LINKS! Ausgabe 4/2016

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Sind wir zu „ungefährlich“?

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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt April 2016

Wer wählt, will Veränderung. Und sei es die, dass es zu einer aus eigener Sicht bedrohlichen Veränderung nicht kommt. Wer uns nicht wählt, erwartet von uns entweder falsche oder gar keine wirkliche Veränderungen, ja sieht uns nicht mal als Adresse für Protest gegen bestehende Unterdrückung. Das, was sich nach unserer Meinung insbesondere sozial- und friedenspolitisch ändern soll, stößt zwar beständig auf Zustimmung von Bevölkerungsmehrheiten, gewählt werden wir trotzdem zurzeit weniger. Nach den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, RheinlandPfalz und Baden-Württemberg war von tektonischen Verschiebungen die Rede, das würde bedeuten: Die politische Welt ist aus den Angeln gehoben. Man überlebt in der Politik nicht, weil man Recht hat oder die Leute einen nett finden. Sondern weil man gebraucht wird. Wir selbst halten unser Angebot für brauchbar, doch das Urteil fällen andere. Zurzeit wollen uns viele nicht mehr. Weil wir flüchtlingsfreundlich sind? Solche Fälle mag es geben, damit können und müssen wir leben. Womit wir nicht leben können, ist der Entzug des Vertrauens durch Menschen, die in uns keine wirkmächtigen Sachwalter*innen sozialen Ausgleichs, humaner Arbeitsbedingungen und kultureller Geborgenheit (mehr) sehen. In diesem Sinne habe ich gesagt: Die Wiedergewinnung der Arbeiterschaft ist ein wichtiges antifaschistisches Projekt! Es geht um Menschen, die zum Teil aus Enttäuschung über den „Arbeiter- und Bauernstaat“ gerade in Sachsen auf die CDU hofften. Doch es folgten Deindustrialisierung, ArbeitsplatzVerluste – und Hartz IV. PDS und WASG wurden zur gesamtdeutschen Linken, und gerade auch viele Arbeiter*innen und Arbeitslose setzten große Hoffnungen in uns. Wir müssen verstehen lernen, warum viele von ihnen nun auf andere hoffen, obwohl deren Programm zutiefst unsozial ist. Krisen sind Zeiten der Entscheidung. Weil wir nicht so weiter machen können wie bisher,

mobilisieren wir bereitwilliger Kräfte der Selbstveränderung. Wir müssen reden, vor allem mit denen, für die wir da sein wollen. Dazu gehören auch der Kreative, die Polizistin, der Büroangestellte und die Verkäuferin. Es reicht nicht die Beschwörung: Wir haben ja schon immer gefordert! Denn damit kassieren wir den Einwand: Was hat’s uns gebracht? Unser Bekenntnis ist klar: Wir sind die politische Sozialversicherung, vor allem für die Benachteiligten. Unser Standpunkt ist fest: Wo früher das Proletariat schuftete, muss sich heute das Prekariat durchs Leben schlagen, egal ob als Reinigungskraft oder befristeter Nachwuchswissenschaftler. Unser Blick auf die Welt ist offen: Sozialismus in einem Land klappt nicht, Solidarität ist international oder gar nicht. Über all dies haben wir verständlicher zu sprechen – Parteien wirken an der öffentlichen Meinungsbildung mit. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Da haben wir große Reserven. Eine Schule für alle bis mindestens Klasse 8, eine Bürger*innen-Versicherung für alle, eine solidarische Mindestrente für alle, eine sanktionsfreie Mindestsicherung für alle – das sind unsere Garanten grundsätzlicher sozialer Gleichheit in der Gesellschaft. Wir sehen dabei die Geflüchteten als Partner*innen, die uns gerade in strukturschwachen Regionen Impulse für eine bessere Zukunft für alle geben können. Zusammen mit der breiten außerparlamentarischen Bewegung der Flüchtlingshelfer*innen sollten wir aktiv auf den gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Wandel hinarbeiten, der gerade in Sachsen so notwendig ist. • Rico Gebhardt Einige Diskussionsangebote von Rico Gebhardt: „Aus der Mitte der Linken dem Rechtstrend die Stirn bieten – in Sachsen Weichen stellen, wie’s mit Deutschland weiter geht“ (Grundsatzpapier, März 2016): www. gleft.de/1el Pressemitteilung der Linksfraktion dazu: www.gleft.de/1fh „Wohin führen LINKE, die anderen und die Rechten? Jetzt in Sachsen zeigen, wie es in Deutschland humaner und fairer zugehen kann“ (Flugblatt, Kurzfassung Grundsatzpapier, März 2016): www. gleft.de/1fi „Sachsen und die Fluchtbewegung – auch DIE LINKE muss Frage beantworten können: ,Wo führt das alles hin?‘“ (Papier speziell zu Integrationsfragen, Okt. 2015): www. gleft.de/13Z


Aktuelles

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25 Jahre Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen Am 12. März fand 25 Jahre nach Gründung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen im Haus des Buches die diesjährige Mitgliederversammlung statt. Lutz Kirschner, Bereichsleiter Bundesweite Arbeit der

RLS, blickte in seinem Grußwort auf ein Vierteljahrhundert Zusammenarbeit und die Herausforderungen der Zukunft.

Die aktuelle Situation in Sachsen und die Verantwortung, welche die gesellschaftliche Linke in dieser Situation trägt, stellte Rico Gebhardt, Parteiund Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. Sachsen, in den Mittel-

punkt seiner Botschaft zum Jubiläum. Inhaltlicher Schwerpunkt der Mitgliederversammlung war

die Auswertung der vor zwei Jahren beschlossenen Veranstaltungsstrategie. Die darin genannten Ziele waren unter anderem: mit der Quantität der Veranstaltungen herunterzugehen, um eine höhere Qualität zu erreichen, zur Hälfte Frauen als Teilnehmerinnen und Referentinnen zu gewinnen, Kooperationen als Mittel zur Erreichung der gesteckten Ziele zu realisieren, jüngere und mittlere Generationen zu erreichen und dies nicht nur in Jugendbildungsveranstaltungen. Fazit: Wir sind auf einem guten Weg, aber um diese Ziele zu erreichen, braucht es verbindliche und dennoch hinreichend flexible Planungsprozesse. Turnusgemäß wurde auch ein neuer Vorstand gewählt und Peter Porsch als Vorsitzender

des Vereins bestätigt. Er sagte: „Seien wir dankbar, seien wir achtsam, feiern wir fröhlich. Nicht alle, vor allem die, die uns nicht wollten, haben damals gedacht, dass es einen 25. Jahrestag geben würde. Bleiben wir lebendig und begleiten wir sie auch die nächsten 25 Jahre kritisch-alternativ, unter neuen und wechselnden Bedingungen, auf bewährte und neue Art und Weise“. Auf neue Art und Weise wagte die RLS Sachsen in der an-

schließenden Feier zum Jubiläum mit einer multimedialen Performance einen Rückblick auf die vergangenen 25 Jahre. Den Blick in die Zukunft warfen vier Kooperationspartnerinnen aus verschiedenen Orten und Bildungszusammenhängen: e*vibes (Dresden), Alte Schule e.V. (Cunnersdorf) und die Autodidaktische Initiative (Leipzig), charmant moderiert von Susanna Karawanskij, MdB. Und last but not least: Es wurde getanzt! Stefanie Götze

20 Jahre Arbeitskreis Dresden – 25 Jahre Bibliothek Nicht nur die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum. Auch die Bibliothek besteht nun schon genau so lange. Der Arbeitskreis Dresden wurde vor 20 Jahren gegründet. Anlass genug, darauf zurückzuschauen, was wir geschafft haben und was wir erreichen wollen. Aber es ist auch Anlass, Danke zu sagen: Danke an die vielen Partner*innen, mit denen wir gemeinsam Bildungsprojekte umsetzen konnten, danke an die unzähligen Referent*innen, Moderator*innen und Mitwirkenden, danke an all unsere Gäste. Wir laden deshalb herzlich zu einem kleinen Empfang mit Vortrag am Mittwoch, dem 6. April, um 17.30 Uhr, in die WIR-AG (Martin-Luther-Stra-

ße 21, 01099 Dresden) ein. Natürlich darf an so einem Abend die politische Bildung nicht fehlen. Was liegt näher, als einen Kommunisten und wichtigen Verleger, Willi Münzenberg, ins Zentrum des Abends zu rücken? In der Literatur wird Willi Münzenberg als Roter Millionär, Künstler in Sachen Revolution, Pressezar oder Erfinder moderner Medienmodelle in höchst widersprüchlicher Weise beschrieben. Dr. Uwe Sonnenberg (Historiker am Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung, aktiv im Münzenbergforum Berlin) wird über die Bedeutung Willi Münzenbergs in der Forschung sprechen und neue Projekte des Internationalen Willi-Münzenberg-Forums vorstellen. Wilfried Trompelt

Die NATO ist Teil des Problems, nicht Teil der Lösung

Angeregt von der LAG Frieden und internationale Politik setzten André Hahn und Alexander Neu am 23. März in Freital den Startpunkt für eine Veranstaltungsreihe der Bundestagsfraktion. Sie soll der Öffentlichkeit außerhalb Berlins die Position der LINKEN zum NATO-Gipfel in Warschau nahebringen. Dies ist angesichts der Töne, die in den letzten Monaten aus dem NATO-Hauptquartier und unter anderem von der polnischen Regierung zu vernehmen waren, mehr als notwendig. Denn als Konsequenz ihrer rechtsnationalistischen Politik, die z.B. die Aufnahme von Flüchtlingen kategorisch ausschließt, betätigt sich die Regierung unseres Nachbarlandes noch übler als ihre Vorgängerin als Scharfmacher im Ukraine-Konflikt. Und bei der NATO besteht über eine solche Eskalation momentan offenbar Einvernehmen: Auf dem Gipfel steht u.a.

ein Beschluss über die weitere Erhöhung der Präsenz von NATO-Truppen in den Ländern Osteuropas zu erwarten – und ein Beschluss, der die Rückkehr zu einer Doktrin der „nuklearen Abschreckung“ besiegeln wird (wobei die Erklärung der USA, im Zweifelsfall auch einen Erstschlag führen zu wollen, weiter im Raum steht). Und auch in Richtung Süden lässt sich die NATO in der Ägäis zum Repressionsinstrument gegen Flüchtende machen. Der Journalist und Publizist Malte Daniljuk von der RosaLuxemburg-Stiftung gab einen Überblick über die Entwicklung der Zielstellungen der Militärallianz. Er legte dar, wie die NATO mit den strategischen Konzepten von 1999 und 2010 die Aufgabenstellung „Verteidigung“ zunehmend über Bord warf und sich beginnend mit der Kriegsführung gegen Jugoslawien 1999 mehr und mehr auf die sogenannte „Krisenbe-

wältigung“ orientierte – außerhalb ihres Bündnisgebiets. Die Rüstungsausgaben der Staaten in der Allianz betrügen heute mehr als 1,1 Billionen (1.100 Milliarden!) Dollar pro Jahr. Damit bindet die NATO mehr Rüstungsausgaben als alle anderen Länder zusammen. Die beiden MdBs diskutierten dann, moderiert von Ina Leonhardt, über Möglichkeiten, der aggressiven Politik des Bündnisses entgegenzutreten. André Hahn verwies mit Blick auf seine Erfahrungen in Tschechien auf die Schwierigkeiten der Linken überall in Europa, der Logik der militärischen Abschreckung eine friedliche Vision entgegenzusetzen. In seiner Tätigkeit als Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss stelle er fest, dass die rechtliche Grundlage, auf der die NATO-Partner USA und Großbritannien in der Bundesrepublik operierten, zwar das NATO-Statut und ein Zusatz-

abkommen dazu sei. Es sei aber aus den Befragungen immer noch nicht klar, ob es nicht noch geheime Abkommen zwischen den Staaten gebe. Die würden eventuell z. B. heute noch das Postgeheimnis in der Bundesrepublik für die Dienste der USA und Großbritanniens außer Kraft setzen. So würden das Führen des völkerrechtswidrigen Drohnenkriegs vom Territorium der Bundesrepublik aus und die schrankenlose Ausspähung der Bevölkerung straflos bleiben. Neu berichtete, als kritisch eingestellter Parlamentarier werde man in der Parlamentarischen Versammlung der NATO bestenfalls ignoriert. Die gefährliche Osterweiterungspolitik, die auf die Aufnahme von Georgien und sogar von Usbekistan ziele, werde blind vorangetrieben. Beide MdB bekannten, keine Formel für den Anstoß zu haben, den die Friedenspoli-

tik brauche. Jedoch, so fasste Neu zusammen, sei mit der NATO ein Anlauf für eine stabile und friedliche Sicherheitsordnung nicht zu machen: „Die Nato ist Teil dieses Problems, und nicht die Lösung“. Die Voraussetzung für einen friedenspolitischen Aufbruch sei eine weiterhin aktive Friedensbewegung und eine LINKE, die die Konzepte weiter entwickelt. Neu verwies auf Vorschläge zur Reform der OSZE. Sowohl in Bezug auf die Ablehnung von Auslandseinsätzen als auch in der Skepsis gegenüber der NATO sah er ermutigende Ansätze in der Meinung der Bevölkerung. Apropos aktive Friedensbewegung: Partei und Bundestagsfraktion planen eine Teilnahme an den Anti-Gipfel-Protesten am 8. und 9. Juli in Warschau. Er wird sich einreihen in ein Wochenende des Protests polnischer NGOs gegen die Politik der neuen Regierung. Thomas Kachel


Die dritte Seite

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Hier spricht die Belegschaft Amazon versucht, ein absolut positives Bild von sich zu vermitteln. Eine immer wiederkehrende Maßnahme ist das sogenannte „All-Hands“. Das ist eine verpflichtende Veranstaltung für alle Mitarbeiter in einem Amazon-Versandhandelszentrum. All-Hands-Treffen finden zwei- bis viermal pro Jahr statt, je nach Bedarf der Geschäftsleitung. Das letzte All-Hands gab es am 2. März 2016 für die Spätschicht und am 3. März 2016 für die Frühschicht. Das Datum war nicht zufällig gewählt, sondern eine Reaktion auf die letzte Betriebsversammlung, bei der auch der Gewerkschaftssekretär Thomas Schneider gesprochen hatte. In seiner Rede hatte er Kritik am Unternehmen geäußert. Da er als zweiter Redner nach der Geschäftsleitung aufgetreten war, hatte letztere keine Möglichkeit mehr, die Kritik zu kontern. Daher wurde kurzerhand das All-Hands einberufen, um das Bild einer heilen Amazon-Welt zu vermitteln. Gleich zu Beginn der Veranstaltung wurde eine VideoBotschaft vom Amazon-Europamanagement gezeigt. In diesem Beitrag wurde von europaweiten Rekorden und Wachstum des Unternehmens gesprochen. Anschließend stellte die Geschäftsleitung eine Grafik vor, die Lohnmodelle angeblich vergleichbarer Branchen zeigten. Darunter befanden sich die Durchschnittsjahresgehälter von Tischlern

Die Überschrift hat nichts mit Katzen zu tun und auch nichts mit einem vor allem bei Kindern beliebten Kartenspiel. Es ist der Titel einer Geschichte, die ich fast schon vergessen hatte. Früher musste ich sie meiner kleinen Schwester oft vor dem Schlafengehen vorlesen: Ein geiziger Müller verweigert einer alten Frau, die um ein Stück Brot bittet, die milde Gabe. Die alte Frau trifft im Wald einen Müllerburschen, der eine Anstellung sucht. Sie schickt ihn in die Mühle, nicht ohne den Burschen vor dem Geiz und der Hartherzigkeit der Müllersfamilie zu warnen. Auf dem Weg dorthin soll der junge Mann ei-

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Propaganda II

und Optikern. Nur wenig später stellte man dann Umsatz und Gewinn von Amazon weltweit vor. Demzufolge lag der Umsatz bei 107 Milliarden USDollar und der Reingewinn bei über 450 Millionen US-Dollar. Auch war sich die Geschäftsleitung nicht zu schade, das Gesamtjahresgehalt der eigenen Mitarbeiter zu beschönigen. Dabei rechnet sie mehrere, vom Lohn unabhängige Leistungen mit ein, zum Beispiel auch den kostenlosen Kaffee, den man aus den Automaten in der Kantine beziehen kann. Auch die Aktienzuteilung fließt ein. Ein Amazon-Mitarbeiter erhält im Jahr eine Aktienzuteilung, die er sich zwei Jahre später auszahlen lassen kann. Die

Krux an der Sache: Je höher die Aktie bei der Zuteilung liegt, desto kleiner sind die zugeteilten Anteile. Fällt der Kurs, bleibt von den auszahlbaren Anteilen nur ein kleiner Bruchteil übrig. Das hatte in den letzten Jahren den merkwürdigen Effekt, dass der Aktienwert an den Börsen kräftig gestiegen war, die Mitarbeiter aber immer weniger ausgezahlt bekamen. Leider sieht sich die Geschäftsleitung außerstande, eine feststehende Bonuszahlung zu leisten, mit der die Mitarbeiter rechnen können. Aktien, die die Angestellten bekommen, sind die des amerikanischen Mutterkonzerns und nicht die von Amazon Europa. Von den zugeteilten Ak-

tien wird dabei die Hälfte des Wertes versteuert. So bleibt beispielsweise von vier zugeteilten Aktien, nach Abzug der Steuer, nur der Gegenwert von zwei Aktien übrig, die man verkaufen und sich so den Wert auszahlen lassen kann. Ein weiterer Punkt im AllHands bezog sich auf die Amazon Connections Fragen unter anderem zur Arbeitszufriedenheit. Das sind Fragen, die jeder Mitarbeiter beim Einschalten seines Computers oder Handscanners vorgelegt bekommt. Die Befragung ist nicht anonym, so dass Amazon jederzeit davon Kenntnis hat, wie der einzelne Mitarbeiter antwortet. Die Beantwortung der Fragen erfolgt dabei per Mul-

tiple-Choice. Dabei gibt es einen Punkt, der es erlaubt, nicht auf die Frage zu antworten. Mehr als ein Drittel aller Mitarbeiter nutzt diese Antwortmöglichkeit regelmäßig. Mitarbeiter, die allerdings auf die Fragen antworten, können unter Umständen zu einem Telefonat mit Amazon-Connection gerufen werden, bei dem sie weitere Fragen beantworten müssen. Als die Geschäftsleitung eine grobe Übersicht über die Auswertung der Daten gab, verstrickte sie sich in eklatante Widersprüche. Zum einen wurde behauptet, dass die meisten Mitarbeiter die Fragen positiv bzw. äußerst positiv beantworten würden. Dass ein großer Teil der Angestellten die Fragen gar nicht beantwortet, wurde an dieser Stelle noch nicht erwähnt. Dies geschah erst später, als man dazu überging, über die Zukunft des Standortes Leipzig zu sprechen. Bei diesem Punkt wurde unter anderem gesagt, dass man die Stimmung im Lager verbessern müsse, weil man bei den Amazon-Connections-Fragen europaweit am schlechtesten abschneide. Veranstaltungen wie diese zeigen, wie Amazon versucht, sich eine eigene Realität zu erschaffen, um dieses Bild in den Köpfen der Mitarbeiter zu platzieren. Dabei werden Fakten ignoriert oder so verdreht, bis sie in das Selbstbild des Unternehmens passen. Christian Rother • @CrissyLibertas • on.fb.me/1PQfCl7

nen schwarzen Stein, den er in einem Bach finden wird, einstecken und nachts in der Küche in den Ofen legen. Von der Müllerin wird der potentielle Geselle zunächst abgewiesen. Der Junge lässt sich aber nicht einschüchtern, setzt sich dreist mit an den Tisch, nimmt sich, was man ihm eigentlich verweigert, und legt sich schließlich satt und müde auf die Ofenbank, um zu schlafen. Müller und Müllerin werden seiner nicht Herr. Mitten in der Nacht steht der Bursche auf, legt den schwarzen Stein in den Ofen, wie ihn die alte Frau geheißen. Morgens bläst die Müllerin das Feuer im Ofen an und – sagt plötzlich immer wieder mi-mimau-mau. Den Müller ereilt das gleiche Schicksal, ebenso die Tochter. Schließlich spricht das ganze herbeigeeilte Dorf nur mehr mit mi-mi-mau-mau, nachdem die Menschen ins Feuer geblasen hatten. Der schließlich vom Schlaf erwachte Müllerbursche erlöst die Verzauberten erst, als sie alle versprechen, in Zukunft ihren Geiz aufzugeben und Menschen, die um Hilfe bit-

ten, diese auch zu gewähren. Der Bursche aber erhält die ersehnte Arbeit in der Mühle. Alle sind glücklich und zufrieden. Wir Kinder lachten vor allem über das Mi-mi-mau-mau! Ich konnte es meiner kleinen Schwester nicht oft genug wiederholen. Heute gefällt mir anderes und kommt mir bei der Geschichte auch anderes in den

zusagen einen Sozialstaat. Der Zauberstein enthüllte jedoch, dass Müllersleute und Dorfbewohner in ihrem Geiz dem nichts außer ein sinnloses Mimi-mau-mau entgegensetzten. Nun stelle doch heute jemand mal Hartz IV als ungerecht in Frage. Es prangere jemand die wachsende Schere zwischen Reich und Arm an. Verlange doch wer Steuergerechtigkeit, verlange wer Vermögenssteuer, ordentliche Erbschaftssteuer. Zeige wer mit dem Finger auf das Elend in der Welt und fordere Solidarität der reichen Länder mit den Millionen Flüchtlingen in der Welt. Weise jemand auf die allgemeine Demontage des Sozialstaates hin. Die Antworten derer, die helfen könnten, die die Verhältnisse ändern könnten, klingen dann aber wie mi-mi-mau-mau. Das ist schon lange die weitschweifige, aber nichtssagende Sprache der Talk-Runden. Das ist die Sprache der verantwortlichen Politikerinnen und Politkern, der Wirtschaftsweisen, der Wirtschaftsgrößen. Synonyme für

mi-mi-mau-mau sind heute „Sachzwänge“, „Zeiten knapper Kassen“, „Ausgewogenheit“, „Sozialneid“, „Standort“, „muss sich rechnen“, „Leitkultur“, „Wirtschaftsflüchtling“ und so weiter und so fort. Und je größer das Versagen, desto häufiger und lauter hört man dieses Mi-mi-mau-mau. Am Abend und in der Nacht nach den Landtagswahlen vom 13. März diesen Jahres wurden wir mit mi-mimau-mau überschüttet. Plötzlich wussten alle, man muss sich mit Rassismus bis weit in die Mitte der Gesellschaft, mit rechtem Gedankengut, autoritären Politikvorstellungen, mit zu geringer Bildung vieler Menschen, aber auch mit ihren Sorgen und Nöten auseinandersetzen. Es klang dennoch alles immer noch wie mi-mi-mau-mau – und bald danach erst recht. Niemand war davon frei. Der Müllerbursche erzwang soziales Verhalten in der Gesellschaft und befreite sie so vom Mi-mi-mau-mau. Tun wir doch endlich desgleichen! Machen wir Schluss mit dem Zauber!

