anwalt André Schollbach kritisierte, dass sich das Gericht in seiner mündlichen Urteilsbegründung mit der Sache nicht argumentativ auseinandergesetzt habe. Er werde nun Rechts-
mittel einlegen, das letzte Wort sei noch nicht gesprochen. Neubert hatte zur Eröffnung der Hauptverhandlung erklärt, dass er davon ausgehe, dass sein Verhalten im Februar vor drei Jahren vom Ver-
sammlungsgesetz gedeckt gewesen sei. Der Abgeordnete ist seit vielen Jahren antifaschistisch engagiert, unter anderem wiederholt als Anmelder des „Mahngangs Täterspuren“ des Bündnisses „Dresden Nazifrei“.
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PARLAMENTSREPORT
Mai 2014
Die Menschen hinter dem Staats-Etat sehen! Der Haushaltspolitik wird gemeinhin zugeschrieben, dass sie sich nur mit kalten, nackten Zahlen beschäftigt. Das stimmt freilich nicht, haben doch alle Finanzent scheidungen zumindest indirekt Auswirkungen auf das Leben der Menschen im Freistaat. Deutlich wird dieser Einfluss beispielsweise in der Geschlechterpolitik. Mit ihrem Antrag „Voraussetzungen für die Förderung einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter im Bereich des Staatshaushaltes in Sachsen schaffen“ (Drucksache 5/13809) plädierte die Fraktion DIE LINKE für eine Berücksichtigung gleichstellungspolitischer Belange bei der Haushaltsaufstellung (Gender Budgeting). Damit wird schlichtweg die Frage aufgeworfen, wie Haushaltspolitik auf das Verhältnis der Geschlechter wirkt. Dazu werden Einnahmen und Ausgaben bei der Aufstellung, Ausführung und Rechnungslegung des Haushaltes sowie bei allen haushaltsbezogenen Maßnahmen auf ökonomische Effekte für Frauen und Männer sowie auf die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse untersucht.
sortübergreifende Gender Budgeting-Strategie entwickelt. Deshalb wollte die Fraktion DIE LINKE die Staatsregierung verpflichten, mit dem Doppelhaushalt 2015/2016 stufenweise die Voraussetzungen dafür zu schaffen und eine ressortübergreifende Steuerungsgruppe mit wissenschaftlicher Begleitung einzurichten. Heiderose Gläß, gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, gab ein klares Ziel aus: „Wir wollen, dass auch die öffentliche Hand stärker als bisher zu einer Gleichstellung der Geschlechter in der Gesellschaft beiträgt, und das nicht nur auf Internetseiten und in Sonntagsreden. Dazu ist gerade Gender Budgeting ein M i t t e l “. „Damit wird nicht
versucht, die Haushaltsführung des Freistaates Sachsen in Gefahr zu bringen und Tausende von Mitarbeitern mit sinnlosen Tätigkeiten zu beschäftigen“, ergänzte der finanzpolitische Sprecher der Fraktion, Sebastian Scheel. Damit es funktioniere, müsse allerdings eine geschlechterdifferenzierte Datenerhebung in der öffentlichen Statistik eingeführt werden, so Gläß. In Sachsen gebe es für zahlreiche Politik- und Lebensbereiche keine oder nur wenige Daten, die die Geschlechter getrennt betrachten. Allerdings profitierten Männer und Frauen unterschiedlich stark von Aus-
Der Freistaat Sachsen hat bislang keine res-
gaben, trügen unterschiedlich stark zu Einnahmen bei, seien unterschiedlich stark von Einsparungen betroffen, so Gläß. Haushaltsentscheidungen könnten bestehende Geschlechterrollen verfestigen oder verändern. So sei es nicht gleichgültig, welche Betriebe öffentliche Gelder erhielten, welche Studienrichtungen und Fachbereiche einer Hochschule erhalten blieben oder abgewickelt würden oder welche Sportarten mit welchem Maß an staatlicher Förderung rechnen könnten. Zahlreiche andere Bundesländer, viele Kommunen und auch die EU führen derzeit eine geschlechtergerechte Haushaltsplanung ein oder praktizieren sie bereits. Die EU-Finanzministerkonferenz hat schon 2002 beschlossen, dass Gender Budgeting in den Mitgliedsstaaten bis 2015 einzuführen sei. Passiert ist in Sachsen bisher nichts. Die Ablehnung des Antrages durch die schwarzgelbe Mehrheit illustrierte anschaulich, dass sich daran auch nichts ändern soll. Offenbar ist es für manche Fraktionen nicht selbstverständlich, die Menschen hinter den Zahlen zu betrachten.
70 Jahre nach 1945: Weiter zu sowjetischen Kriegsgefangenen forschen! Das faschistische Deutschland führte gegen die Sowjetunion einen rassistischen Vernichtungskrieg. Dabei war der Tod von Millionen Menschen zynisch einkalkuliert – auch der von Kriegsgefangenen. So gerieten weit mehr als fünf Millionen Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Mindestens 3,3 Millionen kamen um, auch in Sachsen: Allein im Kriegsgefangenenlager Zeithain bei Riesa starben zwischen
1941 und 1945 etwa 30.000 Kriegsgefangene. Viele Überlebende litten auch nach ihrer Befreiung weiter, da sie als „Vaterlandsverräter“ in Stalins Arbeitslager kamen. Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen ist deshalb erst seit 1990 Teil der deutschen Erinnerungskultur. Seit 2000 arbeitet die Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten im Auftrag der Bundesregierung daran, diese Schicksale aufzuarbeiten. Im Rahmen dieses Projektes entstand eine Datenbank, die Informationen zu etwa 900.000 Personen enthält. Daraus können Angehörige, Aufarbeitungsinitiativen oder staatliche Stellen Auskünfte erhalten. Etwa die Hälfte des vorhandenen Archivmaterials ist so bereits erforscht. Diese Arbeit ist wichtig, denn Völkerverständigung kann nur gelingen, wenn historische Schuld aufgearbeitet und dokumentiert wird. Allerdings hat der Bund nur bis Ende 2014 zugesagt, die notwendigen Mittel bereitzustellen. Dabei ist klar, dass diese Zeit bei weitem nicht ausreicht, um die Arbeit abzuschließen. Es wäre ein fatales Signal, wenn das Projekt auf halbem
Wege stehen bliebe. Die Fraktion DIE LINKE setzte sich deshalb mit einem Antrag (Drucksache 5/11418) dafür ein, dass das sächsische Forschungsprojekt zur Schicksalsklärung sowjetischer Kriegsgefangener fortgesetzt wird. Gemeinsam mit der Bundesregierung und basierend auf Haushaltsmitteln des Freistaates soll die Forschungs- und Beratungsarbeit auch nach 2015 weitergehen. Die Staatsregierung verwies darauf, dass der Bund bislang einen Großteil der Kosten übernommen habe und es nicht zielführend sei, wenn das Land einspringe. Dr. Volker Külow, kulturpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, ließ dieses Argument allerdings nicht gelten. Die Staatsregierung behandle die Dokumentationsstelle seit Monaten „nahezu stiefmütterlich“, ihre Stellenausstattung liege weit unter dem Bedarf. Der Eigenanteil der Stiftung Sächsische Gedenkstätten an Kosten für die Digitalisierung und Erfassung der Dokumente zeuge von wenig Engagement. Kulturministerin Sabine von Schorlemer müsse für eine tragfähige Lösung sorgen. Külow unterbreitete Vorschläge für alternative Finanzierungsmöglichkeiten, die er bereits mit dem
Deutsch-Russischen Zentrum Sachsen e.V. und dessen russischen Partnern besprochen habe. So sei es denkbar, ehrenamtliches Personal im „Bundesfreiwilligendienst“ oder im „Freiwilligen Sozialen Jahr“ einzusetzen. Im Rahmen des Programms „Weltoffenes Sachsen“ könne ein Mehrjahresprojekt initiiert werden, das ein gemeinnütziger Verein tragen könne. Vielleicht stünden auch Unternehmen aus Deutschland und Russland als Sponsoren bereit. „Es darf nicht das Ergebnis von mehr als 14 Jahren Arbeit und annähernd vier Millionen Euro Steuergeld sein, dass eine Projektruine entsteht. Würden Auskünfte nicht mehr gegeben, wäre das ein fatales Signal an die Familien der Toten und Vermissten in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion“, so Külow. Die Mehrheit des Landtages lehnte den Antrag allerdings ab. Damit droht dem Freistaat zum Jahresende eine geschichtspolitische Blamage. Die Staatsregierung muss den Fortgang dieses wichtigen Projektes der deutsch-russischen Erinnerungskultur ermöglichen. Die Angehörigen von hunderttausenden Opfern der deutschen Kriegsmaschinerie haben darauf ein Anrecht.
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Neue Schulschließungen drohen Die Zahlen beeindrucken und bestürzen zugleich: Seit dem Schuljahr 1992/1993 sind in Sachsen 1126 von einstmals 2491 Schulen geschlossen worden. Insbesondere längere Schulwege machen jungen Menschen auf dem Lande zu schaffen. Für die Kosten müssen vielerorts die Eltern aufkommen, weil sich CDU und FDP hartnäckig weigern, die Elternanteile abzuschaffen. Gerade einkommensschwache Elternhäuser sind damit schnell überfordert. In einem zeitgemäßen Schulsystem müssen jedoch alle Heranwachsenden gleichermaßen gute Bildungschancen bekommen. Auf den ersten Blick banal, aber eigentlich fundamental ist dabei die Frage, wie viele Schulen ein Staat seiner Bevölkerung zur Verfügung stellt. Sachsen braucht ein möglichst flächendeckendes und engmaschiges Schulnetz. Die Schulschließungspolitik der vergangenen Jahrzehnte, die maßgeblich von der CDU vorangetrieben wurde, hat besonders im
ländlichen Raum große Löcher in dasselbe gerissen. Um weitere Schließungen möglichst zu verhindern, will die Fraktion DIE LINKE eine Reihe von Änderungen am Schulgesetz vornehmen. Dazu hat sie den Entwurf für ein „Gesetz zur Sicherung wohnortnaher Schulstandorte und Bildung im ländlichen Raum“ (Drucksache 5/12794) eingebracht. Änderungen betreffen dabei die bisherigen Regelungen zur Klassenbildung, zur Mindestzügigkeit von Schularten – also zur Frage, wie viele Klassen einer Klassenstufe gebildet werden müssen – sowie zur Schulnetzplanung. So soll es den Schulträgern gestattet werden, Grundschulen bereits ab einer Mindestschülerzahl von 10 und weiterführende Schulen ab 15 pro Klasse zu halten. Einzügige Mittelschulen sowie zweizügige Gymnasien sollen möglich werden. Der Klassenteiler soll in Grundschulen auf 20 und in weiterführenden Schulen auf 25 reduziert werden. Auch Schulverbünde und eine nötigenfalls jahrgangsübergreifende
Klassenbildung sollen Schulstandorte erhalten helfen. Bei CDU und FDP stieß die Initiative auf taube Ohren, was Cornelia Falken, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, kritisierte: „Obwohl CDU und FDP, allen voran der Ministerpräsident, im Wahlkampf keine Gelegenheit auslassen, öffentlich zu verbreiten, in Sachsen keine Schulen mehr schließen zu wollen, haben sie unseren Gesetzesvorstoß abgelehnt. Das Schulsterben in Sachsen geht also weiter“. Für das kommende Schuljahr 2014/2015 zeichneten sich bereits neue Schulschließungen ab. So komme das Ende für die Mittelschule in Seifhennersdorf sowie für die Grundschulen Oberlosa/Plauen, Mittelbach/Chemnitz und Heidelsberg/Aue. Auch die Grundschule Weßnig/Torgau galt als gefährdet; allerdings erklärte die Ministerin nach Intervention der Fraktion DIE LINKE, dass sie doch vorerst erhalten bleiben soll. Die Schadensbilanz wird dennoch fortgeschrieben.
