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Wie unsere Fleischeslust zu Tierseuchen beiträgt rungsangebot und klimatische Bedingungen gesteuert wird. Große Mais- und Rapsschläge kombiniert mit milden Wintern sind die wirklichen Wachstumsfaktoren, der Jäger schießt dieser Entwicklung nur hinterher.

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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt März 2018

Hysterie bestimmt die Debatten der Gegenwart – warum sollte es beim Agrarbereich anders sein? Momentan sorgen Tierseuchen für Aufregung. Im Frühsommer 2017 haben wir die Vogelgrippe überstanden und wir streiten noch immer um Ursachen und Bekämpfung. Die Festlegung von Bekämpfungs- und Schutzmaßnahmen, ohne die Übertragungswege genau zu kennen, richtet häufig mehr Schaden an als man zu verhindern sucht. Tausende private Geflügelzüchter wandten sich mit Petitionen an den Landtag, um den großflächigen Vernichtungsfeldzug gegen gesunde Tierbestände und den Zwang zur tierschutzwidrigen Stallhaltung aufzubrechen. Der Druck wurde so groß, dass inzwischen auch die Staatsregierung darauf drängt, die entsprechende Verordnung des Bundes zu entschärfen. Während die neue Vogelgrippesaison bereits vor der Tür steht, rollt eine andere Seuche auf uns zu: die Schweinepest, diesmal die gefährlichere afrikanische Variante. Man könnte meinen, die Dichte von gefährlichen Tierseuchen nehme zu. Aber das ist ein Trugschluss. Wie die Vogelgrippe sind auch die klassische europäische wie die afrikanische Schweinepest seit langem in Mitteleuropa nachweisbar. Tiere erkranken, lokale Bestände können zusammenbrechen, eine Gesamtpopulation von Wildschweinen wird dadurch nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht gefährdet. Im Falle der Schweinepest besteht auch keine Gefahr für den Menschen. Dass die Jägerschaft die Schwarzwildausbreitung kaum mehr beherrscht, ist unter anderem ein Ergebnis von heutiger Agrarwirtschaft mit ihrem großflächigen Maisund Rapsanbau. Insofern ist der Ruf nach der Intensivierung der Jagd zwar verständlich und für die Seuchenprophylaxe auch nicht falsch. Aber die Bedeutung der Jagd für die Population von Wildtieren ist überschaubar, weil die Wildtierdichte stärker durch das Nah-

Nicht die Dichte von Seuchen nimmt zu und ist gefährlich, sondern die Dichte von Tieren in industriellen Anlagen in Verbindung mit der Zunahme globaler Handelsströme. Damit wächst die wirtschaftliche Bedrohung für Tierhalter, die von Tierseuchen ausgeht, weil das Risiko der Weiterverbreitung gestiegen ist. Das erklärt die Reaktionen agrarischer Lobbygruppen. Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, sind politischer Wille und zwei Einsichten nötig: Erstens die, dass wir zu viel Fleisch und tierische Produkte essen. Die zweite Einsicht besteht darin, dass wir von Europa aus nicht das Welternährungsproblem mit Exporten lösen müssen. Diese Einsichten würden weniger industrielle Tierhaltungsanlagen nach sich ziehen und weniger Energiepflanzenanbau, der Futter für diese Riesenanlagen (aber eben auch für Wildtiere) produziert. Zudem bringt der „Export“ unserer ungesunden Fleischeslust in bevölkerungsreiche Entwicklungsländer den Planeten tatsächlich an seine Ressourcengrenzen. Denn der Flächenverbrauch für Nutztiere ist hoch, hinzu kommt der großflächige Einsatz von Düngern, Pestiziden und der Wasserverbrauch. Der Ernährungsstil in den Industriestaaten produziert damit zusätzlich Hunger weltweit. Inzwischen gibt es dazu sogar Modellrechnungen: Würden knapp zwei Milliarden Menschen der Weltregionen mit überdurchschnittlichem Konsum tierischer Proteine (USA, Kanada, EU) – gemessen an Empfehlungen der Welternährungsorganisation (FAO) von 50 g Protein/täglich – ihre Aufnahme der Empfehlung nur annähern, könnten Acker- und Weideland sowie Emissionen eingespart werden und die derzeitigen Flächen könnten selbst bei gleichbleibender Produktivität deutlich mehr Menschen ernähren. Aber was so logisch klingt, ist nichts weniger als eine Revolution in der industriellen Agrarwirtschaft. Angesichts des Beharrungsvermögens wirtschaftlicher Systeme und der Abhängigkeit der Bauernschaft von Konzernstrukturen in Verarbeitung und Handel sollten aufgeklärte Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Druck erhöhen. • Kathrin Kagelmann


Links! 03/2018 Hans Modrow, Sie verklagten die Bundesrepublik und saßen am letzten Februartag im Großen Saal des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Das war jener Tag, an dem vor 85 Jahren der Reichstag brannte, und in ebendiesem Saal saß der Nazistaat wenig später über die vermeintlichen Brandstifter zu Gericht. Viel Geschichte auf einmal ... Nun ja, ich bin nicht Dimitroff, und die Bundesrepublik ist nicht das Nazireich. Aber mein legitimes Begehren, Einsicht in die Akten zu bekommen, die westdeutsche Geheimdienste über mich zusammengetragen haben, ließ sich nur auf dem Klageweg realisieren. Und da es sich bei BND und Verfassungsschutz um Bundesbehörden handelt, musste eben gegen den Dienstherrn vorgegangen werden. Auf dem Aushang stand: Dr. Hans Modrow gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes. Der war nicht erschienen, schickte vier BND-Beamte vor, die nicht fotografiert werden durften. Ach, das sind doch alles Petitessen. Die jahrelangen Bemühungen um Offenlegung der Akten waren erfolgreich. Allein das Stattfinden dieses Verfahren ist doch ein Fortschritt. Wie stehen Sie zur Spionage? Mir war bewusst, dass ich – wie jeder andere Politiker in der Zeit des Kalten Krieges – Ausspähobjekt von Geheimdiensten war. Unsere Kundschafter waren im Westen unterwegs, und die Agenten von drüben spionierten auf unserer Seite. Das half, allgemein gesprochen, den Frieden zu sichern. Denn je mehr die eine Seite von der Gegenseite wusste, desto sicherer war sie vor Überraschungen und konnte etwa die militärische Gefahr realistisch beurteilen. Ich erinnere nur an die frühen 80er Jahre, als die Kriegsgefahr extrem hoch war und Moskau davon ausging, dass ein Angriff der NATO unmittelbar bevorstand. Rainer Rupp alias „Topas“, die Spitzenquelle der DDR-Aufklärung im NATOHauptquartier, gab Entwarnung. Anders als etwa Richard Sorge 1941 wurde ihm Glauben geschenkt, d. h. wir vertrauten ihm, und mit vereinten Kräften gelang es, auch Moskau davon zu überzeugen, dass kein Überfall drohte. So wurde der Dritte Weltkrieg verhindert. – Ich erwähne das deshalb in solcher Breite, weil ich von der Sinnfälligkeit und Notwendigkeit der Aufklärung in der Zeit des Kalten Krieges ausgehe und darum nichts Ehrenrühriges an der wechselseitigen Ausspähung entdecken kann. Nun waren Sie aber kein Militär, sondern in verschiedenen Funktionen des FDJ- und des Parteiapparates tätig, und im Herbst 1989 wurden Sie Ministerpräsident. Warum schauten die West-Geheimdienste Ihnen auf die Finger? Ja, das ist die spannende Frage. Aus verschiedenen Quellen weiß ich, dass sich für mich bereits Spitzel der Organisation Gehlen interessierten. Gehlen war als Nazigeneral Chef der „Fremde Heere Ost“ und im Krieg Chef der Ostspionage. Der eingefleischte Antikommunist mach-

Links! im Gespräch

„Beitrag zur Befreiung aus westdeutscher Vormundschaft“ Volker Külow im Gespräch mit dem letzten DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow

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Sie haben also pariert. Natürlich hätte ich den Eklat und eine Schlagzeile haben können. Was wäre dadurch in der Sache gewonnen? Ich redete darum zwei, drei apolitische Sätze und gab meine politische Erklärung zu Protokoll. Damit war sie gerichtsnotorisch und von der Presse zitierbar. Was ist denn nun der Stand? Wir haben es mit einem „dynamischen Prozess“ zu tun. Es ist nicht nur anerkannt worden, dass das Auskunftsbegehren demokratisch legitim ist und die verklagten Bundesbehörden dem ungenügend entsprochen haben. Die BNDVertreter mussten zusichern, dass sie mir erstens in den nächsten zwei Monaten weiteres Material zukommen lassen werden und zweitens, dass sie ab Januar 2019 unaufgefordert monatsweise Unterlagen aus 1989 abgeben. Bekanntlich sorgt das Archivgesetz dafür, dass Archivalien 30 Jahre unter Verschluss blieben. Das gelte auch für einen 90-Jährigen wie mich. Nun warte ich erst einmal auf den schriftlichen Bescheid. Mit diesem Bescheid kann jeder Bundesbürger mit Nachdruck Einsicht in seine Akten fordern. Ja. Natürlich im Rahmen der Gesetze.

te nach 1945 bruchlos weiter. Aus der Organisation Gehlen wurde der Bundesnachrichtendienst und Gehlen dessen Präsident von 1956 bis 1968. Das weist auf die Kontinuität bei Personal wie Angriffsrichtung der westdeutschen Dienste, und erklärt vielleicht auch, weshalb der BND, also der Auslandsnachrichtendienst der BRD, in der DDR spionierte, obgleich doch nach dem Selbstverständnis der BRD die DDR nicht Ausland war. Es wäre also ein Gelände für den Verfassungsschutz gewesen. War es doch auch. Richtig. Mich hatten sowohl BND als auch der Verfassungsschutz auf dem Zettel. Nur der Militärische Abschirmdienst will mich nicht beobachtet haben. Das will ich gern glauben. Nur den anderen Geheimdiensten glaubten Sie nicht, als Sie bei denen anfragten, ob es Akten über Sie gebe, und diese erklärten: Nö? 2013 bestätigte mir Bundesinnenminister Friedrich schriftlich meinen Verdacht. Man habe aber schon 2012 meine Beobachtung eingestellt und bereite die Überführung meiner Akten ins Bundesarchiv vor. Also hatten westdeutsche Dienste mich auch nach dem Ende der DDR im Visier. Daraufhin richtete die Linksfraktion eine Anfrage an die Bundesregierung, die einräumte, dass mindestens 71.500 DDR-Bürger von BRDGeheimdiensten überwacht worden seien. Nun wollte ich es genau wissen und bohrte nach. Trieb Sie die Neugier? Nein, das nicht. Was ich getan habe, weiß ich selbst. Das Problem ist doch ein gesellschaftliches, ein politisches. Es geht um Transparenz und informationelle Selbstbestimmung: Wieso müssen deutsche Geheimdienste in unserem Leben rumschnüffeln? Zu Recht forderten im Herbst ’89 viele DDR-Bürger vor

den Dienststellen des MfS „Ich will meine Akte!“ Diese verlange ich auch von den westdeutschen Diensten. Es muss Gleichheit vor dem Gesetz hergestellt werden, die doch allen Bundesbürgern durch das Grundgesetz zugesichert wird. Mir scheint, dass man die Akten des MfS nur deshalb zum Ausschlachten freigegeben hat und dafür eine Bundesbehörde mit einem Jahresetat von 100 Millionen Euro unterhält, damit wir beschäftigt sind und Ruhe in anderen Dingen geben. Diese Ruhe aber ist nun dahin. Auch dadurch, dass das Gericht de facto anerkannt hat, dass die Forderung nach Akteneinsicht legitim ist. Es hat den BND aufgefordert, seiner Informationspflicht nachzukommen. Als Zuhörer hatte ich das Gefühl, dass die Richter Ihre Klage nicht als Politikum betrachteten. Da haben Sie Recht, die Richter behandelten die Sache als reinen verwaltungstechnischen Akt. Es gibt ein Archivgesetz, und es gibt ein Gesetz, das die Tätigkeit des BND schützt. Also wurde geprüft, was geht und was nicht, wo ist der Geheimdienst säumig oder wo der Kläger zu unpräzise in seiner Fragestellung. Wie aber kann ich konkret nachfragen, wenn ich nicht weiß, was sie über mich gesammelt haben? Die Richter standen zudem erkennbar unter Druck: Sie beschritten juristisches Neuland. Und sie wollten nichts falsch machen, um anschließend vom Bundesverfassungsgericht kritisiert zu werden. Sie bewegten sich vorsichtig auf vermintem Gelände, denn der Fall war politisch hochbrisant, was ihnen bewusst war. Deshalb entpolitisierten sie das Verfahren vollständig. In der Pause sagte mir der Vorsitzende Richter, dass ich für meine vorbereitete Erklärung nur drei Minuten bekäme und mich nur sachbezogen äußern dürfe. Wenn ich politisch würde, entzöge er mir sofort das Wort. Ich hatte verstanden.

Ich gewann den Eindruck, dass es unterschwellig auch noch um einen tieferen Konflikt geht ... Die fünf Richter kamen aus dem Westen, die vier BND-Vertreter ebenfalls. Und mein Anwalt reiste aus Wiesbaden an ... Natürlich zeigte sich in Leipzig auch, wer im Osten das Sagen hat. Deshalb spreche ich auch nicht von der deutschen Einheit, sondern lieber von einer Zweiheit. Damit meine ich auch die Bevormundung der Ostdeutschen durch Westdeutsche auf allen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ohne Gleichberechtigung wird es keinen inneren Frieden geben. Ich hoffe, mit meinem Vorstoß einen kleinen Beitrag in diese Richtung geleistet zu haben.

Robert Allertz: „Ich will meine Akte“. Wie westdeutsche Geheimdienste Ostdeutsche bespitzeln. Verlag Das Neue Berlin, 224 S,. 14,99 €. ISBN 978-3-360-01303-3


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Die dritte Seite

03/2018 Links!

Verschlechterungen, Leerstellen, Ungenügendes: Der GroKo-Vertrag verliert sich im Kleinklein Koalitionsverträge sind – wie so vieles im Leben – Kompromisse. Was aber nun als Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD vorliegt, ist ein Vertragswerk von jener Sorte, das noch den gierigsten Notar dazu triebe, seine werte Kundschaft zu fragen, ob sie nicht lieber ein paar Runden Mau Mau spielen wollen statt ihm seine Zeit zu stehlen. Der Koalitionsvertrag lässt sich in drei Kategorien einteilen: Verschlechterungen, Leerstellen, Ungenügendes. Zu den Verschlechterungen gehört der außenpolitische Teil, hier kann sich die Rüstungslobby freuen, es fließt mehr Geld in die Militarisierung. Im Bereich Migration hat sich der ausgrenzende Kurs der CSU durchgesetzt. Bei großen Problemen wie der Armut verliert sich die GroKo im KleinKlein, das nicht ausreicht. Zu den großen Leerstellen gehört der Osten, der stiefväterlich behandelt wird.

und der Bedarfsgemeinschaftsregelungen, keine Verbesserungen beim Arbeitslosengeld. Das Kindergeld soll in den nächsten vier Jahren um magere 25 Euro erhöht werden. Hier offenbart sich das ganze Dilemma der SPD in ihrem jetzigen Zustand. Genau jene fehlgeleitete Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, welche die Partei um mehr als die Hälfte ihrer einstigen Wählerschaft gebracht hat, wird nicht einmal ansatzweise korrigiert. Man kann das Aufbegehren

der Jusos und der Parteilinken gegen das Papier gut verstehen. Die Art und Weise, die Spitzenpositionen in der Partei sowie in einer künftigen Bundesregierung nach Gutsherrenart zu bestimmen, tut ein Übriges, um noch vorhandene Restsympathie in der Bevölkerung zu schleifen. Lediglich die überfällige Abschaffung des Bürokratiemonsters „Eigenanteile“ bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung der Kinder und bei der Schülerbeförderung soll erfol-

Das Ziel von SPD, CDU und CSU im Koalitionspapier lautet: „Wir wollen den Sozialstaat modernisieren und fortlaufend an neue Herausforderungen anpassen.“ Modernisierung und Anpassung scheinen die neuen Synonyme für „Reform“ zu sein. Wenn man das Papier liest, kann man nur sagen: Ziel verfehlt. Es gilt: Kleine Korrekturen, schwammige und unkonkrete Absichtserklärungen – ansonsten „Weiter so“!

Aus sozialpolitischer Sicht zeigt das Koalitionspapier: SPD, CDU und CSU verwalten den Stillstand statt drängende Probleme anzugehen. HartzIV-Betroffene und andere Menschen, die in Armut leben müssen, sind den drei Parteien egal: Keine Erhöhung der Armutsregelsätze, keine Abschaffung oder Lockerung der Sanktionen

• Katja Kipping

„More steel tanks than think tanks“ Das war O-Ton des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki auf der sogenannten „Münchener Sicherheitskonferenz“. Englisch „tank“ ist bekanntlich der Panzer, geschmiedet aus Stahl oder guten Ideen. „Oh, Herr, lass Hirn regnen“, habe ich auf einer Satirepostkarte gelesen. Nein, das ist nicht der Regen, den der Chef des katholischen Polen zu benötigen denkt. Ihm stehen offensichtlich die „Stahlgewitter“ der Kriege näher, die der einstige Wehrmachtsoffizier und am Ende seines Lebens zum Katholizismus konvertierte Ernst Jünger zu literarischen Ehren brachte. Herr Morawiecki schließt sich ihm an, anstatt sich einen Kopf zu machen, wie es anders gehen könnte. Sicher kennen viele die Geschichte von dem jungen Mann, der während einer Zugfahrt das Fenster öffnen will. Er schafft es nicht; offensichtlich ein schmächtiger Intelligenzler. Weil die Geschichte alt ist, muss man noch um die Technik mit dem Riemen wissen, den man mit Kraft zugleich nach oben und nach vorne ziehen musste, um damit die Bewegung des Fensters nach unten freizugeben. War nicht

gen. Das hat DIE LINKE von Anfang an gefordert und Druck gemacht. Die Leistungen für Bildung und Teilhabe sollen überprüft werden – eine Sprachregelung im Politsprech, die darauf verweist, dass nichts Substanzielles passieren soll. Und gleich noch ein Prüfauftrag: Bei der Künstlersozialversicherung soll geprüft werden, wie der wechselnde Erwerbsstatus vieler Akteure des Kultur- und Medienbereichs besser berücksichtigt werden kann. Diese Sprache ist verräterisch. Man erinnert sich gut an die inflationäre Verwendung des Begriffes Reform, der bei den Menschen inzwischen alle Warnleuchten aufleuchten lässt. Für den Großteil der Bevölkerung klingt das Wort nicht nach Besserung, sondern eher nach Krankheit.

jedermanns Sache. Ein muskulöser Bauer hilft, so geht die Erzählung weiter, dem Schwächling und es gelingt ihm natürlich, das Fenster zu öffnen. Siegestrunken belehrt er den Versager mit einem Deut auf seine Muskeln, „hier muss man es haben und nicht hier“, was er nun wieder mit seinem Finger an den Kopf zeigend unterstreicht. Der so Blamierte sinnt auf Vergeltung. Schließlich fragt er den Kraftprotz, ob der diesen Griff am roten Kasten an der Wand herunterziehen könnte. Er selbst wäre doch augenscheinlich zu schwach dafür. Stolz beweist der Muskelmann, dass er es kann. Der Zug bleibt mit Ruckeln und Quietschen stehen. Der Schaffner kommt und verdonnert den Missetäter zur Strafzahlung wegen missbräuchlicher Betätigung der Notbremse. „Da muss man es haben“, sagt nun der Intellektuelle mit einem Verweis auf seinen Kopf, „und nicht da“, während der Finger vom Haupt zum kaum ausgebildeten Bizeps wandert. Der Schlaumeier hat den Kraftmeier in die Falle gelockt. Geist und Denken lassen Folgen von Handlungen ab-

schätzen. Kraft gewinnt nur im Augenblick. Es wäre gut, wenn Herr Morawiecki und alle anderen, die so kopflos durch die Zeiten stolpern, sich darauf besinnen könnten. In der Geschichte tat jedenfalls der Gefoppte gut daran, die Strafe zu bezahlen. Da hat doch Verstand eingesetzt. Verweigerung der Bezahlung und weitere Gewalt gegen Menschen und Sachen hät-

ten möglicherweise die Fahrt für unabsehbare Zeit verhindert, den Täter schließlich in noch größere Schwierigkeiten gebracht. „Unrecht durch Unrecht bekämpft, wird noch mächtiger“, sagt uns der österreichische Schriftsteller Peter Rosegger. Gewalt gegen Gewalt war aber angesagt in München. Der eine zeigte deshalb die Trümmer einer vom Himmel geholten Drohne, verschwieg jedoch geflissentlich, dass

das gewalttätige Instrument dafür – ein Kampfflugzeug – ebenfalls gewalttätig zerstört wurde. Genau das war aber wiederum Anlass zur Androhung neuer Gewalt: Die Spirale funktioniert – letztlich ohne Sinn und Verstand. Nein, doch nicht! Sinn und Verstand wurden hier freilich nur missbräuchlich verwendet, um die Instrumente für Gewalt zu erfinden, zu bauen und anzuwenden. Hirn verwandelte sich in Stahl. Der homo sapiens wird zu einem simplen iron-man. Er kann nicht mehr weit denken. Er glaubt erkannt zu haben, dass der Krieg der Vater aller Dinge sei. In Wirklichkeit hat sich aber alle menschliche „sapientia“ von Weisheit in sture Dummheit verwandelt; sture Dummheit, die nun auch noch meint, dass es nötig sei, den Krieg vorzubereiten, wolle man den Frieden erhalten. Hat das jemals mehr gebracht als Wettrüsten und dessen stetes Ende im Krieg – von der Steinzeit bis heute? Panzerbesatzungen haben einst gesungen und singen heute noch: „Ob’s stürmt oder schneit, ob die Sonne uns lacht, ob heiter der Himmel, ob finster die Nacht, bestaubt sind die Gesichter und froh ist unser Sinn. Es braust unser Panzer im Sturmwind dahin.“ Steel-tanks rasen aufeinander los, ungebremst, gepanzert mit Gedankenlosigkeit hart wie Kruppstahl. Das Einzige, was sie aufhalten könnte, wären funktionierende think-tanks.


Hintergrund

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Kultur, aber wie? CDU und SPD wollen Stillstand beim Kulturraumgesetz festschreiben, warnt Franz Sodann

Denn heute stößt das Gesetz finanziell und strukturell an seine Grenzen. Mehr Aufgaben, gesellschaftliche Veränderungen und die Preisentwicklung überfrachten die Kulturräume. Die Zuordnung der Landesbühnen zu den Kulturräumen und die Mitfinanzierung weiterer kultureller Einrichtungen wie Museen, Bibliotheken, Musikschulen, soziokulturelle Einrichtungen, freier und kreativer Kultur und auch Tierparks überfordern sie. Kunst- und Kulturschaffende an Theatern und Orchestern verdienen in Haustarifverträgen teilweise bis zu 35 Prozent unter dem Flächentarifvertrag, was indes nicht auf die staatlichen Theater und Museen in Dresden zutrifft. Diese erhalten jährliche Tarifaufwüchse. Die ländlichen Räume werden auch in der Kultur abgehängt, die Sicherung der kulturellen Vielfalt erfolgt zulasten vieler Kunst- und Kulturschaffender. Die in der Landesverfassung verankerte

Teilhabe aller Menschen am kulturellen Leben wird so gebremst, wenn nicht gar unmöglich. Innovation, integrative und soziale Aufgaben sind, wenn überhaupt, nur mit viel Herzblut, Ehrenamt oder Lohnverzicht zu schaffen. In den letzten zehn Jahren hat der Freistaat zwar seine Zahlungen an die Kulturräume um insgesamt acht Millionen Euro erhöht. So kommt man aber nicht aus der Lohnkostenspirale heraus, denn im gleichen Zeitraum wuchsen die Entgelte nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst um 30 Prozent. Diese Entwicklung mussten selbst Blinde, Desinteressierte oder Ignorante anlässlich der 2014 durchgeführten

Überprüfung des Kulturraumgesetzes erkennen. Die Staatsregierung empfahl zwar am 3. November 2015, das Kulturraumgesetz zu überarbeiten, doch es folgten zwei Jahre Stillstand. Das zeigt den Stellenwert, den Kunst und Kultur für die CDU und SPD haben. DIE LINKE wollte genau hinsehen. Während unserer Kulturraumtour 2016 diskutierten wir in allen Kulturräumen mit Menschen aus Politik und Kultur über ihre guten und schlechten Erfahrungen mit dem Kulturraumgesetz (Mehr unter www.franzsodann. de). Anschließend entwarfen wir ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Kulturräume. Wir wollen die Kulturraum-

Foto: Andreas Praefcke / Wikimedia Commons / CC BY 3.0

Seit 1994 gibt es das sächsische Kulturraumgesetz. Um die Theater- und Orchesterlandschaft zu erhalten, entstanden drei städtische Kulturräume (Chemnitz, Dresden, Leipzig) und fünf ländliche (Vogtland-Zwickau, Erzgebirge-Mittelsachsen, Leipziger Raum, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Oberlausitz-Niederschlesien). Auf den ersten Blick ist das deutschlandweit einmalige Gesetz ein Erfolgsmodell. DIE LINKE stellt es nicht in Frage, dringt aber auf Weiterentwicklungen.

mittel um 17 Millionen Euro im Jahr erhöhen, damit Tariflöhne gezahlt werden können. Die Lehrkräfte an den Musikschulen sollen ein würdiges Honorar erhalten; die Museen, Bibliotheken und soziokulturellen Zentren sollen ihr Fachpersonal nicht länger prekär beschäftigen müssen und sogar einstellen können. Aller zwei Jahre soll die Höhe der Kulturraummittel angepasst werden, aller vier Jahre ein öffentlicher Kulturraumbericht erstellt werden. Alle der Kunst und Kultur zugewandten Interessengemeinschaften, Verbände, Stiftungen, Senate und Akademien etc. sollen dazu Stellung nehmen können, worüber abschließend im Landtag und in den Gremien beraten wird. Die Entwicklung von Kunst und Kultur würde so zur gesamtgesellschaftlichen Gestaltungsaufgabe. Außerdem sollen die Landesbühnen vom Freistaat finanziert werden. Exakt einen Tag vor der Landtagssitzung, in der wir unseren Gesetzentwurf einbrachten, legten CDU und SPD eine Novelle vor. Inhaltlich bewegt sich aber leider fast nichts: Keine Lösung zu den systemwidrig mitfinanzierten Landesbühnen, keine Demokratisierung und Transparenz der Entscheidungsprozesse, keine Erhöhung und Dynamisierung der Landesmittel, keine Kriterien für die nächste Evaluation. Geräuschlos soll die Novelle im März durchgewunken werden. Das ist eine Missachtung von Kunst und Kultur!

Krieg und Frieden Krieg und Frieden. Landnahme und Vertragspoker. Aufstieg und Untergang. Im Ringen um die territoriale Neuordnung Mittel- und Osteuropas 1918 bricht das alte Europa zusammen. Drei Vielvölkerreiche verschwinden. Neue Staaten betreten im Gefolge militärischer und revolutionär-sozialer Kämpfe, im Geiste von Nationalismus und ethnischem Chauvinismus für kürzere oder längere Frist die Bühne. Epochenbruch mit Umverteilung von Macht, Territorium und Einflusssphären. Eine vergessene „Zwischenkriegszeit“ hat Herfried Münkler diese von Widersprüchen zerrissene, rasant-kurzatmige Periode genannt, deren Folgen noch heute zu spüren sind. Sie genau zu analysieren, um ein tieferes Verständnis für die aktuellen geopolitischen Veränderungen in Europa nach dem erneuten Epochenbruch zu gewinnen, war die Intention des 31. unkonventionellen Gesprächskreises Jour fixe im Februar. Im prallvollen Leipziger Haus der RosaLuxemburg-Stiftung Sachsen lässt es Harald Koth förmlich krachen: Mit einer gewaltigen Ladung an Daten und Fakten und anhand historischer Landkarten zeichnet der einheimische Historiker die bewegten Jahre von Brest-Litowsk 1918 bis Lausanne 1923 beinahe

protokollarisch nach. Seine dichte Dokumentation macht staunen, was sich in Tagen, Wochen und Monaten zwischen Völkern und ihren Potentaten abspielte, wie sich auf- und untergehende Mächte heftige Schlachten auf Kriegsfeld und Verhandlungsparkett lieferten, wie Zweckbündnisse und freiwillige Rückzugsgefechte um des Überlebens willen bizarre Geschichtskapitel schrieben. Am Ende seines Vortrags hat Koth ein exorbitant dynamisches Jahrfünft beschrieben, dessen sieben Kriege und sieben Friedensverträge zwischen Brest-Litowsk und Lausanne ein geound machtpolitisch gewandeltes Europa hervorgebracht hatten. Eine faktengestützte Argumentation der behaupteten Folgen für die Gegenwart bleibt leider aus. Mit dem Verzicht auf diskursorientierte Fragen oder Thesen und dem ausgebliebenen Versuch, die vorgetragenen Tatsachen beziehungsreich mit aktuellen Quasi-Entwicklungen und ihren Implikationen für linkes Denken zu verbinden, fehlt auch eine Grundidee für eine erkenntnisgewinnende Debatte. Eine Idee im Sinne jener Erkenntnis Richard von Weizsäckers, dass sich Geschichte nicht wiederhole, sehr wohl aber ihre Lehren. Münklers These von der „Zwischen-

kriegszeit“ hätte diese Diskursidee sein können: Dass sie eine „Ordnung ohne Hüter“ gewesen sei, in der Politik der Stärke auch territoriale Begierden gewaltsam befriedigen konnte, weil Nichtbetroffene tatenlos wegschauten. Genau so präsentiere sich abermals die gegenwärtige Situation Europas. Aus ihr die richtigen Lehren zu ziehen, erfordere, die Konstellationen der „Zwischenkriegszeit“ modelltheoretisch mit den heutigen Zuständen zu vergleichen. Jene vergangene Zeit sei jedoch zu wenig geläufig, „um von Politikern und ihrer Entourage“ ins Kalkül gezogen zu werden, so Münkler. Die Jour-fixe-Runde macht da keine Ausnahme. Eine lebhafte Diskussion entzündet sich aber doch. So zu den Ursachen territorialer Auseinandersetzungen, die neben ökonomischen und machtpolitischen Ansprüchen auch ethnisch-kulturell bestimmt seien (Monika Runge, Peter Porsch). Beleuchtet wird die Funktion von Mythos und Pathos, derer sich die Herrschenden zur Begründung territorialer Rechtmäßigkeit bedienen (Gerhard Hoffmann). Auch die außenpolitische Doktrin des US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson von 1918 über das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, Wil-

sons in diesem Sinne übermittelte Grußadresse an den Sowjetkongress und die Ablehnung seiner Prinzipien durch imperialen Zeitgeist kommen zur Sprache (Roland Wötzel, Günter Hempel). Die Debatte kulminiert im Ringen um eine Positionsbestimmung zum Krim-Konflikt. Wie sich die offizielle Linke uneins zeigt, ob Russlands „Heimholung“ der Halbinsel als völkerrechtswidriger Akt gegenüber der Ukraine zu bewerten sei, gelangt auch die Gesprächsrunde zu keiner klaren Aussage. Roland Wötzels juristische Argumentation gibt immerhin zu bedenken, das komplizierte, nicht bis ins Letzte ausformulierte Völkerrecht böte Deutungsspielraum, Annexionsvorwürfe gegenüber Moskau, wie sie auch in linken Kreisen erhoben würden, nicht voreilig zu sanktionieren. Das solle aber keineswegs als Persilschein für Putins Machtpolitik missverstanden werden. Monika Runge, die den Abend souverän moderiert hat, nimmt diesen Gedanken in ihr Schlusswort auf: Wenn, wie im Falle der Krim geschehen, die Nachkriegsordnung in Frage gestellt oder einseitig verändert werde, wachse die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung. • Wulf Skaun


Zum 8. März

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Hedwig Dohm: Jesuitismus im Hausstand, Berlin 1873, S. 168f. 2018 jährt sich die Einführung des Frauenwahlrechts zum einhundertsten Mal. Als Höhepunkte im Erstreiten des Stimmrechts können die Gründungskonferenz des Weltbundes für Frauenstimmrecht 1904 gelten und die Gründung des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht im Jahr 1917. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Ausrufung der Weimarer Republik wurde das Frauenwahlrecht verkündet. Ein jahrzehntelanger Kampf hatte sein Ende gefunden, als der Rat der Volksbeauftragten formulierte: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem allgemeinen freien, geheimen, gleichen und unmittelbaren Wahlrecht aufgrund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“ Am 30. November 1918 wurde somit das aktive und passive Wahlrecht für alle Bürgerinnen und Bürger in der Verordnung über die Wahl zur verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung verankert. Im Januar 1919 fand die erste nationale Wahl unter Beteiligung der weiblichen Bevölkerung statt – die Wahlbeteiligung lag bei 83 Prozent. Der Nationalversammlung gehörten 37 weibliche Abgeordnete an, vier Nachrückerinnen zogen noch 1919 nachträglich in die Versammlung ein. Kampf beginnt immer wieder neu Seitdem haben wir viel erreicht, aber es ist ein ständiger Kampf, der immer wieder neu geführt werden muss. So sind im 2017 gewählten Bundestag nur noch knapp 31 Prozent der Abgeordneten weiblich, das sind rund sechs Prozent weniger als in der vergangenen Wahlperiode. Woran liegt das? Bei den letzten

100 Jahre Wahlrecht für Frauen Der Kampf um gleiche Rechte ist nicht zu Ende – aber wirksam, meint Heiderose Gläß

splittings haben sich bislang Frauen stärker eingesetzt, oft fraktionsübergreifend. Im Bundestag sind aber alle für die Politik verantwortlich, die dort gemacht wird – Frauen wie Männer. Frauenpolitik ist Gesellschaftspolitik und damit eine Querschnittsaufgabe. Und ich denke, da spielt auch die Parteizugehörigkeit eine große Rolle. Doch schauen wir auch in die Länder der Bundesrepublik. Über drei Jahrzehnte waren männliche Abgeordnete in den Länderparlamenten der Bundesrepublik fast unter sich. Erst ab Mitte der 1980er Jahre überstieg der Anteil von Parlamentarierinnen in den Landtagen und Parlamenten der Stadtstaaten die 10-Prozent-Marke. Rund um die Wiedervereinigung wuchs der Anteil weiblicher Abgeordneter auf durchschnittlich 20 Prozent und entwickelte sich anschließend sprunghaft weiter – allerdings nicht in überall. Der Osten war deutlich besser

Foto: gitti la mar / flickr.com / CC BY-NC-ND 2.0

„Ich frage jeden aufrichtigen Menschen, wären Gesetze wie die über das Vermögensrecht der Frauen, über ihre Rechte an den Kindern, über Ehe, Scheidungen u. s. w. denkbar in einem Lande, wo die Frauen das Stimmrecht ausübten? Hätten sie die Macht, sie würden diese Gesetze von Grund auf ändern. [...] Die Frauen haben Steuern zu zahlen wie die Männer, sie sind verantwortlich für Gesetze, an deren Beratung sie keinen Anteil gehabt; sie sind also den Gesetzen unterworfen, die Andere gemacht. Das nennt man in allen Sprachen der Welt Tyrannei, einfache, absolute Tyrannei, sie mag noch so milde gehandhabt werden, sie bleibt Tyrannei. Die Frau besitzt wie der Sklave Alles, was man ihr aus Güte bewilligt.“

03/2018 Links!