Mi-mi-maumau

Sinn als nur die Freude über den bestraften Geiz; die natürlich auch. Der Müllerbursche hatte doch ganz frech die Eigentumsfrage gestellt. Was ihm wegen fehlenden Mitleids – man kann auch sagen, wegen fehlender Solidarität – verweigert wurde, nahm er sich einfach. Er zeigte Witz und Stärke, wo ihm Kälte statt Mitmenschlichkeit begegnete. Recht gut und schon sehr schön. Die Sache geht aber weiter. Der junge Müllergeselle klagte beim ganzen Dorf soziales Verhalten ein. Er fordert so-


Hintergrund

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Kalifat und Kampf um die Vormacht am Golf Zu den Maximen des „unkonventionellen Gesprächskreises Jour fixe“ gehört, sich historischer Hintergründe für Probleme des politischen Weltgeschehens zu versichern. Jour fixe-Mitbegründer Manfred Neuhaus erinnerte beim MärzForum daran, dass diese publikumswirksame Praxis vor Jahresfrist mit Dr. habil. Gerhard Hoffmanns Vortrag „Orient und Okzident – Dimensionen eines weltgeschichtlichen Diskurses“ eröffnet wurde. 63 Interessierte, so viele wie noch nie, suchten jetzt Auskünfte über eine ähnlich komplizierte Materie von dem ausgewiesenen Mediävisten und Arabisten zu erfahren, der lange Jahre in Leipzig, aber auch in Berlin, Freiburg i. Br., Gießen und Kiel arabisch-islamische Geschichte gelehrt hatte. Gerhard Hoffmann brillierte erneut in freier Rede mit souveränem Expertenwissen, diesmal zum Thema „Das Kalifat und die Auseinandersetzungen um die Vormacht am Golf“. Seine An-

stöße für die nachfolgende Diskussion seien hier resümiert: Um religiöse Symbolik bemüht, verkündete die extre-

1971 im Irak geborene Ibrahim Awad mit dem Titel „Abu Bakr al-Baghdadi“ ausgerufen. Prominente muslimische Reli-

ten die Proklamation und den „Islamischen Staat“ als Gefahr für den Islam und die Muslime. Das Kalifat, „Nachfolge“ oder

dieser geostrategisch wie weltwirtschaftlich wichtigen Region nicht außer Kraft setzen. So war nach dem Ersten Weltkrieg

Brennende Ölfelder bei Kuwait-Stadt nach der Operation „Desert Storm“ 1991.

mistisch-terroristische Miliz „Islamischer Staat“ im Juni 2014 die Gründung eines Kalifats. Zum Kalifen wurde der

gions- und Rechtsgelehrte von Ägypten über Saudi-Arabien bis nach Indonesien lehnten dies scharf ab und bezeichne-

„Stellvertretung“ Mohammeds, bestand von den ersten Kalifen nach dem Jahr 632 bis hin zur Abschaffung der Institution durch die Große Türkische Nationalversammlung im Jahr 1924. In dieser Entwicklung, die zeitweise die gleichzeitige Existenz mehrerer rivalisierender KalifenDynastien brachte, wurde seit dem 11./12. Jahrhundert die Rolle von Kalifen in den islamischen Regionen mehr und mehr auf religiöse Legitimation reduziert und die reale politisch-staatliche Gewalt von militärischen Machthabern, regionalen Gouverneuren oder Sultanen ausgeübt. Aus unterschiedlichen Auffassungen zur Qualifikation eines Kalifen erwuchsen grundlegende Differenzen zwischen der sunnitischen Mehrheit und der schiitischen Minderheit der Muslime. Deren stärkste Gruppe, die Zwölfer-Schiiten oder Imamiten sahen allein Nachkommen des vierten Kalifen, Ali – Cousin und Schwiegersohn Mohammeds –, zur Leitung der muslimischen Gemeinschaft berechtigt. Der bei ihnen seit dem 9. Jahrhundert als verborgen geltende letzte Imam soll bei seinem Erscheinen die Welt von allen Übeln erlösen. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts ist die ZwölferSchia Staatsreligion in Iran. In den seit dem 19. Jahrhundert zunehmenden Auseinandersetzungen um die Kontrolle der Golf-Region gewannen mit der Etablierung des saudiarabischen Königreiches im Jahr 1932 die religiösen Differenzen zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran zwar an propagandistischem und politischem Gewicht, konnten aber andere grundlegende Ziele in

Großbritannien bestrebt, den Seeweg nach Indien über den Irak und durch Verträge mit den arabischen Anrainern des Golfes zu sichern. Erdölfunde und -ausbeutung seit den 1920er Jahren durch britische Gesellschaften im Irak, seit 1944 in Saudi-Arabien unter der Führung von US-Konzernen erhöhten weiter den politischen und wirtschaftlichen Stellenwert der Golfregion. Derzeit wird aus dieser Region etwa ein Drittel der weltweiten Tagesproduktion an Erdöl verschifft. Die Sicherung der Transportwege im Golf – wie auch derjenigen im Roten Meer – ist strategisch bedeutsam, was US-Militärstützpunkte in der Region demonstrieren. So haben die Beziehungen der Golfanrainer-Staaten zu Großmächten und untereinander erhebliches Gewicht. Dabei erwiesen und erweisen sich die ambivalenten Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Iran letztlich stärker machtpolitisch als religiös motiviert. Sie durchliefen nach der iranischen Revolution von 1979 während der drei Golfkriege zwischen 1980 und 2003 feindliche wie kooperative Phasen. Zurzeit ist das Verhältnis zwischen beiden Staaten durch das Eingreifen SaudiArabiens im Jemen-Konflikt wieder auf einem Tiefpunkt angelangt. Die Diskussion berührte aktuelle Fragen der Situation im Nahen Osten und ihrer historischen Hintergründe: Bürgerkrieg in Syrien, „Islamischer Staat“, „neoosmanische“ Außenpolitik der Türkei, Konflikt im Jemen, Probleme verschiedener Erdöl- und Erdgasstrategien und ihre globalen Auswirkungen. Wulf Skaun


Geschichte

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Quo vadis, Ukraine?

Wenn ich an dieser Stelle erneut aktuelle Eindrücke zur Situation in der Ukraine äußere, dann deshalb, weil das Thema in den Medien gegenwärtig nicht nur einseitig, sondern vor dem Hintergrund der Flüchtlingsproblematik auch unterrepräsentiert reflektiert wird. Meine letzte (Dienst-)Reise führte mich Anfang Februar in das Land, also kurz vor der aktuellen Regierungskrise, die inzwischen auch in den hiesigen Medien eine gewisse Resonanz gefunden hat. Diese Krise deutete sich schon weit früher an: Der aus Litauen importierte Wirtschaftsminister war bereits zurückgetreten, ebenfalls der stellvertretende Generalstaatsanwalt, der massive Behinderungen seiner Ermittlungsarbeit in Richtung Korruption beklagte. Obwohl ich als nur mäßiger Kenner der ukrainischen Verhältnisse den Zerfall der derzeitigen Regierungskoalition über kurz oder lang prognostiziert hatte, erstaunte mich doch u.a. der Inhalt des Auftritts von Saakaschwili, der ja als neoliberaler Hardliner und „Radikalreformer“ gilt (gegen den ehemaligen Präsidenten ermittelt sein Herkunftsland allerdings auch wegen Korruption). Obwohl also „Bruder im Geiste“ gerade mit dem (Noch-)Regierungschef Jazenjuk, ließ er an dessen Regierung kein gutes Haar: Die Mitglieder der Administration haben sich in exorbitanter Weise bereichert, während sich die Lebensbedingungen des Volkes in ebenso dramatischem Maße verschlechtert haben. Dies ist vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Fundamentaldaten (u. a. extrem hohe Inflation

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– 2014: 12,1 %, 2015: 49 %; Rückgang des Bruttoinlandsprodukts 2014 um 6,8 %, 2015 um ca. 11,5 % laut Ost-West-Contact 12/2015; Rückgang des durch-

fers aus Westeuropa geleistet wurden – auch der aktuelle Finanzbedarf von ca. 30 Milliarden € von westlichen Ländern gedeckt werden soll – und ob-

Inzwischen trifft man in Gesprächen mit Einheimischen durchaus aber auch auf Meinungen, wonach es unter Janukowitsch (dem gestürzten vormaligen Präsidenten) allen besser ging und insgesamt im Lande vieles vergleichsweise gut lief. Ein elementares Problem, das

schnittlichen Haushaltseinkommens in den letzten drei Jahren von knapp 400 auf jetzt ca. 180 €) auch komplett nachvollziehbar, aber aus dem Munde eines Michail Saakaschwili doch eine sehr bemerkenswerte Feststellung. Insgesamt lässt sich eine gravierende Ernüchterung im Meinungsbild der Bevölkerung erkennen. Und das, obwohl die internationalen Gläubiger mit der Ukraine wesentlich behutsamer umgehen als beispielsweise mit Griechenland, obwohl bereits gewaltige Finanztrans-

wohl das Assoziierungsabkommen mit der EU bereits in Kraft getreten ist. Der einzige definitive Konsens unter den relevanten politischen Akteuren ist jener zu einer unversöhnlichen, militant-aggressiven Feindschaft gegenüber Russland und gegen alles, was mit der staatssozialistischen Vergangenheit zu tun hat. Dies wird auch – bisher durchaus erfolgreich – als Ventil für jeglichen Unmut in der Bevölkerung und als Begründung für buchstäblich alle Missstände in der Ukraine instrumentalisiert.

eine gedeihliche Entwicklung in der Ukraine seit vielen Jahren behindert, ist die Korruption. Diese zu bekämpfen war erklärtes Ziel nahezu aller bisherigen Administrationen, erst recht auch der aktuellen. Allerdings war bisher noch keiner der Oligarchen, die maßgeblich durch Korruption geworden sind, gleichzeitig direkt auch Präsident – wie heute Petro Poroschenko. Gleichwohl ist dieses Phänomen in allen möglichen Lebensbereichen bis hinunter zur familiären, persönlichen Sphäre tief verwurzelt. Die Grenzen zwi-

schen Unrecht und dem Gefühl, jemandem, der „aus dem Budget bezahlt wird“ (jemandem im Staatsdienst, dem es in aller Regel noch schlechter geht als einem selbst), gefällig sein zu sollen, sind fließend. Mir hat z.B. ein Gesprächspartner erzählt, dass er, wenn er mit seiner Frau zum Gynäkologen geht, von dem er weiß, dass der umgerechnet etwa 300 € im Monat verdient, diesem natürlich ein „Trinkgeld“ von 100 € übergibt („…der ist ja immerhin Facharzt, hat ja schon eine ordentliche Qualifikation, und man will ja, dass er eine ordentliche Arbeit leistet“). Wenn man dann in den Metrostationen allerorten Werbeplakate sieht, die Deutschlehrgänge für Ärzte anbieten, ist man schon geneigt, dies zu glauben. Dem aufmerksamen Besucher der Ukraine fallen zudem die dramatischen Kontraste im äußeren Erscheinungsbild zwischen luxuriösen Einkaufszentren, Flughafengebäuden, neuen Wohnanlagen für Reiche und Gebäuden der staatlichen Verwaltung einerseits sowie verfallenden Industriebrachen und vermüllten, unordentlichen Wohngebieten mit gewaltigem Sanierungsbedarf andererseits auf. Man muss noch nicht einmal die politisch-militärischen Probleme mit der Ostukraine (offizielle Terminologie: „Zone der antiterroristischen Operation“) in Betracht ziehen, um zum Ergebnis zu kommen, dass sich in der Ukraine eine explosive Mixtur aus wirtschaftlichem Niedergang, politischer Instabilität, Oligarchenherrschaft, Korruption, überzogenem Nationalismus, Russophobie, Politikmüdigkeit und Orientierungslosigkeit eines großen Teils der Bevölkerung entwickelt hat, die nichts Gutes verheißen kann. Dr. Reinhold Gläß

Fritz Heckert, eine Chemnitzer Persönlichkeit Chemnitz, Mühlenstraße 9, Dachgeschoss: Fritz Heckert wurde am 28. März 1884 geboren. Seine Entwicklung vom Chemnitzer Arbeiterjungen zu einer führenden Persönlichkeit der Gewerkschaftsbewegung endete vor 80 Jahren am 7. März mit seiner Zuversicht: „Ihr werdet‘s weiterführen“. Fritz Heckert begann nach dem Besuch der Volksschule eine Lehre als Maurer bei Meister Viertel in der Lutherstraße. In dieser Zeit lernte er bereits Rosa Luxemburg kennen. Später sammelte er als Mitglied der SPD und gewerkschaftlich organisierter Maurer auf zahllosen Baustellen in Mitteleuropa vielfältige Erfahrungen im Kampf um menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Die Beschäftigung mit Werken von Marx und Engels und als Schüler von Hermann Duncker ließen ihn früh in Gegenpositio-

nen zum Reformismus geraten, dessen Vertreter damals die deutschen Gewerkschaften beherrschten. „Chemnitz war eine Hochburg des Revisionismus“, so Heckert, und „alles stand unter dem Einfluß Bernsteinscher Ideen. Wer gegen diese Einstellung der lokalen Führer auftrat, wurde als Stänkerer und Anarchist verschrien“. In der Folge wurde Fritz Heckert ein streitbarer Gefährte von Karl Liebknecht und Leo Jogiches. Er arbeitete mit Ernst Thälmann sowie Wilhelm Pieck in der Führung des „Spartakus“ und der KPD. Er kämpfte mit heißem Herzen um die Einheit der Arbeiterklasse und aller Werktätigen, und er wurde im Zuge der Ereignisse im Jahre 1923 für ein Dreivierteljahr Wirtschaftsminister in der sächsischen Landesregierung. Im Oktober schlug die Reichswehr zu. Reichspräsident Ebert

und Reichskanzler Stresemann: „Sachsen ist exekutiert“. 1924 folgten ein Hochverratsprozess und Haft in Moabit. Hier schrieb er u.a. „Die deutschen Gewerkschaften und der Kampf um die Einheit“. Fritz Heckert referierte 1926 auf dem Kongress der Werktätigen in Berlin zu Fragen der „Rationalisierung und Kriegsgefahr“. 1932 führte er gemeinsam mit Ernst Thälmann sowie Wilhelm Pieck ein fünf-

stündiges Gespräch mit sozialdemokratischen Arbeitern über die Einheitsfront. Dazu schrieb das Reichsinnenministerium im Lagebericht: „Im ganzen Reiche gehen die praktischen Einheitsfrontaktionen weiter. SPDBetriebsräte gehen mit roten Kollegen zusammen. Reichsbannermitglieder erscheinen als Delegierte ihrer Kameraden in kommunistischen Versammlungen“. Zur Wahl des Reichspräsidenten im Jahre 1932 warnten Kommunisten: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler. Wer Hitler wählt, wählt den Krieg“, und die Kommunisten waren bereit, für einen sozialdemokratischen Kandidaten die Kandidatur Ernst Thälmanns zurückzuziehen. Die Sozialdemokratie aber entschied sich für Hindenburg – „um Hitler zu verhindern“. Hindenburg siegte; und was dann kam, wissen wir.

In der Zeit des antifaschistischen Kampfes wurde Fritz Heckert nach Moskau delegiert. Hier arbeitete er in politischen Gremien und war Mitglied des ZK und des Politbüros der KPD. Trotz seines schlechten Gesundheitszustandes bewältigte er ein umfangreiches Pensum. Am 9. April 1936 ruhte 16:30 Uhr auf dem Roten Platz der Verkehr – die Urne von Fritz Heckert wurde an der Kremlmauer beigesetzt. Nach 1945 trug die Hochschule des FDGB in Bernau seinen Namen, genauso sind in Chemnitz ein zentraler Platz sowie ein bedeutender Maschinenbaubetrieb und ein großes Neubaugebiet nach ihm benannt wurden. Die Gedenkstätte in seinem Geburtshaus wurde nach 1990 aufgelöst und zerstob in alle Winde. Raimon Brete, ehemals Lehrling/Maschinenbauer im FritzHeckert-Werk Karl-Marx-Stadt


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Rosa-Luxemburg-Stiftung

Termine Dresden, 6. April, Mittwoch, 17.30 Uhr Empfang mit anschließendem Vortrag: 25 Jahre RLS Sachsen, 25 Jahre Bibliothek in Dresden und 20 Jahre AK Dresden. Vortrag: Willi Münzenberg (18891940) – Seine Bedeutung und Aktualität***. Mit Dr. Uwe Sonnenberg, (Historiker am Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung, aktiv im Münzenbergforum Berlin). wir-ag, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Dresden, 13. April, Mittwoch, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Digitale Revolution und gesellschaftliche Verhältnisse in Gegenwart und Zukunft. REIHE: Zukunft denken. Linke Perspektiven***. Mit Horst Kahrs (RLS). WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Leipzig, 14. April, Donnerstag, 18.00 Uhr Jour Fixe - Ein ungewöhnlicher Gesprächskreis. Ossorgin und Sawinkow***. Mit Willi Beitz (Literaturwissenschaftler). Moderation: Klaus Kinner und Manfred Neuhaus. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig „Das fahle Pferd“ (1908) von Boris Sawinkow und „Eine Straße in Moskau“ (1928) von Michail Ossorgin: Der Leipziger Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Willi Beitz stellt zwei wiederentdeckte russische Romane vor. Leipzig, 16. April, Sonnabend, 12.00 Uhr Matinee mit Buchvorstellung und Gespräch: „Entweder wir sind einig – oder wir sind nichts! Else und Alfred Nothnagel – Leipziger Jugendliche in antifaschistischen und sozialistischen Kämpfen”. Mit dem Autor Horst Gobrecht. In Kooperation mit dem BdA Leipzig. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Das Buch liefert einen neuen Baustein für die Regionalgeschichte Leipzigs, zeichnet den Weg Jugendlicher in antifaschistischen und sozialistischen Kämpfen der ersten Hälfte des

Impressum Links! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Herausgeber: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Achim Grunke Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e. V.,

vergangenen Jahrhunderts nach. Weit über die Regionalgeschichte hinaus haben diese Auseinandersetzungen existenziell über das Schicksal der beteiligten Jugendlichen entschieden. Es handelt sich um eine faszinierende Geschichte widerständiger Jugendlicher in Leipzig, die phantasiereich alle Möglichkeiten nutzen, um den Kampf gegen Hitler zu führen. Dresden, 20. April, Mittwoch, 19.00 Uhr Lesung und Gespräch: „Fremd“ – Flüchtlinge, Asylsuchende, Zuwanderer in Deutschland***. Mit Dr. Tatjana Ansbach (Autorin und Anwältin). Eine gemeinsame Veranstaltung von CourageWerkstatt für demokratische Bildungsarbeit Netzwerk für Demokratie und Courage Landeskoordination von Schule ohne Rassismus-Schule mit Courage und der RLS Sachsen. WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Dr. Tatjana Ansbach, langjährige Rechtsanwältin mit dem Spezialgebiet Ausländer- und Asylrecht, veröffentlichte in dem Buch „Fremd“ 15 Erzählungen, in denen sie verschiedene Schicksale von Asylbewerber*innen und anderen Ausländer*innen in Deutschland beschreibt. Alle Fälle sind authentisch, jedoch literarisch bearbeitet. Leipzig, 21. April, Donnerstag, 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Deutsche und Russen, Russen und Deutsche. August von Haxthausen: Ein westfälisch Baron entdeckt Russland***. Mit Prof. Dr. Wolfgang Geier (Historiker). RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Als Kenner des Agrarwesens wurde Haxthausen vom russischen Zaren Nikolaus I. 1843/44 eingeladen, Russland zu bereisen, um die ländlichen Verhältnisse zu untersuchen. Zur Finanzierung dieser Reise zahlte ihm der Staat sein Gehalt für ein Jahr im Voraus aus; den Rest musste er privat aufbringen. Dadurch entstanden zwei Reisewerke, „Studien über Russland“ und „Transkaukasia“. Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus gedruckt.

Dresden, 22.-23. April, Freitag ab 18.00 Uhr bis Samstag 18.00 Uhr Workshop: Organizing. Organisieren, um die Welt zu verändern: Handwerkszeug für die politische Arbeit***. Mit Rico Rokitte (Organizer und Wissenschaftler). Anmeldung unter: matting@rosalux.de (Eine Übernachtung kann kostenfrei bereitgestellt werden, bitte bei der Anmeldung angeben). WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Dresden, 26. April, Dienstag, 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Der Völkermord an den Armeniern***. JUNGE ROSA richtet sich speziell an Jugendliche und junge Erwachsene. Mit Prof. Dr. Wolfgang Geier (Historiker). WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Leipzig, 26. April, Dienstag, 18.00 Uhr Philosophische Dienstagsgesellschaft: Die Funktion der Strafe. Reflexionen über Straftheorien***. Mit Dr. Peter Heuer (Philosoph). Moderation: PD Dr. Peter Fischer. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Bereits Platon denkt darüber nach, ob Strafe ein Übel sei. Zugleich überlegt er, dass Unrecht tun schlimmer als Unrecht leiden sei, und zwar für die Täter*innen selbst. Unrecht tun zerstöre die Persönlichkeit. Strafe helfe, Gerechtigkeit wiederherzustellen und Integrität zurückzugewinnen. So gesehen gäbe es eigentlich nichts Schlimmeres für Täter*innen, als nicht ertappt und bestraft zu werden. Leipzig, 27. April, Mittwoch, 18.00 Uhr MittwochsATTACke: Vom Kapitalismus ohne Wachstum zur Marktwirtschaft ohne Kapitalismus***. Mit Karl Georg Zinn (Wirtschaftswissenschaftler). Eine Veranstaltung von attac in Kooperation mit der RLS Sachsen. Lindenfels, Karl-Heine-Straße 50., 04229 Leipzig Redaktion: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Ute Gelfert, Ralf Richter. Kontakt: redaktion@linke-bildung-kultur.de Tel. 0351-84389773 Redaktionschluss: 29.03.2016 Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 04.05.2016.

Die verschiedenen Krisenprozesse der Gegenwart verweisen auf die Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise. Es ist höchste Zeit, über diese hinauszudenken. Die kapitalistische Produktionsweise setzte die seit Beginn der Zivilisationsgeschichte institutionalisierten Ausbeutungs- und Spaltungsverhältnisse fort, wenn auch in einer durch die Industrie veränderten Form der „Bewegungsgesetze des Kapitals“. Die industriekapitalistische Wachstumsdynamik wird inzwischen ausgebremst. [...] Auf historisch längere Sicht wird jedoch auch ein „Reformkapitalismus“ den Menschheitsproblemen nicht gerecht werden können, sodass sich eine nachkapitalistische Gesellschaft am Horizont abzeichnet – eine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus. Frankenberg, 27. April, Mittwoch, 19.00 Uhr Buchvorstellung und Diskussion Verfolgt - Bejubelt – Vergessen***. Bruno Apitz. Eine politische Biographie. Mit Dr. Lars Förster, (Historiker) und Marlis Apitz (Witwe von Bruno Apitz). Eine Veranstaltung der RLS Sachsen in Kooperation mit der LAG Sachsenburg. Haus der Vereine, Bahnhofstraße 1, 09669 Frankenberg Zwickau, 28. April, Donnerstag, 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Sächsische Zustände. Pegida & Co.***. Im Rahmen der Tage für Demokratie und Toleranz. Mit Kerstin Köditz (MdL, Sprecherin für antifaschistische Politik). Eine gemeinsame Veranstaltung des politiKKontors – Bürgerinnenbüro von MdL Horst Wehner und der RLS Sachsen. Haus der Begegnung, Marienthaler Straße 164 B, 08060 Zwickau Leipzig, 28. April, Donnerstag, 18.30 Uhr Lesung: Das tausendjährige Reich - Lyrische Zeitbetrachtungen zwischen 1933 und 1945 mit Texten von Jura Soyfer und Horst Lommer***. Zusammengestellt und vorgetragen von Die Zeitung „Links!“ kann kostenfrei abonniert werden. Wir freuen uns jedoch über eine Spende, mit der Sie das Erscheinen unserer Zeitung unterstützen. Kostendeckend für ein Jahresabo ist eine Spende in Höhe von 12 Euro. Sollten Sie an uns spenden wollen, verwenden Sie bitte folgende Kontodaten:

Seite 6 Mike Melzer (RLS Sachsen). Klub Gshelka, An der Kotsche 51, 04207 Leipzig Zwei Zeitzeugen rufen die tragischste Zeit der deutschen Geschichte wieder in Erinnerung. Horst Lommer lebte in der Zeit der faschistischen Diktatur in Berlin, arbeitete am Staatstheater als Schauspieler und schrieb Zeitgedichte. Jura Soyfer betrachtete Nazideutschland von Österreich aus und schrieb bissig-böse Kommentare in seinen Gedichten über SA-Bullen, über einfache Menschen und deutsche Juristen. Chemnitz, 3. Mai, Dienstag, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Die Wismut im sowjetischen Atomkomplex – Uranbergbau in der SBZ/DDR. mit Prof. Dr. Rudolf Boch (Historiker). Eine Veranstaltung der Volkshochschule Chemnitz in Kooperation mit der RLS Sachsen. Veranstaltungssaal dasTietz, Moritzstraße 20, 09111 Chemnitz Wismut – hinter diesem harmlos klingenden Namen verbarg sich der weltweit größte Uranbergbaubetrieb. Auch wenn die USA, Kanada und die Sowjetunion im Kalten Krieg noch mehr Uran förderten als die SBZ/DDR, gab es selbst in diesen Ländern keinen einzelnen Betrieb, der die Dimensionen der Wismut erreichte. Erst nach dem Herbst 1989 konnte der Schleier der Geheimhaltung allmählich gelüftet werden. Im Vortrag wird ein Forschungsprojekt an der TU Chemnitz aus den Jahren 2008 – 2011 vorgestellt, in dem deutsche und russische Historiker*innen sich jenen Themenfeldern widmeten, die bis dahin noch nicht oder nur in Ansätzen untersucht worden waren – u. a. dem Stellenwert des Unternehmens für die sowjetische Atomrüstung, dem Sicherheitsregime, dem Umgang mit den Strahlenrisiken oder den Versuchen zur Identitätsstiftung durch Kultur und Sport. Dazu wurden auch zuvor unzugängliche bzw. noch nicht genutzte Quellenbestände in russischen Archiven ausgewertet. *** in Kooperation der RosaLuxemburg-Stiftung: Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e.V. Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V. IBAN: DE83 8509 0000 3491 1010 07 BIC: GENODEF1DRS Bank: Dresdner Volksbank Raiffeisenbank Aboservice: www.links-sachsen.de/abonnieren, aboservice@links-sachsen.de oder 0351-84 38 9773


Rezensionen

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04/2016  Links!