Abfall-Recherchen: Fehler erwiesen Untersuchungsausschüsse gelten oft als das „schärfste Schwert der Opposition“. Spätestens, wenn das Ende einer Wahlperiode naht, ist es Zeit für Bilanzen und Konsequenzen. Als erster der drei Untersuchungsausschüsse (UA) dieser Wahlperiode hat nun der 1. UA „Abfall-Missstands-Enquete“ seine Arbeit beendet. Anlass für seine Einrichtung waren einst „schwarze Schafe“ in der Abfallbranche, die in und aus Sachsen heraus illegale Müllgeschäfte tätigten. Der Ausschuss sollte klären, „welche Strukturen“ dieses Fehlverhalten „ermöglicht oder sogar begünstigt haben“, wie die langjährige stellvertretende Vorsitzende Andrea Roth (Fraktion DIE LINKE) bei dessen Einsetzung 2010 formulierte. Dass sich die sächsische Abfallwirtschaft strukturell fehlentwickelt hat, wird insbesondere an zu hohen Kapazitäten in der Abfallbeseitigung deutlich. So sind einige Verwertungsanlagen und Deponien – etwa jene in Cröbern – deutlich überdimensioniert und deshalb nicht ausgelastet. Gebaut wurden sie mit Genehmigung und unter der Aufsicht der zuständigen Behörden. Die Zeche zahlen die Einwohnerinnen und Einwohner über steigende Abfallgebühren. Dr. Jana Pinka, stellvertretende Ausschussvorsitzende, verwies in der Debatte auf Halbwahrheiten und Widersprüche, die der Ausschuss aufgedeckt habe. An drei Beispielen wies sie nach, dass der Abschlussbericht der CDU-geführten Ausschussmehrheit – anders als abweichende Voten der Minderheit – die Erkenntnisse falsch darstelle. So behaupte er, dass Behörden „unverzüglich“ gehandelt hätten, wenn Fehlverhal-
ten festgestellt worden sei. Allerdings sei eine Anzeige gegen die Westsächsische Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (WEV) wegen rechtswidriger Abfallverbringungen erst knapp anderthalb Jahre nach Beginn des Tatzeitraums erstattet worden, obwohl die Behörden bereits seit elf Monaten informiert waren. Zweitens, so der Mehrheitsbericht, halte sich „die weit überwiegende Mehrheit der Unternehmer an die gesetzlichen und sonstigen Regelungen“. Das sei „nicht nachvollziehbar“, so Pinka: „Wie können Sie das beweisen? Schließlich haben wir nur eine Handvoll Unternehmen betrachtet und bei all diesen als ,Entsorgungsfachbetrieb‘ zertifizierten Unternehmen diverse Missstände nachweisen können“. Der von der CDU verantwortete Teil des Berichts kommt zudem zu dem Schluss, dass „sowohl die Zentraldeponie Cröbern als auch die Mechanisch-Biologische Abfallbehandlungsanlage am gleichen Standort nicht überdi-
mensioniert sind“. Laut Pinka laufe die Müllbeseitigungsanlage jedoch seit geraumer Zeit nur im 1-SchichtBetrieb, da die Abfälle fehlten. Insgesamt seien die zuständigen Behörden wegen überbordender Aufgabenzuweisungen teilweise nicht in der Lage gewesen, ihre Pflichten sachgerecht zu erfüllen. Maßnahmen seien teilweise erheblich verspätet eingeleitet worden, der Informationsaustausch in den Behörden sei mangelhaft gewesen. Wenn die CDU die Schuld pauschal auf die Unternehmen der Abfallwirtschaft abwälze, sei das ein „durchsichtiger Schachzug“, so Pinka. Fehler, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Bereich der Abfallwirtschaft gemacht wurden, kosteten den Freistaat noch lange Geld, so Pinka. Die bitterste Folge seien Gebührensteigerungen, die allein die Bevölkerung belasten. Dass die CDU auch dies abstritt, konnte angesichts gegensätzlicher Wahrnehmungen von vier Jahren Untersuchungsarbeit aber nicht weiter überraschen.
Plenarspiegel Mai 2014 Am 21. und 22. Mai 2014 fanden die 96. und die 97. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages statt. Die Fraktion DIE LINKE war mit folgenden parlamentarischen Initiativen vertreten: Aktuelle Debatte: „Gentechnikfreie Region Sachsen – Minister Kupfer soll Farbe bekennen!“ Gesetzesentwürfe: – „Gesetz zur Sicherung wohnortnaher Schulstandorte und Bildung im Ländlichen Raum (Sächsisches Schulstandortsicherungsgesetz – SächsSchulSichG)“ (Drs 5/12794) - „Gesetz zur Regelung der Kostenfreiheit der Schülerbeförderung für Eltern und Schüler in Sachsen (Sächsisches Schulwegekostenfreiheitsgesetz – SächsSchulKostFreihG)“ (Drs 5/14109) Anträge: - „Voraussetzungen für die Förderung einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter im Bereich des Staatshaushaltes in Sachsen schaffen“ (Drs 5/13809) - „Sächsisches Forschungsprojekt zur Schicksalsklärung von sowjetischen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges fortsetzen“ (Drs 5/11418) Entschließungsantrag: zu Drs 5/2155 „Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 54 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen zum Thema: ,Untersuchung der Versäumnisse und Fehler der Staatsregierung bei Konzipierung, Organisation, Planung und Absicherung einer vorrangig auf Abfallvermeidung, Ressourcenrückgewinnung und Nachhaltigkeit ausgerichteten Abfall-Kreislaufwirtschaft sowie einer funktionierenden Verwaltung und Überwachung der umweltverträglichen Verwertung und Beseitigung von Abfällen in Sachsen (AbfallMissstands-Enquete)‘“ (mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drs 5/14480) Auf Empfehlung der Ausschüsse lehnte die Mehrheit im Plenum diese Anträge ab. Drucksachen (Drs) und Redebeiträge unter www.linksfraktion-sachsen.de
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Die neue soziale Dimension des Wohnens Der Freistaat Sachsen steckt mitten im demografischen Wandel und steht vor enormen Herausforderungen in der Wohnungspolitik. Die Erfahrungen und Konzepte, die hier gemacht und ausprobiert werden, sind auch für weite Teile Westdeutschlands und der westlichen Industriestaaten interessant. Diese werden Prognosen zufolge zeitversetzt mit diesen Phänomenen konfrontiert sein. Der starke Bevölkerungsrückgang Sachsens – die Staatsregierung geht von einem Rückgang um 8,3 % bis 2020 aus – wird sich nicht gleichmäßig vollziehen. Es gibt Wachstumsstädte wie Leipzig und Dresden. Dagegen wird vor allem im ländlichen Raum die Bevölkerungszahl weiter zurückgehen. Diese Widersprüchlichkeit zieht sich auch durch den Wohnungsmarkt. Experten sprechen dabei von einer zweiten Leerstandwelle mit weiteren gut 100.000 leerstehenden Wohnungen bis 2020 und zugleich einem deutlichen Neubaubedarf in Ballungszentren. Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern, muss einerseits der Neubau sozialverträglich erfolgen, ohne dass es zu Verdrängungsprozessen kommt, andererseits müssen schrumpfende Regionen mit einem ausreichenden Maß an Infrastruktur, Nahversorgung und Daseinsvorsorge stabilisiert werden.
Dem Rückgang der Einwohnerzahl steht die zunehmende Alterung der Bevölkerung gegenüber. Zwar steigt mit der Alterung nicht automatisch der Pflegebedarf, dennoch wird die Nachfrage nach barrierefreiem bzw. -armem Wohnraum massiv steigen. Das Forschungsinstitut empirica geht von einem jährlichen Mehrbedarf von ca. 3.000 „seniorengerechten“ Wohnungen bis 2025 aus. Diesen Bedarf zu befriedigen, stellt die Wohnungsunternehmen vor enorme Probleme. Die allgemeine Einkommensentwicklung in Sachsen (laut Statistischem Landesamt liegt das durchschnittliche Arbeitseinkommen in Sachsen ca. 700 Euro unter dem im Westen) und eine zunehmende Altersarmut, hervorgerufen durch gebrochene Erwerbsbiografien, Arbeitslosigkeit und Niedrigeinkommen, lassen einen Mietpreis nicht zu, der notwendig wäre, um altersgerechte Umbaumaßnahmen durch Mietumlagen zu finanzieren. Zwar fördert der Freistaat Sachsen das sogenannte Mehr-
generationenwohnen, doch ist eine besser abgestimmte und höhere Förderung sowie eine Ausweitung auf den ländlichen Raum dringend notwendig, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. Ähnlich verhält es sich mit der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, dem Klimawandel und dessen Auswirkungen zu begegnen. Laut Zielsetzung der Bundesregierung soll der
Wärmebedarf im Wohngebäudebereich bis 2020 um 20 % gesenkt werden. In Sachsen wird trotz zurückgehender Einwohnerzahlen dieses Ziel verfehlt. Das liegt wie beim barrierefreien Umbau maßgeblich an den fehlenden Möglichkeiten, Sanierungsmaßnahmen privatwirtschaftlich über Mieten zu refinanzieren. Zu den drei grob umrissenen Problemfeldern soziale Wohnungspolitik, barrierefreies Wohnen und energetische Modernisierung führt die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag am 14. Juni 2014 eine Wohnungspolitische Konferenz durch. Mit Wissenschaftler_ innen, Fachpolitiker_innen, Vertreter_innen der Wohnungswirtschaft und der Sozialverbände sowie mit der interessierten Öffentlichkeit werden konkrete Handlungsbedarfe und mögliche Lösungen diskutiert. Auch für die Kommunen ist dies ein wichtiges Thema. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Wohnungspolitische Konferenz: „Die neue soziale Dimension des Wohnens“, 14.06.2014, Beginn: 10 Uhr. Sächsischer Landtag, Bernhard-von-Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden, Räume A 400, A 435, A 498. Weitere Informationen auf www.linksfraktion-sachsen.de
Ist die Freiwillige Feuerwehr in Sachsen noch zu retten? Feuerwehrkameradinnen und -kameraden sind dafür bekannt, anzupacken, sich für andere zu engagieren. Sie sind wirkliche Kümmerer, und das im Ehrenamt. Doch offensichtlich kümmert sich kaum jemand um sie und ihre Probleme. Ist die Freiwillige Feuerwehr noch zu retten? Die Fraktion DIE LINKE beschäftigt sich seit langem mit der Situation der vielen ehrenamtlichen Brandbekämpferinnen und Brandbekämpfer, hat unter anderem einen Gesetzesentwurf (Drucksache 5/11701) vorgelegt, mit dem eine eigene zusätzliche Altersversorgung für ehrenamtliche Feuerwehrmänner und -frauen (Feuerwehrrente) aufgebaut werden soll. Damit hätte
sich ein einstiges Wahlversprechen von Ministerpräsident Tillich umsetzen lassen. Es wird sich zeigen, ob die Mehrheit des Landtages bereit ist, dieses Anliegen des Regierungschefs zu unterstützen. Die Altersversorgung stellt allerdings nur einen Teilaspekt der Probleme der Freiwilligen Feuerwehren dar, wie eine Fachanhörung der Fraktion im Mai zeigte. Daran hatten Kameradinnen und Kameraden mehrerer sächsischer Feuerwehren teilgenommen, vom Kreisbrandmeister bis zum Wehrleiter. Wie Schwierigkeiten beschrieben wurden, gab zu denken. Warmherzige Worte von Politikern habe man säckeweise im Keller. Zur Realität
gehörten aber eine flächendeckend fehlende Einsatzbereitschaft und fehlende Ehrlichkeit von Seiten der Verantwortlichen im Umgang mit dieser Tatsache. Hinzu komme fehlender Sach- und Fachverstand auf höheren Entscheidungsebenen. Außerdem gebe es im Bereich der Feuerwehren im Freistaat Sachsen keine statistische Datenerhebung. Genannt wurden weiterhin auch die Ablehnung der Rauchmelder-Pflicht durch den Sächsischen Landtag und fehlender Feuerwehr-Nachwuchs. Im Ergebnis des Abends war man sich über notwendige Maßnahmen einig. So bedarf es gravierender Strukturveränderungen, einer belastbaren und ehrlichen Feuerwehr-Statistik sowie einer Überarbeitung des Sächsischen Brandschutz- und Rettungsgesetzes. Die Entschädigungsleistungen für Arbeitgeber müssen erhöht, das Ehrenamt stärker als bisher gewürdigt werden. Sachsens Freiwillige Feuerwehren müssen auskömmlich finanziert werden, wobei auch ein größeres Engagement des Freistaates notwendig ist. Unsere Feuerwehren taugen nicht als Wahlkampfthema. Alle demokratischen Fraktionen müssen an einen Tisch, um die Probleme zu lösen. Auch deshalb wird die Fraktion DIE LINKE den Hilferuf der Kameradin-
nen und Kameraden im parlamentarischen und außerparlamentarischen Bereich intensiver auf die Tagesordnung setzen. Als Sofortinitiative werden wir in den bald anstehenden Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2015/2016 entsprechende Änderungsanträge platzieren und die ausstehende Verordnung zur Einführung einer belastbaren Statistik einfordern. Ziel muss es sein, dass die Freiwillige Feuerwehr im Ehrenamt auch im 21. Jahrhundert die übertragenen Aufgaben lösen kann, im Interesse der Sicherheit von uns allen.