Mitte der 1990er Jahre waren Frauen in Berlin und in den östlichen Bundesländern besser in den Landtagen repräsentiert als in den westlichen. Bis zum Jahr 2004 pendelte sich der Frauenanteil in Länderparlamenten schließlich auf durchschnittlich 30 Prozent ein.

Bundesland

Frauenanteil im Parlament in Prozent (10/2017)

Baden-Württemberg

24,5

Mecklenburg-Vorpommern

25,3

Nicht nur die Zahl weiblicher Abgeordneter in den Länderparlamenten wuchs in den letzten Jahren – auch in die Landesregierungen wurden deutlich mehr Ministerinnen berufen. Erste Spitzenreiter waren Berlin, wo der Regierende Bürgermeister Walter Momper 1989 acht von dreizehn Senatsposten an Frauen übertrug; in Hessen gingen 1991 fünf der zehn Ministerien in weibliche Hände. Es folgten Ministerpräsidentinnen wie Heide Simonis (1993/ Schleswig Holstein), Christine Lieberknecht (2009/Thüringen), Hannelore Kraft (2010/NRW), Annegret KrampKarrenbauer (2011/Saarland), Malu Dreyer (2013/Rheinland Pfalz) und Manuela Schwesig (2017/MecklenburgVorpommern)

Niedersachsen

26,3

Wie weiter?

Bayern

28,3

Berlin

33,1

Brandenburg

36,4

Bremen

33,7

Hamburg

37,2

Hessen

29,1

Nordrhein-Westfalen

27,1

Rheinland-Pfalz

35,6

Saarland

35,3

Sachsen

32,6

Sachsen-Anhalt

26,4

Schleswig-Holstein

30,1

Thüringen

40,6

Das Erreichte ist nicht das Erreichbare. Schon 2014 hat sich in Bayern das Aktionsbündnis „Parité in den Parlamenten“ gegründet, ein Zusammenschluss engagierter Menschen aus allen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Spektrums. Es fordert eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in den Volksvertretungen. Alle Parteien sollen gesetzlich verpflichtet werden, ihre Kandidatenlisten paritätisch, also 50:50 mit Frauen und Männern zu besetzen. Diese Idee floss auch in die Entwürfe von Gleichstellungsgesetzen der Linksfraktionen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ein. Natürlich wird es ein langer Kampf werden, aber das war auch vor 100 Jahren so – aber das Frauenwahlrecht wurde eingeführt. Frauen stellen nun einmal gut die Hälfte der Bevölkerung. Wir haben den Anspruch, dass sich das in den Parlamenten widerspiegelt. Wir brauchen in der Politik mehr weibliche Vorbilder, auch damit wir Frauen motivieren, zur Wahl zu gehen oder sich in der Politik zu engagieren.

Wahlen sind Parteien in den Bundestag eingezogen, die insgesamt einen geringen Frauenanteil haben. Außerdem lag der Anteil von Männern bei direkt gewählten Abgeordneten, die nach dem Erststimmenergebnis in den Wahlkreisen bestimmt werden, höher als bei den vorangegangenen Wahlen. Bei diesen Direktkandidaturen kommen Frauen deutlich weniger zum Zug als auf den

Wahllisten, bei denen man einen höheren Frauenanteil durch Quoten oder Quoren (wie z. B. bei den LINKEN und den Grünen) festlegen kann. Was kann das bedeuten? Für frauenspezifische Themen, zum Beispiel das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit, Pflegegesetze, gleiche Bezahlung oder die Abschaffung des Ehegatten-


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Hintergrund

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Eine Grubenkatastrophe und die Arbeiterbewegung Heino Neuber über Unglück auf der „Neuen Fundgrube“ in Lugau 1867, das eine gesellschaftspolitische Wirkung entfaltet hat

Bergbau birgt Gefahren. Viel zu oft trat auch tatsächlich ein Schaden in einem Kohlenbergwerk ein und viele Tote sind in den Steinkohlenbergwerken der Welt zu beklagen. Das Unglück auf der „Neuen Fundgrube“ in Lugau mit 101 Toten im Jahr 1867, ausgelöst durch den Einbruch der einzigen Schachtröhre, stellte nicht nur das opferreichste Grubenunglück im neu entstehenden Lugau-Oelsnitzer Revier dar, sondern zählt zu den schwersten im deutschen Steinkohlenbergbau. Das Grubenunglück auf der „Neuen Fundgrube“ in Lugau, aber auch der publizistisch reflektierte Zusammenbruch des Otto-Schachtes in Niederwürschnitz 1868 fielen in eine Epoche größter gesellschaftspolitischer Spannungen in Deutschland. Im Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft wandelten sich Lebensstrukturen grundsätzlich. In den schnell wachsenden sächsischen Steinkohlenrevieren richtete sich diese soziale Frage mit der entstehenden Industriearbeiterschaft besonders auf deren gesellschaftliche Verortung aus. Die Thematik bot sich daher an, innerhalb der Bemühungen der Ar-

Russisches Staatsarchiv für sozialpolitische Geschichte (RGASPI) – Seite 152 (F.1 op.1, d. 2349. - Seite 5)

Am 31. März 1971 wurde der letzte Hunt mit Kohle aus der Steinkohlenlagerstätte Lugau- Oelsnitz gefördert. Damit hatte eine 127 Jahre währende Bergbautätigkeit, die nach der Entdeckung der Lagerstätte 1831 mit der ersten Kohleförderung am 7. Januar 1844 begann, ihr Ende gefunden. 142 Millionen Tonnen Steinkohle wurden in all den Jahren nach übertage gebracht. Dies war die entscheidende Grundlage für die rasante Entwicklung der Industrie in Westsachsen, Thüringen bis hin nach Nordbayern. Und es war ein harter, unaufhörlicher Kampf der in diesem Bergbau Tätigen mit den Naturgewalten und mit den menschlichen Unzulänglichkeiten.

beiterschaft um die Verbesserung ihrer sozialen, rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse aufgegriffen zu werden. Auf dem Vereinstag der Deutschen Arbeitervereine am 6. und 7. Oktober 1867 in Gera behandelte der führende Sozialdemokrat August Bebel ausführlich die Lugauer Grubenkatastrophe. Die Fragen des Arbeiterschutzes sind hier erstmals auf einem deutschen Arbeiterkongress verhandelt worden. Allerdings wird zugleich erkennbar, dass es um mehr ging. Der Kampf um die Rechte der Arbeiter, der sich nach Gründung von Bergarbeiterkomitees im Zwickau-Oelsnitzer Revier 1865/66 zunächst auf eine Reform der Knappschaften fokussierte, erweiterte sich ausdrücklich auf die Gesetzgebung in Bergbau- und Entschädigungsangelegenheiten. Das 1868 verabschiedete „Allgemeine Berggesetz für das Königreich Sachsen“ stand ebenso im Mittelpunkt der Diskussionen wie das von August Bebel gefor-

derte Haftpflichtgesetz. Das dann nach Gründung des Deutschen Kaiserreiches unmittelbar 1871 verabschiedete Reichs-Haftpflichtgesetz entsprach den Ansprüchen nicht völlig, bildete aber die Grundlage einer durchaus notwendigen Veränderung auf arbeitsrechtlichem Gebiet. In gleicher Weise wandten sich Lugauer Bergarbeiter 1868 an den „… Generalrath der Internationalen Arbeiter-Association in London … zu Händen des Herrn Carl Marx.“ Sie traten als erste deutsche Arbeiter unmittelbar mit Marx in Kontakt. Friedrich Engels verfasste einen „Bericht über die Knappschaftsvereine der Bergarbeiter in den Kohlenwerken Sachsens“, der in England und Deutschland erschien. Dem Beitritt dieser Bergleute zur I. Internationale folgte ein noch wesentlicherer Schritt: Am 17. Januar 1869 begründeten sie mit der „Gewerksgenossenschaft deutscher Berg- und Hüttenarbeiter in Lugau und Umgegend“ die erste deutsche Bergar-

beitergewerkschaft. Der daraus 1870 entstandenen „Internationalen Genossenschaft der Berg-, Hütten- und Salinenarbeiter“ gehörten rund 15.000 Bergarbeiter aus Sachsen, dem Aachener Revier und Ruhrgebiet an. Der endlich 1876 entstandene „Verband Sächsischer Berg- und Hüttenarbeiter“ wurde zu einem Vorreiter der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland. Damit besitzt eine der schwersten Grubenkatastrophen Deutschlands nicht nur eine bergbauliche, sondern vielmehr eine gesellschaftspolitische Dimension, die in ihrer Entwicklung bis heute nachwirkt und den bestimmenden Anteil des sächsischen Steinkohlenbergbaus am Werden des modernen Industriezeitalters festschreibt. Am 1. Juli 2017 wurde der 150 Jahrestag dieses Unglückes begangen. Vertreter der Landespolitik, der Landrat des Erzgebirgskreises, Frank Vogel, die Bürgermeister der Region und viele Vertreter aus Politik und Gesellschaft fanden sich an diesem Tag in Lugau ein. Eine Bergparade mit der Knappschaft des Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers e. V. an der Spitze, die anschließende Gedenkfeier sowie der Berggottesdienst mit dem Landesbischof Dr. C. Renzing in der Kreuzkirche waren sehr berührend. Unter dem Titel „…denn man sah nichts als Elend…“ erschien in diesen Tagen ein Buch. Es zeichnet, ausgehend von einer Momentaufnahme der Geschehnisse des Sommers 1867, eine Entwicklung zwischen Einzelschicksal und Massenbewegung nach, die einen wesentlichen Schritt bei der Wandlung der Arbeits- und Lebensverhältnisse auf dem Weg zur modernen Industriegesellschaft darstellten. Es ist erhältlich in der Stadtverwaltung Lugau bei Bürgermeister Thomas Weikert (DIE LINKE).

Ein Gespenst geht um in Deutschland Wie stellt mensch sich das vor, gemeinsames Lernen aller, gleichberechtigte Teilhabe aller und Barrierefreiheit? Das Gespenst Inklusion scheint noch mehrere Geister zu haben. Das Gespenst schwirrt auch nach elf Jahren UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) immer noch mit seinen Geistern umher. Nein, so negativ sollte man es nicht sehen. Oft hört man, dass diese UNBRK mit ihrem Recht auf Barrierefreiheit, Teilhabe aller und Inklusion wichtig ist, aber das Geld! Das Geld und die mangelnden Rahmenbedingungen sind daran schuld, dass es beispielsweise immer noch keine Inklusion an Schulen und umfassende Barrierefreiheit in Deutschland gibt. Wer eine Sache nicht will, sucht Begründungen, wer sie möchte, sucht Möglichkeiten. Geld ist

doch schon eine gute, für alle nachvollziehbare Begründung. Deutschland und Sachsen haben viel Geld auf der hohen Kante. Dennoch hat die UN-BRK, die seit neun Jahren in Deutschland Rechtskraft hat, bei den Sondierungen zwischen SPD und CDU überhaupt keine Rolle gespielt. Behindertenpolitik hat keine Rolle gespielt. Scheinbar haben die Entscheidungsträger Angst, sich dem Gespenst zu stellen. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer stellt sich hin und will Förderschulen erhalten. Es ist keine Rede von längerem gemeinsamen Lernen oder von Inklusion im Bildungsbereich. Die sächsische Staatsregierung hält am gegliederten Schulsystem fest, obwohl gerade Sachsen von der Monitoringstelle zur Umsetzung der UN-Behinderten-

rechtskonvention gerügt worden ist. Barrierefreiheit und barrierefreier Wohnungsbau spielt ebenso überhaupt keine Rolle. Man meidet das Gespenst der Inklusion mit seinen Geistern wie der Teufel das Weihwasser. Mensch hat fast den Eindruck im Marxschen Sinne: „Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse.“ Doch der Geist der Inklusion lässt sich nicht einfach vertreiben, denn sie ist ein Menschenrecht. Es werden kleine, sehr kleine Schritte getan, für die man sich lobt. Für Neubauten beispielsweise gibt es Regelungen für Barrierefreiheit. Doch werden Barrieren für Bestandsbauten noch viel zu selten abgebaut, da dies der Kostenvorbehalt nicht selten verhindern hilft. Es gibt in den Städten verstärkte Bemü-

hungen zum barrierefreien Öffentlichen Nahverkehr, allerdings noch lange nicht im notwendigen Maße. Ein Menschenrecht ist jedoch kein Selbstzweck, es muss mit Leben gefüllt werden, so dass jeder und jede sich in die Gesellschaft sich nach ihren und seinen Fähigkeiten sowie Bedürfnissen einbringen kann. Rudolf Kuhr: „Sinn unseres Lebens ist größtmögliche Entfaltung und Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit in größtmöglicher Harmonie und Verbundenheit zu unserer Mitwelt.“ Davon ist Sachsen auch nach elf Jahren UNBRK weit entfernt. Also lasst uns das Gespenst der Inklusion mit seinen Geistern begrüßen und mit ihm weiter für eine stärkere Umsetzung der UN-BRK streiten. • Susann Schöniger


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Hitlers Machtergreifung war legal erfolgt. Wenn diese in Berlin und vielen deutschen Städten mit mächtigen Aufmärschen von NS-Sturmabteilungen begleitet war, so galt es für Hitler, die Macht zu sichern und auszubauen. Einen besonderen propagandistischen Platz auf diesem Weg nahm der 21. März 1933 ein, der als „Tag von Potsdam” bezeichnet wurde. An diesem Jahrestag der ersten Reichstagseröffnung durch Bismarck 1871 sollte der am 5. März gewählte Reichstag eröffnet werden, und zwar in der Potsdamer Garnisonskirche. Am Vormittag begaben sich die Abgeordneten in die Kirche ihrer Konfession, die evangelischen Abgeordneten in die Nikolai-Kirche und die Katholiken in die katholische Stadtkirche. Nach beiden Gottesdiensten schritten die Abgeordneten in zwei Zügen durch die geschmückten Straßen Potsdams zur Garnisonskirche. An der Spitze des evangelischen Zuges gingen die Reichsminister Göring und Frick, der Zug der Katholiken wurde angeführt vom Reichsführer der SS Himmler und vom gerade ernannten Reichspropagandaminister Goebbels. Hitler und Goebbels nahmen nicht am Gottesdienst teil, sondern legten währenddessen an den Gräbern nationalsozialistischer Opfer Kränze nieder. Die sozialdemokratischen Abgeordneten nahmen an der Veranstaltung nicht

Vorspiel zum Todesstoß Winfried Steffen über den „Tag von Potsdam“ vor 85 Jahren

teil. Die 81 KPD-Mandate waren wider Recht und Gesetz annulliert worden. In der Garnisonskirche wurden von Hindenburg und Hitler Reden gehalten. Inhalt der Zeremonie war die Demonstration des Bundes von preußischdeutschem Militarismus und Hitlerfaschismus. Generalsuperintendent Otto Dibelius segnete das Bündnis zwischen Hindenburg und Hitler, besiegelt durch eine Handreichung des Generalfeldmarschalls an Hitler. Vor der Kirche paradierten Reichswehr, SA, Hitlerjugend, der Stahlhelm und die preußische Schutzpolizei.

Auf der ersten Arbeitssitzung des Reichstages in der Berliner Kroll-Oper kam es zwei Tage später, am 23. März 1933, zu der verhängnisvollen Verabschiedung des „Gesetzes zur Behebung von Not für Volk und Reich”, dem berüchtigten Ermächtigungsgesetz, durch den Reichstag, mit dem der Weimarer Republik, dem ersten bürgerlich-demokratischen Staat in der deutschen Geschichte, endgültig der Todesstoß versetzt wurde. Zur Organisierung einer Zweidrittelmehrheit durch die Nazis hatte auch die Annullierung der 81 KPD-Reichstagsmandate gehört.

In memoriam Erhard Hexelschneider Der in Greifswald und Leningrad ausgebildete Slawist hatte nach einem Intermezzo als Fachübersetzer in den Leuna-Werken mehr als drei Jahrzehnte an der Leipziger Karl-Marx-Universität gelehrt, geforscht und seit 1980 das Herder-Institut geleitet. Unter seinem Direktorat gewann die berühmte Vorstudieneinrichtung für ausländische Studierende an wissenschaftlichem Profil und internationaler Reputation. Menschen aus anderen Ländern zu verstehen, mit ihnen und in Eintracht zu leben, war für Erhard Hexelschneider das erste Gebot. Als das Herder-Institut im Dezember 1989 mit rechtsextremistischer Randale konfrontiert und eine äthiopische Studentin bedroht wurde, forderte er eine Gegenoffensive aktiver Ausländerfreundlichkeit. Hexelschneiders akademische Karriere wurde durch einen dubiosen Verwaltungsakt abrupt beendet. Die in den Annalen der Leipziger Universität präzedenzlosen Kündigungen erfuhren viele Wissenschaftler nicht nur als Abbruch der akademischen Laufbahn, sondern oft gleichermaßen als jähes Ende ihres Forscherlebens. Im Unterschied zu Kollegen, die in Resignation verstummten, fand unser Freund den Mut, die Willenskraft und die schöpferische Energie für einen neuen Anfang,

Lyrisches Clara Zetkin Kampf gegen Pickelhauben-Geist der falterfarbige Entfaltung der Frauen in und außerhalb der vier Wände aufspießte Aufwindleistung nicht zeppelinvergänglich trug Clara und Rosa höher in der Geschichte als jede andre Deutsche Martin Schulz

Bundesarchiv, Bild 183-S38324 / CC-BY-SA 3.0

Am 30. Januar 1933 hatte Reichspräsident von Hindenburg Adolf Hitler, den Führer der stärksten Partei im Reichstag, zum Reichskanzler ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt. Diese war seit 1919, der Gründung der Weimarer Republik, die einundzwanzigste.

und so kann heute ein opulentes wissenschaftliches Œuvre bewundert werden: Summa summarum 714 Veröffentlichungen, von denen fast die Hälfte nach dem Epochenwandel entstanden ist. Im Fokus stehen die deutsch-slawischen Kulturbeziehungen, für Hexelschneider stets ein gegenseitiges Geben und Nehmen − Lew Kopelew hat dafür den Topos der „Westöstlichen Spiegelungen“ geprägt. Ihnen hat unser Leipziger Slawist sein Opus magnum, eine enzyklopädische Darstellung der „Kulturellen Begegnungen zwischen Sachsen und Russland 1790–1849“ gewidmet.

Er mochte Ironie und hatte viel Sinn für Zwischentöne. Ungeahnten Lektüregenuss bereiten seine im Titel an Dostojewski gemahnenden Impressionen russischer Künstler über Dresden: „Ein Schatz in der Tabaksdose“. Auf der Suche nach Spuren von Marina und Anastassija Zwetajewa fand Erhard Hexelschneider im Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden den in Briefen geronnenen Gedankenaustausch zwischen Iwan Zwetajew, Vater der berühmten Autorinnen und Gründer des heutigen Moskauer PuschkinMuseums, und Georg Treu, Direktor der Skulpturensammlung im Dresdner Albertinum. Hexelschneiders Prachtband „In Moskau ein kleines Albertinum bauen“ bezeugt, dass das Albertinum für das heutige Puschkin-Museum in Moskau tatsächlich Pate stand. In den letzten Lebensjahrzehnten war die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen die intellektuelle Heimstatt von Erhard Hexelschneider. Seine Essays über Rosa Luxemburgs Beziehung zu Leipzig, Kunst und Literatur gehören zum wissenschaftlichen Tafelsilber der Linken. Nun sind Stimme und Feder für immer verstummt. • Manfred Neuhaus

martinshornlaut verspottet: wortbrüchig durchschnittlich als er Kanzlerkandidat war alle Bundesminister durchschnittlich mehrere wortbrüchig martinsgansdumm wer dies verkennt • Jürgen Riedel

Frühling Musik Im Schneeglöckchentakt Getanzt Endlich atme ahnend rieche zartes Grün Gewissheit Frühlingspurzelbaum jedes Jahr neu leben meine Freiheit zu sein • Janina Niemann-Rich

Fließband der Lüge Das Fließband der Lüge es produziert in einem fort. Verzerrte Bilder und das unwahre Wort. Wer anderes will den setzen sie unter Druck. Auf dem Fließband der Lüge Wer es bestreiken will das Fließband der Lüge Der fliegt – in Zeiten, wo die Lüge Geschäftsprinzip. Aber weitergehen kann es so nicht. Es wird kommen der Tag an dem es zerbricht. Das Fließband der Lüge – unter dem Druck der Wahrheit. • René Lindenau


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Gralshüter proletarischen Schrifttums Eine neue Publikation würdigt Archivare, Bibliothekare und Sammler deutschsprachiger Quellen der Arbeiterbewegung. Von Wulf Skaun „Die alte Welt erneuern − das ist der tiefste Trieb im Wunsch des Sammlers, Neues zu erwerben ...“ Was Walter Benjamin in seinem Essay „Ich packe meine Bibliothek aus“ als allgemeines Credo jener Spezies formuliert hat, trifft auf Archivare, Bibliothekare und Sammler deutschsprachigen Schrifttums der Arbeiterbewegung noch ganz besonders zu. 60 von ihnen hatten der Berliner Förderkreis Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung und das Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahre 2009 in der Publikation „Bewahren − Verbreiten – Aufklären“ mit Kurzbiografien gewürdigt. Ende 2017 ist ein gleichnamiger Supplementband erschienen. Herausgegeben von Günter Benser, Dagmar Goldbeck und Anja Kruke, erinnert er an 16 weitere Persönlichkeiten, die sich um schriftliche Überlieferungen der deutschsprachigen Arbeiterbewegung verdient gemacht haben. Die Autoren, ausgewiesene Wissenschaftler und Bibliothekare, verfolgen wiederum deren Ziele und Methoden und vertiefen so das Wissen um die Entwicklungsgeschichte des proletarischen Bibliotheksund Archivwesens. Die Kurzporträts über diese „Gralshüter“ kostbarer Quel-

len der Arbeiterbewegung stammen von Willy Buschak, Rainer Holze, Günter Benser, Rüdiger Zimmermann, Agnieszka Brockmann, Dagmar Goldbeck, Andreas Diers/Rudolf Steffens, Frauke Mahrt-Thomsen, Heinz Deutschland, Ottokar Luban, Gisela Notz, Elisabeth Ittershagen, Rolf Hecker und Andreas Herbst. So verschieden die von ihnen skizzierten bibliophilen Frauen und Männer und so unterschiedlich deren Bücherschätze auch sind, immer gleich ist die Faszination, die von ihrer Sammelleidenschaft und der Magie ihrer Bibliotheken ausgeht. Wer sich durch dieses Bändchen gedruckter Arbeitergeschichte liest, begegnet literaturversessenen Charakteren mit all ihren vom Umgang mit Büchern und Schriften geprägten Eigenarten, durchforstet mit den leuchtenden Augen der Sammler ihre papiernen Schatzkammern und weiß endgültig den Lustseufzer des großen Jorge Luis Borges zu verstehen: „Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.“ Der Autor dieser Zeilen möchte, ohne Ausnahme, auf die honorierten Archi-

vare, Bibliothekare und Sammler, darunter ein Frauenquintett, neugierig machen. Aus Platzgründen hält er sich an die summarischen Vorbemerkungen der Herausgeber. Deren Übersicht über die fünf Frauen verrät, dass Bona Peiser, die erste hauptberufliche Bibliothekarin Deutschlands, maßgeblich zur Entwicklung des bibliothekarischen Berufsbildes und der Lesehallenbewegung beitrug. Agnes F. Peterson kuratierte die mittel- und westeuropäischen Sammlungen der Hoover Institution, während Ilse Schiel für die Sammlung von Erinnerungen verantwortlich war. Beider spezielle Sachkompetenz ermöglichte es vielen Historikern, die Geschichte der Arbeiterbewegung „an der Quelle“ zu erforschen. Amelie Pinkus-De Sassi, die Frauenrechtlerin und Buchhändlerin, gründete gemeinsam mit ihrem Ehemann die Studienbibliothek zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Zürich. Inge Lammel schließlich hob das Arbeiterliedarchiv der Akademie der Künste der DDR aus der Taufe. Dem Andenken an Archivare und Bibliothekare der jüngeren Vergangenheit, die sich bei der Erschließung und Bewahrung von gedruckten und ungedruckten Materialien der Arbeiterbewegung ausgezeichnet haben, sind Kurzbiografien über Friedrich P. Kahlenberg, Werner Krause und Heinz Peter gewidmet. Hans Landauer, der ein einzigartiges Archiv der österreichischen Spanienkämpfer schuf, gehört ebenso dazu wie auch Hermann Weber, der als Historiker half,

Leipziger Felsenkeller bekommt Gedenktafel für Rosa Luxemburg Der Felsenkeller im Leipziger Westen hat seit seiner Eröffnung im Jahr 1890 viele bewegte Jahre hinter sich. Der große Festsaal diente nicht nur für Ball- und Konzertveranstaltungen, sondern war auch ein berühmter Versammlungssaal der lokalen Arbeiterbewegung. Hier sprachen vor 1933 u.a. Karl Liebknecht, Clara Zetkin und Ernst Thälmann. Auch Rosa Luxemburg war mehrmals zu Gast und hielt hier am 27. Mai 1913 ihre berühmte Rede „Zur weltpolitischen Lage“, in der sie die imperialistische Politik Deutschlands am Vorabend des Ersten Weltkrieges heftig attackierte. An diesen Auftritt der berühmten Sozialistin erinnerte im „Vorprogramm“ des Auftritts von Sahra Wagenknecht am 22. Februar der Leipziger Historiker Volker Külow. Er stellte eine von ihm herausgegebene Broschüre vor, in der die Luxemburg-Rede mit Anmerkungen abgedruckt ist. Seinen Beitrag beendete der frühere Vorsitzende der Leipziger Linkspartei mit einem

bedrohte DDR-Archive zu retten. Das Doppelporträt der beiden Wissenschaftler Robert René und Jürgen Kuczynski stellt ihre atemberaubende, über Generationen gepflegte Gelehrtenbibliothek vor. Große Sammler waren auch Arthur Lehning mit seinem vielleicht umfangreichsten Fundus zum AnarchoSyndikalismus und der Gewerkschaftsfunktionär Emil Basner. Eduard Backert rettete die Gewerkschaftsquellen der Nahrungsmittel- und Getränkearbeiter, während Hans Stein als Mitarbeiter des Moskauer Marx-Engels-Instituts und später des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte Amsterdam einschlägige Dokumente entdeckte, beschaffte und sicherte. Zu den Vorzügen der Publikation zählen auch die fotografischen Porträts der 16 Vorgestellten sowie das Personenregister von Birgit Leske. Büchermenschen mit Sammeleifer finden in „Bewahren − Verbreiten – Aufklären“ auch noch manchen Ratschlag für die Strukturierung ihrer eigenen Bibliothek. Günter Benser, Dagmar Goldbeck, Anja Kruke (Hrsg.): Bewahren − Verbreiten − Aufklären. Archivare, Bibliothekare und Sammler der Quellen der deutschsprachigen Arbeiterbewegung. Supplement. 165 S. Erarbeitet in Kooperation von Förderkreis Archive und Bibliotheken der Arbeiterbewegung und Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Bonn 2017. ISBN 978-3-95861-591-5. Bezug über d.goldbeck@web.de

Spendenaufruf für eine Gedenktafel zu Ehren von Rosa Luxemburg, die am 27. Mai 2018 – dem 105. Jahrestag ihres Auftritts – am Felsenkeller feierlich enthüllt werden soll. Noch am Abend kamen fast 700 Euro für die Gedenktafel zusammen, die rund 2.000 Euro kosten wird. Spenden sind ausdrücklich erwünscht – Konto: DIE LINKE. Leipzig; Sparkasse Leipzig; IBAN: DE11860555921175503920.


Das von Günter Benser verfasste Kompendium ist eine Bestandsaufnahme der Auswirkungen des Beitritts der DDR zum Geltungsbereich der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990. Während sich die um Bundeskanzler Helmut Kohl gescharrten Akteure der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands, aber auch die heutigen Tonangeber gebetbuchartig darauf berufen, dass ihr damaliges Vorgehen alternativlos gewesen sei, belegt Benser, dass es durchaus eine Alternative zum überstürzten Anschluss, zur Vereinigung als Unterwerfungs- und Kolonalisierungsakt gab. Doch diese Alternative war nicht gewollt. Es war und ist eine Lüge, wie auch vom Autor dieser Zeilen wiederholt nachgewiesen, dass die ostdeutsche Herbstrevolution 1989 von Anfang an die deutsche Einheit angestrebt habe. Auf den Demonstrationen und Kundgebungen jener Zeit waren verschiedene Forderungen erhoben worden, aber nicht die nach Preisgabe eigener Staatlichkeit und Aufgehen in der westdeutschen Bundesrepublik. Benser wählt zum Ausgangspunkt die Auffassung, dass die Suche nach den vertanen Chancen nicht bei der Politik des Bundeskanzlers Kohl ansetzen kann, sondern „sie muss von den Versäumnissen und den Fehlentwicklungen der DDR und von deren Reformunfähigkeit ausgehen“. Sein erstes Kapitel trägt daher die Überschrift: „Erstarrung in der DDR und eine orientierungslose Führung“. Die Wahrheit gebiete einzuräumen, betont er, dass es viel schlimmer hätte kommen können. Es gelang aber, die Gefahr eines gewaltsamen Kräftemessens von Staatsmacht und Opposition abzuwenden, womit sich die Chance für eine Neugestaltung der politischen Machtverhältnisse und für tiefgreifende Reformen im Rahmen der DDR eröffnete. Die Situation veränderte sich jedoch grundlegend mit der chaotischen Öff-

Geschichte

Beitritt als Unterwerfungsakt

Sie arbeitete mit an der von Clara Zetkin redigierten „Gleichheit“, der Frauenzeitschrift der SPD, und an der Göppinger „Freien Volkszeitung“, die ihr Bruder August redigierte, mit dem sie zeitlebens eng verbunden war.

noch existierende DDR de facto bereits als innerdeutsches Territorium.

Günter Benser fragt: Warum tickt der Osten anders? Prof. Dr. Kurt Schneider hat seine Antwort studiert der neue Ministerpäsident der DDR, Hans Modrow, am 1. Februar 1990 mit seiner Erklärung „Für Deutschland, einig Vaterland“ detaillierte Vorschläge – Benser listet sie auf – für einen gangbaren Weg zur Einheit Deutschlands unterbreitete, war dafür kein Boden mehr vorhanden. „Zu einem günstigeren Zeitpunkt eingeleitet“ – sprich Monate zuvor – „wäre mit solch einem Konzept, falls von der Bonner Regierung zumindest in der Kernsubstanz mitgetragen, ein Übergang zur deutschen Einheit möglich geworden, der so manche Verwerfungen und Fehlentwicklungen der Anschlusspolitik vermieden oder zumindest gemildert hätte“, meint Benser dazu. Vom Jubel in den nationalen Taumel übergehend, ging zunächst die soziale Frage unter, um sich bald der Lage, Deutscher zweiter Klasse zu sein, bewusst zu werden.

nung der Staatsgrenze der DDR. Benser verweist mit Nachdruck darauf, dass die Chance, in Verhandlungen einzutreten und einen Vertrag zwischen DDR und BRD über die Aufhebung der Grenzen und die Freizügigkeit für die Bürger beider deutscher Staaten abzuschließen, mit dem 9. November 1989 vertan war. Nunmehr waren die Weichen von Vereinigung auf Anschluss gestellt. Als

Vor 135 Jahren geboren: Berta Thalheimer Wie ihr Bruder August – er war der wichtigste theoretische Kopf der KPD und danach der KPD (O) – zählte Berta Thalheimer, was oft vergessen worden ist, zu den bekanntesten Persönlichkeiten der deutschen Arbeiterbewegung. Geboren am 17. März 1883 in Affaltrach/ Württemberg, gehörte sie zum linken Flügel der SPD und war befreundet mit Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Eva Mehring.

