DIE LINKE im Wechselbad der Gefühle
Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Oktober 2014
Die jüngsten Landtagswahlen stießen DIE LINKE in ein Wechselbad der Gefühle. Die Ergebnisse wurden in der Partei mal mit Gelassenheit, mal mit Enttäuschung, mal mit Jubel aufgenommen. Die Partei könnte künftig in unterschiedlichen Rollen agieren: als stärkste Oppositionskraft in Dresden, als Juniorpartner einer SPD-geführten Regierung in Potsdam, mit eigenem Ministerpräsidenten in Erfurt. Das sind Möglichkeiten. Politische Aushandlungen mit offenem Ausgang laufen, während diese Zeilen entstehen. DIE LINKE konnte in Sachsen ordentlich abschneiden, aber keine Wunder vollbringen, u.a. weil es keine Wechselstimmung gab. Überdies ließen potentielle Partner keinen Willen erkennen, der ewigen Regierungspartei CDU gemeinsam die Stirn zu bieten. In Brandenburg erfuhr die Partei nach mehrjähriger Regierungsarbeit mit durchaus ansehnlicher Bilanz einen schmerzhaften Absturz. Thüringen bewies mit einem sensationellen Ergebnis für DIE LINKE, dass der Partei inzwischen zugetraut wird, tonangebend voranzubringen, was viele bewegt. Überall haben sich Mitglieder, Sympathisantinnen und Sympathisanten der Partei im Wahlkampf mächtig ins Zeug gelegt. Besonders in Sachsen und Thüringen habe ich das eindrucksvoll vor Ort erlebt. Dort muss jetzt die landespolitische Analyse geleistet werden. Ich bin sicher, dass die Genossinnen und Genossen in den Ländern kluge Entscheidungen treffen, dass sie Chancen couragiert nutzen und Risiken bedachtsam abwägen werden. Da müssen weder aus Berlin noch aus anderen Landesverbänden oder irgendwelchen Gruppierungen naseweise Ratschläge erteilt werden. Die Verantwortlichen der drei wahlkämpfenden Landesverbände waren in ständigem Kontakt. Sie kämpften unter unterschiedlichen regionalen Bedingungen gemeinsam, das sollte Schule machen. LINKEN-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn hat
völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass Solidarität im Erfolg genauso wichtig ist wie in der Niederlage. DIE LINKE, das zeigen diese Wahlen, hat einen festen Platz in der parlamentarischen Demokratie. Ihr wird etwas zugetraut, von ihr wird etwas erwartet, sie wird ermutigt und bekommt Denkzettel. Sie tut gut daran, angesichts dieser Normalität das eigene Profil zu schärfen, sich nicht in Konstellationsfragen zu verrennen. Wenn die Partei weiter hartnäckig für eine Gerechtigkeitswende kämpft, wird sie keine Themen verlieren, sondern Einfluss gewinnen und die Gesellschaft verändern. Auf der Bundesebene ist konsequente Oppositionspolitik eine zentrale Voraussetzung für einen Politikwechsel, der durch eine breite Unterstützung in der Gesellschaft getragen sein muss. Die geringe Wahlbeteiligung und der Einzug der rechtspopulistischen AfD in drei Landtage fordern alle demokratischen Parteien heraus. Die „beste Antwort“, befand die Bundeskanzlerin, sei eine erfolgreiche Regierungsarbeit „für die Menschen im Lande“. Ich glaube, dass eine solche arrogant-gönnerhafte Haltung den falschen Weg weist. Die Leute warten nicht auf die Segnungen einer Politik „von oben“. Sachsen und Thüringen nennen sich Freistaaten, was nichts anderes heißt, als dass sie von ihren freien Bürgerinnen und Bürgern regiert werden (sollen)! Will DIE LINKE ihre Position als bundesweit wählbare Alternative und als linke Volkspartei im Osten ausbauen, muss sie über drei Fragen nachdenken: Darüber, wie sie ihren Platz im Protest gegen soziale Ungerechtigkeit, Demokratieabbau und militärische Kraftmeierei wieder ausbaut. Darüber, wie erreicht wird, dass die Facharbeiterinnen und Facharbeiter, die Angestellten, Handwerker und all die anderen aus der Mitte der Gesellschaft das Gemeinwesen nicht länger fast allein finanzieren. Darüber, welche Konsequenzen DIE LINKE daraus zieht, dass einerseits Millionen von Arbeitslosigkeit, prekärer Beschäftigung, Kinder- oder Altersarmut betroffen sind, andererseits viele Menschen, ja Mehrheiten, mit ihren Lebensumständen sehr wohl zufrieden sind. Partnerinnen und Partner wird DIE LINKE überall finden, weil überall Menschen meinen, dass dieses Land nicht weiter auf Verschleiß gefahren und die Zukunft aufs Spiel gesetzt werden darf. Also: Anpacken! • Dietmar Bartsch
Links! im Gespräch
Links! 10/2014 Jule Nagel schaffte bei den Landtagswahlen 2014 etwas, was außer ihr niemandem in der sächsischen Linkspartei gelang: Sie eroberte ein Direktmandat in einer sächsischen Großstadt – insbesondere dank ihrer Anhängerschaft in den jungen, urbanen Teilen ihres Leipziger Wahlkreises, Connewitz und Südvorstadt. Jule Nagel polarisiert – und ist sich dessen durchaus bewusst. Ralf Richter besuchte die streitbare linke Siegerin für „Links!“ in ihrem Büro in Leipzig-Connewitz.
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„Es geht im Grunde darum, welche Gesellschaft wir wollen“ Foto: Ralf Richter
Was sind Deine zentralen Themen in diesen 15 Jahren gewesen? Ich glaube, dass ich als aktive couragierte Antifaschistin, die auch gut Bündnisse zu den verschiedenen gesellschaftlichen Spektren schmieden kann, bekannt geworden bin. So habe ich auch letztes Jahr einen Leipziger Friedenspreis, den verschiedene Gruppen gestiftet haben, verliehen bekommen. Über die Jahre sind dann so Themen hinzugekommen wie Stadtentwicklung, Wohnungspolitik und nicht zuletzt Kinder- und Jugendpolitik, die ich im Stadtrat mache.
Ist die AfD beim Thema Moscheebau geblieben oder kamen neue Themen hinzu? In Leipzig waren es die üblichen AfD-Themen: der Euro, Asyl- und der damit verknüpfte vermeintliche „Sozialmissbrauch“ und die Stärke Deutschlands. Aber prononcierte kommunalpolitische Themen habe ich im Kommunalwahlkampf nicht wahrgenommen. Insofern kann ich rational auch nicht nachvollziehen, wieso sie gleich in Fraktionsstärke in den Leipziger Stadtrat mit vier Abgeordneten eingezogen sind. Als politische Player oder Aktive vor Ort habe ich die AfD nicht registriert. Hier zeigt sich die erfolgreiche Strategie der AfD, niedere Instinkte gegen Schwächere, urkonservative Werte und einen unverhohlenen Nationalismus anzusprechen.
Herzlichen Glückwunsch zum großen Wahlerfolg! Was hat Deiner Meinung nach dazu geführt? Wir haben meiner Ansicht nach einerseits einen sehr erfrischenden und differenzierten Wahlkampf geführt. Mein Wahlkreis besteht aus acht Ortsteilen, die man vielleicht in drei Typen klassifizieren kann: Ein Teil ist urban-subkulturell, dann gibt es einen Eigenheimanteil – wo eher wohlhabendere, CDU-affineLeute wohnen –, und schließlich gibt es auch einen Neubauanteil. Wir haben versucht – und das ist wohl eine Neuerung hier in Leipzig gewesen –, zielgruppenorientierte Wahlkämpfe zu machen. Wir haben drei verschiedene Flyer erstellt mit unterschiedlicher Ansprache und auf die einzelnen Gruppen zugeschnittene Veranstaltungen durchgeführt. Dennoch glaube ich, dass so ein Wahlkampf nur das berühmte Sahnehäubchen ist. Ich muss erwähnen, dass ich hier im Leipziger Süden seit 15 Jahren Politik mache. Der Gewinn des Direktmandates ist wohl im Wesentlichen ein Ergebnis dieser langjährigen Arbeit. Dazu muss man auch wissen, dass ich eine Person bin, die nicht ganz unumstritten ist im Leipziger Politikgeschehen. Es gibt Leute, die mich ganz ablehnen und mich als „Krawall-Frau“ sehen, und es gibt Leute, die sich sehr stark für mich positionieren. Ich habe in den letzten Jahren zuspitzend gewirkt (beim Thema Asyl zum Beispiel), aber auch durch die Kritik an polizeilichem Handeln.
NPD. Das wurde vor Islamisierung gewarnt, bei einer Gemeinde, die als sehr moderat gilt.
Seit wann bist Du im Stadtrat? Erst seit 2009. Ich war zur Jahrtausendwende schon mal zwei Jahre im Stadtrat, musste aber nach zwei Jahren zurücktreten … Das war so meine Einstiegszeit in die politische Arbeit, und da hatte ich am Anfang ein bisschen Stress mit der Polizei. Es gibt zu Silvester am Connewitzer Kreuz Feierlichkeiten im öffentlichen Raum und eine regelmäßig auch übertriebene Polizeipräsenz. 2000/2001 bin ich zu Silvester festgenommen worden, das war dann der Anfang vom Ende. Medialer Druck und weitere Vorfälle führten 2001 zum Rücktritt. Wie bist Du überhaupt dazu gekommen, dich politisch Links zu engagieren? Gab es da Schlüsselerlebnisse? Vorbilder? Mein Vater war in der SED, meine Mutter nicht – aber meine Eltern sind beide Buchhändler. Von daher denke ich, dass ich eine gewisse humanistische Grundbildung auf jeden Fall zu Hause schon erfahren habe, und letzten Endes war meine Beschäftigung mit dem Thema Nationalsozialismus und dem Leid, das in dieser Zeit angerichtet wurde, für mich die Initialzündung, die mich damals hat zur PDS gehen lassen. Ich bin direkt zur Partei gegangen, habe mit anderen eine Jugendgruppe gegründet und mir von da aus den politischen Raum erschlossen – auch in Richtung außerparlamentarische Szene. Und mein erstes Erlebnis war ein großer NPD-Aufmarsch in Leipzig 1998 – und die Proteste dagegen. Ich denke, das ist schon klassisch, dieses Anti-Nazi-Thema wirkt wie eine Sozialisierungsinstanz für viele. Wenn man hierher kommt in den Aktionsladen, sieht man
daneben einen Buchladen – betritt man einen von beiden Läden, stellt man fest, dass es praktisch einen fließenden Übergang gibt … Das Büro habe ich mit vielen anderen aufgebaut. 2000 haben wir eröffnet. Aber es gab einen Vorläufer: Steffen Tippach, früher Bundestagsabgeordneter für die PDS, hat dieses Modell – räumlich zusammen mit außerparlamentarischen Gruppen und einem Infoladen – schon praktiziert. Wir sind dann 2000 zusammen hierher gezogen – also er, der Buchladen und verschiedene Gruppen im Flüchtlings- und Rechtshilfebereich. Seit 2000 entwickelt sich das linXXnet. Ich denke, dass ich es stark mitgeprägt habe. Inzwischen ist es Kiez- und Politikladen, in dem immer was los ist. Das ist vielleicht auch ein Teil des Wahlerfolges: Das linXXnet als dynamischer Raum, den vielfältige Initiativen für sich nutzen und wo Menschen in vielfältigsten Lebenslagen Unterstützung finden können. Der Buchladen wiederum ist ein toller Türöffner für den linken Bereich. Gab es für dieses Modell Vorbilder? Ich glaube, wir sind da das Vorbild. Nach dem Ausscheiden der PDS aus dem Bundestag gab es eine Initiative zur Parteireform, um wieder auf die Beine zu kommen, und da waren wir tatsächlich ein Modellprojekt als offenes Netzwerkbüro. Es ging darum, nicht den Anspruch, Partei zu sein, vor sich herzutragen, sondern eher das offene Büro für Gleichgesinnte stand im Mittelpunkt. Wir haben da auch Nachahmer gefunden – so ist zum Beispiel in Erfurt das „Redroxx“ von uns inspiriert. Und im aktuellen Papier von Katja Kipping
und Bernd Riexinger zur Parteientwicklung werden wir auch als modellhaft erwähnt, mit dem Anspruch, diese Idee weiterzutragen, wohl wissend, dass so ein Konzept auch angepasst werden muss an die Umgebung. Wir sind hier in einem alternativ, links, urban geprägten Kiez – da funktioniert das anders als zum Beispiel in Erfurt in der Innenstadt. Auch in Dresden hat die WIR-AG die Idee, etwas Ähnliches zu machen. Aber ich kann da nicht einschätzen, inwieweit das funktioniert. Schwenken wir noch zur AfD. In der letzten Links! hast Du sie eine „Herausforderung für unsere politische Praxis“ genannt. Wie bist Du hier auf die AfD aufmerksam geworden? Wahrnehmbar war sie ja schon im Bundestagswahlkampf. Ich habe mich allerdings nicht so intensiv damit beschäftigt und war dann geschockt am Abend der Wahl, als sie tatsächlich den Einzug in den Bundestag nur knapp verfehlte. Eine richtige Auseinandersetzung kam bei mir danach und natürlich im Kommunal- und Europawahlkampf. Die Gesichter der Leute, die hier zum Beispiel in den Leipziger Stadtrat einzogen, sind mir aus dem politischen Leben der Stadt nicht bekannt. Das sind Unternehmer, die aus dem Nichts kommen. Die inhaltliche Annäherung ist dann später gekommen: Was steckt hinter der euroskeptischen, eurokritischen Partei? Brandstifter im Nadelstreifenanzug, so kann mensch das vielleicht verkürzen. Hinzu kommt, dass es in Leipzig Auseinandersetzungen um den Bau einer Moschee mit Minaretten im Stadtteil Gohlis gab. Hier hat die AfD ihre allererste Wortmeldung abgegeben, im Oktober 2013, und die ging schon in Richtung
Du warst also überrascht … Das ist ja überall das Phänomen. Die Partei taucht auf und wird überall gewählt, ohne dass man die Akteure kennt. Im Gegensatz dazu heißt es ja über die NPD, dass man die Akteure kennt, weil sich ein bekannter Unternehmer oder der Malermeister von nebenan zur NPD bekannte und die Leute dann deshalb die NPD wählen. Doch bei der AfD funktioniert das offenbar ganz anders. Da ist es das Geheimnisvolle, das diese Partei umweht, und dann ist es völlig egal, welche Personen sie aufstellen. Der AfD-Kandidat in meinem Landtagswahlkreis beispielsweise gehört zur „Patriotischen Plattform“. Die ist rechtsaußen. Er hat durch die Einladung des FPÖ-Politikers Andreas Mölzer, der für seine rassistischen Äußerungen bekannt ist, auf sich aufmerksam gemacht. Mittlerweile läuft gegen ihn ein Parteiausschlussverfahren. Die AfD wird die politische Arena also noch lange beschäftigen. Hältst Du es für vorstellbar, dass Parteien wie Linke, Grüne und SPD eine gemeinsame Strategie für den Umgang mit der AfD entwickeln? Einen vergleichbaren Umgang wie mit der NPD wird es gegenüber der AfD nicht geben. Man muss schauen, wie sie Themen besetzen, zum Beispiel in der Familienpolitik … Es wird eher zu einem Wettstreit bei den politischen Positionen kommen als zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die AfD. Hier geht es im Grunde darum, welche Gesellschaft wir wollen: eine geschlossene, auf marktradikalen Prinzipien, Konkurrenz und Ausgrenzung basierende, oder eine offene, solidarische.
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10/2014 Links!
Kampf gegen die Terroristen des „IS“: UN-Sicherheitsrat einschalten, Flüchtlinge schützen! Viele waren überrascht, als im Sommer die Terroristen des „Islamischen Staates“ auf der internationalen Bildfläche erschienen. Dabei kamen sie keineswegs aus dem Nichts, sondern hatten sich angekündigt. Schon 2006 hatte sich AlQaida im Irak in „Islamischer Staat im Irak“ umbenannt. Als Syrien 2011 im Bürgerkrieg versank, sahen die Terroristen ihre Chance und expandierten. Fortan nannten sie sich „Islamischer Staat im Irak und Syrien“ (ISIS). Dort kämpften sie nicht gegen Präsident Assad und sein Regime, sondern gegen die Rebellen. Das kam Assad nicht ungelegen. Er duldete die Islamisten, förderte ihre Bestrebungen sogar zeitweise. Die syrische Regierung bombardierte, folterte und ermordete ihre Gegner. Katar, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate u. a. bewaffneten und unterstützen diese. Dass dies nicht der liberalen Opposition helfen würde, war zu erwarten. Wie in einem Sammelbecken hat der „Islamische Staat“ all die Frustrierten, Desorientierten, Enttäuschten aufgefangen. Zusätzlich strömen BerufsDschihadisten aus aller Welt in die Region. Mit
Lassen wir einmal den allseits bekannten Film weg. Da geht es um Geld und späte Rache im Wilden Westen. Das soll nicht unsere Welt sein. Fragen wir aber, welches Lied das sein kann, das Lied vom Tod, kommen wir zu sehr verschiedenen Antworten. Es ist nicht immer ein trauriges Lied vom Abschied ohne Wiederkehr. Es ist nicht selten ein tröstliches Lied vom ewigen Leben. Dafür muss man freilich glauben. Es ist aber auch ein Lied, das Menschen erst in den Tod treibt. In allen Armeen dieser Welt werden solche Lieder gesungen und nicht nur dort. „Die Trommel ruft zum Kampfe“. Der Takt der Marschmusik treibt
dem massiven Vorrücken des „IS“ und öffentlichen Gräueltaten in den vergangenen Wochen wurde die Weltöffentlichkeit aufmerksam. Auch, weil vermehrt junge Männer und Frauen auch aus Europa und den USA in den vermeintlich Heiligen Krieg zogen. UN-Sicherheitsrat einschalten! Die USA und ihre „Koalition der Willigen“ haben mit Lügen den Irak-Krieg begonnen und das Land in einem schlimmen Zustand hinterlassen. Sie
Soldaten voran ins Feld und in den Tod, den vorgeblichen Heldentod. „Soldatengrab ein Ehrengrab, kein bess‘res in der Welt“, ist dann der Abgesang, „Ich hatt‘ einen Kameraden“, wird zur letzten wehmütigen Feststellung. Genug davon! Das fiel mir alles nur ein, weil es aktuell zwei Diskussionen gibt, die aus sehr unterschiedlichen Gründen mit dem Tod zu tun haben und die auf sehr verschiedene Weise mit dem Tod umgehen. In der einen Auseinandersetzung geht es um die so genannte „Sterbehilfe“. Es scheiden sich die Geister an der Frage, ob man einem todkranken Menschen die Schmerzen der letzten Tage und Stunden verkürzen darf, wenn er oder sie es wünscht oder so verfügt hat. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Gilt das auch für jene, deren Würde in den letzten Zügen durch völlige Hilflosigkeit und verlorene Kontrolle über alles Körperliche und Geistige verloren gegangen sein könnte? Ist dann der Tod nicht die Wieder-
tragen große Verantwortung für das Leid der Menschen in der Region. Wenn nun gehandelt wird, gilt es aber, nicht die gleichen Fehler noch einmal zu begehen. Daher kann es nur einen legitimen Akteur für jedes weitere Vorgehen geben, nämlich die Vereinten Nationen. Viel zu lange wurde damit gewartet, den Sicherheitsrat der UNO einzuschalten. Barack Obamas momentane Strategie, mit einer erneuten „Koalition der Willigen“ gegen den „IS“ vorzugehen, zeigt, wie hilflos die USA gegenüber dem Unheil, dass sie angerichtet
haben, sind. Wenn der Weltfrieden bedroht ist, ist einzig und allein die UNO in der Pflicht und keine fragwürdige Koalition ohne völkerrechtliche Legitimation. Wenn es Obama nicht gelingt, den anhaltenden Zustrom von Geld und Kämpfern aus US-Partnerländern wie Saudi-Arabien und der Türkei zu stoppen, ist ein Scheitern ohnehin vorprogrammiert.
herstellung der Menschenwürde? Ich will nicht behaupten, über gültige Antworten zu verfügen. Auch die Debatte will ich hier nicht weitertreiben. Gerade in Deutschland ist die Entscheidung immer wieder vom Wort „Euthanasie“ begleitet.
rung“. Was ist passiert? Wirtschaftsminister Gabriel von der SPD möchte doch tatsächlich Rüstungsexporte einschränken; nicht sehr, aber doch; nicht nach überall hin, aber vor allem nach Russland. Man hört also die Nachtigall trapsen. Russland ist jedoch ein guter Kunde, und es liegt ein ganzes Gefechtsübungszentrum im Wert von 135 Millionen Euro fertig verpackt auf 70 LKW zum Abtransport nach Russland bereit. Jetzt spielt die deutsche Rüstungsindustrie das weinerliche Lied vom Tod – vom Tod des Profits. In Wirklichkeit ist es ein dissonantes Lied von der verhinderten „Sterbehilfe“ im Namen des Geschäfts, von verhinderter Hilfe zu einem überhaupt nicht selbstbestimmten Tod. Frankreich, die USA oder die Schweiz würden doch schon warten, dass dort die Investitionen für Rüstung landen. Von dort könnte man auch die tödlichen High-Tech-Produkte leichter exportieren; wohin man will und wo sie Freund und Feind gleichermaßen brauchen.
Spiel mir das Lied vom Tod Nicht ohne Grund: Der Tod war einst ein Meister aus Deutschland. Man darf es nicht vergessen! Suspekt sind mir freilich jene, die sich selbst zum befugten Bewahrer des Lebens im schmerzhaften und vielleicht würdelosen Tod erklären. Gehört der Tod zum Leben und wollen wir ein selbstbestimmtes Leben, sollte der selbstbestimmte Tod ein Teil davon sein. Mit „selbstbestimmt“ bin ich jedoch bei der anderen Debatte gelandet. Unlängst meldete AFP: „Streit um Waffenexporte. Rüstungsindustrie droht Bundesregierung mit Abwande-
Was Deutschland tun kann Unabhängig vom Agieren des UN-Sicherheitsrates muss
Deutschland handeln. Waffenlieferungen sind dabei grundsätzlich der falsche Weg. Auch weil man nicht weiß, was mit diesen Waffen später geschieht. Was, wenn sie durch IS erbeutet werden? Wenn die Bundesregierung einen sinnvollen Beitrag leisten wollte, gäbe es andere Wege zu beschreiten, nämlich die Menschen, die vor IS fliehen, zu schützen. Deutschland müsste sich bereit erklären, mehr Flüchtlinge aus der Region aufzunehmen. Der Verweis darauf, dass Deutschland im Verhältnis zu anderen EULändern schon viele Flüchtlinge aufnimmt, gilt dabei nicht. Länder wie Jordanien und der Libanon tun viel mehr. Auch verschärfte Gesetze in Deutschland gegen Menschen, die sich dem „IS“ anschließen oder aber aus den Ländern zurückkommen, sind keine hinreichende Antwort. Stattdessen sollte in Aussteiger- und Beratungsprogramme für Angehörige investiert werden. Schließlich: Der Kampf gegen den Terror wird langfristig nicht durch Bomben gewonnen, soviel sollten wir aus den Kriegen der vergangenen Jahre gelernt haben. Stefan Liebich Der einheimische Arbeitsplatz in der Rüstungsindustrie steht allemal noch vor möglichen Skrupel, todbringende Rüstungsgüter zu verkaufen. Sei ein Soldatengrab auch hundert Mal ein Ehrengrab, so gehört es auch zur Ehre der deutschen Industrie jedem Kunden jede gewünschte Waffe zu liefern. An solcher „Ehre“ hatten Krieger aller Länder teil. Sie schickten sich gegenseitig mit deutschen Waffen ins Ehrengrab. Den Soldaten oder anderen Kollateraltoten wird es allerdings egal gewesen sein, woher die Geschosse stammten, die ihm oder ihr den Garaus machten. Da lohnt es vielleicht die Aufregung gar nicht? Und überhaupt! Wer spricht denn von Waffenexport und vom Lied vom Tod? Herr Pappberger, der die Drohungen ausspricht, ist Präsident des „Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“. Das lässt die Sache in ganz anderem Licht erscheinen und hat mit fremdbestimmter Sterbehilfe nichts zu tun.