Impressum Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Telefon: 0351/493-5800 Telefax: 0351/493-5460 E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de www.linksfraktion-sachsen.de V.i.S.d.P.: Marcel Braumann Redaktion: Kevin Reißig
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Japanische Reise im März
Bilder: Klaus Tischendorf
Immer, wenn der Sächsische Ministerpräsident auf Reisen geht, ist der Sächsische Landtag mit zwei Landtagsabgeordneten dabei – jeweils eine bzw. einer von den Regierungsparteien und von der Opposition. Am 20. März dieses Jahres begab sich Ministerpräsident Tillich auf eine einwöchige Reise nach Japan, an der ich als Oppositionsvertreter teilgenommen habe. Für mich war diese Reise gleich in zweifacher Hinsicht interessant. Es war meine erste Reise nach Asien, und es standen die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Japan und Sachsen auf der Tagesordnung. Wir haben schließlich in unserem Landtagswahlprogramm ausdrücklich beschlossen, dass neben der Sozialpolitik auch wirtschaftspolitische Themen mehr als bisher für DIE LINKE in den Mittelpunkt gestellt werden sollen. Japan hat 127,5 Mio. Einwohner. In Tokio leben mit 9 Mio. Einwohnern bereits mehr als doppelt so viele Menschen, wie Sachsen Einwohner hat. Im Vergleich mit Deutschland steht Japan vor ähnlichen Herausforderungen der Zukunft. Das betrifft insbesondere die demographische Entwicklung und die Energieund Rohstoffversorgung. Fast bei jedem Gesprächstermin waren auch die Auswirkungen der Nuklearkatastrophe von Fukushima ein Thema. Japan ist übrigens das einzige Land, das nach dieser Naturkatastrophe alle 50 Atomkraftwerke vom Stromnetz genommen hat. Die dadurch notwendigen, kurzfristigen Sparmaßnahmen mussten übrigens vorrangig die Wirtschaftsunter-
nehmen erbringen, ohne dass es dafür finanzielle Unterstützung durch Steuergelder gab. War die Nutzung der Kernenergie bis zur Katastrophe in Japan kaum infrage gestellt, gibt es gegenwärtig wieder große politische Diskussion, ob sie jeweils wieder ans Netz gehen sollen. Mit einem Mal war der Mythos der großen Sicherheit japanischer Atomkraftwerke zerstört. Auf der Fahrt mit dem ShinkansenSchnellzug in die Präfektur Yamagata machte dieser auch am Bahnhof von Fukushima halt. Plötzlich war unter unserer Delegation die Atomkatastrophe das Gesprächsthema der Zugfahrt. Gegenwärtig ist Japan mit 27 Investitionen in der sächsischen Wirtschaft engagiert. Ziel der sächsischen Regierungsdelegation war es, diese japanischen Unternehmen in ihren Stammorten zu besuchen und über den weiteren Ausbau der Kooperationen zu sprechen. Größter japanischer Investor in Sachsen ist die TAKATA-PETRI Sachsen GmbH mit insgesamt 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Elterlein, Döbeln und Freiberg. An sächsischen Hochschulen gibt es gegenwärtig 25 Kooperationsvereinbarungen mit japanischen Partnern. In der Stadt Yonezawa, im Norden der Japanischen Hauptinsel Honshu, sprach unsere sächsische Delegation mit politischen Vertretern und Wirtschaftspartnern von sächsischen Unternehmen, die sich mit der Erforschung und der marktifen Einführung der „organischen Elektronik“ beschäftigen. Hierbei handelt es sich um eine noch recht junge Tech-
nologie. Im Gegensatz zur klassischen Mikroelektronik, in der vorwiegend Silizium zur Herstellung von Halbleiterprodukten zum Einsatz kommt, werden bei der organischen Elektronik Kohlenwasserstoffverbindungen genutzt. Der Vorteil liegt vor allem darin, dass diese Produktmaterialien extrem leicht, ultradünn und bedruckbar sind. Zu den wichtigsten Anwendungsgebieten zählen organische Leuchtdioden (OLED). Seit ca. drei Jahren gibt es hier mit der TU Dresden und mittelständigen Unternehmen der Halbleiterindustrie in Dresden und Chemnitz eine Zusammenarbeit. Bei einem Besuch des Forschungszentrums von Yonezawa wurden uns praktische Anwendungen vorgestellt. Auf dem Weg in den Süden besuchten wir in der Stadt Kariya das weltweit agierende Unternehmen „DENSO Corporation“. Das ist ein an der Tokioter Börse notierter Automobilzulieferer, der besonders in den Bereichen der Automobilelektronik und -mechatronik arbeitet. In Deutschland hat der Konzern seit 1984 seinen Hauptsitz in München. Über die Beteiligung an der TD Deutsche Klimakompressor GmbH (TDDK) in Bernsdorf/Straßgräbchen ist DENSO aber bereits in Sachsen vertreten. In den Gesprächen mit dem Konzernvorstand ging es vor allem darum, darauf hinzuweisen, dass in Sachsen die Automobilindustrie ein wichtiger Partner für eine engere Zusammenarbeit werden kann. Gleich im Anschluss besuchten wir in unmittelbarer Nähe die Firma „Toyota Industries Corporation“, die ebenfalls Mitgesellschafter der TDDK GmbH ist. Von den über 7 Mio. in der Europäischen Union verkauften Klimakompressoren stammen allein 3,5 Mio. aus dem sächsischen Unternehmen. Auch wurde während unseres Be-
suchs beim japanischen Unternehmen NAGANO KEIKI in Higashimagome ein Joint Venture mit der in Dresden ansässigen Firma „Intelligente Sensorsysteme Dresden GmbH (i2s) unterzeichnet. Es wurde auch noch ein „Memorandum of Understanding“ zwischen dem Flughafen Kanasai in Osaka und der Mitteldeutschen Flughafen AG zur engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit besiegelt. Unsere Delegation begleiteten mehrere Journalisten aus Sachsen. Bei den Besuchen in den Unternehmen hatten diese es aber durchaus nicht immer leicht. In Deutschland sind wir es ja durchaus gewöhnt, dass Berichterstatter bei allen Gesprächsterminen dabei sind. In japanischen Unternehmensleitungen gibt es aber eine andere Vorstellung. Meistens wurden die Medienvertreter zu den offiziellen Beratungen nicht zugelassen, sondern ihnen während dieser Zeit ein Alternativprogramm angeboten. Zeit für Pressetermine wurde dann meist nur für 10 Minuten eingeräumt. Es war also ein Arbeiten unter erschwerten Bedingungen. Ein besonderer Höhepunkt für mich war der Besuch der Tokioer Suntory Hall. Die gilt als einer der bekanntesten Konzerthäuser weltweit. Am Abend unseres Besuchs gab das Leipziger Gewandhausorchester das letzte Konzert seiner diesjährigen Asien-Tournee. Der große Saal mit mehr als 2.000 Plätzen war fast ausverkauft. Am Ende gab es 15 Minuten unterbrochenen Applaus von den Rängen. Bereits seit 1961 ist das Gewandhausorchester zu Gastspielen nach Tokio gereist und genießt seitdem in Japan einen guten Ruf. Der anschließende Empfang der Musiker bot eine gute Gelegenheit, mit den Orchestermitgliedern und dem Dirigenten, Riccardo Chailly, ins
Gespräch zu kommen. Auch für ein Kennenlernen japanischer Geschichte und Kultur war auf der Reise Gelegenheit. So besuchte ich in Yonezawa den bekannten Uesugi Shrine (Schrein). In ihm wird die Heldengestalt des Useugi Kenshin (1530-1578) verehrt. Er der Anführer des Uesugi Clans und ein edler Samurai-Krieger. Von der Reise bleiben für mich viele schöne Erinnerungen, etwa von japanischen Gesprächspartnern, die ein ernsthaftes Interesse an einer guten Zusammenarbeit mit Sachsen gezeigt haben. Aber auch die Geschichte von Sachsen, insbesondere die industrielle Entwicklung, waren von Interesse. Beeindruckt hat mich vor allem die Freundlichkeit der Menschen. Die war auch in den Chefetagen der großen Unternehmen vorhanden. Da könnten sich in unserem Land wohl einige ein Beispiel nehmen ... Im Landtagswahlprogramm spricht sich die DIE LINKE dafür aus, den klein- und mittelständischen Unternehmen in Sachsen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. So stehen als konkrete Maßnahmen die „Förderung des Wissenstransfers zwischen Wissenschaft und Wirtschaft“ und die „Ausrichtung der Technologiepolitik auf sozial-ökologische Innovationen und ressourcenschonende Produkte“. Auf meiner Reise habe ich einige sächsische Unternehmer kennengelernt, die die Zusammenarbeit mit Japan genau in diese Richtung vorantreiben. Ich habe ihnen zugesagt, dass ich mich in der nächsten Legislaturperiode erkundigen werde, wie die Zusammenarbeit mit Japan weitergeht. Vielleicht gelingt es ja, dass die Vorgaben unseres Wahlprogrammes in konkrete Vorschläge zur Wirtschaftsförderung umgesetzt werden. Klaus Tischendorf
Jugend
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Ein bisschen Frieden Seit einigen Monaten kommt es in vielen deutschen Städten montags zu Kundgebungen einer neuartigen Friedensbewegung, deren allgemeiner Wunsch nach Frieden allzu oft mit Verschwörungstheorien, Antiamerikanismus und Antisemitismus einhergeht. Auch in sächsischen Städten wie Leipzig, Dresden und Chemnitz findet man inzwischen Demonstrationen dieser „Friedensbewegung“. Um die sogenannten „Montagsdemonstrationen“ besser einordnen zu können, ist ein Blick auf die zahlenmäßig größte Versammlung dieser Art und ihre Protagonisten notwendig, da sie als Orientierung für die mittlerweile in etwa 50 Städten stattfindenden Demonstrationen diente. In Berlin fand Mitte März als Reaktion auf die Geschehnisse in der Ukraine die erste Zusammenkunft statt. Die Anzahl der Teilnehmer stieg in den folgenden Wochen rasant an. Der Initiator Lars Mährholz, aber auch bekannte Redner der „Montagsdemonstrationen“ wie Ken Jebsen und Jürgen Elsässer, zeigen deutlich, dass einige im ersten Augenblick kurios anmutende Aussagen einem antisemitischen Kalkül entspringen und wesentlicher Bestandteil der Bewegung sind. Lars Mährholz hat auf seinem Blog behauptet, die FED, das ameri-
kanische Zentralbanksystem, das er in den Händen der Familie Rothschild wähnt, sei für sämtliche Kriege der letzten 100 Jahre zuständig. Damit wird nicht nur die Zirkulationssphäre des Kapitalismus als das wesentliche Problem verkannt und wahlweise auf die Vereinigten Staaten oder die Rothschilds projiziert, sondern gleichfalls die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg und der Shoah geringstenfalls relativiert. Inzwischen ist Mährholz von dieser Position abgerückt,
jedoch nur, um im darauffolgenden Satz die Privatbank Warburg zu attackieren. Bei der Betrachtung weiterer Akteure wächst die Hoffnung, diese Bewegung hätte ein emanzipatorisches Potenzial,
Termine
nicht. Ken Jebsen, dem 2011 nach langjähriger Arbeit beim RBB gekündigt wurde, da antisemitische Äußerungen seinerseits Aufsehen erregten, ist seitdem freischaffender Reporter. Er propagiert auf den Demonstrationen, dass die Kategorien „links“ und „rechts“ obsolet sowie bloßes Instrument seien, um das „Volk“ zu spalten, und macht damit die Querfront salonfähig. In einer privaten Nachricht, die an die Öffentlichkeit gelangte, sprach Jebsen im Jahr seines Rauswurfs beim
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RBB davon, er wisse, „wer den Holocaust als PR erfunden hat“. Jürgen Elsässer, der Chefredakteur des verschwörungstheoretischen Magazins „Compact“, vertritt ähnliche Positionen zur Querfront
und hetzt regelmäßig gegen „Gendermainstreaming“ – was unlängst Conchita Wurst, Gewinnerin des Eurovision Songcontest, zu spüren bekam – und „Multikulti“, weswegen er gute Kontakte mit Homophoben und Rassisten wie Thilo Sarrazin pflegt. Ähnliche Erscheinungen ließen sich jüngst in Leipzig beobachten, als Ken Jebsen am 13. Mai kurzfristig als Überraschungsgast auf dem Augustusplatz redete. An diesem Tag trat zudem der Rapper „Kilez More“ auf, der sich in seinen Texten vornehmlich mit Chemtrails, den Bilderbergern und den Illuminati auseinandersetzt. Dass Rechtspopulisten aus dem Umfeld der AfD und Rechtsextreme wie der NPD-Funktionär Stefan Hartung, der im Dezember 2013 als Initiator der rassistischen „Lichtelmärsche“ in Schneeberg auftrat, an Veranstaltungen wie der in Leipzig teilnehmen, ist kein Einzelfall und sollte zum Nachdenken anregen. Angesichts der gravierenden Makel sollte, wer sich nicht beharrlich und konsequent von dem Kern dieser Bewegung distanziert, sich über Kritik nicht beschweren. Ein Friede, dessen Weg zwar mit guten Absichten gepflastert ist, der aber solche Fehler verzeiht, führt bekanntlich dennoch in die „Hölle“. Henry Hor
Auf in den Wahlkampf! Dieser Sommer wird heiß. Die Vorboten spüren wir jetzt schon. Bis zu 30 Grad und einen toller Europa- und Kom-
munalwahlkampf bieten uns einen Vorgeschmack auf den Sommer. Bei der letzten Sitzung haben wir uns als Wahl-
kombinat entschlossen, für den Wahlkampf eine Kampagne zu entwickeln. Unter welchem Motto diese stehen
wird, ist noch offen. Auch die genaue Gestaltung steckt noch in den Kinderschuhen. Ideen haben wir viele. Was wir aber genau wissen, ist, welche Ziele wir mit der Wahl erreichen wollen. Wir wollen in mindestens 25 Orten präsent sein, alle Gruppen mit eingebunden haben. 100 neue Leute sollen in den Verteiler, und wenn es dazu noch mindestens 20 Neueintritte geben wird, kommen wir unseren Zielen immer näher. Auch unsere Facebookseite hat Ziele gewidmet bekommen. Unser Ziel wird es sein, mindestens 200 geteilte Inhalte auf Facebook sowie Twitter zu bekommen und unsere „Likes“-Anzahl zu erhöhen. Somit steigt die Wahrscheinlichkeit, stetig immer mehr Leute zu erreichen. Also bleibt auf dem Laufenden und unterstützt uns, virtuell wie auch auf der Straße. Weitere Infos könnt ihr bei Marie bekommen, ihr erreicht sie am besten per Mail: marie. wendland@linksjugend-sachsen.de
06. bis 09. Juni 2014, Pfingstcamp im tschechischen Doksy, alle Infos und Anmeldung unter http://gleft.de/pM 07. Juni 2014, Kein Tag der deutschen Zukunft, Nazis in Dresden im Weg stehen, mehr unter http://no-tddz.org 13. Juni 2014, Treffen des WahlKombinats (Jugendwahlkampfstruktur für die Landtagswahl), Ort und Zeit wird über den Wahlkampf-Orga-Verteiler abgesprochen. Wenn Du mit rein willst, sag einfach Bescheid. 15. Juni 2014, ab 12:00 Uhr: BR-Sitzung im Büro der linksjugend Chemnitz, Rosenplatz 4, Chemnitz 13. – 15. Juni 2014, Seminarwochenende „Neu im Stadtrat Grundlagenwissen zur Arbeit in den Kommunalvertretungen“ in Cunnersdorf, Anmeldung und Infos unter http://www.kommunalforum-sachsen.de 13. – 15. Juni 2014, Bunte Republik Neustadt in Dresden, mehr unter http://www.brndresden.de 14. Juni 2014, CSD in Chemnitz, Infos unter http://www. csd-chemnitz.de 17. Juni 2014, Nazis in Dresden im Weg stehen 20. – 22. Juni 2014, Seminarwochenende „Neu im Stadtrat Grundlagenwissen zur Arbeit in den Kommunalvertretungen“ in Rochlitz, Anmeldung und Infos unter http://www.kommunalforum-sachsen.de 25. Juni 2014, Demonstration „Kürzer geht’s nicht! Zukunft braucht Bildung” in Leipzig 27. – 29. Juni 2014, Seminarwochenende „Neu im Stadtrat - Grundlagenwissen zur Arbeit in den Kommunalvertretungen“ in Bad Lausick, Anmeldung und Infos unter http://www.kommunalforum-sachsen.de 29. Juni 2014, Treffen des WahlKombinats 04. – 06. Juli 2014, 4. Linke Sommerakademie, Infos und Anmeldung unter http://gleft. de/Aj 12. Juli 2014, Global Space Odyssey in Leipzig, mehr unter http://www.gso-le.de 13. Juli 2014, Treffen des WahlKombinats Mehr Infos unter www.linksjugend-sachsen.de.