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Mit Beginn des Weltkrieges trat sie als leidenschaftliche Gegnerin der Burgfriedenpolitik des Parteivorstandes entgegen und schloss sich frühzeitig der Spartakusgruppe an, als deren Vertreterin sie im September 1915 und im April 1916 an den Konferenzen der Kriegsgegner in Zimmerwald und Kienthal teilnahm. Die 1. Spartakuskonferenz im Januar 1916 in Berlin hatte sie organisatorisch vorbereitet. Zusammen mit Lenin trat sie auf den Schweizer Tagungen für die Gründung einer neuen Internationale ein. Sie war Mitglied des ständigen Ausschusses der Zimmerwalder Bewegung und enge Mitarbeiterin von Leo Jogiches. 1917 wurde sie wegen ihrer antimilitaristischen Tätigkeit verhaftet und des Hochverrats in Stuttgart angeklagt. Verurteilt zu zwei Jahren Zuchthaus, verbrachte sie die Haft bis zu ihrer Befreiung durch die Novemberrevolution in Delitzsch.

Als Ministerpräsident Lothar de Maizière, dessen Regierungserklärung noch von einigem ostdeutschen Selbstbewusstsein gezeugt hatte, dennoch mit einem mehrere Jahre währenden Annäherungsprozess gerechnet hatte, war das Gesetz des Handelns längst an die Bonner Regierung übergegangen. Mit dem am 18. Mai 1990 abgeschlossenen „Staatsvertrag über Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion“ betrachteten die Herrschenden der BRD die Berta Thalheimer wurde folgerichtig Mitbegründerin der KPD und des Roten Frauen- und Mädchenbundes. Im Zuge heftigster innerparteilicher Auseinandersetzungen zu Fragen der Strategie

Foto: Derrotecorsar/ Wikimedia Commons / CC BY 3.0

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Was – ausgehend vom 9. November 1989 – konkret folgte, schildert Benser, gegliedert in zehn Kapitel, im Detail. Sie behandeln die Vergiftung der Atmosphäre durch Populismus, Denunziation und Verunglimpfung, die Einheit als Sturzgeburt, das verschmähte Vermächtnis des Runden Tisches, die Verramschung des Volksvermögens, Abwicklung statt Integration, die Siegerjustiz und anderes mehr. Das alles in Betracht ziehend, liegt es auf der Hand, dass viele Konfikte und Herausforderungen unserer Gegenwart in ursächlichem Zusammenhang mit vertanen Chancen stehen. Abschließend stellt er die sich aufdrängende Frage: Was nun? Seine Antwort: Vor allem bedarf es endlich einer Regierung, die sich als fähig erweist, einen von der Mehrheit der Bevölkerung getragenen Zukunftsentwurf glaubwürdig zu vertreten, was jedoch derzeit nicht zu erwarten ist. Somit lautet der letzte Satz: „Nur ein breites Linksbündnis vermag die schlimmsten Folgen der vertanen Chancen von Wende und Anschluss zu tilgen oder zu minimieren und Lösungen für die existentiellen Probleme der Deutschen, die letztlich Menschheitsprobleme sind, anzubahnen.“ Ein Abkürzungsverzeichnis und ein Personenregister schließen den Band ab, von dem sein Autor sagt: „Vieles, wenn nicht das Meiste, kann man auch anderswo lesen, aber zu diesem Thema nur verstreut, nicht in solcher Kompaktheit.“ Darin besteht ohne Zweifel die Stärke des Buches. Günter Benser: Die vertanen Chancen von Wende und Anschluss. Es bleibt eine offene Wunde oder Warum tickt der Osten anders? verlag am park in der edition ost, Berlin 2018. 200 Seiten, 14,99 Euro. ISBN 978-3-947094-11-0 und Taktik, ausgelöst durch die ultralinke Offensivtheorie, wurde sie Anfang 1929 aus der KPD ausgeschlossen, woraufhin sie sich der Ende 1928 gegründeten KPD (O) anschloss. In der Zeit der faschistischen Gewaltherrschaft war sie als Kommunistin und Jüdin stark gefährdet und konnte zunächst nur mit Hilfe der KPD (O) überleben, bevor sie 1941 in einem „Judenhaus“ interniert wurde. 1943 erfolgte ihre Deportation nach Theresienstadt, wo sie am 7. Mai 1945 zusammen mit über 35.000 Inhaftierten ihre Befreiung durch die Rote Armee erfuhr. Sie kehrte nach Stuttgart zurück und trat der KPD bei, die sie jedoch 1948 wegen Unstimmigkeiten wieder verließ. Danach schloss sie sich der „Gruppe Arbeiterpolitik“ (GAP) an, für deren gleichnamige Zeitschrift sie verantwortlich zeichnete. Ihr Bruder August, um dessen Einreisevisum sie sich vergeblich bemüht hatte, verstarb am 19. September 1948 in Havanna, am 23. April 1959 Berta Thalheimer in Stuttgart. • Prof. Dr. Kurt Schneider Verfasst unter Nutzung von Daten in Theodor Bergmann „Gegen den Strom“.


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Terminübersicht Chemnitz, 14. März, 18.30 Uhr n Vortrag und Diskussion Die Türkei heute - wie Erdoğan seine Macht sichert* REIHE: Junge akademische Reihe mit Florian Kistner (Politikwissenschaftler). Eine Veranstaltung der RLS Sachsen und des Rothaus. Rothaus, Lohstraße 2, 09111 Chemnitz

Dresden, 15. März, 19 Uhr n Vortrag und Diskussion Roma in Deutschland: Immer noch unerwünscht. Eine persönliche Geschichte über den Kampf gegen eine Abschiebung aus Sachsen. Mit Sami Bekir und der Gruppe Gegen Antiromaismus. Kunsthaus Dresden, Rähnitzgasse 8

Chemnitz, 21. März, 17 Uhr n Vortrag und Diskussion Von armen Schnorrern und weisen Rabbis. Zur Soziologie des jüdischen Witzes* Mit Dr. Hartmut Gorgs, Dramaturg. Eine Veranstaltung der RLS Sachsen und des Soziokulturellen Zentrums querbeet. Veranstaltungssaal, Soziokult. Zentrum querbeet, Rosenplatz 4, Chemnitz

Dresden, 18. März, 14 Uhr n Exkursion Stadtrundgang mit DRESDENpostkolonial (Post)koloniale Machtstrukturen wirken bis heute vielseitig fort. Sie finden sich in wirtschaftlichen Ungleichheiten, aber auch in Stereotypen und Bildern vom vermeintlich „Fremden“ wieder. Kolonialgeschichte ist, wenn überhaupt, nur marginaler Teil der deutschen Erinnerungskultur. In der spezifischen historischen Selbstverortung Dresdens kommt sie so gut wie gar nicht vor. Kunsthaus Dresden, Rähnitzgasse 8

Leipzig, 27. März, 18 Uhr n Vortrag und Diskussion Das Kommunistische Manifest des 21. Jahrhunderts? Marx und die Empire-Trilogie von Hardt und Negri Reihe: Philosophische Dienstagsgesellschaft*. Mit Prof. Dr. Ulrich Brieler (Historiker), Mod.: PD Dr. Peter Fischer. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, Leipzig Dresden, 27. März, 18 Uhr n Vortrag und Diskussion mobilität für alle! Das Konzept fahrscheinfreier Nahverkehr REIHE: Junge Rosa. Mit Marco Böhme (stellv. Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Sächsischen Landtag). WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Chemnitz, 29. März, 19.30 Uhr n Vortrag und Diskussion Politik und Religion - Eine philosophische Auseinandersetzung mit dem Problem ihrer Unvereinbarkeit* Mit Henry Lewkowitz (Philosoph, Geschichts- und Politikwissenschaftler) All-in, Rosenhof 14, 09111 Chemnitz Programm im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Dresden Dresden, 13.-28. März, 19-22 Uhr n Wanderausstellung EDEWA, der Postkolonialwarenladen, eröffnet erste Filiale in Sachsen Eine interaktive Wanderausstellung mit „Verkaufsaktionen“. Eine Veranstaltungsreihe von DRESDENpostkolonial, VVN BdA Region Dresden, Kunsthaus Dresden, Dresden für Alle und der RLS Sachsen mit Unterstützung von RomaRespekt im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben! und gefördert durch das BMFSFJ, initiiert von Mareike Fritz. Vernissage am 13. März um 19 Uhr mit der Musikerin Dikumbi. Die Ausstellung kann außerhalb der Veranstaltungen dienstags bis donnerstags von 14–19 Uhr und freitags bis sonntags von 11–19 Uhr besucht werden. Finissage: 28. März, 19 Uhr. Kunsthaus Dresden, Rähnitzgasse 8, 01097 Dresden

Dresden, 21. März, 19 Uhr n Vortrag und Diskussion Einführung in den schwarzen Feminismus Mit der Bpoc-Empowermentgruppe (Referat gegen Antirassismus der Universität Leipzig). Kunsthaus Dresden, Rähnitzgasse 8 Dresden, 27. März, 19 Uhr n Lesung „Afrokultur“ Mit Dr. Natasha Kelly (Autorin, Mitbegründerin EDEWA). In ihrer Dissertation „Afrokultur. Der Raum zwischen gestern und morgen“ bringt die Wissenschaftlerin, Kuratorin und Aktivistin Natasha A. Kelly über die Biografien von W.E.B. Du Bois, Audre Lorde und May Ayim Schwarze deutsche Geschichte, ihre Gegenwart und Zukunft in einen globalen Zusammenhang und schreibt damit eine intellektuelle Tradition fort. Kunsthaus Dresden, Rähnitzgasse 8

Leipzig, 16. März, 16 Uhr n Gespräch „Stets erlebe ich das Falsche. Der alternative Künstlerreport“* Mit Harald Kretzschmar (Karikaturist, Grafiker und Feuilletonist), Moderation: Michael Zock RLS Sachsen, Harkortstraße 10, Leipzig Leipzig, 16. März, 18.30 Uhr n Gespräch und Diskussion „Lasst blaue Bände sprechen“ – Expertengespräch zur Neuerscheinung MEW 44 Mit Prof. Dr. Rolf Hecker (Historiker) und Prof. Dr. Manfred Neuhaus (Historiker), Moderation: Dr. Dagmar Enkelmann (RLS) RLS Sachsen, Harkortstraße 10, Leipzig Leipzig, 16. März, 20 Uhr n Lesung und Gespräch „Weiter Schreiben – ein literarisches Portal für Autor*innen aus Krisengebieten“ Mit Mariam Meetra (Autorin) und Antje Rávic Strubel (Autorin). Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem linxxnetAbgeordnetenbüro. Kulturbüro, Mariannenstr. 101, Leipzig Dresden, 9. April, 18 Uhr n Podiumsdiskussion „Die kriegen alles und wir nichts“* Mit Dr. Kristin Kaufmann (Sozialbürgermeisterin der Stadt Dresden), Frau Puszkar (Bereichsleiterin Jobcenter Dresden) und Mitarbeiter*innen der Caritas-Asylberatung Dresden Palitzschmuseum, Gamigstraße 24, 01239 Dresden. Veranstaltungsraum Palitzschhof, 1. Etage, barrierefrei Chemnitz, 10. April, 15 Uhr n Lesung Stefan Heym - Der Unbequeme* REIHE: Chemnitz liest Stefan Heym mit Mitgliedern des AK Chemnitz und der Gruppe Quijote (Chemnitz) auf dem Stefan-Heym-Platz 1, Chemnitz

Chemnitz, 11. April, 18 Uhr n Vortrag und Diskussion Wer bin ich – und wenn ja: Wer weiß das?* Was machen die Daten mit Ihnen? REIHE: Industrie 4.0. Mit Mark Neis (ITExperte). Eine Veranstaltung des Interessensgemeinschaft „Zukunft 4.0“ in Kooperation mit dem Abgeordnetenbüro Nico Brünler und der RLS Sachsen. All-In, Rosenhof 14, 09111 Chemnitz Leipzig, 12. April, 18 Uhr n Vortrag und Diskussion „Die Farbe Rot“ Vorstellung von Gerd Koenens monumentaler Untersuchung der Ursprünge und Geschichte des Kommunismus. REIHE: Jour Fixe. Mit Prof Dr. Wolfgang Geier (Historiker), Moderation: Klaus Kinner/Manfred Neuhaus. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, Leipzig Görlitz, 12. April, 18 Uhr n Gespräch Demokratie als Fiktion?* Mit Peter Porsch. BürgerInnenbüro MdL Mirko Schultze, Schulstraße 8, 02826 Görlitz Dresden, 12. April, 19 Uhr n Gespräch und Diskussion Ich will meine Akte! Vom Umgang mit Geheimdienstakten aus dem Kalten Krieg*. Mit Hans Modrow. Haus der Begegnung (Saal), Großenhainer Straße 93, 01127 Dresden Dresden, 17. April, 18 Uhr n Vortrag und Diskussion Verschwörungstheorien Die Legende von den großen Strippenzieher*innen REIHE: Junge Rosa*. Mit Peter Bierl. WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden * in Kooperation der Rosa-LuxemburgStiftung. Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e.V.

Programm im Rahmen von „Leipzig liest“ Leipzig, 14. März, 18 Uhr n Vortrag und Diskussion Russland und die Russen. Europäische Wahrnehmungen aus einem Jahrtausend Mit Prof. Dr. Wolfgang Geier (Historiker) RLS Sachsen, Harkortstraße 10, Leipzig Leipzig, 15. März, 18 Uhr n Lesung „Der Abend kommt so schnell“ Sarah Sonja Lerch - Münchens vergessene Revolutionärin*. REIHE: Rosa L. in Grünau. Mit Cornelia Naumann (Autorin und Dramaturgin). Wahlkreisbüro Grünau, Stuttgarter Allee 18, Leipzig (Örtlichkeit barrierefrei) Leipzig, 15. März, 19 Uhr n Lesung und Diskussion „Israel & Palästina - 100 Dokumente aus 100 Jahren“* Mit Dr. Angelika Timm (Nahostwissenschaftlerin) RLS Sachsen, Harkortstraße 10, Leipzig

Impressum Links! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Herausgeber: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Achim Grunke Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf­ lage von 10.950 Exemplaren gedruckt. Der Redaktion gehören an: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Ute Gelfert, Thomas Dudzak, Ralf Richter Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt: Archiv, pixelio, iStockphoto

Kontakt: kontakt@dielinke-sachsen.de Telefon 0351-8532725 Fax 0351-8532720 Redaktionsschluss: 27.02.2018 Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 04.04.2018. Die Zeitung „Links!“ kann kostenfrei abonniert werden. Wir freuen uns jedoch über eine Spende, mit der Sie das Erscheinen unserer Zeitung unterstützen. Kostendeckend für ein Jahresabo ist eine Spende in Höhe von 12 Euro. Sollten Sie an uns spenden wollen, verwenden Sie bitte folgende Konto­daten: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V. IBAN: DE83 8509 0000 3491 1010 07 BIC: GENODEF1DRS Dresdner Volksbank Raiffeisenbank Aboservice: www.links-sachsen.de/abonnieren, aboservice@links-sachsen.de oder Telefon 0351-84389773


Rezensionen

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03/2018 Links!

Lenin – Ein Leben René Lindenau über Victor Sebestyens Portrait eines Mannes, den Winston Churchill „ein überaus furchtbares Wesen“ nannte an Privilegien bedienten und sich die größten Datschen unter ihre „roten“ Nägel rissen.

Seine Hebamme soll über ihn gesagt haben: „Er wird einmal sehr intelligent oder aber sehr dumm.“ Der Neugeborene entschied sich für ersteres, wie seine spätere Schullaufbahn bewies – auch wenn sein weiterer Lebenslauf reich an Dummheiten und Irrwegen war.

In einem Kapitel befasst sich Sebestyen mit dem Leninschen Argumentations- und Debattenstil. Diesem Stil blieb er auch gegenüber andersdenkenden Genossen treu, indem er sie mit wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen belegte: Windbeutel, Scheißhaufen, Fotze. Nikolai Bucharin vertrat nicht von ungefähr die Auffassung: „Lenin kann keinen tolerieren, der etwas auf dem Kasten hat.“ Was ihn jedoch auszeichnete, war die Fähigkeit, seine Ideen klar und vereinfacht vorzutragen und damit das Publikum zu gewinnen.

Eine zumindest bis zur Hinrichtung seines Bruders unbeschwerte Kindheit, Jurastudium, der Weg zum Revolutionär, Verbannung, Exil und schließlich sein Agieren als Revolutionsführer sowie lange Krankheit und früher Tod – so könnte man ihn beschreiben, den Mann, der sich Lenin nannte. Der Historiker Victor Sebestyen legt im 100. Jahr nach der Russischen Revolution eine umfassende Biographie ihres herausragenden Protagonisten vor. Was da verschriftlicht wurde, ist ein komplexes Werk über ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Leben.. Irgendwie macht es Lenin menschlicher, wenn man von seiner „marxistischen Brautwerbung“ zu Nadja und seinem Verhältnis zu Inessa Armand liest. Der Tod seiner Geliebten mit nur 46 Jahren nahm Lenin merklich mit. Bei ihrer Beerdigung hatte man

ihn von Gefühlen überwältigt gesehen wie nie. Abstoßend wirkt dagegen, wie leichtfertig der Rechtsanwalt mit der Forderung umging, Leute zu erschießen, die tatsächlich oft auf seinen Befehl hin vollstreckt wurde. Sympathisch macht ihn wiederum, dass er durchgehend sehr asketisch lebte, während sich viele seiner Genossen nach der Revolution eifrig

Der Höhepunkt des Leninschen Lebens war unbestritten die Oktoberrevolution 1917, für die er sein ganzes revolutionäres Leben lang kämpfte. Wenn man so will, liegt in seinem damaligen Triumph die große Tragik, denn schon die Geburtsfehler sorgten dafür, dass ein frühzeitiges Absterben des Sowjetstaates unweigerlich kommen musste. Man rufe sich Lenins Worte an Trotzki in Gedächtnis (24. Oktober 1917): „Zuerst müssen wir die Macht ergreifen. Dann entschei-

den wir, was wir damit anfangen.“ Oder Maxim Gorki am 1. November 1917 in der Nowaja Schisn: „Ich misstraue Russen an der Macht ... Gerade selbst noch Sklaven, werden sie zu hemmungslosen Despoten, sobald sie Gelegenheit haben, Herr ihrer Nachbarn zu sein.“ Beide Zitate finden sich im Buch. In dieses Raster einer intoleranten und undemokratischen Gesellschaft passt auch, dass die Witwe Lenins in ihren letzten Lebensjahren auftragsgemäß die russischen Bibliotheken von Werken bürgerlicher Philosophen wie Kant „befreite“. Schon im Klappentext wird auf die Doppelgesichtigkeit Lenins hingewiesen, den Winston Churchill „ein überaus furchtbares Wesen“ nannte. Sebestyen geht da sehr viel differenzierter vor. Er schreibt von seiner Freundlichkeit und Höflichkeit, vergisst jedoch nicht seine Unerbittlichkeit als Revolutionär und seine Verantwortung für unzählige Todesurteile. Es entsteht ein farbiges und kenntnisreiches Bild von Lenins Welt und der Russischen Revolution. Victor Sebestyen: Lenin – Ein Leben. Rowohlt Berlin, 2017, ISBN 978 3 87134 165 6

Tatsächliche Interessen verschleiert

Ralf Richter rezensiert „Der Dreißigjährige Krieg“ von Herfried Münkler Das Buch trägt den Untertitel „Europäische Katastrophe, Deutsches Trauma 1618 – 1648“. Inzwischen hat das fast tausendseitige Werk des Politikwissenschaftsprofessors Lob und Kritik bekommen. In diesem Jahr ist der Kriegsbeginn 400 Jahre her. Die meisten von uns wissen, dass er mit einem denkwürdigen Ereignis begann: dem Prager Fenstersturz. Weniger geläufig ist die Tatsache, dass es bereits der zweite war: Nach der Verbrennung von Jan Hus hatten Hussiten schon einmal das Rathaus gestürmt – 1419 warfen sie den Bürgermeister und weitere Würdenträger aus dem Fenster, womit die Hussitenkriege begannen. In Prag stand eine politische Frage im Vordergrund: Dürfen die Stände selbst entscheiden, wen sie als König haben wollen und sich damit gegen den Kaiser stellen? Auf ein Handgemenge im Prager Rathaus folgt letztlich ein Krieg, bei dem scheinbar die Religion entscheidend wird. Die „Rebellen“ von damals waren Protestanten. Gegen sie lässt der römisch-katholische Kaiser mobil machen. So sehr im Dreißigjährigen Krieg die religiösen Aspekte in den Vordergrund gestellt wurden, so unwesentlich waren sie tatsäch-

lich – Münkler stellt das besonders eindrücklich beim Eintritt der Schweden und ihrer Landung auf Usedom dar; Gustav Adolf sah sich als Retter der Protestanten, wobei es kaum eine Rolle spielte, dass die, denen er helfen wollte, gar nicht um seine Hilfe gebettelt hatten. Ob religiöse oder moralische Gründe ins Feld geführt wurden und werden – gemein ist ihnen stets, dass sie keinen anderen Zweck haben als die tatsächlichen Interessen zu verschleiern. Auch hier ist der Schwedenkönig ein ausgezeichnetes Beispiel: Laut Münkler habe Gustav Adolf am 19. Mai 1630 vor den Reichsräten in Stockholm erklärt, dass ihn keinesfalls Ruhmsucht auf den Kriegsschauplatz treibe, sondern ausschließlich die Sorge darum, dass „die unterdrückten Religionsgenossen vom päpstlichen Joche befreit“ werden. Klartext konnte man mit Seinesgleichen reden, in Gustav Adolfs Fall war das der schwedische Adel. Hier sprach er offen davon, dass Wallenstein Anspruch auf den Ostseeraum erhebe. Kurz gesagt sei Schweden in seiner Rolle als Großmacht in Frage gestellt und das könne man sich nicht bieten lassen. Münkler sinngemäß im O-Ton: Am Anfang war schon im Dreißigjährigen Krieg der Krieg ein

politisches Instrument, das sich im Laufe der Zeit verselbständigte und außer Kontrolle geriet. Problematisch ist die Haltung Münklers zum Thema Krieg, da er immerhin zu den renommiertesten Politikwissenschaftlern unseres Landes gehört. Er lehnt den Krieg generell nicht ab, sondern betrachtet ihn nur als eines der Mittel zur Durchsetzung von

Macht – vielleicht nicht das, wonach zuerst gegriffen werden sollte, aber es dürfe auf jeden Fall nicht aus dem Instrumentarium westlicher Machtpolitik verschwinden. Münkler betrachtet die dreißig Kriegsjahre als „vorzüglichen Übungsplatz für strategisches Denken“. Für den Konservativen Münkler, der in diesem Jahr emeritiert wird, ist der Krieg – so scheint es – in erster Linie ein Spiel, bei dem man durch einige Ungeschicklichkeiten und echtes Pech verlieren, aber genauso gewinnen kann. Wer eine linke Perspektive auf den Dreißigjährigen Krieg sucht, der in weiten Teilen Deutschlands die Hälfte bis zwei Drittel der Bevölkerung ausrottete und damit der schlimmste aller bisherigen Kriege für die hiesige Zivilbevölkerung war, ist bei Herfried Münkler an der falschen Adresse. Kennen sollte man das Buch dennoch. Es enthält nicht nur interessante Gedankenspiele, sondern auch wunderbare Zitate bis hin zu Schmähgedichten und Graphiken. Es erschien 2017 bei Rowohlt Berlin und kostet 39,95 als Hardcover und als E-Book 29,99 Euro. Am 19. März liest Münkler im Militärhistorischen Museum Dresden aus seinem Buch. Beginn ist 18 Uhr, der Eintritt ist frei.


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Die letzte Seite

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Sie gilt immer noch als die Folkikone Nordamerikas, obwohl sie sich stets gegen solche Titel sträubte. Sie verstand sich vielmehr als politisch engagierte Protagonistin, die sich genreübergreifend in keine Schublade stecken ließ. In den Fünfzigern begann ihre musikalische Karriere mit einem Repertoire, das hauptsächlich aus Spirituals, Bluesballaden und Folksongs bestand und das Musikergrößen wie Joan Baez, Bob Dylan, Tracy Chapman oder Janis Joplin enorm beeinflusste, bevor diese Weltruhm ernteten.

Bevor sie sich in dieser Zeit dem Folk zuwandte, sang sie – nachdem sie ein Musikstudium absolviert hatte, um ursprünglich Opernsängerin zu werden – in einem Chor, der hauptsächlich Gospelsongs und Spirituals im Repertoire hatte. Geboren worden war sie 1930 in Birmingham im Bundesstaat Alabama. Als sie sechs Jahre alt wurde, zog ihre Familie nach Los Angeles, wo ihr Gesangstalent schon bald von einem Musiklehrer entdeckt und gefördert wurde. Ihre ersten Auftritte absolvierte sie im Chor des Musicals „Finian’s Rainbow“, das 1949 in San Francisco uraufgeführt wurde. In den unzähligen Clubs und Kaffeehäusern dieser Metropole wurde sie unweigerlich mit der aufblühenden Folkszene konfrontiert, die sie sofort in den Bann zog. Sie beschloss, Folksängerin zu werden. 1953 erntete sie nach mehreren Konzerten in San Francisco und New York Beifallsstürme und erhielt große Aufmerksamkeit in den Medien. Ihrem faszinierenden, herzzerreißenden Gesang und ihrer Bühnenpräsenz konnte sich niemand entziehen, und weitere Angebote von Konzertagenten ließen nicht lange auf sich warten. 1956 erschien ihre LP „Ballads and Blues“ bei Vanguard, sie löste große Resonanz in der Folkszene aus. Selbst Bob Dylan gab später zu, dass diese Scheibe ihn sehr beeindruckt habe. Deshalb wohl brilliert ihre Vitalität unüberhörbar auf seinem Debütalbum „Bob Dylan“. Dylan nahm diese Scheibe am 20. und 22. November 1961 in New York auf, sie gelangte allerdings erst am 19. März 1962 in die Läden. Sie enthält Folkstandards von verschiedenen Autoren wie dem WestCoast-Sänger Jesse Fuller, Blind Limon Jefferson, Rick van Schmidt, aber auch selbst verfasstes Material. Auch der Song „House of the Rising Sun“ ist vertreten; er wurde später von Eric Burdon and The Animals gecovert und so zum Welthit (Übrigens gab es in der DDR die Single in deutscher Sprache von Manfred Krug: „Es steht ein Haus in New Orleans“, AMIGA). Doch zurück zu Odetta. Auch ihre folgenden Platten überzeugten mit hohem Niveau, so tauchten nunmehr ebenbürtig Elemente der Soulmusik und des

Odetta singt beim Civil Rights March on Washington, D.C., 28. August 1963. Jazz auf, die ihre Lieder abwechslungsreicher klingen ließen. Ihre 1963 auf den Markt gekommene LP „Odetta Sings Folk Songs“ ist bis heute das meistverkaufte Album ihrer Schaffensperiode. Zeitgleich engagierte sie sich auch sehr aktiv in der Bürgerrechtsbewegung, zu deren wichtigs-

ßer Sorgfalt erarbeitete, waren schon sehr alt waren und beriefen sich oft auf die bitteren Erfahrungen der Sklaverei. Damit berührte sie dank ihrer Vortragskunst ihre Zuhörer so tief, dass diese die Gefühlswelt der Gepeinigten nachempfinden konnten, auch wenn sie nie selbst mit Unterdrückung und Menschenverachtung konfrontiert worden

Odetta

Jens-Paul Wollenberg über eine große FolkSängerin, die ihrerseits große Sängerinnen und Sänger geprägt hat ten Vertreterinnen sie alsbald zählte. Sie sang gemeinsam mit Dr. Martin Luther King auf Großkundgebungen, war am March On Selma in Alabama beteiligt, auch am Marsch für Arbeit und Freiheit am 28. August 1963 nach Washington D.C., wo sie „Oh Freedom“ anstimmte. Die meisten Lieder in ihrem breiten Repertoire, das sie sich mit gro-

waren. So überzeugte sie beispielsweise mit einem Sklavenlied, in dem sie mit voluminöser Stimme den Hammerschlag in Granitgestein atemtechnisch geschickt imitierte. Odettas Popularität stand nichts mehr im Wege, sie tourte durch ganz Nordamerika. Etliche hochkarätige Sänger,

Mit Liam Clancy beim Clonmel Junction Festival, Juli 2006.

beispielsweise der schon damals sehr bedeutende Johnny Cash, buchten sie als Stargast für ihre Veranstaltungen. So kamen auch Angebote für Auftritte in Nashville, Tennessee. Die Stadt gilt als Hauptmetropole der Country Music beziehungsweise des Bluegrass, woraus sich später der sogenannte Nashville-Sound entwickelte. Auf diesem Fundament bauten sich stilbildend Folk- und Country-Rock auf, die wiederum Sänger und Bands wie Bob Dylan, Peter, Paul & Mary, die Byrds und natürlich auch Odetta stark beeinflussten. Bei ihrer Teilnahme am Newport Folk Festival vor vierzehntausend Zuschauern erntete sie enormen Beifall. Die Leute waren gebannt von der ungewöhnlichen, großen Ausdruckskraft ihrer Stimme. Auch namhafte Literaten wurden auf sie aufmerksam. So erscheint ihre Person in Stephen Kings neunteiligem Romanzyklus „Der dunkle Turm“, in dem er, angelehnt an ihre Biografie, mit surreal wirkenden Bildern Odetta und zwei weitere Protagonistinnen zu einer Figur namens Susanna Dean vereinte. Der ziemlich irrwitzige, aber auch von Protest gegen Unterdrückung und Rassismus geprägte Inhalt dieser Anthologie sollte ursprünglich auch verfilmt werden, was jedoch wohl aus rechtlichen Gründen nicht geschah. Dass Odetta höchstpersönlich in mehreren Film- und Fernsehproduktionen mitwirkte, ist zwar ebenfalls erwähnenswert, aber ihr Wirken als Musikerin und Bürgerrechtlerin blieb unbestritten vorrangig. Aufsehen erregte sie auch während einer Deutschlandtournee 1968. Sie trat auf der legendären Liedermacherhochburg Waldeck im Hunsrück auf, wo sie mit Guy Caravan und Phil Ochs euphorisch gefeiert wurde.

Foto: Junction Festival / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Die Rede ist von Odetta Hoes, einer der ersten afroamerikanischen Sängerinnen, denen es vergönnt war, die großen Konzerthallen zu füllen. Als ihre großen Vorbilder nannte sie den Folkbluessänger Leadbelly, die Jazzsängerin Mahalia Jackson oder den Barden Woodie Guthrie. Entdeckt wurde sie in den fünfziger Jahren von keinem geringeren als Pete Seeger.

Odetta Holmes blieb sich und ihrer kämpferischen Willenskraft bis zu ihrem Tode treu, veröffentlichte zahlreiche Alben, von denen etliche für den Grammy nominiert wurden. 1999 erhielt sie für ihr Lebenswerk die „National Medal of the Art“. Noch in ihren beiden letzten Lebensjahren absolvierte sie, bereits an den Rollstuhl gebunden, mehr als fünfzig Konzerte. Am 2. Dezember 2008 starb sie im Alter von 78 Jahren in New York.


03/2018 Sachsens Linke!

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März 2018

Sachsens Linke

Aktuelle Informationen stets auch unter www.dielinkesachsen.de

Start ins Karl-Marx-Jahr-2018

Marcus Boës blickt voraus auf die zahlreichen Veranstaltungen

„Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“ (Karl Marx, 1859) Welche Brisanz in diesen Worten steckt, führt uns die Gegenwart Tag für Tag vor Augen. Das Sein, die Lebenswelt der Menschen, ihre Erfahrungen sind es, die Entscheidungen und Zukunft prägen. Unabhängig von Zeit und Raum drückt Marx‘ Zitat eine elementare Voraussetzung aus, die, wie er es formulierte, notwendig ist, um die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Und genau das ist es, was wir, DIE LINKE. Sachsen, im Karl-Marx-Jahr 2018 anstreben: Die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse sollen, vielmehr müssen, wieder zum Tanzen gebracht werden. Was bietet sich hierzu besser an als das Doppeljubiläum – 150 Jahre „Das Kapital“ und der 200. Geburtstag von Karl Marx? Um sowohl seine Person als auch seine Werke entsprechend zu würdigen, haben wir uns dazu entschlossen, eine Reihe von Events zu organisieren und zu koordinieren. Der zeitliche Rahmen der Veranstaltungen erstreckt sich von Mai bis Ende Oktober 2018. In dieser Zeit findet eine Vielzahl verschiedener Angebote für Jung und Alt statt. Einige davon möchte ich euch im Folgenden kurz vorstellen. Der Start und erste Höhepunkt der Feierlichkeiten findet anlässlich des 200. Geburtstags von Karl Marx am 5. Mai 2018 in Chemnitz statt – der Stadt, die einst seinen Namen trug. Das Bündnis „Marx200“ aus verschiedenen zivilgesellschaft-

lichen Gruppen, u.a. der RosaLuxemburg-Stiftung, dem DGB und der Wirtschaftsförderung, wird ein ganztägiges Programm rund um den „Nischel“, das Karl-Marx-Denkmal, organisieren. Der Landesverband und der Stadtverband Chemnitz sowie die Linksjugend Sachsen werden sich mit Beiträgen und einem Stand beteiligen. So ist beispielweise die Aufführung des Monodramas „Marx in Soho“ von Franz Sodann geplant. Über die Sommermonate hinweg organisiert der Landesverband in Zusammenarbeit mit den Kreis- und Ortsverbänden eine mobile Kino-Tour mit dem Film „Der junge Karl Marx“. Damit die historische und gesellschaftliche Dimension nicht zu kurz kommt, werden Filmbesprechungen in das Veranstaltungskonzept integriert. Wer zum Auftakt im Mai die Aufführung von „Marx in Soho“ verpasst hat, wird im Sommer noch mehrfach die Möglichkeit haben, dieses Säumnis nachzuholen. Die genauen Termine der Veranstaltungen werden in Kürze bekanntgeben.