Hintergrund
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Jetzt erst recht! Die Europäische Bürgerinitiative „Stop TTIP“ organisiert sich selbst „Wir fordern die EU-Kommission auf, dem Rat zu empfehlen, das Verhandlungsmandat über die Transatlantische Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP) aufzuheben sowie das Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) nicht abzuschließen“, so der Wortlaut einer am 15. Juli dieses Jahres angemeldeten Europäischen Bürgerinitiative, kurz: EBI. 240 Organisationen aus 20 Ländern hatten sich vernetzt, Unterschriftenlisten entworfen, sich auf Argumentationen und Texte verständigt, Aktionstage geplant – es hätte Mitte September nur noch auf den Knopf gedrückt werden müssen, um die Aktion zu starten. Dann, am 11. September, der Schock: Die EU-Kommission lässt die EBI „Stop TTIP“ nicht zu. Die Begründung wirkt lausig und wie hingeworfen. Die EBI sei ein Rechtsakt, der auf Dritte keine Auswirkungen habe, was aber Voraussetzung sei. Das ist ein Schlag in die Magengrube des Bündnisses gegen die Freihandelsabkommen. Mehr noch: Schärfer als selten zuvor stellt sich die Frage, ob und wie sich dieses Europa demokratisieren lässt. Wie ernst werden die Bürgerinnen und Bürger in Brüssel genommen? Da steht ihnen nur dieses eine Instrument zur Verfügung, um der EU-Kommission zu signalisieren, worum sie sich bitte kümmern soll – die EBI. Es ist ein Bonsai-Beteiligungsinstrument, ein Vorschlagrecht, kein Vorschlaghammer. Die Ablehnung der EBI „Stop TTIP“
schlägt nun der europäischen Bürgerschaft auch dieses Instrument noch aus der Hand. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen ihren Protest nicht offiziell artikulieren, das macht sie noch mehr zu Zaungästen der Brüsseler Politik. Und das angesichts der massiven Kritik, mit der die Freihandelsabkommen überzogen werden, gerade weil die Demokratie in Gefahr ist und der Rechtsstaat unterlaufen werden könnte. Ganz oben auf der langen Liste der Kritik stehen die Investor-Staat-Schiedsverfahren. Deutschland hat diese erfunden, um Investitionen in „unsicheren Ländern“ zu erleich-
re Investitionen und Gewinne durch politische Entscheidungen gefährdet, weil beispielsweise Umweltauflagen erlassen wurden, dann können sie den Staat einfach auf Schadenersatz verklagen. Verhandelt wird geheim, anfechtbar ist das Ergebnis nicht, vor keinem Gericht der Welt – so als gäbe es weder in Europa noch in Übersee eine Rechtsstaatlichkeit. Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung bis zur „Regulatorischen Kooperation“, die in die Abkommen eingehen soll: Im Vorfeld politischer Entscheidungen sollen Konzerne eingeladen werden, ihre Interessen einzubringen;
die Demokratie und die EUKommission steht Spalier. Was ist zu tun? Schei..., shit, rahat, cholera, cac, merde – das war wohl die erste Reaktion in Dutzenden NGO-Büros nach Ablehnung der EBI. Aber das kann freilich nicht das letzte Wort sein. „Lassen wir uns nicht schrecken durch die Ungunst äußerer Umstände, haben wir für alle Schwierigkeiten nur eine Antwort: Erst recht!“, so hat es Clara Zetkin einmal gesagt. Genau das ist die Antwort an die EUKommission. Jetzt erst recht! Das Bündnis war sich schnell einig: Ignoriert Brüssel die Bürgerinnen und Bürger, ig-
Ralf-Uwe Beck Bundesvorstandssprecher von Mehr Demokratie e.V. Mehr Informationen über die EBI unter: www.mehr-demokratie.de
sie hätten dann ein Recht darauf, gehört zu werden – eine besonders perfide Form von Lobbyismus, um zukünftige Schadenersatzklagen zu vermeiden. Hier bläst die Wirtschaft zum Generalangriff auf
norieren wir Brüssel. Wir starten eine „selbst organisierte“ Europäische Bürgerinitiative. Wir werden binnen eines Jahres eine Million Unterschriften sammeln und dabei auch die vorgeschriebenen Quo-
Mehr Demokratie e.V. setzt sich vorrangig für den Ausbau der direkten Demokratie auf allen politischen Ebenen ein. Zudem stehen Wahlrechtsreformen, die Informationsfreiheit und die Demokratisierung Europas auf der Agenda des bundesweit agierenden Vereins. In den vergangenen 25 Jahren hat Mehr Demokratie mehr als 20 Demokratie-Reformen in den Ländern angestoßen oder mit eigenen Volksbegehren durchgesetzt. Getragen werden die Aktionen von bisher knapp 7.000 Mitgliedern und Förderern. „Wir sind zu wenige“, wirbt Vorstandssprecher RalfUwe Beck um Mitglieder. „Für das, was wir vorhaben, könnten wir gut auch 17.000 oder noch besser 70.000 Mitglieder sein. Es ist Zeit, sich uns anzuschließen.“
tiker aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und BadenWürttemberg meuterten offen gegen den Kollegen der CSU. Sie sehen vor allem den Tourismus- und den Grenzverkehr gefährdet. Daraufhin reagierte das Verkehrsministerium: Laut Presseberichten sollen nach wie vor alle Straßen wie Bundes- und Landstraßen sowie Kreis- und Landstraßen mautpflichtig sein. Aber: Auf letzteren, die häufig von Touristen benutzt werden, wird eine Mautplakette nicht zur Pflicht. Das ist dann schon ein selten unsinniges Vabanquespiel, bei dem nur Fahrzeughalter verlieren können. Per Gesetz sind alle Straßen mautpflichtig, aber es wird nicht überall kontrolliert? Werden dann Straßenpläne erstellt, die zeigen, wo das geltende Recht nicht kon-
trolliert wird? Was geschieht, wenn Land und Kommunen Mehreinnahmen benötigen – werden dann die Bereiche mit kontrollfreien Straßen verkleinert? In jedem Fall ist das eine Regelung, die keiner juristischen Prüfung standhalten wird. Dieses seltsame Gesetzesvorhaben wird nicht nur wegen seines ausländerfeindlichen Zungenschlags kritisiert. Die Juristinnen und Juristen des Bundestages halten die Maut in der Form auch für rechtswidrig. Schäubles Finanzministerium rechnete z. B. aus, dass nur mit sehr geringen Mehreinnahmen gerechnet werden kann. Im Gegenteil: Sogar von einem Verlustgeschäft ist die Rede. Kurzum: Die Regierung schafft sich Probleme, wo eigentlich keine waren, und kann sie
dann noch nicht einmal lösen. DIE LINKE hat die Mautpläne immer abgelehnt, weil sie ökologisch keinen Sinn ergeben. Kein Mensch, der zur Arbeit muss, wird das Auto wegen der Maut stehen lassen. Aber am Ende muss mehr bezahlt werden. Für Geringverdiener ist das eine größere Belastung als für den Millionär. Deshalb bleibt die Maut sozial ungerecht. Über eine Ausweitung der LKW-Maut müssen wir stattdessen reden, denn das könnte für mehr Gerechtigkeit sorgen und dafür, dass der Güterverkehr wieder stärker über die Schiene rollt. Caren Lay ist Leiterin des Arbeitskreises Struktur- und Regionalpolitik und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.
Die geplante Ausdehnung der Freihandelszone. Bild: Datastat / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0
tern, weltweit zum ersten Mal festgelegt in einem Investitionsabkommen mit Pakistan 1959. Heute lecken sich die Konzerne alle zehn Finger nach diesem InvestorenSchutz. Sehen sie nämlich ih-
ren in den Ländern einhalten. Längst geht es nicht allein um die Freihandelsabkommen. Es geht darum, welche Idee mit diesem Europa verbunden sein soll, was Europa ausmachen und wer es tragen soll. Es geht auch darum, die Europäische Bürgerinitiative zu retten und auszubauen. Ein Spaziergang wird das nicht, im Gegenteil. Es ist eine Gelegenheit, gemeinsam auf- und für unsere Rechte einzustehen.
Dobrindts Maut-Irrfahrt Mit dem Mautgesetz ist es derzeit hier in Berlin wie mit einem Adventskalender. Jeden Tag erwartet einen eine neue Überraschung. Leider selten eine Positive. Verkehrsminister Dobrindt hat sich in den vergangenen Monaten völlig verfahren und fährt einen Umweg nach dem anderen, um mit der „Ausländermaut“ ein fast unmögliches Projekt doch noch möglich zu machen. Genug Zeit wäre gewesen. Die absurde Idee, eine PKW-Maut nur für Ausländer zu konzipieren, brodelt in der CSU bereits seit 2012. Damit versuchte Horst Seehofer persönlich, das Thema stark zu machen, um zur Europawahl Wähler am rechten Rand anzusprechen. Der Plan ging bekanntlich in die Lederhose, als die CSU bei der Europawahl im Mai ein Rekordminus einfuhr.
Nun liegt es an Verkehrsminister Dobrindt, dieses Wahnsinnsprojekt des CSU-Chefs Seehofer umsetzen. Dabei verheddert er sich zusehends. Anfang Juli stellte der Verkehrsminister sein lang erwartetes Konzept vor. Dobrindts Pläne sehen vor, dass ab 2016 jeder, der deutsche Straßen benutzt, jährlich im Schnitt 88 Euro Maut bezahlen soll, abhängig vom Fahrzeugtypen. Deutsche Autobesitzer sollen die Maut jedoch über eine reduzierte KfZ-Steuer zurückbekommen. Mit diesem kleinen Trick sollen ausschließlich Ausländer belastet und gleichzeitig ein diskriminierendes Gesetz EUkompatibel gemacht werden. Sofort wurden kritische Stimmen laut – bezeichnenderweise meist aus der Union selbst: CDU-Landes- und Bundespoli-
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Sachsens Linke
Die Partei diskutiert, angeregt durch die Koalitionsverhandlungen in Thüringen, über den Begriff „Unrechtsstaat“. Dieser Debatte stellt sich auch SachsensLinke!. Jörn Wunderlich erklärt, was das „Wechselmodell“ ist und worauf es dabei ankommt.
Volkmar Wölk präsentiert Empfehlungen zum Umgang mit der AfD. Gastautorin Malin Björk von der schwedi-
schen „Vänsterpartiet“ erläutert, welche Prioritäten die GUE/NGLFraktion im Europaparlament setzen sollte – und setzen wird.
Dialog für Sachsen
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Auf dem Weg nach 2019
Foto: Ralf Roletschek / roletschek.de / Wikimedia Commons / CC BY 3.0
Das U-Wort
Erinnern wir uns an den 16. Dezember 1989. Vor rund 2.700 Delegierten trat damals Michael Schumann auf dem außerordentlichen Parteitag der SED/ PDS ans Pult. Sein Referat war wegweisend. Schonungslos rechnete er mit der falschen Politik der SED ab, mit den falschen Entwicklungen in der DDR im Namen des Sozialismus. Und er erinnerte uns daran, dass es eben keine Verfehlungen einzelner waren, die diesen Sozialismusversuch diskreditiert haben, sondern dass diese Delegitimierung systemisch bedingt war. Dies alles kulminierte in dem Kernsatz, der bis heute gültig ist: „Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System.“ Die kritische, radikale Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte begann für uns im Spätherbst 1989. Und sie gipfelte in der Erkenntnis: Ja, die DDR war kein Rechtsstaat. Sie war eine Diktatur. In ihr geschah Unrecht gegen Menschen in unzähligen Fällen. Es gab Zwang und Unterdrückung und die Mehrheit reagierte mit Anpassung – zumal die Verhältnisse nicht mehr änderbar erschienen, bis 1989. Und dennoch: Den Begriff des Unrechtsstaates, wie er in der historisch-politischen Debatte um die DDR alsbald auch und gerade von Vertretern der bundesrepublikanischen Politik zur
Delegitimierung des zweiten deutschen Staates insgesamt und damit auch der Biographien und Lebensleistungen seiner gesamten Bevölkerung verwandt wurde, lehnten wir als PDS ab. Das gilt genauso für die LINKE in Sachsen. Unrecht, das muss immer wieder festgestellt werden, ist eine moralische Kategorie. Unrecht ist nicht das Gegenteil von Recht, denn Recht ist ein Gefüge wirksamer Normen. Aber: Wo das Recht endet, kann Unrecht geschehen. Das harte Urteil gegen die DDR muss dementsprechend lauten, dass sie kein Rechtsstaat gewesen ist. Denn in ihr hatten die Menschen keine Möglichkeit, sich gegen erlittenes Unrecht zu wehren. Es gab keine Verwaltungsgerichtsbarkeit, keine freien Wahlen, keine freie Meinungsäußerung, dafür jedoch einen Geheimdienst mit polizeilichen Aufgaben. Diese Kritik an den realexistierenden Verhältnissen in der DDR ist die unsere. Sie mag für den einzelnen schwer sein, aber diese Kritik ist eine notwendige. Menschen, die politisch gewolltes Unrecht in der DDR erfahren haben, fassen mit diesem Begriff in Worte, wie sie dieses Land erlebt haben. Muss ich ihnen dies nicht zugestehen? Das Thüringer Papier, das Anstoß zur Debatte gab, verwendet diesen Begriff. Es leitet ihn her aus der
Kritik an den realexistierenden Verhältnissen der DDR, die ich teile: „Weil durch unfreie Wahlen bereits die strukturelle demokratische Legitimation staatlichen Handelns fehlte, weil jedes Recht und jede Gerechtigkeit in der DDR ein Ende haben konnte, wenn einer der kleinen oder großen Mächtigen es so wollte, weil jedes Recht und Gerechtigkeit für diejenigen verloren waren, die sich nicht systemkonform verhielten, war die DDR in der Konsequenz ein Unrechtsstaat.“ So der Text aus Thüringen, den drei Parteien geschrieben haben. Dieser Text verneint deutlich die pauschale Delegitmierung der DDR-Biographien: „Das ist nicht gleichbedeutend mit der Herabwürdigung von Biographien, allerdings hat sich jedes Leben in der DDR eben dort abgespielt und nicht im luftleeren Raum.“ Die drei Parteien, deren Herkunft aus dem politischen System der DDR kaum unterschiedlicher sein könnte, suchen damit ein gemeinsames Geschichtsverständnisses als Basis für eine zukünftige, nach vorne gerichtete Politik. Ich sage es ganz deutlich: Bis zur letzten Konsequenz teile ich die Kritik an den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen in der DDR. Dieses U-Wort allerdings ist nicht meines. Ich denke nicht, dass der Begriff „Un-
rechtsstaat“ geeignet ist, um die Verhältnisse in der DDR treffend zu beschreiben. Das mögen andere anders sehen. Das kann und werde ich akzeptieren. Wir setzen uns seit 1989 permanent mit unserer Geschichte auseinander. Kritisch. Radikal. Schonungslos. Michael Schumann hat uns das ins Stammbuch geschrieben. Im Jahr 2000 ist er auf tragische Weise von uns gegangen. Seine Worte auf diesem außerordentlichen Parteitag sind jedoch weiterhin Verpflichtung: „Die in die Zukunft weisenden Konsequenzen, das heißt die Beseitigung von Strukturen, die solche Deformationen ermöglichten, müssen ihren Niederschlag finden im neuen Programm, im neuen Statut, in einem neuen, kritischen Umgang mit unserer eigenen Geschichte, der frei ist von Apologetik, Schönfärberei, einem Umgang, der nichts aus dieser Geschichte ausspart. Und all dies muss sichern die Trennung von Partei und Staat, die Wählbarkeit von unten nach oben, die Anerkennung unterschiedlicher Meinungen, auch innerhalb der Partei, und ihre Reflexion in den Medien und viele andere demokratische Sicherungen mehr.“ Diesen Anspruch an uns selbst kann und sollte das Für und Wider eines Wortes nicht infrage stellen. Rico Gebhardt
Die Landtagswahlen mögen gelaufen sein, abgehakt sind sie damit jedoch nicht. Wie schon nach den Landtagswahlen 2009 wollen wir sie intensiv auswerten. Den Auftakt dazu bildeten die letzte Sitzung des Wahlplenums und die Regionalkonferenzen in Chemnitz, Dresden und Leipzig. Bis zum Jahresende soll eine schriftliche Wahlauswertung entstehen. Wir wollen verstehen, wie sich das Ergebnis zusammensetzt, um daraus die Schlussfolgerungen zu ziehen. Diese sind notwendig, denn insbesondere DIE LINKE in Sachsen ist von der sich verändernden demographischen Zusammensetzung der Gesellschaft betroffen. So konnten wir zwar 7.000 ErstwählerInnen davon überzeugen, uns zu wählen, seit 2009 starben jedoch 38.000 unserer bisherigen WählerInnen. Rund 9.000 Menschen, die seit 2009 nach Sachsen gezogen sind, entschieden sich bei der Wahl für uns, 15.000 unserer Wähler von 2009 sind jedoch seitdem aus Sachsen verzogen. Saldiert heißt das, dass wir 37.000 WählerInnen – 62 Prozent unserer Gesamtverluste – dauerhaft durch Tod oder Umzug verloren haben. Rund 30 Prozent unserer WählerInnen zu den Europawahlen 2014 waren über 70 Jahre alt. Die Herausforderung liegt also darin, Menschen anzusprechen, die bisher nicht zu unserer Wählerschaft zählten, NichtwählerInnen wieder zurück zu den Wahlurnen zu holen. Dieser Herausforderung haben wir uns jetzt zu stellen, nicht erst 2019. Denn: Wahlen werden letztlich nicht in Wahlkämpfen entschieden, sondern durch gute politische Arbeit in der Zwischenwahlzeit. Wollen wir eine starke LINKE 2019, müssen wir uns jetzt auf den Weg machen. Lasst uns solidarisch und gemeinsam über den richtigen Weg diskutieren.
Sachsens Linke! 10/2014
Meinungen Über Ziele der AfD aufklären Die AfD hat es bisher erfolgreich geschafft, in der Öffentlichkeit scheinbar für das Gegenteil dessen einzutreten, wofür sie in Wirklichkeit steht. So entsteht auch durch die Wahlplakate der Eindruck, dass sie für mehr Demokratie, die Interessen der einfachen Bevölkerung und gegen die großen Banken und Konzerne eintritt und somit die einzige Opposition gegen die bisherige Regierungspolitik ist. Dabei ist sie eine Interessenvertretung des Großkapitals. Sie beurteilt Menschen und Länder nach ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit. In ihrer Wahlwerbung betont sie, dass sie auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen ist. Solange es ihr gelingt, dieses Bild aufrecht zu erhalten, wird auch die Zustimmung für die AfD nicht verschwinden. Unsere Aufgabe ist es somit einerseits, die Bevölkerung über ihre wirklichen Ziele aufzuklären, andererseits, glaubwürdig zu vermitteln, dass nicht die AfD, sondern Linke für mehr Demokratie, soziale Gerechtigkeit, gegen das große Kapital eintreten und somit Opposition gegen das herrschende System sind. Wenn die Linke sich aber anpasst, ist das unmöglich. Das erklärt auch das Brandenburger Wahlergebnis. Uwe Schnabel, Coswig Zu den Kämpfen im Irak Ursprünglich sollten der UNO unter UNO-Befehl stehende Truppen zur Verfügung gestellt werden. Aber die imperialistischen Staaten wollen selbst die Kontrolle behalten. Sie wollen mit UN-Mandat eigene Ziele durchsetzen. Um das zu vermeiden, muss somit nicht nur jeder Auslandseinsatz der Bundeswehr abgelehnt werden, die Bundesregierung darf auch sonst keinen Einfluss auf internationale Einsätze bekommen. Weder der Bundes-, noch der US- oder der französischen Regierung geht es um eine wirksame Bekämpfung des IS. Das zeigt sich schon daran, dass sie eine Zusammenarbeit mit den kurdischen Selbstverteidigungskräften in der Türkei und in Nordsyrien, der syrischen und iranischen Regierung und
Impressum Sachsens Linke! Die Zeitung der Linken in Sachsen Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Kultur
der Hisbollah ablehnen, sie sogar eher bekämpfen. In Wirklichkeit wollen sie gemeinsam mit allen Kräften, die den Aufstieg des IS erst ermöglicht haben, (selbsternannte „Freunde Syriens“) nur ihre eigene Herrschaft ausbauen. Wie wir heute mit Konflikten in der Welt umgehen, dürfte somit klar sein: Abschaffung von Bundeswehr und NATO, die nur weltweit Terror verbreiten, keine Rüstungsexporte, gleichberechtigte Handelsbeziehungen, sonstige Bekämpfung der Ursachen, die zu Kriegen führen, Unterstützung aller gewaltfreien Konfliktlösungen und aller Gruppen, die sich gegen Imperialismus und die von ihm verursachten Kriege wehren. Also konkret nicht Unterstützung der nordirakischen Peschmerga-Milizen, die u.a. die Jesiden schutzlos der IS ausgeliefert haben. Stattdessen sind die Unterstützung linker kurdischer Organisationen, die Aufhebung ihres Verbots in der BRD und eine enge Zusammenarbeit mit den gewählten Regierungen in Syrien und Iran gegen den Terror hilfreich. Rita Kring, Dresden Richtigstellung zu Besier Gerhard Besier schreibt in seinem Buch „Fünf Jahre unter Linken“ im Zusammenhang mit den einst gegen mich gerichteten Stasivorwürfen: „Porsch bestritt die Vorwürfe und setzte eine Prozesslawine in Gang, deren Kosten die Partei trug – immerhin ein sechsstelliger Betrag“ (S. 117). Diese Behauptung ist insofern falsch, als erstens die Prozesse immer noch andauern und ich zweitens alle bisher in der Sache anfallenden Kosten aus eigener Tasche bezahlt habe. Dennoch sollte man das Buch nicht einfach beiseitelegen. Es enthält einige des Bemerkens werte Kritik. Peter Porsch „Mehr war nicht drin“ Ja, liebe Genoss_innen, ich teile diese Auffassung. Allerdings beziehe ich mich nicht nur auf den Wahlkampf, sondern auf das Wirken der LINKEN im Land Sachsen in den letzten vier Jahren. Vielleicht hat der engagierund Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redakti-
Seite 2 te Wahlkampf sogar noch größere Verluste verhindert. Mehr ist tatsächlich nicht drin, wenn wir ohne Not über die Schuldenbremse verhandeln und dieser dann auch noch im Landtag zustimmen. Die Zustimmung zur Schuldenbremse war ein politischer Fehler, der unserer Glaubwürdigkeit in Sachsen geschadet hat. Die Genoss_innen, die zur Schuldenbremse verhandelt oder zugestimmt haben, sehen das natürlich anders. Warum wurde über diese zentrale Frage kein Parteitag einberufen? Die Art, wie die Partei einbezogen wurde, hat mit „Schwarmintelligenz“ absolut nichts zu tun. Da wurde unter Ausnutzung des Statuts, übrigens nicht zum ersten Mal, der Ball flach gehalten, nur ein sogenannter kleiner Parteitag einberufen und mit einem halbherzigen Beschluss ruhig gestellt. Es geht mir hier zunächst um Kritik an Verhaltensweisen und es geht mir noch nicht um die Forderung nach Austausch von Personen. Damit bin ich beim zweiten Punkt, warum nicht mehr drin war: Dem Umgang mit anderen Meinungen. Es hat sich eingebürgert: Anstatt mit den Genoss_innen zu sprechen, wird mit Polemik gegen Personen, einschließlich Verleumdungen, auch in der Öffentlichkeit, vorgegangen. Während meine erste Kritik sich an den Landesvorstand und an einige Genoss_innen in der Fraktion richtete, beziehe ich diese Feststellung ausdrücklich auf die gesamte Partei. Wer Kritik äußert, wird an den Rand gedrängt. Wer seine Karriere in der Partei nicht gefährden will, schweigt oder stimmt wider besseres Wissen zu. Wie oft höre ich: „Mit dem/der kann man ja nicht reden“. Auch wenn ich mich selber manchmal bei dem Gedanke ertappe, sage ich deutlich: Wir müssen miteinander reden! Wenn Kompetenz und Performance durch Loyalität ersetzt werden und die Intelligenz des Schwarmes sich auf die Meinungsführerschaft der mit Amt und Mandat ausgestatteten Genoss_innen beschränkt, dann sind wir kein Beispiel, an dem man sehen kann, wie die LINKE gesellschaftliche Konflikte und Widersprüche lösen will. Damit zum dritten Punkt, den Schwerpunkten der politischen
Arbeit. Diese wurden zum großen Teil durch Leitlinien geprägt, dafür wurden Parteitage und Kapazitäten bereitgestellt, ich denke eher, verbraten. Die gesellschaftlichen Probleme haben sich nicht ausreichend in unserer politischen Arbeit widergespiegelt. Erstes Beispiel Antifaschismus: Natürlich sind wir alle Antifaschisten. Es reicht aber nicht aus, sich mit dem Herzen als Antifaschist zu fühlen. Antifaschismus bedeutet auch die Beschäftigung mit Personen, Strukturen, Wirkmechanismen, Auftreten in der Öffentlichkeit, Auseinandersetzung mit Geschichtsrevisionismus und vieles mehr. Antifaschismus bedeutet auch die Auseinandersetzung mit der AfD, deren Personal und Programmatik. Antifaschismus bedeutet auch die Auseinandersetzung mit dem alltäglichen Rassismus, der sich gegenwärtig besonders gegen Flüchtlinge und Asylsuchende richtet. Antifaschismus bedeutet Mitarbeit der Genoss_innen in antifaschistischen und antirassistischen Initiativen. Zweites Beispiel DemokratieVerfall: Etwa die Hälfte aller Menschen halten nichts von Wahlen und Parlamenten und gehen nicht zur Wahl. Das bedeutet aber nicht, dass diese Menschen keine Wünsche nach gesellschaftlichen Veränderungen haben. Eher sehen sie auch in uns nicht die politische Kraft, tatsächliche Veränderungen durchzusetzen. Das Argument, wir haben ja keine Mehrheiten, trifft nur zum Teil zu. Es gibt sehr viele Initiativen, die sich zum Zweck der Veränderung von gesellschaftlichen Zuständen zusammenfinden. Für mich, und nicht nur für mich, ist zivilgesellschaftliches Engagement ein wirksameres Mittel zur Veränderungen in der Gesellschaft als Parlamente. Wir erleben immer wieder, dass zivilgesellschaftliche Gruppen zur Mitarbeit interessierte Menschen, aber keine Parteien suchen. Das können wir kritisieren, aber trotzdem sollten wir unsere politische Arbeit in diesen Gruppierungen verstärken und diese politisch und parlamentarisch unterstützen. Fazit: Wenn wir uns treu bleiben, wenn wir mit unserem innerparteilichen Leben ein Beispiel für die Gesellschaft sind und wenn wir unsere Politik an
den tatsächlichen gesellschaftlichen Anforderungen ausrichten, dann ist auch mehr drin. Dieter Gaitzsch, Dresden
onssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf lage von 15.150 Exp. gedruckt.
Ralf Richter, Stathis Soudias. Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt:
Fax. 0351-8532720
Archiv, iStockphoto, pixelio. Kontakt:
Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 06.11.2014.