Impressionen von der Leipziger Buchmesse sarkastisch gehaltenen Dankesrede rief er zu einer weitreichenden Annäherung zwischen der Europäischen Union und der Ukraine und für Freiheit, insbesondere für Visafreiheit auf. Der Zustand der Ukraine heute: Zerrissenheit, Enttäuschung und Müdigkeit sowie ein wachsender Nationalismus, der keine Symbole aus kommunistischer Zeit mehr erträgt – nicht einmal Lenin. Die Leipziger Buchmesse hat sich schon immer auch als

Zusammenleben mit Migranten und Asylsuchenden waren oft Sprachlabore, in denen analysiert wird, wie wir übereinander reden und was das mit uns macht. Und ob wieder mehr Engagement der Literatur und mehr Verantwortung der Schriftsteller notwendig sind. Die Bundesvorsitzende Katja Kipping forderte mehr Verantwortung in der Gesellschaft: „Wir wollen einen Aufbruch in eine Gesellschaft, wo das Gemeinsame im Mittelpunkt

präsentiert werden, waren bis Dezember hunderte Flüchtlinge provisorisch untergebracht. Inzwischen sind sie in winterfeste Quartiere auf dem Messefreigelände umgezogen. In Halle 5 präsentierte sich der Compact-Magazin-Verlag, welcher von Jürgen Elsässer verantwortet wird, der in den vergangenen Monaten mehrfach als Redner auf Legida- und AfDVeranstaltungen auftrat. Am Samstag demonstrierten etwa 200 Messebesucher gegen die

steht, wo es Solidarität gibt und verhindert wird, dass das Pendel weiter in Richtung Barbarei ausschlägt“. In ihrem neuen Buch Wer flüchtet schon freiwillig beschreibt sie prägnant Fluchtursachen und plädiert für ein Europa der Einwanderung. Die Flüchtlinge sind nicht nur in den Diskussionen der Messe buchstäblich nahe. In der Halle 4, wo jetzt Bücher

Präsenz von Ressentiment und Compact-Magazin-Verlag auf der Leipziger Buchmesse. Immer am zweiten Messetag werden die Preise der Leipziger Buchmesse vergeben. Nicht ganz unerwartet hat Guntram Vesper, der bisher eher als Lyriker bekannt war, mit seinem opus magnum Frohburg in der Kategorie Belletristik gewonnen. In der Begründung der

Bild: Je-str /Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Am Mittwochabend, anlässlich der Eröffnung der diesjährigen Leipziger Buchmesse, erhielt der Historiker Heinrich August Winkler den Buchpreis zur Europäischen Verständigung. Er erhielt die mit 20 000 Euro dotierte Auszeichnung für sein vierbändiges Mammutwerk Geschichte des Westens. Am selben Tag wurde in der ostukrainischen Stadt Saporischja die letzte große, über 40 Tonnen schwere Statue des Revolutionärs Wladimir Iljitsch Lenin demontiert. Beide Ereignisse stehen ohne Beziehung zueinander. Dennoch gelingt es der Buchmesse mit ihren zahlreichen Veranstaltungen zu den aktuellen Themen aus der europäischen Lebenswirklichkeit, diese Koinzidenz bemerkenswert erscheinen zu lassen: Am Donnerstagmorgen sprach der frisch prämierte Historiker im Café Europa, einem Podium für den europäischen Dialog, zu den praktisch aufgegebenen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, zum durchaus prekären Nationalismus in dem Land und zur Problematik der aktuellen Verhandlungen mit Erdogan. Diesem Vortrag folgte nur wenig später ein Bericht der ukrainischen Schriftstellerin Sofia Andruchowytsch zur heutigen Situation in der Ukraine. Sie sprach von einem gescheiterten Assoziierungsabkommen, einer misslungenen Revolution und einem erbarmungslosen Bürgerkrieg. Sofia ist die Tochter von Juri Andruchowytsch. Dieser wurde vor genau zehn Jahren mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung bedacht. In einer unvergessen leidenschaftlich und zugleich

ein politisches Forum verstanden, in dem gesellschaftlich relevante Themen bei verschiedenen Veranstaltungen von Autoren, Philosophen und Wissenschaftler aus dem Inund Ausland diskutiert werden. Folglich war auch das diesjährige Forum „Europa21“ als Denk-Raum für die Gesellschaft von morgen konzipiert. Die Debatten über das künftige

Jury heißt es: „Wovon dieser Roman handelt, das ist letztendlich immer auch die Übermacht von Geschichte, Kriege, Systeme, historischer Wandel, der über die konkreten einzelnen Menschen hinwegrollt. Diese Erfahrung des 20. Jahrhunderts ist in dem Buch aufbewahrt, und zwar – und das ist wichtig – ohne aus den sogenannten kleinen Leuten Helden zu machen“. Eine Besonderheit des Preises der Leipziger Buchmesse ist, dass er auch in den Kategorien Sachbuch/Essayistik und Übersetzung verliehen wird. Der Preis in der Kategorie Sachbuch/Essayistik ging an Jürgen Goldstein für sein Buch Georg Forster. Zwischen Freiheit und Naturgewalt. Goldsteins Studie über den Entdeckungsreisenden und Intellektuellen Forster gehe über die Gattung der Biografie hinaus, „indem sie sachkundig und thesenstark das anthropologische Lebenswerk eines Mannes deutet, dessen politisches Denken durch seine bahnbrechenden Reisen unmittelbar geprägt wurde“. Den Preis in der Kategorie Übersetzung erhielt Brigitte Döbert. Sie wird für die Übertragung des Buchs Die Tutoren von Bora Ćosić aus dem Serbischen ausgezeichnet. Das Highlight der Leipziger Buchmesse ist das integrierte Lesefestival „Leipzig liest“, das mittlerweile in 25. Auflage ein Marathon mit insgesamt 3.200 Veranstaltungen an 410 Leseorten und damit das größte Lesefest Europas geworden ist. Nur Clemens Meyer hat es verpasst, auch wenn seine Jacke und sein Portemonnaie da waren. Andreas Haupt

Einzigartiger „Weltgenuss“: Die CD Hyphnophonic Auf Tour auch in Sachsen – Al Jawala aus Freiburg kommt nach Chemnitz, Dresden und Leipzig Es ist der Sound für den Freitagabend – wer die Wochenqualen erst einmal abschütteln und völlig in eine andere Welt eintauchen will, die des Balkan-Orient- WesternSounds, der wird begeistert sein. Bei nicht wenigen Titeln der CD „Hypnophonic“ mögen Dresdner sich an den BalkanKlang von Banda Commuale erinnert fühlen – so stark kommen die Bläser durch, und beide Bands – die Freiburger und die Dresdner – „orientalisieren“ sich ohnehin gerade. Am besten geht das mit arabischen Volksliedern und einer arabischen Sängerin, hat man sich bei Al Jawala – was „die Reisenden“ bedeutet – gedacht. Deshalb hört man nun

Bayan Faroun aus Jerusalem als Gastsängerin für das dritte Studio-Album. Sie wurde engagiert, weil die Austauschstudentin, die für zwei Wochen in Freiburg war, das arabische Volkslied All Bin El Chalabiya kannte – ein Glücksfall ... Die Band sieht sich selbst als unpolitisch, aber eines wollen sie doch: Mit ihrer Musik Brücken bauen quer durch die Welt. Das gelingt ihnen mit dieser CD zweifellos. Bläser und Percussions liefern die Basis eines changierenden Klangteppichs, der durch die ganze Welt führt. Balkan, Orient, Afrika, Karibik, Australien, Nordamerika – wer die Augen schließt, gelangt mit dieser Musik überall hin, ganz zu schweigen davon, dass man die meisten Lieder gut in der Disco spielen kann – und sollte. Arabisch wird, wie ge-

sagt, gesungen, aber auch Englisch – und „Afrikanisch“. Die-

se Sprache gibt es zwar nicht, aber man hört Mamoudou aus

Guinea. Er singt ein Lied über das Auswandern, das NachEuropa-gehen, die oft bittere Realität und die Blauäugigkeit, mit der sich auch die Jugend Afrikas auf den Weg ins Ungewisse macht. Kurz: Es ist der Sound der Zeit des Jahres 2016. Umso erfreulicher ist es da, zu wissen, dass man die Musiker in Sachsen auch Live erleben kann: Am 21. April im Dresdner Ost-Pol, am 24. April im Leipziger Täubchenthal und am 27. Mai im Chemnitzer Fuego a La Isla. Ach ja, die Website für weitere Informationen ist www.jawala.de. Dort gibt es auch einen Shop, die CD kostet 15 Euro plus 2 Euro Versandkosten. Außerdem hat Al Jawala die Songs auf Soundcloud hoch geladen, so dass man in die Titel einige Sekunden reinhören kann. Viel Spaß! Ralf Richter


Die letzte Seite

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Richard Thompson – großer britischer Folkrocker son die Sänger ablösten und dafür sorgten, dass ein eigenes unverwechselbares „Fairport-Profil“ entstand. Richard Thompson blieb der Gruppe bis 1970 erhalten und schlug danach eine Solokarriere als Sänger und Multiinstrumentalist ein. Sein abwechslungsreicher Sound auf der E-Gitarre wie auf der akustischen und besonders

rist bei „The Stranglers“ wurde. Wie so viele Musiker seiner Generation war Thompson schon in jungen Jahren vom Rock ’n’ Roll beeinflusst. Ebenso faszinierten ihn die Jazz- und Schottischfolkplatten seines Vaters. Der erlebte 1930 ein Livekonzert mit Django Reinhardt in Glasgow, was zur Folge hatte, dass er selbst das Gitar-

Kessel und James Burton, oder Jerry Lee Lewis‘ Pianosounds. Die damals üblichen Bluesklischees versuchte er zu umgehen. 1967 kam es, wie bereits erwähnt, zur Gründung von „Fairport Convention“, mit der er fünf Langspielplatten und später eine Livescheibe einspielte. Schon auf der zweiten Fairport-

sein herzzerreißender Gesang machten ihn bald zum wahren Folkrockgiganten. Geboren wurde er am 3. April 1949 in Ladbroke Crescent, Notting Hill in West London. Sein Vater, ein echter Schotte, der, wenn es ihm die Zeit erlaubte, sehr oft Gitarre spielte, war Kriminalbeamter beim Scotland Yard. Richard gründete bereits in der Schule seine erste Band „Emil and the Detectives“ mit seinem Klassenkameraden Hugh Cornwell, der später übrigens Sänger und Bassgitar-

respielen erlernte. Thompson bezeichnete seinen Vater jedoch später als „einen durchschnittlichen Amateurspieler“, der sich mit nur drei Akkorden begnügte. Richard gelang es nach und nach, verschiedene Stile auf der Gitarre zu imitieren, was zu seinem unüberhörbaren Markenzeichen wurde. In seinem Gitarrenspiel erkennt man sofort den typischen Klang des schottischen Dudelsacks, die Gesangsmelodie, genauso wie die Gitarrenriffs eines Barney

LP von 1969 „What We Did on Our Holidays“ wurde Thompsons höchst eigenwilliger Songwriterstil deutlich. Nach Trennung von der Gruppe spielte er mit den Folkrockern „The Bunch“ und „Morris On“. Gegen Ende 1972 gab es nochmal ein Comeback mit seiner charismatischen Ex-Kollegin Sandy Denny. Dann lernte er die Sängerin Linda Peters kennen, mit der er neue Songs kreierte und die er auch kurz darauf heiratete. Ihr erstes gemeinsames Album

Bild: Dxede5x / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Anfang der fünfziger Jahre entwickelte sich in Großbritannien das sogenannte Folkfestival, das seinen Ursprung in der Tradition der städtischen Skifflemusik sowie durch die Wiederentdeckung alter irischer bzw. schottischer Volkslieder fand. In den Sechzigern entdeckten auch erste britische, oft linksorientierte Liedermacher den Folk für sich und es entstand, fast parallel zu den Vereinigten Staaten, ein neues Musikverständnis. Neben dem üblichen Instrumentarium, das hauptsächlich aus Dudelsack, Flöten, Geigen und Mandolinen bestand, offenbarte sich nun ebenso die Gitarre als geniales Begleitinstrument, das bis dahin noch missmutig beäugt und als minderwertig eingestuft worden war. Als erste Folkbands in den späten sechziger Jahren zum Entsetzen zahlreicher Folkfreaks unter Einfluss des Rock’n’Roll zu elektrisch verstärkten Gitarren und Bässen griffen und selbst das Schlagzeug einbezogen, widerfuhr der Szene eine Revolution. Der Folkrock war geboren, und seine Pioniere nannten sich, um nur einige aufzuzählen, „The Albion Country Band“, „Steeleye Span“, „Pentangle“ oder „Fairport Convention“, die Tradition mit Zeitgenössischem verbanden. Sie trotzten dem Kommerz. Die Gruppe „Fairport Convention“ wurde von sechs Enthusiasten gegründet. Judy Dyble und Ian MacDonald: Gesang, Simon Nicol und Richard Thompson: Gitarre, Ashley Hutchings: EBass und Martin Lamble: Percussion. Die Band fühlte sich anfangs als britische Antwort auf die amerikanische Hippieformation „Jefferson Airplaine“ und ihre Musik klang ähnlich, bis die „Folkdiva“ Sandy Denny gemeinsam mit Richard Thomp-

Lehrreiche, anregende Deutschstunden Der Literaturbetrieb lebt von Neuigkeiten. Sie werden besprochen, häufig in eine Höhe gelobt, die ihnen nicht unbedingt gut tut – und oft schnell wieder vergessen. Eine Chance gegenüber diesem Aktualitätsdrang haben meist nur Autorinnen und Autoren, bei denen ein runder Geburts- oder Todestag für indirekte Aktualität sorgt. Da fällt das Feuilleton des Neuen Deutschland mit seiner Rubrik „Wieder gelesen“ positiv aus dem Rahmen; denn es erinnert an Bücher, die auch dann nicht der Vergessenheit überlassen werden sollten, wenn bei ihnen gerade kein großes Jubiläum nach besonderer Aufmerksamkeit verlangt. Unter diesen in unregel-

mäßiger Folge erscheinenden Erinnerungs-Texten befanden sich bisher nicht wenige, die den Leipziger Literaturwissenschaftler Horst Nalewski zum Autor haben. Jetzt hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen in ihrer Reihe Texte zur Literatur dreiundzwanzig dieser Miniaturen zur deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts ihrerseits gesammelt zum Wiederlesen vorgelegt. Dieses lohnt sich unbedingt. Auf nicht ganz einhundert Seiten bekommt der interessierte Leser eine unkonventionelle und vielseitige Einführung in das, was im zurückliegenden Jahrhundert Literatur deutscher Sprache bewegt und zu origineller künstlerischer Darstel-

lung inspiriert hat. Von Rilke über Hesse, Werfel, Döblin und Arnold Zweig bis zu Anna Seghers, Böll, Siegfried Lenz, Grass, Strittmatter, Jurek Becker, Stefan Heym, Christoph Hein und Christa Wolf spannt sich der literaturgeschichtliche Bogen. Neben Schlüsselwerken des 20. Jahrhunderts wie Rilkes „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“, Hesses „Unterm Rad“, Werfels „Die vierzig Tage des Musa Dagh“, Fühmanns „Kameraden“ und Beckers „Jacob der Lügner“ finden sich – scheinbar – intimere oder kleinere Darstellungen, die oft bei genauerem Lesen aber eine große Kraft entfalten. Arnold Zweigs Roman „Junge Frau von 1914“ ist ein Beispiel

hierfür, ebenso wie Anna Seghers „Aufstand der Fischer von St. Barbara“, Louis Fürnbergs „Mozart-Novelle“ oder Christa Wolfs „Sommerstück“. Hinzu kommt, dass gerade bei den kürzeren Prosastücken, bei denen Horst Nalewski sehr textnah vorgehen kann, sich seine Fähigkeit, Feinheiten sprachlicher Gestaltung sichtbar machen zu können, besonders auszahlt. So auch im Falle von Günter Grass‘ Novelle „Das Treffen in Telgte“ oder Günter de Bruyns Erzählung „Märkische Forschungen“ und ganz besonders bei der Erinnerung an den Erzähler Johannes Bobrowski. Wer sich nach der Lektüre dieser Miniaturen noch einmal den Originalstü-

erschien 1974 mit dem Titel „I want to See the Bright Lights Tonight“, worauf „Hokey Pokey“ und „Pour Down Like Silver“ folgten. 1975 legte das Paar eine mehrjährige Schaffenspause ein und lebte in einer muslimischen Gemeinde. Anfang der Achtziger kam es zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit den Multitalenten Henry Kaiser, John French und Fred Frith, die bis 1988 andauerte. In dieser sehr kreativen Phase komponierte Thompson auch Filmmusik, die er ebenfalls mit den obengenannten Kollegen einspielte und produzierte. 1991 erschien die CD „Rumor and Sigh“ und wurde ein erheblicher Erfolg. 1993 folgte bei „Hannibal Records“ das Dreieralbum „Watching the Dark“, das einen Gesamtüberblick seiner musikalischen Vita von 1969 bis 1992 widerspiegelt, eine wunderbare Auswahl mit einem reich illustrierten Begleitheft von immerhin 52 Seiten. 1994 verneigten sich namhafte Rockgrößen wie z.B. „Dinosaur Jr.“, „Bonnie Raitt“ oder „R.E.M.“ vor ihm, indem sie das Album „Beat the Retreat“ produzierten, das ausschließlich aus Thompsons Songs bestand. 2004 schrieb er den Soundtrack für Werner Herzogs Dokumentarfilm „Grizzly Man“, bei dem er selbst die Gitarren einspielte. Thompsons Songs wurden zahlreich gecovert. So tauchte beispielsweise sein Lied „Dimming of the Day“ im Repertoire von Emmylou Harris, June Tabor, Bonnie Raitt, The Neville Brothers, The Corrs und anderen Stars auf. Sein aktuelles Album „Still“ aus dem Jahr 2015 zeigt ihn als gereiften Songwriter, der es versteht, mit sparsamen Arrangements großartige Musik zu schaffen. Jens-Paul Wollenberg

cken zuwendet, wird sicherlich ein vertieftes Leseerlebnis davontragen können. Den Miniaturen vorangestellt ist ein Vortrag „Im Schatten der Großen – im eigenen Licht. Friedrich Hölderlin 1770-1843“, den Horst Nalewski 2014 vor der Leipziger Goethe-Gesellschaft gehalten hat. Damit schlägt die Rosa-Luxemburg-StiftungSachsen als Herausgeber einen Bogen zu den Anfängen der „Texte zur Literatur“ in den frühen 1990er Jahren: Das erste Heft war damals bereits Friedrich Hölderlin gewidmet worden. Ein Zeichen für die Kontinuität der Beschäftigung mit großen kulturellen Themen in ihrer nunmehr 25jährigen Geschichte. Klaus Pezold


04/2016 Sachsens Linke!

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April 2016

Sachsens Linke Schwerpunkt:

Außerdem berichten wir von einer Ausstellungseröffnung zum Thema Häusliche Gewalt im Landtag, werfen einen Blick auf die

Wehrmachtsdeserteure, der Verfolgten des Naziregimes und der jüdischen Gemeinde in Dresden ihre Mitarbeit in der Stiftung eingestellt. Mit dem spektakulären Schritt hatten sie öffentlichkeitswirksam gegen die einseitige Gedenkpolitik der Stiftung zugunsten der Opfer aus der Zeit nach 1945 protestiert. Bei der Einbringung des neuen Gedenkstättenstiftungsgesetzes 2012 war deshalb von einem „glücklichen Tag“ die Rede gewesen und von einem „Erfolg für die Demokratie“. „Aus der Mitte des Parlamentes und der Gesellschaft“ heraus sei der Gesetzentwurf für die Stiftung Sächsische Gedenkstätten zustande gekommen. Von der Erarbeitung des Gesetzentwurfes ausgeschlossen waren die „Extremisten“: DIE LINKE und die NPD. Eine Beteiligung der LINKEN an der Novellierung des Gesetzes sei bei der CDU nicht durchzusetzen gewesen, lautete die Begründung der SPD. Insofern überraschte es nicht, dass sämtliche Änderungsvorschläge der LINKEN am Zweck der Stiftung und an deren Konstruktion von der „Mitte des Parlaments“ abgelehnt worden waren. Vier Jahre später ist die Euphorie über den Erfolg der Demokraten verflogen. Erneut sorgt die Gedenkstättenstiftung für Schlagzeilen in der Öffentlichkeit. Und es geht wieder um die ungleiche Förderung der Gedenkkultur in Sachsen. Während Projekte und Maßnahmen zur sowjetischen

Besatzung und SED-Diktatur kräftig gefördert werden, stehen die über den Nationalsozialismus zurück. Das zweite und zugleich jüngste Beispiel für eine koordinierte parlamentarische Initiative „aus der Mitte des Parlamentes und der Gesellschaft“ ist ein Gesetzentwurf über die Tätigkeit des Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, von CDU, SPD und Grünen dieser Tage gemeinsam ins Parlament eingebracht. Der Gesetzesnovelle zufolge soll der Aufgabenkreis des Beauftragten für die Stasi-Unterlagen, amtierend ist das Lutz Rathenow, erweitert und seine Rechtsstellung verbessert werden. Obwohl jetzt schon personell überfordert, soll die Behörde künftig den Alltag in der SED-Diktatur und die Repressalien unter der sowjetischen Militäradministration erforschen. Abermals schlagen die Einreicher einen hohen Ton an: Die Einbringung des Gesetzentwurfes sei „ein wichtiges Zeichen“ dafür, man sich „bei allen bestehenden Unterschieden der Erfahrungen aus der SED-Diktatur bewusst“ sei, tönte der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Dass seine Fraktion erst zwei Jahre zuvor einen gleichlautenden Gesetzentwurf der Grünen abgelehnt hatte, kümmert ihn nicht. Diese Ignoranz entlarvt das pathetische Gerede von den Lehren, die man aus der Geschichte der DDR ziehe, als hohl. Und wie schon beim Gedenkstättenstiftungsgesetz

unter

e www.dielinke -sachsen.d Die Schockstarre durchbrechen

Erinnerungspolitische Ausgrenzung Selten sind die Fälle, in denen der Landtag einer Drucksache zustimmt, die von der Opposition stammt. Eine Regierungskoalition, egal welche Fraktion mit der CDU regiert, gehorcht einem ungeschriebenen Grundsatz: Anträge und Gesetze von der Opposition sind abzulehnen. Zwar hatten SPD und FDP als Oppositionsfraktionen diese Praxis gerügt. Hernach, als Regierungspartner der CDU, scherten sie sich nicht länger darum. Ein solches Verhalten bezeichnet man als machtopportunistisch. Um der Machtbeteiligung willen verhält man sich konform. Noch seltener als die Zustimmung zu einem Antrag oder einem Gesetzentwurf der Opposition sind Fälle, in denen es zu einem gemeinsamen parlamentarischen Vorstoß von Regierungskoalition und Teilen der Opposition kommt. In Sachen Aufarbeitung der DDRVergangenheit war das zweimal der Fall. Beide Male war das politische Pathos, mit denen die Initiativen begleitet werden, besonders groß. Das erste Beispiel stammt aus dem Jahr 2012. Vor vier Jahren hatten die Fraktionen von CDU, FDP, SPD und Grüne das sächsische Gedenkstättenstiftungsgesetz novelliert. Sie beendeten damit ein rund zehnjähriges Provisorium, in dem die Gedenkstättenstiftung nur eingeschränkt arbeitsfähig war. Denn 2004 hatten der Zentralrat der Juden und nach ihm die übrigen NS-Opferverbände der Sinti und Roma, der

Situation der Krankenhäuser und den Schienenverkehr im Freistaat. Der Jugendverband berichtet über seine Arbeit.