Um sich den Werken von Karl Marx von akademischer Seite zu nähern, bieten linke Hochschulgruppen Seminare, Vorlesungen und Lesekreise an, die sich dem Leben und Wirken von Karl Marx widmen. Und damit nicht genug! Vom 2. Bis zum 6. Mai 2018 veranstaltet die Rosa-Luxemburg-Stiftung die Konferenz „MARX200: POLITIK – THEORIE – SOZIALISMUS“ in Berlin. Wem das alles immer noch nicht genug ist, der sollte sich das Wochenende um den 21. Oktober rot im Kalender anstreichen. Hier findet mit einer Großveranstaltung das abschließende Highlight der Feierlichkeiten statt – in Trier, dem Geburtsort von Karl Marx. Auch dazu haben wir bereits erste Beteiligungsideen entwickelt. Detaillierte Informationen folgen. Um euch auf dem Laufenden zu halten, wird in Kürze eine thematische Webseite online gehen. Wir möchten dort alle Veranstaltungen, die von der LINKEN und ihr nahestehenden Organisationen in Sachsen organisiert werden, gebündelt präsentieren, um mit euch ein fulminantes Karl-MarxJahr 2018 zu gestalten. Falls ihr Interesse habt, selbst eine Veranstaltung zu planen oder ihr uns einen Termin eines Events mitteilen möchtet, könnt ihr dies gern tun. Meldet euch dazu einfach bei uns in der Landesgeschäftsstelle oder tragt euer Event auf der Webseite ein. Ihr benötigt Unterstützung zum Realisieren eurer Veranstaltung? Auch dabei stehen wir euch gern zu Seite! Gemeinsam können wir Sachsen zeigen, dass Marx noch immer relevant ist und seine Kritik am Kapitalismus mehr denn je Bestand hat. Lasst uns die Verhältnisse zum Tanzen bringen, im wörtlichen als auch übertragenen Sinne!

Fahrverbote treffen die Falschen Diesel-Fahrverbote sind grundsätzlich möglich, urteilte das Bundesverwaltungsgericht. Dieselfahrzeugen, die Abgasnormen nicht einhalten, droht das Einfahrverbot in Innenstädte. Betroffen davon ist jedoch nicht die Automobilindustrie, die durch Betrug vorgaukelte, saubere Dieselautos zu verkaufen. Auch nicht die Politik, die durch mangelhafte Normen und Kontrollen die Automobilhersteller gewähren ließ. Betroffen sind die Fahrzeughalter: Einheimische, TouristInnen, BerufspendlerInnen. Sie werden zweifach Opfer: erst der Betrugsmasche einiger Hersteller, jetzt der politischen Entscheidung auf ihrem Rücken. Warum müssen diejenigen dafür geradestehen, die am Ende der Kette stehen? Nicht die Politik, die als größter Automobillobbyist die Industrie gewähren ließ? Nicht die Hersteller, die ihre Kunden täuschten? Warum gibt man sich mit Softwareupdates zufrieden, die wenig bringen, statt die Industrie zu Nachrüstungen zu zwingen, damit ihre Fahrzeuge einhalten, was sie versprochen haben? Weil Politik und Industrie im Kern das aussitzen wollen, was sie den VerbraucherInnen eingebrockt haben. Die Politik steht in der Verantwortung: Sie muss schleunigst Umweltpolitik im Sinne der Menschen statt der Industrie machen. Sie muss die Industrie in die Pflicht nehmen und nicht diejenigen, die auf ihre Autos angewiesen sind und sich im Zweifel gar kein neues leisten können. Natürlich ist unser Ziel, Mobilität jenseits des Autos sicherzustellen. Ein taktstarker, flächendeckender und kostengünstiger bis kostenfreier ÖPNV wäre hier eine Lösung. Solange das jedoch Zukunftsmusik bleibt, braucht es eine Automobilpolitik im Sinne der Umwelt und derVerbraucherInnen, nicht der Industrie. Mit scharfen Standards und engmaschiger Kontrolle. Es wird höchste Zeit.


Sachsens Linke! 04/2017

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Leserbriefe Erfahrungen mit der Arbeitsagentur

Nur wer das System kennt, kann sich wehren Ein Beitrag der Politsendung „Exakt die Story“, ausgestrahlt vom MDR am 8. November 2011, widmete sich dem Thema „Wie Arbeitslosenzahlen geschönt werden“. Viele, darunter sogenannte 1-Euro-Jobber, auch Menschen, die in „Maßnahmen“ stecken, Umschüler selbst für staatlich anerkannte Berufsabschlüsse fallen aus der Statistik heraus. Aber auch Menschen, die eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreichten, die in Krankenhäusern und/ oder Rehakliniken liegen. Transparenz ist nicht gewollt! Ich glaube zu wissen, warum das so ist. Alles, was Nürnberg nachgeschaltet ist, ist bestrebt, nach oben mit Bilanzen zu glänzen. Dem Bundesarbeitsministerium untersteht die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, die sich in Bezirksverwaltungen gliedert, die jeweils Kreisniederlassungen mit Nebenstandorten und Außenstellen unterhalten. Diese Kreisniederlassungen sind wie folgt hierarchisch organisiert: Geschäftsführer/in, Fachbereichsleiter, Standortverantwortliche der Nebenstellen, Team- bzw. Etagenleiter/in, Vermittler/in. Die Letztgenannten sind direkt mit den Arbeitslosen konfrontiert. Ich kann ein Lied von den Schikanen singen, die ich dort erfuhr! Die Jobcenter hängen am langen Band der BA, obwohl sie durch die Kreiskommunen geführt werden. Ihr Aufbau: Dezernatsleiter/in, Fachbereichsleiter/in, Teamleiter/in und, ihnen gleichgestellt, „Projektmanager/in“. Zuletzt folgt der/ die Fallmanager/in, die mit den Arbeitssuchenden in Kontakt kommen. Es ist wichtig, das System zu begreifen. Diktatorisches Auftreten gerade bei Sachbearbeiter/innen schürt Differenzen und Spannungen zwischen beiden, die auf die Spitze getrieben werden, wenn Sanktionen ausgesprochen werden. Und das macht man in solchen Häusern liebend gerne, schließlich will man Einsparungen im Haushalt erzielen. An den Schließtagen müssen sowohl alle untersten Sachbearbeiter/Fallmanager als auch die Teamleiter (Projektmanager) zum Rapport beim Fachbereichsleiter oder Dezernenten antanzen. Aus Angst, Schelte zu kassieren, kann das Frisieren schon auf der untersten Ebene beginnen. Je mehr Vermittelte oder auf anderem Wege Ausgeschiedene vorzuweisen sind, desto besser. Dass Hartz-IV Armut per Gesetz ist, wissen wir alle! Alle, die „Geld ziehen“, also Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Rentner, könnten doch in die „Kiste hüpfen“, dann wäre noch mehr übrig, um Steuergeld zu verschwenden. Ich möchte dem DDR-Regime keinesfalls nachhängen, jedoch sind wir nicht auf die Straße gegangen – das trifft für uns mutige „Ostler“ besonders zu – um am unterstem Rand der Gesellschaft wie Abschaum behandelt zu werden! Wenn sich dann eine Kanzlerin hinstellt und „bedauert,

dass nicht jeder mitgenommen wurde“, ist das mehr als scheinheilig! • Karl-Heinz Gottschalk, Niederau Zu „Deutschland bleibt kalt“ von Katja Kipping und zu „Wir können das besser“ von Antje Feiks (Links! Ausgabe Januar/ Februar 2018, S. 1 und 12)

Raus ins Land! Gespannt las ich den Beitrag von Katja Kipping, hatten wir doch in der Mitgliederversammlung darüber gesprochen, dass wir vom Bundesvorstand nichts hörten, was getan wird oder zu tun ist, um die Zeit der Sondierungsgespräche zu nutzen – etwa die SPD daran zu erinnern, was sie vor der Wahl alles ändern wollte, z. B. die Einführung der Bürgerversicherung. Enttäuscht legte ich den Artikel zur Seite, denn er enthält nur Aufzählungen, was ungenügend ist oder nicht ausgehandelt wurde. Kein Wort zur Lage unserer Partei in dieser Situation – dabei stehen wir fest bei 11 Prozent der Umfragewerte, während andere Parteien zulegen. Mein Vorschlag: Jeder Landtagsabgeordneter geht im 1. Halbjahr in einen kleinen Ort, in eine Gemeinde, in der kein Abgeordneter, auch anderer Parteien, lebt. Dort sollte entweder auf der Straße oder in einem Raum ein Gespräch mit Einwohnern ohne Themenvorgabe stattfinden. Auf der Straße ist meist gut, weil Leute vorbeigehen, die angesprochen werden können. In Auswertung der letzten Wahl hörte ich im Radio einen Bürgermeister, der sagte, dass in seiner Gemeinde noch nie ein gewählter Vertreter gewesen ist. In diesem Ort haben sehr viele Bürger AfD gewählt. • Eva-Maria Schildbach Zum Semperopernball 2018

Spektakuläre Politshow? Der Semperopernball, dessen Tradition 2006 wiederbelebt wurde, scheint mit Hilfe der Medien zum wichtigsten „Event“ in der Kulturszene Dresdens zu avancieren. Prominenz spreizt sich im Lichte der Kameras, um zu zeigen: Ich war dabei. Dresdner, die im Halbdunkel vor den Türen der Oper das mitfeiernde begeisterte Volk spielen, komplettieren das Spektakel. Wie stets war auch beim Opernball 2018 für Überraschungen gesorgt. Eine war die Ehrung Sigmar Gabriels mit dem St. Georgs-Orden. Das ist traditionell der sächsische Dankesorden. Er wird in den Kategorien Sport, Kultur und Politik verliehen und trägt die Aufschrift Advero Flumine – wider den Strom. Auf den bisher dreizehn Bällen wurden sechzig St. Georgs-Orden verliehen. Welche Kriterien zugrunde gelegt wurden, ist aus der Liste der Ausgezeichneten nicht zu erkennen, aber der Leser kann sie erraten. In der Kategorie Kultur mit zweiundzwanzig Preisträgern finden wir mit sächsischem Hintergrund Kurt Masur, Ludwig Güttler, Wolfgang Stumph und Gunther Emmerlich. Warum diese Künstler den Orden bekamen, nicht aber solche Repräsentanten der Dresdner Kunst wie Peter Schreier, liegt auf der Hand.

Noch deutlicher zeigt sich die politische Tendenz, die den Auszeichnungen zugrunde liegt, bei den vierzehn Preisträgern in der Kategorie Politik. Das sind Hans-Dietrich Genscher, Lothar de Maiziere, Wladimir Putin, Kurt Biedenkopf, Roman Herzog, Jean-Claude Juncker, José Barroso, Macky Sall, Christian Wulff, Youssef al-Alawi Abdullah, Salman bin Abdulaziz al Saud, Klaus Johannis, Ameenah Gurib und Sigmar Gabriel. Der erste und der letzte waren deutsche Außenminister. Muss ihr politisches Sündenregister, das in Dresden in Ruhmestaten umgefälscht wurde, aufgelistet werden? Als makaber könnte gewertet werden, dass keiner der vielen Dresdner Helden der „friedlichen Revolution“ einen St. Georgs-Orden erhielt, nicht einmal ihr „Napoleon“ Arnold Vaatz. Kommen wir auf den Skandal 2018 zurück: Bei Sigmar Gabriel ist er eklatant. In der Laudatio wurde gewürdigt, dass er als Wirtschaftsminister Arbeitsplätze geschaffen habe. Aber zum Zeitpunkt der Auszeichnung wurde er für die gestiegenen Rüstungsexporte und die Lieferung von Panzern an die Türkei verantwortlich gemacht. Der Schacher um die Regierungsposten war in vollem Gange. Sollte der Dresdner Orden helfen, Gabriel zum „beliebtesten Politiker“ zu machen? Warum? • Prof. Dr. Horst Schneider, Dresden Zu „Die Wurzeln des Rassismus“ (Links! 01-02/2018, S. 6)

Heute werden Vorurteile geschürt Ja, rassistische Vorstellungen und Strukturen lassen sich zumindest bis in die Kolonialzeit zurückverfolgen. Versuche, die Ausplünderung des Südens mit Menschenrechten und „humanitären“ Militäreinsätzen zu rechtfertigen, die „Schutzverantwortung“, die Abwertung anderer Menschen und die angebliche zivilisatorische Leistung bei der Unterwerfung lassen sich von damals bis heute verfolgen. Aber hätte die DDR die kolonialverherrlichenden Denkmäler und Straßennamen behalten sollen? Wieso sind Antikolonialismus, Antirassismus und Antifaschismus ideologisch und nicht ideologiebekämpfend? Was spricht außer Herrschaftsinteressen gegen Internationalismus, die Solidarität der Bevölkerungen und die gegenseitige Unterstützung von Staaten, die eine solidarische Gesellschaft anstreben? Ja, die DDR appellierte an den Verstand und das Bewusstsein. Sie arbeitete mit Aufklärung. Die unbewussten Vorurteile ließen sich damit nur schwer bekämpfen. Heute dagegen werden diese Vorurteile aktiv geschürt. Das ist Teil einer Spalte-und-herrsche-Politik. Um Demokratieabbau, die Diktatur des Kapitals, die Umverteilung von unten nach oben, soziale Verschlechterungen und die Bevölkerungsbespitzelung durchzusetzen, werden rassistische, einschließlich antimuslimische und nationalistische Vorurteile geschürt. In der DDR wurden sie bekämpft und verfolgt. Der Völkermord an den Hereros wurde im Geschichtsunterricht der 8. Klasse behandelt. Was ist besser? • Rita Kring, Dresden

Zu „Keine Rechtfertigung für dieses Regime“ (Sachsens Linke! 01-02/2018, S. 9)

Es geht um die NATO Gibt es irgendeinen Beweis, dass der Iran nach 1980 jemals nach Atomwaffen gestrebt hat? Hat nicht die iranische Regierung erklärt, dass Atomwaffen dem Islam widersprechen? Ging es im Atomabkommen nicht stattdessen um die Einschränkung der zivilen Nutzung der Atomenergie, einschließlich für medizinische Zwecke? Sind diejenigen, die dieses Abkommen erzwungen haben und jetzt weitere Verschärfungen wollen, nicht alles Atomwaffenmächte, die BRD im Rahmen der nuklearen Teilhabe? Sind nicht unter verschiedensten Vorwänden viele Sanktionen gegen den Iran in Kraft? Sind nicht somit die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und damit die sozialen Probleme im Iran wesentlich durch die aggressive Politik der NATO-Staaten und ihrer Verbündeten mitverursacht? Hat sich im Syrienkonflikt nicht die Hamas auf Seiten Katars gegen Syrien und damit gegen einen Verbündeten des Irans gestellt? Und bei aller Kritik am Iran: Ist der jetzige Zustand nicht eine Folge des von der USA unterstützten Putsches 1953 gegen Mossadegh? Geht es nicht seit damals bis heute um die Unterwerfung des Nahen Ostens, einschließlich seines Erdöls und -gases, unter die Kontrolle der NATO? Wird der Iran nicht vor allem deshalb bekämpft, weil er zusammen mit anderen gegen diese Unterwerfung Widerstand leistet? Und können nicht alle für soziale Gerechtigkeit und Demokratie stehenden Aktionen am besten dadurch unterstützt werden, indem wir diese imperialistischen Bestrebungen bekämpfen? • Eric Neuber, Radebeul

Impressum Sachsens Linke! Die Zeitung der LINKEN in Sachsen Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf­lage von 10.950 Explaren gedruckt. Der Redaktion gehören an: Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Thomas Dudzak, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt, Ralf Richter, Stathis Soudias. Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt: Archiv, pixelio, iStockphoto Kontakt: kontakt@dielinke-sachsen.de Telefon 0351-8532725 Fax 0351-8532720 Redaktionsschluss: 27.02.2018 Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 04.04.2018.


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Ist Marx'sches Denken noch aktuell?

Neues aus dem Den Marx-Geburtstag begleitet „Z.“ mit einer Schwerpunktausgabe Landesvorstand Arbeit und Ausbeutung – empfehlenswert, findet Volker Külow Das neue Heft der marxistischen Vierteljahres-Zeitschrift Z. ist Anfang März pünktlich erschienen. Es hat den Schwerpunkt „Arbeit und Ausbeutung“ und ist aus naheliegenden Gründen zugleich dem 200. Geburtstag von Karl Marx gewidmet. Schon im Editorial wird die entsprechende Schlüsselfrage formuliert, die Marxistinnen und Marxisten in aller Welt in diesem Jahr besonders umtreibt: „Es ist die nach der Aktualität des Marx’schen Denkens und der Fähigkeit seiner heutigen Anhänger, die inneren Widersprüche der globalen kapitalistischen Entwicklung adäquat zu fassen und eine Kapitalismuskritik zu entwickeln, die Zugänge zu dessen Überwindung und eine Perspektive eröffnet, ‚alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes Wesen ist’.“

Um den strukturellen Entwicklungen im ländlichen Raum entgegenwirken zu können, beauftragte der Landesvorstand die stellvertretende Landesvorsitzende Jana Pinka, den Landesgeschäftsführer Thomas Dudzak sowie interessierte Mitglieder des Vorstandes mit der Erarbeitung des Konzeptes Offensive ländlicher Raum. Ziel ist es, eine bessere Wahrnehmung und Anbindung der LINKEN im ländlichen Raum zu ermöglichen. Dabei sollen auch Erkenntnisse des Entwicklungskonzeptes Aleksa berücksichtigt werden. Zudem beschloss der Vorstand die Unterstützung des Karl-Marx-Jahres 2018. Der Landesvorstand hat die Schaffung einer neuen Mitarbeiterstelle „Mitgliederbetreuung“ beschlossen. Die Besetzung soll zum 1. April 2018 erfolgen. Der Aufgabenbereich wird hauptsächlich die Unterstützung der Stadt- und Kreisverbände bei der Betreuung der bestehenden Mitglieder als auch die Integration der hohen Zahl der Neumitglieder umfassen.

Das aktuelle Heft behandelt zunächst praktische und theoretische Aspekte von Arbeitskämpfen sowie Arbeit und Ausbeutung: Arbeitskämpfe um Arbeitszeit, Lohn und Arbeitsbedingungen werden in praxisnahen Beiträgen von Gewerkschaftssekretären sowie

Friedenswanderung Sächsische Schweiz Gegen Rüstungswahnsinn, Kriegsexporte und deutsche Soldaten in Afghanistan, im Libanon oder an der Grenze zu Russland – und für ein Europa und eine Welt in Frieden und sozialer Sicherheit! Ostermontag, 2. April 2018 12.30 Uhr, Bahnhof Bad Schandau: Bustransfer nach Ostrau, Wanderung zum Kurpark 15.00 Uhr, Kurpark Bad Schandau: Friedensfest mit Essen, Trinken, Musik, und Gesprächen. Statements gibt es unter anderem von Bürgermeister Thomas Kunack, Bad Schandau und Dr. André Hahn, MdB DIE LINKE. Musik: Chor, Pirna; Grenzgänger, D/CZ; Marmitako, Dresden Friedenspolitik statt Aufrüstung! Abrüsten ist das Gebot der Stunde!

Am 6. Februar 2018 beschloss der Landesvorstand unter anderem:

Betriebs- und Personalräten analysiert. Das inhaltliche Spektrum der zumeist recht kurzen Artikel reicht dabei vom jüngsten Metallerstreik über „traumhafte Postgewinne“ bis zu den Klassenkämpfen in de globalen Bekleidungsindustrie. Unter dem Rubrum „Marx 200“ melden sich ausgewiesen Fachleute wie Klaus Müller, Erik Olin Wright, Harald Werner, Heinz-Jürgen Krug, Marcus Schwarzbach und Rolf Schmucker zu polit-ökonomischen, soziologischen und sozialstrukturellen Aspekten von Ausbeutung im heutigen Kapitalismus zu Wort. Neben dem Schwerpunkt enthält die neue Ausgabe auch zwei Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Thomas Kuczynski hinterfragt unter der Überschrift „Inwertsetzung der Natur oder Wertrevolution?“ kritisch eine zentrale Fragestellung im Konzept des „grünen Kapitalismus“. Winfried Schwarz stellt die Neuedition der „Deutschen Ideologie“ im unlängst erschienenen MEGABand I/5 vor, der mit Text und Apparat 1894 Seiten umfasst. Zu Lebzeiten von Marx und Engels wurden von den für eine zweibändige Publikation vorgesehnen und heute noch erhaltenen 18 Texten nur zwei gedruckt. Im Vergleich zur Edition im blauen MEW-Band 3 gibt es eine Vielzahl von Änderungen

und Umstellungen bei der Textpräsentation. Aufbauend auf einer 80 Jahre währenden Editionsgeschichte repräsentiert MEGA I/5 den neuesten Forschungsstand. Schwarz zeichnet diesen Erkenntnisgewinn in stringenter Form nach und geizt auch nicht mit Anekdoten am Rande: Es ist eben ein Unterschied, ob das berühmte Zitat richtigerweise „… morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren“ lautet oder falsch entziffert wird („auch das Essen zu kritisieren). Und natürlich ist es auch ein gewichtiger Unterschied, ob es in der ersten MEGA noch heißt: „Gibt keine Kritik der Lebensverhältnisse“ oder richtigerweise jetzt neu „Liebesverhältnisse“. Mit Blick auf die 1968-Bewegung und deren 50. Jahrestag 2018 enthält das Heft Wolfgang Abendroths 1978 erstmals erschienenen Artikel „Der Weg der Studenten zum Marxismus“. Sehr lesenswert ist darüber hinaus der Beitrag von Dieter Boris „Populismus… und kein Ende“. Die Artikel von Kerstin Artus, Kai Wagner, Thomas Metschner und Jens Grandt können aus Platzgründen hier nur erwähnt werden. Wie immer enthält Z. im letzten Teil eine Zeitschriftenschau, Tagungsberichte und eine Vielzahl von Buchbesprechungen. Nicht zuletzt damit leistet das MärzHeft wieder einen gewichtigen Beitrag

Weiterhin beschloss der Landesvorstand, Franziska Fehst und Silvio Lang in der 6. Legislaturperiode die Verantwortung für den Bereich antifaschistische Politik zu übertragen. Franziska Fehst wird dabei den Bereich „antifaschistische Bewegung“ als Sprecherin übernehmen und Silvio Lang „antifaschistische Positionierung“ betreuen. Abschließend wurden Statistiken über die Mitgliederentwicklung 2017 des Landesverbandes sowie der Landesarbeitsgemeinschaften präsentiert und Informationen zum Stand des Entwicklungskonzepts Aleksa diskutiert. Äußerst positiv fiel die Mitgliederentwicklung des Landesverbandes aus. DIE LINKE. Sachsen verzeichnete 2017 einen Neumitgliederrekord und konnte erstmals seit 1990 mehr Einals Austritte vorweisen. • Marcus Boës

Dietmar Bartsch spricht über die aktuelle Lage Mittwoch, 4. April 2018, 18 Uhr Ost-Passage-Theater, Konradstraße 27, Leipzig

zur pluralistischen, undogmatischen Erneuerung marxistischen Denkens, für den der Redaktion um André Leisewitz herzlich zu danken ist. Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, N. 113 (März 2018), 224 Seiten, Einzelheftbezug 10 Euro. Bestellungen über redaktion@zme-net.de oder www. zeitschrift-marxistische-erneuerung.de


Sachsens Linke! 03/2018

Wenn gleiche Arbeit weniger wert ist … Am Donnerstag, dem 25. Januar 2018, trafen sich etwa 120 Krankenschwestern, -pfleger und weitere Bedienstete des Kreiskrankenhauses Stollberg zum Streik für eine angemessenere Bezahlung ihrer für uns alle wichtigen Arbeit. Sie bekommen nicht nur weniger Geld als ihre Kolleginnen und Kollegen in den alten Bundesländern, nein, sie werden auch schlechter bezahlt als die in den umliegenden Krankenhäusern. Die Arbeit ist die gleiche, die Bezahlung sagt etwas anderes. Wie kann es sein, dass Krankenschwestern und -pfleger im KKH Stollberg laut ver.di 6.400 Euro im Jahr weniger bekommen als die im EKA Erzgebirgsklinikum Annaberg, das der gleichen Holding angehört?

Am 17. Februar 2018 wurde öffentlich, dass sich ver.di und die Geschäftsführung doch einigen konnten. Eine Entgelterhöhung von drei Prozent ab Mai 2018 sowie eine um 2,2 Prozent ab dem 1. Januar 2019 sind vorgesehen. Jedes Jahr soll zum ab 1. Juni eine neue Entgeltordnung eingeführt werden, was längerfristig bedeutet, dass das Tarifniveau des öffentlichen Dienstes, von dem die Beschäftigten derzeit noch etwa 13 Prozentpunkte entfernt sind, endlich irgendwann erreicht wird. Auch für die Auszubildenden gilt dies, sie bekommen dazu einen weiteren Urlaubstag. Die Erklärungsfrist läuft. Annahme, Ablehnung oder Widerruf?

Wo liegen generell die Probleme? Hat die Geschäftsführung Fehler gemacht, vielleicht falsch oder nicht genug investiert, und hält jetzt mit niedrigeren Gehältern den Standort aufrecht? Eines der naheliegenden Medizinischen Versorgungszentren, die Praxisklinik Stollberg, gehört zum Beispiel nach einer Umstrukturierung immerhin zum HELIOS Aue und schickt seine Patienten natürlich dahin. Und was ist eigentlich mit den Gehältern der Ärzte im KKH Stollberg? Weichen die auch um elf bis 13 Prozent vom Tarif ab? • Kathleen Noack

Die Gewerkschaft fordert in diesem und nächsten Jahr jeweils vier Prozent mehr Gehalt, um längerfristig das Tarifniveau des öffentlichen Dienstes zu erreichen. Das letzte Angebot vom Arbeitgeber nach dem Streik sah jedoch nur drei Prozent ab Mai 2018 und 1,5 Prozent ab Dezember 2018 vor, sowie keine weitere Erhöhung 2019. Schade, dass unser neuer Ministerpräsident Kretschmer am 5. Februar 2018 zwar vor Ort war, nicht aber mit den Mitarbeitern über ihre Situation sprach, sondern nur mit der Geschäftsführung Fördermittel für eine neue Palliativstation verhandelte. Selbstverständlich wurde den Mitarbeitern von der Leitungsebene nahe gelegt, an dem Tag die Füße still zu halten.

Klausur bereitet auf 2019 vor Der Kreisvorstand der LINKEN im Erzgebirge hat am 26. und 27. Januar 2018 in Markersbach seine Klausurtagung 2018 unter dem Motto „Nicht reden, machen!“ durchgeführt. Am Freitag verständigten sich die Mitglieder über organisatorische Veränderungen. Dabei wurden die Vorbereitung der Wahlen 2019 analysiert und Veränderungen beschlossen. Einen eigenen Punkt bildeten die Öffentlichkeitsarbeit und die Initiative ländlicher Raum. Bei einem gemütlichen Kegelabend lernten sich die Kreisvorstandsmitglieder näher kennen, was für die Zusammenarbeit wichtig ist. Denn der im Oktober gewählte Vorstand hat einige neue Mitglieder. Am zweiten Tag ging es hauptsächlich um Themen, mit denen die LINKEN im Erzgebirge 2018 den Wahlkampf vorbereiten wollen. Der wichtigste Aspekt war die Sichtbarkeit und Präsenz als Alternative zu den anderen Parteien. Natürlich wurde auch viel über Kandidatengewinnung diskutiert. Es waren zwei sehr arbeitsreiche Tage, die allen Beteiligten viel Kraft gegeben haben, um die Aufgaben in 2018 zu lösen. Infos: www.bit.ly/2CuKXWo • Holger Zimmer, Kreisvorsitzender

LINKE gegen AWO? r

Zu Besuch im Bundestag Unsere Fahrt zum Bundestag begann am 29. Januar 2018 pünktlich um 6 Uhr. Nach einer kleinen Zwischenpause führte uns die Fahrt zu unserem ersten Ziel, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Danach ging es zum ersten Teil unserer Stadtrundfahrt durch Stadtbezirke Ostberlins. Nach dem Mittagessen gelangten wir zum Bundestag. Dort konnten wir den Plenarsaal besichtigen und hörten einen Vortrag über die Aufgaben und die Arbeit des Parlamentes. Anschließend hatten wir die Möglichkeit zu einer an-

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DIE LINKE. Kreisverband Erzgebirge

geregten Diskussion mit dem Bundestagsabgeordneten Michael Leutert. Nach einem kurzen Fototermin mit allen Genossinnen und Genossen sowie dem Abgeordneten konnten wir noch die Kuppel des Reichstagsgebäudes besichtigen und Berlin bei Nacht bestaunen. Den Abend ließen wir bei einem schönen Buffet, einigen Cocktails und Bier sowie mit angeregten Gesprächen ausklingen. Am 30. Januar 2018 begann nach dem Frühstück der zweite Teil der Stadt-

rundfahrt, diesmal durch Westberlin und auch hier durch die tolle Reisebegleiterin kommentiert. Um 11 Uhr erhielten wir eine höchst interessante Führung durch die Gedenkstätte des deutschen Widerstandes in der Stauffenbergstraße. Nach dem Mittagessen wartete schon der letzte Teil unseres Besucherprogramms. Wir besuchten das Dokumentationszentrum Topographie des Terrors. Um 16 Uhr traten wir dann die Heimreise nach Stollberg an. • Ines Zimmer

Die CDU-Fraktion im Stadtrat von Schneeberg beantragte einen Zuschuss für die Arbeiterwohlfahrt. Warum stimmte die Fraktion DIE LINKE dagegen? Zur Stadtratssitzung am 25. Januar 2018 lag der Antrag der CDUFraktion über die Unterstützung der Arbeiterwohlfahrt zur Abstimmung vor. 10.000 Euro sollte die Kommune demnach jährlich der AWO bereitstellen, weil es Kürzungen bei den 1-€-Jobs gegeben hat. Damit drohen der Tafel und der Kleiderkammer wegen fehlender Sachkostenbereitstellung die Schließung. Welch eine Heuchelei! Wer ist denn verantwortlich für diese Kürzungen? Natürlich die CDU im Verbund mit der SPD! Unglaublich, wieder soll die Kommune dafür bluten, obwohl reichliche Überschüsse im Landesund Bundeshaushalt vorhanden sind. Wir befürworten den Erhalt der AWO und ihrer Strukturen und ihre Hilfe für bedürftige Menschen, aber nicht auf Kosten der Stadt. Wir achten die Arbeit der AWO hoch – die notwendigen Mittel müssen von Land und Bund bereitgestellt werden, damit die von ihnen verursachte Armut gelindert wird! Selten war ich im kommunalpolitischen Bereich so empört über die Frechheit und Schamlosigkeit der CDU. • Stefan Schrutek, Fraktionsvorsitzender


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03/2018 Sachsens Linke!

DIE LINKE. Kreisverband Zwickau

Insektenschutz in Glauchau wird verbessert tonte, dass genau an diesem Punkt angesetzt werden könne, indem die Stadt die im Antrag geforderten Maßnahmen umsetze. So können wieder Lebensräume und Nahrungsquellen für Insekten und weitere Arten geschaffen werden.

Bei der Errichtung der Blühwiesen sollte je nach ökologischer Wertigkeit der Fläche zwischen verschiedenen Saatmischungen ausgewählt werden. Besonders vielblütige und einheimische Saatmischungen sollen bevorzugt werden, da deren Pflegeaufwand gering ist und somit langfristig Pflegekosten eingespart werden können. Die insektenfreundliche Gestaltung und Vernetzung der ökologischen Ausgleichsflächen soll laut Antrag durch die Schaffung von Nistmöglichkeiten, die Belassung von Totholz, die Einsaat einheimischer Wildblumen (Blumenwiesen), Kräuter, Büsche und Bäume, die den Tieren als Nahrungsquelle dienen sowie ein maßvolles und zeitlich versetztes Mähen, immer nur höchstens der halben Fläche beziehungsweise nur zweimal jährlich (als Rückzugsgebiets- und Nahrungsgrundlagenerhalt) umgesetzt werden. Stadträtin Julia Stein begründete die Notwendigkeit des Antrages mit einer jüngst veröffentlichten Studie der

Foto: Mumes World / flickr.com / CC BY-NC-ND 2.0

Zur Stadtratssitzung am 30.11.2017 brachte die Fraktion DIE LINKE im Glauchauer Stadtrat einen Antrag zum Thema „Anlegen von Blühstreifen bzw. Blühflächen auf städtischen/kommunalen Grünflächen in Glauchau“ ein. Beschlussvorlage war es, Blühstreifen bzw. Blühstreifen auf städtischen/ kommunalen Grünflächen zu errichten sowie ein komplementäres Maßnahmenkonzept zum Schutz von Insekten zu erstellen.

Länder Niederlande, Deutschland und Großbritannien, bei der ein durchschnittlich 75- prozentiger Rückgang der Fluginsekten-Biomasse festgestellt wurde. Die ForscherInnen führten im Zeitraum von 1989 bis 2016 Erhebungen in 63 deutschen Schutzgebieten durch. Der Aufschrei in der Bevölkerung auf das damit erwiesene Insektensterben war und ist noch immer groß. Die Ergebnisse wurden in den Medien verbreitet. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass unter diesen Insekten Schmetterlinge, Bienen, Wespen, Motten und andere flugfähige Arten sind.

tum beliebter Früchte wie z. B. von Äpfeln und Birnen sorgen die Bienen. Die verschiedenen Obstsorten stellen immerhin etwa ein Drittel unserer Nahrung dar, womit die Biene ein wichtiger Bestandteil unseres Ökosystems ist. Die Studie fand heraus, dass es nicht nur einen Grund für das Bienensterben gibt, sondern ein Konglomerat verschiedener Komponenten wie die industrielle Landwirtschaft und damit verbundene Monokulturen. Aber auch ein mangelhaftes Nahrungsangebot für Insekten sowie das Verschwinden der Nistmöglichkeiten sind negative Faktoren.