Der Redaktion gehören an: Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Rico Schubert, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt,
kontakt@dielinke-sachsen.de Tel. 0351-8532725
Danke! Die Wahlen dieses Jahres sind Geschichte und vor uns liegt ihre Auswertung, für die wir uns als Landesverband berechtigterweise die nötige Zeit nehmen wollen und müssen. Wofür es jedoch keine Zeit braucht, ist einfach mal Danke zu sagen. Das will ich hiermit tun. Danke all den Genossinnen und Genossen, die in den letzten Wochen und Monaten unermüdlich unterwegs waren. Dabei danke ich natürlich ganz besonders den GenossInnen in meinem Wahlkreis (WK5, Zwickauer Oberland). Ein ebenso herzliches Dankeschön geht aber auch und gerade an die MitarbeiterInnen der Landesgeschäftsstelle, allen voran an unsere Wahlkampfleiterin Antje und unseren Wahlkampfmanager Lars. Ihr hattet immer ein offenes Ohr für Fragen und Probleme und habt es mir, die ich erstmals antrat, leicht gemacht. Danke für Eure tolle Unterstützung! Simone Hock, Zwickau Terminankündigungen Mitgliederversammlung der LAG Bedingungsloses Grundeinkommen 17. Oktober 2014, 16.00 bis 19:00 Uhr Wir-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Buchvorstellung: „Teil der Lösung – Plädoyer für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ 17. Oktober 2014, 20.00 Uhr Wir-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Buchvorstellung mit den Herausgebern des Buches „Teil der Lösung - Plädoyer für ein bedingungsloses Grundeinkommen“, Rotpunktverlag Zürich, 2013. Mit Werner Rätz, Attac Deutschland, Ko-Kreis und AG Genug für alle. Eintritt frei! Veranstalterin: LAG Bedingungsloses Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE Sachsen
Redaktionsschluss 29.09.2014
Aktuelle Debatte
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10/2014 Sachsens Linke!
„Der Worte sind genug gewechselt ...“ „... lasst mich auch endlich Taten sehen.“ So beendet der Schauspieldirektor im „Vorspiel auf dem Theater“ den Streit mit dem Dichter. „Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan, und keinen Tag soll man verpassen ... Das Mögliche soll der Entschluss beherzt sogleich beim Schopfe fassen.“ Das bringt bei Goethe Faust auf die Bühne. Der fordert die Welt heraus, indem er sich mit dem Teufel verbündet und seine Seele doch rettet, in der Gewissheit, einst „mit freiem Volk auf freiem Grund zu stehen.“ Vielleicht ist der Vergleich mit Faust zu hoch gegriffen, aber die Gedanken kamen mir dieser Tage. Bodo Ramelow! Mit wem lässt er sich ein, was will er erreichen und kann es klappen? Es geht eigentlich nur um ein Wort. Leserinnen und Leser, Genossinnen und Genossen mögen dem Germanisten verzeihen, wieder fällt mir Faust ein: „Im Anfang war das Wort! Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen ... Im Anfang war der Sinn ... Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft? Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft! Doch auch indem ich dieses niederschreibe, Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe. ... Auf einmal seh ich Rat. ... Im Anfang war die Tat.“
Das Wort ist heute „Unrechtsstaat“. Der Sinn ist umstritten. Das nimmt die Kraft und hemmt die Tat. Es liegt am Wort! Was hat es damit für eine Bewandtnis? Was benennt es? Offensichtlich die Situation in der DDR als Ganzes. Dafür ist es aber ziemlich jung. In keinem der renommierten Deutschen
finiert als „Staat, in dem sich die Machthaber willkürlich über das Recht hinwegsetzen, in dem die Bürger staatlichen Übergriffen schutzlos preisgegeben sind.“ Solches soll für die DDR gelten. Dann allerdings erfasst das Wort „Unrechtsregime“ sehr viel besser die Verhältnisse. Seine Bedeutung wird im gleichen
bis in seine letzten Verästelungen herrschte. Für die von Unrecht Betroffenen war dies einerlei. Ganz so einfach sollte man es sich aber nicht machen, denn der Staat DDR hatte ein Rechtssystem. Dieses unterschied sich von dem der Bundesrepublik, war jedoch vorhanden und anwendbar. Spitzfindigkeit, Wortklaube-
Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit und Symbolfigur des in der DDR geschehenen Unrechts, bei einer Ansprache. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1983-0325-037 / CC-BY-SA
Wörterbücher findet man es; auch nicht in den neuesten Auflagen. Einzig das „DUDEN – Deutsches Universalwörterbuch“ verzeichnet das Wort zumindest seit der 4. Auflage 2001 und in allen danach. Dort wird es platziert als Gegenwort zu „Rechtsstaat“ und de-
Wörterbuch mit „Regime, das sich willkürlich über das Recht hinwegsetzt, unter dem die Bürger staatlichen Übergriffen schutzlos preisgegeben sind“, festgelegt. Nun gut, kann man sagen, das eine war das Regime und das andere der Staat, in dem das Regime
rei und Haarspalterei möchte ich jetzt nicht weiter betreiben. Das Land hatte nämlich auch viele Menschen, die sich ehrlich um sein Wohlergehen, seine Entwicklung und seine Erst- und Einmaligkeit als Sozialismusversuch engagierten. Die trifft das Wort „Unrechts-
regime“ in ihrer Ehre nicht. Bei „Unrechtsstaat“ scheint das offensichtlich anders zu sein. Vielleicht ist es Absicht einiger, denen man nicht zu viel Bedeutung beimessen sollte. Vielleicht ist es aber auch nur Ungenauigkeit. Sei‘s drum! Es ist passiert. Ich gebe daher die Situation zu bedenken, in der das Wort verwendet wird. Es mussten ich und mit mir viele andere auch schon weit Schlimmeres an übler Nachrede ertragen als dieses Doofwort. Meinen Stolz und mein Wissen um meine Biographie konnte mir damit niemand nehmen. Jetzt geht es aber um etwas anderes: Wenn dieses Wort in der Präambel eines Koalitionsvertrages sichert, dass auch nur ein Lebensweg künftig lebenswerter wird, dann sollten wir es ertragen. Es geht nicht um unseren Stolz, sondern um die künftige Lebensqualität von sehr, sehr vielen Menschen. Ich komme deshalb zurück zu Faust. „... rase draußen Flut bis auf zum Rand ... Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen. Ja, diesem Sinne bin ich ganz ergeben.“ Man kann auch sagen: Der Partei DIE LINKE in Thüringen hat man ihr Wort geglaubt und ihr die Kraft gegeben zur Tat, die Zukunft zu gestalten. Da ist Solidarität gefragt. Es geht um die Karawane und nicht um jedes Gebell, das sie begleitet. Darin liegt der Sinn! Peter Porsch
„Unrechtsstaat“ DDR? Stimmen zu einem strittigen Thema Offener Brief Liebe Genossinnen und Genossen, empört und voller Zorn haben wir zur Kenntnis genommen, mit welchem nachträglichen fiesen Verrat sich DIE LINKE eine Regierungsbeteiligung in Thüringen erkaufen möchte. Wir sind einfach nur wütend über so viel Charakterlosigkeit und Dummheit. Die Mehrheit der Mitglieder unserer Partei gehört zu einer der Generationen, die den Versuch der Gestaltung eines alternativen deutschen Staates wagten. Dieser Versuch ist gescheitert. Dafür haben wir sowohl fundamentale Kritik akzeptierend entgegengenommen als auch Bestrafungen aller Art. Die Sieger des Kalten Krieges durften sich austoben, haben aber ihr Ziel – die völlige Delegitimierung der DDR – nicht erreicht. Das versucht jetzt DIE LINKE selbst zu erledigen. Wir sind sicher, dass sowohl Mitglieder als auch Wäh-
lerinnen und Wähler das nicht zulassen werden. Wir fordern die gewählten Gremien unserer Partei in Sachsen und Chemnitz auf, zur denunziatorischen Beschreibung der DDR durch die Thüringer LINKEN Stellung zu nehmen und diese zu veröffentlichen. Angela und Rainer Schneider Was soll das? Die Präambel für einen möglichen Koalitionsvertrag soll von SPD und Grünen missbraucht werden, um dem Partner DIE LINKE politische Ansichten und Geschichtsinterpretationen aufzudrücken und dies als Voraussetzung für einen Regierungswechsel einzufordern. Die Vertreter der Linken unterwerfen sich ohne Not dem politischen Diktat der möglichen Koalitionspartner, anstatt sich vehement für die Umsetzung des Wahlprogramms einzusetzen. Vergessen, es geht um die inhaltliche Ausgestaltung einer in Aussicht stehenden Regierungsarbeit für die kommende
Jahre im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Landes Thüringen und nicht um die Deutungshoheit über deutsche Geschichte. Wenn es denn doch so sein soll, dann müssten sich SPD und die Grüne zu ihren Entscheidungen und Taten im völkerrechtswidrigen Jugoslawienkrieg mit der Bombardierung Belgrads und hunderten von toten Zivilisten, den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan, den Wirkungen aus der Hartz-Gesetzgebung und, und… äußern. Raimon Brete, Chemnitz So etwas geht nicht Meiner Meinung nach geht so etwas, wie im Thüringer Koalitionsvertrag geplant ist, überhaupt nicht. Man sollte sehr sorgfältig lesen, was dort stehen soll. SPD und Grüne stellen die DDR von Beginn an als generellen Unrechtsstaat dar. Relativierung und Differenzierung sind für sie Fremdwörter, Meinungen und Positionen aus der
Partei DIE LINKE zur Vergangenheitsbewältigung finden keine Berücksichtigung (auch nicht Entschuldigungen und die Einordnung, dass es in der DDR Unrecht gab). Sie unterstützen die Meinung, dass die meisten, die nicht gegen die DDR „gekämpft“ haben, mögliche Verbrecher/Täter in einer Diktatur waren. Bisher hat die „LINKE“ bzw. diejenigen in dieser Partei, die glauben, sie selbst seien die Partei, immer nach außen so getan, als seien sie anderer Meinung. Jetzt hat die „LINKE“ Thüringen ohne jede existenzielle Not dies selbst unterschrieben, die Pfründe der Ministerposten und Staatsekretärs-Gehälter sind für diese Leute wichtiger als die Wahrheit. Jetzt unterschreiben sie, dass jede Legitimation für staatliches Handeln fehlte. Jeder, der eine Funktion hatte, egal auf welcher Ebene, wird als potentieller Täter einer Diktatur betrachtet, solange er den Unterzeichnern dieses Papiers nicht das Gegenteil beweist, nicht zu Kreuze kriecht.
Auch ich wäre in Thüringen in der so genannten Beweispflicht. Habe ich doch hauptamtlich bei der FDJ im Bezirk Karl-Marx-Stadt gearbeitet. Ich stehe zu meiner Vergangenheit und relativiere mein Bild von der DDR. Ich habe dort gelebt und kann dies authentisch beurteilen. Sicherlich gab es Unrecht in der DDR, dies rechtfertigt es aber nicht, sie generell als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Unmittelbar nach der Wahl in Thüringen hat Katja Kipping im ND die Formulierung begrüßt: „Die Linkenvorsitzende Katja Kipping hat die Thüringer rotrot-grüne Erklärung zur DDRGeschichte begrüßt“. Soll diese Sichtweise zur Parteiräson auf allen Ebenen werden, um u.a. regierungsfähig zu werden? Wehret den Anfängen! Werden demnächst von Mitgliedern unserer Partei, die auf Regierungsbeteiligung drängen, unsere Alleinstellungsmerkmale als Friedens- und Antikriegspartei infrage gestellt? Thomas Michaelis
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Kindeswohl auch beim „Wechselmodell“ beachten Unterschiede zum Residenzmodell: Gemeinsame Eltern-KindZeit, das Zuhause-Sein bei beiden Elternteilen, eine geteilte Verantwortung von Vater und Mutter. Die vom BGH geforderte hälftige Aufteilung der Betreuungszeit stellt den Idealfall dar, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass dies nicht in jedem Fall möglich ist und darüber hinaus auch schon heute bei großzügig gewährtem Umgangsrecht die Kinder einen erheblichen Teil der Zeit bei dem „Besuchselternteil“ verbringen. Wie der ISUV (Interessenverband Unterhalt und Familienrecht) richtig feststellt, sind über 30 % Betreuungszeit schon erreicht, wenn Kinder jedes zweite Wochenende, die halben Sommerferien und noch einen Tag pro Woche beim „Besuchselternteil“ verbringt. Beim Wechselmodell nehmen Kinder im Gegensatz dazu jedoch am Alltagsleben beider Eltern teil und sind nicht nur „zu Besuch“. In anderen europäischen Staaten wie Belgien, Frankreich und den Niederlanden funktioniert das Wechselmodell als vorrangige Betreuungsform bereits seit Jahren. Die Situation von zwei unterschiedlichen Lebensorten, zwei unterschiedlichen sozialen Netzen, ggf. unterschiedlichen Erziehungsstile und unterschiedlichen materiellen Gegebenheiten kann zu Belastungen bei den Kindern führen. Hier ist bei den europäischen Nachbarn zu schauen, inwieweit Evaluationen zum Wechselmodell vorliegen. Das gegenwärtig in Deutsch-
land präferierte Modell (einer, im Regelfall die Mutter, betreut; einer, im Regelfall der Vater, bezahlt) legt jedenfalls ein Familienbild der 50er zugrunde, als der Mann der Familienernährer war und die Frau sich um Haus und Kinder kümmerte. Dieses Bild entspricht nur nicht mehr der Realität. Heute sind Familien vielschichtiger. Auf die Eltern kommen Wechselmehrkosten zu. Jedes Elternteil benötigt eine Wohnung, die ausreichend Platz für das Kind/die Kinder bietet. Beide Eltern haben jedoch einen Anspruch auf Alleinerziehendenmehrbedarf, wenn sie getrennt wohnen, hilfsbedürftig sind und sich die Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen
teilen. Beim Wohngeld, kann das Kind als Haushaltmitglied angegeben werden. Das Wechselmodell befreit nach Rechtsprechung des BGH nur von der einseitigen Barunterhaltspflicht, wenn die Eltern eine „etwa hälftige Aufteilung der Erziehungs- und Betreuungsaufgaben“ praktizieren. Hier muss geprüft werden, inwieweit das Unterhaltsrecht zu ändern ist, ohne den Unterhaltsanspruch der Kinder, welcher gegenüber beiden Elternteilen besteht, auch nur ansatzweise zu gefährden. Als mögliche Lösung wäre ein zu ermittelnder Grundbedarf (ohne Wohnkosten) eines Kindes als Berechnungsgrundlage zu nehmen, der von beiden Elternteilen entsprechend ihres Einkommens anteilig zu erbrin-
gen ist. Das Wechselmodell ist als Alternative zum Residenzmodell solange gut, wie sich die Eltern ohne große Konflikte verstehen und es dem Kind nicht schadet, wobei Konfliktfreiheit nicht als Voraussetzung für das Wechselmodell dienen darf. Konflikte zwischen den Eltern sind nach einer Trennung in aller Regel gegeben. Es ist auch zu überlegen, dem Elternteil, der sich aus egozentrischen Gründen dem Wechselmodell verweigert, den Part des „Besuchselternteils“ zuteilwerden zu lassen. Da DIE LINKE bisher immer das Wohl des Kindes allem voranstellt, muss dies auch beim Wechselmodell gelten. Daher muss das Wechselmodell immer das Kindeswohl im Auge haben und insbesondere berücksichtigen, ob das Kind damit zu seinem Recht kommt und ob es das auch will. Vor allem aber müssen sich Eltern darüber klar sein, dass es nicht um persönliche Befindlichkeiten gegenüber dem ehemaligen Partner geht, sondern darum, dem gemeinsamen Kind beide Elternteile möglichst weitgehend zu erhalten. Eltern bleibt man auch über die Trennung hinaus. In jedem Fall sind Änderungen im Steuer- und Sozialleistungsrecht sowie im Unterhaltsrecht notwendig, um den geänderten Familienverhältnissen gerecht zu werden. Beide Eltern sollten mindestens steuerlich mit Alleinerziehenden gleichgesetzt werden, auch wenn es beim Wechselmodell praktisch keinen Alleinerziehenden gibt. Jörn Wunderlich
ohne ein solches Vorleben oder mit einer Vergangenheit in CDU oder SPD, die jedoch die gleichen rassistischen Positionen vertraten. Vergleichen wir die Wählerstruktur der REPs zu Beginn der neunziger Jahre mit der der AfD von heute, so sehen wir, dass diese nahezu deckungsgleich ist. Und auch damals kam ein relevanter Teil der Stimmen für die REPs von „links“, damals also von der SPD. Dies war besonders dort der Fall, wo die SPD – wie im Ruhrgebiet – die Erwartungen ihrer bisherigen Stammwählerschaft enttäuscht hatte. Kann die LINKE, können wir in Sachsen wirklich sicher sein, dass bei uns nicht ähnliche Gründe für den Wechsel zur AfD vorliegen? Aber haben die AfD-Wählenden wirklich gewusst, was sie tun? Hat es sich nicht nur um Protestwähler gehandelt? Wenn denn von einer Protestwahl gesprochen werden kann, sollte zugleich darauf verwiesen werden, dass es sich nicht um einen
Protest wirtschaftlich schlechter gestellter Personen handelt, sondern um einen Protest Bessergestellter, die ihren Besitz – um jeden Preis – gegen scheinbare Angriffe und Bedrohungen wahren wollen. Kurz: um Wohlstandschauvinisten. Um, so der Sozialwissenschaftler Dierk Borstel, Menschen mit der „Sehnsucht nach einer heilen Welt mit weniger Vielfalt, klaren Grenzen, weniger Abhängigkeiten und einem ökonomisch starken Nationalstaat“. Und, meint die liberale „Zeit“, diese Klientel sei im Osten verbreiteter als im Westen. Im Osten habe die LINKE besondere Schwierigkeiten im Umgang mit der AfD, denn „die Linkspartei (ist) im Osten viel weniger links als im Westen, vielerorts eher eine strukturell konservative Volks- und Regionalpartei“. Also doch kein menschelndes Verständnis für die Anhänger der AfD? Sondern klare Kante? Muss die LINKE vielleicht einfach nur wieder mehr links werden? Volkmar Wölk
Bild: Anglicanpriest / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0
Das sogenannte „Wechselmodell“ wird immer wieder im Zusammenhang mit Trennungen, Sorgerechtsaufteilung usw. diskutiert. Was verbirgt sich dahinter? 2013 hat sich der Deutsche Familiengerichtstag mit diesem Thema beschäftigt, so dass die Diskussion zum Wechselmodell erneut angestoßen wurde. Auf dem Familiengerichtstag wurde angekündigt, dass 2014 das Thema „Wechselmodell“ in der Kinderrechtekommission behandelt werden sollte. Richtig wurde auf dem Familiengerichtstag festgestellt, dass es noch keine geklärten rechtlichen Grundlagen zu diesem Thema gibt. Die Rechtsprechung an den Familiengerichten hat sich bisher immer gegen eine gerichtliche Anordnung des Wechselmodells entschieden. Nach Scheidung und Trennung der Eltern bleiben im Regelfall beide gleichermaßen sorgeberechtigt für die von der Trennung betroffenen Kinder. Beim Wechselmodell hat das Kind nicht, wie üblich, bei einem Elternteil seinen Lebensmittelpunkt und bei dem anderen Elternteil ein Umgangsrecht (Residenzmodell). Stattdessen wechselt es zwischen den Wohnungen der Eltern hin und her und verbringt dabei annähernd gleich viel Zeit bei der Mutter und dem Vater. Der BGH verlangt eine nahezu gleiche Aufteilung von 50:50, in der Literatur wird auch noch das Wechselmodell angenommen wenn es eine Aufteilung von 30:70 gibt. Dadurch ergeben sich beim Wechselmodell drei wesentliche
„Nicht in Gänze rechtsextremistisch“ „Die AfD könnte auch AfN heißen, Alternative für Nazis“, schreibt die liberale Zeitung „Tagesspiegel“ und zitiert den jeglicher Linkstendenzen unverdächtigen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Die AfD sei „hemmungslos und demagogisch“, propagiere „Fremdenfeindlichkeit, instrumentalisiere Ausländerkriminalität und erinnere ihn an die Republikaner, einst vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft“. Wolfgang Schäuble sitzt weit weg in Berlin. Hier in Sachsen sagt der Landesvorsitzende der LINKEN über die AfD: „Es ist eine konservative, rechtspopulistische, aber nicht in Gänze rechtsextremistische Partei.“ Er sitzt näher am Problem, er muss es wissen. Er müsste. Nicht in Gänze rechtsextremistisch? Nur ein bisschen schwanger? In Brandenburg, in Thüringen und nicht zuletzt in Sachsen haben wir als LINKE erheblich Stimmen an die AfD verloren. Sie sitzt mit ebenso vielen Mandaten im
Europaparlament wie die LINKE, inzwischen auch in drei Landesparlamenten. Und sie hat dazu aus allen politischen Lagern wie auch von bisherigen Nichtwählern Stimmen gewonnen. Es war ein absehbarer Aufstieg, auch in dieser Rasanz. Was haben wir als LINKE – in Sachsen – dagegen unternommen? Wenig bis nichts. Und der Landesvorsitzende? Erklärt resigniert im Interview mit dem „neuen deutschland“, „dass es auch rechts von der CDU eine Partei gibt. Anderswo in Europa ist das so“. Also nix passiert. Deutschland wird nur so normal wie der Rest von Europa. Nur ein bisschen schwanger? Nicht in Gänze rechtsextremistisch? Nun, eigentlich reicht es aus, wenn eine Partei auch nur in einem Bereich deutliche Gegnerschaft zu den Grund- und Menschenrechten zeigt. Sogar für den sächsischen Geheimdienst. Bei dessen Sprecher Martin Döring haben die Alarmglocken geläutet. Ursache waren Papiere aus der sächsischen AfD, die
als Grundlage für das Wahlprogramm dienen sollten. Döring stufte „Teile der Dokumente als verfassungswidrig ein“. In der Forderung, den deutschen Telekommunikationsverkehr zur Gefahrenabwehr abzuhören, sieht er einen unzulässigen Angriff auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Damit werde „ein elementares Grundrecht, ein elementares Menschenrecht infrage gestellt“. Und unverhohlen droht er: Würden solche Vorschläge weiterhin verfolgt, könnte dies die Beobachtung der AfD durch den „Verfassungsschutz“ zur Folge haben. Und der kluge Konservative Wolfgang Schäuble erinnert sich bei der AfD an die „REPublikaner“ Franz Schönhubers. In der Tat sind zahlreiche Übereinstimmungen vorhanden. Auch in der Erfolgsphase der REPublikaner gab es zahlreiche Mitglieder und Funktionäre, die ein Vorleben in anderen Organisationen der extremen Rechten hatten. Und es gab die scheinbar braven Bürger
Kommunal-Info 8-2014 2. Oktober 2014 Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de
KFS
Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Kosten der Unterkunft Kommunale Träger können Satzungen erlassen
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Neuer Vorstand des KFS Klaus Tischendorf zum neuen Vorsitzenden gewählt
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Seminare im Herbst Seminare zu den Themen Bauleitplanung, Aufsichtsräte und Sozialpolitik
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Im Aufsichtsrat kommunaler Unternehmen Aufsichtsräte werden allgemein als Kontrollgremien in Unternehmen des Privatrechts (z.B. GmbH, Aktiengesellschaften) eingesetzt. Nach § 95 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) können auch kommunale Unternehmen neben sog. Regiebetrieben innerhalb des Haushaltsplans oder als organisatorisch verselbständigten Eigenbetrieben auch als organisatorisch und rechtlich selbständige Unternehmen des privaten Rechts geführt werden. Es versteht sich von selbst, dass bei den kommunalen Unternehmen in Privatrechtsform, die ja ein Eigenleben neben den Kommunen führen, die Kontrollfunktion durch den Aufsichtsrat eine wichtige Rolle spielen muss.
Der Weg zum Privatrecht
Die Organisation kommunaler Unternehmen erfolgte zunächst nur in Form der herkömmlichen Ämterverwaltung, d.h. diese Unternehmen wurden im Rahmen des kommunalen Haushaltsplans (als Regiebetriebe) geführt. Erst in der Zeit der Weimarer Republik kam es zur Herausbildung neuer Rechtsformen, bei denen die Unternehmen gegenüber der Kommune verselbständigt wurden. So wurden 1931 die Sparkassen in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts überführt. Als erste Stadt löste Dresden 1928 die Strom-, Gas und Wasserversorgung aus der kommunalen Verwaltung heraus und führte sie in selbständiger Organisationsform als Eigenbetrieb. Unternehmen in Privatrechtsform (z.B. als GmbH oder Aktiengesellschaft) gab es zunächst nur für die private Wirtschaft. Ihre Entwicklung auch als Rechtsform für kommunale Unternehmen in Deutschland begann erst nach dem 2. Weltkrieg. Etwa seit
den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts begann in der kommunalen Praxis der Aufschwung der Gesellschaftsformen des Handelsrechts in Gestalt von GmbH und Aktiengesellschaften.1
Verstärkte Hinwendung
Für die verstärkte Hinwendung kommunaler Betriebe zu privaten Rechtsformen wie GmbH seit Anfang der 90er Jahre gab es verschiedene Triebkräfte und Motive2 : In privatrechtlich organisierten Kommunalbetrieben sei es eher möglich, eine höhere Effizienz des wirtschaftlichen Handelns kommunaler Betriebe zu erreichen und sie von „sachfremden Einwirkungen“ oder „Gängeleien“ politischer Gremien (Gemeinderat) fernzuhalten. Unter den heutigen Bedingungen müssten kommunale Unternehmen in der Lage sein, rasch und flexibel eigenständige Entscheidungen zu treffen, sich rasch wandelnden wirtschaftlichen Bedingungen anpassen, was bei einer restriktiven Einflussnahme durch die Kommune nicht möglich sei. Private Rechtsformen wurden deshalb gewählt, um Möglichkeiten für den Ausstieg aus den engen Bindungen des öffentlichen Tarifrechts zu finden, die Besoldungs- und Beschäftigungsbedingen flexibler und leistungsbezogener zu gestalten. Inzwischen bietet aber der neue Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten als der frühere Beamten- und Angestelltentarif (BAT). Letztlich wurde durch die Privatisierungsdiskussion und- kampagne seit Anfang der 90er Jahre die Neigung verstärkt, privatrechtlichen Unternehmensformen den Vorrang zu geben. In einer Diskussionsatmosphäre, die vom „Mythos des Privaten“ geprägt war,
wurden die privatrechtlichen Formen auch für die kommunale Wirtschaft von vornherein als besser angesehen, ohne das weiter begründen zu müssen. Dass GmbH’s und Aktiengesellschaften flexibler, elastischer, weniger bürokratisch und wirtschaftlich effizienter seien, galt fortan als unumstößlicher Glaubenssatz. Verschärfend kam hinzu, dass die neoliberale Privatisierungs- und Deregulierungspolitik auf europäischer Ebene wie auch im nationalen Rahmen traditionelle Felder kommunaler wirtschaftlicher Betätigung wie z.B. die Energieversorgung in sogenannte Wettbewerbsmärkte überführt hat und somit den Privatisierungsdruck erhöht hat.