Aktuelle Infos stets auch

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Linke Wirtschaftspolitik

Diese Ausgabe steht im Zeichen einer Grundsatzdebatte über das Fundament linker Wirtschaftspolitik. Axel Troost hat dazu eine spannende Diskussion angestoßen, die wir mit hintergründigen Beiträgen und Repliken weiterführen.

sind die „Extremisten“ auch diesmal von einer Mitarbeit am Gesetzentwurf ausgeschlossen. Konkurrierende Erzählungen über die DDR, die den Alltag in der DDR nicht allein über den Leisten der Diktatur schlagen, werden als eine Verharmlosung verworfen. Auf diese Weise betreiben CDU, SPD und Grüne eine Staatsbürgerkunde, die von der Bevölkerung eine Übernahme der parteipolitisch verordneten Sicht auf die Geschichte der DDR verlangt. In der Landespolitik geht es weniger um ein kritisches Verstehen der DDR, sondern vielmehr um eine bestimmte politische Wahrnehmung der SED-Diktatur, die den Kontrast zur bundesrepublikanischen Demokratie bezweckt. Das erklärt, weshalb die „Mitte des Parlaments“ ein Vierteljahrhundert nach dem Untergang der DDR immer noch die zweitstärkste demokratische Fraktion ausgrenzt, wenn im Landtag Erinnerungspolitik betrieben wird. Insbesondere die sächsische Union benötigt ein antikommunistisches Feindbild zur Stabilisierung der eigenen Herrschaft. Umso heller leuchtet aus dem dunklen Vergangenen die Gegenwart hervor. Aber froh kann auch DIE LINKE über die erinnerungspolitische Ausgrenzung im Landesparlament sein, erspart sie ihr doch eine Zerreißprobe über der Frage, ob man sich an einer solchen Gesetzesnovelle beteiligen darf oder nicht. Jochen Mattern

Die Wahlnacht vom März steckt uns allen sicherlich noch in den Knochen. Ja, DIE LINKE hat in allen drei Bundesländern ihre Ziele weit verfehlt. Konnten wir vor einem Jahr auf den Einzug in zwei westdeutsche Landesparlamente, auf eine zweite Landesregierung unter Führung der LINKEN hoffen, haben wir den Einzug in Mainz und Stuttgart verpasst und eine krachende Niederlage in Magdeburg hinnehmen müssen. Wir? Ja, wir. Wir alle. Denn während sonst immer nur alle gewinnen und man ganz alleine verliert, muss man feststellen, dass es an den Einzelleistungen der Landesverbände nicht gelegen haben kann. Alle haben einen engagierten Wahlkampf gemacht. Wir als LINKE insgesamt haben verloren. Und das seit 2014 in Reihe. Das muss uns alarmieren. DIE LINKE hat einen Gutteil ihrer Mobilisierungsfähigkeit verloren. Damit verbunden war auch ein Verlust der Fähigkeit, gesellschaftliche Debatten zu treiben – aber eben auch der Fähigkeit, interne Debatten zu führen. Wir haben in den letzten Jahren als Gesamtpartei weniger debattiert als (weg-)moderiert, zulasten unserer Wirkungskraft. Das ist nichts, was ich irgendwem vorwerfe, sondern eine Herausforderung: Führen wir wieder Debatten. Einigen wir uns. Treiben wir wieder den gesellschaftlichen Diskurs. Das Thema ist klar: Wir können wir unseren politischen Zielen Hegemonie bereiten? Ich habe einen Diskussionsaufschlag verfasst, bei dem ich weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf den Besitz der ultimativen Wahrheit erhebe. Also, diskutieren wir. Durchbrechen wir die Schockstarre.


Sachsens Linke! 04/2016

Meinungen

Unfähigkeit des Verfassungsschutzes wird belohnt „Keine Kürzungen beim Geheimdienst in Thüringen“: Zutiefst enttäuscht bin ich davon, dass die LINKE in der Regierung Thüringens der Erhaltung des Verfassungsschutzes mit einem Millionenbetrag im Haushalt zustimmt. Gerade die Abschaffung dieser von Pleiten und Unfähigkeit gekennzeichneten Behörde war eine zentrale Aufgabe im Wahlprogramm dieser Partei. Versprochen – gebrochen. Da fühlt man sich als mündiger Bürger mehr als getäuscht. Kein Wunder, wenn die Wahlverweigerungen zunehmen! Raimon Brete, Chemnitz

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Zu „Das doppelte Versagen“ (Links! 03/2016, S. 3), „Weggucken, Wegdrücken, Verharmlosen“ (Sachsens Linke! 03/2016, S. 1), „Die Erde ist ein Hufeisen“ (Sachsens Linke! 03/2016, S. 6) Es gibt viele gemeinsame Ziele von großen Teilen der Conservativen Deutschen Union (CDU) und von Gruppierungen wie AfD und PEGIDA. Dazu gehören der (Standort-)Nationalismus, die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen, auch durch Krieg, und die Bewertung von Menschen nach ihrer „Nützlichkeit“, verbunden mit Arbeitszwang. Dazu gehören aber auch die Bekämpfung von Geflüchteten, rassistische Einstellungen, Fremdenfeindlichkeit, die Leitkulturdebatte, die Herrschaft einer kleinen Minderheit über die große Mehrheit, die Unterdrückung und Überwachung Andersdenkender und speziell der Antikommunismus. Die Extremismusideologie ist ein Mittel der Unterdrückung Linker bei gleichzeitig scheinbarer Distanzierung von Geistesverwandten der Regierung. So können die Regierenden sich fälschlich als Demokrat_innen darstellen. Somit sind die Bekämpfung der Linken, die Nichtbekämpfung von Rassist_innen/Rassismus und die Verwirklichung rassistischer Forderungen durch die Regierenden kein Versagen, sondern volle Absicht. Lediglich wenn es dem Wirtschaftsstandort schadet (z.B. Tourismus, ausländische Arbeitskräfte, Export) oder der gesellschaftliche antirassistische Widerstand zu groß wird, könnte die Regierung Rassismus bekämpfen. Somit sollten wir aufhören, das Regierungshandeln als Versagen zu verharmlosen und zu fordern, dass sie endlich ihre Pflicht tun. Stattdessen sollten wir über diese Zusammenhänge und die wirklichen Problemursachen aufklären und wie bisher in breiten antirassistischen Bündnissen gleichberechtigt aktiv sein. Uwe Schnabel, Coswig

Zu „Die Welt – ein großes Wirrwarr?“ (Links! 03/2016, S. 2) und „Es gilt auch weiterhin: Nein zum Krieg in Syrien“ (Links! 03/2016, S. 3) Pazifismus ist eine mögliche linke Position. Selbst noch so berechtigte Kriege gehen auf Kosten der Zivilbevölkerung, erzeugen neue Gewalt und neuen Hass und verschlingen riesige Mittel, die für wichtigere Aufgaben fehlen. Aber wenigstens sollten bei der Bewertung die unterschiedlichen Interessen berücksichtigt werden. Russland, Syrien, der Iran und deren Verbündete wollen Verhandlungslösungen auf gleichberechtigter Grundlage. Deshalb setzen sie sich für die Einbeziehung der demokratischen kurdischen Bewegungen in Nordsyrien und der gewaltfreien Opposition in die Verhandlungen ein, haben schon lokale Friedensschlüsse erreicht und unterscheiden zwischen verhandlungsbereiten und terroristischen Gruppierungen. Der imperialistische Westen will Länder unterwerfen oder zerstören, die sich von ihm nicht ausbeuten lassen, beharrt auf den Sturz der gewählten Regierung und hat lediglich die Erfolglosigkeit seiner bisherigen Vorgehensweise eingesehen. Deshalb sollen nur gleichgesinnte bewaffnete Gruppen als Opposition verhandeln. Erst als der zuerst von ihm geförderte IS zu mächtig und auch für ihn gefährlich wurde, unterstützte er nicht nur die nordirakischen feudalistischen, sondern zu dessen Bekämpfung zumindest teilweise auch die demokratischen KurdInnen. So ist verständlich, dass er im Kampf gegen Syrien und die von ihm verursachten Geflüchteten die Türkei unterstützt, die ihrerseits (nicht-) kurdische Demokratiebewegungen militärisch bekämpft. Auch in der Ostukraine unterstützt Russland demokratische Autonomiebestrebungen, die sich gegen eine Putschistenregierung (21.2.2014) wehren. Diese Regierungsparteien ehren Naziverbündete (BanderaLeute), verfolgen Oppositionelle (z.B. Kommunistische Partei) und lassen sie ermorden bzw. lassen dies zu/unterstützen dies (z.B. Massaker von Odessa am 2.5.2014, PolitikerInnen, JournalistInnen). Somit sollten wir den Krieg des Westens u.a. gegen Syrien bekämpfen, aber Russland nicht so scharf kritisieren. Rita Kring, Dresden

Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus gedruckt.

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Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 04.05.2016.

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Was uns die Landtagswahlen verraten Drei Landtagswahlen, drei Kantersiege, aber nicht für DIE LINKE, sondern für den neuen „rechts-Außen“, die AfD. Während alle „demokratischen Parteien“ über die AfD orakeln und herziehen, hat diese in nur zwei Jahren gezeigt, wie man die deutsche Wählerschaft aufmuntern und aufmischen kann. DIE LINKE schaffte das in 25 Jahren nicht, im Gegenteil, ihr laufen v. a. dort die Wähler weg, wo sie angestammt als Volkspartei gilt – im Osten. Und im Westen kann sie nach der Parteivereinigung gewachsene kleine Pflänzchen nicht groß ziehen, sie gingen ein bzw. befinden sich im Anzuchtkasten. Es gab schon vor wenigen Jahren ein Sternschnuppen-Phänomen in der Parteienlandschaft, die Piraten. Welche Rolle spielen diese noch? Mit der AfD aber wird man nun zu rechnen haben, sie ist organisationspolitisch professioneller aufgestellt. Die gesellschaftlichen Ursachen für diese Rutschpartie nach rechts sind vielfach korrekt benannt worden, DIE LINKE wird da auch nicht müde: Soziale Unsicherheit, Sozialabbau, Rentenkürzung, Arbeitslosigkeit, Perspektiv- und Chancenlosigkeit – alles Ergebnisse der neoliberalen Politik. So lässt sich Konkurrenz und Angst um Lebenschancen säen, die schließlich nun in der zugespitzten Situation verstärkt als Ausländer-und Fremdenfeindlichkeit an den Tag tritt. Diese Saat ist in der AfD aufgegangen. Sie kündigte sich

über zwei Jahrzehnte an durch die rechtslastigen Ausschreitungen der frühen 90er, die Republikaner und die NPD bis hin zum NSU. Die neoliberale Politik unterwirft Menschen wie Natur geradezu skrupellos den Verwertungsund Profit-Bedürfnissen der „Globalplayer“, Konzerne wie super-reicher Anleger. Das kann man sehr gut an der Erfolglosigkeit des Rio-Prozesses für nachhaltige Entwicklung in der Welt sehen, dessen Scheitern die Konferenz von Paris nur notdürftig verschleiern konnte. Nicht ein Ziel ist erreicht, das KyotoProtokoll ausgelaufen und der Pariser Vertrag braucht noch einige Jahre zur Ratifizierung. Aber diese Politik hat Staaten gezwungen gegen die Lebensbedürfnisse ihrer BürgerInnen Kapitaldienste in einer Weise zu leisten, die Not, Armut, Elend, Obdachlosigkeit und Zukunftsangst hervorbrachten. Banken und Finanzmärkte wurden gestützt, Staaten aber zu Privatisierungen gezwungen, Rechte der Menschen, v. a. auch der abhängig Beschäftigten beschnitten, ja grundlegend verletzt. Als die Pegida-Bewegung aufkam und rasch auf viele Städte überschwappte, waren die Alt-Parteien überrascht, nun sind sie vom Erfolg der AfD überrascht, DIE LINKE ebenso. Manches war vorhersehbar, wurde vorhergesehen, der Tendenz nach, nicht in allen krassen Erscheinungsformen und Quantitäten. Aber politischer Pragmatismus ohne den Willen zur wissenschaftlichen Begründung von Politik kann sich anbahnende Entwicklungen eben nicht rechtzeitig erkennen und ebenso wenig eine wirksame Gegenstrategie entwickeln. Da stehen alle „etablierten“ Parteien gleich dumm da. DIE LINKE aber als einzige Partei, die den bestehenden Gesellschaftszustand grundlegend überwinden will, hatte sich „mehr erhofft“, so unisono die Parteivorsitzende Kipping und der Spitzenkandidat von Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert. Der Trend des Wählerverlustes für DIE LINKE ist nicht neu, er wurde nur kurz durch die Euphorie-Welle aus ihrer Gründung unterbrochen und setzte sich nach der Bundestagswahl von

2009 bald fort. Die LandtagsWahlergebnisse von Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg und Sachsen belegen das geradezu eindrucksvoll. Anstatt zu analysieren, wurden diese aber zu „Normalität“ erklärt. Ein Zusammenhang zu der Realpolitik in Regierungsverantwortung wurde nicht hergestellt trotz vernehmbarer Kritiken. DIE LINKE erreicht seit Jahren ihre speziellen Zielgruppen nicht annähernd hinreichend, die AfD schaffte das nun in nicht unerheblichen Anteilen, auch wechselten LINKEWähler in erheblichem Maße zu der AfD. In Sachsen-Anhalt hat sie 15 Direktmandate gewonnen, auch das schaffte die LINKE noch nie. Jetzt sind Teile der Wähler der AfD richtig auf den Leim gegangen. Eine, m. E. die wesentlichste Ursache für das schlechte Abschneiden der LINKEN ist eben nicht reflektiert: Ihre eigene Unfähigkeit, mit ihren verändernden Ideen wirklich in diese Gesellschaft einzudringen. Warum schafft es DIE LINKE nicht, ihre politischen Inhalte als mögliche Alternative zum Bestehenden in die Gesellschaft zu tragen? Die Formen und Strukturen ihrer politischen Arbeit entsprechen nicht den gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen sie hier aktiv ist. Sie arbeitet wie eine bundesrepublikanische Alt-Partei. Politischer Voluntarismus statt wissenschaftliche Fundierung von Politik, „Hoffen“ statt solide Analyse, Strategiemangel, Symbolpolitik in Parlamenten statt außerparlamentarischer Netzwerk-Arbeit, Verengung und Fokussierung auf die Strukturen bezahlter Politik und Abhängen des Ehrenamtes, um nur weniges zu nennen. Wulf Gallert requirierte im Wahlkampf den Ministerpräsidenten-Sessel, wie 2009 André Hahn und 2014 Rico Gebhardt in Sachsen schon, weit ab von den – auch vorausgesagten – Realitäten. Realitätsverlust ist ein Merkmal des Verhaltens, wenn man zu lange in höheren Gefilden von Apparaten und Körperschaften beruflich unterwegs ist. Früher sagte man im Osten „Apparatschiks“, man kann sie auch Traumtänzer nennen. Wichtig ist daher, die Prozesse der notwendigen Entstehung solcher Denk-

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Sachsens Linke! Die Zeitung der LINKEN in Sachsen

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen.

Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V.,

und Verhaltensweisen außer Kraft zu setzen. Eben das schaffte DIE LINKE in einem Vierteljahrhundert seit der „Wende“ für sich noch nicht. Sie braucht eine grundlegende „Wende“ in ihren Arbeitsmethoden und in der organisatorischen Aufstellung sowie genauere politische Strategien in den Landesverbänden. Ihr Niedergang ist bestätigt und nicht gestoppt. Ralf Becker


Seite 3 Dr. Axel Troost, Finanzpolitischer Sprecher der LINKEN im Bundestag, hat Ende 2015 mit einem Hintergrundbeitrag eine Debatte ausgelöst: Auf welchem Fundament kann eine linke, wirklich alternative Wirtschaftspolitik stehen? Wir widmen diese Ausgabe schwerpunktmäßig diesem Thema - mit weiteren hintergründigen Diskussionsbeiträgen. „Der sich fortwährend beschleunigende Strom von Ereignissen macht uns blind für die unabgegoltenen Wahrheitsgehalte des Vergangenen“. Was Oskar Negt, Soziologe, in seiner akademischen Abschiedsvorlesung 2002 formulierte, trifft voll und ganz auf den Beitrag von A. Troost in Sachsens Linke! 12 / 2015 zu. Dank gilt den Kritikern Dr. J. Leibiger, R. Blaschke und auch U. Schnabl in Sachsens Linke! 01-02/2016 für ihre Repliken. Allein: Sie genügen noch nicht, weitere Aspekte sind hinzuzufügen. Der geneigte Leser aber wird sich befleißigen müssen, die Quellen selbst zu studieren. Leider ist in journalistischer Auseinandersetzung erschöpfende Kritik nicht möglich. Troost geht nicht von Marx aus, sondern mit einem Halbsatz über ihn hinweg (!). Troost geht von Keynes aus. Selbst Oswald von Nell-Breuning, der „Nestor“ der katholischen Soziallehre, Ökonom (!) und Sozialphilosoph, erkannte, dass alle Gesellschaftsphilosophen des 20. Jahrhunderts auf Marx‘ Schultern stehen. Marx‘ Verdienst besteht nicht zuletzt darin, den Ökonomismus des „homo economicus“ widerlegt zu

Debatte: Linke Wirtschaftspolitik

04/2016 Sachsens Linke!

Keynes als Theorie-Fundament für „linke“ Wirtschaftspolitik – wirklich? haben, indem er eine politische Ökonomie entwickelte, in deren Beziehungen ethische Werte und Normen eine Rolle spielen. Die Moral hat kein Eigenleben unabhängig von der Ökonomie, und die „Rationalität“ von Ökonomie lässt sich nicht durchhalten, weil sie zu absurden gesellschaftlichen Zuständen führt, die ethisch nicht zu verantworten sind. Insbesondere gilt das „für den analytisch zentralen Zusammenhang der Verdrehungen in der kapitalistischen Warenproduktion, wo zum ersten Mal in der Geschichte der Gebrauchswert zum Mittel des Tauschwerts wird; wo der eigentliche Zweck der Produktion – dass Menschen Güter produzieren, die sie zur Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse verwenden – zum bloßen Anhängsel der vom Reich der Zwecke abgekoppelten Akkumulationsgesetzte wird“ (Oskar Negt). Dieser Mechanismus der Akkumulationsgesetze ist es, was eine linke Wirtschaftspolitik durchbrechen muss, das ist die Aufhebung des gegenwärtigen Wirkungszusammenhangs dieser Ökonomie. Um dies zu könnnen, braucht es eine klare alternative Vision des Wirtschaftssystems. Dann, aber auch nur mit einer solchen klaren Vision, kann man Transformationsschritte finden. Das „zu Tode akkumulieren“, wie es Rosa Luxemburg in ihrer Akkumulationstheorie beschreibt, findet zurzeit ansatzweise statt. Deshalb die massiven Bestrebungen um

Freihandelabkommen. Da versuchen Globalplayer, sich die noch unerschlossenen Märkte gefügig zu machen, bzw. Konkurrenz auszuschalten, um selbst weiter wachsen zu können. Die Folgen solcher Schübe der Marktbereinigung und Produktivitätsentwicklung für die Menschen sind aus dem letzten Jahrhundert hinlänglich bekannt. Nur so wären realökonomisch aber neue Anlagemöglichkeiten zu schaffen, wie sie eine „Wachstums-Ökono-

ser Ökonomie unter den aktuellen Bedingungen weiter mit Finanz-, Geld- und Konjunkturpolitik ins Wanken zu bringen wäre – derart, dass sie eine linke Wirtschaftspolitik nicht nur vorbereite, sondern fundiere, wo doch die ganze ökonomische Nach-„Wende“-Entwicklung das direkte Gegenteil beweist: Reichtumskonzentration, Prekarisierung vieler Arbeitsverhältnisse sowohl in den Arbeitsbedingungen wie in der Entlohnung, Produktivitätsent-

ne Aufgabe, deren Erledigung auch dem Bundestagsabgeordneten Axel Troost obliegt. Die auf etablierte Branchen zugeschnittene Finanz-, Geld und Konjunkturpolitik sind noch keine Wirtschaftspolitik. Echte Nachhaltigkeit aber muss Kernmerkmal einer „linken Wirtschaftspolitik“ werden. Es geht um eine völlige Neuordnung des „Stoffwechselprozesses“ Mensch-Natur zur Reproduktion des Lebens aller Menschen auf diesem Erdball. Das gera-

mie“ braucht. Dennoch bleibt ein unvergleichlich größerer Teil „fiktives“, spekulatives Kapital, das an den Börsen hin und her geschoben wird und Blasen produziert, oder eben auf Anlagen wartet. Ich möchte Axel Troost empfehlen, bei Lenin nachzuschlagen. In seiner Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ (Bd. 22) hat er Grundprozesse imperialer Kapitalismusentwicklung beschrieben, wie sie heute nicht nur eben noch wirken, sondern sich in neuen Qualitäten bei der Verflechtung von Industrie-, Handels- und Finanzkapital manifestieren, die nunmehr ganze Staaten ins Wanken bringen. Und um hier „Anreize“ zu schaffen, macht man dann Geldpolitik wie die EZB, was in die Irre führt. Das hat keine Zukunft, oder vielmehr eine Zukunft für wenige Reiche, während die Zukunft für immer größere Teile der Bevölkerung Erwerbsarbeitslosikgkeit, Armut, Not, Unsicherheit, Elend bereit hält. Ja, mit Keynes kann man die Eindämmung der Finanzmärkte schaffen, auch temporär den „Arbeitsmarkt“ beleben. Aber die Ökonomie einer völlig anderen Gesellschaft kann man mit Keynes nicht begründen. Axel Troost glaubt offenbar dennoch unverdrossen, dass der Wirkungs„mechanismus“ die-

wicklung und Freisetzung von Arbeitskräften bei gleichzeitig ungenügender Ausbildung, was aber Profit maximieren hilft ... Seit 1972 kann man um „Die Grenzen des Wachstums“ wissen. Der gleichnamige Bericht des Club of Rome traf viele richtige Trend-Voraussagen, wenngleich nicht alles so eintraf und auch die Steuerungsvorschläge linken Widerspruch erzeugen mussten. Weitere Berichte v. a. aus den Anfangsjahren der 90er, wie „Die erste globale Revolution“ (1991), „Faktor 4“ (1995) oder „Wie wir arbeiten werden“ (1997), wären mit ihren analytischen Teilen hilfreich für eine Fundamentierung linker Wirtschaftspolitik. Da werden Alternativen vorgestellt – nicht alles entspricht wirklicher Nachhaltigkeit, weil unverdrossen immer wieder auf „Markt“ und „private Initiative“ abgestellt wird. Aber es gibt ja auch echte Alternativen, nur spielen sie weder bei der Analyse noch bei der Entwicklung gesamtgesellschaftlicher Alternativen eine Rolle: Ökodorf-Bewegung, Parmakulturbewegung, Gemeinnützigkeits- resp. Gemeinwohlwirtschaft (E. Ostrom, C. Felber u. a.), Transition-townmovement, Common-Bewegung, Regiogeld-Initiativen. All das einzubinden in eine alternative Wirtschaftsidee, in eine „linke Wirtschaftspolitik“, ist ei-

de bewies auch der nunmehr 23 Jahre währende erfolglose Rio-Prozess, dessen Scheitern in der Konferenz von Paris 2015 nur kaschiert wurde. Womit wir wieder bei Marx wären. Eine wirkliche alternative, linke, sozialistische, den Mechanismus der Akkumulationsgesetze durchbrechende Wirtschaftspolitik ist mit Keynes nicht begründbar. Von politischer Gestaltungskraft wird abhängen, inwieweit und wie lange diese Begleiterscheinungen des ökonomischen Kollabierens die Lebenschancen von Menschen zunichte machen. Zeitenwende! Die Radikalität des Denkens ging den radikalen Umwälzungen immer voraus! Aber das fehlt in diesem Ansatz von Axel Troost. Wie weit seine Einlassungen von der Fundamentlegung einer wahrhaftig linken Wirtschaftspolitik sind, mag nun jeder selber beurteilen. Und es muss die Frage erlaubt sein, wie lange sich DIE LINKE noch diese Schwäche in ihrer Witschaftspolitik leisten will! Peter Hacks schrieb in seinem Gedicht „Marx“: „... in Jahrhunderten wenig noch verstanden, für Jahrtausende nicht mehr wiederholbar ... furcht er nur die Stirn, und abfällt die Kruste“. Es wird Zeit, dass in der LINKEN die Stirnen wieder mehr gefurcht werden! Ralf Becker


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Debatte: Linke Wirtschaftspolitik

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Die Blauäugigkeit des Neokeynesianismus der Form der überflüssigen; setzt daher die überflüssige in wachsendem Maß als Bedingung — question de vie et de mort — für die notwendige. Nach der einen Seite hin ruft es also alle Mächte der Wissenschaft und der Natur wie der gesellschaftlichen Kombination und des gesellschaftlichen Verkehrs ins Leben, um die Schöpfung des Reichtums unabhängig (relativ) zu machen von der auf sie angewandten Arbeitszeit. Nach der andren Seite will es diese so geschaffnen riesigen Gesellschaftskräfte messen an der

brachte Einheit Grenzkosten von ‚nahezu null‘ entgegensteht. Anders gesagt, die Produktionskosten jeder weiteren Ausbringungseinheit liegen – wenn wir die Fixkosten mal außen vorlassen – im Grunde bei null, was das Produkt nahezu kostenlos macht. Falls es dazu tatsächlich kommen sollte, blieben der Profit und damit der Lebenssaft des Kapitalismus aus“. Die Anzahl der Beschäftigten in der Produktion, so Rifkin, wird sich global von 163 Millionen Menschen im Jahre 2003 auf wenige Millionen im Jahre 2040 reduzieren.