Etwa 80 Prozent der Wildpflanzen sind abhängig von der Insektenbestäubung und 60 Prozent der Vögel in der heimischen Natur ernähren sich hauptsächlich von Insekten. Auch für das Wachs-

Viele Insekten finden sich daher in privaten Gärten, Balkonen und Wegesrändern wieder, weil sie hier noch wild blühende Pflanzen vorfinden, die Pollen und Nektar bereithalten. Julia Stein be-

Darüber hinaus haben Blühstreifen eine wichtige Bedeutung für die Bereicherung und Aufwertung des Landschaftsbildes. Glauchau als grüne Stadt würden die Blühwiesen bereichern. Hierbei ist es sinnvoll, diese Art Umweltschutz in der Öffentlichkeit bekannt zu machen sowie die Blühflächen zu kennzeichnen. Julia Stein betonte bei der Begründung des Antrages auch die wirtschaftliche Komponente. Der Pflegeaufwand der Blühstreifen ist je nach verwendeter Samenmischung deutlich geringer als der von Grünstreifen. Zusätzliches kostenintensives Düngen oder Bewässern der Blumenwiesen ist ebenfalls nicht notwendig. Der Antrag wurde bis auf eine Stimmenthaltung von allen anwesenden Stadträten beschlossen. Bereits am nächsten Tag bekamen die Stadträte der Linksfraktion Anrufe sowie Emails von BürgerInnen, welche den Antrag begrüßten. Auch ein Artikel in der Freien Presse folgte etwa zwei Wochen später. Darin äußerte sich auch ein Imker aus Glauchau positiv zum Antrag und dessen Folgen für Glauchau. Der Antrag der Fraktion ist nur ein kleiner Schritt für Glauchau, aber ein großer öffentlichkeitswirksamer Schritt für den Natur- und Insektenschutz!

Ortsvorstand HohensteinErnstthal gewählt Am 10. Januar 2018 endete die zweijährige Amtszeit des Ortsvorstandes DIE LINKE. Hohenstein-Ernstthal. Der neue Vorstand verjüngt sich deutlich, zum einen durch das gigantische Ergebnis von 100 Prozent für Sebastian Bernhardt in Funktion des neuen Ortsvorsitzenden und zum anderen durch den Callenberger Björn Reichel. Wiedergewählt wurden die beiden KassierergruppenleiterInnen Christi-

ne Winkler und Dieter Traumüller. Elke Mühleisen fungiert weiter als Schnittstelle zwischen Stadtratsfraktion und Ortsverband. Die anwesenden knapp 30 GenossInnen bedankten sich bei der langjährigen Ortsvorsitzenden Karin Kämpf mit langem Applaus und danksagenden Worten. Es war jedoch kein Abschied, da auch sie dem neuen Ortsvorstand erhalten bleibt. • Alexander Weiß

Aktuelles aus dem Kreisvorstand Am 3. Februar kam der neue Kreisvorstand zur konstituierenden Sitzung zusammen. Nach einer kurzen Auswertung des Kreisparteitages vom 13. Januar wurden thematische und organisatorische Schwerpunkte herausgearbeitet. Zeitnah wird es an die Umsetzung zweier Anträge gehen, die der Kreisparteitag beschlossen hat: die Vorbereitung der Wahlen 2019 sowie die Beteiligung am Diskussionsprozess um das Alternative Landesentwicklungskonzept

(ALEKSA). Weitere Arbeitsfelder wurden abgesteckt: Mitgliederbetreuung, Gleichstellung, Politische Arbeit im ländlichen Raum, längeres gemeinsames Lernen, Zusammenarbeit mit dem Kommunalpolitischen Forum. Ein weiterer Punkt war die Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit insbesondere im Hinblick auf Veranstaltungen, Vor-Ort-Aktionen, Internetaktivitäten sowie Pressearbeit. Im nächsten Schritt wurden die Verant-

wortlichkeiten für die Arbeitsfelder auf die Mitglieder des Kreisvorstandes verteilt. Die Themenverantwortlichen werden bis zur Sitzung des Kreisvorstandes am 7. März ein Arbeitsprogramm für den von ihnen verantworteten Arbeitsbereich vorlegen. Die Arbeitsprogramme dienen auch als Grundlage einer Auswertung der Aktivitäten, damit wir am Endes des Jahres überprüfen können, was erreicht wurde und gleichzeitig prüfen können, wo nachgebessert wer-

den muss oder andere Akzente gesetzt werden müssen. Weiterhin wurde beschlossen, die Sitzungsaktivitäten der Mitglieder des Kreisvorstandes für den nächsten Kreisparteitag, auf dem die Neuwahl des Kreisvorstandes ansteht, zu dokumentieren – damit die Mitglieder nachvollziehen können, wer wie oft an Kreisvorstandssitzungen teilgenommen oder nicht teilgenommen hat. • Sandro Tröger, Kreisvorsitzender


Sachsens Linke! 03/2018

(Selbst-)Gerechter Zorn des Abendlandes

Reinhard Heinrich weiß, wie die Meißner Fummel als „nationales Kulturerbe“ von der Islamisierung bedroht ist Beim Konditor Zieger in Meißen kann man die Fummel kaufen. Der Legende nach war sie – „eyn gar zerbrechlich Gebäck“ – als Mitbringsel des Landesherrlichen Boten zwischen der Burg zu Meißen und dem Schloss zu Dresden heil zu transportieren. Die heile Fummel „bewies“ den alkoholfreien Ritt ungeachtet aller Versuchungen am Wege liegender Weinwirtschaften. Eine schöne Geschichte, mit der das Café Zieger seit langem die Fummel – hauptsächlich aus Luft bestehend – verkauft. Sie ist ein originelles Souvenir und allemal preiswerter als das örtliche Porzellan. Dieser verkaufsfördernden Legende tritt nun todesmutig der Meißner Kulturwissenschaftler Dr. phil. Hans Sonntag entgegen, der die Fummel eher in einer türkischen Tradition verortet. Heißa, wie da das „gesunde Volksempfinden“ schäumt. Gerade im (ursprünglich slawischen) Meißen, wo besonders hart um die Bewahrung völkischer Traditionen gerungen wird, tobt jetzt „ein Kampf“ um die Deutungshoheit über germanisches Backwerk aus den Öfen der Nachfahren fränkischer Migranten im sorbischen Gau Nisani.

Gewölbe – in Ermangelung des noch nicht erfundenen weißen Porzellans überzog Dinglinger hauchdünnes Gold mit weißer Emaille – lässt darauf schließen, dass die Türken bei ihrer Flucht neben Kaffee auch andere Genuss- und Lebensmittel zurücklassen mussten. Die ungerösteten Kaffeebohnen (anfangs angeblich für Kamelfutter gehalten) sind längst geröstet, türkisches Backwerk längst gegessen, und die unverderbliche Beute kann man in der „Türckischen Cammer“ des Dresdner Schlosses bewundern – nebst Zukäufen. Denn nach der militärischen Auseinandersetzung gab es wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen mit der Türkei. Die Bagdad-Bahn war ein spätes Kapitel davon. Aber schon frühzeitig „importierte“ man türkisches Know How. Warum nicht auch Backrezepte?

Ein Leserbriefschreiber vermerkt unter den SZ-Artikel: „... wie jetzt waren die Türken auch noch früher da und ich bin hier eigentlich nur Gast?“ Aber nein, nur bis Wien waren sie gekommen. Ein anderer „scherzt“ böse, auch das Automobil und das Fahrrad seien orientalische Produkte. Ein Dritter verweist auf die neuerdings erschienenen Erdogan-Hypothesen von der türkischen Entdeckung Amerikas. Insgesamt 20 Kommentare hat der SZ-Artikel bekommen, sie sind in der Summe ausgewogen. Es äußern sich natürlich lautstark „neurechte Spinner“. Aber sie bekommen ironisch bis sarkastisch die Meinung gesagt. Die Provokation hat funktioniert. Wir wissen jetzt, dass die Lautesten nicht die Meisten sind. Aber auch, dass die Meisten Acht geben müssen, nicht blind den Lautesten hinterherzulaufen.

Fröhliche Schulkinder im Theaterfoyer

In 29 Szenen, die dramaturgisch raffiniert – Chapeau für Gisela Zürner – fast nahtlos, trotz Wechsel von Ort und Zeit, ineinander übergehen, erlebt der Zuschauer eine Serie von Sprüngen der Helden. Von der Verantwortungs-

Zum Friedhof und ein Stück zurück Die Praxis war einst der Ort, wo der praktische Arzt praktisch behandelte. Heute erleben wir eine andere Praxis. Der Patient geht ins Medizinische Versorgungszentrum (MVZ), um den Arzt zu konsultieren. Die Bezeichnung MVZ ist kürzer und vor allem rentabler als Poliklinik. Denn das MVZ ist meist privatwirtschaftlich organisiert. Ärzte zentral unter einem Dach unterzubringen war DDR-Standard. Ob Poliklinik oder Ambulatorium, es ging um die Patienten. Ein MVZ kann eine GmbH sein, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gesellschafter sind Investoren, die Gewinne wollen. Bewährter Kapitalismus, der unter Bundes-Gesundheitsminister Seehofer (Regierung Kohl) in das Gesundheitswesen eingedrungen ist. „Das deutsche Gesundheitswesen kann historisch als einer der letzten gesellschaftlichen Teilbereiche betrachtet werden, in den die Instrumente des Marktes und des Wettbewerbs vordringen und die gewachsenen Strukturen fundamental verändern“, schrieb die Deutsche Ärztekammer 2007. Der einzige Grund für Privatisierung: Kapitalanleger suchen Anlagemöglichkeiten. Der Patient erlebt das so: In einer großen Kreisstadt hat das MVZ zwei Arztstellen. Eine davon unbesetzt – aus bekannten Gründen unserer glorreichen Gesundheitspolitik. Die zweite Stelle leer wegen Erkrankung. Passiert auch Ärzten. Richtungweisende Idee: Die GmbH hat eine weitere Filiale, mit ÖPNV über Dresden in eineinhalb Stunden, mit direkter Busverbindung in reichlich dreißig Minuten, aber nur im Zweistundentakt, erreichbar. Dem Patienten wird geholfen. Das ist die Hauptsache.

Das Christliche Abendland ist in den Grundfesten erschüttert. Dabei liegt es eigentlich auf der Hand, dass der spätere „August der Starke“ bei Wien 1683 als Kurprinz mit 9.000 Mann nicht nur die Türken mit in die Flucht geschlagen, sondern auch viele exotische Beutestücke wie Waffen, Zelte und Schmuck eingesammelt hat. Dinglingers Kaffee-Service im Grünen

Als Wolfgang Herrndorf 2010 seinen Jugendroman „Tschick“ veröffentlichte, konnte er nicht ahnen, welch prachtvolles Spektakel die Landesbühnen Sachsen zaubern würden. Vom Theater angekündigt als Rock-Oper, vom Film gehandelt als Roadmovie und MDRKultur-Hörern als herzerfrischende Lausbubengeschichte bekannt, hat der Stoff den Komponisten Ludger Vollmer ermutigt, fast alle Opern-Konventionen über den Haufen zu werfen. Und es tut der Geschichte gut. Möglicherweise liegt das auch daran, dass der Komponist mit der Librettistin Tiina Hartmann sehr gut zusammengearbeitet hat.

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DIE LINKE. Kreisverband Meißen

losigkeit (ein Lada wird geklaut) über das Abenteuer (Begegnungen mit ausschließlich dem einen Prozent guter Menschen in dieser zu 99 Prozent schlechten Welt) hinein in die Verantwortlichkeit führt der Weg vom Maik (Johannes Leuschner), Tschick (Michael Zehe) und Isa (Kirsten Labonte). Diese Begegnungen sind von überwiegend sympathischer Verrücktheit. Alles ist ernst und komisch zugleich. Und große Gefühle werden nicht behauptet – wie in herkömmlichen Opern –, sondern in der Entstehung glaubwürdig gezeigt. Ein Theater wie die Landesbühnen kann selbstverständlich auch mit Gästen auf der Bühne souverän umgehen. Michael Zehe und Johannes Leuschner fügen sich als Profis hervorragend in das Ensemble, wo Amateure (der Jugendchor des Gymnasiums Coswig) den Chor der Landesbühnen über-

zeugend verstärken. Und gerade die 24 Kinder und Jugendlichen unter der Leitung von Fanny Kaufmann brachten die Premiere zu einem glanzvollen Abschuss, indem drei oder vier Schülerinnen der sechsten und siebenten Klasse nach dem Schlussbeifall durchs Foyer hüpften, um Sebastian Ritschel (Inszenierung, Ausstattung, Licht) zu belagern und ihm für die offensichtlich wundervollen Proben-Monate zu danken, die sie – wie Tschick und Maik – zwei bis drei Schritte (oder Sprünge?) sicher menschlich voran gebracht haben. Das schafft wohl keine Schule ohne Theater – und auch kein Theater ohne Schule. Die Autogramme des Meisters in ihren Tschick-Büchern können sie ein Leben lang daran erinnern, was man schaffen kann, wenn man von Leuten lernt, die etwas können. •Reinhard Heinrich

Der Fahrer im Bus gibt gern Auskunft über die richtige Haltestelle: „Bis zum Friedhof und dann eben ein Stück zurück.“ Am Ziel trägt der Patient seinen Rezeptwunsch vor. Er wird prompt bedient, der Befund ist im Computer leicht zu finden. Ein Hammer: „Wir können aber nur die Packung mit 50 Tabletten verschreiben.“ Der Patient wundert sich und weiß, dass ihn das eine zusätzliche Zuzahlung kostet. Auch so ein stolzes Produkt der Seehoferschen Gesundheitsreformen, um das schwere Schicksal der Krankenkassen zu lindern, und das der Pharmaindustrie natürlich. Die Budgetierung freilich ist nicht auf Seehofers Mist gewachsen. Aber auf den verrotteten Früchten dieses Mistes. Und im MVZ scheint niemand bereit, das garantiert unverbrauchte Budget des erkrankten Hausarztes auf die Vertretung zu übertragen. Da kommt viel zusammen, denkt der Patient. Mancher wird es da wohl nur bis zum Friedhof schaffen. Egal. Die Politik weiß schon, was sie tut. • Ein Patient


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DIE LINKE.Kreisverband Bautzen

DIE LINKE Bautzen unterstützt „Minority Safepack“ Der Kreisvorstand der LINKEN in Bautzen beschloss auf Antrag des Minderheitenpolitischen Sprechers Heiko Kosel (MdL) einstimmig die Unterstützung der europäischen Bürgerinitiative „Minority Safepack“. Gerade vor dem Hintergrund der hier beheimateten sorbischen Minderheit erachten wir es als besonders wichtig, die Initiative zu unterstützen. Anliegen der Minority Safepack-Initiative ist der Schutz und die Unterstützung ethnischer Minderheiten und Sprachminderheiten in der EU, die sie zum Erhalt ihrer Identität benötigen – besonders auch auf europäischer Ebene. In der EU leben über 50 Millionen Menschen, die einer ethnischen oder Sprachminderheit angehören. Diese Minderheiten leisten einen wichtigen Beitrag zur sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas. Die Initiative fordert von der EU konkrete Schritte in den Bereichen Regional- und Minder-

pack“ gesammelt. Eine Million Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern der Mitgliedsstaaten der EU sind nötig, damit die EU-Kommission sich damit beschäftigt. Anfang Februar wurde die Marke von 600.000 überschritten.

heitensprachen, Bildung und Kultur, Regionalpolitik, Partizipation, Gleichheit, Medien sowie Regionalförderung. Unabhängig von mancher auch durch uns geübten Kritik ist die Bundesrepublik minderheitenpolitisch nicht schlecht aufgestellt. In anderen EU-Staaten werden hiesige Standards bei weitem nicht erreicht. Ein „JA“ zur Minority Safepack-Initiative aus Deutschland ist deshalb auch Ausdruck der Solidarität mit den ethnischen und Sprachminderheiten in anderen EU-Staaten. Noch bis zum 3. April 2018 werden EUweit Unterschriften für „Minority Safe-

Zu den Unterstützern gehören die Landtage von Schleswig-Holstein und Brandenburg, neben drei brandenburgischen Staatssekretärinnen von SPD und DIE LINKE haben alle Mitglieder der Landtagsfraktion der LINKEN in Brandenburg die Initiative unterschrieben. In der sächsischen LINKENLandtagsfraktion läuft die Unterschriftensammlung; Anfang März wird sie Zwischenbilanz ziehen und über die weitere Unterstützung entscheiden. Bürgerinnen und Bürger können die Initiative unter www.minority-safepack. eu oder in den Bürgerbüros der LINKEN in Bautzen, Kamenz, Hoyerswerda und Radeberg unterzeichnen.

LINKE besuchten Lausitzer Kliniken Am 26. Januar 2018 besuchten die örtliche LINKEN-Abgeordnete Marion Junge und die LINKEN-Gesundheitspolitikerin Susanne Schaper Krankenhäuser im Landkreis Bautzen. Bei Terminen mit Reiner Rogowski, Geschäftsführer der Oberlausitz-Kliniken GmbH, in Bautzen und mit Jörg Scharfenberg, Geschäftsführer des Lausitzer Seenland-Klinikums in Hoyerswerda, wurden Anforderungen an die medizinische Versorgung erörtert. Fazit der Landtagsabgeordneten: „Viele Faktoren üben Druck auf den Klinikbetrieb aus – dazu zählen Dokumentationspflichten, aber auch Fachkraftquoten und der Fachkräftemangel. Die Arbeitsverdichtung ist hoch, die Personaldecke dünn. Das verlangt den Ärzten, dem Pflegepersonal und der Verwaltung einiges ab. Hinzu kommen

gerade in ländlichen Gebieten Engpässe in der ambulanten ärztlichen Versorgung.“ Das Arbeits- und Berufsfeld Pflege müsse attraktiver werden, damit sich langfristig genug Menschen für einen solchen Beruf entscheiden. Dazu

müssten vor allem die Löhne steigen. Auch gesunde Arbeitsbedingungen seien nur möglich, wenn es mehr Pflegepersonal gebe. Für Ärzte müssen Anreize geschaffen werden, sich abseits der Ballungszentren niederzulassen bezie-

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Hauptamtliche Sorben-Beauftragte flächendeckend! In Brandenburg soll es künftig in allen Landkreisen und der kreisfreien Stadt Cottbus/Chóśebuz je einen kommunalen hauptamtlichen Sorben-Beauftragten geben, den das Land finanziert. Dies sieht ein Gesetzesentwurf vor, den die Regierungsfraktionen SPD und LINKE haben. Der sorbische Abgeordnete und Sprecher für nationale Minderheiten der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, Heiko Kosel, fordert die sächsische Landesregierung auf, diesem Vorbild zu folgen. „Während in Sachsen der hiesige Bericht zur Lage des sorbischen Volkes noch nicht einmal im Plenum behandelt und diskutiert wurde, zeigt die rot-rote Landesregierung Brandenburgs, wie es besser gehen kann. Als Konsequenz aus dem dort vorgestellten Sorbenbericht sollen alle Landkreise und kreisfreien Städte in den Genuss einer vom Land finanzierten Vollzeitstelle eines kommunalen hauptamtlichen Sorben-Beauftragten kommen.“ Die Koalition in Brandenburg nimmt eine langjährige Forderung der Sorben/Wenden auf, die im jüngsten Sorben/WendenBericht erneut vorgetragen und von der Landesregierung geteilt wurde. „Ohne das große Engagement der kommunalen Sorben/Wenden-Beauftragten ist Minderheitenpolitik in Brandenburg – aber auch in Sachsen – nicht denkbar. Dies ist im Ehrenamt oder mit halber Stelle nicht leistbar“, so Kosel. Er wolle mit seiner Fraktion diese Forderung in den Sächsischen Landtag einbringen, sobald der Sorbenbericht behandelt wird. Die Notwendigkeit einer Novellierung des Sorbengesetzes sei überdeutlich.

hungsweise dort in Kliniken zu arbeiten. Die Dokumentationspflichten gehören auf den Prüfstand. Denn am Ende müsse den Ärztinnen und Ärzten wie auch dem Pflegepersonal mehr Zeit für die Patienten bleiben.

Strukturwandel in der Lausitz kommt nicht voran Der Strukturwandel in der Lausitz geht nur schleppend voran. Das hat die Antwort der Bundesregierung auf zwei meiner mündlichen Fragen ergeben. Damit bestätigt sich, was mit dem bloßen Auge bei einer Fahrt durch den Landkreis zu erkennen ist. Ein Großteil der Mittel für den Strukturwandel ist 2017 nicht abgeflossen. Insgesamt blieben 3,7 Millionen Euro ungenutzt. Die Bundesregierung stellt Geld für den Strukturwandel in der Lausitz bereit. Soweit so gut. Aber: Aus einem Fonds über vier Millionen Euro jährlich

soll der Strukturwandel in allen vier deutschen Braunkohlegebieten vorangebracht werden. Auch dem Laien ist sofort klar, dass diese Summe kaum ausreichen wird. Nicht nur stellt der Bund zu wenig Mittel zur Verfügung, diese werden auch in der Lausitz noch nicht mal eingesetzt. Aus dem Fonds über vier Millionen Euro sind im letzten Jahr nur 242.258 Euro abgeflossen, das sind nur etwa fünf Prozent. Da die Mittel bislang aus allen Regionen in ähnlichem Umfang abgerufen wurden, dürften demnach im letzten Jahr nur knapp über 60.000 Euro in die Lausitz geflossen sein. Ein Witz!

In einem weiteren Fonds stehen 7,3 Millionen Euro einmalig zur Verfügung. Im letzten Jahr sind davon nur 36.243 Euro abgeflossen. Der Grund hier: Es dauerte bis Dezember, bis sich Brandenburg und Sachsen auf einen Zuwendungsbescheid einigten und das Projekt beginnen konnte. Der Gipfel ist dann, dass sich der Landkreis Bautzen an der Projektdurchführung und der GmbH als Projektträgerin bisher gar nicht beteiligt, weil der Kreistag mehrheitlich noch Bedenken hat und die Entscheidung darüber bislang nicht getroffen wurde.

Ich finde: Wir brauchen ein deutlich höheres Tempo beim Strukturwandel. Die organisatorischen Streitigkeiten innerhalb der Lausitz sind dafür sicherlich nicht hilfreich. Ich erwarte von den Landkreisen, dass sie dafür sorgen, dass die bereit gestellten Mittel vollständig genutzt werden. Bis heute ist der Landkreis Bautzen nicht der gemeinsamen Wirtschaftsregion Lausitz GmbH aller anderen Lausitzer Landkreise beigetreten. Die Lausitz kann keine weiteren Verzögerungen gebrauchen. • Caren Lay


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Kein Einheitsbrei, sondern Trennkost Um es gleich festzustellen: Der Besuch dieser Ausstellung lohnt. Man kann sie ohne Nöte planen, denn bis zum 14. Oktober besteht an allen Tagen (außer montags) eine Möglichkeit. Die Überschrift kam mir während des Presserundgangs in den Sinn. „Kein Einheitsbrei in der DDR“, diese Bemerkung hörte ich mehrmals. Und die „Trennkost“ ist, nach meiner Ansicht, bei den vielen Exponaten sofort, manchmal erst auf den zweiten Blick, zu erkennen. Ich erinnere: Ost und West verfolgten über 40 Jahre konträre gesellschaftliche Ziele. Und: Der wunderbare Begriff „Formgestaltung“ verkam westlicherseits zum „Design“. Gestalten und Formen war das anspruchsvolle Arbeitsmuster und der Auftrag für das am 1. Februar 1972 gegründete „Amt für industrielle Formgestaltung“. Das dafür notwendige Gesetzblatt ist, stark vergrößert, in der Ausstellung zu entdecken. Schon beim Presserundgang bemerkte ich, dass der Geburtsjahrgang mancher Kollegen die Haltung zu dem Gesehenen stark beeinflusste. Ich ver-

Michael Zock über die Ausstellung „Formgestaltung in der DDR“ im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig

mute, ähnlich wird es den zahlreichen Besuchern gehen. Mein Tipp: Ältere können manches erklären, auch beim

originellen Spielzeug aus Omas Zeiten, will sagen, ein Besuch in Familie lohnt. Der Eintritt ist frei!

Fotoapparat „Penti II“, Stereo-RadioRecorder „SKR 100“, Farbfernsehgerät „Chromat“, Standmixgerät „Elektromix 76“, Schreibmaschine „Erika“, Koffernähmaschine „Freia“: Alles über die Jahrzehnte kein Einheitsbrei, ich setze diese Aufzählung nicht fort, denn der erkenntnisreicher Rundgang dauert, je nach Interesse, garantiert zwei Stunden. Man muss die Arbeitsgeräte, Konsumgüter, Fahrzeuge, Büromöbel, den Hausrat und Sportgeräte möglichst nah betrachten ... und sich erinnern ... oder den Kopf schütteln. Genickt habe nicht nur ich über den wichtigen Fakt, dass die DDRExponate oft viel langlebiger konstruiert waren als seinerzeit „drüben“ und nunmehr auch „hüben“. Warum wohl? Profit! Übrigens: In meiner Küche und im Wohnbereich gibt es noch DDR-Formgestaltung. Und sie „spielt“ noch immer. Ihr fehlen wohl die inzwischen üblichen „Sollbruchstellen“! Im letzten Raum der Exposition können alle Besucher unter etwa 50 Begriffen abstimmen. Die Frage lautet: „Was zeichnet gute Formgestaltung aus?“ Ich entschied mich für fünf Punkte. Finden Sie die ihrigen. Es gibt in der Ausstellung einen handlichen gelben Katalog mit nützlichen Details zu erwerben, und der fragt: „Alles nach Plan?“ • Fotos: Gerd Eiltzer

Warum tunesische Jugendliche in Boote steigen Die Dresdner Neustadt ist ein alternatives Viertel, da passen die RosaLuxemburg-Stiftung und das Büro der LINKEN-Vorsitzenden Katja Kipping hervorragend hin. Vor einigen Jahren hat sich keine 50 Meter entfernt eine „Kosmotique“ angesiedelt: Junge engagierte Menschen, die sich im gemeinnützigen Kosmotique e.V. zusammengeschlossen haben, stellen linken und linksalternativen Gruppen Räume zur Verfügung. So nutzte im Februar der Sächsische Flüchtlingsrat den Saal, um in einem halbstündigen Film mit Diskussion Erhellendes über die Fluchtgründe für Tunesier darzustellen. In der Vorankündigung hieß es: „Die Dokumentation Kannouta fragt junge Tunesier und ihre Angehörigen nach ihrer Lebensrealität und den Gründen für die lebensgefährliche Reise.“ Der Film wurde vom Nordafrikabüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tunis unterstützt und gefördert. Doch in der Dresdner RLS wusste man es offenbar entweder nicht oder vergaß darauf hinzuweisen, dass in der Nachbarschaft der Film läuft – so besuchten nur wenige Personen die Veranstaltung. Es sollten mehr werden, denn der Film holt in seltener Offenheit die jungen Männer vor die Kamera, die man sonst in Filmberichten auf den Schlauchbooten sieht. In Gesprächen erfuhren die Filmmacher und Regisseure Zied ben Taleb und Margarete Twenhoeven, was die jungen Tunesier umtreibt. Es ist nicht so, dass sie alle Hunger leiden oder gar politisch verfolgt werden –

sämtliche Interviewte geben sich vollkommen unpolitisch. Es ist die Langeweile, die fehlende Aussicht auf einen guten Job – Bedingungen also, scheinbar, wie in der sächsischen Provinz. Die Aussichtslosigkeit entlädt sich in Alkohol- und Drogenkonsum. Aus diesem Leben scheint es für junge Menschen zwei Auswege zu geben: Entweder man geht mit einem bärtigen Mann ins Nachbarland Libyen – und bekommt dort pro Monat einige tausend Euro als IS-Kämpfer („Für das Geld bringt man auch den eigenen Vater um“, sagt einer der Tunesier), oder man geht nach Europa, wo es alles gibt, was man zu Hause vermisst: den Respekt, den Job, eine eigene Wohnung, ein europäisches Mädchen („Es ist alles besser in Frankreich – man muss nur France 2 schauen. In Tunesien kannst Du gar nichts machen.“) Manche junge Männer verletzen sich selbst, viele spielen mit Selbstmordgedanken. Wenn sie die 3.000 Euro für die Überfahrt von den Eltern bekommen haben – oder sich das Geld anders beschaffen –, gehen sie oft halb betrunken oder unter Drogen und bewaffnet an Bord, fest überzeugt, dass alles besser ist als in Tunesien zu leben – auch auf dem Wasser zu sterben. Aber natürlich setzen sie auf das „gute Leben in Europa“. Klar wird im Film und im Gespräch mit den Filmmachern: Es geht bei den meisten Ankömmlingen aus Nordafrika um Flucht aus einer tristen Realität, die aber nirgendwo anders als in den Ländern Nordafrikas selbst gelöst wer-

den muss. Es geht darum, dass junge Männer nicht wissen, wie sie sich in ihrer Heimatstadt sinnvoll beschäftigen können. Es fehlt ihnen an Orientierung. Frauen gehen kaum auf die Boote – obwohl sie in exakt der gleichen Lage sind, nur wissen sie offenbar eher ihrem Leben einen Sinn jenseits von Alkohol und Drogen zu geben. Sie arbeiten, schlagen sich durch. Die jungen Männer glauben an das Wunderland Europa und merken hier, dass die Welt anders ist als in ihrer Vorstellung. Nicht unproblematisch ist die Sicht des Flüchtlingsrates. Nicht nur, dass der Moderator Mark Gärtner einer eigenen Agenda zu folgen scheint – es wird auch deutlich, dass der Flüchtlingsrat sehr auf die „Seerettung“ fixiert ist. So verschließt man seine Augen vor dem Offensichtlichen: Dass es sich bei den Bootsmigranten auf Tunesien oft um klassische Migration handelt. Man will auch nicht wahr haben, dass die wirklichen Probleme nicht auf See, sondern an Land gelöst werden müssen. Auf dem Boden Tunesiens wie ganz Nordafrikas haben Helfer-Organisationen aus Europa ein reichhaltiges Betätigungsfeld – aber damit produziert man natürlich keine solchen Bilder und spektakulären Berichte wie bei einer Seenotrettung. Wenn aus dem Publikum heraus versucht wird, die Probleme der tunesischen Gesellschaft anzusprechen, spürt man das fehlende Interesse. Der Fokus deutscher selbsterklärter Flüchtlingshelfer ist offenbar starr auf die „Sicherung von Fluchtrou-

ten“ ausgerichtet, anstatt die Migrationsgründe zu bekämpfen. Es interessiert die Flüchtlingshelfer auch wenig, dass die europäischen Mittelmeerländer, wohin die von ihnen geretteten Flüchtlinge kommen, sich allein gelassen fühlen. Stattdessen beschimpft man deren Behörden für die unmenschliche Unterbringung in Camps und die Konfiszierung von Helfer-Schiffen. Tatsächlich werden in Italien mit dem Thema Migration inzwischen ebenso Wahlen beeinflusst wie in Deutschland, Österreich, Frankreich und den Visegrad-Staaten. So werden die Aktionen der „deutschen Helfer“ beileibe nicht nur vom italienischen Innenministerium kritisch gesehen, sondern auch von großen Teilen der Bevölkerung in den Mittelmeerländern. Das Durchschnittsalter der Tunesier liegt mit etwa 30 Jahren etwa 15 Jahre unter dem der deutschen Bevölkerung, und das Problem besteht in einem weit stärkeren Bevölkerungsanteil von Personen unter 30 Jahren, die auf den Arbeitsmarkt drängen. Hinzu kommen ein schwacher Tourismus und die Tatsache, dass die zahlungskräftigen Libyer einst Jahr für Jahr weit mehr Geld nach Tunesien brachten – insbesondere in die abgehängten Regionen im Landesinneren – als die europäischen Touristen. Das Problem muss also regional mit einer neuen Friedenspolitik gelöst werden. Die Diskussion zur Migration steht ganz am Anfang. Trailer: www.vimeo.com/169951435 • Ralf Richter


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Geschichtsskandal in Leipzig Erich Zeigner gehört in Portrait-Galerie der Oberbürgermeister, meint nicht nur Volker Külow An verdienstvolle Oberbürgermeister zu erinnern ist der Gedenkkultur einer Stadt grundsätzlich zuträglich. In der am 2. Februar 2018 von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) im Rathaus eröffneten Dauerpräsentation „von Portraitaufnahmen aller demokratisch gewählter Oberbürgermeister der Stadt Leipzig aus der Zeit von 1877 bis 1933 sowie von 1990 bis 2005“ fehlte aber neben den DDROberbürgermeistern ausgerechnet auch Erich Zeigner. Der verdienstvolle Oberbürgermeister der Nachkriegszeit (1945-1949) und Verfolgte des Naziregimes war seit 1919 Mitglied der SPD und 1923 kurzzeitig sogar sächsischer Ministerpräsident. An der bis heute in der Leipziger Bevölkerung tief verwurzelten Akzeptanz und Beliebtheit Zeigers – der sich bis zu seinem frühen Tod für die Lösung der gravierenden Nachkriegsprobleme unermüdlich aufopferte – wird der erinnerungspolitische Skandal nichts ändern. Allein wegen seiner enormen Verdienste um den Wiederaufbau der Stadt nach dem von Nazideutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg hätte er aber einen Ehrenplatz in der besagten Galerie verdient. Mit der Auswahl und ihrer Begründung wurde im Leipziger Rathaus für die Stadtgeschichte nunmehr eine direkte Traditionslinie vom Wilhelminischen Obrigkeitsstaat nach 1871 über die Anfänge der NS-Diktatur zur vielbeschworenen demokratischen Neugestaltung nach 1990 gezogen. In einer Presserklärung kritisierte die Stadtratsfraktion der Linkspartei diese grobe Geschichtsklitterung und das

Die LINKEN-Stadräte Franziska Riekewald, Margitta Hollick, Sören Pellmann und William Grosser bei der „Guerilla-Aktion“. Bild: Dieter Janke. defizitäre, letztendlich totalitarismustheoretisch geprägte Demokratieverständnis, in dem die Nazidiktatur mit der DDR faktisch gleichgesetzt wird. Die Linksfraktion beließ es aber nicht bei einem verbalen Protest, sondern beantragte unverzüglich im Stadtrat die Aufnahme von Erich Zeigner in die Galerie. Darüber hinaus forderte sie, dass in der angekündigten Erläuterungstafel zur Dauerpräsentation die Oberbürgermeister in der Zeit der DDR – darunter mit Max Opitz und Walter Kresse zwei ausgewiesene antifaschistische Widerstandskämpfer – namentlich genannt und mit einer Kurzbiografie vorgestellt werden. In ihrem Antrag kritisiert die Linksfraktion auch das autoritär fixierte

Geschichtsverständnis der Rathausspitze und zeigt, wie die portraitierten Oberbürgermeister ab 1877 zu ihren Ämtern kamen. Im Deutschen Reich war man weit entfernt von einem demokratischen Wahlrecht; die Oberbürgermeister wurden nicht nur in Leipzig in einem gemeinsamen Wahlkollegium von Stadtverordneten und Rat gewählt. Durch den Ausschluss von Frauen, Sozialhilfe-Empfängern, Soldaten, Nicht-Zahlern von Gemeindesteuern sowie der Teilung der Wähler in von Gemeindesteuern abhängige Klassen (Mehrklassenwahlrecht) und weitere Einschränkungen durfte bei allen Wahlen – und damit auch bei den Kommunalwahlen – allerdings nur eine Minderheit der Bevölkerung das Wahlrecht ausüben.