Grenzen für Privatrecht
Kommunale Unternehmen haben den spezifischen Auftrag, vielfältige Aufgaben der Daseinsvorsorge zu erfüllen und die Bevölkerung mit elementaren Dienstleistungen zu versorgen. Diesem Auftrag haben sich auch die kommunalen Unternehmen in Privatrechtsform unterzuordnen. Deshalb werden für diese Rechtsform mit § 96 SächsGemO3 bestimmte Grenzen gesetzt: So darf die Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben ein Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts nur errichten, übernehmen, unterhalten, wesentlich verändern oder sich daran unmittelbar oder mittelbar beteiligen, wenn 1. durch die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde sichergestellt ist, 2. die Gemeinde einen angemessenen Einfluss, insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan des Unternehmens erhält und
3. die Haftung der Gemeinde auf einen ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Betrag begrenzt wird. Da bei Aktiengesellschaften die Möglichkeiten der kommunalen Einflussnahme und Kontrolle recht begrenzt sind, darf die Gemeinde Unternehmen in dieser Rechtsform nur errichten, übernehmen, wesentlich verändern oder sich daran unmittelbar oder mittelbar beteiligen, wenn der öffentliche Zweck des Unternehmens nicht ebenso gut in einer anderen Rechtsform erfüllt wird oder erfüllt werden kann.
Der Aufsichtsrat
In Aktiengesellschaften und in GmbH’s mit über 500 Beschäftigten ist es gesetzlich vorgegeben, einen Aufsichtsrat zu bestellen („obligatorischer“ Aufsichtsrat). Stellung, Aufgaben und Pflichten des Aufsichtsrats sind im Aktiengesetz (AktG) §§ 95 ff festgelegt. In GmbH’s mit bis zu 500 Beschäftigten kann ein Aufsichtsrat gebildet werden, eine gesetzliche Pflicht besteht jedoch nicht. Wird ein solcher „fakultativer“ Aufsichtrat bestellt, gelten für ihn nach § 52 des GmbH-Gesetzes (GmbHG) die entsprechenden Bestimmungen des Aktiengesetzes nur dann, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt hat. Deshalb können für diese Aufsichtsräte im Gesellschaftervertrag weitergehende Festlegungen getroffen werden, etwa über Weisungsrechte des Gemeinderats an die Aufsichtsratsmitglieder oder über Informationspflichten der Aufsichtsratsmitglieder an den Gemeinderat. Grundsätzlich sind die Mitglieder des Aufsichtsrats aber ausschließlich für das Wohl des Unternehmens verFortsetzung auf der nächsten Seite
Kommunal-Info 8/2014 antwortlich und müssen sich bei ihren Entscheidungen oder Handlungen an den Unternehmensinteressen ausrichten. Dabei hat natürlich bei einer kommunalen GmbH auch das Interesse des Anteilseigners Gemeinde (also der Bürgerinnen und Bürger), für die sie in den Aufsichtrat entsandt wurden, im Vordergrund zu stehen. Die Aufsichtsratsmitglieder handeln in diesem Spannungsfeld völlig unabhängig und in eigener Verantwortung. Die unabhängige Stellung wird auch durch die zwingende Trennung von Aufsicht und Geschäftsführung in personeller als auch funktioneller Aufgabe erreicht (§ 105 Abs. 1 AktG).
Seite 2 noch gültig. Juristische Sanktionen gegen den „untreuen“ Vertreter sind nicht möglich. Die Gemeinde ist allerdings in einem solchen Fall nicht hilflos. Ihr steht es zu, die Besetzung des Aufsichtsrates jederzeit zu korrigieren und einen loyaleren Vertreter zu benennen.
§ 395 AktG verpflichtet wiederum die informierten Personen zum Stillschweigen. Die Aufsichtsratsvertreter dürfen grundsätzlich von sich aus nicht den Gemeinderat oder eine Fraktion direkt informieren. Diese Beschränkungen gelten für einen „obligatorischen“
Unternehmensorgane auf diese Zweckerfüllung zu verpflichten. Mit dieser Vertragsgestaltung werden die kommunalen Vertreter in den Organen der Gesellschaft gestärkt, wenn sie zwischen Unternehmens- und Gemeindeinteressen abwägen müssen.
Informationspflicht der Aufsichtsräte
und grundsätzlich auch für einen „fakultativen“ Aufsichtsrat einer GmbH. Jedoch erlaubt das flexible GmbHG für einen „fakultativen“ Aufsichtsrat eine Erweiterung der Berichtspflicht durch entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag. Dort könnte auch bestimmt werden, dass die gemeindlichen Vertreter unmittelbar dem Gemeinderat berichten. Als berichtspflichtig werden in § 98 SächsGemO „alle Angelegenheiten von besonderer Bedeutung“ genannt. Dies könnten insbesondere sein5: größere Geschäftsrisiken, unvorhergesehene neue Investitionen, weitere Beteiligungen, Markt- und Absatzeinbrüche, besondere Finanzierungsmaßnahmen, betriebsinterne besondere Vorgänge, Haushaltsrisiken für die Gemeinde.
Konfliktsituationen können zu Gunsten der Gemeinde aufgelöst werden. AG
Überwachung der Geschäftsführung
Die zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats besteht in der Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 AktG). Die Überwachungs- und Beratungstätigkeit des Aufsichtsrates ist nicht begrenzt und erstreckt sich somit auf sämtliche Aktivitäten der Geschäftsführung. Geprüft werden neben Erwägungen der Rechtmäßigkeit vor allem Zweckmäßigkeitsaspekte von bevorstehenden bzw. getroffenen Entscheidungen der Unternehmensführung. Dazu werden dem Aufsichtsrat regelmäßig Berichte erstattet (§ 90 AktG). Der Aufsichtsrat als Organ sowie jedes seiner Mitglieder kann die Initiative ergreifen und einen Bericht über die Geschäfte des Unternehmens im Allgemeinen bzw. über spezielle Geschäfte oder vertragliche Beziehungen, Töchterunternehmen oder Geschäftsverläufe von der Geschäftsführung anfordern. Auch hat jedes Mitglied im Aufsichtsrat das Recht in die Berichte oder Unterlagen der Gesellschaft Einsicht zu nehmen. Der Aufsichtsrat kann auch besondere Prüfungen und Untersuchungen zur Arbeit der Geschäftsführung veranlassen, insbesondere eine Überprüfung bestimmter Transaktionen, der Bücher des Unternehmens oder bestimmter Vermögenswerte der Gesellschaft, wie Wertpapier- oder Immobilienbestände. Zu den aktiven oder Initiativrechten der einzelnen Aufsichtsräte gehört das Recht, eine Beratung des Aufsichtsrates zu fordern, die Möglichkeit themenbezogene Sachanträge zu stellen und Berichte an den Aufsichtsrat zu verlangen. Damit wird dem aktiven Aufsichtsrat die Möglichkeit eröffnet, offensiv seine Aufgaben zu erfüllen.
Weisungsrecht an Aufsichtsrat
Nach § 98 Abs. 1 SächsGemO kann der Gemeinderat seinen Vertretern in der Gesellschafterversammlung in einem beteiligten Unternehmen Weisungen erteilen. Ob das auch gegenüber den Aufsichtsräten in gleicher Weise möglich ist, gilt als strittig. Nur beim „fakultativen“ Aufsichtsrat einer GmbH kann die Gemeinde problemlos den von ihr entsandten Mitgliedern Weisungen erteilen, wenn dies im Gesellschaftsvertrag so geregelt ist.4 Wie die einzelnen Vertreter mit der vom Gemeinderat erteilten Weisung umgehen, ist eine andere Frage. Hält sich das einzelne Aufsichtsratsmitglied bei einer Entscheidung im Unternehmensorgan nicht an die ihm erteilte Weisung, so bleibt sein Votum den-
In § 93 Abs. 1 und § 116 AktG werden die Aufsichtsratsmitglieder bei vertraulichen Angaben und Geheimnissen des Unternehmens (= Betriebsund Geschäftsgeheimnisse) zum Stillschweigen verpflichtet. Dies trifft nach § 52 Abs. 1 GmbHG auch für die Mitglieder des Aufsichtsrats einer GmbH zu und gilt grundsätzlich für den „obligatorischen“ wie für den „fakultativen“ Aufsichtsrat. Das Verschwiegenheitsgebot steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zum Informationsbedürfnis des Gesellschafters. Wer ein Unternehmen steuern und maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmenspolitik und Geschäftsführung nehmen will oder seinen Vertretern in den Organen gezielt Weisungen erteilt, muss über genaue Kenntnisse und den Gesamtüberblick verfügen. Durch die §§ 394 und 395 AktG wird daher bestimmt, in welchem Umfang Aufsichtsratsmitglieder kommunaler Gebietskörperschaften keiner Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Damit die Informationsübermittlung an die Gemeinde jedoch funktioniert, muss die Gemeinde in den Gesellschaftsverträgen festlegen, dass diese Bestimmungen für die GmbH’s gelten, an denen sie mehrheitlich beteiligt ist. § 394 AktG lockert die Verschwiegenheitspflicht für solche Aufsichtsratsmitglieder, die von einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat entsandt oder gewählt wurden. Sie dürfen nach § 395 AktG Mitarbeitern, welche die kommunalen Beteiligungen verwalten, Informationen weitergeben. Die Berichtspflicht umfasst solche Informationen, deren Kenntnis zur sachgerechten Verwaltung und Kontrolle sowie zur Steuerung der Unternehmensbeteiligungen erforderlich sind.
Interessenkonflikte
Selbstverständlich kann eine Situation eintreten, dass die Interessen des kommunalen Unternehmens und die der Gemeinde nicht in Übereinstimmung zu bringen sind und in Konflikt miteinander geraten. Die umfängliche Rechtsprechung steht hier leider nicht auf der Seite der kommunalen Interessen. Bei der Lösung eines Interessenkonfliktes gilt in der Regel der Vorrang des Gesellschaftsrechts (des Bundesrechts) vor dem Kommunalrecht (dem Landesrecht) – also erfolgt eine Auflösung des Konflikts zu Lasten der Kommune. Zwei Möglichkeiten der Gesellschaftsvertragsgestaltung kommen in Betracht, um dennoch das Gemeinwohlinteresse der Kommune zu sichern: Zunächst sollte die Erfüllung des öffentlichen Zwecks zum Eigeninteresse des Kommunalunternehmens gemacht werden. Darüber hinaus ist es ratsam, die
Für die Abfassung dieses Beitrags wurde der Leitfaden des Kommunalpolitischen Forums Sachsen e.V. „Rechte und Pflichten kommunaler Vertreter in Aufsichtsräten“ von A. Thomas verwendet, der für eine weitergehende Befassung mit dieser Thematik ausdrücklich empfohlen sei. 1 Vgl. Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen, 4. überarb. Aufl., E. Schmidt Verlag 2003, S. 42. 2 Vgl. Handbuch Kommunale Unternehmen, Hrsg.: W. Hoppe, Verlag Dr. Otto Schmidt Köln 2004, S. 537ff. 3 Die kommunalwirtschaftlichen Bestimmungen der Sächsischen Gemeindeordnung §§ 94a ff gelten in gleicher Weise auch für die Landkreise. 4 Vgl. Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar, E. Schmidt Verlag, G § 98, Rn 44. 5 Vgl ebenda, G § 98, Rn 70.
Impressum Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de V.i.S.d.P.: A. Grunke Die Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird aus finanziellen Zuwendungen des Sächsischen Staatsministeriums des Innern gefördert.
September 2014
Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
PARLAMENTSREPORT Die Landespolitik sortiert sich – das Leben wartet nicht Liebe Leserinnen und Leser, „jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, heißt es in einem Gedicht von Hermann Hesse. Der Sächsische Land tag unternimmt derzeit einen neuen Anfang – von Zauber ist allerdings wenig zu spüren. Selbstverständlich freue ich mich, dass die LINKE mit 27 Abgeordneten – darunter zwölf „Parlamentsneulinge“ – erneut die Rolle der Oppositionsführerin überneh men wird. Allerdings ist die Arbeits fähigkeit des neuen Parlamentes noch nicht voll gewährleistet. Denn seine Konstituierung war nur eine halbe. Zwar wurden die Abgeordneten verpflichtet und der Präsident gewählt, seine Stellvertreter aber sind noch nicht im Amt. Das ist ein absolutes Novum in der sächsischen Parlaments geschichte nach 1990. Hinzu kommt: Der 6. Sächsische Landtag hat noch immer keine eigene Geschäftsord nung. Die Fraktionen von CDU und SPD verhandeln derzeit und wohl noch bis Mitte November über ihr Regierungsbündnis; dabei haben sie offensichtlich zu wenig Wert darauf gelegt, den Landtag voll handlungsfä hig zu machen. Einen Entwurf für eine Geschäftsordnung legten sie bisher nicht vor. Daher gilt die alte Arbeits grundlage zunächst weiter. Das Parlament wurde damit quasi zur „nachgeordneten Instanz“ der Koalitionäre in spe. Das ist bedenk lich: Schließlich wollten die Mütter und Väter der Verfassung einen starken, eigenständigen Landtag, der die Regierung kraftvoll kontrollieren und frei Gesetze erlassen kann. Die „halbe Konstituierung“ ist kein gutes Zeichen. Wir erwarten nun umso mehr eine respektvolle Debatte zur neuen Geschäftsordnung. Die wäre nicht zauberhaft, sondern schlichtweg ein Gebot der Vernunft.
Sebastian Scheel Parlamentarischer Geschäftsführer
Nach der „halben Konstituierung“ des neuen Landtages nimmt das Parlament langsam seine Arbeit auf. In den Fraktionen werden die Karten an manchen Stellen neu gemischt, nicht zuletzt aufgrund von Personalwechseln. Auch die Fraktion DIE LINKE bereitet sich auf die inhaltliche Arbeit vor. Die erste große Aufgabe wird die Debatte zum Doppelhaushalt 2015/2016 sein. Die neue Regierung allerdings steht noch lange nicht – auch ein Grund dafür, dass der parlamentarische Betrieb frühestens im neuen Jahr richtig in die Gänge kommen wird. Die Probleme aber warten nicht, bis der „Mikrokosmos“ Landespolitik betriebsbereit ist. Sie drängen täglich. Deshalb lassen sich schon jetzt Vorschläge unterbreiten – das ist schließlich eine Kernaufgabe der Opposition. Drei Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen zeigen das: Die inflationäre Entwicklung der Leih- und Zeitarbeit im Freistaat, die arg verbesserungswürdigen Gesundheitsfinanzen und der zweite Geburtstag des höchst umstrittenen „Hochschulfreiheitsgesetzes“ von CDU und FDP. Jüngst ließ eine Mitteilung des Statistischen Landesamtes aufhorchen. Der Sektor der Leih- und Zeitarbeit wächst im Freistaat Sachsen so stark wie nirgendwo sonst in der Bundesrepublik. Innerhalb des letzten Jahres stieg die Zahl der Zeitarbeiter im Bundesdurchschnitt um 4,3 Prozentpunkte, in Sachsen allerdings um 11,2 Prozentpunkte – ein unrühmlicher Spitzenplatz. In anderen ostdeutschen Ländern ging die Leih- und Zeitarbeit indes zurück. Hier zeigt sich, wohin die Niedriglohnstrategie der Staatsregierung führt: Zu gravierenden Nachteilen für tausende Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer, die dieselbe Arbeit leisten wie die Stammbelegschaften, allerdings zu schlechteren Bedingungen. Prekäre Verhältnisse verdrängen zunehmend reguläre Arbeitsplätze. Leih- und Zeitarbeit muss deshalb wieder auf ihren ursprünglichen Zweck beschränkt werden: das kurzfristige Abfedern von Auftragsspitzen. Dabei muss gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Die Flexibilität der Leih- und Zeitarbeiterinnen und -arbeiter sollte durch eine Zulage belohnt werden. Die Vergabe öffentlicher Fördermittel sollte sich daran orientieren, wie stark Unternehmen mit Leiharbeitsverhältnissen operieren. Auch bei den Gesundheitsausgaben muss gehandelt werden. Sie wachsen in Sachsen schneller als die Beschäftigtenzahlen im Gesundheitswesen. Insbesondere im Pflegebereich gehen die Kosten in die Höhe. Im Vergleich der Bundesländer zeigen sich Versorgungslücken: Im ähnlich stark bevölkerten Rheinland-Pfalz gibt es deutlich mehr Krankenhaus-Beschäftigte als in Sachsen, während hierzulande der Bereich der Ambulanten Pflege stark expandiert (um 28 % seit 2008). Das ist eine Folge des politisch gewollten Grundsatzes „ambulant vor stationär“. „Das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung wird das Gesundheitssystem nicht zuletzt in Sachsen vor wachsende Herausforderungen stellen“, warnt die für Gesundheits- und Sozialpolitik zuständige neue Abgeordnete Susanne Schaper, die selbst Krankenschwester ist und die Probleme aus dem Alltag kennt. „Die neue Staatsregierung muss in den anstehenden Verhandlungen zum Landeshaushalt substanzielle Verbesserungen vor-
nehmen. Dazu gehört eine bedarfsgerechte Finanzierung der Krankenhauslandschaft in Sachsen“. Um den Investitionsstau zu beheben, seien pro Jahr zusätzliche Landesmittel in Höhe von mindestens 200 Millionen Euro notwendig. Ein drittes Beispiel ist das dringend novellierungsbedürftige „Hochschulfreiheitsgesetz“. Es ist an dieser Stelle unmöglich, notwendige Änderungen komplett zu benennen. Klar ist allerdings: Vor allem die Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft muss rückgängig gemacht werden. Denn seitdem Studierende aus ihrer Mitgliedergruppe austreten können, ist die studentische Interessenvertretung empfindlich geschwächt. Ein weiterer kritischer Punkt ist die mit dem Gesetz geschaffene Möglichkeit, reine Lehr-Professuren zu schaffen – sie bedroht die Einheit von Forschung und Lehre. Stattdessen könnten neue Regelungen aufgenommen werden, um die inneruniversitäre Demokratie insgesamt zu stärken. Auch die grassierende prekäre Beschäftigung – derzeit sind etwa 90 % des wissenschaftlichen Personals unterhalb der Professuren befristet angestellt – ließe sich, innerhalb gewisser Grenzen, per Gesetz eindämmen. Die entscheidende Voraussetzung dafür wäre allerdings eine höhere staatliche Finanzierung der Hochschulen, für die sich die Fraktion DIE LINKE weiter einsetzen wird. Das alles zeigt: Das Parlament muss zügig handlungsfähig werden. Der Doppelhaushalt 2015/2016 kann zentrale Probleme endlich anpacken – die Fraktion DIE LINKE wird dabei ordentlich Druck machen. Die Erwartungen sind groß. An die Regierung und an die Opposition gleichermaßen.
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PARLAMENTSREPORT
September 2014
Das sind die neuen Gesichter in der Fraktion
Marco Böhme
Nico Brünler
Geburtsjahr: 1990 Beruf: Stadt- und Raumplaner Herkunftskreis: Leipzig
Geburtsjahr: 1975 Beruf: Diplom-Volkswirt Herkunftskreis: Chemnitz
Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? Ich möchte, dass die Fraktion und ihre Lösungsvorschläge stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Als designierter verkehrsund klimapolitischer Sprecher plane ich Diskussions- und Bildungsveranstaltungen und öffentlichkeitswirksame Aktionen, um neben dem sozialen auch den ökologischen Blick auf DIE LINKE zu schärfen.
Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? Ich möchte helfen, ein Landesarbeitsmarkt- und Qualifizierungsprogramm auf den Weg zu bringen und kritisch zu begleiten. Es ist widersinnig, über Fachkräftemangel zu klagen, während ein Drittel der Sachsen arbeitslos ist bzw. den Lebensunterhalt mit Mini-Jobs, Leiharbeit oder Scheinselbstständigkeit bestreitet.
Juliane Nagel
Luise NeuhausWartenberg
Geburtsjahr: 1978 Beruf: Studentin Herkunftskreis: Leipzig Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? „Vielfalt – Freiheit – Solidarität“, das ist mein politischer Leitspruch. Ich möchte dazu beitragen, dass in Sachsen niemand mehr ausgegrenzt und diskriminiert wird. Alle Menschen – egal, welchen Pass sie haben, oder wie sie leben und lieben wollen – müssen gleichberechtigt an dieser Gesellschaft teilhaben können. Nicht zuletzt setze ich mich für eine lebendige demokratische Kultur im Freistaat ein.
Geburtsjahr: 1980 Beruf: Prokuristin Herkunftskreis: Nordsachsen Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? Soziale Gerechtigkeit muss erstritten, aber auch erwirtschaftet werden. Der Pflicht der Unternehmen zur Zahlung des Mindestlohnes muss die gesetzliche Pflicht der öffent lichen Hand folgen, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auskömmliche Preise zu garantieren. Die öffentliche Hand muss zur Tariftreue zwingen und das heißt, dass sie auch Tariftreue bezahlen muss!
Wahlen sind stets mit personellen Veränderungen verbunden, auch in der Fraktion DIE LINKE. 12 der 27 Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, die DIE LINKE im 6. Sächsischen Landtag vertreten, gehören dem Hohen Haus zum
Janina Pfau
Lutz Richter
Geburtsjahr: 1983 Beruf: Politikwissenschaftlerin Herkunftskreis: Vogtlandkreis
Geburtsjahr: 1974 Beruf: Bürokaufmann Herkunftskreis: Sächsische SchweizOsterzgebirge
Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? Ich setze mich für ein Sachsen ein, das nicht auf Billiglöhne setzt, sondern gut bezahlte Arbeitsplätze schafft. Ein Sachsen, das auch im ländlichen Raum vielseitige kulturelle Angebote bietet und das sich mit dem Problem des demographischen Wandels befasst, besonders im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? Sachsen soll demokratischer, zukunftsfähiger und sozialer werden. Ich persönlich möchte mich deshalb für mehr Demokratie, Mitbestimmung und Teilhabe einsetzen. Viele Menschen erheben ihre Stimme in Sachsen, weil sie bei wichtigen Entscheidungen übergangen werden. Wir nehmen die Menschen ernst und wollen zum Beispiel die Quoren für Volksentscheide senken.
September 2014
PARLAMENTSREPORT
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DIE LINKE im 6. Sächsischen Landtag
Sarah Buddeberg Anja Klotzbücher
ersten Mal an. Sie alle bringen unterschiedliche Hintergründe, Sichtweisen und Vorstellungen in das Gesamtpaket linker Oppositionsarbeit ein. In dieser Ausgabe wollen wir Ihnen die neuen Abgeordneten kurz vorstellen.
Geburtsjahr: 1982 Beruf: Theaterwissenschaftlerin M.A. Herkunftskreis: Dresden
Geburtsjahr: 1994 Beruf: Studentin Herkunftskreis: Chemnitz und Dresden
Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? Ich möchte mich dafür einsetzen, dass unsere gleichstellungspolitischen Forderungen außerhalb des Parlaments besser wahrgenommen werden. Innerhalb der Fraktion möchte ich einen stärkeren Fokus auf das Thema Queerpolitik legen, nicht zuletzt als Kontrapunkt zu den rückwärtsgewandten Forderungen der AfD.
Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? Europapolitische Themen präsentieren, Begeisterung für Politik erzeugen, Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt stellen, (nicht nur) gegen die sinkende Wahlbeteiligung protestieren. Alles in allem: Politisieren! Die Wahlbeteiligung war DAS Manko der Landtagswahl, daher möchte ich mich bei allen Aktivitäten vor allem der Politisierungs- und Vermittlungsarbeit verschreiben.
Susanne Schaper André Schollbach Mirko Schultze
Franz Sodann
Geburtsjahr: 1978 Beruf: examinierte Krankenschwester Herkunftskreis: Chemnitz
Geburtsjahr: 1978 Beruf: Rechtsanwalt Herkunftskreis: Dresden
Geburtsjahr: 1974 Beruf: Baufacharbeiter Herkunftskreis: Görlitz
Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? Soziale Gerechtigkeit bedeutet Armutsbekämpfung, den Abbau von Benachteiligungen und setzt eine vernünftige und am Menschen orientierte Gesundheitspolitik voraus. Es bedarf u. a. Verbesserungen der Krankenhausfinanzierung, im Rettungsdienst sowie im Pflegebereich. Sächsische Kommunen müssen finanziell besser ausgestattet werden.
Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? Meine Felder werden im Wesentlichen die Kommunalpolitik sowie die Verfassungs- und Rechtspolitik sein. Durch meine langjährige Arbeit im Dresdner Stadtrat konnte ich vielfältige Erfahrungen im kommunalpolitischen Bereich sammeln und als Jurist bin ich auf dem Gebiet des Rechts zuhause.
Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? Ich möchte Politik mit den Menschen gestalten und meinen Teil gegen die wachsende Distanz zwischen politischen Entscheidungen und der täglichen Erfahrung von Politik im Alltag leisten. Im Speziellen heißt das für mich, aus der Opposition heraus alternative Konzepte zu entwickeln, Regierungshandeln zu kontrollieren und Probleme der Menschen ernst zu nehmen. Die kommunale Selbstverwaltung darf nicht weiter ausgehebelt werden.
Geburtsjahr: 1973 Beruf: Geschäftsführer einer Gastspielagentur, Schauspieler Herkunftskreis: Leipzig Was willst Du in den kommenden fünf Jahren erreichen? Eine wirksame Außendarstellung unserer Arbeit als Opposition. Die Thematisierung der sich verstetigenden prekären Lebenslagen in unserer Gesellschaft, für eine empathische Wahrnehmung. Die Sensibilisierung für die Probleme länd licher Regionen: Bildung, Gesundheit und Kultur gehören nicht nur in die Städte, sondern auch aufs Land.
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PARLAMENTSREPORT
September 2014
Schwere Themen in schneller Zeit: Plakat-Ausstellung zu Kriegen im Landtag Trotz aller neuen Anfänge im Parlament ist zumindest ein Bericht darüber nachzuholen, wie die letzte Wahlperiode endete. Die Fraktion DIE LINKE wartete mit einem kulturellen Highlight auf: Seit dem 9. September präsentiert sie auf ihren Fluren die Ausstellung „Es gibt keine SIEger nach KRIEGEN – NIEdergang GENUG“. Zu ihrer Eröffnung waren etwa vierzig Interessierte gekommen, die den Worten des Künstlers und des Fraktionsvorsitzenden Rico Gebhardt lauschten. In der Gedenkpolitik wird oft emotional diskutiert. Roger Willemsen stellt ihr in seinem Buch „Das Hohe Haus“ ein vernichtendes Zeugnis aus: „Gedenkstunden sind mitunter eine feierliche Form, durch Erinnern der Vergangenheit den Garaus zu machen“. Gedenken erfolge pauschal, stereotyp, schablonenhaft. So kann es nicht erfolgreich sein. Schließlich geht es beim Blick in die Geschichte vor allem darum, Lehren zu ziehen. Diese Lerneffekte zerfallen, wenn Gedenken in Phrasen erstarrt. Es muss stattdessen vielseitig sein, lebensnah. Wie könnte das besser funktionieren als mit Bildern? Auf politischen Plakaten kann der Künstler Inhalte einprägsam präsentieren und Botschaften übermitteln. Manche müssen immer wieder ausgesprochen werden: insbesondere die, dass Kriege enden müssen. Die Ausstellung schlägt eine Brücke aus der Vergangenheit ins Heute. Sie betrachtet die Ursachen und die Schuldigen von Kriegen ebenso wie dessen Folgen. Krieg ist, so ihr Schöpfer Klaus Schmidt – GrafikDesigner aus Dresden –,die „Abwesenheit von Vernunft“, der „Rückfall des Menschen in seine niedersten Instinkte“. Klar benennt er die Rolle der Rüstungsindustriellen, die doppelt vom Krieg profitieren: Zum einen durch das Kriegsgeschäft, zum anderen durch ihr Überleben. Ebenso eindeutig zeigt Klaus Schmidt weitere Seiten des Krieges: Das Abschlach-
ten. Die Ohnmacht der Soldaten. Millionen Totenköpfe unterm Hakenkreuz. Mütter, die Granaten und Opfer für die Kanonen liefern und als Trümmerfrauen enden. Die Exposition verbreitet, ganz wie ihr Thema, Düsternis, Beklemmung, Trauer. Sie verzichtet auf alles Schöne, so wie ihr Gegenstand. Auch die Symbole sind eindeutig: Das Eiserne Kreuz. Das Hakenkreuz und viele Grabkreuze. Die Pickelhaube. Die Stahlhelme in der typischen deutschen Form. In der Gesamtschau bereiten die Motive beinahe körperlichen Schmerz. Ihr Thema fordert auch nichts anderes. Klaus Schmidt steht mit seiner Arbeit in der Tradition großer Meister des politischen Bildes. Gerade in und nach der Weimarer Republik kam der politischen Bildkunst eine große Bedeutung zu. Weithin bekannt ist etwa ein Motiv des in Berlin geborenen „Meisters der Fotomontage“, John Heartfield. Es zierte 1934 den Titel der „Arbeiter Illustrierte Zeitung“. Darauf sehen wir Adolf Hitler, dem Joseph Goebbels einen Marx-Bart anheftet. Damit wird eine der größten Propagandalügen der Nazis entlarvt: Dass nämlich der Faschismus sozialistische Ziele verfolge, wie sie die Arbeiterbewegung hervorbrachte. Wer die Ausstellung im Landtag noch sehen möchte, sollte sich sputen: Sie gastiert dort noch bis zum 20. Oktober.
Auszüge aus der Rede des Fraktionsvorsitzenden Rico Gebhardt „Die Gewaltfrage zählt zu den größten Fragen, denen sich die Gesellschaft stellen muss, neben der Sozialen und der Ökologischen. Dieses große Gewicht des Ausstellungsthemas lässt die heutige Veranstaltung beinahe wirken, als falle sie aus der Zeit. Schließlich ist Tagespolitik so kurzatmig wie selten, wenn eine neue Wahlperiode beginnt. Warum also widmet sich die Linksfraktion gerade jetzt einem so kapitalen Thema? Die Antwort ist einfach. Wir wollen dafür sorgen, dass Politik eben nicht ,auf Sicht fährt‘, sondern die großen Fragen im Blick behält. […] In der Ukraine und im Irak etwa ist Krieg auch heute so, wie er immer war: menschenverachtend, allumfassend, unerbittlich. […] Die Ukraine ist nicht weit von uns entfernt – wer einige hundert Kilometer ostwärts durch unseren Nachbarstaat Polen fährt, wird schon bald ihre Grenze erreichen. Mit Russland ist der Freistaat seit Jahren wirtschaftlich und kulturell verbunden. Wenn also der Bundespräsident, ausgerechnet in Danzig, eine unbesonnene Rede hält – und ihm die designierte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini auch noch beipflichtet –, ist die Sächsische Staatsregierung gefragt, zur Versachlichung zu mah-
nen. […] Die LINKE wird indes nicht müde, zu betonen: Verhandeln, nicht zu den Waffen greifen, schon gar keine Waffen liefern! Es mag scheinen, als falle uns angesichts des Krieges nichts anderes ein. Wenn Gewalt droht, muss vernünftig handelnden Politikerinnen und Politikern aber zuallererst genau das einfallen. […] Wer das Völkerrecht ernst nimmt, muss die UNO stärken. Die UNO selbst ist aber auch kein Allheilmittel, sondern reformbedürftig. Sie berücksichtigt noch zu stark die Interessen einzelner, vor allem wirtschaftsstarker, Nationalstaaten. Langfristig muss sie durch ein System kollektiver Sicherheit ersetzt werden. Dieses muss möglichst viele Staaten der Welt einbeziehen, die ihre Interessen dem Gemeinwohl unterstellen sollen. Dieses Bündnis braucht demokratische Strukturen, sichere Minderheitenrechte und hohe Hürden für den Einsatz von Streitkräften. Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Kriege. Die größte globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts besteht darin, eine Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die es letztlich zum Jahrhundert des Friedens macht. In weiten Teilen Europas besteht diese Kooperation bereits. Diesem Ziel stehen allerdings Konflikte um Macht und Ressourcen entgegen. Trotz der innerkontinentalen Befriedung sind einige der europäischen Mächte weiter an Kriegen beteiligt. Sollen wir deshalb resignieren? Sollen wir, weil sie allzu fern scheint, vom Ziel einer globalen Sicherheitsarchitektur ablassen? Ich sage: Nein! Wir dürfen niemals aufhören, mit ihrem Aufbau anzufangen.“
Impressum Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Telefon: 0351/493-5800 Telefax: 0351/493-5460 E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de www.linksfraktion-sachsen.de V.i.S.d.P.: Marcel Braumann Redaktion: Kevin Reißig
Kommunal-Info 8/2014
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Satzungen zu Kosten der Unterkunft
In Deutschland bezieht Leistungen der Grundsicherung (HARTZ IV oder Sozialhilfe) etwa jeder zehnte Haushalt und sogar jeder sechste Mieterhaushalt. Insgesamt werden von Bund und Kommunen für die Übernahme der Unterkunftskosten jährlich etwa 15 Mrd. Euro aufgewandt. Die etwa vier Millionen Grundsicherungsempfängerhaushalte machen einen bedeutenden Anteil der Nachfrage auf den örtlichen Wohnungsmärkten aus. Die von den Landkreisen und Kreisfreien Städten festzulegenden Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) sind damit nicht nur für die unmittelbaren Empfänger von Bedeutung, sondern wirken sich indirekt auf das Wohnungsangebot und das Mietenniveau insgesamt aus. Insbesondere sind davon auch einkommensschwache Haushalte betroffen, die keine Transferleistungen beziehen, aber trotzdem auf preiswerte Wohnungen angewiesen sind.1
Bereits vor der Einführung kommunaler KdU-Satzungen hatte das Bundessozialgericht in einer Vielzahl von Entscheidungen detaillierte Anforderungen formuliert, aus denen sich eine nachvollziehbare und rechtssichere Definition sowie die Methoden zur Bestimmung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung ergeben. Diese Anforderungen wurden in einem Prüfungsschema – dem so genannten „schlüssigen Konzept“ – zusammengeführt. Hinsichtlich der Inhalte und Vorgehensweisen gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Anforderungen an ein „schlüssiges Konzept“ und an eine KdU-Satzung, denn beide Methoden dienen dazu, einen Maßstab der An-
gen. Da die Satzung durch die kommunalen Gremien beschlossen wird, kann ein hohes Maß an Legitimation und Akzeptanz innerhalb der örtlichen Gemeinschaft erzielt werden. Die KdU-Satzung muss veröffentlicht und begründet werden, sodass eine hohe Publizität und Transparenz entsteht, die zu einer großen Sach- und Bürgernähe führt. Die KdU-Satzung ist eine Rechtsvorschrift und trifft - anders als die bisherigen lokalen Richtlinien und Verwaltungsvorschriften zum Vollzug des § 22 SGB II - allgemeinverbindliche Regelungen. Da es sich bei der Satzung um eine untergesetzliche Rechtsnorm handelt, die im Zuge eines Normenkontrollverfahrens in for-
gemessenheit zu bestimmen. Mit der Satzung werden aber auch neue Instrumente eingeführt sowie Qualitätsanforderungen formuliert. Dazu gehören z. B. Gesamtangemessenheitsgrenzen und Quadratmeterhöchstmieten. Das wichtigste Anliegen des Satzungskonzepts ist eine alternative, rechtssichere Gestaltung und Bestimmung der Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen von SGB II und XII. Daneben rückt die Einbeziehung von Strukturen und Rahmenbedingungen der lokalen Wohnungsmärkte stärker in den Vordergrund. Dadurch sollen insbesondere Mietpreis erhöhende Wirkungen vermieden werden (eine Möglichkeit hierzu bietet z. B. das neue Instrument der Quadratmeterhöchstmiete) und sozial ausgeglichene Bewohnerstrukturen erhalten werden (Vermeidung von Gettoisierung); hierfür kann die Möglichkeit der Bildung von Teilräumen genutzt werden. Die für die Satzung ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit, eine Gesamtangemessenheitsgrenze („Brutto-Warmmiete“) festzulegen, eröffnet den Bedarfsgemeinschaften darüber hinaus mehr Entscheidungsspielräume bei der Wohnungswahl. Die Kommunen können im Rahmen einer Satzung, die eine Gesamtangemessenheitsgrenze bestimmt, auch den energetischen Zustand einer Wohnung berücksichti-
meller und materieller Hinsicht der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, erhöht sich damit auch die Rechtssicherheit. Über die Gültigkeit von Satzungen entscheidet auf Antrag das Landessozialgericht. Kommt es zu der Überzeugung, dass die Rechtsvorschrift ungültig ist, erklärt es sie für unwirksam. In diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und zu veröffentlichen.2
Gesetzliche Grundlagen
Durch die am 1. April 2011 in Kraft getretene Neufassung mit den eingefügten §§ 22a-22c des Sozialgesetzbuches II (SGB II) – bekannter unter dem Namen HARTZ IV-Gesetzgebung – können die Bundesländer ihre Landkreise und Kreisfreien Städte durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (Kosten der Unterkunft – KdU) in ihrem Gebiet angemessen sind. Bis zum 1. Januar 2014 hatten nur 3 Länder von der Satzungsermächtigung Gebrauch gemacht: Berlin, Hessen, Schleswig-Holstein. Mit dem ab 1. Mai 2014 in Kraft getretenen Sächsischen Ausführungsgesetz zum SGB II wurden nunmehr auch in Sachsen die Landkreise und Kreisfreien Städte ermächtigt (aber nicht verpflichtet!), „durch Satzung 1. zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind, 2. die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet durch eine monatliche Pauschale zu berücksichtigen.“ Bislang wurden durch Landkreise und Kreisfreie Städte als kommunale Träger bei der Umsetzung des SGB II Richtlinien für die Gewährung von Leistungen der Unterkunft und Heizung (KdU) in den Kreistagen bzw. Stadträten beschlossen. In Sachsen wurde nun auch die gesetzliche Voraussetzung geschaffen, dass die kommunalen Träger für KdU entsprechende Satzungen erlassen können. Ob sie aber auf diese Möglichkeit überhaupt zurückgreifen wollen, liegt ganz in ihrem Ermessen.
Was sich ändert
Die Satzungsermächtigung benennt erstmals ausdrücklich Anforderungen für wohnungsmarktkonformes Handeln bei der Festlegung der angemessenen Kosten der Unterkunft. Oberstes Gebot bleibt dabei die Gewährleistung des Existenzminimums.
Prioritäten und Abwägungen
Zentrales Ziel der Festlegung von KdU-Mietobergrenzen ist es, den Anspruch leistungsberechtigter Personen auf angemessene Unterkunftskosten zu erfüllen. Gleichzeitig werden aber mit der Erstellung einer KdU-Satzung auch andere kommunalpolitische Zielsetzungen berührt: aus den Bereichen Soziales, Wohnen, Stadtentwicklung und Finanzen, die teilweise konkurrieren. All diese müssen in einem kommunalpolitischen Abwägungsprozess in Einklang gebracht werden. Die Festlegung, welches Ziel wie gewichtig ist und in welchem Umfang es die Gestaltung der Angemessenheitskriterien beeinflussen soll, kann letztendlich immer nur auf der kommunalen Ebene erfolgen. Oberstes Ziel muss dabei aber die Sicherstellung des Existenzminimums bleiben, dies darf bei aller Abwägung mit den anderen Zielen nicht die Priorität verlieren.3
Für den Abwägungsprozess könnten folgende Fragen eine Rolle spielen4: In welchem Maß und in welche Richtung könnten die KdU-Obergrenzen Einfluss auf das Mietniveau des freien Wohnungsmarktes haben? Wie kann dieser Einfluss minimiert werden? In welchem Umfang will man eine Verknappung des Angebotes durch Beschränkung der Nachfrage auf einzelne Teilmärkte, wie zum Beispiel sehr kleine Wohnungen, in Kauf nehmen? Welche Auswirkungen hat die Beschränkung auf die Konkurrenzfähigkeit einiger Bestände, wie z. B. Altbauten, Nachkriegsbestände oder denkmalgeschützte Wohnungen? Welche Auswirkungen hat eine solche Beschränkung auf die sozialräumliche Struktur, wenn die angemessenen Wohnungen räumlich sehr ungleich verteilt sind? Welche Rolle sollen die kommunalen Wohnungsunternehmen bzw. Belegungsrechte bei der Versorgung von Bedarfsgemeinschaften spielen? Wie können trotz des vorgegebenen Maßstabs des „einfachen Standards“ Investitionen in den Wohnungsbestand wirtschaftlich machbar sein, insbesondere in Bezug auf Energiesparmaßnahmen? Wie passen die Mietobergrenzen mit den Stadtumbau-Strategien zusammen? Werden städtebaulich geforderte Rückbauten oder Aufwertungen verhindert? Bei der Erstellung einer KdU-Satzung ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, die auch verschiedene kommunale Politikfelder berühren. Bei der Definition von Angemessenheitsgrenzen wäre daher eine ämterübergreifende Zusammenarbeit angezeigt, um alle Faktoren in ihrer Komplexität von vornherein zu berücksichtigen. Daher sollte die Erstellung der KdUSatzung als eine kommunalpolitische Gesamtaufgabe betrachtet werden.5 AG 1 Vgl. Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen, Hrsg: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Januar 2013, S. 4. 2 Vgl. ebenda, S. 5f. 3 Institut für Wohnen und Umwelt GmbH (www.iwu.de), Chr. V. Malottki, Stellungnahme zur KdU-Arbeitshilfe der Bundesregierung, S. 2. 4 Vgl. Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen, S. 16f. 5 Hinweis auf weiterführende Literatur zu dieser Thematik: „Empfehlungen des Deutschen Vereins zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach §§ 22 ff. SGB II und §§ 35 ff. SGB XII“, Quelle: www.harald-thome. de
Kommunal-Info 8/2014
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Kommunalpolitisches Forum wählte neuen Vorstand Das Kommunalpolitische Forum Sachsen e.V. wählte in seiner Mitgliederversammlung am 19. September 2014 einen neuen Vorstand. Zum neuen Vorsitzenden wurde Klaus Tischendorf gewählt. Zu seinen Stellvertretern: Marion Junge, Mirko Schultze, Lars Kleba. Zur Schatzmeisterin wurde Carola Goller gewählt. Als Beisitzer in den Vorstand wurden gewählt: Susanna Karawanskij,
Klaus Tischendorf
Konrad Heinze, Heike Werner, Sabine Pester. Im Gespräch mit der Redaktion von Kommunal-Info antwortete der neue Vorsitzende Klaus Tischendorf auf die gestellten Fragen. Erst mal herzlichen Glückwunsch zu Deiner Wahl zum Vorsitzenden. Was hat Dich bewogen, für den Vorsitz des KFS zu kandidieren? Ich arbeite schon seit vielen Jahren im Vorstand des Kommunalpolitischen Forums mit. Unserer bisherigen Vereinsvorsitzenden, Simone Luedtke, ist es aus beruflichen Gründen zeitlich leider nicht mehr möglich, diese Aufgabe weiterzuführen. Mehrere Vereinsmitglieder hatten mich deshalb angesprochen, ob ich die Aufgabe übernehmen könnte. Da in den Vorstand auch viele Neue gewählt wurden, freue ich mich darauf, meine Erfahrungen einzubringen und mit ihnen gemeinsam mit neuen Ideen die kommunalpolitische Bildungsarbeit voranzubringen. Mit 3 stellvertretenden Vorsitzenden und 4 Beisitzern wurde mit Dir und der Schatzmeisterin ein etwas größerer Vorstand als bisher gewählt. Was hat es damit auf sich? Das Kommunalpolitische Forum ist ein landesweit tätiger Bildungsträger. Es ist gut, dass im Vorstand Personen aus vielen verschiedenen Landesteilen mitarbeiten, da sich die Regionen in ihren Besonderheiten mitunter stark voneinander unterscheiden und wir dies in unseren Bildungsveranstaltungen berücksichtigen müssen und wollen. Durch die Vergrößerung des Vorstandes soll es zukünftig gelingen, mehr Mitglieder in die Erarbeitung
und Planung von solchen Veranstaltungen, mehrtägigen Seminaren oder auch Fachkonferenzen einzubeziehen. Hier haben sich in den letzten Jahren die Anforderungen an uns stark verändert. Zu den Adressaten unserer Bildungsarbeit gehören Menschen unterschiedlichen Alters. Damit verbinden sich verschiedene Themen, Formen und spezielle Anforderungen an unsere Veranstaltungen. Mit einem größeren Vorstand können wir auch auf diesen Sachverhalt besser reagieren und ermöglichen, dass viele verschiedene Altersgruppen repräsentiert werden. Welche Schwerpunkte siehst Du als Vorsitzender für das Wirken des KFS für die nächsten Jahre? Zu den Kommunalwahlen in diesem Jahr sind viele neue Mandatsträger gewählt worden. Für diese müssen Bildungsangebote gemacht werden, die ihnen ein solides Wissen für ihre ehrenamtliche Tätigkeit vermitteln können. Darüber hinaus sollen verstärkt auch junge Menschen angesprochen werden, da auf der Ebene der Kommunalpolitik ein stärkerer Generationsübergang stattfindet. Neben den klassischen kommunalen Themen müssen wir unser Themenspektrum erweitern bzw. mit neuen Angeboten bereichern. So z.B. zur Gleichstellungspolitik, Flüchtlingsthematik (Unterbringung, Integration), Inklusion und Barrierefreiheit und vieles mehr. Dafür benötigen wir auch u. a. neue Veranstaltungskonzepte (z. B. Workshops) und eine stärkere Zielgruppenorientierung in Bezug auf Angebote und Öffentlichkeitsarbeit. Dafür will ich die Zusammenarbeit mit anderen Bildungsträgern, Fachverbänden und Vereinen voranbringen.
Seminare im Herbst 2014 Grundlagen der Stadtentwicklung & Stadtplanung am 8. 11. 2014 im Rathaus (Zimmer 118), Markt 1 09111 Chemnitz 10 – 13 Uhr: Seminar 14 – 15.30 Uhr: Stadtrundgang 16 – 17 Uhr: Diskussion & Abschlussrunde Referent: Börries Butenop, Leiter des Chemnitzer Stadtplanungsamtes Anmeldung bitte bis zum 3.11.2014
Eure Rechte & Pflichten als Aufsichtsräte am 14. & 15. 11. 2014 im Hotel »Schwarzes Roß« Freiberger Straße 9 09603 Siebenlehn Freitag: 18 – 20 Uhr Sonnabend: 9 – 12 & 13 – 15 Uhr Referent: Alexander Thomas, Dipl.-Verwaltungswirt & parlamentarischwissenschaftlicher Berater Anmeldung bitte bis zum 10.11.2014
Grundlagen kommunaler Sozialpolitik am 29. 11. 2014 im »City Tagung«, Brühl 54 / Nikolaistraße 40 04109 Leipzig 10 – 12 Uhr: Seminar 13 – 15 Uhr: Seminar 15.30 – 16.30 Uhr: Diskussion & Abschlussrunde Referentin: Christine Pastor, ehemalige Stadträtin & sozialpolitische Sprecherin Anmeldung bitte bis zum 24.11.2014 Der Teilnahmebeitrag beträgt 10 Euro für eintätige Seminare und 20 Euro für zweitägige Seminare. Auszubildende sowie Hartz-IV- und Sozialhilfe-Empfänger zahlen einen ermäßigten Teilnahmebeitrag in Höhe von 2 Euro. Anmeldung & Nachfragen: Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Fon: 0351 - 4 82 79 -44 / -45 Fax: 0351 - 7 95 24 53 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de
Die Mitglieder des neuen Vorstands (es fehlt Susanna Karawanskij)
10/2014 Sachsens Linke!