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DIE LINKE im Europäischen Parlament
06/2014 Sachsens Linke!
Asyl in Sachsen – Ein Bericht In den vergangenen vier Wochen waren wir in ganz Sachsen unterwegs, um uns ein Bild über die Situation in den AsylbewerberInnenunterkünften in Sachsen zu machen und mit Verantwortlichen, AkteurInnen sowie den Asylsuchenden selbst ins Gespräch zu kommen. Besucht haben wir die Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung in Schneeberg, die Unterkünfte in Schmiedeberg, Zwickau und Werdau, die Erstaufnahme in Chemnitz und die Unterbringungen in Freiberg und Bahren. In enger Zusammenarbeit mit GenossInnen vor Ort haben wir im Anschluss an die Begehungen zu offenen Gesprächsrunden eingeladen, die sich mit der Frage des Asyls in Sachsen beschäftigten. Um ein möglichst breites Bild über das Thema zu bekommen, haben wir u. a. mit Bürgermeistern, Heimbetreibern, VertreterInnen aus Sozial- und Landratsämtern, SozialarbeiterInnen, Flüchtlingsinitiativen und den zuständigen Migrations- und Ausländerbeauftragten gesprochen. Im Fokus standen vor allem Fragen nach den Lebensbedingungen der AsybewerberInnen in den Unterkünften sowie die Lage der Kommunen, die angesichts des Zuwachses an Asylsuchenden vor großen Herausforderungen stehen. Gleichwohl war uns wichtig zu erfahren, wo die Problemlagen sind, welche konkreten Handlungsoptionen es gibt und was wir als LINKE vor Ort und auf europäischer
Ebene für eine sozialere und humane Flüchtlingspolitik tun können. Gesprächsbedarf gab es viel. Umso mehr hat es uns gefreut, die Problematik in zumeist offenen und konstruktiven Diskussionen gemeinsam anzugehen.
man arbeitet vielerorts mit einem inklusiven Ansatz. Im Zuge rechtspopulistischer Hetze entstanden bunte Bündnisse und BürgerInneninitiativen, die sich aktiv mit den Flüchtlingen solidarisieren und vor Ort zu wichtigen AnsprechpartnerInnen wur-
z. B. Sprachkurse und Freizeitangebote angeboten werden können oder die bei Behördengängen unterstützen. Das ist anerkennenswert und verdient höchsten Respekt. Doch trotz der positiven Entwicklungen und dem beginnen-
Fest steht: Es hat sich etwas bewegt. Viele Menschen, mit denen wir gesprochen haben, setzen sich aktiv für die AsylbewerberInnen ein und versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und mitunter darüber hinaus die Bedingungen vor Ort zu verbessern. In vielen Landkreisen setzt man prioritär auf dezentrale Unterbringungen, die Gemeinschaftsunterkünfte wurden z. T. modernisiert und
den. Gleichwohl versucht man in den Kommunen, mit offenen Informationsveranstaltungen zum Thema Asyl Ressentiments abzubauen und aufzuklären. Andernorts, in Schneeberg und Werdau, entstanden zwischen ansässigen Betrieben, KünstlerInnen und AsylbewerberInnen gemeinsame Projekte. Und immer wieder sind es ehrenamtliche HelferInnen, die durch ihr Engagement dafür sorgen, dass
den Aufbrechen alter Denkmuster steht nach den Erfahrungen der letzten Wochen auch fest: Es gibt noch viel zu tun. So kann es beispielsweise nicht sein, dass immer noch Lebensmittelgutscheine ausgegeben werden, auf eine SozialarbeiterIn 150 oder mehr zu betreuende Flüchtlinge entfallen, Integrations- und Sprachkurse ausfallen müssen, weil die entstandenen EU-Förderlücken nicht
gefüllt werden, obwohl die finanziellen Mittel vorhanden sind. Ganz klar ist hier das Land Sachsen in der Bringschuld. Doch anstatt die notwendigen Mittel bereitzustellen, Gelder, die dringend notwendig wären um z. B. Sprachkurse oder eine soziale und psychologische Betreuung für die Menschen dort zu sichern, werden die Kommunen an ihre kapazitären Grenzen gebracht. Hier ist die sächsische Staatsregierung gefordert. Daher muss Druck entstehen, aus den Kommunen selbst, gemeinsam mit BündnispartnerInnen und uns als LINKEN, um eine glaubwürdige und humane Asylpolitik zu sichern. In den kommenden Wochen wollen wir in einer Auswertungsrunde mit allen Beteiligten der letzten Woche Ergebnisse bündeln und vor allem Forderungen und Strategien entwickeln, um den Weg hin zu einer gerechten Asylpolitik weiter zu gehen. Gleichwohl möchten wir uns von Herzen bei allen MitstreiterInnen für die gute Zusammenarbeit und solidarische Unterstützung bedanken. Wir kämpfen weiter! Anja Eichhorn, Büro Dr. Cornelia Ernst (MdEP)
Ukrainische Linke – gibt’s da was? Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 tut sich die Ukraine mit dem Begriff der Linken schwer. Trotz permanent steigender Arbeitslosigkeit, Armut und Korruption ist das Land nur bedingt für linke Kritik offen. Dafür gibt es zwei Ursachen: Die Geschichte der ukrainischen Spaltung und das Agieren der Kommunistischen Partei (KPU). In den jetzigen Grenzen hat es die Ukraine vor 1939/40 nicht gegeben. Die Westukraine wurde gegen den Widerstand der Bevölkerung von der Sowjetunion eingenommen. Die Region wurde von der Sowjetischen Sozialistischen Republik Ukraine stark gefördert, hat aber auch sehr große Repressionen erlebt. Die Folge waren unter anderem der ausgeprägte Nationalismus und Kommunistenhass auch nach 1991. Die gescheiterte Erinnerungsund fehlende Versöhnungspolitik der „Orangenen“ Regierung von Viktor Juschtschenko nach 2004 hat die rechte Grundstim-
mung in der westlichen Bevölkerung gestärkt und zum Aufschwung der rechtsextremen „Swoboda“-Partei beigetragen. Die KPU hat sich nach 1991 von der Sowjetischen Kommunistischen Partei distanziert und war dann recht erfolgreich. Die Kommunisten haben ihre Wähler im bevölkerungsreichen industriellen Osten, darunter vorwiegend Ältere. Die KPU wurde stabil ins Parlament gewählt, zeigte sich jedoch korrupt und brach mehrmals ihre Wahlversprechen. Sie kollaborierte sogar mit den jeweiligen Regierungsparteien gegen die Interessen der eigenen Wähler. Ähnlich hat sich bis vor kurzem auch die Sozialistische Partei verhalten, sie hat es zuletzt aber nicht mehr ins Parlament geschafft. In dieser Situation mangelnder Ressourcen und korrupter Parteipolitik, erschwert durch die Diskreditierung linker Rhetorik, steht die junge nichtautoritäre Linke vor einer großen Herausforderung: Die linke Idee muss
im Land neu begründet werden. Die wenigen marxistischen, anarchistischen und trotzkistischen Gruppen sind eher akademisch geprägt, orientieren sich an jüngerem (studentischem) Publikum, welches das von Oligarchen gelenkte parteipolitische System ablehnte. Außerdem fühlen sich die linken Initiativen durch Rechte und Ultra-Radikale bedroht, die von den Juschtschenko- und Janukowitsch-Regierungen toleriert und bei Bedarf als gelenkte Gegner aus der Tasche gezogen wurden. Die neue Linke ist zersplittert und es fehlt ihr an Kooperationsbereitschaft. Die Majdan-Proteste 2013/14 haben die Situation noch verschärft. „Wir waren ganz gespalten, als wir den Majdan betraten“, sagt die Aktivistin Nina Potarskaja. „Wir hatten keine gemeinsame Haltung zum Geschehen. Der Majdan hat die Kleinlichkeit der linken Bewegung aufgedeckt, unsere verdeckten Uneinigkeiten und Schizophrenie“ (http://open-
left.ru/?p=2811). Die liberalen Majdan-Proteste mit patriotisch-nationalistischer Prägung wurden von linken Gruppen entweder sehr kritisch unterstützt oder als bourgeois und faschistisch verleugnet. Andererseits hat es einen Versuch gegeben, eine anarchistische Miliz zu gründen, was von den Rechtsradikalen sabotiert wurde. Einige Initiativen, mit linken und emanzipativen Botschaften in die Proteste einzugreifen, waren nur begrenzt erfolgreich, andere wiederum – wie zum Beispiel die Besetzung des Bildungsministeriums und dessen öffentliche Kontrolle – bekamen große Aufmerksamkeit und Zuspruch. Erst die Proteste gegen die Polizeigewalt haben alle Linken kurzfristig geeint. Danach folgten aber zwei Eskalationen, die die points of no return für diese neue Linke bedeuteten. Am 1. März 2014 prügelten sich in Charkiw Anhänger des Majdan und deren Gegner. Es kam zur Demütigung des linken Schrift-
stellers Sergij Zhadan. Auf der anderen Seite standen unter den chauvinistischen pro-russischen Aktivisten auch Mitglieder der marxistischen Gruppe Borot’ba. Danach distanzierten sich viele Linke von Borot’ba. In der blutigen Schlacht in Odessa am 2. Mai standen die Anarchisten und die Borot‘ba wieder auf verschiedenen Seiten. Die Konferenz „Linke und Maidan“, die im April mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kiew stattgefunden hat, hat gezeigt: Die ukrainische Linke braucht einen Grundkonsens über eine neue gemeinsame Vision, die über dem derzeit vorherrschenden nationalistisch geprägten Zwiespalt ProUkrainisch vs. Pro-Russisch steht. Denn der soziale Protest schwillt an, findet aber keine politische Artikulation. Es braucht Konsolidierung und Öffentlichkeit und vielleicht eine neue parteipolitische Präsenz. Nelia Vakhovska, Projektkoordinatorin der Rosa-LuxemburgStiftung in Kiew
Sachsens Linke! 06/2014
DIE LINKE im Bundestag
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Kleinwaffen aus Deutschland: Ein Mordsgeschäft „Kleinwaffen“ – das Wort klingt fast harmlos. Doch hinter dieser Bezeichnung verstecken sich unzählige Möglichkeiten, Menschen zu töten. Zu ihnen zählen neben Pistolen und Gewehren auch Maschinenpistolen, leichte Mörser, leichte Maschinengewehre, Granatwerfer oder Panzerfäuste sowie die dazu passende Munition. Auch Sprengmittel wie Handgranaten oder Minen fallen in diese Kategorie. Der damalige UNOGeneralsekretär Kofi Annan bezeichnete Kleinwaffen im Jahr 2000 als „Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts“. Die Zahlen geben ihm leider Recht. Nach Schätzungen verschiedener Nichtregierungsorganisationen sterben jährlich zwischen 350.000 und 500.000 Menschen durch Kleinwaffen. In dem Geschäft mit dem Tod liegt Deutschland weltweit an zweiter Stelle. Zwar bedarf der Export dieser Waffen der Genehmigung der Bundesregierung, doch stimmt die Realität nicht der Selbsteinschätzung einer „restriktiven Exportkontrollpolitik“ überein. Die Zahl der Exporte stieg unter der alten schwarz-gelben Bundesregierung steil an, von 2010 bis 2012 um über 50 Prozent auf einen Gesamtwert von 76,15 Millionen Euro. 2013 beschleunigte sich die Entwicklung nochmals: Wie eine Kleine Anfrage der Linksfraktion ergab, um 43 Prozent auf nun 135 Millionen Euro. Kein Hinderungsgrund waren für die Bundesregierung dabei Empfängerländer, die es mit den Menschenrechten nicht so genau nehmen oder in denen gar Bürgerkrieg herrscht. 2013