Inzwischen weht dem SPD-Oberbürgermeister selbst aus seiner eigenen Partei der Wind kräftig ins Gesicht. Viele Leipzigerinnen und Leipziger meldeten sich in den letzten Wochen ohnehin kritisch zu Wort und auch der Erich Zeigner Haus e.V., der im ehemaligen Wohnhaus Zeigners im Stadtteil Plagwitz sitzt und ein unverzichtbarer Begegnungsort für gelebte Zivilcourage und Demokratie ist, hat seinen Protest artikuliert. Die Linksfraktion hatte am 16. Februar – dem Vorabend von Zeigners 132. Geburtstag – noch eine ganz spezielle Aktion ausgedacht: Um ihrem Antrag mehr Aufmerksamkeit und auch eine gewisse optische Überzeugungskraft zu verleihen, wurde die derzeitige Lücke in der Dauerausstellung provisorisch geschlossen und ein extra hergestelltes Portrait-Bild Erich Zeigners präsentiert. Bei dieser „Guerilla-Aktion“ (BILD Leipzig) stellte der Vorsitzende der Linksfraktion Sören Pellmann unmissverständlich klar: „Es ist keine polemische Übertreibung, wenn man feststellt, dass die Gemeindewahl von 1946, in deren Folge Zeigner zum Oberbürgermeister gewählt wurde, trotz Besatzungsrecht wesentlich demokratischer ablief als alle Wahlen in Leipzig vor 1918.“ Am Folgetag signalisierte Oberbürgermeister Jung gegenüber dem direkt gewählten Bundestagsabgeordneten der Linken informell seine Bereitschaft, das Zeigner-Portrait aufzuhängen. Man darf gespannt sein, wann und auf welchem Wege diese Zusage umgesetzt wird. Zumindest beim Kulturausschuss ist noch keine entsprechende Information angekommen.

Reimanns Vermächtnis: Fördert junge kritische Köpfe Manfred Neuhaus über die jüngste Verleihung des Nachwuchsförderpreises der RLS Bei den sächsischen Luxemburgianern gehört es zum Konsens, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu fördern. Dass aus einer schönen Idee identitätsstiftende Realität wurde, ist dem Vermächtnis eines außergewöhnlichen Mannes zu verdanken − Günter Reimann. 1904 als Hans Steinicke geboren, wird der Angermün-der Kaufmannssohn in Berlin Augenzeuge der Novemberrevolution, Rosa Luxemburg fasziniert ihn bis an sein Lebensende. Er studiert Wirtschaftswissenschaften, wird Mitglied der KPD und als „Günter Reimann“ Redakteur der „Roten Fahne“. Im Sommer 1933 flieht er über Prag, Wien, Paris und Amsterdam nach London, bricht mit der KPD und lebt seit 1938 in den Vereinigten Staaten, wo er am 2005 im Alter von 100 Jahren verstarb. Reimann hatte den Nazis die Stirn geboten und nach dem Reichstagsbrand in der Illegalität die Zeitschrift „Gegen

den Terror“ redigiert, bis ihm die Gestapo auf den Fersen war, Flucht und Emigration die einzigen Überlebenschancen boten. Nach dem Zweiten Weltkrieg half er vielen Deutschen mit Lebensmitteln, Medikamenten und Kleidung aus existentieller Not. Reimann hatte einen kritischen Blick auf solche tragischen Momente der Geschichte der Linken, wie den Narzissmus der kleinen Differenzen: Je minimaler die ideologischen Differenzen, desto heftiger die Auseinandersetzungen und politischen Feindschaften. Eine ähnliche Erfahrung reflektierte Wassili Grossman, ein Jahr jünger als Reimann, in seinem Epos „Leben und Schicksal“: „Manchmal ist doch der Hass zwischen Menschen, die der gleichen Partei angehören und deren Ansichten sich nur um Nuancen voneinander unterscheiden, größer als der Hass auf die Feinde dieser Partei.“

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen verdankt Reimann Solidarität und Freund-schaft, kühne Ideen und die Möglichkeit, gemäß seinen Intentionen junge kritische Köpfe mit dem an seinem 90. Geburtstag gestifteten Preis zu fördern. Mit 47 Bewerberinnen und Bewerbern übertraf der sechzehnte Preiswettbewerb alle Vorgänger. Jonas Brückner, Anna Jachmann-Ciaglia, Jakob Graf, Alexis Kunze und Katharina Meyer, deren Untersuchungen in die engere Auswahl gelangten, wurden mit Belobigungsurkunden geehrt. Den Wissenschaftspreis verliehen Stiftungsvor-stand Peter Porsch sowie die Jury-Mitglieder Karla Rost und Klaus Bastian am 17. Februar an Fiona Schmidt und Isabella Greif (Foto). Konstanze Caysa, Preisträgerin des Jahres 2006 und nun Mitglied der personell erneuerten Preisjury (Wissenschaftlicher Beirat), hatte zuvor die Jury-Entscheidung für

die Masterarbeit der Berliner Autorinnen begründet. Bevor die Sektgläser in der Leipziger Harkortstraße erklangen, fand Isabella Greif für die Quintessenz ihrer Untersuchungsergebnisse, eine pointierte Kritik an verharmlosenden Strategien im staatsanwaltschaftlichen Umgang mit rassistischer und rechter Gewalt, die gebannte Aufmerksamkeit und den dankbaren Beifall aller Gäste des traditionellen Neujahrsempfangs. Die prämierte Studie kann unter www. brandenburg.rosalux oder www.welttrends.de geordert werden: Fiona Schmidt / Isabella Greif: Staatsanwaltschaftlicher Umgang mit rechter und rassistischer Gewalt. Eine Untersuchung struktureller Defizite und Kontinuitäten am Beispiel der Ermittlungen zum NSU-Komplex und dem Oktoberfestattentat. WeltTrends Potsdamer Wissenschaftsverlag. 303 S., 19,90 €, ISBN 978-3-945878-78-1


Sachsens Linke! 03/2018 Im Jahr 2017 gingen wir erstmals das große Projekt „Bildungsreisen“ an, um nicht immer nur über dieses Europa zu reden, sondern eben dieses auch zu bereisen, politische Gruppen zu treffen, sich zu vernetzen. Nachdem es uns im Frühjahr nach Griechenland und im Sommer nach Polen führte, stand im November der Trip gen Ukraine an. So starteten 13 junge Menschen von Dresden aus in Richtung Osten, um einige Stunden später, mit Zwischenstopp in Prag, letztlich in Kiew anzukommen. Dort hielt es uns insgesamt vier Tage – vier ziemlich vollgepackte, demzufolge stressige aber vor allem extrem spannende Tage.

Linksjugend goes Ukraine Andy Sauer über die Bildungsreise nach Kiew, Charkiw und Lyssytschansk

Eine Stadtführung mit Fokus auf die städtebauliche Entwicklung brachte uns unter anderem die Erkenntnis, dass Wörter wie „Luxusbauten“ oder „Verdrängung“ in Kiew bei weitem keine unbekannten sind. Mit dem Thema Gentrifizierung ging es dann beim nächsten Termin auch weiter, als wir eine Gruppe junger Menschen trafen, die ein Fußballstadion in öffentlicher Hand behalten möchten, um über das Jahr hinweg verschiedene kulturelle Angebote zu schaffen. Zu den weiteren Terminen gehörte ein Rundgang durch Babyn Jar, einer Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkrieges. Nicht weniger spannend war der Austausch in den Räumen der RosaLuxemburg-Stiftung Kiew mit verschiedenen linken Akteur_innen. So sprachen wir mit einer Parteigründungsinitiative, einer studentischen Gewerkschaft sowie einer AntifaGruppe. Ich könnte an dieser Stelle noch viele weitere Treffen in Kiew nennen, allerdings war dies nicht die letzte Station auf unserer Reise. Weiter ging es in Charkiw, weiter im Osten, wo wir zunächst ebenfalls eine stadtgeschichtliche Führung bekamen und uns eindrucksvolle Beispiele des

Trotzdem scheinen Theorie und Praxis oft weit voneinander entfernt. Auch in den kleinen Dingen können wir etwas

Auch in diesem Jahr wird es in Kooperation mit dem Ring politischer Jugend Sachsen e.V. Bildungsreisen geben. Die erste wird uns nach Spanien, die zweite nach Israel führen.

Nr. 3: Kostenloser ÖPNV Hier stellen wir euch jeden Monat eine Forderung aus dem Linksjugend-Wahlprogramm vor. Die Forderung: Für einen fahrscheinfreien und somit kostenlosen Öffentlichen Personennahverkehr für alle Menschen! Zusammenspiels von stalinistischen, (post-)sozialistischen und gegenwärtigen neoliberalen Bauten auf engstem Raum anschauen konnten. Weiter ging es mit einem Gespräch mit einer Feministin der Gruppe „Sphera“, welche uns über die Rechte von LGBTIQ*Menschen im Land und die durchaus kritische Situation von Prides (also CSD’s) berichtete. Nach einem Besuch in einem kleinen Gender-Muse-

um ging es nach drei Tagen Charkiw in Richtung Ostukraine. Der letzte Stopp führte uns nach Lyssytschansk, eine Stadt, in der vor drei Jahren noch gekämpft wurde und die recht nahe an den nach wie vor umkämpften Gebieten um Luhansk und Donesk liegt. Mit einem etwas mulmigen und bedrückenden Gefühl trafen wir uns mit Pavel und Vera, welche

tun, um unsere Forderungen wahr zu machen. Vom Wahlkampfmaterial, das nicht aus China kommen muss, über den Flyer, den man auch von nachhaltigen Anbietern bestellen kann, bis hin zu veganem Essen bei Parteiveranstaltungen. Viele Politiker nutzen immer noch die zur Verfügung gestellten emissionsreichen Autos. Auch im Privaten können wir es ein bisschen besser machen und Nachhaltigkeit leben. Die Nutzung erneuerbarer Energien, weniger Fleisch-

konsum und Verzicht auf Produkte mit Palmöl und Plastikgeschirr tun niemandem weh, schonen sogar den Geldbeutel. Wir sollten versuchen, mehr einheimische und Fairtrade-Lebensmittel zu kaufen, den ÖPNV statt des Autos zu nutzen. Nachhaltigkeit zu fordern bedeutet auch, mit gutem Beispiel voranzugehen. Das sind wir als „linksgrünversiffte Gutmenschen“ schließlich schon allein unserer Glaubwürdigkeit schuldig.

Herbstakademie im April Vom 20. bis zum 22. April findet im idyllischen Oberau unsere Herbstakademie im April statt. Geplant wird mit circa 30 Menschen, die über das Wochenende hinweg verschiedene inhaltliche aber auch praktische Workshops besuchen können. So wird es einen Layout-Workshop geben, damit in jedem Kreis- oder Stadtverband auch mal schnell ein eigenes Bild für Facebook oder ein ei-

die Lage vor Ort als Menschenrechtler_innen begleiten und uns über die aktuellen Entwicklungen, die Folgen des Krieges für die Wirtschaft und die Menschen vor Ort erzählten. Zudem berichteten sie über gemeinsame Projekte in Kooperation mit der RosaLuxemburg-Stiftung. Dann ging es schließlich mit dem Nachtzug zurück nach Kiew und von dort mit einer Vielzahl, teils sehr bewegender Eindrücke weiter in Richtung Deutschland.

Meinen die das ernst?

Nachhaltigkeit muss praktisch werden! Die soziale Gestaltung der Themen Nachhaltigkeit und ökologischer Wandel sind ein fester Bestandteil linker Politik. Vom Bundesverband bis zur Linksjugend: Wir alle haben die Bedeutung von Umweltschutz für die gesamte Gesellschaft begriffen und setzen uns ein – für die Energiewende, Klimaschutz, neue Wege in der Landwirtschaft, und vieles mehr ...

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Jugend

gener Flyer gelayoutet werden kann. Dieser Workshop wird sich über das gesamte Wochenende ziehen. Außerdem wird ein Part rund um das Thema Website-Betreuung stattfinden. Es wird aber selbstverständlich auch Inhalte geben, so beispielsweise einen Workshop zu diskriminierungsfreier Plenumskultur, bei dem wir uns auch gern einmal selbst reflektieren dürfen.

Wir arbeiten zurzeit noch an weiteren Workshops – es lohnt sich also, ab und zu einen Blick auf unsere Website zu werfen. Dort wird auch die Anmeldung zu finden sein. Da so viel Arbeit an einem Wochenende ja auch irgendwann anstrengend wird, ist selbstverständlich an den Abenden genug Platz und Zeit für Bier, Sekt, Wein und das eine oder andere nette Gespräch.

Die Begründung: Ohne Mobilität gibt es keine gesellschaftliche Teilhabe. Insbesondere jene Menschen, die sich kein Auto leisten können oder wollen, leiden unter den extrem hohen und ständig steigenden Preisen für Bus und Bahn. Dabei ist es doch gerade angesichts des ständig steigenden CO2-Ausstoßes nötig, dass viel mehr Menschen vom individualisierten Kraftverkehr Abstand nehmen! Dafür benötigt es ein verbraucher_ innenfreundliches System, das die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ohne den Kauf von Fahrkarten ermöglicht, wie es in Städten wie Tallinn oder Melbourne bereits praktiziert wird. Denkbar wäre eine Finanzierung über eine Pflichtabgabe für alle Bürger_innen und Tourist_ innen, wie es sie ja auch in anderen Lebensbereichen gibt. Mehr Infos: gleft.de/26k.

Termine 9. – 11. März: Landesjugendplenum der Linksjugend Sachsen. Peterstraße 15, Görlitz 14. März, 18 Uhr: Vortrag „Die Arbeit des Erich-Zeigner-Hauses“. Roßmarktsche Straße 1, Borna 17. März, 14 Uhr: Kreisjugendplenum der Linksjugend Erzgebirge. Wettiner Straße 2, Aue 26. März, 18 Uhr: Vortrag von Christian Schaft: „Was ist los in Katalonien?“ Rosenhof 4, Chemnitz


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DIE LINKE im Europäischen Parlament

03/2018 Sachsens Linke!

Warum neue Sanktionen keinen Sinn haben

European United Left /  Nordic Green Left European Parliamentary Group

Dr. Cornelia Ernst war erneut im Iran und analysiert die Protestbewegung Mittlerweile bin ich seit acht Jahren Vize-Präsidentin der Irandelegation des Europäischen Parlaments. Ziel dieser Delegation ist es, die parlamentarischen und politischen Kontakte zwischen dem Europaparlament und dem Iran auszubauen. In diesem Zuge war ich 2013 zum ersten Mal im Land, damals bogen die Verhandlungen zum Atomabkommen allmählich auf die Zielgeraden ein.

Es geht um Reformen, nicht um die Revolution Im iranischen Parlament, dem Madschles, traf ich in schwarze Gewänder gehüllte Frauen, ausgerüstet mit

die Todesstrafe weniger häufig verhängt wird, so wird das Problem auf diese Weise nicht gelöst. Die Suchtprävention muss eine zentrale Rolle einnehmen. Wir dürfen bei unseren Bewertungen aus der Ferne nicht vergessen, dass der Iran in den letzten Jahren über drei Millionen Flüchtlinge, vor allem aus Afghanistan aufgenommen hat – nicht zuletzt sie brauchen eine Perspektive in der Gesellschaft. Immer wenn wir diese Probleme ansprachen, spürte ich eine große Hoffnung, die in uns Europäer und Europäerinnen gesetzt wird. Sie erhoffen sich Unterstützung bei der Lösung ihrer Probleme. Egal mit wem wir redeten, immer erwarteten die Menschen, dass die Einhaltung des AntiAtom-Deals durch den Iran von den Vertragspartnern respektiert und Sanktionen dementsprechend weiter

sie die Umweltsünden leid sind oder weil sie als Minderheit, wie beispielsweise die Bahai, nicht studieren dürfen. Sie wollen nicht, dass noch mehr Geld in Kriegen wie im Jemen und Syrien mörderisch und sinnlos verbrannt wird. Viele dieser Probleme sind hausgemacht, aber zahlreiche sind auch die Folge von Sanktionen.

abgebaut werden. Selbst Außenminister Mohammed Dschawad Zarif bestätigte das uns gegenüber in einem Gespräch. Nur so könne man ein Fenster für soziale und demokratische Reformen offenhalten. Dies sei der einzige Weg, um das Leben im Iran verbessern zu können.

und den Reformern ab. Das zeigt sich an den unterschiedlichen Interpretationen der Demonstrationen durch Irans Präsidenten Hassan Rohani und dem Obersten Religionsführer Ali Khamenei. Neue Sanktionen stärken nur die erzkonservativen Kleriker. Hilfreicher wäre es, massiv die Freilassung aller Demonstranten und Demonstrantinnen einzufordern. Damit würden wir das Zeichen setzen, dass wir als EU das Recht auf freie Meinungsäußerung klar unterstützen. Dies wäre ein erster wichtiger Schritt hin zu einem offeneren Klima.

Die Demonstrationen sind ein Ruf nach Reformen, nicht nach einer Revolution, die nur Chaos bringen würde. Sie sind die Forderung nach Veränderungen, nicht nach Umstürzen. Bis jetzt gibt es keinen Plan B, es gibt keine Parteien oder festgefügten Bewegungen außerhalb des Regierungslagers. Vor unseren Augen spielt sich ein Machtkampf zwischen dem Klerus

Foto: Maryam Ashoori / Wikimedia Commons/ CC BY-SA 3.0

In den vergangenen Jahren konnte ich deshalb zahlreiche (zivil-)gesellschaftliche Kontakte zum und im Iran knüpfen – die Entwicklungen in der Gesellschaft sind unübersehbar. Als wir kürzlich erneut dort waren, erlebte ich ein Land, das sich bis tief in die Gesellschaft hinein zu öffnen versucht. Die Hoffnung, persönliche und zivile Freiheiten zu vergrößern, ist fast

brauchen, ist nicht nur unredlich, sondern auch brandgefährlich. Sollte ein kriegerischer Konflikt in der Region ausbrechen, würde er sich rasant zu einem Flächenbrand entwickeln, den niemand mehr zu kontrollieren vermag, das wäre katastrophal! Die eigentlichen Hardliner sind die Ajatollahs und der schiitische Klerus, die dem Saudi-Clan beziehungsweise ihrem missionarischen Wahhabismus in nichts nachstehen – mit seinem Gepolter und abstrusen Bewertungen hetzt Donald Trump eben jenen in die Hände.

überall zu hören. Das beginnt mit dem Wunsch danach, auf den Straßen (wieder) musizieren dürfen; sich als Frau für oder eben auch gegen ein Kopftuch entscheiden zu dürfen – was mir natürlich auch nicht freistand; oder schlicht der basale Wunsch nach Sicherheit für die zahlreichen Minderheiten im Land. US-Geschäftsinteressen Von meiner jüngsten Reise kehrte ich Anfang Dezember zurück, diesmal und nach wie vor steht das Atomabkommen aus Sicht Washingtons plötzlich auf der Kippe. Kurz nach unserer Rückkehr nach Europa brachen im Iran die ersten Proteste aus und es war just der Mann aus dem Weißen Haus, der zu den allerersten Gratulanten, besser: Stimmungs-Anheizern gehörte. Diese Proteste werden von Donald Trump dazu missbraucht, seine von Geschäften geleitete Interessenspolitik in der Region weiter voranzutreiben. In erster Linie bedeutet das für ihn und seine Geschäftspartner, Saudi-Arabien – Irans regionalem Widersacher – den Rücken freizuhalten. Aufrichtige demokratische Proteste für die eigene Machtpolitik zu miss-

Mikrofon, scharfen Fragen und guten Argumenten. Ich hatte keinen Zweifel, dass sie journalistischen Ansprüchen des „Westens“ gerecht würden. Sie waren Vertreterinnen einer breiten Schicht hoch qualifizierter Frauen im Iran. Es gibt eine urbane Mittelschicht, die sich Reformen im Geiste von Präsident Hassan Rohani wünschen. Ihnen geht es um Reformen, nicht um Revolution. Natürlich ist die Situation fern der Städte eine andere, doch die Probleme der Städte, wie die große Umweltverschmutzung, Energie-Engpässe und die grassierende Drogensucht müssen dringend angegangen werden. Als ich in Teheran war, war die Luft so schlecht, dass ich kaum atmen konnte. Momentan braucht der Iran für seine Energieversorgung die Atomenergie, wer jedoch will, dass sich das Land von der Atomenergie löst, muss mit dafür sorgen, dass modernste Technologien für erneuerbare Energien eingesetzt werden. Der Iran hat ein Drogenproblem Offiziell gibt es über drei Millionen Drogenabhängige im Land. Auch wenn

Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen nun alles daransetzen, das testosterongesteuerte Säbelrasseln am Golf einzudämmen und keinen Raum mehr für militärische Provokationen zu lassen. Um die Lage in der Region zu entspannen, muss auch Saudi-Arabien endlich am Schlafittchen gepackt werden, diplomatische oder wirtschaftliche Konsequenzen zu spüren bekommen und der schreckliche Stellvertreterkrieg im Jemen eine übergeordnete Rolle für die Politik der EU einnehmen. Das Atomabkommen muss unbedingt erhalten bleiben. Eine neue Grüne Revolution? Das Ziel, ihr persönliches Leben zu verbessern, war der Grund, weshalb zum Jahresende 2017 viele Menschen auf die Straße gingen: Weil sie arbeitslos sind; weil sie die Preissteigerungen nicht ertragen; weil viele der Drogen nicht Herr werden können; weil

Der Iran ist voller Widersprüche. Es brodelt unter der Oberfläche und die iranische Führung steht unter massivem Druck. Die große Frage ist, welche Kräfte sich durchsetzen werden. Wie reformfähig das Land gegenwärtig ist, vermögen nur die Iraner und Iranerinnen selbst herauszufinden. Sie können das, weil es eine breite Schicht hoch gebildeter Leute gibt. Wenn sich dieses geistige Kapital mit den sozialen Forderungen der ärmeren und ärmsten Schichten der Bevölkerung verbindet, ist vieles möglich. Das könnte die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft des Landes und damit der gesamten Region Wirklichkeit werden lassen.


Sachsens Linke! 03/2018

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DIE LINKE im Bundestag

Aufbruch von links

Sören Pellmann über einen beeindruckenden Abend mit Sahra Wagenknecht im Leipziger Felsenkeller bis hin zum drängenden Problem, warum eigentlich nichts gegen Ghettos mit vererbter Armut getan wird.

„Solange das Kapital herrscht, werden Rüstungen und Krieg nicht aufhören.“ Über solche Sätze jubelte das Publikum, als am 27. Mai 1913 Rosa Luxemburg im Leipziger Felsenkeller ihre berühmte Rede „Die weltpolitische Lage“ hielt. Der Saal war damals rappelvoll und der Text ihrer Rede wurde zwei Tage später in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) vollständig abgedruckt. Manches war am 22. Februar 2018 beim Auftritt von Sahra Wagenknecht im Felsenkeller überraschend ähnlich, auch wenn statt der Rede in der LVZ ein längeres Interview mit ihr erscheint. Zumindest die Anziehungskraft der Vorsitzenden der linken Bundestagsfraktion ist kaum geringer als die der späteren Mitbegründerin der KPD 105 Jahre zuvor. Mehr als 1.200 Gäste – darunter auffällig viele junge Menschen – verfolgen im vollbesetzten Traditionslokal die Veranstaltung der Bundestagsfraktion. Sahra Wagenknecht war nach Leipzig gekommen, weil der im Wahlkampf verabredete Auftritt seinerzeit krankheitsbedingt ausgefallen war. Nun kommt sie in die Messestadt, um vor allem für eine „soziale Offensive“ sowie ihre Idee von einer „linken Volksbewegung“ zu werben. „Eine soziale Wende und ein Aufbruch von links werden immer dringender“, lautet ihr beklatschter Eingangssatz. Dann kritisiert die bekannteste Politikerin der LINKEN das „neoliberale System“, dessen Fortsetzung mit der Großen Koalition droht und das aus ihrer Sicht für das Erstarken der AfD maß-

geblich verantwortlich ist. Auch die Sozialdemokratie wird von der Rednerin nicht geschont. Logisch, dass sie die SPD-Mitglieder zum Nein bei der GroKo-Abstimmung aufruft. Und es fällt der Vorwurf, welchen sich die SPD seit der Agenda 2010 gefallen lassen muss: neoliberale Politik zu betreiben, auf Kosten all derer, die sich an den Tafeln des Landes drängeln, die mit Klein-

strenten ins Alter gehen und wegen ihrer befristeten Anstellungen kaum gewerkschaftlich organisieren werden können. „Warum wird eine Politik gemacht, die ganz klar nicht im Interesse der Mehrheit ist?“ Das ist die Frage, die Sahra Wagenknecht umtreibt. Boomende Leiharbeit, Kettenbefristungen, Lohngefälle und rund neun Millionen Menschen unter 10 Euro Stundenlohn

In ihrer 60minütigen Rede zeichnet sie anhand erschreckender Fakten ein düsteres Bild der sozialen Situation großer Teile der Bevölkerung. Als einen möglichen Ausweg skizziert Sahra Wagenknecht die „Sammlung auf der linken Seite“, als deren Kern sie die Partei DIE LINKE sieht. Sie versteht das Konstrukt vornehmlich als ein konsensfähiges Angebot an diejenigen linken Sozialdemokraten, die sich der verheerenden Agenda-Politik entgegensetzen wollen. Leider schaut nicht nur die Führungsspitze der SPD derzeit noch immer nicht nach links, sondern starrt mittlerweile lieber auf runde 17 Prozent Zuspruch im Bund und auf die vermeintlich einzige Machtoption für sich: ein weiteres Zusammengehen mit der CDU. Am Ende der Rede tosender Applaus für Sahra Wagenknecht und anschließend eine interessante Talkrunde mit Fragen aus dem Publikum, die der Autor dieser Zeilen moderieren darf. Das Publikum verlässt nach knapp zwei Stunden begeistert den Felsenkeller. Auch das mediale Echo des Abends ist mehr als beachtlich. Die Leipziger Internet Zeitung kommentiert den Wagenknecht-Auftritt: „Ein Heimspiel in Leipzig wie es wohl derzeit keine der beiden Volksparteien in Besucherzahlen und Emotionen auf die Beine bekommt.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Neues aus dem Haushaltsausschuss Trotz der bislang längsten Regierungsfindung in der Geschichte der Bundesrepublik muss das politische Geschäft weiter laufen. Das ist unsere Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wählern – nicht nur, aber gerade auch in meinem Fachbereich. Am 31. Januar 2018 hat sich nun endlich der Haushaltsausschuss konstituiert. Ihm gehören für die Fraktion DIE LINKE neben mir Gesine Lötzsch, Heidrun Bluhm und Victor Perli an. Die Konstituierung fand in dieser Legislatur weit mehr Beachtung als in den bisherigen, denn: Der Vorsitz geht traditionell an die stärkste Oppositionsfraktion. Im aktuellen Bundestag ist das die AfD. Gemeinhin ist die Besetzung des Vorsitzes Formsache; der oder die Kandidat*in wird im Einvernehmen der Ausschussmitglieder durch den Bundestagspräsidenten eingesetzt. Nicht so in diesem Fall. Wir als LINKE haben dem Einvernehmen widersprochen und eine geheime Abstimmung verlangt. Dieser Vorschlag wurde jedoch abgelehnt. Trotzdem musste aufgrund unseres Widerspruchs in offener Abstimmung gewählt werden. Für den

Kandidaten der AfD, Peter Boehringer, stimmte neben seiner eigenen Fraktion auch die FDP. Union, SPD und Grüne enthielten sich, allein wir LINKEN stimmten gegen ihn. Für uns ist ein Kandidat nicht tragbar, dessen Hang zu kruden Verschwörungstheorien offenkundig ist und der wiederholt mit zutiefst beleidigenden, infamen und rassistischen Äußerungen von sich reden macht. Nun ist er allerdings gewählt und diese Wahl müssen wir akzeptieren. Im Gegensatz zur AfD sind für uns die Gepflogenheiten des Parlaments und des demokratischen Streits mehr als Feigenblätter. Aber der Vorsitzende Boehringer wird sich sehr genau an seinen Taten und Aussagen messen lassen müssen. Es gibt bereits einen Punkt, an dem es interessant werden dürfte, und das ist der Bereich der politischen Stiftungen. Boehringer gehört dem Vorstand der Desiderius-Erasmus-Stiftung an, die sich anschickt, als parteinahe Stiftung der AfD anerkannt zu werden. Als solche hätte sie Anspruch auf Förderung aus Steuermitteln, über die unter anderem der Haushaltsausschuss zu ent-

scheiden hat. In der Vergangenheit gab es die ungeschriebene Regel zwischen den parteinahen Stiftungen, keine aktiven Politikerinnen und Politiker in ihren entscheidenden Gremien zu haben. Im Fall Boehringer würde das bedeuten, dass er seinen Vorstandsposten aufgeben müsste. Dennoch: Ich werde nicht meine Energie und Kraft darauf verwenden, mich am AfD-Vorsitzenden abzuarbeiten und alles zu kommentieren, was er tut. Dazu sind meine Aufgabenbereiche zu vielfältig. Ich werde weiterhin die Funktion des Berichterstatters für die Einzelpläne des Auswärtigen Amtes, Verteidigung sowie Familie, Senioren, Frauen und Jugend übernehmen. Ebenso bin ich auch künftig Obmann des Rechnungsprüfungsausschusses. In diesem steht bereits ein straffes Arbeitsprogramm bis Juni fest. An neuen Aufgaben kommt die Position des Hauptberichterstatters für den Einzelplan Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hinzu. Außerdem bin ich Mitglied des Finanzausschusses. Damit liegen auch in dieser Legislaturperiode die Schwerpunkte meiner

politischen Arbeit im Bereich der Internationalen Politik und der Umverteilung von oben nach unten. Gleich zu Beginn werde ich mich auf die offenen sogenannten 25-Millionen-Vorlagen aus dem Einzelplan Verteidigung konzentrieren. 25-Millionen-Vorlage bedeutet, dass ein Rüstungsvorhaben der Regierung, das teurer als 25 Millionen Euro ist, dem Haushaltsausschuss zwingend zur Beratung vorgelegt werden muss. Der Ausschuss muss die Vorlagen dann bestätigen oder er kann sein Veto einlegen. Wenn wir als LINKE politische Deutungshoheit erlangen wollen, müssen wir positive Vorschläge für die Gestaltung unserer Gesellschaft einbringen. Wenn wir z. B. fordern „Fluchtursachen bekämpfen“, müssen wir insbesondere Kindern in ihren Ländern eine Perspektive geben. Ein Baustein dabei wäre es, nicht nur die dortigen SOSKinderdörfer besser zu unterstützen, sondern an diese auch eine Berufsausbildung anzugliedern. Auf solche Vorhaben will ich mich konzentrieren. • Michael Leutert


Kommunal-Info 2-2018 6. März 2018 Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de

KFS

Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. MigrantInnen Möglichkeiten politischer Teihabe für MigrantInnen - Die Sächsische Gemeindeordnung Seite 3

Ländlicher Raum DIW-Studie zum ländlichen Raum und dem Einfluss der AfD Seite 4

Veranstaltungen Verdrängung der Armut aus dem öffentlichen Raum Lust auf Stadtrat (Bürger)beteiligung in der Kommune Seite 4

Fortentwicklung des Kommunalrechts Am 13. Dezember 2017 verabschiedete der Sächsische Landtag das „Zweite Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts“ in Sachsen, das am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist. Dieses „zweite“ Gesetz folgte der „ersten“ Gesetzesnovelle zum Kommunalrecht, die der Landtag am 28. November 2013 beschlossen hatte. Nach den Worten des neuen sächsischen Innenministers Roland Wöller, der nunmehr den Platz von Markus Ulbig am Kabinettstisch eingenommen hat, sei das „zweite“ Gesetz „eine Antwort auf die gesammelten Erfahrungen der kommunalen Praxis, die Auswertung der letzten Kommunal-, Bürgermeister- und Landratswahlen sowie auf den Wunsch nach einer weiteren Vereinfachung des Kommunalrechts.“ Darüber hinaus sollten mit dem „zweiten“ Gesetz „die Umsetzung der das Kommunalrecht betreffenden Vereinbarungen des Koalitionsvertrags zwischen CDU und SPD“ realisiert werden.1 Doch waren Kritiker schon nach der ersten Gesetzesnovelle vom November 2013 der Meinung, dass selbige mit heißer Nadel gestrickt wurde und etliche Webfehler enthielte und daher alsbald Nachbesserungen anstehen würden. Wie bei der ersten Gesetzesnovelle handelt es sich beim zweiten Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts um ein Artikelgesetz, das Änderungen in der Sächsischen Gemeindeordnung, der Sächsischen Landkreisordnung, dem Sächsischen Gesetz über kommunale Zusammenarbeit, dem Kommunalwahlgesetz, dem Gesetz über den Kommunalen Versorgungsverband Sachsen, dem Gesetz über die Errichtung der Sächsischen Anstalt für kommunale Datenverarbeitung und dem Sächsischen Kommunalabgabengesetz zusammenfasst.