Erfüllung von Märchenwünschen auf eine Konstellation, in der sich der erträumte Segen als Fluch auswirkt. Denn es ist ja eine Arbeitsgesellschaft, die von den Fesseln der Arbeit befreit werden soll“. Und sie schlussfolgert: „Was uns bevorsteht, ist die Aussicht auf eine Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, also die einzige Tätigkeit, auf die sie sich noch versteht. Was könnte verhängnisvoller sein?“ Marx selbst hat in seinen frühen Schriften die Aufhebung der Arbeit gefordert, denn nur

Arbeitszeit und sie einbannen in die Grenzen, die erheischt sind, um den schon geschaffnen Wert als Wert zu erhalten. … In fact aber sind sie die materiellen Bedingungen, um sie in die Luft zu sprengen“ (MEW 42, 601 f). Das bedeutet, dass das Kapital durch Produktivitätssteigerung die Menge der Arbeit, die alleinige Quelle des kapitalistischen Reichtums ist, auf ein Minimum reduziert. Durch diese Entwertung des Werts und die damit verbundene zunehmenden Unmöglichkeit, Mehrwert zu schöpfen, baut sich eine innere Schranke des Kapitals auf, die heute spürbar ist. Der US-amerikanische Soziologe, Ökonom und Publizist Jeremy Rifkin bestätigt dies auf seine Weise. In seinem letzten sehr empfehlenswerten Buch „Die Null Grenzkostengesellschaft“ können wir lesen: „Denken wir uns mit anderen Worten ein Endspiel, bei dem intensivster Wettbewerb zur Einführung immer schlankerer Technologien führt und damit die Produktivität auf einen optimalen Punkt zwingt, an dem jede zusätzlich zum Verkauf ge-

Damit ist das Ende der Massenfabrikarbeit auf dem Planeten markiert. Unter dem Label „Industrie 4.0“ kündigt sich heute das Ende der Arbeitsgesellschaft an, wie es auch Hannah Arendt bereits 1967 in ihrem Buch „Vita activa“ formulierte: „Wir wissen bereits, ohne es uns doch recht vorstellen zu können, dass die Fabriken sich in wenigen Jahren von Menschen geleert haben werden und dass die Menschheit der uralten Bande, die sie unmittelbar an die Natur ketten, ledig sein wird, der Last der Arbeit und des Jochs der Notwendigkeit“. Es scheint also fast so, als könne ein göttergleiches Leben durch den technischen Fortschritt möglich werden, so Arendt, und sie fährt fort: „Aber dieser Schein trügt. Die Neuzeit hat im siebzehnten Jahrhundert damit begonnen, theoretisch die Arbeit zu verherrlichen, und sie hat zu Beginn unseres Jahrhunderts damit geendet, die Gesellschaft im Ganzen in eine Arbeitsgesellschaft zu verwandeln. Die Erfüllung des uralten Traums trifft wie in der

so lässt sich das Privateigentum als sachlicher Zustand angreifen. Das Privateigentum ist schließlich nichts als vergegenständlichte Arbeit, die im Produktionsprozess über den Menschen herrscht. In der „Deutschen Ideologie“ ergänzten Marx und Engels diese Forderung mit dem Konzept der Selbsttätigkeit, einer selbstbestimmten schöpferischen und produktiven Tätigkeit jenseits aller Entfremdung und orientiert an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen. Allerdings: Marx hat sich die Aufhebung der Arbeit selbstverständlich als einen emanzipatorischen Akt vorgestellt. Heute müssen wir dies als kapitalistische Aufhebung der Arbeit qua immenser Produktivitätssteigerung, als einen unsozialen, desintegrierenden krisenhaften Prozess erleben, der Staat, Politik und Kultur erfasst. In der zerfallenden kapitalistischen Peripherie im Nahen Osten, in Süd- und Osteuropa, wie in Griechenland oder auch in der Ukraine werden die ersten Opfer des kollabierenden kapitalistischen Weltsystems

Bild: Shubert Ciencia /flickr.com/ CC BY-NC 2.0 CC BY-SA 3.0

Die Debatte um die theoretischen Grundlagen linker Politik, ausgelöst von Axel Troost, hat offensichtlich Fahrt aufgenommen. Jürgen Leibiger und Ronald Blaschke erwiderten das Diskussionsangebot. Während Troost und Leibiger davon ausgehen, dass das von Keynes vorgeschlagene Konzept heute noch Gültigkeit hat und wirksam soziale Gerechtigkeit wie starke Daseinsfürsorge sichern kann, wendet Ronald Blaschke völlig zu Recht ein, dass sich Troost recht gut mit dem Kapitalismus abgefunden habe, aber meines Erachtens auch Leibiger, denn beide setzen offensichtlich auf eine Verwaltung – die letztlich nur eine Krisenverwaltung ist, statt auf Überwindung des Kapitalismus auszurichten. Seit der Dotcom-Krise 2000 kann kaum mehr übersehen werden, dass Krise im Kapitalismus eine Dauererscheinung geworden ist. Allgemein anerkannt ist, dass wir uns seit den 1970er Jahren in der dritten industriellen Revolution befinden. Diese ist charakterisiert durch Computerisierung, Informatisierung und Automatisierung, vor allem aber ist sie dadurch charakterisiert, dass in ihr durch die damit verbundene enorme Produktivitätssteigerung dauerhaft wesentlich mehr Arbeit vernichtet als neu geschaffen wird. Das ist neu in der Geschichte des Kapitalismus! Das sah übrigens auch Keynes so, was die wohlfeilen Neokeynesianer geflissentlich übersehen. In seinem 1930 veröffentlichten Text spricht er von einer Zukunft in hundert Jahren, also letztlich in unserer Gegenwart: „Wir sind von einer neuen Krankheit befallen […], nämlich technologische Arbeitslosigkeit. Hiermit ist die Arbeitslosigkeit gemeint, die entsteht, weil unsere Entdeckung von Mitteln zur Einsparung von Arbeit schneller voranschreitet als unsere Fähigkeit, neue Verwendungen für Arbeit zu finden“. Genau hier zeigt sich Marx höchst aktuell, den Troost im Unterschied zu Leibiger links liegen lässt. Im berühmten „Maschinenfragment“ der Marxschen Grundrisse können wir lesen: „Das Kapital ist selbst der prozessierende Widerspruch [dadurch], daß es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren strebt, während es andrerseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt. Es vermindert die Arbeitszeit daher in der Form der notwendigen, um sie zu vermehren in

sichtbar. In diesen Leerräumen machen sich Plünderungsökonomien und terroristische Subkulturen breit, Warlords führen kriegerische Auseinandersetzungen um die verbleibenden Reste der Warenproduktion; auf der Strecke bleiben die Menschen. Ihr Leid springt uns tagtäglich aus dem Fernseher leibhaftig im Bilde an. Nach militärischen Interventionen des Westens zeigt sich, dass die Lage in diesen Gebieten oder Staaten noch deutlich schlimmer ist als davor. Das Heidelberger Institut für Konfliktforschung zählte für das Jahr 2013 20 Kriege und 25 „begrenzte Kriege“ und darüber hinaus 176 „gewaltsame Krisen“, soviel wie seit dem Ende des zweiten Weltkrieges nicht. Der Begriff des „failed state“, des gescheiterten Staates, gehört längst zum politischen Sprachgebrauch. Dieser Zerfall des Kapitalismus verursacht eine ebenfalls seit dem zweiten Weltkrieg einmalige über 51 Millionen Menschen umfassende Flüchtlingskrise. Hierbei fliehen die Menschen nicht allein vor dem Kriege, sondern sie fliehen aus Regionen, in denen die Warenproduktion bereits zusammengebrochen ist oder dies unmittelbar bevorsteht, in die Regionen, in denen Warenproduktion noch halbwegs funktioniert. In dem hier angesprochenen Text erkennt Keynes, dass das wirtschaftliche Problem in unserer heutigen Zeit gelöst ist, also die Bedürfnisse aller befriedigt werden können. In der Tat werden heute hinreichend viele Güter und Nahrungsmittel hergestellt, um jedem auf unserem Globus ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Aber im Kapitalismus wird ein Bedürfnis nur mittels des Geldes zum Bedarf! Wenn aber die meisten Menschen wegen fehlender Arbeit nicht zu Geld kommen können, können sie ihre Bedürfnisse nicht befriedigen. Das heißt: Es steht nicht die Krisenverwaltung auf der Tagesordnung, sondern die kategoriale Überwindung des Kapitalismus. Troost und Leibiger sorgen sich stattdessen um einen klug geleiteten Kapitalismus, obwohl erkennbar das genau unmöglich ist. Sie sorgen sich um eine „anschlussfähige linke Wirtschaftspolitik“, was nichts anderes heißt, als mit anderen Parteien im Wettbewerb um die Krone der Krisenverwaltung als „Sieger“ hervorzugehen. Und genau das ist die Blauäugigkeit, von der in der Überschrift die Rede ist. Bernd Czorny


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Debatte: Linke Wirtschaftspolitik

04/2016 Sachsens Linke!

Die vielen Säulen Linker Wirtschaftspolitik: Eine Replik Mein Beitrag zu Grundlagen linker Wirtschaftspolitik in der Dezember-Ausgabe wurde in der Folgeausgabe mehrfach kommentiert. Dies hat mich sehr gefreut und ermuntert, die Diskussion zu Möglichkeiten und Grenzen links-keynesianischer Wirtschaftspolitik fortzusetzen. Es ging und geht mir nicht darum, linke Wirtschaftspolitik auf die Person Keynes oder einen Linkskeynesianismus zu verengen und anderen Ansätzen (wie dem Marxismus oder der feministischen Ökonomie) eine Abfuhr zu erteilen. Im Gegenteil: Die marxistische Analyse der kapitalistischen Produktionsweise als Machtverhältnis und Auseinandersetzung zwischen Klassen, Schichten, Milieus und Geschlechtern ist wichtig und aktuell. Die wichtigste Botschaft von Marx lautet, dass die Herausforderung linker Politik nicht primär darin besteht, gerechtere, intelligentere und zugleich praktikable Politikkonzepte zu entwickeln, sondern solche Konzepte gegen die dominierenden Kräfte durchzusetzen. Diesem Grundkonflikt hat sich Keynes als Person nie gestellt, sondern er ist als bürgerlicher Ökonom immer ein „Kapitalismusoptimierer“ geblieben. Sein Beitrag liegt darin, die Einflüsse staatlicher Wirtschafts- und Finanzpolitik auf die Wirtschaftsentwicklung innerhalb des kapitalistischen Systems genau untersucht zu haben. Keynesianismus wird landläufig gern auf Staatsausgaben auf Pump in Phasen wirtschaftlicher Rezession reduziert. Gerade Linkskeynesianismus bedeutet aber sehr viel mehr. Während Marx – wie auch die anderen klassischen Ökonomen wie Adam Smith oder David Ricardo – die Realwirtschaft, also die Gütermärkte, in den Mittelpunkt ihrer Analyse stellte, geht Keynes von einer Dominanz der Finanzmärkte über die Güter- und Arbeitsmärkte aus: Geld ist mehr als nur ein Schleier. Vielmehr kann der Staat bzw. die Zentralbank eine stockende Wirtschaft durch die Bereitstellung von Geld aus dem Nichts (z.B. durch Ausgabe von bedruckten Papierscheinen) wieder in Gang setzen und einen Absturz in Armut und Arbeitslosigkeit verhindern. Denn Geld und Finanzmarkt sind vor allem eine Frage von Vertrauen und Erwartungen – was erst die Keynesianer so klar herausgearbeitet haben. Sie haben damit viel zum Verständnis der Krisenhaftigkeit und Irrationalität moderner Finanzmärkte beigetragen.

Wie meine Mentoren Jörg Huffschmid und Rudolf Hickel sehe ich keinerlei Widerspruch darin, die auf Marx zurückgehende politische Ökonomie mit Erkenntnissen nicht-marxistischer Ökonomen zu verbinden. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik („Memorandum-Gruppe“), 1975 gemeinsam von Marxisten und Keynesianern u.a. – HochschullehrerInnen und WissenschaftlerInnen aus SPD, DKP und Gewerkschaften – in der Bundesrepublik gegründet, ist für mich ein Beispiel für eine gelungene Symbiose dieser Art. Ein detailliertes Konzept für die Vergesellschaftung der Stahlindustrie von 1981 und die Sonderpublikation „35 Stun-

dung generell zu vermeiden. Dies könnte neben einer begrenzten Finanzierung über die Zentralbank durch die Ausgabe gemeinsamer Staatsanleihen (Stichwort Eurobonds) geschehen. Deutschland könnte dadurch in besonderem Maße europäische Solidarität zeigen. Uwe und Jürgen heben auch hervor, dass aus linker Sicht höhere Steuern auf Kapital, Gewinne und Spitzengehälter als Finanzierungsinstrument immer an erster Stelle stehen sollte. Da sind wir uns grundsätzlich einig. Natürlich wollen DIE LINKE und Linkskeynesianer lieber Steuermehreinnahmen aus Reichen-, Erbschaft- und wieder erhobener Vermögensteuer. Aber dies ist gegenwär-

die Reichen noch reicher, greift nicht: insbesondere heute bei Fast-Null-Zinsen sind es nicht die Staatsanleihen, an denen sich die Reichen eine goldene Nase verdienen. Staatsanleihen sind „mündelsichere“ Anlagen – im Gegensatz zu Aktien oder Unternehmensanleihen. Deshalb sind es auch insbesondere Lebensversicherungen, die Staatsanleihen halten. Und die Zinszahlungen des Staates werden wieder mit Einkommensteuer belegt. Aber wachsen uns die Staatsschulden dann nicht über den Kopf? Nein! Schuldenfinanzierte öffentliche Investitionen sind rentabel und schlagen sich in mehr Beschäftigung und zusätzlichem Wachstum nieder.

den sind genug!“ von 1984, mit der die IG Metall im Kampf für Arbeitszeitverkürzung unterstützt wurde, sind zwei prominente Beispiele dafür. In der konkreten wissenschaftlichen und politischen Arbeit lassen sich theoretische Differenzen zwischen Marxisten und Keynesianern überbrücken. Argumentativ und in der politischen Umsetzbarkeit müssen unsere Antworten aber immer stimmig sein, sonst haben unsere Politikempfehlungen keine Überzeugungskraft. Ich möchte nun noch auf einige Einzelaspekte in den Beiträgen von Jürgen Leibiger, Ronald Blaschke und Uwe Schnabel eingeben. Zu den Chancen öffentlicher Verschuldung hebt Jürgen die Risiken hervor, weil sich der Staat damit in die Abhängigkeit von den privaten Kreditgebern begibt. Das ist grundsätzlich richtig – nicht erst der Fall Griechenland hat das Erpressungspotential der privaten Gläubiger offenkundig gemacht. Das spricht aber vor allem dafür, dieses Erpressungspotential zu vermindern, nicht jedoch Staatsverschul-

tig kurzfristig politisch nicht durchsetzbar. Darüber hinaus wären allein durch Steuererhöhungen die gewaltigen Beträge nicht mobilisierbar, die angesichts des öffentlichen Investitionsstaus und der Defizite bei Bildung, Gesundheit, Arbeitsförderung und Flüchtlingsintegration zeitnah nötig sind. Deshalb ist Neuverschuldung für sinnvolle Ausgabenvorhaben besser als Resignation oder gar Akzeptanz einer „Schwarzen Null“. Außerdem fällt auch ein ganz grundsätzliches Argument in dieser Debatte gern unter den Tisch: Ausgaben, die zum Teil kommenden Generationen zugutekommen, sollten auch zum Teil von kommenden Generationen übernommen werden. Schuldenfinanzierte Investitionen in Umweltschutz, Infrastruktur und Integration heute sind für unseren Kinder und Enkel viel billiger als eine kaputte Umwelt, ruinierte Infrastruktur und eine gescheiterte Integration mit Ghettos und sozialen Problemen in der Zukunft. Auch das Verteilungsargument, die Staatsverschuldung mache

Solange das Bruttoinlandsprodukt schneller wächst als die Staatsschulden, gibt es kein Problem. Höhere Steuern auf Gewinne, hohe Einkommen und Vermögen sind für DIE LINKE zentral, sowohl zur Finanzierung der Staatsausgaben als auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit. Die Kreditfinanzierung ist daher kein Ersatz für eine umverteilende Steuerpolitik, sondern die beiden ergänzen sich. Klar ist aber auch: Angesichts der skandalösen Pläne zur Erbschaftsteuerreform und der wachsenden Ungleichheit ist eine Kampagne „pro Umverteilen“ oder gegen die Privilegierung von Unternehmenserben für DIE LINKE derzeit viel wichtiger als z.B. eine Kampagne gegen die Schuldenbremse. Zur lockeren Geldpolitik der EZB wird von Jürgen zurecht eingewandt, dass sie in der Realwirtschaft kaum ankommt. Die Unternehmen sehen angesichts von Wirtschaftskrise keine aussichtsreichen Investitionsmöglichkeiten. Das stimmt: Aber ist es die Schuld der EZB, dass sich die europäischen Re-

gierungen – zum Teil erzwungenermaßen, zum Teil aber auch aus ideologischer Verbohrtheit – einer flankierenden Ausgabenpolitik verweigern? Um den Karren aus dem Dreck zu bekommen, müssen Geldpolitik einerseits und Fiskal- und Wirtschaftspolitik andererseits vereint ziehen. Der Karren steckt aber nicht nur im Dreck, sondern im Sumpf, d.h. Nichtstun bedeutet nicht nur Steckenbleiben, sondern ein noch tieferes Versinken. Derzeit zieht allein die EZB am Karren und es gelingt ihr damit immerhin, das weitere Versinken aufzuhalten. Genau deshalb muss die LINKE die Verantwortungslosigkeit der europäischen Austeritätspolitik brandmarken. Schäubles schwarze Null und die gesamte deutsche Schuldenbremse sowie Merkels Spardiktat für die anderen europäischen Regierungen (Fiskalpakt, d.h. europäische Schuldenbremse) sind die Totengräber Europas. Besonders dankbar bin ich Ronald Blaschke für seine Kritik an der Wachstumsfixierung des Keynesianismus. Keynes und Marx haben – wenngleich aus sehr unterschiedlichen Gründen – gemein, dass beide dem Kapitalismus mit zunehmender Reife ein Ende des Wachstums vorhersagen. Die großen industriellen Wachstumspotentiale des Spätkapitalismus sind weitgehend erschöpft – mit Blick auf den Naturverbrauch eine gute Nachricht. Während das nach Marx aber nur in die Krise führt, entwickelt Keynes Visionen für eine hochentwickelte, wachstumslose Ökonomie. Als Herausforderung für eine LINKE Politik bleibt daher, wie trotz eines nahezu gleichbleibendem Sozialprodukts die soziale Teilhabe für die ärmeren Gruppen wachsen kann. Das geht nur durch einen Kampf an vielen Fronten: deutliche Umverteilung, Stärkung der Daseinsvorsorge und des sozialen Dienstleistungssektors und Arbeitszeitverkürzungen insbesondere in Form einer kurzen Vollzeit für Alle und (wieder) einem früheren Renteneintrittsalter. Dazu gehört dann natürlich auch „die demokratische Frage“: Wie bestimmen wir als Gesellschaft demokratisch darüber, was wir wofür und wie produzieren wollen? Auch das ist kein Widerspruch zum linkskeynesianischen Ansatz. Es bleibt bei der Grundanforderung an linke Politik: Wir stellen die Systemfrage für übermorgen und müssen für die Herausforderungen von heute anschauliche Lösungen für morgen bieten, die sich die Menschen konkret vorstellen können. Dr. Axel Troost


Sachsens Linke! 04/2016

Jugend

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#BreakingBeck: Der „Skandal“ liche Problematik notwendig. Sollte der selbstschädigende und eigenverantwortliche Drogenkonsum strafbewehrt sein; und wie verhält es sich mit unserem Verständnis zu anderen legalen Drogen? Dabei hilft ein Blick auf die Fakten. Der Drogenbericht 2015 weist rund 200 Tote pro Tag an den Folgen von Alkohol und 300 Menschen pro Tag an den Folgen des Tabakkonsums aus. Auf das Konto der illegalen Drogen gehen gesamt 1032 Tote (Quelle: DIE ZEIT). Drogen bieten immer Gefahren auf. Es gibt Drogen wie Crystal, die erhebliche Gesundheitsschädigungen mit sich bringen, und eher weiche wie Cannabis, die ab einem gewissen Alter keine nennenswerten durch klinische Studien belegten Auswirkungen haben. Eine Änderung der Drogenpo-

litik ist längst überfällig. Lediglich die Details müssen diskutiert werden. Wir sollten überlegen, ob wir nicht grund-

Tabak, auf 21 Jahre anheben und dafür die Palette der legalen Drogen erweitern. Unter staatlicher Aufsicht können

sätzlich die Altersgrenze für Drogen, inklusive Alkohol und

Qualität, Herkunft und die Abgabe überprüft und reglemen-

Bild: Heinrich-Böll-Stiftung /flickr.com / CC BY-SA 2.0

Der Fall Volker Beck und sein augenscheinlicher Drogenkonsum ist eines der Top-Themen der Republik. Die Kommentare reichen von Verachtung bis Glorifizierung, die Fakten wirken nebensächlich und die Debatte reichlich emotional. Ein Drogen konsumierender Bundestagsabgeordneter scheint mit der Vorstellung vieler Menschen nicht konform zu gehen. Grundsätzlich kann dies auch nicht übel genommen werden. Dennoch ist das reflexartige Gerieren von Laien als Experten mehr als fragwürdig. Das Strafrecht und dessen Bewertung ist Aufgabe der Justiz. Sollte diese einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz feststellen, wird der Gerechtigkeit genüge getan. Statt unsinniger Ereiferungen über das Strafmaß scheint eine Fokussierung auf die eigent-

Termine

Landesjugendplenum in Dresden Vom 27. bis zum 28. Februar fand unser Landesjugendplenum im DGB-Haus in Dresden statt. Am Samstag begann es um 17.00 Uhr mit über 80 Teilnehmer*innen. Damit war dieses Landesjugendplenum eines der größten seit mehreren Jahren. Der maßgebliche Teil der Veranstaltung bestand aus der Wahl unserer Delegation für den Bundeskongress der linksjugend [´solid]. Dieser findet vom 08. bis zum 10. April unter dem Motto „grenzenlos“ in Nürnberg statt. Wir dürfen 22 Menschen dahin

delegieren. Wir begannen mit der Wahl der Kandidatinnen auf der Liste zur Sicherung der Mindestquotierung. Anschließend stellte der Beauftragtenrat seinen Jahresplan vor und die einzelnen Kreisverbände berichteten von ihrer Arbeit. Zudem hatten wir die Jugendkandidatin aus Sachsen-Anhalt, Pia Schillinger zu Gast, die vom Jugendwahlkampf zur Landtagswahl erzählte. Der Sonntag begann mit der Verkündung der Wahlergebnisse vom Samstag und dem anschließenden Frauen*plenum.

Außerdem wurden die gemischte Liste sowie die Ersatzdelegierten der Liste zu Sicherung der Mindestquotierung gewählt. Danach gab es das langersehnte Mittagessen. Am Nachmittag folgte dann der zweite große Part des Landesjugendplenums. In der linksjugend [´solid] Sachsen fand die inhaltliche Arbeit lange Zeit in Landesarbeitskreisen statt. Diese Strukturen sind über die Zeit eingeschlafen und der neue Beauftragtenrat hat es sich auf die Fahne geschrieben, die Landesarbeitskreise

aus ihrem Winterschlaf herauszuholen. Nun haben sich viele Menschen zusammengefunden, um die Arbeit in breitgefächerten Themen von Antifa/Antira über Bildungspolitik bis hin zu Queer/Gender wieder aufzunehmen. Zu guter Letzt wurde noch über drei Anträge an das Landesjugendplenum abgestimmt. Zum Beispiel unterstützen wir nun den Aufruf „Ende Gelände“ gegen einen Ausbau des Braunkohletagebaus in der Lausitz. Florian Paulig

bis 2050 (geplanter Kohleausstieg) weiter gebaggert werden könnte, würde damit kein einziger Euro mehr verdient werden. Die Gewerkschaft IG BCE regt gemeinsam mit dem Stromkonzern Steag eine Stiftung an, wo Geld gesammelt werden soll, um den Betrieb bis 2050 zu finanzieren. Wie absurd, wenn man bedenkt, dass das Ende der Braunkohle in Deutschland schon 2025 sein müsste, wenn

man sich nach dem Klimaabkommen von Paris richtet. Das Kapital zur Sanierung der Kohlekraftvergangenheit müsste dann entweder von den Stromkonzernen mit neuen Technologien verdient werden oder von den Steuerzahler*innen kommen. Die Braunkohleverstromung hat definitiv keine Zukunft mehr und sollte nicht um jeden Preis so lang wie möglich erhalten bleiben. • Paul Gruber

Braunkohleausstieg jetzt! Immer noch sucht Vattenfall Käufer für seine fünf Braunkohle-Tagebaue und vier Kohlekraftwerke in den neuen Bundesländern. Die Bieterfrist ist Mitte März abgelaufen. Angebote gab es von den tschechischen Konzernen EPH und Vršanská uhelná. Das große Problem für die Branche ist, dass im Moment alle Akteur_innen mit der Braunkohle „Geld verbrennen“. Derzeit sind die

Strompreise im Großhandel so niedrig, dass man mit der Braunkohle keine schwarzen Zahlen schreiben kann. Nicht nur rote Zahlen in den Bilanzen, sondern auch die Altlasten, die die Konzerne dazu verpflichten die verwüsteten Landschaften zu sanieren, sorgen dafür, dass Vattenfall massive Probleme hat, seine Braunkohlesparte loszuwerden. Selbst wenn in der Lausitz oder anderswo

Pfingstcamp wird volljährig – Mach mit, mach’s nach, mach’s besser! Das nunmehr 18. Pfingstcamp der Linksjugend Sachsen findet in diesem Jahr vom 13. bis 16. Mai – wie die letzten Jahre auch – im tschechischen Doksy statt. Dort werden wieder mehr als 600 Menschen erwartet, die sich ein Wochenende lang treffen, um zu feiern, zu diskutieren, sich zu betrinken, zu spielen, das Leben zu genießen und natürlich die Welt ein bisschen schöner und freundlicher zu machen.