finden sich wie selbstverständlich Saudi-Arabien, Kuwait oder Katar ebenso auf der Liste der Käufer wie Ägypten, Algerien und sogar Libyen. Ein anderes großes Problem besteht darin, dass sich der Weiterverkauf leichter Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete nur schwer kontrollieren lässt. Immer wieder
hat vor kurzem ein neues Afrikakonzept vorgelegt, in dem als eine Zielstellung die Bekämpfung von Fluchtursachen definiert ist. Bereits in meiner Rede zum Haushaltsentwurf des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im April habe ich Minister Gerd Müller darauf
Sigmar Gabriel die Möglichkeit, sich gegen dieses mörderische Geschäft auszusprechen. Dies wäre auch ein guter Dienst an der deutschen Entwicklungsund Außenpolitik, der den Etat noch nicht einmal belastet. Während Gabriel in diesen Tagen verlauten ließ, er sehe die Schuld für die enorme Auswei-
Worte Gabriels auch Taten folgen. Eine deutsche Politik, die sich ihrer internationalen Verantwortung bewusst ist, sieht jedenfalls anders aus. Wir werden als LINKE im Bundestag sehr genau beobachten, welche Richtung sich in der gegenwärtigen Großen Koalition durchsetzt. Der Export von
US-Soldaten bei einer Schießübung im Kosovo, 2006. Das deutsche Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch war schon damals ein Exportschlager.
tauchen deshalb deutsche Waffen auf aktuellen Kriegsschauplätzen wie Syrien, Zentralafrika oder Nigeria auf. Besonders am Beispiel Afrika lässt sich eine weitere Widersinnigkeit deutscher Politik aufzeigen. Die Bundesregierung
hingewiesen, dass gerade die Rüstungsexporte von Kleinwaffen in Krisenregionen diese und andere Bemühungen deutscher Entwicklungspolitik konterkarieren. Als Mitglied im Bundessicherheitsrat hätte er ebenso wie SPD-Wirtschaftsminister
tung der Exportgenehmigungen bei der Vorgänger-Regierung und wolle in Zukunft vorsichtiger sein, lassen eine offizielle Stellungnahme der Bundesregierung oder gar konkrete Schritte auf sich warten. Wir dürfen gespannt sein, ob auf die
großen wie kleinen Waffen in Staaten und Regionen, in denen Menschenrechte verletzt werden oder Krieg herrscht, darf kein Teil deutscher Politik sein. Es ist ein Geschäft mit dem Tod. Michael Leutert, MdB, Mitglied im Haushaltsausschuss
Stärkung der Kommunalfinanzen – ein Thema auch nach der Wahl Die Kommunen sind für uns LINKE eine Herzensangelegenheit, wirkt dort doch „die Politik“ unmittelbar und direkt. Schließlich sind Kommunen ganz besondere Räume, denn wir alle leben ja auch dort. Deshalb ist auch die finanzielle Ausstattung der Kommunen eine Herzensangelegenheit und von grundlegender Bedeutung. Bekanntermaßen gibt es aufgrund der föderalen Verfasstheit der Bundesrepublik keine direkte Verbindung zwischen den Kommunen und dem Bund. Durch die kommunalen Spitzenverbände kann die kommunale Familie Stellung beziehen und sich lediglich am Rande äußern. Wir LINKE möchten unter Wahrung des föderalen Prinzips dennoch ein Anhörungsrecht für Kommunen auf Bundesebene erwirken. Denn wenn bundespolitische Entscheidungen auf die Kommunen wirken, sollten
diese sich wenigstens mit einbringen können, wenn sie schon nicht mit abstimmen dürfen. Wir wollen, dass das Konnexitätsprinzip eingehalten wird, also dass dort, wo die Aufgaben anfallen, auch die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wer bestellt, soll auch zahlen. Der wichtigste Punkt für die Zukunftsfähigkeit der Kommunen sind deren Einnahmen bzw. Finanzen. Dazu hat die Bundestagsfraktion den Antrag zur Einführung einer Gemeindewirtschaftssteuer eingebracht, der genau an dem Punkt der Stärkung der Kommunalfinanzen ansetzt. Ausgangspunkt dabei ist die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer, was bedeutet, dass wir den Umlageanteil an den Bund als Sofortmaßnahme abschaffen wollen und die Umlagebe-
träge an die Länder sukzessive bis 2019 einstellen wollen. Die Einnahmen würden ausschließlich auf der kommunalen Ebene verbleiben und damit den Kommunalfinanzen zugute kommen. Folgende drei Aspekte sind dabei wichtig. Zum einen wird die Last der Gewerbesteuer auf mehr Schultern verteilt – denn alle unternehmerisch Tätigen mit Gewinnabsichten sollen einbezogen werden, so beispielsweise die Freiberufler. Des Weiteren soll die Bemessungsgrundlage verbreitert werden. Natürlich sollen die Belange von Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmern sowie Existenzgründern berücksichtigt werden, was bedeutet, dass die Schuldzinsen von nun an dazugerechnet werden. Mieten und Pachten sind gleichfalls in voller Höhe zu berücksichtigen, Gewinne und Verluste müssen dann in der Entstehungsperiode
zeitnah geltend gemacht werden, damit es zu keiner Kleinrechnung von Gewinnen kommt und Steuerschlupflöcher weiter bestehen. Schließlich wollen wir angemessene Freibeträge für Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer und Existenzgründer, um die Steuerbelastung zu mindern und um vor allen Dingen eine Substanzbesteuerung zu vermeiden. Darüber hinaus müssen die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen den Ländern und Kommunen neu geordnet und neu gestaltet werden. Dazu hat Axel Troost u. a. ein spannendes Papier vorgelegt: „Länderfinanzausgleich LINKS gedacht: sozial und solidarisch“, das es entsprechend zu diskutieren gilt. Insbesondere jetzt nach den Kommunalwahlen werden wir über die Zukunft der Kommu-
nen und ihrer Finanzlagen diskutieren und auch entscheiden müssen – die Entwicklungen zwischen finanzstarken und strukturschwachen Kommunen driften immer weiter auseinander. Die LINKE hat als Lösungsansatzpunkte Vorschläge, wie die Gemeindewirtschaftssteuer, vorgelegt. Wir brauchen stabile und auskömmliche Kommunalfinanzen, damit die Entscheidungen im Rat nicht nur ein „entweder-oder“, sondern ein „sich für etwas entscheiden“ sind. Susanna Karawanskij, MdB Sprecherin für Kommunalfinanzen
Geschichte
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06/2014 Links!
22. Juni 1941: Lange her – doch nicht vergessen Für den preußischen Kriegsphilosophen General Carl von Clausewitz (1780-1831) war der Krieg ein Akt der Gewalt, um dem Gegner zur Erfüllung (unseres) Willens zu zwingen. Doch jener Krieg war anders und sollte alles bisher gewesene Kriegsgeschehen in seiner Grausamkeit und Heftigkeit in den Schatten stellen. Der Krieg Hitlerdeutschlands gegen die Sowjetunion war von Anfang an als bis dahin beispielloser Raub- und Vernichtungskrieg konzipiert. Beispielhaft für das besonders hohe Maß an Menschenverachtung und Brutalität, mit der das faschistische Deutschland den Krieg gegen die Sowjetunion zu führen gedachte, sei auf die Beratung Hitlers mit ca. 250 Generälen und höheren Offizieren der Wehrmacht am 30. März 1941 verwiesen. Für Hitler sollte demnach der Russland-Krieg ein „Weltanschauungskampf“ um die „Ausrottung des Kommunismus für alle Zeiten“ durch die „Vernichtung der bolschewistischen Kommissare und kommunistischen Intelligenz“ werden. Was dem folgte, waren „Kommissarbefehl“, Anweisungen zur Behandlung von sowjetischen Kriegsgefangenen, ein Sonderauftrag von Hitler an Himmler (SS) zur Ermordung „jüdisch-bolschewistischer“ Bevölkerungsteile und der Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit u. a. Gerade dieser sowie andere Befehle und Weisungen hatten den Charakter von Freibriefen. Es waren eben nicht nur SS- und SD-Einsatzgruppen, die sich in kriegsverbrecherischer Weise schuldig machten, sondern auch die Wehrmacht. Ne-
ben der militärischen Eroberung und Vernichtung der Sowjetunion plante man auch bis ins Detail ihre wirtschaftliche Ausplünderung und die Ausrottung ihrer Bevölkerung. Verantwortlich für die wirtschaftliche Ausbeutung der besetzten sowjetischen Gebiete zeichnete Reichsmarschall Hermann Göring, Ausgerechnet er sagte in einem Gespräch mit dem italienischen Außenminister Graf Ciano im November 1941: „In diesem Jahr werden in Russland zwischen 20 und 30 Millionen Menschen verhungern. Und vielleicht ist das gut so, denn gewisse Völker müs-
re nach Napoleon gefiel es nun Adolf Hitler, in Russland sein Kriegsglück zu versuchen. Napoleon war gescheitert, Hitler würde scheitern. Aber davor warein weiter Weg aus Blut, Tränen, Zerstörung, Entbehrungen, Rückzug, Angriff und Niederlage zurückzulegen. Besonders die Anfangsphase dieses Großen Vaterländischen Krieges war für die Völker der Sowjetunion opferreich und schmerzvoll. Dass die Wehrmacht trotz erbitterten Widerstandes der Roten Armee solche Anfangserfolge erzielen und so weit ins Land vorstoßen konnte, das dürfte auch auf das
Mann. Von 6.000 höheren Offizieren vom Oberst aufwärts wurden allein 1.500 hingerichtet. Damit fehlten auf allen Ebenen gut ausgebildete und erfahrene Kommandeure, was der gemeine sowjetische Soldat oft mit seinem Blut bezahlen musste. Einer, der dieser Hölle noch lebend entkam, war Konstantin Rokossowski. Unter Spionagevorwurf festgenommen, überstand er Rippenbrüche, das Ausschlagen von Zähnen und mehrere Scheinhinrichtungen, bevor er überraschend freikam. Im Krieg erfüllte er als Armee- und Frontbefehlshaber seine „Soldaten-
Bundesarchiv, Bild 101I-010-0902-09A / Schröter / CC-BY-SA
sen dezimiert werden“. Später sollten dieser Strategie des Aushungerns allein während der Blockade Leningrads über eine Million Menschen zum Opfer fallen. Ebenso in die Schreckensbilanz hitlerschen Treibens gehören die Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die man schlicht verhungern ließ. Sinnigerweise genau 129 Jah-
Stalinsche Schuldkonto gehen. Denn der rote Bruder Stalin hat es seinem braunen Bruder Hitler etwas leicht gemacht, indem er im Zuge seiner Säuberungen auch die Rote Armee nicht verschonte. So wurde die Hälfte des gesamten Offiziersbestandes von Armee und Flotte Opfer der Stalinschen „Säuberungen“. In Zahlen: etwa 35.000
pflicht“ (Titel seiner Memoiren) und stieg zum Marschall auf. Nach dem Sieg kommandierte er die Siegesparade. Auch solcherart Verirrungen der Geschichte sollten bei der Reflexion auf den 22. Juni nicht ausgeblendet werden. Trotz alledem – die deutsche Blitzkriegstrategie kam in den Weiten Russlands zum Erliegen.