Eine Vielzahl von Änderungen ist rein redaktioneller Natur. Nachfolgend sollen nur die wesentlichen inhaltlichen Änderungen der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) bzw. der adäquaten Bestimmungen in der Sächsischen Landkreisordnung (SächsLKrO) kurz besprochen werden.

Hinderungsgründe für Mandatsannahme

Für Mitarbeiter der Rechtsaufsichtsbehörden und Rechnungsprüfungsämter wurden in § 32 Abs. 5 SächsGemO (bzw. § 28 Abs. 3 SächsLKrO) die Hinderungsgründe gelockert, um Gemeinderat bzw. Kreisrat zu sein. Künftig sind nur noch jene Bediensteten dieser Behörden daran gehindert, in ein kommunales Mandat einzutreten, wenn sie mit der Rechtsaufsicht oder der Rechnungsprüfung ihrer Wohnsitzgemeinde bzw. ihres Landkreises befasst sind. Üben diese Bediensteten ihre amtliche Tätigkeit hingegen nur in anderen Gemeinden bzw. Landkreisen aus, können sie in ihrer Gemeinde (ihrem Landkreis) nicht nur das ihnen verfassungsrechtlich zustehende passive Wahlrecht wahrnehmen, sondern nach erfolgter Wahl auch das Mandat antreten, ohne in Konflikt mit ihrer amtlichen Tätigkeit zu geraten.

Unverzügliche Einberufung der Sitzung

Als Minderheitenrecht galt bisher nach § 36 Abs. 3 SächsGemO (bzw. § 32 Abs. 3 SächsLKrO), dass eine Sitzung des Gemeinderats/Kreistags unverzüglich einzuberufen ist, wenn dies von einem Fünftel der Gemeinderäte/ Kreisräte unter Angabe des Verhandlungsgegenstandes beantragt wird. Nunmehr gilt das mit der einschränkenden Bestimmung, dass der Gemein-

derat/Kreistag den gleichen Verhandlungsgegenstand nicht innerhalb der letzten sechs Monate bereits behandelt hat oder wenn sich seit der Behandlung die Sach- oder Rechtslage wesentlich geändert hat. Außerdem wurde explizit klarstellend hinzugefügt, dass der Verhandlungsgegenstand in die Zuständigkeit des Gemeinderates bzw. des Kreistags fallen muss.

Elektronische Einsichtnahme

Schon bisher war es den Einwohnern nach § 40 Abs. 2 SächsGemO (bzw. § 36 Abs. 2 SächsLKrO) möglich, in die Niederschriften öffentlicher Sitzungen Einsicht zu nehmen. Nunmehr können Gemeinden und Landkreise darüber hinaus auch die allgemeine Einsichtnahme in elektronischer Form ermöglichen. Näheres ist in der jeweiligen Geschäftsordnung zu regeln. Außerdem kann die Kommune ihren Haushaltsplan, der im Entwurf nach § 76 Abs. 1 SächsGemO an sieben Arbeitstagen öffentlich auszulegen ist, dies nunmehr auch in elektronischer Form (Internet) der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Stellvertretung in Ausschüssen

Nach § 42 Abs. 1 SächsGemO (bzw. § 38 Abs. 1 SächsLKrO) gilt wie bisher, dass der Gemeinderat/Kreistag die Mitglieder in Ausschüssen und deren Stellvertreter in gleicher Zahl widerruflich aus seiner Mitte bestellt. Neu ist nun jedoch die Regelung, dass abweichend davon der Gemeinderat/ Kreistag festlegen kann, dass je Ausschussmitglied bis zu drei Stellvertreter bestellt werden können; diese sind keinem Ausschussmitglied persönlich zugeordnet. Dafür wurde die bisher geltende Regelung gestrichen, dass sich die Mitglieder der Ausschüsse im Einzelfall durch andere Gemeinderäte/

Kreisräte vertreten lassen können. Auf den ersten Blick scheint die Neuregelung mit den „bis zu drei Stellvertretern“ durchaus realitätsbezogen und vernünftig, ist es doch in der heutigen Arbeitsgesellschaft nicht immer einfach, ein ehrenamtliches Mandat wahrzunehmen oder auch die Stellvertretung abzusichern. Jedoch ist die neue Bestimmung, dass die Stellvertreter „keinem Ausschussmitglied persönlich zugeordnet“ werden, nicht eindeutig genug und lässt unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten offen. So wäre es etwa denkbar, dass „ein zufällig anwesender Stellvertreter der Fraktion A das verhinderte Ausschussmitglied der Fraktion B vertreten kann.“2 Wäre dem tatsächlich so, würde das gegen das Prinzip der demokratischen Repräsentation verstoßen, wonach die Zusammensetzung der Ausschüsse der Mandatsverteilung im Gemeinderat/ Kreistag entsprechen soll.

Kommunale Beiräte

Bisher lautete § 47 SächsGemO (bzw. § 43 SächsLKrO) ganz allgemein: Durch die Hauptsatzung können sonstige Beiräte gebildet werden, denen Mitglieder des Gemeinderats/Kreistages und sachkundige Einwohner angehören. Sie unterstützen den Gemeinderat/Kreistag und die Kreisverwaltung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Nunmehr wurde dieser Paragraph mit dem Zusatz konkretisiert: „Sonstige Beiräte im Sinne dieser Vorschrift können insbesondere Seniorenbeiräte und Naturschutzbeiräte sein.“ Dieser Zusatz ändert nicht wirklich etwas an der Substanz des Kommunalrechts, konnten doch schon bisher SeniorenFortsetzung auf folgender Seite


Kommunal-Info 2/2018 beiräte und Naturschutzbeiräte sowie andere Beiräte unter der allgemeinen Bestimmung „Sonstige Beiräte“ gebildet werden.

Kinder- und Jugendbeteiligung

Neu hinzugekommen ist hingegen der § 47a SächsGemO (bzw. § 43a SächsLKrO), der jetzt speziell die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei kommunalen Planungen regelt. Unterschiedliche Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung konnten in sächsischen Kommunen bisher schon praktiziert werden, wie das z.B. in Leipzig, Borna, Freiberg, Oschatz und Meißen geschehen ist, ohne dass hierfür eine spezielle gesetzliche Regelung erforderlich war. Das kommunalrechtlich Neue der jetzigen Regelung in § 47a bzw. § 43a ist allerdings, dass Gemeinden und Landkreise nun bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen sollen, dazu geeignete Verfahren entwickeln und durchführen sollen. Diese nunmehr geltende gesetzliche Soll-Vorschrift macht es für jede Stadt oder Gemeinde sowie für jeden Landkreis zur Pflicht, Verfahren zur Kinder- und Jugendbeteiligung zu entwickeln und durchzuführen, von der nur im Ausnahmefall abgewichen werden kann. Mit dieser Neuregelung wurde eine Vorgabe des sächsischen Koalitionsvertrags zwischen CDU und SPD umgesetzt. Außerdem ist Sachsen dem Beispiel anderer Bundesländer gefolgt, wo schon seit längerem solche Bestimmungen zur Kinder- und Jugendbeteiligung bestehen. Der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) sieht diese Neuregelung kritisch und als ein Beispiel von Überregulierung. Der § 47a wirke „wie eine Ventilvorschrift, die das trügerische Gefühl vermittelt, etwas Gutes für Kinder- und Jugendbeteiligung getan zu haben. Was die Vorschrift in der Praxis indessen bewirken wird, was Aufsichtsbehörden und Verwaltungsgerichte daraus noch machen werden, steht auf einem ganz anderen Blatt.“3

Fachbediensteter für Finanzwesen

Nach § 62 Abs. 2 SächsGemO (bzw. § 58 Abs. 2 LKrO) darf zum Fachbediensteten für das Finanzwesen nur bestellt werden, wer über 1. eine abgeschlossene wirtschaftsoder finanzwissenschaftliche Ausbildung oder die Laufbahnbefähigung für die Laufbahngruppe 2 der Fachrichtung Allgemeine Verwaltung mit dem fachlichen Schwerpunkt allgemeiner Verwaltungsdienst und 2. eine mindestens einjährige Berufserfahrung im öffentlichen Rechnungs- und Haushaltswesen oder in entsprechenden Funktionen eines Unternehmens in einer Rechtsform des privaten Rechts verfügt. Im neuen Gesetz wurde die bisherige Mindestberufserfahrung von 3 Jahren auf jetzt 1 Jahr herabgesetzt. Während für Landkreise, Kreisfreie Städte und größere Kreisstädte die Gesamtanforderungen an einen Fachbediensteten angemessen sein mögen, scheinen diese Anforderungen pauschal für alle Gemeinden offenkundig als zu hoch angesetzt. Deshalb auch der kritische Einwand des SSG:

Seite 2 „Vielen Kommunen insbesondere im ländlichen Raum fällt es schon heute schwer, ausreichend Nachwuchskräfte zu gewinnen. Dabei ist eine Vorschrift wie der bundesweit einzigartige § 62 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO eine zusätzliche Hürde. Wir stellen in Frage, ob es in jeder noch so kleinen Gemeinde mit eigener Gemeindeverwaltung wirklich notwendig ist, einen Wirtschafts- oder Finanzwissenschaftler, Juristen oder Diplom-Verwaltungswirt als Kämmerer zu haben. Zumal die derzeitige – von den Rechtsaufsichtsbehörden geduldete – Praxis beweist, dass Fachbedienstete für das Finanzwesen auch mit Fortbildung, Praxisbezug und kommunalpolitischem Gespür sehr gute Arbeit leisten können. Leider belässt es das Gesetz bei einer kleinen Lösung, wonach nur die Erfahrungszeit nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 SächsGemO von drei Jahren auf ein Jahr abgesenkt wird. Dies wird einzelnen Kommunen die Stellennachbesetzung erleichtern, das grundlegende demografische und personalwirtschaftliche Problem wird dadurch keineswegs gelöst.“4

der ortschaftsbezogenen Haushaltsansätze, nunmehr aber auch bezüglich der Wahrnehmung der gemeindlichen Planungshoheit und der Vermietung, Verpachtung oder Veräußerung der in der Ortschaft gelegenen öffentlichen Grundstücke. Weiterhin hat der Ortschaftsrat ein Vorschlagsrecht zu allen Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen. Der SSG sieht einen inneren Widerspruch in den Neuregelungen zur Ortschaftsverfassung: „Wenn das vorliegende Gesetz nun einerseits die Einführung der Ortschaftsverfassung für bestimmte Stadtoder Gemeindeteile sofort bzw. mittelfristig ausschließt, und andererseits die Position der Ortschaftsräte und Ortsvorsteher der bestehenden Ortschaften ausbaut, wird das Gesetz mancherorts Öl ins Feuer gießen, anstatt zur Befriedung beizutragen.“5

Stadtbezirksverfassung

Während bisher nach § 65 Abs. 1 SächsGemO für alle Ortsteile einer Gemeinde durch die Hauptsatzung die Ortschaftsverfassung eingeführt werden konnte, kann das nach der neuen Regelung nur noch für die nach dem

Wie bisher können nach § 70 SächsGemO die Kreisfreien Städte durch Hauptsatzung die Stadtbezirksverfassung einführen. Nicht mehr hingegen besteht für Kreisfreie Städte die Möglichkeit, auf ihrem Gebiet die Ortschaftsverfassung nach § 65 ff SächsGemO einzuführen. Mit der Einführung der Stadtbezirksverfassung können in den Stadtbezirken örtliche Verwaltungsstellen ein-

1. Mai 1993 im Rahmen von Gebietsänderungen (Eingemeindungen) entstandenen erfolgen. Dabei erhalten die kreisangehörigen Städte und Gemeinden eine Übergangsfrist bis längstens Ende 2024. Dort kann weiterhin die Ortschaftsverfassung auch für Ortsteile ohne Eingemeindungshintergrund eingeführt werden, wenn die erstmalige Wahl des Ortschaftsrates vor dem 31. Dezember 2024 stattfindet. In den Ortschaften können örtliche Verwaltungsstellen eingerichtet werden. Die Bestellung des Leiters der örtlichen Verwaltung erfolgt nach § 65 Abs. 4 durch den Gemeinderat. Jedoch hat die Ernennung, Einstellung und Entlassung des Leiters der örtlichen Verwaltungsstelle nach § 67 Abs. 2 im Benehmen mit dem Ortschaftsrat zu erfolgen. In § 67 Abs. 6 wurden die Anhörungsrechte des Ortschaftsrats zu wichtigen Angelegenheiten der Gemeinde erweitert, die die Ortschaft betreffen oder von unmittelbarer Bedeutung für die Ortschaft sind. Bisher galt das nur hinsichtlich der Aufstellung

gerichtet werden; die Bestellung des Leiters der örtlichen Verwaltungsstelle hat durch den Stadtrat zu erfolgen. Wie bei Ortschaftsräten hat auch hier die Ernennung, Einstellung und Entlassung des Leiters der örtlichen Verwaltungsstelle nach § 71 Abs. 8 im Benehmen mit dem Stadtbezirksbeirat zu erfolgen. Mit der Einführung der Stadtbezirksverfassung werden in den Stadtbezirken Stadtbezirksbeiräte gebildet, die nun nach zwei verschiedenen Verfahren möglich sind – einem gesetzgeberischen Unikat in Deutschland, wie Kritiker meinen. Verfahren 1: Wie bislang können die Mitglieder des Stadtbezirksbeirats vom Stadtrat aus dem Kreise der im Stadtbezirk wohnenden wählbaren Bürger nach jeder regelmäßigen Wahl der Gemeinderäte bestellt werden. Verfahren 2: Nunmehr kann aber auch durch die Hauptsatzung festgelegt werden, dass die Stadtbezirksbeiräte in den Stadtbezirken nach den für die Wahl des Ortschaftsrats geltenden Vorschriften gewählt werden können.

Ortschaftsverfassung

Wie bisher ist der Stadtbezirksbeirat zu wichtigen Angelegenheiten, die den Stadtbezirk betreffen, zu hören. Was neu ist, es können nach § 71 Abs. 2 jetzt durch die Hauptsatzung dem Stadtbezirksbeirat weitere Aufgaben übertragen werden, die bislang nur den Ortschaftsräten vorbehalten waren, wie die Festlegung der Reihenfolge der Arbeiten zum Um- und Ausbau sowie zur Unterhaltung und Instandsetzung von Straßen, Wegen und Plätzen, deren Bedeutung über die Ortschaft nicht hinausgeht, einschließlich der Beleuchtungseinrichtungen; die Förderung und Durchführung von Veranstaltungen der Heimatpflege und des Brauchtums in der Ortschaft; die Pflege vorhandener Patenschaften und Partnerschaften; die Information, Dokumentation und Repräsentation in Ortschaftsangelegenheiten. Der Stadtrat kann die Angelegenheiten im Einzelnen abgrenzen und allgemeine Richtlinien erlassen. Außerdem hat der Stadtbezirksbeirat jetzt auch ein Vorschlagsrecht zu allen Angelegenheiten, die den Stadtbezirk betreffen. Neu ist ebenfalls nach § 71 Abs. 3, dass dem Stadtbezirksbeirat zur Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgaben nun angemessene Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Der SSG sieht die neuen Regelungen zur Stadtbezirksverfassung insgesamt kritisch: „Mit diesen Änderungen wurde indessen auch eine systematische Unordnung angelegt. Entscheidet sich die Kreisfreie Stadt beispielsweise für die Direktwahl der Stadtbezirksbeiräte, ohne diesen weitere Aufgaben zu übertragen, werden die direkt Gewählten auf einen Zuständigkeitskatalog treffen, der den Aufwand einer Direktwahl in Frage stellt. Werden die Mitglieder der Stadtbezirksbeiräte indessen weiter bestellt, diesen Gremien jedoch zusätzliche Aufgabenbefugnisse übertragen, kann die zumindest für die kommunale Ebene fragliche Situation eintreten, dass öffentliche und haushaltswirksame Entscheidungen durch ein Kollegialorgan getroffen werden, das nicht direkt demokratisch legitimiert ist.“6

Haushaltsrecht

Eine Reihe von Änderungen sind mit dem „Zweiten Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts“ beim kommunalen Haushaltsrecht eingetreten. So wurde die Regelung in § 73 Abs. Fortsetzung auf Seite 3

Impressum Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de Red., Satz und Layout: A. Grunke V.i.S.d.P.: P. Pritscha Die Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushalts finanziert.


Kommunal-Info 2/2018

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Politische Teilhabe von MigrantInnen Teil I - Die Gemeindeordnung

Von Konrad Heinze, Chemnitz Integration als Querschnittsaufgabe berührt alle Bereiche der Gesellschaft. Das Recht auf Teilhabe, verstanden als gleichberechtigter Zugang zu den Institutionen des sozialen Lebens für Alle, praktisch umzusetzen, gehört zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben in Stadt und Land. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Frage, in welchem Umfang politische Partizipation ermöglicht wird. Denn die Mitbestimmung über das unmittelbare Lebensumfeld und das eigene Zuhause geht ausnahmslos Jede und Jeden an und darf nicht allein der Verwaltung und Fachleuten überlassen sein. So mehren sich die Hinweise, dass dort, wo den Gemeinden die Kompetenzen und Instrumente der Selbstverwaltung genommen sind, Parteien- und Politikverdrossenheit überhandnehmen. Wenn also die strukturellen RahFortsetzung von Seite 2

Fortentwicklung des Kommunalrechts 5 SächsGemO über die Annahme oder Vermittlung von Spenden weiter gelockert. Für die Annahme oder Vermittlung von Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen zugunsten von Museen, Bibliotheken und Archiven, deren Träger die Gemeinde/ Landkreis ist, sowie für die Annahme oder Vermittlung von Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen bis zu einem Wert von im Einzelfall 50 Euro kann jetzt die Hauptsatzung abweichende Regelungen treffen, sodass von einer Befassung im Gemeinderat/Kreistag oder beschließendem Ausschuss abgesehen werden kann. Außerdem können Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen bis zu einem Wert von im Einzelfall 1.000 Euro listenmäßig erfasst werden; der Gemeinderat/Kreistag oder ein beschließender Ausschuss kann über deren Annahme oder Vermittlung in einer gemeinsamen Beschlussvorlage entscheiden. Die Verpflichtung für den Erlass eines Nachtragshaushalts besteht nach § 77 Abs. 3 Nr.1a nicht bei Verwendung im Finanzhaushalt bereits veranschlagter Auszahlungen für Investitionen oder Investitionsförderungsmaßnahmen für bisher nicht ver-

menbedingungen die Forderungen und Bedürfnisse der Menschen nach Teilhabe und Mitbestimmung nicht ausreichend erfüllen, stellen sich Gefühle der Benachteiligung und Resignation ein. Damit verliert sich auch das Empfinden von Zugehörigkeit und Bedeutung des eigenen Handelns. Eben jene Menschen sind schließlich seltener bereit, Verantwortung zu übernehmen: „Das geht mich doch alles nichts an.“ In einer solchen Stimmung finden nicht zuletzt populistische, vermeintlich „einfache“ Lösungen für komplexe Problemlagen, Zustimmung. Insgesamt muss das Bild und die Rolle der Kommune als „Schule der Demokratie“ und als Ort des Interessenausgleichs ins Wanken geraten, wo politische Teilhabe versagt bleibt. Was bedeutet dies im Zusammenhang mit Migration und Integration? Kurz und bündig, dass Menschen, die von Willensbildungs- und Entanschlagte Investitionen oder Investitionsförderungsmaßnahmen, sofern der Gemeinderat/Kreistag dieser Verwendung zustimmt. Damit sollen die Kommunen mehr Flexibilität für künftige Investitionsmaßnahmen erhalten. Erleichtert wurden auch die Rahmenbedingungen für die weitere Umsetzung des doppischen Haushaltsrechts. So gelten nach § 79 Abs. 1 nicht veranschlagte oder zusätzliche Aufwendungen, die erst bei der Aufstellung des Jahresabschlusses festgestellt werden können und nicht zu Auszahlungen führen, nicht als überplanmäßige und außerplanmäßige Aufwendungen. Erleichterung wurde mit § 88 Abs. 5 geschaffen bei der Nachholung der Jahresabschlüsse, wodurch den Kommunen der Abbau des vorhandenen Bearbeitungsstaus einfacher ermöglicht und damit auch Spielraum für die Erstellung des Gesamtabschlusses geschaffen wird. Zudem wurden die Regelungen zum Gesamtabschluss präzisiert. Nach § 88b Abs. 2 ist die Gemeinde nun von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Gesamtabschlusses befreit, wenn nicht mehr als zwei zu konsolidierende Aufgabenträger (verselbstständigte Organisationseinheiten; privatrechtliche Unternehmen, an denen die Gemeinde eine Beteiligung hält; Zweckverbände und Verwaltungsverbände) vorhanden sind oder wenn die Gesamtheit der Aufga-

scheidungsprozessen aufgrund einer nicht-deutschen Staatsbürgerschaft weitestgehend ausgeschlossen sind, den Begriff „Integration“ kaum auf sich beziehen können - gleichgültig, ob sie seit zwei oder 20 Jahren in Deutschland leben. Im Zentrum der Debatte um politische Teilhabe von MigrantInnen steht immer wieder das Wahlrecht. Auf der kommunalen Ebene in Sachsen ist dieses laut § 15 der Sächsischen Gemeindeordnung ist dieses den BürgerInnen der Kommune vorbehalten. Zu diesen gehören alle Deutschen gemäß Art. 116 GG sowie sämtliche Staatsangehörigen der Europäischen Union, die das 18. Lebensjahr vollendet und seit mindestens drei Monaten im Wahlgebiet den alleinigen oder Hauptwohnsitz haben. UnionsbürgerInnen haben demnach auf der kommunalen Ebene das aktive und passive Wahlrecht, letzteres betreffend müssen sie an Eides Statt versichern, dass sie im jeweiligen Herkunftsland die Wählbarkeit nicht verloren haben. Neben dem „Bürger“ kennt die Gemeindeordnung noch den „Einwohner.“ Als solcher gilt nach § 10 Abs. 1 SächsGemO jede Person, die „in der Gemeinde wohnt“. Die GemO formuliert den Begriff des „Wohnens“ nicht weiter aus, jedoch wird in Rechtssprechung und Kommentierung der weitgefasste öffentlich-rechtliche Begriff des Wohnens zugrundegelegt. Demnach gelten auch alle Staatsangehörigen von außerhalb der Europäischen Union, einschließlich Asylsuchender und anerkannter Geflüchteter, Staatenlose und sogar Menschen mit illegalisiertem Aufenthalt, als EinwohnerInnen. Somit benträger von untergeordneter Bedeutung ist. Die Frist zur Aufstellung des Gesamtabschlusses wurde um weitere zwei Jahre bis zum Haushaltsjahr 2023 verlängert.

Kommunalwirtschaft

Ebenso wurden einige Änderungen im kommunalen Wirtschaftsrecht vorgenommen. In § 90 SächsGemO wurde, resultierend aus dem Koalitionsvertrag, eine kleine Barriere eingebaut, um zumindest die Veräußerung von kommunalem Vermögen zu verzögern. So wird nach einem Gemeinderats-/Kreistagsbeschluss über die Veräußerung eines kommunalen Unternehmens eine Wartefrist von drei Monaten eingeführt, in der die Kommune den Beschluss nicht vollziehen darf. Als nichtwirtschaftliche Unternehmen von Kommunen galten bisher nach § 94a Unternehmen, die Aufgaben wahrnehmen, zu denen die Gemeinde verpflichtet ist, sowie Hilfsbetriebe, die ausschließlich zur Deckung des Eigenbedarfs der Gemeinde dienen. Nunmehr wurden hier weiterhin ausdrücklich hinzugezählt Einrichtungen des Unterrichts-, Erziehungs- und Bildungswesens, der Kunstpflege, der körperlichen Ertüchtigung, der Gesundheits- und Wohlfahrtspflege. In § 98 Abs. 1 u. 2 wurde bisher schon bestimmt, dass kommunale Vertreter in den Gremien von Unterneh-

stehen ihnen die Beteiligungsrechte für EinwohnerInnen zu, wie sie in der Gemeindeordnung vorgesehen sind. Zu den Instrumenten der formellen Beteiligung zählen die „Nutzung der öffentlichen Einrichtungen“ (§ 10 Abs. 2 SächsGemO) und die „Hilfe in Verwaltungsverfahren“ (§ 13 SächsGemO). Darüber hinaus noch jene Rechte, die bereits einen stärker politischen Charakter haben: das „Petitionsrecht“ (§ 12 SächsGemO), das Recht auf „Einwohnerversammlung“ und „Einwohnerantrag“ (§§ 22, 23 SächsGemO), die „Mitwirkung sachkundiger Einwohner als beratende Ausschussmitglieder“ und die „Mitwirkung im Rahmen einer Fragestunde“ (§ 44 Abs. 2 und § 44 Abs. 3 SächsGemO) sowie die „Mitwirkung in sonstigen Beiräten“ (§ 47 SächsGemO) und die „Einwendungen gegen die Haushaltssatzung“ (§ 76 SächsGemO). Die Reichweite der Beteiligungsrechte für EinwohnerInnen ist ohne Frage geringer als bei jenen, die den BürgerInnen zustehen. Das wird nicht nur im fehlenden Wahlrecht deutlich sichtbar, sondern auch dadurch, dass etwa die Rechtsfolgen eines Bürgerentscheids gegenüber denen eines Einwohnerantrags ungleich verbindlicher ausfallen. Gleichwohl gibt es diese Rechte, nur brauchen diese aber konkrete AnwenderInnen. So ist es auch Aufgabe linker Kommunalpolitik, diese Rechte zu vermitteln und den Anspruch zu haben, fehlende Beteiligungsrechte möglichst weit zu kompensieren, ohne in den Irrtum zu verfallen, damit allein sei politisch gleichberechtigte Teilhabe zu bewerkstelligen. Den letztgenannten Punkt aufgreifend, wird sich der nächsten Beitrag näher mit dem Thema der Migrationsbeiräte befassen.

men in Privatrechtsform (Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat), in denen die Kommune beteiligt oder Alleingesellschafter ist, über die für diese Aufgabe erforderliche betriebswirtschaftliche Erfahrung und Sachkunde verfügen müssen. Jetzt wurde in § 98 Abs. 5 angefügt, dass die Kommune den von ihr in Organe eines Unternehmens entsandten Personen Gelegenheit geben soll, regelmäßig an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen, die der Wahrnehmung ihrer Aufgaben dienlich sind. Außerdem wird den entsandten Personen nunmehr ausdrücklich die Pflicht auferlegt, sich regelmäßig zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben fortzubilden. Die anfallenden Kosten sind von den Unternehmen zu tragen. AG —

1 Sachsenlandkurier. Organ des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Nr. 1/2018, S. 4. 2 André Schollbach, in: ebenda, S. 12. 3 Mischa Woitscheck, in: ebenda, S. 19. 4 Ebenda. 5 Ebenda. 6 Ebenda, S. 19 f.


Kommunal-Info 2/2018

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DIW-Studie zum ländlichen Raum Studie fordert Stärkung der ländlichen Räume

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schreibt der Politik ins Buch, mehr für die ländlichen Räume in Deutschland zu tun. Eine Studie des DIW ergab, dass die AfD vor allem in Wahlkreisen mit Zukunftssorgen punktet. Das DIW hat sich anhand sämtlicher Wahlkreise in Deutschland ein Bild über die Situation der AfD gemacht. Das Ergebnis bringt einige spannende Punkte zum Vorschein. Weniger ein Ost-West Gefälle sei zu erkennen, als vielmehr ein Gefälle zwischen Regionen mit Zukunftssorgen und solchen, die boomen.

Ländliche Räume und die AfD

DIW-Präsident Prof. Dr. Marcel Fratzscher zitierte am 21. Februar im Deutschlandfunk folgende Eckpunkte aus der Studie:

öffentliche Investitionen zur Absicherung der Grundversorgung zu stärken, also die Infrastruktur auszubauen. Ländliche Räume bräuchten vor allem gute Schulen, damit junge Menschen bleiben und nicht abwanderten. Aber auch die Situation von Krankenhäusern in ländlichen Regionen solle die Politik stärker in den Fokus nehmen. Vor allem sei es aber wichtig, genau in diesen Regionen neue Unternehmen anzusiedeln.

Kommunenvertreter fordern mehr Engagement für ländliche Räume

Auch beim Deutschen Städte- und Gemeindebund stößt die Studie des DIW auf offene Ohren. Ihr Hauptgeschäftsführer, Gerd Landsberg erklärte dazu: In Deutschland haben wir eine zunehmende Spreizung zwischen reichen und armen Kommunen und Regionen. Diese Entwicklung steht vie-

Veranstaltungen des KFS Podiumsdiskussion

Zur Verdrängung der Armut aus dem öffentlichen Raum in Leipzig 14. März 2018, 20 - 22 Uhr Grassi-Museum Johannisplatz 5-11 04103 Leipzig

ReferentInnen: Heiko Rosenthal (Bürgermeister und Beigeordneter für Umwelt, Ordnung, Sport) Elke Bösing (Safe – Straßensozialarbeit für Erwachsene) Britta Taddiken (Pfarrerin der Thomaskirche) Dr. Peter Bescherer (Friedrich Schiller Universität Jena) Gjulner Sejdi (Romano Sumnal e.V. – Teil der Bettellobby Dresden) Moderation: Sarah Ulrich (freie Journalistin, Redakteurin des Magazins Kreuzer) Info-Veranstaltung:

„Lust auf Stadtrat?“

20. März 2018, 20 - 22 Uhr Infolounge, Hospitalstraße 30 02826 Görlitz Referent: Thorsten Ahrens (Stadtrat in Görlitz) Info-Veranstaltung:

„Lust auf Stadtrat?“ 04. April 2018, 18 - 20 Uhr Infoladen Zittau, Äußere Weberstraße 2 02763 Zittau Referent: Jens Hentschel-Thöricht (Kreis- und Stadtrat)

Die AfD punktet in Wahlkreisen, in denen besonders viele Ältere Menschen leben. Die AfD gewinnt in Regionen, in denen es wenig Industrie und wenige große Arbeitgeber gibt. Die AfD hat die besten Ergebnisse in den Wahlkreisen, in denen die wirtschaftliche Unsicherheit besonders hoch ist. Die AfD gewinnt jedoch beiweitem nicht nur Arbeitslose, sondern vor allem Männer, die „Zukunftssorgen“ haben – etwa Angst um ihren Arbeitsplatz oder ihre Rente. Im Ergebnis fasst die Studie zusammen, spielt der Ausländeranteil in einer Region keine Rolle für die Ergebnisse. Nahezu ausschließlich das Umfeld und die Zukunftsperspektiven einer Region sind ausschlaggebend. „Die Frustration von Menschen ist der Grund. Als Sündenbock für die eigenen Ängste müssen dann Ausländer herhalten“, so Fratzscher.

