LINKS! Ausgabe 10/2018

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Foto: Ein Dahmer / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0

Aufrüstung bleibt Regierungsräson

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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Oktober 2018

„Und täglich grüßt das Murmeltier“, denke ich mir beim Bundeshaushalt 2019. Betrachte ich den Entwurf zum Verteidigungsetat, habe ich das Gefühl, das alles schon einmal gelesen zu haben. Über den Haushalt für 2018 schrieb ich, dass der Verteidigungsetat mit 38,5 Milliarden Euro einen historischen Höchststand erreicht – 2019 soll er weiter auf 42,9 Milliarden Euro anwachsen. Ich schrieb, dass es angesichts der Verwerfungen in der internationalen Politik unverantwortlich sei, die Mittel des Auswärtigen Amtes und des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Haushalt 2018 abzuschmelzen – 2019 sollen beide nochmals je 76 Millionen Euro weniger erhalten. Skeptisch war ich in Bezug auf die Verpflichtung des Koalitionsvertrages, Erhöhungen im Verteidigungs-etat sollten 1:1 in die Entwicklungszusammenarbeit gespiegelt werden – zu Recht, denn 2019 ist das noch weniger der Fall. Mich überrascht das alles nicht. Denn es ist die fortgesetzte Regierungsräson, die strukturellen Probleme der Bundeswehr mit immer mehr Geld wegspülen zu wollen, statt sie an der Wurzel anzugehen. Das Hauptproblem besteht nach wie vor darin, dass es keine langfristige politische Strategie darüber gibt, was die Bundeswehr ist und was sie leisten soll. Das belegt der Entwurf des Etats. Die Ausgaben für internationale Verpflichtungen steigen weiter an, die NATOQuote wird auf gut 1,3 Prozent angehoben. Gleichzeitig ist der zweitgrößte Einzelposten mit rund 6,5 Milliarden Euro die Beschaffung von Material, aber vorwiegend solches, das auf nationaler Ebene „Fähigkeitslücken“ schließen soll. Da haben wir das gleiche Begründungsmuster wie 2018: Steigende Ausgaben im Innern werden mit internationalen Bündnisverpflichtungen begründet. Erhöhte Haushaltsansätze sind keine Problemlöser, denn schon in den letzten Jahren konnten Mittel nicht wie geplant ausgegeben werden. Neh-

men wir als Beispiel die neuen Fregatten der Bundesmarine, das Projekt F125 (Foto). 2019 sollen nochmals 67 Millionen Euro hinzukommen, obwohl die 2018 eingeplanten 296,5 Millionen Euro nicht abfließen werden, denn dieses Jahr wird keine Abnahme erfolgen. Ferner: Die Lieferverträge stammen von 2007. Gleich nach der Indienststellung werden die neuen Schiffe also zur Nachrüstung in einer Werft verschwinden. Was aber nicht ausgegeben werden kann, soll nach Willen der Koalition 2018 und ebenso 2019 bis zu einer Höhe von 500 Millionen Euro in die „Sparbüchse“ eingehen, welche faktisch einen Schattenhaushalt begründet. Wieder grüßt das Murmeltier: Der Bundesrechnungshof moniert den ungenügenden Mittelabfluss seit Jahren. Mangelnde Planung und Vergeudung von Steuermitteln, die an anderer Stelle sinnvoller einzusetzen sind, liegen auch an der chronischen Unterbesetzung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Diesem fehlen Fachleute, welche die Beschaffungszeiträume und die entsprechenden Verträge zugunsten des Geldgebers, also des Staates, gestalten können. Anstatt hier anzusetzen, vergibt das Verteidigungsministerium immer mehr Planungs- und Beschaffungsaufträge an externe Beratungsfirmen und Start-ups. Das ist alles sehr unbefriedigend. Aber „Skandal!“ zu rufen reicht mir nicht, auch wenn meine Handlungsmöglichkeiten als Oppositionspolitiker begrenzt sind. Darum werde ich die parlamentarische Kontrolle der „Sparbüchse“ durch den Haushaltsausschuss aufrechterhalten. Zudem will ich unter anderem nachprüfen, ob und wie weit der Einzelposten zur „Absicherung von ehemaligen SoldatInnen auf Zeit gegen Arbeitslosigkeit“ ausgeschöpft und ausgestattet ist. Denn Veränderung beginnt beim Kümmern um das einzelne Individuum. • Michael Leutert


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