Gemäß dem diesjährigen Motto „Mach mit, mach’s nach, mach’s besser!“ wird Empowerment das zentrale Thema der inhaltlichen und kulturellen Auseinandersetzung sein. Gerade an Jugendliche und junge Erwachsene werden hohe Anforderungen gestellt, mit denen sie schnell überfordert sind. Eltern, Schule, Uni und Arbeitgeber*innen drängen auf immer mehr Leistung. Diese nicht erfüllen zu können, er-

zeugt auf individueller Ebene eine Art Abhängigkeit, die auf sozialer Ebene wiederum Ausgangspunkt für Diskriminierung und Stigmatisierung sein kann. Dabei lässt sich trefflich darüber streiten, ob elterliche Vorgaben und gesellschaftliche Anforderungen wirklich das Maß aller Dinge sind bzw. wie normierte Vorstellungen überhaupt entstehen. Wir wollen darüber diskutieren, inwiefern Empowerment

tiert werden. Neben zusätzlichen Steuereinnahmen könnte man die Strafverfolgungsbehörden auf diesem Gebiet entlasten und zeitgleich den Fokus auf die Prävention und den verantwortlichen Konsum legen. Schwarzmarkt und Drogenküchen, bei denen man nie weiß, was gepanscht wird, würde somit ein Riegel vorgeschoben werden. Kriminalisierung funktioniert nicht, das ist weltweit zu sehen. Die ersten Länder haben angefangen, umzudenken. Probleme müssen thematisiert und sachorientiert behandelt werden. Stigmatisierung verursacht nur weitere Probleme. Eine Gesellschaft, die sich die Gesundheit zur Maxime gesetzt hat, kann die Kranken nicht als Aussätzige behandeln. Daher #RethinkLaw statt #BreakingBeck! Moritz Thielicke

geeignet ist, hierarchische Strukturen aufzubrechen und Diskriminierung abzubauen. Gleichzeitig wollen wir Räume schaffen, in denen sich Menschen Wissen und Fähigkeiten aneignen können, die sie selbst wünschen. Wenn Du mehr erfahren oder teilnehmen möchtest, findest Du alle Information unter www.linksjugendsachsen.de/events/pfingstcamp und auf www.facebook. com/linksjugend.Sachsen.

06. April, 19 Uhr, Linxxnet, Leipzig: Der Untergrund – subkulturelle Wurzeln radikaler Theorie und Praxis ab 1900. Infos: gleft.de/1f7 09. April, 17 Uhr, AJZ Talschock, Chemnitz: VJ Workshop. Umgang mit Visuals als Musikuntermalung. Infos: gleft. de/1f8 29. April, 18 Uhr, Hauptbahnhof, Chemnitz: Critical Mass Chemnitz. Demonstration als Radfahrer für die Stärkung der Rechte gegenüber dem motorisierten Individualverkehr. Infos: gleft.de/1f9 07. Mai, 14 Uhr, Postplatz, Dresden: Globalmarijuana March Dresden. Kundgebung für die Legalisierung von Marijuana. Infos: gleft.de/1fa 17. Mai, Augustusplatz, Leipzig: Rainbowflash Leipzig. Erinnerung an den Tag, als Homosexualität endlich aus dem Diagnoseschlüssel der WHO gestrichen wurde. Infos: gleft. de/1fb 28. Mai, 12 Uhr, Ort wird noch bekannt gegeben: CSD Dresden. Parade für die Anerkennung der Vielfalt der menschlichen Geschlechter. Infos: gleft.de/1fc 27. - 29. Mai: CSD Straßenfest. Drei Tage feiern und informieren. Infos: gleft.de/1fd Und zum fett Anstreichen: Pfingstcamp in Doksy, Tschechien – Freitag bis Montag! Infos: gleft.de/1cb P.S.: Gestalte mit und mach uns alle mit Deinen Ideen reicher.


DIE LINKE im Europäischen Parlament

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04/2016 Sachsens Linke!

Brüssel im Fadenkreuz Kurz vor Ostern herrscht immer Hektik bei uns, letzte Meetings, Absprachen, Gespräche, Vereinbarungen, Dauerlauf durchs Parlament. Ein bisschen missmutig war ich, weil ich Dienstag früh um acht noch ein Arbeitsfrühstück hatte zur Energiepolitik, thematisch spannend, aber bei immer gleich schlechtem Kaffee. Ein französischer Kollege zeigte mir plötzlich eine Meldung. Ich las etwas von elf Toten auf dem Flughafen, an dem Ort, von dem ich nach Hause wollte. Meine Mitarbeiterin Manuela und ich trafen auf dem Weg in unser Büro Kolleg/innen unserer Fraktion, die prüften, ob jemand fehlt. Nein, alles gut. Kreidebleich stand plötzlich einer unserer deutschen Mitarbeiter da, ein zweiter Angriff, die Metrostation Maalbek. Das ist die Station, die ich immer nehme, wenn wir ins Zentrum fahren wollen. Nahe dem Parlament, eine der Ankunftsstationen zahlreicher Mitarbeiter und Abgeordneter. Und die Station, in der mein Mitarbeiter Lorenz jeden Morgen seinen Kaffee kauft, immer um dieselbe Zeit, nun an diesem Tag zehn Minuten später. Es waren die verspäteten zehn Minuten, die ihn vor der Katastrophe bewahrten. Als Lorenz eintraf, war unser Büro komplett, denn unsere Praktikantin Katharina war früher gekommen. Wir gingen in die Kaffeebar, wo sich viele trafen. Draußen vor dem Parlament war der Platz leergefegt,

überall Polizei und Armee, einige Ausgänge des Parlamentes waren dicht, Passkontrollen überall. Sperren, wir saßen wie im Bunker. Was nun? Abwarten, alle Veranstaltungen, im Parlament, aber auch außerhalb wurden abgesagt. Wir hockten vor den Computern und die Nachrichten purzel-

ten liefen um den Kontinent und alle waren besorgt. Eine der ersten SMS aus Sachsen war die von Rico Gebhardt. Ist alles okay? Ich antwortete. Ja. Schließlich erwischte mich mein Dresdner Mitarbeiter Jan und endlich Silvana. Auf dem Festnetz rief das Brüsseler Büro meiner sächsischen SPD-

später nach Deutschland fahren wollten, alles OK. Dann brachten uns Parlamentsfahrer zum Autoverleih, wo sich die Leute rührend um jeden einzelnen kümmerten. Ab ins Auto, im Schritttempo aus Brüssel raus, überall Sperren und Armee. Als Konstanze, eine ihrer Kolleginnen und ich

ten, immer mehr Opfer, Tote, über 30. Der Flughafen zerstört, alle Züge fielen aus, keine Busse, keine Metro, Stille. Anrufen, nach Hause anrufen … Das fiel vermutlich zeitgleich allen ein. Es war stundenlang unmöglich, wen auch immer zu erreichen, noch nicht mal der SMS-Versand funktionierte, was zumindest mich in Panik versetzte, denn die Nachrich-

Kollegin Konstanze Krehl an. Ist bei euch alles okay? Ich habe ein Auto gechartert. Willst Du mitfahren? Nach kurzer Überlegung begriff ich, dass ich in den nächsten Tagen kaum eine reelle Chance haben würde, heimzukommen, und entschloss mich, mit ihr zu fahren. Kurzcheck bei meinen Mitarbeitern, die in Brüssel zuhause sind oder deutlich

Brüssel hinter uns hatten, erreichte ich endlich meine Familie, um mitzuteilen, dass ich jetzt komme. In Aachen atmeten wir erstmal durch, endlich drüben, zuhause. Was zuhause ist, stellt sich in seiner Bedeutung relativ dar. Für uns war es Aachen, ein Ort, an dem ich bisher noch nie gewesen bin. Von dort aus ging es Richtung Sachsen.

Was ist nun passiert? Erst im Fernsehen verstand ich die ganze Dimension der Katastrophe, für die es keinerlei Entschuldigung gibt. Und was können wir wirklich tun? Wie kann man so etwas verhindern? Täter aufgreifen, Ursachen ermitteln. Ja, das ist das Mindeste, auch wenn es die getöteten Opfer ihren Angehörigen nicht mehr zurückzubringen vermag. Aber allein das genügt nicht, um neues Unheil zu verhindern. Terrorismus lässt sich eben nicht nur militärisch bekämpfen. Die ehrliche Aufarbeitung muss es geben, angefangen bei der Austrocknung von Terroristenfinanzierungen bis hin zu echter Präventionspolitik, die bei Jugendlichen beginnen muss, wenn sie erfolgreich sein will. Und wir brauchen eine völlig neue Qualität der Opferunterstützung, juristisch, medizinisch, sozialintegrativ. Notwendig ist ebenso ein anderer Ansatz im Umgang mit Religionen. Nichts funktioniert mit einer einzigen Maßnahme. Überstürzte Repressionspolitik bringt dauerhaft nichts, im Gegenteil. Sie vermittelt eher Hilflosigkeit. Wir sind ganz am Anfang und müssen als erstes die Frage beantworten, warum fanatischer Terrorismus, wie er von ISIS ausgeht, so viele Menschen, insbesondere junge Leute anzieht. Und wie wir ihre Köpfe zurückgewinnen können. Bevor es zu spät ist. Cornelia Ernst, MdEP

Hinter verschlossenen Türen – Ausstellung zu Häuslicher Gewalt vertrauensvolle und schöne Zusammenarbeit bedanken. Die gemeinsame Arbeit war ungemein bereichernd und wir freuen uns auf kommende Projekte. Herzlichen Dank an Sarah Buddeberg, Pia Barkow, Mirko Schäffner, Anton Hörtels und Réne Strowick.

Bild: Anton Hörtels

Am 11. März war es soweit. Im Zuge des Frauentages und im Rahmen der Veranstaltung von Sarah Buddeberg zur Häuslichen Gewalt und Sexismus im Sächsischen Landtag haben wir unsere gemeinsame Ausstellung zum Thema feierlich eröffnet. Zur Eröffnung waren über 50 Vertreter_innen und Gäste erschienen, darunter Beratungsstellen, kommunale Handlungsträger_innen sowie landesweite Fraueninitiativen. Schwerpunkte der Fachtagung waren sowohl die inhaltliche Auseinandersetzung mit Sexismen und Ungleichheitsverhältnissen als auch die Diskussion zur Situation in Sachsen und Europa, verbunden mit aktuellen parlamentarischen Initiativen der beiden Linksfraktionen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand aber die gemeinsame Begehung der Ausstellung „Hinter verschlossenen Türen – Einblicke zur Häuslichen Gewalt“. Von Herzen möchten wir uns an dieser Stelle für die

Die Ausstellung selbst soll in den nächsten Wochen und Monaten durch Sachsen wandern. Denn das Thema ist nach wie vor weit verbreitet, die Zahl der von Häuslicher Gewalt Betroffenen immens. Aus diesem Grund ist es wichtig, für das Thema zu sensibi-

lisieren und es bewusst in die Öffentlichkeit zu tragen. Mit der Ausstellung wollen wir dazu beitragen. Natürlich freuen wir uns auf und über eine rege Beteiligung. Viele Kreise und Genoss_innen haben die Ausstellung für die kommenden Wochen bereits angefragt,

auch außerparlamentarische Träger_innen. Die Tafeln werden so u.a. auch im Dresdner Rathaus und im November in den Räumen des DGB zu sehen sein. Ungeachtet dessen ist es weiterhin möglich, sich die Ausstellung noch auszuleihen! Wenn ihr Fragen dazu habt, könnt ihr euch gern an die beiden Abgeordnetenbüros wenden. Wir unterstützen euch gern und freuen uns über euer Interesse! Es ist wichtig, das Thema als gesamtgesellschaftliches Problem öffentlich zur Diskussion zu stellen: Denn Gewalt ist nie privat und es geht uns alle an! Kontakt: bb-buddeberg@linksfraktionsachsen.de; europa@corneliaernst.de Anja Eichhorn, Europabüro Dr. Cornelia Ernst


Sachsens Linke! 04/2016

DIE LINKE im Bundestag

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Gesundheit unter Kostendruck zusparen – und das gerade bei der Gesundheit. Die Probleme sind seit langem bekannt. Die schlechte Bezahlung und der hohe Arbeitsdruck sind auch Gründe für den oft beklagten Pflegenotstand. Wer will schon in einem Beruf arbeiten, der von starker Belastung, Burnout, hohem Krankenstand und nied-

ßung bedroht. Das könnte gerade Kinder- und Geburtsabteilungen treffen, weil die medizinische Versorgung von Kleinkindern und Säuglingen sehr aufwendig ist. Und die neuen Regelungen machen den Erhalt von Einrichtungen von der Zahl der dort behandelten Patientinnen und Patienten abhängig.

ambulante Behandlung anbieten. Das kann dem Ärztemangel in manchen Gegenden entgegenwirken. Klar ist aber, dass die Finanzierung des Gesundheitswesens wieder an den realen Bedürfnissen der Bevölkerung ausgerichtet werden muss. Wir fordern als LINKE deshalb eine

rigen Löhnen gekennzeichnet ist? Aus dem Bundesgesundheitsministerium kommen zwar immer wieder Reformvorschläge. Aber egal wer dort im Amt ist – ob Christ-, Sozial- oder Freidemokraten –, die frei zugängliche Gesundheitsversorgung wird zusammengestrichen, Gesundheit wird immer mehr zur Ware, die zum Verkauf angeboten wird. Seit dem 1. Januar ist ein neues so genanntes Krankenhausstrukturgesetz in Kraft. Damit will die Bundesregierung einen weiteren Abbau von Krankenhauskapazitäten erreichen. Gerade kleinere Häuser sollen geschlossen werden. Auch kleinere oder kostenaufwendige Krankenhausabteilungen werden verstärkt von der Schlie-

Wenn nun eine Zeitlang weniger Kinder geboren oder im Krankenhaus behandelt werden müssen, kann das schnell dazu führen, dass die zuständigen Einrichtungen ganz geschlossen werden. Auch der allgemeine Bevölkerungsrückgang in manchen sächsischen Gemeinden kann zu einer Verringerung der Fallzahlen und zur Schließung von Krankenhäusern führen. Wenn diese einmal weg sind, wird es schwierig und teuer, sie wieder neu aufzubauen. Zum Februar wurde das Krankenhaus in Rochlitz geschlossen. Es ist unklar, wie es dort weitergeht. Vielerorts entstehen heute so genannte medizinische Versorgungszentren, wo unterschiedliche Fachärztinnen und -ärzte

gemeinsame Krankenversicherung für alle Beitragszahlerinnen und -zahler – Angestellte, Selbständige und Beamtinnen und Beamte zusammen. Das würde der Rosinenpickerei der privaten Krankenversicherer einen Riegel vorschieben und die Einnahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung deutlich verbessern. Aber in jedem Fall müssen Geburtsstationen, Notaufnahmen und andere wichtige medizinische Dienste überall verfüg- und in Wohnortnähe erreichbar bleiben. Ob dafür Geld da ist oder nicht, ist eine politische Entscheidung. Dafür streiten wir als LINKE – Seit an Seit mit den Beschäftigten wie mit den Patientinnen und Patienten. Sabine Zimmermann

Bild: Gerolf Nikolay /flickr.com / CC BY-NC 2.0

Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wird immer stärker unter Finanzierungsvorbehalt gestellt. Betriebswirtschaftliche Kriterien bestimmen nach dem Willen der Bundesregierung mehr und mehr den Alltag in Krankenhäusern, aber auch bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Seit 1991 ist die Zahl der Krankenhäuser bundesweit von 2.411 auf 1.980 gesenkt worden. Die Zahl der Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner ging von 832 auf 613 zurück, also um ein Viertel. Ich habe die Bundesregierung gefragt: Allein in den Jahren seit 2004 sind 186 Krankenhäuser verschwunden. Damals wurden die Fallpauschalen (DRG) eingeführt, mit denen die Behandlungskosten im Krankenhaus auf einen statistischen Durchschnitt gedeckelt werden. Diese Pauschalen reichen in vielen Fällen für eine angemessene Behandlung nicht aus. Die Krankenhäuser bekommen nur rund 93 Prozent ihrer tatsächlichen Kosten erstattet. Weil sie pro „Fall“, also pro behandelte/n Patient/ in, nur einen knapp bemessenen Festbetrag bekommen, entlassen sie ihre Patientinnen und Patienten so schnell wie irgend möglich. Auch die Entlohnung des Personals – besonders des Pflegepersonals, also der Krankenschwestern und Arzthelfer – steht unter Kostendruck. Immer mehr Krankenhäuser arbeiten mit Haustarifen oder vergeben Aufgaben an auswärtige Dienstleistungsunternehmen, die noch schlechtere Löhne zahlen. Die Patientinnen und Patienten sowie die Beschäftigten müssen die Folgen einer Politik ausbaden, die seit Jahren nur noch darauf setzt, Kosten ein-

Verständigungsprobleme Menschliche Kommunikation ist manchmal schwierig. Das gilt auch für die Politik. Da ich als Haushaltspolitiker der LINKEN unter anderem für den Etat des Verteidigungsministeriums zuständig bin, interessiert mich auch, woher die Bundeswehr ihre Bekleidung bezieht. Ob bei der Produktion Arbeitnehmerrechte eingehalten werden, muss für öffentliche Aufträge ein entscheidendes Kriterium sein. Also habe ich mich beim Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) nach den Handelspartnern der Bundeswehr-Bekleidungsgesellschaft sowie den Produktionsorten erkundigt. In der Regel kann man mit einer Antwort, zu der Ministerien verpflichtet sind, in ca. drei Wochen rechnen. Nicht so in diesem Fall. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass dem Haushaltsreferat des BMVg zwar eine Antwort der zuständigen Fachabteilung vorliege, jene aber unzureichend sei. In der Folge telefonierte eine Mitarbeiterin der Abteilung nicht weniger als fünf Mal mit meinen Mitarbeitern und danach noch mit mir selbst, um zu klären, was genau die Frage war. Anschließend bat das BMVg um weiteren Aufschub. Nach insgesamt acht Wochen kam dann tatsächlich eine Antwort – die trotz allem nicht die geforderten Informationen enthielt: Die Produktionsländer, unter ihnen solche, in denen Arbeitnehmerrechte verletzt werden, stehen zwar im Begleitschreiben, nur leider ohne Zuordnung zum deutschen Vertragspartner. Nun mag menschliche Kommunikation schwierig sein. Hier scheint es jedoch, als habe man nicht verstehen wollen. Es hilft dem BMVg nichts: Die nächste Anfrage ist bereits unterwegs. Michael Leutert

Abgehängt statt angekoppelt! Wie Bund und sächsische Staatsregierung den Schienenverkehr sterben lassen „Es fährt ein Zug nach nirgendwo …“, heißt es in einem bekannten Schlager. Für Sachsen gilt vielleicht bald: „Es fährt kein Zug nach irgendwo …“. Zwar haben die MinisterpräsidentInnen der Länder dem Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) im Rahmen der Verhandlungen um den Asylkompromiss sogar eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel auf insgesamt acht Milliarden Euro für 2016 abgerungen. Es war zwar abzusehen, dass das nicht reicht; Anträge der LINKEN auf Mittelerhöhung wurden im Bundestag abgelehnt. Wie diese acht Milliarden unter

den Ländern aufgeteilt werden sollen, dazu gab es jedenfalls zunächst keine Vereinbarung. Die sächsische Staatsregierung unter Ministerpräsident Tillich (CDU) und Verkehrsminister Dulig (SPD) ging fälschlicherweise von einem festen Schlüssel aus, blieb erst untätig und stimmte dann im letzten Herbst einem für die ostdeutschen Bundesländer nachteiligen Beschluss zu. Wieviel Geld welches Bundesland nun genau bekommen wird, entscheidet demnächst der Bundesrat. Sachsen bekommt dann wohl am Ende weniger Mitteln, weil der Verteilungsschlüssel zu Gunsten der bevölkerungsreicheren Bundesländer im Westen verändert wurde und Sachsen im Bundesrat gepennt hat.

Aber es geht noch weiter: Sachsen gibt nur knapp 80 % der Mittel an die Verkehrs-Zweckverbände weiter, den Rest verwendet der Finanzminister, um seinen Haushalt zu entlasten. Ergebnis: Die Menschen im ländlichen Raum in Sachsen warten künftig vergeblich auf den Zug. Die Streichung erster ist schon fest angekündigt: Döbeln-Nossen-Meißen, Aue-Thalheim, Pirna-NeustadtSebnitz, Chemnitz-Döbeln-Riesa-Elsterwerda. Und selbst in der Region Dresden steht der schon fest eingeplante 15-Minuten-Takt der S-Bahn, für den jahrelanger Streckenabbau gerade abgeschlossen wird, nun auf der Kippe. Besonders absurd wird es bei der Strecke Hoyerswerda-Gör-

litz. In den kommenden Jahren fördert der Bund die Sanierung und den Ausbau der Strecke für den Güterverkehr. Gleichzeitig wird der Personenverkehr eingestellt. Die Anwohner haben künftig also keinen Vorteil mehr von der Strecke, tragen aber durch gesteigerten Güterverkehr mit einhergehender Lärmbelästigung mehr Nachteile. Besonders enttäuschend ist bei all dem mal wieder die Rolle der SPD. 2012, damals noch in der Opposition, forderte die sächsische Sozialdemokratie, 90 % der Regionalisierungsmittel weiterzugeben. Nun ist davon nichts mehr zu hören. Im Gegenteil, aus dem Dulig-Ministerium heißt es lediglich: „Sollte tatsächlich eine Neuverteilung […] vorgenommen werden,

wird es Aufgabe des Freistaates sein, Finanzierungsstrategien zu entwickeln“. Konkrete Maßnahme? Fehlanzeige. Wir als LINKE sagen: Eine gute Anbindung im öffentlichen Personennahverkehr durch Bahnstrecken ist elementar für die Mobilitätsansprüche der Menschen in ländlichen Regionen. Wer das weitere Abwandern aus den Flächenlandkreisen in die Städte verhindern will, der muss jetzt handeln und für den Erhalt der Nahverkehrsstrecken sorgen! Caren Lay


Kommunal-Info 3-2016 30. März 2016 Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de

KFS

Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Flüchtlingspolitik Studie zur Finanzierung der Flüchtlingspolitik

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„Wohnen 2045“ Eine Studie von Allianz und Prognos

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Publikationen Aktuelle Titel des Kommunalpolitischen Forums aus der Reihe „Edition KFS“

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Veranstaltungen - Mobilität im ländlichen Raum - Intensivseminar Drogenpolitik Seite 4

Muslimische Bestattungskultur und deutsches Bestattungsrecht Die Thematik der islamischen Bestattungskultur und ihrer Vereinbarkeit mit dem deutschen Friedhofs- und Bestattungsrecht ist bisher weitgehend unbeachtet geblieben. Das mag daran liegen, dass in Deutschland die Muslime bis 2015 ganze 5% an der Gesamtbevölkerung ausmachten; in Sachsen waren es gar nur 0,7%, während es z.B. in Berlin 8,2%, in NRW 7,5% und in Bayern 4,3% waren. In Deutschland wurden bisher (ggf. bei Kostenübernahme durch das Sozialamt) fast nur Säuglinge und Totgeburten, Konvertiten, Muslime mit deutschem Ehepartner oder deutscher Staatsangehörigkeit, Kriegsflüchtlinge, politisch verfolgte Asylberechtigte sowie Problemfälle wie Gewaltopfer oder Verstorbene ohne familiäre Bindung bestattet. Aufgrund der demographischen Entwicklung (die erste Generation der Zugewanderten erlangt inzwischen das Rentenalter), der fortschreitenden Integration und eines größeren Zustroms an Flüchtlingen ist in Zukunft mit einer höheren Zahl islamischer Bestattungen in Deutschland zu rechnen. Da islamische Verbände nicht als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, können sie wie in allen Bundesländern so auch in Sachsen nach § 3 des Sächsischen Bestattungsgesetzes (SächsBestG) keine eigenen Friedhöfe anlegen. Eine Bestattung von Angehörigen kann derzeit nur auf gesondert eingerichteten Grabfeldern kommunaler oder kirchlicher Friedhöfe erfolgen. Welche verfassungsrechtlichen Grundlagen hierbei zu beachten sind und wie mit den Ritualen praktisch

umgegangen werden kann, dem widmet sich ein neues Heft in der Schriftenreihe der „KWI-Arbeitshefte“ des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam.*

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Das Friedhofs- und Bestattungsrecht liegt in Deutschland in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder. Dieses Friedhofs- und Bestattungsrecht steht in vieler Hinsicht einer Bestattung nach islamischer Bestattungskultur entgegen. Mögliche bestattungsrechtliche Beschränkungen islamischer und damit religiös begründeter Bestattungsrituale sind am Maßstab der Religionsausübungsfreiheit des Grundgesetzes (GG) zu überprüfen. Nach Artikel 4 Abs. 2 GG hat jeder das Recht, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Und dazu zählt auch, zu Lebzeiten Vorkehrungen für eine der religiösen Überzeugung entsprechende Bestattung zu treffen. Außerdem gelte ebenso ein religiös begründetes Totensorgerecht der Angehörigen, was sich in der Regel am mutmaßlichen Willen des Verstorbenen orientieren wird, unter Berücksichtigung der Religionszugehörigkeit bzw. der religiösen Überzeugung des Verstorbenen. Das Bundesverfassungsgericht und die herrschende Rechtsmeinung sehen in Artikel 4 Abs. 2 GG ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht, das ausschließlich durch kollidierendes Ver-

fassungsrecht eingeschränkt werden könne, insbesondere unter Verweis auf den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit auf Artikel 2 Abs. 2 GG. Zwar gibt es in Deutschland zum Anspruch auf islamische Bestattung bisher keine Entscheidungen auf höchstrichterlicher Ebene. Dennoch wird die Auffassung vertreten, dass Angehörigen einer religiösen Minderheit, die über keine eigenen Sonderfriedhöfe verfügt, die Bestattung auf öffentlichen Friedhöfen nach deren religiösen Vorschriften ermöglicht werden muss. Dabei ist gegebenenfalls durch gesetzliche Regelungen bzw. Verordnungen sowie im Einzelfall durch zu erlassende Nebenbestimmungen sicherzustellen, dass insbesondere die Belange des Gesundheitsschutzes so weit als möglich gewahrt werden.