Vor Moskau gelang es, der sieggewohnten Wehrmacht ihre erste große Niederlage beizubringen. Aber bevor die Hitlerarmeen endgültig geschlagen waren, verzeichnet die Chronik noch viele Schlachten, etwa in Stalingrad oder am Kursker Bogen. Nach dem sowjetischen Sieg in Berlin galt es auch den Preis des Sieges zu ermitteln. Nach Schätzungen des britischen Historikers Prof. Richard Overy wurden durch die faschistischen Raubritter bei ihrem mit deutscher Gründlichkeit durchorganisierten Kriegsverbrechen – Vernichtungskrieg gegen die UdSSR – 70.000 Dörfer, 1.700 Städte, 32.000 Fabriken und 65.000 Schienenkilometer zerstört. Vor allem aber verloren über 27 Millionen Sowjetbürger ihr Leben. Denkbar und wünschenswert wäre, was Prof. Wolfram Wette meint: „Es wäre daher mehr als nur eine Geste, wenn der Deutsche Bundestag in der am 27. Januar eines jeden Jahres abgehaltenen Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus endlich auch einmal einen Repräsentanten der ehemaligen Sowjetunion zu Wort kommen lassen könnte, der es sich zur Aufgabe machte, an diese Opfer des deutschen Vernichtungskrieges zu erinnern“. In jener Gedenkstunde am 27. Januar 2014 kam es tatsächlich dazu: Der einstige Soldat der Roten Armee, Daniil Granin, dessen literarisches Lebensthema seitdem auch dieser Krieg war, erhielt im Bundestag das Wort. Er sprach vor allem von der faschistischen Blockade seiner Heimatstadt Leningrad – noch so ein Schreckensdatum. René Lindenau
Vor 100 Jahren starb Bertha von Suttner Rolf Hoppe hat einmal bekannt, welche drei Bücher ihn geprägt haben: die Bibel, der Bauernkalender und die von Bertha von Suttner. Die ersten beiden kennt man, aber Bertha von Suttner? Schon mal gehört, bloß wer war das gleich noch mal? So reagierten selbst Vorsitzende von Parteien, die zur vorigen Europawahl angetreten waren, in einem für sie blamablen Quiz eines Radiosenders. Trotz Ehrung auf der österreichischen ZweiEuro-Münze und einer Zehn-Euro-Gedenkmünze oder mit einer deutschen Briefmarke von 2005 anlässlich ihrer Nobelpreisverleihung von 1905 weiß auch 2014 kaum jemand mehr etwas über diese herausragende Frau. Dies wollen ARD und ORF im Jahr der aktuellen Europawahl, ihrem 100. Todesjahr, ändern und die Lebensgeschichte der engagierten Pazifistin neu verfilmen. Stoff bietet die bewegte Biografie genug – mehr als die pikan-
te Würze jener unerfüllten Liebe des Preisstifters Alfred Nobel zu seiner ersten Friedenspreis-Trägerin. Geboren wurde sie am 9. Juni 1843 in Prag in einer böhmischen Adelsfamilie. Ihr Vater, Franz Graf Kinsky, starb noch vor ihrer Geburt – im Alter von 75. Bertha wuchs bei ihrer Mutter Sophie auf, einer entfernten Verwandten des Dichters Theodor Körner. Dessen Mutter Minna Körner war übrigens eine Malerin, in deren Dresdner Salon sich einst bedeutende Persönlichkeiten trafen. Nachdem die Gräfin das ererbte Vermögen verspielt hatte, musste ihre inzwischen 30-jährige unverheiratete Tochter eine Gouvernanten-Stelle in Wien antreten. Sie erteilte den Töchtern des Barons von Suttner Unterricht in Musik und Sprachen und verliebte sich schließlich in den jüngsten Sohn Arthur. Dessen Mutter entließ daraufhin das
Mädchen, verschaffte ihm zuvor jedoch eine Stelle als Privatsekretärin in Paris. Allerdings arbeitete Bertha dort nur knapp zwei Wochen, da ihr Dienstherr vom schwedischen König in seine Heimat berufen wurde. Es war Alfred Nobel, den sie zehn Jahre später in Paris wiedertref-
fen sollte. Bertha kehrte schnurstracks nach Wien zurück, um den sieben Jahre jüngeren Arthur zu ehelichen – heimlich am 12. Juni 1876 gegen den Willen seiner Eltern. Diese enterbten ihn. Bertha von Suttner begann, unter dem Pseudonym B. Oulot Kurzgeschichten und Essays zu verfassen. Mit ebenso großer Resonanz wie ihr Mann, der nun Kriegs- und Reisereportagen publizierte. Der Erfolg versöhnte seine Familie, das Ehepaar bezog deren Schloss in Niederösterreich. Nun verschrieb sich die Aktivistin dem Friedensgedanken ganz und veröffentlichte mehrere Bücher und eine Zeitschrift. Ihr bekanntester Roman „Die Waffen nieder!“ erregte weltweites Aufsehen. Die Beschreibung der Kriegsgräuel aus Sicht einer Ehefrau traf den Nerv jener Zeit der heftigen Antimilitarismus- und Utopie-Debatten. Das Buch erschien in 37 Aufla-
gen und wurde in zwölf Sprachen übersetzt. Die glühende Kriegsgegnerin initiierte und leitete die Österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde, gründete die Deutsche Friedensgesellschaft, trat für ein internationales Schiedsgericht ein, wurde Vizepräsidentin des Internationalen Friedensbüros und reiste zum Weltfriedenskongress nach Boston. In den USA absolvierte sie zwei viel beachtete Vortragstourneen. Präsident Theodore Roosevelt empfing die berühmte Friedenskämpferin im Weißen Haus. Gegen Ende ihres Lebens informierte Bertha von Suttner gezielt über die Gefahren der Aufrüstung und die Interessen der Rüstungsindustrie. Ab 1912 warnte sie vor einem drohenden weltweiten Vernichtungskrieg. Wenige Wochen vor dessen Ausbruch erlag sie am 21. Juni 1914 einem Krebsleiden. Una Giesecke
Rosa-Luxemburg-Stiftung
Links! 06/2014
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Termine Leipzig, 29. Mai-1. Juni, Donnerstag bis Sonntag Konferenz 36. BUKO: ALLE ODER NIRGENDS! Räume und globale Bewegungsfreiheit erkämpfen! Eine Veranstaltung der BUKOVorbereitungsgruppe in Kooperation mit dem Studentenrat der HTWK, dem StudentInnenRat der Universität Leipzig, dem Studierendenrat der HGB, Engagierte Wissenschaft e.V. und Attac Leipzig. Unterstützt u.a. von der RLS und der RLS Sachsen. Hochschulen in der Wächterstraße 11-13, 04107 Leipzig Informationen zum Programm und zur Anmeldungen finden Sie hier: http://www.buko.info/buko-kongresse/buko-36 Chemnitz, 3. Juni, Dienstag, 18.30 Uhr Vortrag und Diskussion: Von der Schuldenbremse zum Systemcrash. Mit Prof. Dr. Fritz Helmedag, TU Chemnitz. Soziokulturelles Zentrum “querbeet”, Rosenplatz 4, 09126 Chemnitz Leipzig, 5. Juni, Donnerstag, 18.30 Uhr REIHE: ROSA L. IN GRÜNAU Ukraine - Russland - Krim. Umbruch und neue Grenzverschiebungen in Osteuropa. Rückblick und Annäherung an eine neue europäische Gegenwart. Mit Boris Krumnow, RLS Sachsen / Netzwerk AGRU. Klub Gshelka, An der Kotsche 51, 04177 Leipzig Dresden, 10. Juni, Dienstag, 19.00 Uhr Slam: Das Gute Leben! 2-Ein Philosophy Slam für alle. Eine gemeinsame Veranstaltung des AK kritische Soziale Arbeit, der Hochschulgruppe Lux Dresden und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. Motorenhalle. Projektzentrum für zeitgenössische Kunst, Wachsbleichstraße 4a, 01067 Dresden Regierungen betrachten das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts als wichtigen Erfolg
Impressum Links! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Herausgebergremium: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Dr. Achim Grunke, Rico Schubert
für die Gesellschaft. Aber heißt das auch Gutes Leben? Ist Gutes Leben: „Glück haben“?, „Frei sein“?, Wohlstand? Was bedeutet „Das Gute Leben“ und an welche gesellschaftlichen Voraussetzungen ist es geknüpft? Die PhilosophInnen dieser Welt beißen sich bis heute an dieser Frage die Zähne aus und jede Zeit, jede Generation und jedes Individuum scheint ihre eigene Antwort zu haben. Stellt sich die Frage neu, wenn Krisen, Elend, die Zerstörung der Umwelt, auf einen unvorstellbaren Fortschritt von Wissenschaft / Technik und einen gigantischen Reichtum treffen? Was sagst Du dazu? Du hast 5 Minuten Zeit, Deine Gedanken vorzutragen. Überzeuge das Publikum von Deiner Kreativität und von der Logik Deiner Gedanken. Du traust Dich nicht? Kein Problem. Wir bieten Dir zwei Vorbereitungsworkshops an: 10. Mai, 11-16 Uhr: Schreiben auf Leben komm raus!, mit Uwe Hirschfeld (Evangelische Hochschule Dresden), in der WIR-AG, Martin-LutherStraße 21, 01099 Dresden; 17. Mai, 11-16 Uhr: Performen auf Leben komm raus!, mit Jochen Kretschmer (Schauspieler, Dresden), im Europabüro, Schweriner Straße 50 a, 01067 Dresden. Zur Anmeldung bis zum 7. Mai brauchen wir Deinen Namen, Kontaktdaten, Alter, Beruf/Tätigkeit und Deinen Kernsatz, der das Wichtigste Deiner Idee umschreibt. Dresden, 11. Juni, Mittwoch, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Wie weiter mit der europäischen Währungsunion? Mit Dr. Axel Troost, MdB, Sprecher für Finanzpolitik der Linksfraktion. Dresdner Volkshaus, Raum 1, Am Schützenplatz 14, 01067 Dresden Leipzig, 12. Juni, Donnerstag, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Leipzig im Nationalsozialismus: Verfolgung und Vernichtung der Sinti Verleger: Verein Linke Kultur und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Ter-
und Roma. Präsentation aktueller Rechercheergebnisse. In Kooperation mit der Initiative “Geschichte vermitteln”. Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Chemnitz, 12. Juni, Donnerstag, 14.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Alte Kassieren! Junge zahlen nur drauf! - Mythen und Fakten zur Rentenpolitik*** Mit Dr. Sabine Reiner, Berlin. Eine Veranstaltung der RosaLuxemburg-Stiftung Sachsen e.V. in Zusammenarbeit mit dem Seniorenpolitischen Netzwerk Chemnitz (SPN) und dem Bund der Ruheständler, Rentner und Hinterbliebenen, Landesverband Sachsen e.V., KV Chemnitz Stadtteiltreff der Volkssolidarität, Clausstraße 27, 09126 Chemnitz Leipzig, 17. Juni, Dienstag, 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Sommer 1914: Urkatastrophe oder Betriebsunfall? Mit Prof. Dr. Wolfgang Geier, Leipzig/Klagenfurt. Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Dresden, 18. Juni, Mittwoch, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Kriegsbriefe zweier jüdischer Brüder im ersten Weltkrieg – Widerspiegelung im Widerstreit. Mit Dr. Ralf Hoffrogge, Historiker, Berlin Eine gemeinsame Veranstaltung des HATiKVA e.V. und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Dresden, 24. Juni, Dienstag, 15.00 Uhr REIHE: Rosas Nachmittagskolleg. ,Schreib nur nicht zu gallicht und gereizt‘- zum 200. Geburtstag von Jenny Marx. Mit Prof. Dr. Manfred Neuhaus, RLS Sachsen und Susann ScholzKaras, RLS Sachsen mine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auflage von 15.150 Exemplaren gedruckt. Redaktion: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Ute Gelfert, Ralf Richter
Haus der Begegnung, Saal, Großenhainer Straße 93, 01127 Dresden „Hätte ich eine Geheimrätin und Sekretärin wie Freund Marx an Herz und Hand, dann würde ich es wohl auch aushalten können bis an’s Ende der Welt“ Prof. Dr. Manfred Neuhaus präsentiert das Jubiläumsbuchpaket zum 200. Geburtstag von Jenny Marx, Susann Scholz-Karas rezitiert aus Briefen und Theaterrezensionen der Trierer Ballkönigin. Dresden, 24. Juni, Dienstag, 18.00 Uhr REIHE: JUNGE ROSA Prostitution - Was bringt ein Verbot? Mit Dr. Cornelia Ernst, MdEP, Dresden. WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Leipzig, 24. Juni, Dienstag, 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Der Kampf um die Aufmerksamkeit. Aktuelle Aspekte der Psychomacht. Mit PD Dr. Peter Fischer, Leipzig, Moderation Prof. Dr. Karl-Heinz Schwabe. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Dresden, 25. Juni, Mittwoch, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Der 1. Weltkrieg und die Linken. Mit Stefan Bollinger, Historiker. WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden
und gereizt‘- zum 200. Geburtstag von Jenny Marx. Mit Prof. Dr. Manfred Neuhaus, RLS Sachsen und Susann Scholz-Karas, RLS .Sachsen Klub Gshelka, An der Kotsche 51, 04177 Leipzig Leipzig, 26. Juni, Donnerstag, 20.00 Uhr Podiumsdiskussion: Street-Art - Intervention ohne Auftrag*** Eine Veranstaltung der kulturpolitischen Gesellschaft e.V. Regionalgruppe Leipzig/Sachsen in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. Halle 14 - Zentrum für Zeitgenössische Kunst, Spinnereistraße 7, 04179 Leipzig Cunnersdorf, 27. Juni, Freitag, 20.00 Uhr Philosophinnen in Cunnersdorf Eine gemeinsame Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen mit der Alten Schule Cunnersdorf e.V. Alte Schule e.V. / Schulweg 10 / 01920 Schönteichen OT Cunnersdorf Leipzig, 28.-29.Juni, Sonnabend-Sonntag, ab 10.00 Uhr Seminar: Von Marx lernen? Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie*** Mit Marvin Gasser, Caroline Bollien und Franz Heilgendorff Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig
Leipzig, 26. Juni, Donnerstag, 18.00 Uhr Lesung und Gespräch: “Mars regiert die Stunden” - Lesung aus Tagebüchern von Schriftstellern und Künstlern aus dem Jahr 1914. Mit Prof. Dr. Klaus Schuhmann, Literaturwissenschaftler, es lesen Susann-Scholz-Karas und Stefanie Götze. Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig
Hoyerswerda, 30. Juni, Montag, 17.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Ukraine - Russland – Krim. Umbruch und neue Grenzverschiebungen in Osteuropa. Rückblick und Annäherung an eine neue europäische Gegenwart*** Mit Boris Krumnow, RLS Sachsen / Netzwerk AGRU In Kooperation mit dem BürgerInnenbüro von MdB Caren Lay Martin-Luther-King-Haus, Dietrich-Bonhoeffer-Straße, 02977 Hoyerswerda
Leipzig, 26. Juni, Donnerstag, 18.30 Uhr REIHE: ROSA L. IN GRÜNAU ,Schreib nur nicht zu gallicht