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Konkret links: „Nationales Konversionsprogramm“ für die Rüstungsindustrie Nicht erst seit dem aktuellen Konflikt in Syrien und dem Irak setzt sich DIE LINKE dafür ein, dass deutsche Unternehmen nicht länger weltweit Waffen exportieren. Aus gutem Grund: Deutschland ist seit Jahren hinter den USA und Russland global der drittgrößte Waffenexporteur. Trotz gegenteiliger Ausfuhrbestimmungen genehmigt die Bundesregierung immer wieder auch Lieferungen von Rüstungsgütern in Krisenregionen und an Staaten, die weder demokratisch sind, noch die Menschenrechte achten. Das letzte Beispiel liegt erst wenige Tage zurück: Ausgerechnet nach Katar, das in Verdacht steht, die IS-Terroristen zu unterstützen, gehen 13 Transportpanzer vom Typ „Dingo“ und 32 Spähfahrzeuge vom Typ „Fennek“. Ein besonderes Problem stellen zudem die Klein- und Handfeuerwaffen dar. Ihre Weiterverbreitung ist nicht zu kontrollieren. Sie geraten zum Teil bis in die Hände von Kindersoldaten. Dennoch betreffen die meisten einzelnen Exportgenehmigungen diese Waffen. So berechtigt die Forderung nach einem Ende des weltweiten Geschäfts mit Rüstungsgütern ist, ein anderer Aspekt darf nicht vernachlässigt werden. Selbst eine unabhängige Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts WifOR weist 17.000 unmittelbar in der Rüs-
tungsindustrie Beschäftigte und rund 80.000 Erwerbstätige im erweiterten Bereich der Sicherheits-und Verteidigungsindustrie aus. Nicht nur einmal haben sich Gewerkschaften mit den Produktionsund Exportinteressen ihrer örtlichen Rüstungsunternehmen solidarisiert, um die Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Eine LINKE, die ihre Forderung umsetzen will, darf deshalb die arbeitsmarktpolitische Dimension nicht außer Acht lassen. Sie muss sich der Aufgabe stellen, eine Konversion der Rüstungsindustrie in zivile Wirtschafts-
litik, sondern unter enger Einbeziehung friedenspolitischer, gewerkschaftlicher, wissenschaftlicher, kirchlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie der Beschäftigten in den Unternehmen erarbeitet werden soll. Zudem ist vorgesehen, in Kooperation mit den Bundesländern ein Forschungsprogramm „Konversion“ aufzulegen und keine neuen öffentlichen Finanzmittel für Forschungsvorhaben der wehrtechnischen Forschung mehr zu bewilligen. Dieser sowie andere Schritte der Entwicklung kosten Geld. Des-
der Gewinne der Bundesbank, so dass die Finanzierung gesichert wäre, ohne neue Löcher in den Bundeshaushalt zu reißen. Doch der Antrag bleibt nicht bei diesen zentralen Forderungen stehen, sondern berücksichtigt weitere Aspekte einer solchen auf Nachhaltigkeit angelegten Umstellung. So sollen staatliche Fördermittel strikt mit der Verkleinerung und dem Ersatz des Rüstungsbereichs in den Unternehmen verbunden werden, um zu verhindern, dass sie öffentliche Unterstützung für die Umschulung oder
Spähpanzer „Fennek“ im Einsatz in Afghanistan. Bild: ISAF Headquarters Public Affairs Office / Wikimedia Commons / CC BY 2.0
bereiche zu erreichen. Genau darauf zielt ein neuer Antrag der Linksfraktion für die Schaffung eines „Nationalen Konversionsprogramms“, das nicht allein durch die Po-
halb fordern wir einen eigenen Konversionsfonds, für den im Verteidigungsetat im nächsten Haushaltsjahr 2,5 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Das ist exakt die Höhe
für den Aufbau ziviler Produktlinien erhalten und gleichzeitig ihre wehrtechnische Produktion weiter betreiben. Weiterhin sollen die Rüstungsunternehmen dazu verpflichtet wer-
den, aus ihren Gewinnanteilen Rücklagen zu bilden, die als Kostenbeteiligung für die Umstellung auf zivile Produktionslinien und für Qualifizierungsmaßnahmen der Beschäftigten für zivile Berufstätigkeiten einzusetzen sind. Schließlich nehmen wir in dem Antrag auch konkret Bezug auf die Forderung der IG Metall nach einem Branchenrat „Wehr- und Sicherheitstechnik“. Dieser soll dazu betragen, dass Gewerkschaften und Betriebsräte die notwendigen unternehmensinternen Strukturmaßnahmen aktiv mitgestalten können, um zum Beispiel konversionsrelevante Pilotprojekte für die Bereiche Verkehr, Elektrotechnik, Chemische Industrie, Maschinenanlagenbau zu entwickeln. Die allgemeine Forderung nach einem Stopp weltweiter Rüstungsexporte kann nur dann Realität werden, wenn die Politik sie mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, den betroffenen Beschäftigten, aber auch mit den Unternehmen umsetzt. Darauf zielt der Antrag. Er ist radikale Friedenspolitik, weil er sich an der gesellschaftlichen Realität orientiert, weil er Wirklichkeit werden kann. Wenn ihn die Große Koalition aus CDU/ CSU und SPD ablehnen sollte, bleibt das trotzdem stehen: Eine Konversion der Rüstungsindustrie ist möglich. Michael Leutert
Aus dem Wörterbuch der extremen Rechten: „Nationalidentität“ Im Landtagswahlprogramm der AfD finden sich folgende Ausführungen zur Herstellung einer positiven nationalen Identität: „Schul- und insbesondere Geschichtsunterricht soll nicht nur ein vertieftes Verständnis für das historische Gewordensein der eigenen Nationalidentität, sondern auch ein positives Identitätsgefühl vermitteln. Wir wollen einen deutlichen Schwerpunkt auf das 19. Jahrhundert und die Befreiungskriege gesetzt wissen. Die Grundlagen unseres Staates wurden in den Jahren 1813, 1848 und 1871 gelegt. Unsere Nationalsymbole sollen im Unterricht erklärt werden. Das Absingen der Nationalhymne bei feierlichen Anlässen soll wie in den USA selbstverständlich sein.“ Der Nationalstaat kann nicht mehr der selbstverständliche Referenzpunkt von Geschichtsschreibung und -kultur sein, und zwar aus zwei
Gründen: Das widerspricht zum einen den Identitäts- und Selbstvergewisserungsbe dürfnissen von Schülerinnen und Schülern aus unterschiedlichen Herkunftsländern, und es relativiert – zum zweiten – den Holocaust. Angesichts der Tatsache, dass moderne Gesellschaften multikulturelle Züge tragen, stellt die im Geschichtsunterricht praktizierte „Monokulturalität“ (Bodo von Borries) einen Anachronismus dar. Die monokulturelle Ausrichtung des Geschichtsunterrichtes dient der Abgrenzung gegenüber anderen Kulturen und der Herstellung einer eigenen nationalen Identität. Der Geschichtsunterricht hat Mythen geschaffen und Traditionen erfunden (sog. Meistererzählungen), die, wie es in der Fachsprache heißt, dekonstruiert werden müssen. Auf diese Weise fungierte der Geschichtsunterricht als „ein Mittel der jeweiligen Nations-
bildung“. Er war kultureller und erzieherischer Bestandteil einer Identitätspolitik, die eine kollektive deutsche Identität mittels der Abgrenzung von Anderen bzw. Fremden zu stabilisieren trachtete. Nach dem Zivilisationsbruch, für den Auschwitz steht, ist kein unreflektierter Umgang mit Nationalgeschichte und -kultur mehr möglich. Auschwitz erfordert vielmehr einen Bruch mit nationalen Traditionen. Ein negatives Gedächtnis erweist sich freilich zur Erfüllung der neuen politischen Herausforderungen als ungeeignet. Die um die DDR erweiterte Bundesrepublik glaubt, zur nationalstaatlichen Normalität zurückgekehrt zu sein. Hier liegt die Bedeutung der Epochenzäsur 1989. Mit der Umstellung des kollektiven Gedächtnisses auf die Epochenzäsur von 1989 überwindet die Berliner Republik die Vorstellung von Geschichte als kritischer Instanz. Sie
verabschiedet sich von einer fragmentierten Geschichtsauffassung, die sich der Abgründe und Brüche deutscher Geschichte bewusst ist. Bewahrung von Tradition und historische Kontinuität stärken dagegen das neu erwachte Nationalbewusstsein. Stolz auf das Vergangene und Nachahmung sind das Gebot der Stunde. Das bewiesen Sachsens Christdemokraten schon 2004, als die NPD den Einzug in den Sächsischen Landtag schaffte. CDU und die Neonazis verfielen seinerzeit in einen regelrechten Wetteifer um das gesunde Nationalempfinden. Vom Bekenntnisdrang ergriffen bekundeten die Abgeordneten der Unionsfraktion regelmäßig ihre unverbrüchliche Treue zum Vaterland und zur Nation, zur freiheitlich demokratischen Grundordnung sowieso. In der 4. Legislaturperiode verging kaum eine Landtagssitzung, in der die Christdemokraten nicht ihren
Stolz darauf kundtaten, Deutsche zu sein. Zweck der nationalen Rhetorik war es, beim Wahlvolk als „patriotische Volkspartei“ in Erscheinung zu treten und die Lufthoheit über die Stammtische wieder zu erlangen. Die Bevölkerung mit eigenen „positiven nationalen Wallungen“ zu beglücken, sah ein Parteitagsbeschluss der Union vom November 2005 vor. Der Titel lautete: „Deutscher Patriotismus im vereinigten Europa“. Darin war von „opferwilligen Dienern am Gemeinwohl“ die Rede. Gemäß Parteitagsbeschluss sollte im Stile einer führenden Partei mit der Stimulierung des nationalen Gemeinschaftsgefühls in den Schulen begonnen werden. In den Grundschulen sollte die Nationalhymne erlernt und gesungen werden. Für die Schulen und Hochschulen war außerdem Nationalbeflaggung vorgesehen, wenn es der Anlass geboten erscheinen ließ. Jochen Mattern
Sachsens Linke! 10/2014
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Brief eines Politikmüden In den ersten Monaten des Jahres bewegte sich die seit 2009 regierungsbeteiligte LINKE Brandenburgs bei über 25, ja sogar 27 Prozent. Doch am Wahltag verlor sie über 8 Prozent. Wie konnte das sein? Eine umstrittene Kohlepolitik war über alle Regierungsjahre hinweg Thema der LINKEN. Dennoch wurde Erhebliches in Sachen erneuerbare Energien durchgesetzt. Hat das nicht mehr gezählt? Der CDU-Wirtschaftsminister warb im vorherigen Wahlkampf mit Billiglöhnen in Brandenburg. Durch DIE LINKE bekamen die Leute Schritt für Schritt Mindestlöhne, und ein Vergabegesetz koppelte öffentliche Aufträge daran. Hat das keiner bemerkt? Schüler aus einkommensschwachen Familien bekamen ein Schüler-BAföG. Und etwa 2000 neue Lehrer und Kita-Erzieher wurden vom Land eingestellt, jeweils 1000 mehr, als es DIE LINKE 2009 im Wahlprogramm versprochen hatte und im Koalitionsvertrag vereinbart worden war. Das hat wohl auch keiner gemerkt. Finanzminister der LINKEN sorgten seit 2009 dafür, dass die Landeshaushalte auf solidere Füße gestellt wurden. In den letzten Jahren gelang es, Überschüsse in Millionenhöhe zu erzielen, und erstmals wurde damit begonnen, Schulden zurückzuzahlen. Wie gut das war, werden wohl erst die nachgeborenen Kinder merken. Dieses Wahl-Volk nicht mehr.
Ebenso wurden in Verantwortung LINKS-geführter Ministerien sämtliche Krankenhaus- und Gerichtsstandorte in ihrem Bestand gesichert und zum Teil ausgebaut, zusätzliche Sozialrichter eingestellt. Der Datschenbesitzer braucht keine Angst mehr vor der Enteignung zu haben, und alle Seen des Landes Brandenburg bleiben, geschützt vor dem Zugriff Privater, in öffentlicher Hand. Anscheinend hat das die Wählerschaft nicht interessiert, es war nicht wichtig für sie, oder gänzlich unbekannt. Nicht zum gerin-
nis kommen, wo doch das ausgegebene Wahlziel von 25 Prozent +X vor Wochen noch im Bereich des Erreichbaren lag? Wie kann man LINKE-Anteile an der Regierungsarbeit qualifizierter und werbewirksamer bei den Bürgern anbringen? Ein Problem: Wie verhindert man wirksam die politische Produkt-Piraterie, wie sie die SPD gegenüber der LINKEN oft betrieben tat, siehe Mindestlohn und Wahlalter 16? Wenn die Partei DIE LINKE erfolgreich sein will, dann darf sie sich nicht ihre ursprünglichen Themen nehmen lassen, son-
Stadtschloss in Potsdam, neuer Sitz des Brandenburger Landtages. Bild: Roland.h.bueb / Wikimedia Commons / CC BY 3.0
gen Teil, wohl auch der eigenen Mitgliedschaft, fürchte ich, war das so. Es hat also alles nicht gezählt, was linkes Regierungshandeln in Brandenburg geschafft hat. Wie konnte es zu diesem Ergeb-
dern muss, wenn nötig, stets ihre politischen Urheberrechte verteidigen. Die Zukunft der Partei DIE LINKE steht und fällt mit einer ausgefeilten, modernen, nach allen Seiten offenen Kommuni-
Termine Jugend kationsstrategie; innerparteilich aber auch darüber hinaus, in Opposition oder in Regierung. Zu fragen ist: Wie haben wir als Gesamtpartei, aber in Sonderheit die betreffenden Landesverbände, aus den Erfahrungen des Regierens gelernt? Wie sehen unsere praktischen Schlussfolgerungen, auch für die gegenwärtige Debatte von Rot-RotGrün im Bund, aus? Denn der Automatismus, wonach die LINKE nach Regierungsbeteiligungen immer verliert, scheint sich mit der Brandenburg-Wahl am 14. September 2014 fortgesetzt zu haben. Warum? Die Mitgliederwerbung und der langfristige Aufbau neuer Kandidaten für Ämter in Partei und für Parlamente rücken wieder ins Zentrum. Im Grunde ist das Dauerauftrag! Zudem ist es auch für DIE LINKE wichtig, sich endlich des Problems der Nichtwähler anzunehmen. Ich habe Angst vor einem gesellschaftspolitischen Roll-Back, wenn die Union wieder an das Regierungsruder gelangt. Und das macht müde. Ob sich Brandenburgs LINKE lieber, in Opposition gehend, zu erneuern und neu aufzustellen versucht? Ich weiß nicht, ob das gelingt. Was bleibt, sind Unruhe und gewisse Befürchtungen. In solchen Zeiten wird man eben auch müde. Denn für wen streitet und wirbt man, wenn vom Gegner, jedoch teils auch aus der eigenen Partei kein positives Echo kommt? Das macht müde, auch von der Politik. René Lindenau
12. Oktober 2014, ab 12:00 Uhr: BR-Sitzung in der WahlFabrik, Kleiststraße 10a, Dresden 17. bis 19. Oktober 2014: Herbstakademie – Seminarwochenende I, Infos folgen auf www.linksjugend-sachsen.de 24. bis 26. Oktober 2014: Herbstakademie – Seminarwochenende II 04. November 2014, ab 19:00 Uhr: Film und Diskussion „ID-withoutcolors. Racial Profiling – Institutioneller Rassismus in Deutschland“ im Interkulturelles Konversationscafé, Emilienstraße 17, Leipzig, mehr unter www.konversationscafe.de 07. bis 09. November 2014: Landesjugendtag und Landesjugendplenum, Termin schon mal blocken, Infos folgen 15. November 2014: „No Dancing With Nazis“ in Delitzsch, mehr Infos unter http://nodancingwithnazis. noblogs.org 05. bis 07. Dezember 2014: Herbstakademie – Seminarwochenende III Mehr Infos unter www.linksjugend-sachsen.de
Lysistrata-Frauen-Friedenspreis 2014 für Heiderose Gläß Hurra, es ist vollbracht! Endlich hatte die monatelange Geheimniskrämerei am 5. September 2014 in Zittau ein Ende. Wie es schon seit der ersten Preisverleihung Usus ist, sollte die „Auserwählte“ überrascht werden. Das war in diesem Jahr besonders schwierig. Das Organisationsteam hatte die Preisträgerin bis wahrhaft zur letzten Minute im Glauben gelassen, dass es in diesem Jahr wegen der hohen Wahlkampfkosten keinen Lysistrata-Frauen-Friedenspreis geben würde. Doch dann hieß es: „Den Lysistrata-Frauen-Friedenspreis 2014 erhält Heiderose Gläß“. Um Heiderose Gläß und ihre Verdienste zu ehren, kamen etliche besondere Gäste. Vom Landfrauenverein konnte die Vorsitzende Sprenger begrüßt Du hastGisela Lust auf Kommnalwerden. Frauaber Fischer vom Fraupolitik, weißt noch nicht enring Oberlausitz ebenso genau, wie das alleswar so läuft? erschienen Eva-Maria Reitz Stadtrat undwie Gemeindetag sind von „Frauen auf dem Weg nach für Dich abschreckende Worte, Europa“. Sarah Buddeberg, aber wie sowas läuft, wolltestneu gewählte LandtagsabgeordneDu trotzdem mal wissen? Kein
te, die Heidis Fachgebiet übernehmen soll, Dagmar Weidauer und Ingrid Heyser von den LisaFrauen und viele weitere waren gekommen. In der Laudatio würdigte Frau Prof. Irene SchneiderBöttcher (Vorsitzende des Landesfrauenrates) „unsere Heidi“ als Friedensstifterin im wahrsten Sinne des Wortes. Ob im Landesfrauenrat, als Ombudsfrau der sächsischen LINKEN,
als Landtagsabgeordnete in der Fraktion und in ihrem Wahlkreis, als Landeskoordinatorin der LISA-Frauen in Sachsen oder wo immer man auf sie trifft. Heidi braucht aber kein Mandat für ihren unermüdlichen Einsatz für die Gleichstellung. Besonders hervorzuheben ist ihr persönlicher Einsatz in der Gedenk- und Bildungsarbeit als Mitglied der VVN-BdA Sachsen.
Heiderose ist eine glühende Antifaschistin praktisch von Hause aus. Wenn andere noch am Reden sind, arbeitet sie am konkreten Projekt. Egal, ob es stürmt oder schneit oder sie selbst nicht topfit ist: Wenn es gilt, gegen Nazis Gesicht zu zeigen, ist sie dabei, und das sachsenweit. Sie tut das nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus tiefster Überzeugung und innerem Bedürfnis
getreu dem Schwur von Buchenwald, nicht eher zu ruhen, bis der Faschismus mit seinen Wurzeln ausgerottet ist. Wünschen wir ihr dafür auch in Zukunft viel Kraft. Endlich hielt die „Erfinderin“ selbst den Preis in den Händen und war sprachlos. Als besondere Überraschung verlas Sven Scheidemantel einen persönlichen Glückwunsch der EU-Abgeordneten Dr. Cornelia Ernst, die dienstlich in Lissabon weilte: „... Heidis herrliches (gottlob frauliches) Lachen hat immer schon die übellaunigsten Pessimisten in Verlegenheit gebracht. Entwaffnend im ganz wörtlichen Sinne. Heiterkeit als Frieden stiftendes Mittel. Ihr Lächeln kennt keine Hierarchien. Ihre Stärke ist es, nicht am Großen Ganzen anzusetzen, sondern am Menschen.“ Natürlich gibt es auch ein Video von diesem ganz besonderen Tag: http ://w w w.youtube.com/ watch?v=SQ4lzIRtHo8 Jens Thöricht
DIE LINKE im Europäischen Parlament
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10/2014 Sachsens Linke!
Warum es sich zu kämpfen lohnt erheben. Vor allem aber müssen wir nachhaltige und inklusive politische Alternativen aufzeigen können. Die Politik und erzwungenen Maßnahmen der Troika haben zu einer sozialen Katastrophe geführt. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen den Kürzungen im Sozialsystem und der ansteigenden Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern (weniger oder kein Zugang zum Arbeitsmarkt für Frauen, Zwang in Teilzeitbeschäftigung
verschiedenen benachteiligten Gruppen sind dabei von multipler Diskriminierung betroffen (MigrantInnen, Lesben und Frauen mit Behinderung). Es ist zugleich mehr als beunruhigend, zu sehen, dass und wie rechte und rassistische Parteien als ein Resultat der Krise erstarken, angeheizt von sozialer Ungewissheit, Armut und hoher Arbeitslosigkeit. Wir in der GUE/NGL wollen diesen Status quo hinterfragen: Wie ist es möglich, dass im Euro-
Bild: Frankie Fouganthin / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0
Die Ergebnisse der Europawahlen haben nicht nur die GUE/ NGL anwachsen lassen, sondern führten zu einem historischen 50:50-Anteil von Frauen und Männern in der Fraktion. Das ist keinesfalls selbstverständlich, sondern etwas, auf das wir stolz sein können. Es ist die Fraktion der Europäischen Linken, die zeigt, dass wir nicht nur über Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit sprechen, sondern sie auch real leben. Denn Gleichstellung in allen Entscheidungen ist ein zentrales demokratisches Prinzip und es ist nur die Linke, die dieses Prinzip im Europaparlament auch politisch repräsentiert. Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter sind und waren immer eine Schlüsselpriorität unserer Fraktion. Gerade jetzt, wo wir größer und stärker aus den Wahlen hervorgegangen sind, werden wir noch stärker für Gleichberechtigung kämpfen. Um das zu erreichen, brauchen wir vor allem Sicherheit für Frauen und Schutz vor Gewalt. Wir müssen frei und selbstbestimmt über unseren Körper und unsere Sexualität entscheiden und wir müssen ökonomisch unabhängig sein können. Der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) im Europaparlament ist eine ungemein wichtige Plattform, um für unsere Ziele zu streiten. Die heutige soziale und ökonomische Krise muss aus einer linken und feministischen Perspektive betrachtet werden. Wenn rechte Parteien überall in Europa versuchen, die in Jahrzehnten erstrittenen Frauenrechte und emanzipatorischen Errungenschaften zu zerstören, müssen wir dem entgegentreten und die Stimme
oder unbezahlte Arbeit, die alleinige Pflege von Kindern und älteren Menschen, weil sich das System soziale Sicherung nicht mehr leisten kann). Frauen aus
pa des 21. Jahrhunderts in nationalen Parlamenten auf eine Frau noch immer drei Männer entfallen? Oder dass geschlechtsspezifische Unterschiede nach
wie vor in nahezu allen Bereichen des alltäglichen Lebens spürbar sind? Ob wir uns Lohnunterschiede ansehen, Arbeitsstrukturen oder Ausnahmen im Bereich der Pflege – die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen wird kompromittiert. Jeden Tag werden sieben Frauen ermordet, von Männern, die ihnen nahestehen. 45 % der Frauen in der EU geben an, Opfer von Gewalt geworden zu sein, 10 % von sexueller Gewalt. Gewalt gegen Frauen ist beides, Grund für und Ergebnis von Ungleichheitsverhältnissen. Die Statistiken schwanken, denn viele Frauen haben Angst, sich zu äußern oder müssen sich verstecken. Dazu kommt, dass Polizei und Justiz oftmals unfähig sind, die richtige Hilfe anzubieten. Das aber können wir 2014 nicht mehr akzeptieren! Während der vorangegangenen Legislaturperioden haben wir viele wichtige Berichte zu den Rechten der Frauen in Europa angestoßen. Was wir brauchen, sind wenigstens Standards dafür, wie mit Gewalt gegen Frauen umgegangen werden kann. Frauenhäuser brauchen eine stabile Finanzierung und Autonomie. Polizeikräfte und die Justiz benötigen ein spezielles Training, um Gewaltfälle aufzudecken, zu helfen, zu bekämpfen und präventiv zu wirken. Es ist Aufgabe der Kommission, eine umfassende Direktive gegen Gewalt gegen Frauen anzustoßen und zu entwickeln. Im FEMM Ausschuss haben wir das mehrere Male gefordert und hatten dabei das ganze Parlament hinter uns. Wir werden nicht aufhören, bis wir diese Direktive auch bekommen. Die GUE/NGL wird auch weiterhin ein starker Verfechter sexueller und reproduktiver Ge-
sundheit und Rechte sein. Leider sehen wir heute in vielen Ländern der EU, wie diese rückgängig gemacht werden. So ist z. B. das Recht auf eine sichere und legale Abtreibung in vielen Ländern in Gefahr. Die Uhr tickt ziemlich laut, denn wir sind kurz davor, das Datum für die Millennium-Ziele zu erreichen. Diese Ziele wurden im Jahr 2000 aufgestellt und sollen die so genannte entwickelte Welt im Jahr 2015 regeln und ausrichten. Das gilt für den Umgang mit extremer Armut, Bildung, Gesundheitsvorsorge und viele andere Themen. Wir stehen heute vor vielen Herausforderungen, zum Beispiel, wenn es um Frauenrechte geht. Und wir werden unser Bestes tun, um zu gewährleisten, dass die Ziele für den Zeitraum nach 2015 Gleichstellungsfragen und Frauenrechte sowie deren Stärkung mit einschließen. Frauenrechtsbewegungen spielen eine wichtige Rolle. Die GUE/ NGL hatte immer starke Kooperationsbeziehungen zu Frauenrechtsorganisationen, in Europa und weltweit. Ohne deren Beitrag und Engagement wären wir heute nicht so stark. Wir werden diese Kooperation in dieser Legislaturperiode intensivieren. Als Linke werden wir nicht aufhören, patriarchalische Strukturen in unserer Gesellschaft in Frage zu stellen, und unaufhörlich gegen Sexismus, Rassismus, Homophobie und Populismus zu kämpfen. Wir sind die klare Stimme der Solidarität, für Feminismus und Sozialismus! Malin Björk Vertreterin der schwedischen Vänsterpartiet in der GUE/NGL, stellvertretende Fraktionsvorsitzende; aus dem Englischen von Anja Eichhorn.
