Wie unsere Fleischeslust zu Tierseuchen beiträgt rungsangebot und klimatische Bedingungen gesteuert wird. Große Mais- und Rapsschläge kombiniert mit milden Wintern sind die wirklichen Wachstumsfaktoren, der Jäger schießt dieser Entwicklung nur hinterher.
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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt März 2018
Hysterie bestimmt die Debatten der Gegenwart – warum sollte es beim Agrarbereich anders sein? Momentan sorgen Tierseuchen für Aufregung. Im Frühsommer 2017 haben wir die Vogelgrippe überstanden und wir streiten noch immer um Ursachen und Bekämpfung. Die Festlegung von Bekämpfungs- und Schutzmaßnahmen, ohne die Übertragungswege genau zu kennen, richtet häufig mehr Schaden an als man zu verhindern sucht. Tausende private Geflügelzüchter wandten sich mit Petitionen an den Landtag, um den großflächigen Vernichtungsfeldzug gegen gesunde Tierbestände und den Zwang zur tierschutzwidrigen Stallhaltung aufzubrechen. Der Druck wurde so groß, dass inzwischen auch die Staatsregierung darauf drängt, die entsprechende Verordnung des Bundes zu entschärfen. Während die neue Vogelgrippesaison bereits vor der Tür steht, rollt eine andere Seuche auf uns zu: die Schweinepest, diesmal die gefährlichere afrikanische Variante. Man könnte meinen, die Dichte von gefährlichen Tierseuchen nehme zu. Aber das ist ein Trugschluss. Wie die Vogelgrippe sind auch die klassische europäische wie die afrikanische Schweinepest seit langem in Mitteleuropa nachweisbar. Tiere erkranken, lokale Bestände können zusammenbrechen, eine Gesamtpopulation von Wildschweinen wird dadurch nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht gefährdet. Im Falle der Schweinepest besteht auch keine Gefahr für den Menschen. Dass die Jägerschaft die Schwarzwildausbreitung kaum mehr beherrscht, ist unter anderem ein Ergebnis von heutiger Agrarwirtschaft mit ihrem großflächigen Maisund Rapsanbau. Insofern ist der Ruf nach der Intensivierung der Jagd zwar verständlich und für die Seuchenprophylaxe auch nicht falsch. Aber die Bedeutung der Jagd für die Population von Wildtieren ist überschaubar, weil die Wildtierdichte stärker durch das Nah-
Nicht die Dichte von Seuchen nimmt zu und ist gefährlich, sondern die Dichte von Tieren in industriellen Anlagen in Verbindung mit der Zunahme globaler Handelsströme. Damit wächst die wirtschaftliche Bedrohung für Tierhalter, die von Tierseuchen ausgeht, weil das Risiko der Weiterverbreitung gestiegen ist. Das erklärt die Reaktionen agrarischer Lobbygruppen. Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, sind politischer Wille und zwei Einsichten nötig: Erstens die, dass wir zu viel Fleisch und tierische Produkte essen. Die zweite Einsicht besteht darin, dass wir von Europa aus nicht das Welternährungsproblem mit Exporten lösen müssen. Diese Einsichten würden weniger industrielle Tierhaltungsanlagen nach sich ziehen und weniger Energiepflanzenanbau, der Futter für diese Riesenanlagen (aber eben auch für Wildtiere) produziert. Zudem bringt der „Export“ unserer ungesunden Fleischeslust in bevölkerungsreiche Entwicklungsländer den Planeten tatsächlich an seine Ressourcengrenzen. Denn der Flächenverbrauch für Nutztiere ist hoch, hinzu kommt der großflächige Einsatz von Düngern, Pestiziden und der Wasserverbrauch. Der Ernährungsstil in den Industriestaaten produziert damit zusätzlich Hunger weltweit. Inzwischen gibt es dazu sogar Modellrechnungen: Würden knapp zwei Milliarden Menschen der Weltregionen mit überdurchschnittlichem Konsum tierischer Proteine (USA, Kanada, EU) – gemessen an Empfehlungen der Welternährungsorganisation (FAO) von 50 g Protein/täglich – ihre Aufnahme der Empfehlung nur annähern, könnten Acker- und Weideland sowie Emissionen eingespart werden und die derzeitigen Flächen könnten selbst bei gleichbleibender Produktivität deutlich mehr Menschen ernähren. Aber was so logisch klingt, ist nichts weniger als eine Revolution in der industriellen Agrarwirtschaft. Angesichts des Beharrungsvermögens wirtschaftlicher Systeme und der Abhängigkeit der Bauernschaft von Konzernstrukturen in Verarbeitung und Handel sollten aufgeklärte Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Druck erhöhen. • Kathrin Kagelmann