*** in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung: Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e.V.
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Rezensionen
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06/2014 Links!
Nicht utopisch: Ein Buch des Netzwerkes der Weltreporter „Völlig utopisch – 17 Beispiele einer besseren Welt“ steht auf dem blau-weiß-orangenen Cover, auf dem ein Radler oder eine Radlerin mit einem speziellen Dänen-Rad im Transportkasten eine Ziege mit Grünzeug kutschiert, während hinten auf dem Gepäckträger Bücher gestapelt sind, auf denen eine Vase mit Blume umher schwankt – dazu gibt es ein Fähnchen, das gleichfalls in der Vase stecken könnte und auf dem „No Racism“ steht. Das „Dänen-Rad“, das muss man im Zeitalter von EBikes vielleicht erklären, wurde in der Freistadt Christiania erfunden und gebaut – heute baut man es auf der Insel Bornholm –, aber es heißt immer noch „Christiania-Rad“ und ist eher eine Art „Riesendreirad“ als ein Fahrrad. Vor 30 Jahren wurde es als Lastenrad für das auch heute noch autofreie Christiania entwickelt. Es wird benutzt, um den Einkauf, die Kinder oder auch seine Liebste zu kutschieren – auf der Homepage christianibikes.de findet man die „kultigen Bikes aus Dänemark“ und ist beim Namen Christiania mittendrin, in Utopia. Denn „Christiania“ ist eines von weltweit 17 vorgestellten Beispielen gelebter Utopien. Die meisten werden von „Christiania“ gehört haben und die wenigsten werden dort gewesen sein – aber das muss man auch nicht, denn es gibt ja die Weltreporter, ein Netzwerk freier Korrespondenten, das derzeit 43 deutschsprachige Autoren vereint, die aus 160 Ländern berichten. Aus Dänemark berichtete für das Buch „Völlig utopisch“ Clemens Bomsdorf, und seine Geschichte trägt den Titel „Alle Macht allen: Die Geschichte von Hasch, Freiheit, Geld und Immobilien“. Links ne-
ben der Titelseite einer jeden Geschichte sieht man eine Karte – hier die Karte Dänemarks, auf der dann der Ort der Utopie, „Christiania“, fett hervorgehoben ist. In der Rubrik „Autorinnen und Autoren“ am Ende des Buches erfährt man etwas über den Autor der dänischen Geschichte, etwa dass Clemens Bomsdorf 2000 erstmalig in Christiania war und ihn der Ort, den er als „anti- und hyperkapitalistisch, als autoritär sowie libertär erlebt hat“, seitdem nicht mehr losgelassen hat. Für ein internationales Wirtschaftsmagazin schreibt er inzwischen als Dänemark-Reporter, und innerhalb des Weltreporter-Netzwerkes hat eine jede Schreiberin, ein jeder Schreiber auch eine Email-Adresse, über die man mit dem Autor in Kontakt treten kann. Das einigende Band für alle Autorinnen und Autoren im weltreporter.net – so schreibt es zumindest der Herausgeber des Büchleins Marc Engelhardt – sei der Wunsch, die Geschichten hinter den Nachrichten zu erzählen. Der Vorteil eines Netzwerkes in Verbindung mit den Neuen Medien ist es, dass man sehr schnell ein Buch schreiben kann. Wer eine Idee hat, schreibt die Kollegen an, bittet um Themenvorschläge und in ziemlich kurzer Zeit sind 17 Geschichten geschrieben, egal ob aus Neuseeland, Brasilien, Indonesien, vom Ural oder aus Belzig bei Berlin. Man trifft also auf Bekanntes, wie Christiania, eine gelebte Utopie, die seit 1971 besteht und deren damals formulierte Zielstellung heute weltweit immer mehr Menschen in der westlichen Welt anspricht: „Ziel ist eine selbstverwaltete Gesellschaft, in der sich jedes
Individuum bei Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft frei entfalten kann“. Längst ist eine breite Bewegung entstanden, jenseits etablierter linker Parteien, wo Menschen ihre eigene antikapitalistische Le-
mehren – das funktioniert nur, wenn alle jederzeit Zugriff auf alle Informationen haben. Protokolle, Beschlüsse, Bedarfslisten, Satzung – alles Wichtige steht in der projekteigenen Wikipedia. Die Lektüre ist Pflicht“. Ein
Bild: Pantheon Verlag.
benswirklichkeit schaffen. Zum Beispiel im katalanischen Hinterland. Dort haben sich in einer Industrieruine junge Leute niedergelassen, die Shareconomy am Computer leben, getreu der Devise: „Kopiere, teile und trage dazu bei, das geteilte Wissen zu
freies Funknetz (Guifi.net) versorgt alle mit einem Anschluss – in dieser Kommune war zuerst das Internet da, später kamen Wasser und Stromversorgung für die Bewohner. 2011 ging es los mit zwei Dutzend Menschen, die sich wohl auch über das
Netz kennengelernt hatten. Die Reporterin Julia Macher muss sich gleich bei der Ankunft den Grundsätzen der Kommune unterwerfen: „Willkommen bin ich nur, wenn ich das Ergebnis unter einer Creative Commons oder Free Culture Lizenz veröffentliche ...“. So geht es in Spanien zu, und hinten bei Jekaterinburg gründen die Kosaken vom Ural ihre eigene Gemeinschaft, sammeln Obdachlose, Landstreicher, Haftentlassene ein, träumen von einem Netz „barmherziger Reichskosakensiedlungen“, die ganz Russland überziehen sollen – und sind dabei schon wacker zugange, denn in der uralischen Reichskosakensiedlung haben über die Jahre schon 1.500 Menschen Zuflucht gefunden. Die Satzung dort klingt eher bodenständig als virtuell: „Die Reichskosakensiedlungen entfalten sich nach den Prinzipien russisch-orthodoxer Kosakengemeinden. Personen, die in eine der Reichskosakensiedlungen gekommen sind, beschäftigen sich mit Landwirtschaft, Viehzucht, Produktion , Handel und Handwerk … diese Bürger absolvieren einen Rehabilitierungskurs, danach erhalten sie die Möglichkeit, für immer in der Kosakensiedlung zu bleiben ...“. Dem Buch gelingt es auf wunderbare Weise, Utopien der Vergangenheit mit denen der Gegenwart und der Vorstellung der künftigen Entwicklungen auf diesem Gebiet zu verbinden – ein Mutmacher für alle, die kein Licht im Tunnel sehen. Allen anderen zeigt es, wie breit die Utopien gestreut sind. Das 270 Seiten-Buch erschien im Pantheon-Verlag und kostet gedruckt 14,99, als ebook 11,99 Euro. Ralf Richter
Auf Nahrungs- und Sprachbeschaffung Der Künstler und Dichter Schuldt hat mal wieder publiziert. Da er dies nur sehr gelegentlich tut, ist der erneut erschienene Band In Togo, dunkel eine wunderbare Gelegenheit, den originellen Autor kennenzulernen. Schuldt, der seinen Vornamen gerne verschwinden lässt, beschäftigt sich in seinen Texten mit Inhalt und Form von Sprache, für ihn ein „Gegenentwurf zu allem, was handgreiflich und augenfällig ist ... Das wundersamste System von Mißverständnissen, das die Götter je ersonnen haben.“ Und so berichten die drei fiktiven Erzählungen auch aus fernen Ländern, wo es zwischen der europäischen und einer anderen Kultur zu rätselhaften, in jedem Fall aber sehr unterhaltsamen Missverständnissen gekommen ist. Die neuerliche Ausgabe von In Togo, dunkel, die erstmals 1981 als
Privatdruck erschien, hat deutlich an Umfang gewonnen. Die Titelgeschichte erzählt vom Stamm der N‘gko Utari, deren Sprache im 20. Jahrhundert von Hamburger Linguisten eingehend untersucht wird. Dabei bleibt eine sprachliche Eigentümlichkeit allerdings unerklärlich. Erst die Recherchen in den Handelsarchiven der Ostindischen Kompanie geben Aufschluss. So haben einst zwei gestrandete Kaufleute aus Frankreich sehr lange auf ihre Rückreise warten müssen. Ihren Unmut über ihre Isolation, über das Essen und den häufigen Regen bekundeten sie immer wieder mit einem energischen „J‘en ai ras le bol“, d. h. „Ich hab‘ die Schnauze voll“. Die Schwarzen, die mit Verehrung zu den Franzosen aufsahen, ihre Sprache aber nicht lernten, übernahmen schließlich diese Gewohnheit.
„So gelangte „ras le bol“, phonetisch nur leicht ins Kehlige verschoben, als Bekräftigung in die Sprache der N‘gko Utari“. In der zweiten Geschichte „Idole aus Piratenhand“ widmet sich Schuldt dem Auftauchen des Teddybären in Japan. Im 18. Jahrhundert gelangten die ersten Boten westlicher Kultur aus Händen malaiischer Piraten in die der damals vom Rest der Welt abgeschlossen lebenden Inselbewohner. Seltsame Objekte, die der eigenen Kultur so fremd sind, dass man sich fragt, welche Funktion diese Fetische in der Kultur, der sie entstammen, wohl haben mögen und welche Rückschlüsse auf diese Kultur sie zulassen. In dieser Geschichte wird eine irrwitzige Folge von Erklärungsmustern entfaltet, und darin findet sich vieles, was dem trivialen Gegenstand erstaunliche Weihen verleiht.