Gleichzeitig will die NATO aber keinesfalls künftig auf globale Militärinterventionen verzichten – deshalb wird derzeit vor allem eines für erforderlich gehalten: mehr Geld! Hierfür wurde sich auf dem Gipfeltreffen darüber verständigt, das schon länger ausgegebene Ziel für jedes Mitgliedsland, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für den Militärhaushalt auszugeben, innerhalb von zehn Jahren erreichen zu wollen. Das hört sich zunächst etwas abstrakt an. Wird dies aber mit Zahlen unterlegt, wird ersichtlich, dass es hier um riesige Beträge geht: Im Falle Deutschlands etwa müsste der Rüstungsetat von aktuell 32,8 Mrd. Euro auf 54,7 Mrd. Euro ansteigen. Uli Cremer von der Grünen Friedensinitiative fasst die Vorgänge folgendermaßen zusammen: „Würde das
tatsächlich geschehen, prasselte auf das NATO-Militär ein warmer Geldregen von vielen Milliarden Euro ein. Damit wären nicht nur die Kosten für die geplanten Depots an der NATO-Ostgrenze gedeckt, sondern es ergäben sich neue finanzielle Spielräume für den Ausbau der Neuen NATO durch weitere schnelle Eingreiftruppen, neue Waffen für die Luft- und Seestreitkräfte, Cyberwar usw. Die eine oder andere Militärintervention wäre finanziert. […] Man ruft ‚Putin!‘ und sammelt Euros für den nächsten Militäreinsatz in Afrika ein.“ Sabine Lösing
Mobilmachung und Kriegsdividende Am 4./5. September 2014 versammelten sich die Staats- und Regierungschefs der NATO zu ihrem Gipfeltreffen in Wales. Nach einem monatelangen antirussischen Dauerfeuer der westlichen Medien und bösen Angriffen seitens der Politik wurde das Treffen genutzt, um eine Generalmobilmachung gegen Russland einzuleiten. Tatsächlich geht Russland in der Ukraine mit harten Bandagen vor, allerdings als Reaktion auf eine jahrelange russlandfeindliche Politik des Westens, für die er nun die Quittung erhielt. Ein Artikel in der FAZ (12.09.2014) brachte es auf den Punkt: „Der Westen […] verhält sich wie jemand, der einem ungehobelten Nachbarn erst ein Bein stellt, sich dann über seine ruppige Gegenwehr wundert und ihm danach Strafpredigten hält”. Dennoch wurde Russland
auf ungewöhnlich scharfe Weise im Abschlussdokument des Gipfels kritisiert und die „russische Eskalation und illegale militärische Intervention aufs Schärfste verurteilt“. Doch es blieb nicht bei drohenden Worten: Schon vor dem Gipfel wurde die Militärpräsenz beträchtlich erhöht, wie der damalige NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bereits im Mai 2014 zufrieden feststellte: „Wir haben bereits unmittelbare Maßnahmen ergriffen: Mehr Flugzeuge in der Luft, mehr Schiffe auf dem Meer und mehr Manöver am Boden“. Doch auf dem NATO-Treffen wurde in dieser Hinsicht noch einmal ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen. Dort wurde ein „Readiness Action Plan“ verabschiedet, mit dem eine umfangreiche Mobilmachung in Richtung Russland
eingeleitet wurde. Die wesentlichen Elemente des bis heute geheim gehaltenen Dokumentes beschrieb die FAZ (31.08.2014) folgendermaßen: „Die Nato will erstmals seit dem Beitritt früherer Mitglieder des Warschauer Pakts eine sichtbare Präsenz an ihrer Ostgrenze aufbauen. Es geht um neue Stützpunkte und die Verlagerung von Ausrüstung bis hin zu Panzern. Außerdem soll eine schnelle Eingreiftruppe mit etwa 4000 Mann gebildet werden, die man im Fall eines Angriffs oder Einsickerns feindlicher Kämpfer binnen Tagen nach Osten verlegen kann. […] Auch die Bundeswehr will sich an der Rotation der Kampftruppen beteiligen. Anfang kommenden Jahres soll eine Kompanie, etwa 150 Mann, eine amerikanische Einheit ablösen; an welchem Ort, ist noch nicht bekannt“.
Sachsens Linke! 10/2014
DIE LINKE im Bundestag
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Abschaffung des Soli ist Ende der Solidarität! Finanzminister Schäuble will neuerdings den Solidaritätszuschlag abschaffen – und damit den Länderfinanzausgleich weiter aushöhlen.
Ländern und Kommunen zu senken – in Bremen ist sie mit über zwanzig Prozent der Einnahmen sechsmal so groß wie
in Bayern. Die hochverschuldeten Bundesländer können bei diesen Belastungen ab 2020 schwerlich ihre Aufga-
ben in vergleichbarer, bundesweit einheitlicher Qualität erfüllen. Der Ausweg: Alle kommu-
Seit den massiven Steuersenkungen Ende der 1990er Jahre sind selbst die wohlhabenden Bundesländer und ihre Kommunen kaum noch in der Lage, die ihnen übertragenen Aufgaben zuverlässig und nachhaltig zu schultern. Dies stärkt eine Ellenbogen-Mentalität und führt zu Aktionen wie der Klage Hessens und Bayerns gegen den Länderfinanzausgleich. Mit dem jüngsten Vorstoß von Finanzminister Schäuble, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, wird ein solidarischer Länderfinanzausgleich weiter torpediert. Zwar soll der Wegfall des Solis durch höhere Einkommen-, Kapital- und Körperschaftsteuern kompensiert werden. Davon würden aber nicht die bedürftigen, sondern vor allem die finanzstarken Länder und Kommunen profitieren. Der Vorstoß würde daher einen deutlich höheren Länderfinanzausgleich notwendig machen – doch dies ist politisch kaum realistisch. Das Grundlagenpapier „Länderfinanzausgleich LINKS gedacht: solidarisch und aufgabengerecht“ stellt sich dieser Entwicklung in den Weg. Ein Bestandteil des linken Alternativkonzepts ist ein Altschuldenfonds, um die sehr unterschiedliche Zinslast von
nalen und föderalen Schulden werden in einen bundesweiten Länder-Altschuldenfonds übernommen, der auf den Kapitalmärkten – vergleichbar mit dem Bund – deutlich günstigere Zinskonditionen erzielen kann als einzelne Ländern und Kommunen. Das gibt allen Ländern gleich viel Luft zum Atmen. Für die Tilgung wären die Länder nach wie vor selbst verantwortlich. Zweitens ist ein Solidarpakt III für ganz Deutschland erforderlich. Schon wirtschaftsstarke Bundesländer sind nur bedingt in der Lage, ihre strukturschwachen Regionen dauerhaft an das Niveau ihrer prosperierenden Zentren heranzuführen. In den neuen Bundesländern, Teilen des Ruhrgebietes oder in Bremerhaven ist dies selbst in den kühnsten Träumen ohne Bundesmittel kaum vorstellbar. Deshalb wird auch nach 2019 ein über den Solidaritätszuschlag finanzierter Solidarpakt III benötigt. Durch diesen verpflichtet sich der Bund E weiterhin zu strukturausgleichenden Maßnahmen und Förderprogrammen, allerdings nicht mehr ausschließlich im Osten, sondern bundesweit, damit strukturschwache Regionen in Ost wie West sowie Süd und Nord nicht abgehängt werden. Dagegen bedeutet die Abschaffung des Soli, wie sie von Schäuble gefordert wird, den Anfang vom Ende der Solidarität und hat mit sozialer Politik nichts mehr zu tun. Axel Troost
Kleinanlegerschutzgesetz schützt kaum die „Kleinen“ „Kleinanlegerschutzgesetz“ – das klingt zunächst wunderbar. Das Wörtchen „Schutz“ lässt das ja auch vermuten. Endlich wird die nette Großmutter vor gierigen VertreterInnen geschützt, die ihr unpassende, hochriskante Finanzprodukte andrehen und dabei hohe Provisionen kassieren wollen. Grundsätzlich ist es auch gut, dass nun der allererste Entwurf für ein solches Gesetz vorliegt. Hintergrund ist der Fall des Windkraftanlagenfinanziers PROKON, durch den viele Kleinanleger*innen geschädigt wurden, die hohen Renditeversprechen, einer vermeintlichen Sicherheit und ökologischen Anlageaspekten folgten. Dies alles zog sogar Kreise bis nach Sachsen, da HIT Holz Torgau mit PROKON vernetzt war und Gelder geflossen sind. PROKON vertrieb Genussscheine, deren Besitzer im Insolvenzfall nach-
rangig bedient werden. In diesem Fall erhalten sie einen großen Teil ihres angelegten Geldes nicht zurück. Dies war so einfach möglich, weil sich Genussrechte als Finanzprodukt bestehenden Regulierungen entzogen. Sie bilden eine Grauzone, gehören als Produkt einem kaum bis gar nicht regulierten so genannten Grauen Kapitalmarkt an. Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz soll dieser Graue Kapitalmarkt reguliert werden. Doch schon der erste Blick offenbart, dass zumindest der erste Entwurf dies nicht erfüllen kann und will. Viel eher geeignet ist der von meiner Fraktion und mir eingebrachte Antrag (Bundestags-Drucksache 18/769) zur tatsächlich umfassenden Regulierung des Grauen Kapitalmarkts, wodurch es letztlich kein Aufsichtsgefälle und in der Folge keinen Grauen Markt mehr geben soll. Gewiss gibt es im
Regierungsentwurf unterstützenswerte Regelungen: Eine Mindesthaltedauer für Vermögensanlagen begünstigt langfristiges Anlegen und baut spekulativem, kurzfristigem Handeln vor. Auch erweiterte Befugnisse der Finanzaufsicht BaFin sind sinnvoll, wenngleich nicht ausreichend – nicht nur aus dem Grund, dass die BaFin ihren eigenen Aufsichts- und Kontrollaufgaben in der Vergangenheit nicht immer konsequent nachkam. Das Problem, dass viele Finanzprodukte den längst explodierenden Markt fluten, die intransparent, vom Risiko nicht kalkulierbar, volkswirtschaftlich schädlich sind und somit gar die Finanzmarktstabilität beeinträchtigen, wird überhaupt nicht angegangen. Nicht zuletzt aus diesem Grund fordert DIE LINKE einen Finanz-TÜV, was bedeutet: Jedes Finanzpro-
dukt, jede/r Finanzakteur/in und jede Finanzpraktik bedarf der ausdrücklichen Zulassung, bevor sie auf den Markt geht Auf der anderen Seite lässt die Bundesregierung in ihrem Entwurf das richtige Augenmaß vermissen. Ja, es soll aus unserer Sicht keine Regulierungslücken geben, und jedes Finanzinstrument soll reguliert sein – wie im Entwurf nun auch z. B. Nachrangdarlehen. Aber eine harte Einschränkung beim Einwerben von Direktkrediten und Prospektpflicht nun auch z. B. für Nachrangdarlehen, die kleine Unternehmungen und Initiativen fast in der Höhe ihres Jahresumsatzes trifft, belastet fast die ganze alternative Wirtschaftsszene, bedroht Dorfläden, Kitas, Bürgerenergieprojekte und kleine Genossenschaften. Diese drohen finanziell kaputt zu gehen, wodurch der Weg letztlich nur noch für stark
profitorientierte Unternehmungen und Initiativen frei ist. Das kann von der LINKEN nicht gewollt sein, denn wir brauchen ebenso alternative Finanzierungsformen jenseits des Finanzmainstreams. Deshalb gilt es nun den schwierigen Spagat zu schaffen, kein Finanzinstrument unreguliert zu lassen, den Grauen Kapitalmarkt nach und nach auszuhebeln, aber gleichzeitig Non-Profit-Unternehmungen z. B. dadurch nicht sterben zu lassen, dass man hier eine abgestufte Regulierung mit Augenmaß einzieht. Dies klingt dann auch wieder wunderbar. Susanna Karawanskij
Geschichte
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Anmerkungen zur Chruschtschow-Ära 1953-1964 Der Bergmannssohn und gelernte Maschinenschlosser Nikita Chruschtschow (1894-1971) kämpfte seit 1918 als junger Kommunist gegen weiße Konterrevolutionäre und ausländische Interventen. Erst nach seinem Studium an der Arbeiterfakultät in Juzowka und an der Moskauer Industrieakademie machte er eine steile politische Karriere. Als Parteichef der sowjetischen Hauptstadt (1935-1938, 19491953) und der Ukrainischen Unionsrepublik (1938-1949) hatte er maßgeblichen Anteil an den wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen, am Sieg über den Faschismus, aber auch an den ungeheuerlichen Verbrechen unter Stalin. Widersprüchlich bis heute ist auch das Bild über sein Wirken als l. Sekretär der KPdSU (1953) und noch zusätzlich als Ministerpräsident (1957) – seine Rolle bei der Erneuerung des sowjetischen Staatssozialismus, der Gestaltung der Beziehungen zu den entstehenden sozialistischen Ländern in Europa und Asien, der Umwandlung der UdSSR zur zweiten Weltsupermacht und der offensiven, teils riskanten Abwehr des Weltmachtstrebens der USA, den sowjetischen Herrschaftsbereich einzudämmen und letztlich auch auszuschalten. Die Reformer um Chruschtschow brachten die UdSSR aus der durch Stalinismus, Krieg und Kalten Krieg entstandenen ökonomischen und politischen Sackgasse heraus. Die kollektive Parteiführung unter Chruschtschow versuchte die in den osteuropäischen Volksdemokratien und in den zwischennationalen Beziehungen im sozialistischen Lager entstandene kritische Situation durch Reformen von oben und eine stärke-
re Beachtung der nationalen Besonderheiten zu entschärfen, ohne jedoch die Grundstrukturen der Sowjetgesellschaft und die imperiale Hegemonialpolitik anzutasten. Die wirtschaftlichen Beziehungen im RGW wurden intensiver, 1955 ergänzt durch das Verteidigungsbündnis des Warschauer Vertrages. Die strategischen Beziehungen zur einflussreichen Gruppe nicht paktgebundener und kolonialbefreiter Länder wie Jugoslawien, Indien, lndonesien, Burma, Ägypten, Syrien, Algerien oder Kuba waren nicht unwesentlich für die Durchsetzung einer friedlichen Koexistenz der unterschiedli-
ten US-Militärintervention in der Schweinebucht um militärischen Schutz bat, schlug Chruschtschow seinen engsten Mitstreitern ein riskantes Unternehmen vor: „Wie wäre es, wenn wir den Amerikanern einen unserer Igel in die Hosentasche stecken?“. Die Kremlführung machte nun das nach, was die militärisch überlegene USA und NATO schon dutzendfach zuvor gegen die UdSSR organisiert hatten: Unter strenger Geheimhaltung wurden 42 strategische Flugkörper R-12 und R-14 auf der Karibikinsel stationiert. Als der CIA das am 22. Oktober 1962 entdeckte, verhängte Präsident Kennedy
chen Gesellschaftssysteme und für den sozialen Fortschritt. Angesichts der nicht nachlassenden Konkurrenz und Bedrohung durch das weltweit organisierte kapitalistische System erreichte die UdSSR unter seiner Herrschaft enorme wissenschaftlich-technische Fortschritte, vor allem in der Weltraumforschung („Sputnikschock“ 1957) und der atomaren Rüstung. Als die kubanische Regierung unter Fidel Castro nach der gescheiter-
eine Seeblockade und drohte für den 26. Oktober 1962 mit einem Luftangriff auf Kuba. Chruschtschow gab seinen Raketenstützpunkt auf, erreichte aber im Gegenzug die bis heute eingehalte Zusicherung, gegen Kuba nicht mehr militärisch zu intervenieren und auch US-Raketen aus der Türkei abzuziehen. Im Vorfeld des XX. Parteitages der KPdSU (Februar 1956) warf Chruschtschow im engsten Führungszirkel die Frage auf, ob das,
was in der Stalin-Herrschaft geschah, „wirklich noch Kommunismus“ sei. Einflussreiche Führer wie Molotow und Kaganowitsch warnten vor dem Offenlegen der Verbrechen Stalins, um „keine Naturkräfte zu entfesseln“. Es genüge, die „Fehler“ ohne öffentliche Debatte zu korrigieren. Aber der Parteichef verlangte, „den Mut aufzubringen, die Wahrheit zu sagen“. ln seiner Rede auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956, die vorerst nur im engen Kreis von Funktionären bekannt wurde, entlarvte er einige Seiten des diktatorischrepressiven und sich selbst zerstörenden Herrschaftssystems des „Vaters aller Völker“ und führte die UdSSR aus der Krise, sicherte in dieser sog. Tauwetterperiode aber zugleich die sowjetische Interessensphäre in Osteuropa – 1956 durch Kompromisse in Polen, aber auch durch blutige Militärintervention in Ungarn. Durch die rigorose Verurteilung Stalins bis hin zur Entfernung seiner sterblichen Überreste aus dem LeninMausoleum kam es schließlich zur Todfeindschaft mit dem nach sowjetischem Vorbild entstandenen China. ln seiner groben Art vereinfachte und rechtfertigte er diesen Rückschlag nach seinem letzten Gespräch mit Mao 1958: „Es ist schwer, eine Vereinbarung mit einer alten Galosche zu treffen. Er kann uns unseren Umgang mit Stalin nicht verzeihen“. Es gelang Chruschtschow letztlich aber nicht, in einem durchaus riskanten Reformmanöver von oben, gestützt auf die entscheidenden sozialen und politischen Kräfte, den autoritären Staatssozialismus in einen demokratischen und ökonomisch überlegenen Sozialismus umzubauen. Er scheiterte an der Fra-
ge, wie man das System erneuert, ohne die Grundlagen seiner Existenz zu zerstören, und kapitulierte schließlich mit seinem Rücktritt im Oktober 1964. Zweifellos gelang es Chruschtschow im Jahrzehnt seiner Herrschaft, als primus inter pares das eigene Land ökonomisch und sozial wie auch hinsichtlich größerer Freiheit und Demokratie voranzubringen, teil- und zeitweise eine friedliche Koexistenz beider Weltsysteme zu erreichen und den Zerfall des kapitalistischen Kolonialsystems in Afrika und Asien zu beschleunigen. Zerschellt sind allerdings seine wieder aufgegriffenen Ideen und Versuche von der sozialistischen Entwicklung dieser sozialökonomisch rückständigen Neustaaten der sog. Dritten Weit – wie auch seine utopische Vision, die UdSSR bis 1980 in eine „klassenlose kommunistische Gesellschaft“ umzuwandeln. Erst Gorbatschow unternahm seit 1986 einen zweiten Versuch, den sowjetischen Staatssozialismus umzubauen und zu demokratisieren. Doch er verfügte weder über ein tragfähiges Konzept, noch besaß er die politische Durchsetzungsfähigkeit und Massenzuspruch. Zudem war er getrieben von Macht und Eitelkeit, aber auch bekämpft vom einstigen Politbüromitglied Jelzin. Deshalb ging der letzte sowjetische Partei- und Staatschef als Abwickler der sowjetischen Weltmacht und als einer der Weichensteller des Übergangs vom Staatssozialismus zum Oligarchenkapitalismus in die Geschichte ein. So erklären sich die große Dankbarkeit und die vielfältigen Ehrungen, die „Gorbi“ im letzten Vierteljahrhundert von den „Siegern der Geschichte“ erhielt. Karl-Heinz Gräfe
Gestapo unterstellt war. Daneben werden auch einige kleinere KZ-Arbeitskommandos, wie es sie in Seifhennersdorf, Klein Radisch und Niederoderwitz gab, erwähnt. Am Beispiel des KZ-Außenlagers Bautzen erfährt der Leser von den KZ-Gräueln, wie sie sich in allen Lagern ähnlich und noch grausamer in Radeberg zeigten. Insgesamt waren zwischen 1944 und 1945 in diesen Lagern 13.700 Häftlinge aus mehr als 20 Nationen Europas eingepfercht. Darunter befanden sich auch viele Juden. Von den 41 Autoren/Zeitzeugen wurden nur fünf nach dem Krieg geboren. Fast alle Artikel und Berichte der Autoren in der Sonderausgabe II sind deshalb erlebnisorientiert, weil die Zeitzeugen 1945 nicht nur Kinder bzw. Jugendliche waren, sondern als junge Menschen noch 1944/45 in den Krieg eingezogen wurden
und heute im hochbetagten Alter sind. Wir sind froh, dass sie sich alle als Autoren in diese Sonderausgabe einbrachten. Dazu gehört beispielsweise der ehemalige Görlitzer Horst Schneider (Prof. Dr. sc., Jg. 1927, jetzt Dresden), der in westliche Kriegsgefangenschaft geriet und das Elend der US-Todeslager auf den Rheinwiesen (James Bacque, Der geplante Tod) kennenlernte. Das Buch (244 Seiten mit vielen Abbildungen) ist zum Vorzugspreis von 10,50 € erhältlich. Bestellungen sind bitte per E-Mail zu richten an: info@lausitzer-almanach.de Die Zustellung erfolgt auf dem Postweg in einer Luftpolstertasche zum Rechnungspreis von 12,00 €. Dr. Dieter Rostowski, Herausgeber, Vorsitzender des Autorenkreises „Lausitzer Almanach“ e. V.
Das Ende vor 70 Jahren Im Jahr 2015 jähren sich zum 70. Mal die Befreiung des deutschen Volkes vom Hitler-Faschismus. Anlass für Historiker und andere Wissenschaftler, Publizisten sowie zahlreiche Zeitzeugen, den Autorenkreis „Lausitzer Almanach“ e. V. mit Beiträgen für eine Sonderausgabe im Buchformat (DIN A5) zu unterstützen. Bedeutsam sind die historischphilosophischen Autorenbeiträge zu den unmittelbaren Kampfhandlungen im April/Mai 1945 in Ostsachsen. Besonders harte Kämpfe tobten bei der Überwindung der Neiße sowie in den Kampfstreifen der 52. Sowjetischen Armee und der 2. Polnischen Armee zwischen Niesky und Weißenberg sowie sehr verlustreich um und in Bautzen. Auch die Kämpfe zwischen Bautzen-Kamenz-Elstra-Großröhrsdorf oder im Gebiet um Hoyerswerda und Königsbrück wurden
äußerst erbittert geführt. Verschiedene militärhistorische Fotos und Lageskizzen veranschaulichen die Darstellungen und Berichte. Über 30 Zeitzeugenberichte stellen Momente der Erinnerungen zum Jahr 1945 dar und sprechen nicht nur Erlebtes und Gefühle an, sondern fordern zum Nachdenken heraus. Mit unserer Buchausgabe legen wir Kriegsverbrechen auf beiden Seiten der Front schonungslos offen. „Willkürliche Tötungen“ von Zivilisten, desertierten Soldaten und Kriegsgefangenen bewegen heute noch die Menschen in Ostsachsen. Deshalb sollen Zeitzeugenberichte und andere Darstellungen diese meist unerwähnten Toten beider Seiten der Front dem Vergessen entreißen. In Dokumentationen werden von Autoren Wehrmachts- und SS-Verbrechen an unschuldigen
leicht und schwer Verletzten der gegnerischen Seite entlarvt. Erschütternd sind dazu Aussagen deutscher und sorbischer Menschen, die alles hautnah anschauen und erleben mussten. Doch auch willkürliche Übergriffe durch sowjetische und polnische Soldaten sind nicht ausgespart und erhellen schlaglichtartig die Kriegsgräuel des Jahres 1945 in der Lausitz und auf sächsischem Boden. Bedeutsam ist dabei ebenfalls die dokumentarische Skizzierung der 1944/45 bestehenden KZ-Außenlager und der von dort ausgehenden Todesmärsche für die KZ-Häftlinge. Allein in Ostsachsen gab es elf solcher Lager. Das betraf die durch die SS geführten größeren KZ-Außenlager Bautzen, Görlitz, Kamenz, Niesky, Weißwasser und Zittau wie auch das Arbeitserziehungslager (AEL) Radeberg, das der
Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Termine Leipzig, 14. Oktober, Dienstag, 18.00 Uhr Vortrag und Gespräch. Aus drei Jahrhunderten sächsischrussischer Kulturbeziehungen oder über die Russen und über uns. Mit Prof. Dr. sc. phil. Erhard Hexelschneider (Leipzig), Moderation: Prof. Dr. Manfred Neuhaus. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Die Geschichte der russischsächsischen und umgekehrt der sächsisch-russischen Kulturbeziehungen ist, überblickt man die letzten drei Jahrhunderte, sehr wechselhaft. Zeiten eines intensiven geistigkünstlerischen Austausches und gegenseitiger Annäherung wechseln, bedingt durch Perioden starker politischer Verwerfungen und Gegensätze, mit Phasen großer Entfernung. Zwangsläufig wird dabei immer das Verhältnis zwischen den Russen und uns berührt. Den Stand der heutigen Forschung anhand ausgewählter Probleme zu markieren, ist das Anliegen dieses jahrelange Forschungsarbeit bilanzierenden Vortrags. Dresden, 15. Oktober, Mittwoch, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion. Domestic Utopias – Eine Geschichte Feministischer Wohnutopien der Moderne. Mit Felicita Reuschling, Redakteurin und Autorin. WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Leipzig, 16. Oktober, Donnerstag, 18.00 Uhr Buchvorstellung und Gespräch: »Walter Friedrich und die Jugendforschung in der DDR. Autobiografische und wissenschaftsgeschichtliche Dialoge«. Mit den AutorInnen Prof. Dr. Karl Heinz Braun und Dr. Uta Schlegel, unter Teilnahme von Prof. Dr. Walter Friedrich. Moderation: Prof. Dr. Wolfgang Geier. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Das 1966 gegründete „Zent-
Impressum Links! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Herausgebergremium: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Dr. Achim Grunke, Rico Schubert
ralinstitut für Jugendforschung beim Ministerrat der DDR“ (ZIJ) in Leipzig war eine der bedeutsamsten Wissenschaftseinrichtungen der DDR und hatte hinsichtlich der thematischen Breite und Qualität der Untersuchungen hohe Reputation. Der Band erhellt über die ungewöhnliche Perspektive eines intensiven und sehr offenen dialogischen Gesprächs mit seinem Direktor Walter Friedrich. Leipzig, 16. Oktober, Donnerstag, 20.00 Uhr Film und Gespräch. 10. globaLE: »FREIgestellt (Die Zukunft der Arbeit in Zeiten des Überflusses)«. Teilanimierter Dokumentarfilm, Regie: Claus Strigel, BRD 2012, Dauer 90 min., Deutsch, anschließend Diskussion mit Werner Rätz (AG Genug für Alle, attac). Eine Veranstaltung von globaLE e.V. mit Unterstützung der RLS Sachsen. UT Connewitz, Wolfgang-Heinze-Straße 12a, 04277 Leipzig Seit der Vertreibung aus dem Paradies arbeitet die Menschheit daran, den paradiesischen Urzustand eines Überflusses ohne Arbeit zu erreichen. Heute, zu Beginn der postindustriellen Ära, droht diese Vision zunehmend Wirklichkeit zu werden. Der Film begibt sich auf die Reise in eine Zukunft, die schon längst begonnen hat: das Ende der Arbeitsgesellschaft. Doch jedes Ende ist auch Ausgangspunkt für Ideen, Visionen und reale Modellversuche. Dresden, 21. Oktober, Dienstag, 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion. REIHE: JUNGE ROSA. Chancengleichheit, Gleichheit, Gerechtigkeit? Alles das Gleiche? Mit Stefan Hartmann, stellvertretender Vorsitzender DIE LINKE. Sachsen. WIR-AG, Martin-LutherStraße 21, 01099 Dresden Leipzig, 21. Oktober, Dienstag, 18.00 Uhr Bildvortrag. GRATWANDERUNG - Kunstarbeit in der DDR***. Mit Prof. Dr. Rainer Verleger: Verein Linke Kultur und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Ter-
Schade, Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle/Saale. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Wie war künstlerisch Arbeiten und Leben in der DDR möglich, jenseits von Anpassung und Schwarzweißklischees? Prof. Rainer Schade spricht in seinem Bildvortrag über dieses Phänomen zeitkritischer Kunst und der Umgehung der DDRZensur und anhand eigener Werke zeigte er, wie man auch innerhalb dieses Systems als „unangepasster“ Künstler wirken konnte. Glauchau, 21. Oktober, Dienstag, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion. Mit links verstehen! – Die Europäische Union. Mit Anja Eichhorn, MA Europabüro Dr. Cornelia Ernst (MdEP), DIE LINKE. Eine Kooperationsveranstaltung der RLS Sachsen und dem Büro der Europaabgeordneten Dr. Cornelia Ernst Leopoldstraße 24, Glauchau Chemnitz, 22. Oktober, Mittwoch, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion. Grundeinkommen und Wachstum***. Mit Dr. Ulrich Schachtschneider, Sozialwissenschaftler (Oldenburg). Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen in Kooperation mit AGENDA21-Netzwerk Grundeinkommen, dem Chemnitzer Umweltzentrum und der Volkshochschule Chemnitz. Veranstaltungssaal, dasTietz, Moritzstraße 20, 09111 Chemnitz Einerseits bietet ein Grundeinkommen Freiräume und Sicherheiten, alternative Lebensstile des „Weniger“ ausprobieren zu können. Andererseits – so eine Kritik aus ökologischer Richtung – könnte eine ständig sicher sprudelnde Geldquelle eine konsumtive Grundhaltung fördern, für die stetiges Wachstum nötig sei. Würde ein „Öko-Grundeinkommen“ das passende für eine Postwachstumsökonomie sein? mine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auflage von 15.150 Exemplaren gedruckt. Redaktion: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Ute Gelfert, Ralf Richter
Leipzig, 28. Oktober, Dienstag, 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion. Marxismus-Leninismus – warum noch drüber reden? Debatten um ein Stichwort im Historischkritischen Wörterbuch des Marxismus. Mit Wolfram Adolphi (Berlin). Moderation: Dr. Jürgen Stahl. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Das Projekt des Historisch-Kritischen Wörterbuchs des Marxismus (HKWM) wurde vor über dreißig Jahren begonnen. Es gehört zur Leitlinie der Herausgeber um Wolfgang Fritz Haug, die theoretischen, historisch-kritischen Forschungen mit den aktuellen Problemen der Gegenwart zu verknüpfen. Chemnitz, 29. Oktober, Mittwoch, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion. Totalitäre Arbeitsgesellschaft und Nationaler Sozialismus - Die negative Utopie der Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe***. Mit Felix Gnisa (Leipzig). Lesecafé Odradek, Leipziger Straße 3, 09113 Chemnitz Während des Ersten Weltkriegs entwickelte sich unter einigen linksradikalen Parteiintellektuellen der SPD die Vorstellung vom Weltkrieg als Weltrevolution, vom Klassenkampf auf nationalstaatlicher Ebene zwischen dem proletarischen Deutschland und dem bourgeoisen England. Sie entwarfen das Bild eines deutschen Sozialismus, der den individualistischen Kapitalismus, verkörpert durch England, überwinden sollte. Dresden, 29. Oktober, Mittwoch, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion. Das Historisch-Kritische Wörterbuch des Marxismus (HKWM). Ein Gespräch über ein Jahrhundertwerk. Mit Thomas Pappritz, Redaktionsmitglied. WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Das Projekt des HistorischKontakt: redaktion@linke-bildung-kultur.de Tel. 0351-84389773 Bildnachweise: Archiv, iStockphoto, pixelio Redaktionschluss: 29.09.2014 Die nächste Ausgabe erscheint vrsl. am 06.11.2014.