DIW fordert Investitionsprogramm für ländliche Räume

Die Politik in Bund, Ländern und Kommunen sei gut beraten, die weniger verdichteten Räume der Wahlkreise in den Blick zu nehmen, heißt es in der Studie. Dabei komme es nicht nur auf einen Ost-West Vergleich an, es gebe auch immer stärker ein Nord-Süd Gefälle. Konkret schlagen die Forscher vor, in strukturschwachen Regionen

lerorts in direkter Beziehung zu den Auswirkungen des demografischen Wandels. Wir entfernen uns zunehmend von dem Auftrag des Grundgesetzes, der vorsieht, dass die Lebensverhältnisse in ganz Deutschland gleichwertig sein sollen. Hier muss die Politik entschlossen gegensteuern, um dem Gefühl abgehängt zu sein entgegenzuwirken und Radikalisierungstendenzen wirksam zu bekämpfen. Dazu gehöre das Bekenntnis, die Daseinsvorsorge – von der ärztlichen Versorgung über eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur bis zu einem funktionsfähigen ÖPNV – flächendeckend zu gewährleisten. Die neue Bundesregierung muss ein Aktionsprogramm zur Stärkung der ländlichen und abgehängten Regionen auflegen. Behörden, aber auch Wirtschaftsstrukturen, müssen dort gestärkt werden. Notwendig sind Hoffnungssignale für die Menschen vor Ort, die ihnen vermitteln, dass sie nicht vergessen sind und dass man sich auch in der „großen Politik“ um sie kümmert. Wichtig ist es, nicht allein Geld zu verteilen, sondern Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, so dass die Stärken, die es in jeder Region gibt weiterentwickelt werden können. Die Kommunen stünden bereit, ein solches Programm mitzutragen und auszugestalten. (Dt. Städte- und Gemeindebund, www.dstgb.de)

Demokratie lebt von Mitwirkung und Verantwortungsüber­nahme. Ob Parkbänke, Friedhofs­-Gießkannen oder Bauleitplanungen, der Spielplatz, das Jugendhaus oder die Einwohner­versammlung. Wir wollen möglichst viele Leute erreichen, die sich vorstellen können für kommunale Vertretungen zu kandi­dieren oder die einfach mal wissen wollen, was in der Kommu­nalpolitik gemacht wird. Vermittelt werden soll wie Ratsarbeit funktioniert, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen es gibt, welche Einflussmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume der Rat hat und anderes mehr. Es handelt sich um ein offenes Angebot, dass an keine Bedingungen, also Kandidaturen oder Parteizugehörigkeiten geknüpft ist. Vorausgesetzt wird, dass man Teil des demokratischen Spektrums ist und somit kein Vertreter der Ideologie der Ungleichwertigkeit. Ausschlaggebend für die Teilnahme ist nur der Wunsch, mitzugestalten. INTENSIVSEMINAR

„(Bürger)beteiligung in der Kommune“ 20. April 2018 - 21. April 2018 Treibhaus e.V. Bahnhofstraße 56 04720 Döbeln Immer wieder gibt es die Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung in der Politik. Dieses Seminar soll kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ermutigen, die Menschen ihrer Gemeinde mehr in die Prozesse der politischen Entscheidungsfindung einzubinden. Hierzu werden die Vorteile von Beteiligungsprozessen kurz dargelegt, sowie in einer schrittweisen Anleitung die wichtigsten Etappen zum Start und zur Durchführung erläutert. Anhand von Fallbeispielen wird zudem ein analytischer Einblick in aktuelle Beispiele von Beteiligungspraxis in deutschen Kommunen gewährt. Der TeilnehmerInnenbeitrag beträgt 20 Euro und beinhaltet: Übernachtung, das Seminar selber mit allen Bildungspunkten und Tagungsgetränke. Nicht finanzieren können wir weitere Verpflegung, Fahrtkosten und alkoholische Getränke. Referent: Frank Kutzner (Dipl.-Wirtsch.-Ing., Planer, Moderator, parlamentarisch-wissenschaftlicher Berater) Anmeldungen und Nachfragen unter: Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. 01127 Dresden, Großenhainer Straße 99 Tel.: 0351-4827944 oder 4827945; Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de


Februar 2018

Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

ParlamentsReport Saubere Luft ist ein Grundrecht!

Liebe Leserinnen und Leser, die SPD-Mitglieder haben entschieden – das Land wird weiter von der „Großen Koalition“ regiert, die so groß gar nicht mehr ist. Damit tritt ein Koalitionsvertrag in Kraft, der die meisten Menschen enttäuscht – mich auch. Die großen Fragen packt er nicht an – soziale Spaltung, Friedenssicherung, Kinder- und Altersarmut, Wandel der Arbeitswelt, Pflegenotstand, Wohnungsnot ... Alles, was die soziale Spaltung überwinden könnte, fehlt in diesem Dokument oder wird in Prüfaufträgen und Kommissionitis ersäuft. Auch die Krankenversicherung für alle kommt wieder nicht. Nun droht erneut jahrelanger Stillstand, über den sich nur Reiche und die AfD freuen können. Was mich besonders enttäuscht: Der Osten ist raus. „Ostdeutschland“ kommt im Koalitionsvertrag nicht vor, „Osten“ nur als Wortbestandteil von „Kosten“. So fürsorglich geht die SPD mit den Menschen in Ostdeutschland um, deren Rentenansprüche nicht anerkannt werden – wo ist eigentlich der „Gerechtigkeitsfonds“, für den sich Sachsens Integrationsministerin Köpping eingesetzt hat? Und wo ist Martin Dulig gewesen, der als Ostbeauftragter der SPD die Interessen der Menschen in Ostdeutschland stärker zu Gehör bringen wollte? Und der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer? Für Sachsen und den Osten ist dieser Koalitionsvertrag eine einzige Enttäuschung. Was bewegt Sie in diesen Tagen? Welche Erwartungen haben Sie? Ich freue mich über viele Antworten auf meinen Brief an alle Menschen in Sachsen – entweder per Post an die Linksfraktion (siehe Impressum) oder per Mail an vorsitzender@linksfraktion-sachsen.de!

Rico Gebhardt Fraktionsvorsitzender

Weiter Wirbel um den Diesel: Das Bundesverwaltungsgericht hat Fahrverbote zugelassen. Nun könnten ältere Diesel-Fahrzeuge aus Großstädten ausgesperrt werden. Hamburg, Düsseldorf und Stuttgart unternehmen Schritte in diese Richtung, die Bundesregierung arbeitet an einer Rechtsgrundlage. Währenddessen laufen die deutschen Autobauer Sturm: Sie fürchten Absatzeinbrüche, außerdem haben sie darauf spekuliert, mit der Dieseltechnologie den CO2-Ausstoß ihrer Flotten reduzieren zu können. Denn Benzinmotoren stoßen größere Mengen dieses klimaschädlichen Gases aus, mit Dieselmotoren sind EU-Vorgaben leichter umsetzbar. Nun machen Stickstoffemissionen, die bei Dieselmotoren wiederum höher sind als bei Benzinern, den Konzernen einen Strich durch die Rechnung.

etwas gegen den ausufernden motorisierten Individualverkehr zu unternehmen. „In keiner deutschen Großstadt wäre ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge notwendig, wenn endlich in einen besseren ÖPNV, Rad- und Fußverkehrs-

Sachsens Umweltministerium behauptet, die Diskussion um Diesel-Fahrverbote habe „keine Auswirkungen“ auf den Freistaat. Für den LINKEN-Verkehrspolitiker Marco Böhme ist das pure „Ignoranz der CDU-geführten Staatsregierung“ – vor allem gegenüber Menschen, die wegen der Stickstoffemissionen unter Lungenkrankheiten leiden, aber auch gegenüber der Verkehrswende – denn nur die kann Gesundheitsgefahren reduzieren. Es stimmt zwar, dass die Grenzwerte in Sachsens Großstädten seltener überschritten werden als im Westen. Allerdings sagt das Bundesumweltamt, dass selbst die bislang im Jahresmittel zulässige Stickstoffdioxid-Konzentration von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Atemluft die Gesundheit gefährdet. Der Wert müsse unter zehn Mikrogramm sinken.

anlagen investiert werden würde. Auch die Landesregierung versagt dabei, ein kostengünstiges und attraktives Angebot für die Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel zu schaffen“, so Böhme. „Besser und sozial gerechter als neue Umweltzonen wäre ein massiver Ausbau des ÖPNV.“ Kurzfristig sollten die Fahrpreise für Bus und Bahn nicht mehr steigen dürfen, mittelfristig sogar sinken müssen. Nötig seien gute Park&Ride-Systeme, mehr Tempo30-Zonen sowie Kaufanreize für Elektrofahrzeuge, die den öffentlichen Verkehrsbetrieben, Car-Sharing-Anbietern, Taxiunternehmen, Handwerksbetrieben und Logistikunternehmen zufließen.

Fahrverbote hält Böhme dennoch nicht für richtig. Denn sie bestrafen die Falschen dafür, dass CDU-geführte Regierungen jahrelang eine falsche Verkehrspolitik betrieben haben. Leiden würden vor allem die Dieselfahrerinnen und -fahrer, bei älteren Modellen eher Menschen mit weniger Geld; zudem träfe es die meisten Handwerksbetriebe, dazu Logistikunternehmen, Feuerwehren, Rettungsdienste, die Stadtreinigung und weitere kommunale Unternehmen.

Post vom Oppositionsführer

Viele Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 6 könnten umgerüstet werden, um ihren Schadstoffausstoß zu senken. Böhme will, dass die Hersteller die Kosten tragen müssen, wobei vor allem Hardware-Umrüstungen notwendig sind. Die senken den Schadstoffausstoß stärker als Software-Updates. Allerdings ist sich der LINKE Verkehrspolitiker sicher: Die Diskussion um den Diesel ist nur ein Teilaspekt, eigentlich muss es um die Verkehrswende gehen. Auch die sächsische Landesregierung steht weiter in der Pflicht, endlich

Langfristig solle das öffentliche Gut ÖPNV solidarisch von allen Einwoh-

Anfang März landete in allen erreichbaren sächsischen Haushalten ein Brief von Rico Gebhardt. Der LINKEN-Fraktionschef will wissen, was die Menschen über die Themen der Zeit denken. „Bei uns muss man nicht im Gedränge um einen Platz am Politiker-Tisch kämpfen, sondern kann in Ruhe zum Ausdruck bringen,

nern einer Stadt finanziert werden, meint Böhme. Dazu will die Linksfraktion das Modell Semesterticket auf die gesamte Stadtbevölkerung ausweiten: Alle zahlen eine niedrige monatliche Abgabe, gestaffelt nach Einkommen, und haben dafür freie Fahrt. Die Kosten einer solchen Pauschale beziffert Böhme für Leipzig mit 20 Euro pro Monat; eine Monatskarte kostet heute schnell das Dreifache. „Alle profitieren, wenn möglichst viele Menschen den ÖPNV nutzen: weniger Lärm, weniger Abgase, weniger Platzverschwendung.“ Das ist noch Zukunftsmusik, denn dafür müssten die Beförderungskapazitäten ausgebaut werden. Aber Sachsens Regierung solle sich diesem Ziel nähern, findet Böhme – und schlägt ein Studienmodell vor. Beispielsweise könne zunächst eine Abgabe von fünf Euro im Monat erhoben werden, wofür der ÖPNV am Wochenende kostenfrei wird. Mit dieser Anschubfinanzierung könnten neue Busse und Bahnen beschafft werden. Je nach Ausbaustand könnten dann die Freifahrtberechtigung ausgeweitet und die Abgabe im Rahmen des Nötigen erhöht werden, bis der ÖPNV ticketfrei ist. Sachsens CDU-SPD-Regierung allerdings wird wohl weiter dafür sorgen, dass die Verkehrswende vor der roten Ampel stehen bleibt. Damit drohen auch im Freistaat Fahrverbote, während viele Menschen ohne Auto ihr Mobilitätsbedürfnis noch immer nicht auf anderem Wege befriedigen können.

wo der Schuh drückt. Ich verspreche nicht, dass wir uns immer mit allen in allem einig werden. Aber ich sage zu, dass wir uns mit allem ernsthaft auseinandersetzen, was die Menschen uns anvertrauen.“ Wer sein Exemplar vermisst, kann den Brief hier nachlesen: www.gleft.de/28k


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PARLAMENTSREPORT

Februar 2018

Gefahr im Verzug! Wer behebt eigentlich die Umweltschäden, die der Braunkohleabbau verursacht hat? Laut dem Bundesberggesetz sind die Bergbauunternehmen zuständig – in Sachsen vor allem die LEAG. Offen ist, ob es so kommt oder ob nicht doch die Allgemeinheit zahlen muss. Der Rechnungshof hat in einem geheimen Sondergutachten darauf verwiesen, dass die „Wiedernutzbarmachung“ unsicher finanziert ist. Das Oberbergamt muss nun verhindern, dass die LEAG die Gewinne einsackt und sich dann aus der Affäre zieht. Die Linksfraktion fordert Transparenz über die Risiken. Die Staatsregierung muss konkrete Sicherheitsleistungen bei den Kohleunternehmen erheben, die auch sicher sind, falls die LEAG insolvent werden sollte. Diese Vorstellung ist nicht völlig unrealistisch, denn mit der Kohle lässt sich immer weniger Kohle machen. Das Unternehmen hat seine Abbaupläne abgespeckt, und es ist offen, wie lange sich die LEAG rechnet. Druck von der CDU-geführten Staatsregierung müssen die LEAG und die dahinterstehende Finanz-Heuschrecke indes leider kaum befürchten: Mit Verweis auf die Arbeitsplätze lassen CDU und SPD die Zügel schießen.

„Die LEAG will die zerstörte Landschaft im Grunde nur wieder herstellen, wenn von ihrem Gewinn dafür noch etwas übrig ist“, warnt Pinka. Die Unterlagen zeigten, dass das Sicherungskonstrukt nur funktionieren kann, wenn die Kraftwerke weiter laufen und die Energiewende praktisch ausfällt. Die LEAG-Rechnungen basieren auf unrealistischen Annahmen, denen nicht nur völkerrechtlich verbindliche Klimaziele im Wege stehen. Das Unternehmen geht davon aus, dass bis zum Jahr 2042 Überschüsse erwirtschaftet werden, Tagebaue und Kraftwerke nicht beschränkt werden, Nachrüstungen zur Luftreinhaltung bezahlbar sind und das alte sächsische Energie- und Klimakonzept eine robuste Planungsgrundlage bietet. Selbstverständlich

wird es anders kommen. Im September 2018 soll eine Vorsorgevereinbarung zwischen der LEAG und dem Freistaat geschlossen werden. Alles deutet darauf hin, dass das Oberbergamt eher die Profitinteressen der LEAG als eine robuste Risikovorsorge im Blick hat. So glaubt die Behörde den Angaben der LEAG wohl blind und geht davon aus, dass genug Geld vorhanden ist. Allein für den Tagebau Nochten kalkuliert die LEAG mit 900 Millionen Euro Kosten für die Wiedernutzbarmachung, mit ähnlichen Summen für Welzow, Jänschwalde und Reichwalde ist zu rechnen. Ob das Geld vorhanden sein wird, ist fraglich. Die LEAG will über die Laufzeit der Tagebaue mit einer Zweckgesellschaft Sanierungs-Mittel ansparen. Der jährlich wachsende Sparbetrag würde an den Freistaat verpfändet. Zum 30. Juni 2021 müsste die LEAG einen unbekannten „Sockelbetrag“ einzahlen; dieses Geld und die jährlichen Zahlungen sollen mittels Investmentfonds vermehrt werden. Wenn das schiefgeht, trägt die Allgemeinheit das Risiko. Die Landesregierung müsste sofort handeln. Das Oberbergamt darf einen Betriebsplan – Voraussetzung für den Tagebau-Betrieb – nur zulassen, wenn das Unternehmen ordentlich vorsorgt. Es könnte sofort Sicherheitsleistungen einbehalten. Stattdessen will man sich wohl erpressen lassen. Kommt es hart auf hart, heißt es dann eines Tages nach „Bagger frisst Landschaft“ auch „Heuschrecke frisst Steuergeld“. Fotos: K. Reichert, G. Weinhold / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Dr. Jana Pinka, Sprecherin für Umweltschutz und Ressourcenwirtschaft, kämpft seit Jahren um Aufmerksamkeit für das aufziehende Problem. Denn sollte sich die LEAG davonmachen, stellte das die milliardenschwere SachsenLB-Pleite weit in

den Schatten. Anders als etwa in Nordrhein-Westfalen werden die Unterlagen über Vorsorgekonzepte in Sachsen jedoch nicht herausgegeben. In einer zehnmonatigen Auseinandersetzung mit dem Oberbergamt hat Pinka nun erreicht, dass wenigstens geschwärzte Akten herausgegeben worden sind. Die zeigen: Die Behörden sind weit davon entfernt, Druck auf das Unternehmen auszuüben. Offenbar sind sie nicht mal voll über die wirtschaftliche Lage der LEAG informiert. So ist unklar, ob die 1,7 Milliarden Euro in bar, die Vattenfall beim „Verkauf“ seiner Braunkohlesparte übergab, noch da sind – oder ob sie nicht schon in die Taschen der Finanzinvestoren geflossen sind, die hinter der LEAG stehen.

Schul-Krise: Es geht immer noch schlimmer

„Das ist die Folge der verfehlten Personalpolitik der vergangenen Jahre,

die auf das Konto der CDU-Kultusminister geht“, so Cornelia Falken, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Das gravierendste Personalproblem ist, dass von 323 Bewerbern mit einer grundständigen Ausbildung ein Drittel nicht im Lande gehalten werden konnte. Nur 237 Stellen konnten schließlich mit ihnen besetzt werden.“ Als Konsequenz fordert die Linksfraktion das Kultusministerium auf, die Seiteneinsteiger ein halbes Jahr vor Beginn der Unterrichtsaufnahme einzustellen und ihnen eine solide berufsbegleitende Weiterbildung zuteilwerden zu lassen, die zu einem qualifizierten Lehramtsabschluss führt. Um Bewerber mit einer grundständigen Ausbildung im Lande zu halten, müssen die Unterrichtsbedingungen und die Bezahlung verbessert werden – darauf kann sich die CDU-SPD-Koa-

lition bisher nicht einigen, obwohl die Zeit drängt. Wichtig wäre es auch, die Einstellungsverfahren nicht als reinen Verwaltungsakt zu verstehen, sondern einen partnerschaftlichen Umgang mit den Bewerberinnen und Bewerbern zu pflegen. Jede und jeder einzelne wird gebraucht!

© Anja Greiner Adam – Fotolia.com

Immer neue Hiobsbotschaften: Jetzt gelingt es der Kultusbürokratie nicht einmal mehr mit Seiteneinsteigern, alle Stellen für Lehrkräfte zu besetzen. „Ernüchtert“ präsentierte Kultusminister Christian Piwarz (CDU) die Einstellungs-Bilanz zur Schuljahresmitte. 660 Stellen waren zu besetzen an den sächsischen Grundschulen, Oberschulen, Gymnasien und Förderschulen sowie für die Berufsschulen. Mehr als 2.000 Personen bewarben sich, darunter aber nur reichlich 300 grundständig ausgebildete Lehrkräfte – von denen viele allerdings ihre Bewerbung zurückzogen. So fanden nur 622 der 660 Stellen neue Inhaber. Und nochmals werden mehr Stellen mit Seiteneinsteigern besetzt: Lag ihr Anteil im Februar 2017 noch bei 30 Prozent lag, sind es heute schon 62 Prozent.

Freibrief zum 111.000-fachen Grundrechtsbruch? Wer krank ist und nicht arbeiten kann, gilt mit einer ärztlichen AUBescheinigung als entschuldigt. Von den Symptomen erfährt nur die Krankenkasse – nicht aber der Chef. Was bei Millionen Beschäftigten normale Praxis ist, reicht bei sächsischen Studierenden immer öfter nicht mehr. Wenn sie krankheitsbedingt eine Prüfung nicht ablegen können, wird der gelbe AU-Schein an immer mehr Fakultäten nicht mehr anerkannt, hat unser Hochschulpolitiker René Jalaß aus der Studierendenvertretung erfahren. Immer mehr Prüfungsausschüsse verlangen nähere Erläuterungen – die Studentin oder der Student muss ärztlich beschreiben lassen, welche Einschränkungen ihre oder seine Leistungsfähigkeit mindern oder gemindert haben. Potentiell 111.000 Studierende könnten so gezwungen sein, ihrer Hochschule vertrauliche Gesundheitsdaten zu offenbaren. Wer sich weigert, fliegt durch! „Das mag bei einer Erkältung vielleicht harmlos erscheinen“, findet Jalaß. „Bei schlimmeren Krankheitsbildern wie Depressionen oder Burn-Out kann und darf es den Studierenden aber nicht zugemutet werden, dass Mitglieder der Prüfungsausschüsse – darunter andere Studierende und Dozenten, die eines Tages Abschlussarbeiten begutachten oder gar Doktorarbeiten begleiten könnten – davon erfahren. Auch wenn längst nicht alle Fakultäten so verfahren: Die Drohkulisse steht!“ Der Student_innenrat der TU Chemnitz fordert das Ende dieser Praxis: „Das Votum der behandelnden Mediziner_in sollte ausreichend sein“. Studierende ließen sich nicht zum Spaß krankschreiben, Prüfungen müssten schließlich später parallel zu den dann anstehenden Tests nachgeholt werden. Der „gelbe Schein“ müsse reichen, erklärt auch der Studentenrat der TU Dresden. Die Staatsregierung erhebt keine Einwände gegen diese Vorgehensweise, die – so Jalaß – mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kollidiert. Die Entscheidung, ob gesundheitliche Probleme dem Ablegen einer Prüfung im Wege standen oder stehen, könne nur ein Arzt oder eine Ärztin treffen, wobei die Schweigepflicht gelten müsse. Jalaß hat deshalb die Regierung gefragt, in welchen Fällen vertrauliche Daten offenbart wurden. „Wenn sich bestätigt, dass in großem Umfang so verfahren wird oder wenn die Staatsregierung die Antwort verweigern sollte, sehe ich mich gezwungen, eine strafrechtliche Überprüfung einzufordern.“


Februar 2018

PARLAMENTSREPORT

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Sollen die reichen Vereine doch zahlen!?

Auf den ersten Blick wirkt es gerecht, wenn millionenschwere Fußballclubs dafür zahlen, dass die steuerfinanzierte Polizei bei ihren Spielen tätig wird. Bei näherem Hinsehen aber zeigt sich, dass der Preis enorm sein könnte, wenn das Bremer Beispiel Schule machen sollte. Bisher sind die Vereine der Heim-, in Ausnahmen auch der Gastmannschaften für die Sicherheit verantwortlich. Sport- oder ordentliche Gerichte brummen ihnen Strafen auf, wenn es Fanausschreitungen gibt. In den Stadien sind vereinseigene Ordner und private Sicherheitsdienste zuständig, hilfsweise die Polizei. Die wiederum gewährleistet die Sicherheit im öffentlichen Raum. Der Bremer Gebührenbescheid betrifft nun die Zu- und Abgangswege sowie das räumliche Umfeld der Veranstaltung. Eine klare Sache? Nein, denn beispielsweise kam es bei der WM 2006 in Frankfurt a. M. zu Kneipenschlägereien zwischen englischen Hooligans und Mitgliedern des Rockermilieus. Sind das Gefährdungen, die dem Veranstalter bewusst sein konnten oder mussten, und hätten die Polizeieinsätze also gebührenpflichtig werden müssen? Die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben im öffentlichen Raum soll nach dem Bremischen Gesetz im Kontext absehbarer Risiken gebührenpflichtig sein. Soll das den Staat aus seiner Verantwortung entlassen? So könnten Vereine ihre Security auch außerhalb der Stadien einsetzen, wenn das kostengünstiger wäre. Wollen wir das? Egal in welchem Zusammenhang – es ist Sache des Staates und damit der Polizei, auf den Straßen für Sicherheit zu sorgen! Ein weiteres Problem treibt mich um. „Die Vorschrift betrifft nicht nur Fußball-Bundesligaspiele, sondern auch andere Großveranstaltungen“, so das Oberverwaltungsgericht. Die Büchse der Pandora droht sich zu öffnen.

Das Bremer Gesetz gilt für gewinnorientierte Veranstaltungen, an denen voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen – „wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird.“ Die Grenze von 5.000 Personen ist einfachgesetzlich geregelt, jedes Bundesland könnte sie nach eigenem Ermessen festlegen. So ließen sich auch bei kleineren Sport-, Konzertoder Kulturveranstaltungen, die aus inhaltlichen Gründen oder wegen der Besucherklientel problematisch sein könnten, Gebühren fordern. Denkt man

Und wie hoch sollen die Gebühren eigentlich sein? Polizeiliche Gefahrenanalysen und Einsatzpläne sind intransparent, trotz der Sicherheitsberatungen mit Vereinen, Veranstaltern, Fanprojekten (sofern vorhanden) und Sicherheitsdiensten. Im Vorfeld eines Einsatzes kann niemand sagen, wie viele Kräfte gebraucht werden. Wie sind Einsatzkosten, auch Betriebskosten für Fahrzeuge, von „eh-da-Kosten“ (Personalkosten, die ohnehin anfallen) abzugrenzen? Veranstalter hätten keine Handhabe, um gegen Gebührenbescheide vorzugehen. Und wie steht es um Schadenersatzansprüche von Veranstaltern, die trotz des Polizeieinsatzes durch Gewalttaten Schäden erleiden? Sollen sie sich an die Länder wenden, weil diese die Sicherheit nicht

Bild: Schlixn aus der deutschsprachigen Wikipedia / CC BY-SA 3.0

Die Stadt Bremen darf von der Deutschen Fußball Liga (DFL) Gebühren verlangen, wenn die Polizei bei Spielen für Sicherheit im öffentlichen Raum sorgt. Das entschied das Oberverwaltungsgericht der Hansestadt und erklärt Kostenbescheide auf der Grundlage des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes für rechtens. Was das mit Sachsen zu tun hat? Viel, denn das Urteil könnte sich weit über Bremen und weit über den Profifußball hinaus auswirken.

in diesem Geist weiter, könnten auch Veranstalter Rechnungen bekommen, die nicht kommerziell wirken und etwa zum Christopher Street Day ein Konzert durchführen. Auch ist das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit berührt. Müssen eines Tages die Anmelder von Demonstrationen Kosten befürchten, selbst wenn sie gar nicht beeinflussen können, wie sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer verhalten? „Die beste Strategie, die über die Grundsicherung hinausgehenden Kosten zu senken, ist die koordinierte Gewaltprävention vor und in den Fußballstadien. Aus gesellschaftlichen Gründen tobt sich jedoch die organisierte Gewalt immer wieder aus“, meint der Ökonom Rudolf Hickel. Richtig: Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem. Weshalb aber sollen Veranstalter dann für Schäden haften, die ihnen durch Gewalt zugefügt werden?

gewährleisten konnten, obwohl sie dafür Gebühren erhoben haben? „Sollte das Urteil Bestand haben, dürften sich Profi- und Amateurfußball weiter auseinanderentwickeln“, befürchtet auch meine Kollegin Verena Meiwald, die für die Sportpolitik der Linksfraktion und damit für den Fußball zuständig ist. „Risikorreiche Spiele könnten nur noch von zahlungskräftigen Veranstaltern durchgeführt werden. Was aber ist mit Vereinen der unteren Ligen, bei denen es ebenso zu Hochrisikospielen kommen kann, wie Lok Leipzig oder Chemie Leipzig?“ Die Absicherung von Fußballspielen wird immer aufwändiger, wie das Innenministerium auf Anfragen mitteilt. Das Bremer Urteil könnte letztlich Vereine in ihrer Existenz gefährden. Es gibt also keinen Grund für reflexhafte Freude über diese Entscheidung. Enrico Stange, MdL

12-Jahres-Plan für mehr Kita-Personal Klar, CDU und SPD haben zwischen 2015 und 2018 kleine Schritte unternommen, um mehr Personal in die sächsischen Kindertageseinrichtungen zu bringen. Allerdings steht vieles aus: die Anerkennung der pädagogischen Vor- und Nachbereitung als Arbeitszeit etwa oder die Erhöhung des Landeszuschusses auf ein ausreichendes Niveau, damit nicht die Eltern immer mehr zahlen müssen. Und bei den Betreuungsverhältnissen muss ein langfristiger Plan her, damit die frühkindliche Erziehung wirklich besser wird und alle einen Platz finden, egal wo sie wohnen. Einen solchen auf zwölf Jahre angelegten Plan hat die Linksfraktion nun vorgelegt – den Entwurf eines „Gesetzes zur schrittweisen Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen“ (Drucksache 6/10764). Der Betreuungsschlüssel in den Kinderkrippen, Kindergärten und Horten muss schrittweise und kontinuierlich verbessert werden“, fordert Marion Junge, Sprecherin der Linksfraktion für Kindertageseinrichtungen. „Erstmals mit Wirkung zum 1. September 2019 und letztmals mit Wirkung zum 1. September 2030 soll der Personalschlüssel in Krippen, Kindergärten, Horten jährlich um jeweils 0,05 vollbeschäftigte Fachkräfte verbessert werden.“ Die Folge dieser technisch anmutenden Änderung: 2022 bzw. 2023 wäre eine vollbeschäftigte Fachkraft rechnerisch in der Krippe für vier, im Kindergarten für zehn und im Hort für 17 Kinder zuständig. Heute sind es in der Krippe fünf, im Kindergarten zwölf und im Hort 22 Kinder. Auf lange Sicht allerdings reicht auch das nicht. Damit alle Kinder vergleichbare Bildungschancen haben, empfiehlt die Bertelsmann-Stiftung bundesweit einheitliche Qualitätsstandards für Kitas. Sie schlägt einen Schlüssel von 1:3 in der Krippe, von 1:7,5 im Kindergarten und von 1:13 im Hort vor. Diese Empfehlungen sind in der Fachwelt als Zielmarken anerkannt. Deshalb will der LINKE Gesetzentwurf diese Betreuungsschlüssel bis 2030 erreichen. Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Kita-Praxis und der Elternschaft unterstützen das. Die Mehrkosten muss in jedem Fall der Freistaat tragen. Die Vorlage geht jetzt ins Parlament – wir sind gespannt, welche Ausreden CDU und SPD finden werden, um Verbesserungen zu vermeiden.


PARLAMENTSREPORT

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Februar 2018

Versicherung gegen die Folgen des Klimawandels Das Thema „Insektensterben“ ist in aller Munde. Grund für die Linksfraktion, gemeinsam mit den Grünen eine Anhörung im Landtag zu beantragen. Hintergrund ist auch der Antrag der Linksfraktion „Ursachen des Insektensterbens in Sachsen untersuchen und Gegenmaßnahmen in die Wege leiten“ (Landtags-Drucksache 6/11500). Nimmt die Zahl der Insekten wirklich ab? Die Sachverständigen berichteten von einer „erdrückenden Fülle an Indizien“ und bejahen diese Frage. Nach der Anhörung ist klar: Ein breit angelegtes, mehrjährige Monitoring, auf das sich die Umwelt- und Agrarminister der Länder geeinigt haben, dürfte erst viel zu spät greifbare Ergebnisse bringen.

die Funktionsweise einzelner Glieder noch nicht kennen oder wertschätzen können. Landwirtschaft macht rund 55 Prozent der Flächennutzung in Sachsen aus und ist damit ein erheblicher Faktor für die Artenvielfalt. In den zurückliegenden Jahren hat die Vielfalt der angebauten Kulturen abgenommen, die Intensität der Landwirtschaft hat oftmals zugenommen. So helfen die geltenden Rah-

menbedingungen für die Landwirtschaft nicht, die Artenvielfalt zu mehren, sie verringern sie vielmehr. Auch der ordnungsgemäße Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft führen dazu, dass die Anzahl der Tiere, aber auch die Vielfalt an Insekten, Vögeln und anderem Getier in der offenen Landschaft seit Jahren zurückgeht. Auch das von den Landwirten viel kritisierte „Greening“, also die Prämienzahlung im Rahmen

Der Rückgang der Populationsstärken vieler Arten und das Aussterben einiger Arten ist ein schleichender Prozess, der wohl bereits in den 1950er Jahren eingesetzt hat und sich seit den 1990er Jahren verstärkt. Die Forderungen nach mehr Biodiversität sind seit 20 Jahren unverändert: Vielfalt in der Landschaft und Landschaftsnutzung bedeutet Vielfalt bei den Tierarten. Noch ist nicht aller Tage Abend. Ein Sachverständiger meinte: „Noch können wir etwas retten“.

der EU-Agrarförderung an Betriebe, die bestimmte Umweltauflagen erfüllen, ist in diesem Punkt weitgehend wirkungslos. Wir werden prüfen, wie Sachsen nun schnell die richtigen Maßnahmen in die Fläche bekommen kann, um das Insektensterben aufzuhalten. Das Problem ist, dass der gesamte Landwirtschaftsbereich bundes- und europarechtlich stark reguliert ist; Alleingänge eines Bundeslandes sind somit weder möglich noch sinnvoll. Auch sind sämtliche Maßnahmen zum Schutz der Insekten bislang freiwillig. Freilich locken Fördermittel, aber letztlich werden sinnvolle Maßnahmen noch auf zu geringer Fläche umgesetzt. Weitere Appelle werden kaum weiterhelfen. Spätestens die gemeinsame EU-Agrarpolitik nach 2020 muss die Grundanforderungen an die Betriebsführung der Landwirtschaftsbetriebe deutlich erhöhen. Öffentliches Geld darf nur noch für Leistungen gezahlt werden, die im öffentlichen Interesse stehen. Der Schutz der Artenvielfalt darf nicht in freiwillige Maßnahmen ausgelagert werden. Der Sachverständige vom Landesbauernverband drohte, dass dafür auch höhere Preise im Laden zu zahlen seien. Wir finden: Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben das Recht auf Lebensmittel, die ohne Tierquälerei und Umweltschäden hergestellt worden sind. Die Landwirte bekommen dafür genug Fördermittel von der EU. Nun müssen sie auch liefern.

Auf die Frage, wofür wir die Artenvielfalt bei den Insekten brauchen, führte Prof. Dr. Kaspar Bienefeld aus, dass die genetische Vielfalt als Versicherung gegen die Folgen des Klimawandels „absolut erforderlich“ sei. Nur durch genetische Vielfalt könne die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes langfristig gesichert werden, auch wenn wir

• Dr. Jana Pinka

Wir sind wieder online! Lange hat es gedauert, nun ist sie endlich da: Die Linksfraktion hat eine neue, aufgeräumte, interaktive Internetpräsenz. Die Übergangszeiten waren turbulent, noch stehen nicht alle Funktionen zur Verfügung – aber

der Neustart ist gelungen. Mit Blick auf’s Wesentliche gibt’s nun wieder LINKE Politik im Landtag und so manches Neue. So haben wir von „Altersarmut“ bis „Wohnen“ kurz zusammengefasst, was eine gute sächsische

Regierung tun sollte. Wer zu jedem dieser Begriffe den Kernsatz unserer Position wissen möchte, klickt einmal. Wem das nicht reicht, klickt nochmal und erfährt mehr zum Thema – in 1.000 Zeichen. Ein solches A-Z gibt

es auch zur Arbeit des Landtages im Generellen, quasi als Wörterbuch Landtagsdeutsch-Deutsch. Also, herzlich willkommen! www.linksfraktionsachsen.de

Impressum Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Telefon: 0351/493-5800 Telefax: 0351/493-5460 E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de www.linksfraktion-sachsen.de V.i.S.d.P.: Marcel Braumann Redaktion: Kevin Reißig


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