In der dritten, der längsten und komplexesten Geschichte „Die Totem-Esser“ wird von einem Leipziger Anthropologen berichtet, der am linken Oberlauf des Orinoco gelandet ist und die Sprache der Cotorra verstehen möchte. Eine Sprache, die sich von den bisher bekannten vollkommen unterscheidet. Die Eingeborenen kommunizieren, indem sie die unzähligen Nahrungsmittel, die sie am Körper tragen, zum Munde führen oder dem Gesprächspartner zu essen geben. Es ist eine Sprache des Tastsinns und der Gestik, vor allem aber der Geschmacksnerven. Faszinierend erzählt Schuldt die Begegnung mit einer Sprache, die an den Ort gebunden ist, bis in ihre eigentümlichsten Konsequenzen hinein. „Die Substanzgebundenheit ihrer Sprache übte einen mäßigenden Einfluss auf das
Leben im Dorf aus. Sie war die physische Unterlage der Höflichkeit. Wollte man reden, so musste man sich in der Nähe des Gesprächspartners, des Zuschauers aufhalten. Es gab kein Schreien und Kreischen.“ Diese drei großartigen Erzählungen erscheinen in einer aufwendig gestalteten Buchausgabe mit Zeichnungen der Yanomami, der größten indigenen Volksgruppe im Amazonasgebiet. Der Künstler Lothar Baumgarten lebte Ende der 1970er Jahre achtzehn Monate bei den Yanomami im Urwald. Sie, die keine graphischen Äußerungen außer der Körperbemalung kannten, sahen ihn zeichnen und schreiben. Sie liehen sich Papier und Stifte. Andreas Haupt Schuldt: In Togo, dunkel. Geschichten. Rowohlt-Verlag 2013. 136 S., 24,95 Euro.
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Mut zu leisten Tönen – Reinhold Andert zum Siebzigsten Das Weltmusikmagazin „Folker“ bezeichnet ihn in der Ausgabe 3.14 als bemerkenswertesten Liedermacher aus der DDR, als leisen Poeten mit ganz eigenem Stil; „seine satirischen Liedtexte von scharfem Verstand stecken voller Parabeln und feiner Ironie“. Reinhold Adert lernte ich anlässlich eines Musikprojektes im Herbst 1988 in Berlin kennen. Die ostberliner Klezmerband „Aufwind“, der Journalist und Lyriker Dietmar Halbhuber, das Chansontrio „Wildemann“, die Jazzsängerin Ines Krautwurst, die Liedermacher Jörn Brumme, Reinhold Andert und meine Wenigkeit kreierten eine Liederrevue mit dem Titel „Morgen hau’n wir auf die Pauke“ und tourten damit bis Ende 89 durch die gesamte DDR. Das Programm war sehr aufmüpfig und prangerte den in dieser Zeit desolaten Zustand der Republik an. Es ging uns allen um eine bessere DDR, von Wiedervereinigung war zu diesem Zeitpunkt nicht die Rede. Jeder Akteur brachte auf seine eigene Vortragsart kritische oder satirische Beiträge passend zur Situation ein, so dass ein spannendes, abwechslungsreiches Bühnenstück ins Leben gerufen wurde. Während der Tournee kam ich oft mit Reinhold Andert ins Gespräch. Wir plauderten über Kunst, Politik und tauschen unsere Lebensläufe aus, wobei mir der seinige wesentlich spannender schien. Geboren wurde er 1944 in Teplitz-Schönau, verbrachte seine Jugend im thüringischen Sömmerda, absolvierte in Schöneiche ein katholisches Seminar, um Pfarrer zu werden, erlernte später jedoch den Beruf eines Orgelbauers in Gotha. In diesem Zeitraum stieß er auf Marx und Engels, las das kommunistische Manifest, und was lag da näher, als von 1964 bis 1969 an der Berliner HumboldtUniversität Geschichte und Phi-
losophie zu studieren. Letztere unterrichtete er ebenfalls an der Musikhochschule „Hanns Eisler“. 1969 stieß er auf den Oktoberklub, der zwei Jahre zuvor von vier Studenten aus der sogenannten „Hootenanny“-Bewe-
offiziell bestätigt, empfahl man, Hootenanny in Singeklubs umzubenennen. So nannten sie sich eben Oktoberklub. Seine Mitglieder wechselten ständig, gemäß jener Tradition, und letztendlich fungierte der Klub aufgrund seines schon bald hohen Bekanntheitsgrades auch als Sprungbrett für Solokarrieren. Bedeutende Künstler wie Barbara Thalheim, Bettina Wegner, Kurt Demmler oder eben Reinhold Andert seien hier genannt. Ab 1973 war Reinhold freischaffender Liedermacher und Autor. Mehrere live aufgenommene Schallplatten dokumentieren seine vielfältige Schaffensperiode: „Reinhold Andert“, LP, Amiga 855313, 1973; „Blumen für
deutende Kommunist und geniale Volkssänger Ernst Busch. Da nach seinem Begräbnis eine Trauerfeier des ZK mit führenden Spitzenkadern der DDR angesagt war, bat die Witwe des Verstorbenen den Sänger Reinhold Andert, ein Lied über Ernst Busch zu verfassen und vorzutragen. Andert kam den Wunsch nach und sang es vor allen anwesenden Trauergästen. Während des Liveauftritts des Protagonisten wurde den Genossen klar, dass sich der Text des Liedes inhaltlich sehr kritisch mit den Maßregelungen des Ulbrichtsystems auseinandersetzte, denn es beinhaltete u. a. auch das Thema Auftrittsverbot von Ernst Busch als Solosänger (Er
durfte nur jene Lieder vortragen, die für die jeweiligen Theateraufführungen auserkoren waren). Ein Skandal war die Folge. Andert flog aus der Partei und wurde nun selbst gemaßregelt. Auch er wurde mit Auftrittsverbot belegt. Ausreisen in den Westen wollte er nicht, das sah er als bekennender Kommunist nicht ein. Erst mit Perestroika und Glasnost und Gorbatschow wuchsen Hoffnungen auf Veränderung auch hier im Land. Der russische Schauspieler und Liedermacher Vladimir Wyssozki wurde ein Geheimtipp, und Reinhold Andert übertrug dessen Texte ins Deutsche, interpretierte sie in Lesungen und auch gesanglich. 1989 erschien im AufbauVerlag Berlin und Weimar das Buch „Zerreißt mir nicht meine silbernen Saiten“ mit Liedtexten Wyssozkis, nachgedichtet von Reinhold Andert, Rolf Bräuer, Dietmar Hochmuth und KlausPeter Schwarz. Zwischenzeitlich beschäftigte sich Andert intensiv mit der Frühgeschichte des damaligen Mitteldeutschlands und schrieb mehrere historische Bücher. Nach der politischen Wende gelang ihm als einzigem ein Besuch bei Erich Honecker, der in Lobetal Asyl gefunden hatte, um ein Interview mit ihm zu führen. Das Resultat erschien in Buchform: „Der Sturz – Erich Honecker im Kreuzverhör“, Berlin 1990, ISBN 3-351-02060-0. 1992 produzierte er dann endlich wieder eine Langspielplatte, „Fürsten in Lumpen und Loden“, Nebelhon IC 6464, ein Meisterwerk! Bis weit ins neue Jahrtausend folgten weitere Bücher zur Geschichte sowie politisch-satirische Beiträge im „Neuen Deutschland“ oder auch in Buchform. Am 26. März 2014 wurde Reinhold Andert siebzig Jahre als. Wir gratulieren ihm nachträglich – bitte, bleib gesund und unbequem! Jens-Paul Wollenberg
wenn man nicht mehr viel zu lachen hat. Man braucht keinen Anlass, man braucht aber das „Abschalten“ von den Sorgen. Als Gruppenarbeit durchgeführt fällt das leichter. Lachyoga eine präventive Maßnahme zur Erhaltung und Unterstützung der Gesundheit von Körper, Geist und Seele. Der Körper reagiert auf Lachen mit physiologischen und chemischen Veränderungen, unabhängig davon, ob das Lachen aufgrund eines äußeren Anlasses (z. B. Witze) entsteht oder aktiv durch „so tun als ob“ initiiert wird. Lachyoga beginnt mit unechtem Lachen (so tun als ob), das in der Gruppe schnell zu einem echten, gemeinsamen Lachen wird. Die positiven Wirkungen für uns bleiben gleich, der
Körper unterscheidet nicht „echtes“ und „unechtes“ Lachen. Es ist medizinwissenschaftlich inzwischen gesichert, dass das Lachen positive Wirkungen auf den Körper hat. Es reduziert die Produktion von Stresshormonen, fördert die Ausschüttung von Glückshormonen, aktiviert die Immunabwehr des Körpers, reinigt die Lunge, fördert Kreislauf, Durchblutung und Stoffwechsel. Ja, es mildert sogar allergische Reaktionen und Asthma. Vor allem aber wird der Kopf wieder freier. Bei regelmäßigem Lachen werden im Gehirn neue Nervenbahnen zu den Zentren der Freude und des Lachens gebildet. So kann mit Lachübungen die Hervorbringung von Freude und Glücksempfindun-
gen schneller und einfacher werden. Das Lachen wird im Leben umso mehr fest verankert, je öfter wir es tun. Gerade in der von Stress, falsch verstandener „Flexibilität“ und Schnelllebigkeit gekennzeichneten gegenwärtigen Alltags-, Arbeits- und Arbeitslosigkeitswelt, in der psychische Erkrankungen massiv zunehmen, kann Lachyoga einen Beitrag zur Stress- und Depressionsbekämpfung und -bewältigung leisten. Lachen kostet nichts, auch nicht beim 1. Chemnitzer Lachclub immer am zweiten Dienstag im Monat. Treff ist 19.00 Uhr am „Café Milchhäuschen“ an der Schlossteichinsel. Die Gruppe ist offen für Neugierige. Also: Lach mal wieder! Ralf Becker
sind, also dementsprechend aus Protestsongs. Da diese Initiative allen schon wegen des amerikanischen Begriffs den Parteifunktionären der SED zutiefst suspekt war und nicht etwa auf Anordnung der Kulturbehörden
die Hausgemeinschaft“ 1973; „Ewald der Vertrauensmann“, LP, Amiga 845157, 1978 (mit den Musikern des ersten ostdeutschen Weltmusikensembles ,Bayon‘ aus Weimar). Am 8. Juni 1980 verstarb der be-
Bei der Abschlussveranstaltung des V. Literaturfestivals der Berliner Jugend am 3.11.68 in der Kongresshalle wirkten Reinhold Andert (vorn) und weitere Mitglieder des Oktoberklubs sowie zahlreiche andere Berliner Singeklubs mit. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-G1104-0201-001 / Katscherowski (verehel. Stark), Vera / CC-BY-SA
gung ins Leben gerufen worden war. Der kanadische Folksänger und Banjo-Virtuose Perry Friedman, den es in die DDR verschlagen hatte, brachte diese Idee aus Amerika mit. Ursprünglich fand die „Hootenanny“-Bewegung in den USA ihre Wurzeln schon in den Vierziger Jahren, geprägt von den „Almanac Singers“, gegründet von Woodie Guthrie, Pete Seeger, Lee Heys und Arthur Stern. Hootenanny bedeutet so viel wie „Mitmachen, mitsingen“. Diese ungezwungen vorgetragenen Lieder bestehen teils aus einem Mix vom frechem Volkswitz, Tiefgründigkeit, Liebe zu Menschen, aber auch Empörung gegenüber jenen, die für soziale Missstände verantwortlich
Heute schon gelacht? Lachen gehört zum Leben, Lachen ist gesund, sagt der Volksmund. Manche haben nicht viel zu lachen, von „der Wirtschaft“ ausgespuckt und von der Gesellschaft an den Rand bzw. nach ganz unten gedrückt. Dennoch, kleine Freuden zaubern ein Lächeln, in Situationskomik bricht spontan Lachen aus. Lachen ist wichtig als Ausdruck von Freude, Lebenslust und Lebensbejahung. Allerdings – schadenfrohes Lachen ist hier nicht gemeint. Am 04. Mai 2014 war „Weltlachtag“ und der 1. Chemnitzer Lachclub lud ein. Man traf sich unter freiem Himmel auf der Wiese neben dem Denkmal der Opfer des Faschismus und lachte eine Stunde lang ganz verschiede-
ne Lacharten, vom verschmitzten leisen über verschiedene (Brust-)Tonlagen bis zum herzlich ausschüttenden Lachen. Lach nur, lieber Leser. Da ist schon Dein Anfang! Ja, es gibt Menschen, die sich dem Lachen und seiner Verbreitung verschrieben haben. Seit 1998 gibt es den „Weltlachtag“, begründet vom indischen Arzt Dr. Madan Kataria. Es ist ein großes Fest des weltweiten Lachens für den Frieden. Ziel ist, durch das gemeinsame Lachen ein globales Bewusstsein der Verbundenheit und Freundschaft zu schaffen. Lachen für den Weltfrieden. Seither wächst die Lachclubbewegung. Inzwischen gibt es Lachyoga in mehr als 72 Ländern. Lachen ist erlernbar, auch dann,