Einzelne Rituale

Die rituelle Waschung des Verstorbenen ist nach islamischen Brauch eine kollektive Pflicht, d.h., eine Gruppe von Muslimen erfüllt die vorgeschriebene Handlung als Verpflichtung für die Gemeinschaft. Bei der rituellen Waschung geht es weniger um ein juristisches Problem, sondern um die praktische Bereitstellung entsprechender Räumlichkeiten. Rituelle Waschungen gehören nicht zu notwendigen Leistungen der Friedhöfe und es besteht auch kein Leistungsanspruch gegen den Staat. Jedoch sind diese Handlungen in Räumen von Moscheen, Bestattungsunternehmen oder Prosekturräumen von Krankenhäuser sowohl rechtlich als auch tatsächlich

möglich, sofern die auf den Gesundheitsschutz ausgerichteten Vorschriften eingehalten werden. Die vorherige Leichenschau soll nach Möglichkeit von einer ärztlichen Person des gleichen Geschlechts wie der oder die Tote durchgeführt werden. Das Totengebet ist eine Kollektivpflicht und wird stehend in oder vor der Moschee oder an einem besonderen Platz unter freiem Himmel oder gelegentlich auch am Grab verrichtet. Dabei wird der Leichnam auf der rechten Seite liegend, von Deutschland aus gesehen mit dem Kopf nach Südwesten und den Füßen nach Nordosten, mit dem Antlitz nach Mekka ausgerichtet. In Deutschland stößt das Beten unter freiem Himmel aufgrund der Wetterbedingungen mitunter an praktische Grenzen. Das Ausweichen in Feierhallen ist oftmals wegen christlicher Symbolik oder zu kleiner Räumlichkeiten (bei oft großen Trauergemeinden) nicht möglich. Deshalb werden pragmatische Lösungen und Absprachen mit den örtlichen muslimischen Gemeinschaften empfohlen. Beerdigung im Leichentuch: Nach ritueller Waschung gehört es ebenso zur Kollektivpflicht, den Leichnam in weiße Leichentücher einzuwickeln. Obwohl auch in Deutschland die Beerdigung im Leichentuch noch bis ins 19. Jahrhundert als normal galt, war bis vor wenigen Jahren in allen Bundesländern die Sargpflicht gesetzlich verankert. Erst seit den 1970er Jahren wurden teilweise Ausnahmen zugelassen: zuerst in Essen, Aachen, Düsseldorf und anderen Städten. Hamburg erlaubte


Kommunal-Info 3/2016 Bestattungen im „offenen“ Sarg (ohne Sargdeckel), vereinzelt wurde der Sargdeckel auch verkantet, ohne dass die gesetzliche Sargpflicht aufgehoben wurde. Keinerlei Ausnahmen vom Sargzwang bestehen in Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Keinen im Wortlaut geltenden Sargzwang weisen die Bestattungsgesetze in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und NordrheinWestfalen aus. In den Rechtmeinungen wird zu diesem Ritual unterschiedlich argumentiert. Unter Verweis auf ein Fatwa (Rechtsauskunft) der Akademie für Islamisches Recht in Mekka, die eine Bestattung in schlichten, undekorierten und leichten Särgen aus Weichhölzern erlaubt habe, wird eine Berufung auf den Artikel 4 Abs. 2 GG verneint. Außerdem könne das Verbot der sarglosen Bestattung durch entgegenstehende Belange des Schutzes des Lebens und der Gesundheit nach Artikel 2 Abs. 2 GG begründet werden. Die in Hessen lange Zeit als Kompromiss geübte Praxis des Ablegens des Sargdeckels neben dem Grab wird als ausreichend angesehen. Jedoch wird ein ausnahmsloser Sargzwang, wie er in den Bestattungsgesetzen einiger Länder vorgegeben ist, nicht für verfassungskonform gehalten. Einer sarglosen Bestattung solle dann stattgegeben werden, wenn im Einzelfall der Gesundheitsschutz nachgewiesen wurde. Erdbestattung: Der muslimische Glaube an eine Auferstehung der Toten und das Jüngste Gericht schreibt die Beisetzung des Leichnams im Erdgrab vor und verbietet die Feuerbestattung. Eine Beisetzung in einem Bestattungswald (Friedwald, Ruheforst) kommt deshalb nicht infrage, da hier gesetzlich nur eine Feuerbestattung zugelassen ist. Bestattungsfrist: Aus der prophetischen Überlieferung wird gemeinhin abgeleitet, dass die Bestattung innerhalb einer Frist von 24 Stunden nach Feststellung des Todes zu erfolgen habe. In den meisten Ländern ist eine Bestattung frühestens nach 24 oder erst nach 48 Stunden erlaubt. Nach § 19 des SächsBestG darf eine Erdbestattung frühestens 48 Stunden nach Feststellung des Todes erfolgen. Das Gesundheitsamt des Sterbeortes kann die 48-Stunden-Frist verkürzen, wenn andernfalls gesundheitliche oder hygienische Gefahren zu befürchten wären. In den Gesetzen anderer Bundesländer werden als weitere Ausnahmegründe von der gesetzlichen Bestattungsfrist benannt: eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wenn ein Scheintod ausgeschlossen ist, wenn der Frist wegen besonderer örtlicher Verhältnisse erhebliche Hindernisse entgegenstehen, wenn ein berechtigtes Interesse des Antragstellers oder seiner Angehörigen besteht, aus religiösen Gründen oder allgemein aus wichtigem Grund. Sofern in den Bestattungsgesetzen bzw. -verordnungen der Länder allgemeine Ausnahmen oder solche aus wichtigem, insbesondere religiösem Grund, aufgrund eines berechtigten Interesses zugelassen werden und wenn ein Scheintod ausgeschlossen werden kann, können diese als verfassungskonform betrachtet werden. Hingegen sind Regelungen der Länder, die ausschließ-

Seite 2 lich Ausnahmen aus gesundheitlichen Gründen oder wegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zulassen, als nicht verfassungskonform anzusehen, da hier ein Eingriff in den Schutzbereich des Artikel 4 Abs. 2 GG angenommen wird. Das Ausheben und Schließen des Grabes sowie das Tragen des Leichnams werden traditionell weitestgehend von den (männlichen) Angehörigen selbst durchgeführt. Insbesondere das Tragen der Bahre bzw. des Sarges auf den Schultern gilt als sehr verdienstvoll sowohl für den Verstorbenen als auch für die Tragenden, die sich daher oft abwechseln. In der Regel lehnen die Friedhofsverwaltungen eine Beteiligung der Angehörigen unter Hinweis auf versicherungsrechtliche Probleme ab bzw. dulden sie nur beim Schließen des Grabes. Jedoch sind praktische Kompromisse durchaus möglich. Zum Beispiel wird in Hannover das Absenken des Sarges bzw. des Leichnams in das zuvor gesicherte Grab sowie das Zuschaufeln desselben den Angehörigen unter Anleitung von Mitarbeitern der

Verwaltung überlassen. Weitere mögliche Alternativen sind zumindest ein Abwechseln beim Schieben des Bahrwagens oder die Erlaubnis, den Sarg bzw. Leichnam das letzte Stück bis zum Grab zu tragen. Jedoch bestehe kein Anspruch auf weitergehende Beteiligung, da es hierbei nicht um zwingende religiöse Vorschriften gehe und die körperliche Unversehrtheit für die Angehörigen eine Einschränkung rechtfertige. Ewiges Ruherecht: Aus islamischer Sicht ist der Friedhof der Ort, um eine ewige Totenruhe zu gewährleisten und ähnlich wie im Judentum wird ein dauerndes Ruherecht gefordert, das Exhumierungen, Umbettungen und Wiederbelegungen ausschließt. In den meisten Bestattungsgesetzen sind für Erdbestattungen gesetzliche Mindestruhezeiten von 15 bis 25 Jahren vorgesehen, in Sachsen beträgt sie nach § 6 Abs. 2 SächsBestG 20 Jahre. Jedoch kann der Träger des Bestattungsplatzes nach § 6 Abs. 3 SächsBestG in der Benutzungsordnung eine längere als die durch das Gesetz vorgeschriebenen Ruhezeit vorsehen.

Auch ein ewiges Ruherecht fällt unter den Schutzbereich von Artikel 4 Abs. 2 GG, sofern es religiös begründet wird. Deshalb können Muslime einen Anspruch auf Gewährung eines ewigen Ruherechts geltend machen. Sie müssen allerdings eine zumutbare und mitunter in der Praxis nicht unwesentliche Erhöhung der entsprechenden Grabnutzungsgebühren akzeptieren. Auch im deutschen Recht waren sog. „Ewigkeitsgräber“ nicht unbekannt, die auf Friedhofsdauer oder ohne zeitliche Begrenzung angelegt waren, später Erbbegräbnisrechte genannt wurden und sich durch die Weitergabe des Rechts auf Beisetzung durch Vererbung auszeichnen. Nach gefestigter Rechtsprechung kann das Fortbestehen von „Ewigkeitsgräbern“ von der Zahlung nach bestimmten Zeitabschnitten zu entrichtender Erneuerungsgebühren abhängig gemacht werden, wenn dies zur Bestreitung der für die Unterhaltung des Friedhofs anfallenden Kosten erforderlich ist und die verlangten Gebühren nicht unzumutbar hoch sind. Aus muslimischer Sicht sind Muslime nur unter Muslimen beizusetzen. Diese Forderung ist in der Regel nur durch die Anlage gesonderter muslimischer Grabfelder auf Friedhöfen zu erfüllen. Sollten noch sterbliche Überreste aus früherer Belegung gefunden werden, müssen diese entfernt werden. Ein aus Artikel 4 Abs. 2 GG abgeleiteter Anspruch auf ein eigenes Grabfeld ist nur dann gegeben, wenn in zumutbarer Entfernung vom Wohnort kein anderes muslimisches Grabfeld besteht. Ausrichtung des Grabes nach Mekka: Der Leichnam wird wie bei der Aufbahrung für das Totengebet auf der rechten Seite liegend, von Deutschland aus gesehen mit dem Kopf nach Südwesten und den Füßen nach Nordosten, mit dem Antlitz zur Kaaba in Richtung Mekka in das Grab gelegt. Die hierbei verlangte Südwest-Nordost-Ausrichtung des Grabes passt bei den bestehenden Friedhöfen nicht in das gegebene Wegeraster, weshalb für muslimische Grabfelder bevorzugt Erweiterungsflächen am Rand des Friedhofs genutzt werden. Ein aus Artikel 4 Abs. 2 GG abgeleiteter Anspruch ist hier nur in Verbindung mit einem eigenen Grabfeld zu begründen. In Absprache mit den örtlichen muslimischen Organisationen können auch hier die Friedhofsgestaltung berücksichtigende, pragmatische Lösungen gefunden werden. Abzulehnen sei dabei der Kompromiss, eine Ausrichtung nach Mekka nur unterirdisch vorzunehmen, da die von der tatsächlichen Lage des Verstorbenen abweichende oberirdische Grabform eine Gefahr der Störung der Totenruhe erzeuge. Grabgestaltung und Grabpflege: Im Islam ist jegliche Art von Verschwendung, auch für die Grabgestaltung untersagt. Oftmals werden nur zwei Steine oder Stelen am Kopf- und Fußende des Grabes gesetzt. Blumen werden als Schöpfung Gottes teilweise zugelassen. Die Totenruhe soll nicht durch Arbeiten am Grab gestört werden. Anstelle der Steine oder Stelen am Kopf- und Fußende des Grabes, die in Deutschland selten bei muslimischen Gräbern zu finden sind, werden vielfach auch Grabeinfassungen gesetzt,

um das Grab als solches kenntlich zu machen und eine Störung der Totenruhe durch unbeabsichtigtes Betreten zu verhindern. Das Recht auf freie Grabgestaltung wird aus Artikel 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde des Verstorbenen) und Artikel 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit des Totenfürsorgeberechtigten) abgeleitet. Dem steht die in den Friedhofssatzungen bzw. -ordnungen festgelegte, öffentlich-rechtliche Pflicht des Nutzungsberechtigten zur gärtnerischen Pflege gegenüber, die mit dem Recht der anderen Friedhofsbenutzer, ihrer Verstorbenen würdig zu gedenken, sowie dem Recht und der Pflicht des Friedhofsträgers zu Maßnahmen zur Verwirklichung des Friedhofszwecks begründet wird. Unter Berücksichtigung der religiös begründeten Totenruhe wäre ein Einebnen der Gräber nicht zulässig, solange dies aus rein gestalterischen Gründen oder zur Bewahrung der Würde des Friedhofs geschieht. In der Praxis sind auch hier Vereinbarungen über die Pflege der muslimischen Grabfelder mit den örtlichen muslimischen Organisationen zweckmäßig. Stünden Friedhöfe in muslimischer Trägerschaft, könnten die meisten Probleme von vornherein ausgeschlossen werden. Die Einhaltung der islamischen Bestattungskultur wäre im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften ebenso gewährleistet wie eine der prophetischen Tradition entsprechende Grabgestaltung oder ein ewiges Ruherecht, da dies in der entsprechenden Friedhofsordnung geregelt werden könnte. Deshalb ist es angeraten, mit den örtlichen muslimischen Organisationen u.a. bezüglich des Totengebets, des Aushebens und Schließens des Grabes, des Tragens des Leichnams zum Grab sowie der Grabpflege Vereinbarungen zu treffen und mit ihnen einen beständigen Dialog zur Klärung von Missverständnissen und offenen Fragen zu pflegen. AG * Matthias Sören Holland, Muslimische Bestattungsriten und deutsches Friedhofs- und Bestattungsrecht, KWI-Arbeitshefte 23, Universitätsverlag Potsdam 2015. Die Aussagen und Wertungen in diesem Beitrag stützen sich auf dieses Arbeitsheft, das als weiterführende Literatur empfohlen wird.

Impressum Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de Red., Satz und Layout: A. Grunke V.i.S.d.P.: P. Pritscha Die Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird aus finanziellen Zuwendungen des Sächsischen Staatsministeriums des Innern gefördert.


Kommunal-Info 3/2016

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Finanzierung der Flüchtlingspolitik Nach einer Studie der Robert Bosch Stiftung zur Finanzierung der Flüchtlingspolitik sind die häufig geschätzten Mehrausgaben in Höhe von rund 12.000 Euro je Flüchtling durchaus realistisch. Unter der Annahme von 800.000 Flüchtlingen jährlich und einer typischen Altersstruktur (14 % Kita, 24 % Schule) ist hier allein wegen der entsprechenden Bevölkerungszunahme mit zusätzlichen Kosten in Höhe von 773,4 Mio. Euro für die Kita- und mit rund 1,07 Mrd. Euro für Schulgänger zu rechnen. Langfristig plädiert die Studie für eine „Vertikalisierung mit dem Aufzug“, also eine direkte Finanzierung von bundesgesetzlich geregelten kommunalen Sozialleistungen durch den Bund. Ende Februar 2016 veröffentlichte die Robert Bosch Stiftung eine beim Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut an der Universität zu Köln (FiFo) in Auftrag gegebene Studie zur „Finanzierung der Flüchtlingspolitik – Für eine ausgewogene Finanzierung der Flüchtlingsleistungen bei Bund, Ländern und Kommunen“. Die Studie skizziert die verschiedenen Phasen des Asylprozesses (Einreise, Asylentscheid, Niederlassung bzw. Ausreise) und geht dabei insbesondere auf die verschiedenen staatlichen Leistungen (u. a. Leistungen nach AsylbLG, SGB II, SGB XII, Kinderbetreuung)

ein. Demnach seien die häufig in der Presse genannten zusätzlichen Ausgaben für Flüchtlinge, die längerfristig in Deutschland bleiben, in Höhe von rund 12.000 Euro durchaus realistisch. Nach Berechnungen des FiFo belaufen sich die geschätzten jährlichen staatlichen Ausgaben für Asylbewerber (inkl. Bildungsaufschlag) auf 12.756 Euro. Die Ausgaben für SGB II-Empfänger liegen bei 12.276 Euro und die eines „normalen“ Einwohners bei 12.219 Euro. Angemerkt sei, dass es sich hierbei um äußerst grobe Schätzungen handelt und zudem nur die reine Ausgaben-, aber nicht die Einnahmenseite (Einkommenssteuer, Umsatzsteuer etc.). Explizit geht die Studie auch auf die Kosten der Bildung (Kita, Schule etc.) ein. Für die Kindertagesbetreuung hatten die Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe auf das Jahr 2013 hochgerechnet pro Kind Ausgaben in Höhe von 6.864 Euro. Unter der Annahme von 800.000 Flüchtlingen jährlich und das davon rund 14 Prozent jünger als sieben Jahre wären, würden sich die geschätzten Mehrausgaben auf 773,4 Mio. Euro belaufen, sofern alle Kinder Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen würden. Für allgemeinbildende und berufliche Schulen wurden nach vorläufigen Ergebnissen für 2013 jährlich 5.534 Euro je Schüler verausgabt. Das FiFo kal-

kuliert hier mit 193.00 Flüchtlingen im entsprechenden Altersbereich (bei jährlich 800.000 Flüchtlingen), wonach mit jährlichen zusätzlichen Kosten von rund 1,07 Mrd. Euro zu rechnen sei. Nicht berücksichtigt wird bei diesen Zahlen allerdings der zusätzliche Integrationsbedarf mit damit einhergehenden Maßnahmen (kleinere Gruppen bzw. Klassen, gesonderter Sprachunterricht etc.). Genauer betrachtet wird weiter die jeweilige Finanzierung der Flüchtlingsleistungen durch die staatlichen Ebenen und eine leistungsfähige Finanzierungsverteilung im Mehrebenensystem. Die Studie schließt mit kurz-, mittel- und langfristigen Handlungsempfehlungen und Reformvorschlägen. Unter anderem wird dabei dafür plädiert, dass die Finanzmittel der Bundesbeteiligung an den Flüchtlingskosten den Ländern nicht über Umsatzsteueranteile, sondern über den Königsteiner Schlüssel beziehungsweise der tatsächlichen regionalen Verteilung der Flüchtlinge entsprechend zukommen sollten (die ostdeutschen Bundesländer erhalten zum Beispiel nach derzeitiger Regelung im Durchschnitt 5 Prozent weniger, als ihnen aufgrund der Anzahl aufgenommener Asylbewerber zustehen würde, wiederum vorausgesetzt, dass die Asylbewerber auch im zugewiesenen Bundes-

land verbleiben). Langfristig wird auch eine Verfassungsreform zur direkten Finanzierung von bundesgesetzlich geregelten kommunalen Sozialleistungen (insb. die für anerkannte Flüchtlinge relevanten SGB II-Leistungen) angeregt („Vertikalisierung mit dem Aufzug“). Ebenfalls langfristig wird als zumindest diskussionswürdig die Gründung einer Bundes-SGB-Agentur zur Erbringung der bundesgesetzlich geregelten lokalen Sozialleistungen (ähnlich der Agentur für Arbeit) vorgeschlagen, damit die Kommunen nicht mehr Vollzieher und vor allem auch partieller Finanzier von Bundesgesetzen seien, sondern sich wieder verstärkt der Daseinsvorsorge und der lokalen Infrastruktur widmen können. Eine Finanzierung der zusätzlichen Flüchtlingskosten über neue Schulden wird abgelehnt, vielmehr müssten bei entsprechender Notwendigkeit die Steuern erhöht werden. Zur stärkeren Einbeziehung der europäischen Ebene wird in der Studie ausdrücklich der Schäuble-Vorschlag zur Einführung einer europäischen Benzinsteuer begrüßt. Abrufbar ist die Studie unter anderem auf der Internetpräsentation der Robert Bosch Stiftung unter www. bosch-stiftung.de (Quelle: Dt. Städte- und Gemeindebund, 04.03.2016, www.dstgb.de)

Studie „Wohnen 2045“ von Allianz und Prognos Die regionalen Wohnungsmärkte in Deutschland haben in den nächsten 30 Jahren mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen zu kämpfen: Während die Nachfrage nach Wohnraum in den wirtschaftsstarken Zentren weiter steigt, müssen strukturschwache Regionen damit rechnen, weitere Teile ihrer Bevölkerung zu verlieren - u.a. zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Allianz und Prognos, die die Entwicklung von Bevölkerung und Wohnungsbedarf bis ins Jahr 2045 untersucht. Laut der Studie wächst die deutsche Bevölkerung bis 2045 auf 85 Mio. Menschen an. „Deutschland hat sich seit 2011 sukzessive zu einem Einwanderungsland entwickelt. Für die nächsten 30 Jahre ist daher nicht mit einer Entlastung bereits angespannter Wohnungsmärkte durch eine schrumpfende Bevölkerung zu rechnen“, so das Fazit von Dr. Peter Haueisen, Projektleiter der Allianz Baufinanzierung. Entscheidender Treiber dafür, dass sich die Wohnungsmärkte regional so unterschiedlich entwickeln, sei die Binnenwanderung. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre seien jedes Jahr 3,8 Mio. Menschen über die Kreisgrenzen hinweg umgezogen: 73% der Veränderungen am Wohnungsmarkt mit der Binnenwanderung und 27% mit Zuwanderungen. Die Zuwanderung aus dem Ausland verstärke jedoch zusätzlich die Effekte der Binnen­wanderung, denn auch sie konzentriere sich auf die wirtschaftsstarken Regionen.

Die Binnenwanderung zeigt folgende Tendenzen: Jüngere Menschen ziehen vor allem in Groß- und Universitätsstädte. Für 30- bis 50-Jährige ist dagegen auch das gut angebundene Umland wirt­schaftsstarker Ballungsräume wie München, Berlin, Frankfurt, Hamburg und Stuttgart attraktiv. Der Druck auf die Wohnungsmärkte nimmt in diesen Regionen überproportional zu. Neben den Effekten der Zuwanderung ist dafür auch der anhaltende Trend zu mehr Singlehaushalten verantwortlich. Während die Zahl der Haushalte bis 2045 in Deutschland insgesamt um 14% zunehmen werde, soll sie in den wirtschaftsstarken Gebieten um 18% steigen.