Kritischen Wörterbuchs des Marxismus (HKWM) wurde vor über dreißig Jahren begonnen. Es gehört zur Leitlinie der Herausgeber um Wolfgang Fritz Haug, die theoretischen, historisch-kritischen Forschungen mit den aktuellen Problemen der Gegenwart zu verknüpfen. Das Projekt des HKWM wird von Thomas Pappritz, einem Redaktionsmitglied, in seiner Geschichte, inhaltlichen Ausrichtung und der Art und Weise seiner Arbeit vorgestellt. Leipzig, 30. Oktober, Donnerstag, 18.30 Uhr REIHE: ROSA L. IN GRÜNAU. Politik braucht Sprache! Braucht Sprache Politik?*** Mit Prof. Dr. Peter Porsch, Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. Klub Gshelka, An der Kotsche 51, 04177 Leipzig Cunnersdorf, 31. Oktober, Freitag, 20.00 Uhr Vortrag und Diskussion. REIHE: Philosophinnen in Cunnersdorf***. Mit Wolfgang Giese, Philosoph. Eine gemeinsame Veranstaltung der RosaLuxemburg-Stiftung Sachsen mit der Alten Schule Cunnersdorf e.V. Alte Schule e.V. / Schulweg 10 / 01920 Schönteichen OT Cunnersdorf Seit Jahrhunderten haben Frauen für Astronomen gerechnet, für Botaniker und Zoologen gemalt und gezeichnet, haben wissenschaftliche Bücher übersetzt und sich in vielfacher Weise für den Fortschritt in der Wissenschaft „nützlich“ gemacht und haben große Philosophen in ihrem Leben und in ihrem Denken ermutigt, begleitet und vor allem eigenständig philosophisch gedacht, ohne dafür Anerkennung zu finden! Es wird eine dieser herausragenden Philosophinnen vorgestellt. *** in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung: Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e.V. Die Zeitung kann abonniert werden. Jahresabo 10 Euro incl. Versand. Abo-Service Tel. 0351-84389773 Konto: 3 491 101 007, BLZ: 850 900 00, Dresdner Volksbank
Rezensionen
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10/2014 Links!
„Die Abwicklung – Eine innere Geschichte des neuen Amerika“ Wann hat man Gewissheit, dass ein Buch richtig gut ist? Das ist zumeist dann der Fall, wenn man irgendwann beim verstohlenen Vorblättern mit einiger Betrübnis feststellt, dass das Buch nur noch dreißig Seiten Lektüre übrig hat … In „Die Abwicklung“ von George Packer wird diese Betrübnis sogar noch intensiviert, weil es als Sachbuch persönlich wird. Der Leser begleitet mehrere Menschen, Schwarze wie Weiße, erlebt ihre Hoffnungen, Enttäuschungen und ihr Wiederauferstehen nach jedem Niederschlag. Das ist die emotionale Komponente. Hinzu tritt das Politische – und das wird derart augenöffnend präsentiert, dass man danach am liebsten vollkommen unpolitisch sein möchte. Da gibt es einen jungen Mann, der sich schon an der Uni für Politik engagiert und den großen Demokraten Joe Biden einlädt, um vor den Studenten zu sprechen. Der irischstämmige Student mit dem Namen Connaughton glaubt noch an etwas. Vielleicht daran, die Welt ein kleines bisschen sozialer, gerechter und besser zu machen. Er will ja gar nicht die Revolution, nein, nur das, was wohl auch über 80 Prozent der Linken-Wähler in Deutschland wollen: Den Kapitalismus ein wenig „zähmen“ und wenigstens die wildesten Auswüchse beseitigen. Connaughton glaubt, hofft und scheitert – zum Schluss katapultiert er sich aus seiner Klasse des politischen Establishments, in dem sich alle so gut eingerichtet haben, mit einer Rede, die Wahrheiten enthält, die keiner hören will – und fühlt sich danach frei wie nie. Ein starker Abgang, und kein kleines fieses Nachtreten, wie es weniger aufrechte Zeitgenossen praktizieren, wenn sie sich von ihren eins-
tigen Weggefährten lossagen. Bis es aber so weit ist und Connaughton den Abflug nach Costa Rica macht, hat er jede Menge bittere Erfahrungen gemacht – mit Politikern und als Vertreter von einer Lobbygruppe. Man lernt in dem Buch, worauf es für sogenannte Spitzenpolitiker ankommt: Den Anschein von Kompetenz zu vermitteln. Und das allzu oft mit hohlen Phrasen, die im Brackwasser der Beliebigkeit langsam untergehen, wie es der großartige Kabarettist Georg Schramm sagen würde. Was das Buch, das im S.Fischer Verlag erschien, so einzigartig macht, ist, dass es nicht nur Zeitgeschichte mit Einzelschicksalen verbindet, sondern auch ein Meisterwerk des investigativen Journalismus ist, wie wir ihn in Europa vielleicht noch in der Le Monde Diplomatique finden. Man muss tief graben, um die Entwicklung der letzten zehn bis fünfzig Jahre aufzudecken, die der Autor als „Abwicklung“ seines Landes versteht – ein Begriff, bei dem ein Ostdeutscher plötzlich den Amerikaner sehr gut verstehen kann. Es geht um die Abwicklung ganzer Industrien, um die systematische Verschlechterung von Arbeitsbedingungen und Bezahlungen, wenn erst in der Produktion die Stellen wegfallen, die verbliebenen erst mehr arbeiten dürfen und dann durch Leiharbeiter ersetzt werden, schließlich die Schulen schließen, dann die Läden, die Menschen wegziehen, die Straßenzüge veröden, die Kriminalität neuen Nährboden findet. Wenn man diese Abwicklungsgeschichte liest und vielleicht selbst aus dem „Stahldreieck“ in Sachsen (Riesa, Gröditz, Zeithain) stammt, oder schon im Ruhrgebiet die Ähnlichkeit der Schicksale in anderen Regionen
gespürt hat, dann erfährt man in dem Buch eine Erweiterung der Perspektive von der deutschen zur amerikanischen Geschichte der Abwicklung. Wie viel Hoffnungen wurden Obama entgegengebracht, gerade von den Leuten, die das Sterben ihre Orte erlebten? Und wie bitter wurden sie enttäuscht. Längst spricht man in den USA vom Rustbelt, vom Rostgürtel, und meint damit die Regionen, die einmal das Zentrum der Industrie waren und wo zahlreiche Autohersteller den Menschen Brot, Arbeit und Selbstvertrauen gaben – geblieben ist Walmart, der alle kleinen Geschäfte im Umland plattge-
– die Demokraten legten in der Ära von Bill Clinton die Grundlage der Finanzkrise von 2008. Wenigen dürfte bekannt sein, dass die USA aus der Bankenkatastrophe Ende der 20er Jahre eine Lehre gezogen haben und mit einem Glass-Steagall-Act von 1933 dafür gesorgt haben, dass bei den Banken das normale Geschäft vom Investitionsgeschäft trennte. Dies beendete Clinton 1999 mit der Erlass des GrammLeach-Biley-Gesetzes auf, und endgültig entfesselt wurde der Spekulationsmarkt, als im Jahr 2000 die Aufsicht über den Derivatehandel faktisch aufgehoben wurde. Obama, dem die Wall-
macht hat. Es geht steil bergab, weil man die letzten Sicherungssysteme längst geschliffen hat
street den Wahlkampf finanzierte, hat nichts Grundlegendes geändert. Die Flucht ins Betongold
vor 2008 im sogenannten Sun Belt konnte sich nur zu einer Finanzkrise auswachsen, weil die Banken seit 1999 leichtfertig im Immobiliengeschäft spekulierten, hunderttausende Menschen in den Ruin trieben, um sich dann am Ende vom Staat retten zu lassen. Das Buch stellt einerseits dar, wie Politiker und Banker ihr Land zerstören, um dem reichsten Prozent der Bevölkerung zu Diensten zu sein. Andererseits werden dem engagierte Menschen entgegengestellt, von denen wir hier vieles lernen können. Zum Beispiel wird eine Initiative vorgestellt, die etwas tun will gegen Kriminalität – indem sie die leer stehenden Häuser erfasst, ihre Besitzer ermittelt und die Kommune unter Druck setzt, endlich etwas zu tun – auch gezielt Immobilien aufzukaufen und Begegnungsorte, Stadtteilzentren zu schaffen, in denen Wissen vermittelt, Aufklärungsarbeit betrieben wird. Vor allen Dingen ist auch wichtig, dass in den Städten und Gemeinden die Häuser und Grundstücke den Einheimischen gehören und nicht renditegeilen Fremdinvestoren, denen am Ende die Stadt und die Menschen vollkommen egal sind, weil man nur am Profit interessiert war. Am Schluss der Lektüre ahnt man, wie viel gerade in Ostdeutschland, aber auch in Westdeutschland seit 1990 schief gelaufen ist, und was jetzt alles getan werden muss, um von einer Gesellschaft des Gegeneinanders und des Konkurrenzdenkens wieder zu einer Gesellschaft des Miteinanders und der Genossenschaften zu kommen. Die Wende geht vom Volke aus – nicht von den Obamas dieser Welt. Dieses Buch gehört in alle öffentlichen Bibliotheken. Ralf Richter
batte wiederbelebt. Demnach liegt die Entfremdung in der Tatsache, dass aufgrund der Beschleunigung jede Form von Erfahrung entwertet wird. „Wenn das Gegenteil von Entfremdung bedeutet, sich an einem Ort, mit bestimmten Menschen oder in bestimmten Handlungszusammenhängen ‚zu Hause‘ zu fühlen, dann lässt sich durchaus sagen, daß spätmoderne Subjekte sich häufig in ihrem eigenen Tun nicht (mehr) wohl bzw. ‚zu Hause‘ fühlen“. Die Konsequenz einer Entfremdung von der Zeit, vom Raum, von den Handlungen, Erfahrungen und Interaktionspartnern unseres Lebens ist der Verlust der Biografie und letztlich der Authentizität. Am Ende seiner Darstellung skizziert Rosa eine neue Ethik im Sinne eines neuen Bewusstseins für Langsamkeit, Gemächlichkeit
und überhaupt der Muße, wozu er religiöse und romantische Systeme beschwört. Dabei geht es ihm um eine Veränderung des Weltbezugs oder der Art des Inder-Welt- Sein der modernen Subjekte. Dieser Essay ist gerade für den interessierten Laien ein guter Einstieg, um die Arbeit des Jenaer Soziologen Hartmut Rosa kennenzulernen. Dabei ist seine dritte Monographie zum Thema sozialer Beschleunigung ungeachtet ihrer gedanklichen Dichte sehr verständlich und anschaulich geschrieben – die Argumentation ist scharfsinnig und klar nachvollziehbar. Andreas Haupt Hartmut Rosa: „Beschleunigung und Entfremdung“. Entwurf einer Kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit. Suhrkamp Verlag, Berlin, 156 Seiten, 20 Euro.
Eine Kritik der Zeitverhältnisse Diese Besprechung bemüht sich um den Essayband „Beschleunigung und Entfremdung“ des Jenaer Soziologen Hartmut Rosa, der auf der Basis seiner intensiven Beschäftigung mit dem Phänomen der Beschleunigung in der Moderne einen neuen Zugang zum Konzept der Entfremdung entwickelt. Dabei geht es dem Autor, wie schon der Untertitel „Entwurf einer kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit“ verrät, ebenso um eine Neubelebung der Tradition der Kritischen Theorie. Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem guten Leben und danach, warum es uns heute vielfach nicht gelingt, ein solches zu führen. Das ‚Projekt der Moderne‘ beschreibt ein gutes Leben als die „Überzeugung, daß die Individuen das Recht und die Chance haben sollten, ein Leben
zu finden, das (‚authentisch‘) zu ihren Fähigkeiten, Bedürfnissen und Hoffnungen paßt“. Jedoch scheint das Autonomie- und Freiheitsversprechen der Moderne gebrochen worden zu sein. So zeigt eine Analyse der Spätmoderne negative Erfahrungen moderner Subjekte, wie Termindruck, Fremdbestimmung, Vereinzelung, Versagensängste oder gar seelische Erkrankung. Die Menschen werden „durch weitgehend unsichtbare, entpolitisierte, nicht diskutierte, untertheoretisierte und nicht artikulierte Zeitregime rigoros reguliert, beherrscht und unterdrückt“. Die moderne Gesellschaft wird nicht mehr von allmächtigen Diktatoren beherrscht, sondern von zeitlichen Strukturen engmaschig organisiert und koordiniert. Todo-Listen, Deadlines und Pro-
jekt-Zeitpläne beherrschen fortan den Alltag der Menschen. Die spätmodernen Beschleunigungsraten tendierten dazu, das Modernisierungsprojekt der persönlichen Autonomie zu untergraben. Hieraus ergibt sich für Rosa die Notwendigkeit einer neuen Kritischen Theorie der Zeitlichkeit in der spätmodernen Gesellschaft, die er unter wesentlichem Bezug auf die Arbeiten von Jürgen Habermas und Axel Honneth entwickelt. Dieser Ansatz wird zu einer Kritischen Theorie der sozialen Beschleunigung ausgearbeitet. Die soziale Beschleunigung verändert den Menschen in einem Maße, die Rosa mit dem Terminus der Selbstentfremdung zu fassen sucht und damit den von Karl Marx in den soziologischen Diskurs eingeführten Begriff der Entfremdung für die De-
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Fest – Festival – Festa: Linkes Lebensgefühl als Teil der Gesellschaft Es ist mehr als erstaunlich, dass ein linkes Fest und Festival gleichsam politisch ernsthaft und lebensfroh leicht sein kann. Das „Festa do Avante“, organisiert von der Kommunistischen Partei Portugals, ist der sommerliche Höhepunkt im portugiesischen politischen Kalender. Denn die »Festa do Avante« ist nicht nur das größte Volksfest und Musikfestival Portugals, sondern immer ein großes Treffen von Aktiven und SympathisantInnen, zwar mit ein paar Ritualen, aber ohne steifes Zeremoniell. Zu Tausenden strömen die Menschen auf das Festivalgelände, welches sich auf der anderen Seite, gegenüber von Lissabon, in Seixal befindet. Es ist einer von vielen Gänsehautmomenten, wenn die Tore für das Publikum, begleitet von rhythmischen Trommlern, geöffnet werden und das Fest vom Parteivorsitzenden Jeronimo de Sóusa eröffnet wird. Im 40. Jahr nach der Nelkenrevolution und der damit verbundenen Befreiung Portugals vom faschistischen Regime wirkt diese Geschichte kein bisschen angestaubt, sondern als omnipräsenter Teil eines gemeinsamen Lebensgefühls, das in seinem Fundament links ist. Dabei mag man den
Besucherinnen und Besuchern nicht allesamt Parteizugehörigkeit zusprechen, doch auch für die neugierigen Besucher_innen schwingt die politische Dimension mit, auch wenn scheinbar der Volksfestcharakter an der einen oder anderen Ecke überhand hat. Neben Nelken waren die vielen Stände, die kulinari-
te Freiwillige waren wochenlang beschäftigt, bevor drei Tage ausgelassene Stimmung zelebriert werden konnten. Auf dem Fest sind nahezu alle sozialistischen wie kommunistischen Parteien vertreten, die in freundschaftlicher Verbundenheit nicht nur das Gespräch und die politische Diskussion suchen, sondern
tauscht. Auch dort waren Themen um Investitionen und Kommunalfinanzen von Belang, denn die Auswirkungen der Finanzkrise sind bis heute spürbar und bezüglich der kommunalen Einrichtungen auch im traurigen Sinne sichtbar. Auch die Vernetzung spielte während des Festes eine große Rolle. Mit vielen befreun-
sche Spezialitäten aus allen Regionen Portugals anboten, mit Parolen wie »Immer Kämpfen« und »Frieden, Demokratie, Sozialismus« geschmückt. Hunder-
sich ebenso Sympathisierenden präsentieren. DIE LINKE war mit dabei und hat sich unter anderem mit Kommunalpolitikern aus der Gegend um Lissabon ausge-
deten und partnerschaftlichen Parteien haben sich die Vertreter_innen ausgetauscht, insbesondere über die Bewertung der Wahlen zum Europäischen Parla-
ment, die zukünftigen Perspektiven einer gemeinsamen europäischen Politik und gemeinsamer politischen Verantwortung. Nicht selten wurde man auch am Stand der LINKEN zu den großen politischen Sachverhalten befragt, wie etwa zu Merkels Austeritätspolitik, der Frage des Euro und dazu, wie die Entwicklung der LINKEN seit der Parteineugründung erfolgt ist. Dabei war vor allem so faszinierend, dass uns nicht nur eine hoffnungsvolle Neugier und Interesse seitens der Besucher entgegengebracht wurde, sondern dass die Fragen von allen Altersklassen gestellt wurden. Ältere Parteimitglieder fühlen sich ebenso identitär und biografisch mit dem Fest verbunden wie sehr junge Menschen, die dort nicht nur tolle Musik und Debatten erleben können, sondern auf Gleichgesinnte treffen. Diese Leichtigkeit des „Linksseins“ auf eine historisch fundierte, politische Art, aber auch als Lebensgefühl wäre als Exportgut an der einen oder anderen Stelle für die LINKE wohltuend und wünschenswert, gerade in parteientwicklungspolitischen Ansätzen. Lars Kleba & Susanna Karawanskij
Der Weißblonde mit der schwarzen Stimme: Johnny Winter ist gegangen
Bild: chascar / Wikimedia Commons / CC BY 2.0
Er war sicherlich einer der schillerndsten Persönlichkeiten in der nordamerikanischen BluesSzene. Mit langsträhnigem weißen Haar und spindeldürren Beinen in engen Jeans sprang er hüpfend wie eine wildgewordene Hexe über die Konzertbühnen und interpretierte seinen Blues mit ekstatischer Leidenschaft auf der elektrischen Gitarre, Die Intensität seiner herzzerreißenden Gesangsstimme ist vergleichbar mit der von Janis Joplin zum Zeitpunkt der Höchstform ihrer Live-Performances. So war es nicht verwunderlich, dass die
Popindustrie auf ihn aufmerksam wurde. Parallelen wurden gezogen, es gebe einen „neuen Jimi Hendrix“. Man wollte einen Superstar aus ihm machen, denn der Blues hatte gerade Hochkonjunktur in der Hippiebewegung. Die Musik von „Canned Heat“, „Cream“ mit Eric Clapton, Jack Bruce und Ginger Baker seien hier als Beispiel genannt. John Dawson Winter wurde als Sohn eines Countrysängers am 23. Februar 1944 in Beaumont im Bundesstaat Texas geboren. Er bekam recht früh Unterricht auf der Ukulele, dem Banjo und
der Klarinette, doch sein Interesse galt dann stärker der Gitarre – durch den aufkommenden Rock’n’Roll. Er gründete eine Schülerband und bekam nach einigen erfolgreichen Auftritten die Gelegenheit, eine Single zu produzieren, „School Day Blues“. Dann war es soweit: Er hörte die Musik von Muddy Waters und war sprichwörtlich infiziert von der kraftvollen Energie, die diesen Sound prägte. Als der bereits achtzehnjährige Johnny eine Liveshow von B. B. King besuchte, konnte er sich nicht beherrschen,
die Bühne zu erklimmen und sich mit einer E-Gitarre spontan einzumischen. Erste Schallplattenaufnahmen folgten als Session-Gitarrist in den Bill-HallsStudios in seiner Heimatstadt, mit diversen lokalen Bands, bis er die Chance wahrnahm, seinen Bluestitel „Ease my Pain“ aufzunehmen. Mit dem ihm damals schon bekanntgewordenen Drummer „Uncle“ John Turner und dem Bassgitarristen Tommy Shannon gründete er kurze Zeit später ein Trio, das sich hauptsächlich dem Blues verschrieb. Der Zufall wollte es, dass die Musikzeitschrift „Rolling Stone“ auf das Trio aufmerksam wurde. Der Artikel, der kurz darauf erschien, weckte das Interesse mehrerer Plattenproduzenten, und es dauerte nicht lange, bis 1969 die erste Langspielplatte bei „Columbia“ auf den Markt kam. Neben Tommy Shannon und „Uncle“ John Turner waren sein jüngerer Bruder Edgar Winter am Piano und Alt-Saxophon, Walter Horton an der Bluesharp sowie der populäre Kontrabassist Willie Dixon beteiligt. Die Platte hatte riesigen Erfolg, und Johnny Winter war nun weltweit bekannt. Wie bereits erwähnt wurde der Sänger und Gitarrist immer mehr in den erbarmungslosen Dschungel der Musikindustrie getrieben. Seine Platten wurden
rockiger und die Tourneen strapaziöser. Drogenprobleme waren die Folge. Zu seinem Glück jedoch erkannte er rechtzeitig die Risiken jener Karriere und besann sich wieder auf seine Wurzeln. Während andere Kollegen, beispielweise „Fleetwood Mac“ – einst ein gestandener Bluesrock-Kreator –, in den späten 70er Jahren dem Kommerz verfielen und angesagten, aber peinlichen Discosound fabrizierten, blieb Johnny sich treu und trotzdem erfolgreich, auch neuerdings als Produzent. 1977 entstanden bei „Blue Sky“ von „Columbia“ vier Langspielplatten mit Muddy Waters, dem „King des ChicagoBlues“, bei denen Johnny auch als Gitarrist mitwirkte. 1981 produzierte er mit Sonny Terry (dem Duo-Partner von Brownie McGhee) ein Album, das für großes Aufsehen sorgte. Seit 1974 erschienen nunmehr unzählige Winter-LPs, die sich nur noch im puren Bluesbereich bewegten (1988 auch beim DDR-Label AMIGA eine seiner besten Platten: „3rd Degree“). Die Herausgabe seines letzten eingespielten Albums „Step Back“, das er unter anderen mit Eric Clapton aufnahm, konnte er leider nicht mehr erleben. Er starb am 16. Juli 2014 in Bülach bei Zürich während einer Europa-Tournee. Wir trauern. Jens-Paul Wollenberg