Ein Blick auf die zehn Regionen in Deutschland, in denen die Nachfrage nach Wohnungen langfristig am höchsten ist, zeigt, dass diese ihre Bautätigkeit teils massiv stei­ gern müssen. Schon jetzt ist in vielen dieser Regionen der Wohnraum knapp. Steigern diese ihre Bautätigkeit nicht, fehlen allein dort in den nächsten 15 Jahren weitere 940.000 Wohnungen und Häuser. Bis 2045 könnten sich die Märkte wieder etwas entspannen, aber nur, wenn die Bautätigkeit nicht wieder nachlässt. Die wirtschaftsstarken Regionen sollten deshalb gemeinsam mit ihren benachbarten Regionen Lösungen für die Ungleichgewichte an den Wohnungsmärkten erarbeiten und umsetzen. Dafür müssten sich alle Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft

an einen Tisch setzen. Aber auch strukturschwache Regionen wie in Ostdeutschland, Nordhessen und im Saarland stehen vor der Herausforderung, die Attraktivität ihrer Standorte bezogen auf das Angebot an Arbeitsplätzen und die Wohnqualität zu erhalten und weiter zu steigern. Gezielte Investitionen in verkehrs- und wirtschaftsnahe Infrastruktur, auch in die digitale Anbindung und Stadtentwicklung, seien gerade deshalb wichtig, stellt Tobias Koch, Projektleiter des Wirtschaftsinstituts Prognos, fest. Städte wie Leipzig, Erfurt und Regensburg hätten bereits gezeigt, dass sich Investitionen in Infrastruktur, aber auch in die Forschung und Hochschulen mittelfristig auszahlten, um sich im Standortwettbewerb erfolgreich zu behaupten. Darüber hinaus müssen sich alle Städte und Gemeinden in Deutschland auf die Bedürfnisse einer immer älter werdenden Bevölkerung einstellen. Das gilt jedoch in besonderem Maße für die strukturschwachen Gebiete. Dort steigt aufgrund der Binnenwanderung der Altersdurchschnitt der Bevölkerung deutlich stärker als in den wirtschafts­starken Gebieten. (www.baulinks.de; 20.3.2016)


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Bisher erschienen in der Reihe „Edition KFS“ beim Kommunalpolitischen Forum Sachsen e.V.

Kommunale Asylpolitik Ein Leitfaden von Konrad Heinze Januar 2016; ISBN: 978-3-945564-035; 244 Seiten; 6,90 EUR In diesem systematischen Überblick werden Antworten zur kommunalen Asylpolitik gegeben. Das Heft ist ein praktisches Werkzeug, dass Kommunalpolitiker/innen, Fachkräften und allen Engagierten dabei hilft, unnötige Umwege zu vermeiden – nicht zuletzt durch Beispiele aus der Praxis. Der Autor ist Politikwissenschaftler und u.a. beim Netzwerk für Demokratie und Courage in Sachsen aktiv.

Und wie wird das ganze Haushaltsjahr der Überblick bewahrt? In diesem Leitfaden werden alle wichtigen Begriffe, Zusammenhänge und rechtlichen Hintergründe erklärt. Dabei werden anhand konkreter Zahlen und praxisnaher Beispiele die Abläufe veranschaulicht.

Veranstaltungen im April Zukunft der Mobilität im ländlichen Raum am Sonnabend, 16. April 2016, 13:30 bis 15:30 Uhr

in Riesa „Nudelcenter“, Merzdorfer Straße 21 Referenten: Thomas Voigt (2. Beigeordneter Landkreis Leipzig) Andreas Herr (Leiter des Dezernats Technik im Landratsamt Meißen) Ländliche Regionen und Kleinstädte haben wegen ihrer geringeren Siedlungsdichte und dispersen Siedlungsstrukturen andere Probleme zu lösen als Großstädte mit Staus und Parkplatznot. Hauptprobleme sind Durchgangsverkehr, zu hohe Geschwindigkeiten, Lärm, unzureichende öffentliche Verkehrsmittel und zugeparkte Flächen an Freizeiteinrichtungen. Gerade der ÖPNV muss sich oft den Ruf als unvertraut und unattraktiv gefallen lassen, denn öffentliche Mobilität im strukturschwachen ländlichen Raum ist eine Herausforderung: wenige Menschen - weite Strecken - sehr teuer. Teilnahmegebühr: 3,00 EUR

Intensivseminar Junge Kommunalpolitik Kommunale Drogenpolitik in Jugendhilfe und Soziokultur

Rechte und Pflichten im kommunalen Mandat

Rechte und Pflichten kommunaler Vertreter in Aufsichträten Ein Leitfaden von Alexander Thomas Oktober 2015; ISBN: 978-3-94556402-8; 95 Seiten; 6,90 EUR Energie und Wasser, Bahnen und Busse und eine gute Infrastruktur gehören zu den Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge. Städte und Gemeinden nutzen hierbei auch die Leistungen privater Partner oder haben die kommunalen Unternehmen in privaten Rechtsformen wie GmbH organisiert. Aufgabe der kommunalen Vertreter/ innen in den Aufsichtsräten ist es, hier die Kontrolle im öffentlichen Interesse wahrzunehmen. Dabei soll dieser Leitfaden eine Hilfe sein. Der Autor, Diplom-Verwaltungswirt, ist seit dem Jahr 2000 parlamentarisch-wissenschaftlicher Berater der Linksfraktion im Sächsischen Landtag und war davor Fachbediensteter für Finanzwesen der Stadt Meißen.

Kommunales Haushaltsrecht in Sachsen Ein Leitfaden von Alexander Thomas März 2015; ISBN: 978-3-945564-01-1; 116 Seiten; 6,90 EUR Wo kommt das Geld her, das einer Kommune zur Verfügung steht? Wofür soll oder darf es verendet werden?

Ein Leitfaden von Achim Grunke Januar 2015; ISBN: 978-3-945564-004; 90 Seiten; 6,90 EUR Wann kann ein Gegenstand auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung gebracht werden? Was ist bei Anfragen an den/die Bürgermeister/in zu beachten? Kann das Quorum für ein Bürgerbegehren auch herabgesetzt werden? Diese und andere grundlegende Fragen des Sächsischen Kommunalrechts werden in dem vorliegenden Heft beantwortet. Für die ehrenamtlichen kommunalen Mandatsträger in Stadt- und Gemeinderäten und Kreistagen wird ein systematischer Überblick über ihre Rechte und Pflichten gegeben. Der Autor, Dr.phil. et sc.pol., seit 1994 im ehrenamtlichen Mandat als Kreisrat tätig, war von 1996 bis 2013 Geschäftsführer des Kommunalpolitischen Forums Sachsen e.V.

von Freitag 15.04.2016 ab 18:00 Uhr bis Sonntag 17.04.2016 14:00 Uhr

in 01920 Schönteichen/Cunnersdorf „Alte Schule Cunnersdorf“, Schulweg 10 Unterstützen oder Bestrafen? Welche kommunale Drogenpolitik ist zeitgemäß und erfolgreich? Die AG SaferClubbing ist vor 2 Jahren als Teil des Instituts für Zukunft (IfZ, einem der größten Technoclubs Leipzigs) entstanden. Bei den Partys im Club konzentrieren sie sich darauf substanzinduzierte Notfälle zu verhindern bzw. zu betreuen und fungieren als Awarenessteam. Die Cluborganisation (z.B. den Aufbau der Räume) versuchen sie so zu gestalten, dass Mitarbeiter_innen und Gästen ein gesundes Feiern möglich ist. Außerhalb des Partybetriebs bietet die AG Veranstaltungen zur Aufklärung über Drogen und awarenessbezogene Themen an. Wie dies alles praktisch gestaltet wird und vor allem finanziert werden kann, ist Teil unseres Vortrages. Laut aktuellem Drogenreport des „European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction“ ist in Dresden das Abwasser besonders stark mit Spuren von Crystal Meth versetzt. Dabei sei der Anteil donnerstags besonders hoch. Die Presse berichtet immer mehr über einen stark wachsenden Drogenkonsum in allen Bevölkerungsschichten; die Substanz „Crystal Meth“ überschwemme unsere Region. Die Jugend- und Familienhilfe stehe vor großen Herausforderungen. Eine wachsende Fallzahl im Bereich der Kindeswohlgefährdung weise auf die Problemlagen konsumierender Eltern hin. Wir fragen nach: Was ist dran, an den Schlagzeilen? Wie sieht die sucht- und drogenpolitische Realität in den sächsischen Kommunen, Sachsen und im Bund tatsächlich aus? Welche Arbeitsschwerpunkte sehen die Sozialarbeiter/innen? Was macht die Politik vor Ort richtig oder falsch? Welche Alternativen bieten sich an? Referenten/Referentinnen: Frank Tempel, (MdB, Stadtrat und Kreisrat Altenburger Land) Sophie Wetendorf (AG SaferClubing beim Institut für Zukunft Leipzig) Enrico Busch (Streetworker in der Stadt Meerane) Teilnehmerkreis: Junge Kommunalpolitiker/kommunalpolitisch interessierte Teilnahmegebühr: 10,00 EUR Anmeldungen bitte an: Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99, 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de


März 2016

Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

ParlamentsReport

Aus der Mitte der Linken gegen den Rechtstrend Rico Gebhardt, Fraktions- und Landesvorsitzender der LINKEN in Sachsen, hat im März ein zweites integrationspolitisches Grundsatzpapier vorgelegt. Wir dokumentieren Auszüge – das Papier ist unter www.gleft.de/1el abrufbar und kann bei der Fraktion bestellt werden.

Opposition soll schmerzen. Uns selbst schmerzt sie, weil wir wissen: Egal, wie gut wir arbeiten, uns fehlt die Mehrheit im Landtag. Wir müssen den Menschen ehrlich sagen: Wir entwickeln echte Alternativen. Wenn wir aber handeln sollen, müsst ihr uns bei Wahlen stärker machen! Bis dahin gehört es zu unseren Aufgaben, der Regierung Schmerzen zu bereiten. In der letzten Plenarsitzung gelang das – sie ärgerte sich merklich, auch weil wir die Berichterstattung dominieren konnten. Worum geht es? Es geht um 122.000 Euro im Jahr für das Bekleben eines Bobschlittens. Um 280.000 Euro im Jahr für das Bekleben eines Flugzeugs. Um 32.000 Euro im Jahr für eine Ex-Büroleiterin des CDUGeneralsekretärs, zwecks „Recherche und Erstellung von Erfolgsgeschichten für die Homepage“. Um zehntausende Schnuller, Plüschfüchse, Luftballons. Es geht um „So geht sächsisch“. Wir haben beantragt (Drucksache 6/4434), diese Kampagne, die zur Karikatur verkommen ist, einzustellen und ihren Millionen-Etat in die Unterstützung der Zivilgesellschaft umzuleiten. Es wäre peinlich, weiter Bilder aus Parallelwelten zu verbreiten, während brennende Asylheime oder die wutverzerrten Gesichter sogenannter „besorgter Bürger“ der Öffentlichkeit übermächtig zeigen, wie „sächsisch geht“. Der Slogan ist nicht zu retten, die Kampagne „tot“, wie auch Vize-Regierungschef Martin Dulig im Interview eingesteht – wenngleich er im Landtag anders abstimmt. Aktuell helfen weder Filme noch Hochglanzbroschüren oder fragwürdige Werbepartnerschaften. Sachsens Image ist im Eimer! Es lässt sich nur durch Taten verändern – das ist die Aufgabe der Regierenden, der Opposition, der Zivilgesellschaft! CDU und SPD wollen jedoch nicht anders handeln. Das wird für Sachsen noch schmerzlich werden.

Rico Gebhardt Fraktionsvorsitzender

Wir erleben – grob vereinfacht – keine Flüchtlings-, sondern eine allgemeine Integrationskrise, die mit „Globalisierung“ sprachlich weichgespült wird, aber Menschen zutiefst verstört. Sparkonten und Lebensversicherungen büßen ihren Ertrag ein, und bei uns in Sachsen verlieren dann noch die weni-

Foto: Michael E. Klaß / flickr.com / CC BY-NC-ND 2.0

Liebe Leserinnen und Leser,

Sachsen ist ein Hauptschauplatz des von Fremdenfeindlichkeit befeuerten „Kulturkampfes“ um die Migration. Was sich hier seit 2014 verstärkt mit der Pegida-Bewegung und immer mehr geistesverwandten „Nein zum (Flüchtlings-)Heim“-Initiativen Bahn brach, scheint sich deutschlandweit auszubreiten. In den aktuellen Landtagswahlergebnissen spiegelt sich auch die Zuspitzung hausgemachter sozialer Ungerechtigkeiten unter den Einheimischen wider: Abgehängte Bevölkerungsgruppen einzelner Quartiere, aber auch die Bevölkerung ganzer Regionen fühlen sich verraten und verlassen. Die 15 rechtspopulistisch eroberten Wahlkreise in Sachsen-Anhalt bilden fast durchweg eine Landkarte von Deindustrialisierung und Rekordarbeitslosigkeit in den 90er Jahren sowie damit einhergehender Abwanderung. Zurück blieb eine kollektive Perspektivlosigkeit, die wir auch aus Sachsen kennen. Zusammen mit rassistischen Ressentiments ergibt sich so eine brandgefährliche Mischung. Die politische Linke kann einen Beitrag zur zivilen Lösung im Geist des Humanismus leisten, wenn sie sich auf ihre Kernkompetenzen besinnt: die Gleichwertigkeit aller Menschen immer und überall, den Vorrang der Menschenwürde vor der Logik des „Humankapitals“, kurzum eine Politik, für die der Mensch im Mittelpunkt steht.

gen ökonomischen Leuchttürme ihre Strahlkraft, aktuell Vattenfall, Bombardier, VNG, VW Sachsen usw. Ich will all denen, die mit kritischen Fragen auf der Suche sind, verdeutlichen, dass wir LINKE auch eine „Mitte“ haben, dass wir nicht primär aus dem „Nein“ zur Politik anderer Parteien existieren, sondern aus dem „Ja“ zu dem, was die Gesellschaft zusammenhält. Was die Herrschenden ver- und zuteilen, haben werktätige Menschen geschaffen – das ist bis heute so, wo der Staat verwaltet, was Steuern zahlende Leute ihm abzugeben haben. Deshalb verstehen sich Linke nicht nur gefühlt zuvörderst als „Arbeiter_innenparteien“, also als Lobby all derer, in deren Lebensmittelpunkt die Existenz sichernde Tätigkeit steht. Nach der Wende ist uns Linken im Osten, vor allem auch in Sachsen, die Arbeiter_innenschaft, hier verstanden als der von physischer Lohnarbeit abhängige Teil der Bevölkerung, politisch weitgehend abhandengekommen. Aus Enttäuschung über den untergegangenen „Arbeiter- und Bauernstaat“ und voller Hoffnung in die mit den Segnungen westlicher Marktwirtschaft verbundenen neuen politischen Eliten – Stichwort „König Kurt“ in Sachsen – wählten die Arbeiter_innen gerne CDU. Die Deindustrialisierung der neunziger Jahre und das von CDU und SPD betriebene systematische Schleifen der Sicherungssysteme, wie bei der Arbeitslosen- und Rentenversicherung mit der Folge Hartz IV plus Altersarmut, von denen diese Schicht wie keine andere abhängig ist, führte zu einer doppelten Enttäuschungserfahrung des Milieus. Aber erst der CDU-Wärmeersatz für soziale Sicherheit, nämlich das Schüren „nationaler Wallungen“, die Überhöhung Sachsens gegen alles „von außen“, das fast chauvinistische Beschwören der Sachsen als Schicksalsgemeinschaft führte zu ambivalenten Antworten mit dem Stimmzettel. Wurde 2004 in Sachsen noch ungeachtet des Erfolges der neofaschistischen Rechten in Zeiten

sozialer (!) Proteste auch die demokratische LINKE gestärkt, artikuliert sich der Protest mittlerweile immer stärker mit rechten Vorzeichen und geht mit hohem Nichtwähler_innenanteil einher. Es ist unerheblich, dass weder NPD noch AfD die ramponierte soziale Gerechtigkeit wiederherstellen wollen. Sie bieten den in der gesellschaftlichen Hierarchie eher unten Stehenden die nationale Erhabenheit der „Deutschen“ über „Griechen“ und „Arabern“ an. Deshalb geraten dort, wo der Protest über die Stränge schlägt, auch nicht die Paläste der Profiteure der Ungleichheit ins Visier, sondern die Hütten der Geflüchteten. Wir LINKE wollen die Arbeiter_ innenschaft zurückgewinnen. Deshalb müssen wir in verständlicherer Sprache verdeutlichen: Wir stehen für vier Garanten grundsätzlicher Gleichheit in unserer Gesellschaft – eine Schule für alle bis mindestens Klasse 8, eine Bürger_innenversicherung für alle, eine solidarische Mindestrente für alle und eine sanktionsfreie Mindestsicherung für alle. Sachsen ist zum Brennpunkt einer epochalen Kontroverse um Mobilität und Migration geworden. Mit ein paar lockeren Sprüchen wie „Die Leute hier seien einfach zu wenig an Fremde gewöhnt“ und „Man muss sie nur beharrlich aufklären und schulen, dass Migration historisch immer mehr Vor- als Nachteile gebracht hat“, lässt sich dieser Brennpunkt nicht entsorgen. Wir beherrschen noch die Kunst, zwischen den Zeilen zu lesen. So sehen die Menschen schneller, dass „Sachsen“ in Europa überall ist, wenngleich in unterschiedlicher Schärfe der Auseinandersetzung. Vor allem haben sie nach 1990 eines gelernt: Für sie hat sich alles geändert und für die Menschen im Westen eigentlich fast gar nichts. Ich halte das persönlich für die größte Nichtintegrationsleistung der neuesten deutschen Geschichte. Wir haben die Menschen davon zu überzeugen, dass sich die Krisen der sozialen und regionalen Spaltung, die vor dem Hintergrund der Fluchtbewegung stärker bewusst werden, nicht mit den Geflüchteten abschieben lassen. Bleiben die Flüchtlinge bei uns, können wir mit ihnen zusammen die derzeitigen Krisen auflösen, die wir ohne sie auch schon hatten. Unsere Idee von der Gleichheit freier Menschen ist nachhaltiger als alle Ideologien der Diskriminierung und Ausgrenzung. Die Ehrlichkeit gebietet allerdings die Einsicht: Diese Idee ist aus der Sicht vieler Menschen ihrem Alltag entflogen. Deshalb müssen wir uns jetzt wieder mehr „erden“. Wir brauchen ein praktisches Update von: „Proletarier aller Länder vereinigt euch“ im Sinne eines „Prekarisierte jeder Herkunft, macht gemeinsame Sache!“


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März 2016

„Starker Staat“ der Sachsen-Chauvinisten Jahrelang hat die CDU den Staat geschwächt. Ihre Personalpolitik geht einseitig vom Ziel aus, Ausgaben zu kürzen. Den Bedarf ignoriert sie weitgehend. Bürgerinnen und Bürger spüren, dass der öffentliche Dienst zur Dauerbaustelle geworden ist. An den Schulen und Hochschule, bei Polizei und Justiz ist der Mangel offenkundig. Das sorgt für Misstrauen, Befürchtungen, Ängste. An diesen Defiziten gibt es schon lange Kritik. Die CDU reagiert, indem sie ein „sächsisches Gemeinschaftsgefühl“ beschwört, dem Freistaat eine Vorreiter-Rolle zuschreibt. Der Politikwissenschaftler Hans Vorländer bezeichnet das als „Sachsen-Chauvinismus“, als Selbstüberschätzung bei gleichzeitiger Abwertung anderer. Doch die Wirkung des „Sachsen-Gefühls“ schwindet, der Lack blättert. Rechtspopulismus und politisch motivierte Gewalt bescheren dem Land ein Klima der Bedrohung und schlechte Schlagzeilen.

mehr aus der CDU bekämen. Doch die spricht über Rassismus mit gespaltener Zunge. Der Ministerpräsident liefert Zitate, die Einsicht suggerieren. Seinen Kollegen Frank Kupfer schert das aber nicht. Er bedient den rechten Stammtisch und den „Sachsen-Chauvinismus“. Auch bei der jüngsten Sondersitzung demontierte der CDU-Regierungsfraktionschef somit den CDU-Regierungschef. Auf Tillichs „Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus, und es ist größer als viele – ich sage es ehrlich: auch ich – wahrhaben wollten“ entgegnete er: „Ich bin ein Sachse, und ich bin stolz auf dieses Land. Ja, wir haben ein Problem mit Rechtsextremismus. Aber es ist nicht nachvollziehbar, wenn von bestimmten politischen Strömungen dieses Problem instrumentalisiert wird, nur um unsere erfolgreiche Politik

der vergangenen 26 Jahre zu diskreditieren“. Und: „Wir brauchen hier keine Belehrungen von außen“. Oppositionsführer Rico Gebhardt ging mit dieser Bigotterie ins Gericht. „Die Arbeitsteilung in der CDU hat Sachsen an den Abgrund geführt: Sie, Herr Tillich, als Mann der moralischen Empörung und die Herren Kupfer, Krauß und Kretschmer als politisches Rauschmittel für den sächsischen provinziellen Alltagsrassismus“. Die CDU habe die Realität der extremen Rechten nie wahrhaben wollen. Den „NSU“ habe sie unterschätzt. Die Anti-Asylproteste in Schneeberg vor zwei Jahren habe sie als lokales Problem abgetan. Auf die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Heidenau sei hilflos mit einem Versammlungsverbot reagiert worden. Lange war

Imagefragen sind unwichtig, wenn es um den sozialen Frieden geht. Die öffentliche Kritik scheint Teile der Staatsregierung allerdings unter Druck zu setzen. In einer von der Opposition angestoßenen Landtags-Sondersitzung gab der Ministerpräsident die Parole „Starker Staat und aktive Bürger“ aus. Die konkreten Maßnahmen, die Tillichs Regierung in Aussicht stellt, sind aber mager. Das Unland-Prinzip gilt weiter: Sparen, koste es, was es wolle! So sollen zwar mehr Polizisten ausgebildet werden, ausreichen werden sie aber wieder nicht. Klar ist ohnehin: Gegen die Stimmung, die sich in Freital, Heidenau, Clausnitz oder Bautzen auswuchs, hilft mehr Polizei allein nicht. Es wäre schon gut, wenn Asylfeinde keine Stichworte

der Dialog mit Pegidisten für die Regierung wichtiger als der mit Geflüchteten und Helfern. Und so weiter, und so fort. Vorschläge der Opposition gelten der CDU sowieso nichts, die siechende Volksgesetzgebung auch nicht. Verunsicherung gibt es nicht erst seit der Fluchtbewegung. „Sie ist Ergebnis der sozialen und regionalen Spaltung der Bevölkerung durch eine CDU-Politik, für die Gerechtigkeit und sozialer Ausgleich Fremdwörter sind“, so Gebhardt. Und zu Tillich: „Den letzten vermeintlich starken Staat erlebte ich als FDJ-Funktionär und Sie als stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises. Wir sollten gelernt haben, dass wir etwas anderes brauchen: Eine starke Zivilgesellschaft, die vom Staat geschützt wird!“ Der Staat müsse vor allem handlungsfähig sein. LINKE und GRÜNE schlugen Schritte vor, um den demokratischen Rechtsstaat zu stärken (Drs. 6/4364). Gebhardt will, dass Sachsen im Bundesrat für Maßnahmen gegen berechtigte soziale Ängsten streitet: Schluss mit den Sanktionen gegen Russland und Bundeswehr-Auslandseinsätzen! Her mit einer Bürger(innen)versicherung, einer solidarischen Mindestrente, einer sanktionsfreien Mindestsicherung. Für alle! Zur Haushaltsdebatte wird die Zeit der Ankündigungen vorbei sein. Die Linksfraktion wird einen Alternativ-Etat entwerfen. Sachsen soll ein SolidarStaat sein, auf den Verlass ist! Die Linksfraktion hat die Sondersitzung in Broschürenform aufgearbeitet. Bestellungen sind möglich. Kontakt: Siehe Impressum.

Vorfahrt statt Abstellgleis für die Bahn in Sachsen!

Das zeigt auch der Blick in den Bundesverkehrswegeplan bis 2030, den der Bundesverkehrsminister unlängst vorstellte. Der doppelgleisige Ausbau der Bahnstrecke Chemnitz-Leipzig und deren Elektrifizierung blieben wieder unberücksichtigt. Chemnitz wird immer noch nicht an den Fernverkehr angebunden, der Hauptbahnhof verkümmert zur überdachten Straßenbahnhaltestelle. Die Strecken Aue-Thalheim, Sebnitz-Pirna, Freiberg-Holzhau und Hoyerswerda-Görlitz werden eingestellt. Obwohl der Schienenverkehr und die Bahn Bundessache sind, beruhen die sächsischen Probleme vor allem auf landespolitischen Fehlentscheidungen. Die führen seit Jahren zur Mittelknappheit bei den Verkehrs-Zweckverbänden. Dabei geht es vor allem um die Regionalisierungsmittel, die der Bund für den

Schienenverkehr bereitstellt. Auf der Verkehrsministerkonferenz 2014 einigten sich die Länder auf einen Bedarf von 8,5 Milliarden Euro ab 2015. Sie sollen jährlich um 2,8 % erhöht werden, etwa weil Trassen- und Stationsgebühren steigen. Auch wurde vereinbart, dass jedes Bundesland im Zuge der Mittelsteigerungen mindestens eine Erhöhung von 1,25 % bekommt („Sperrklinke“). Ein Jahr später ließen sich die

Länderregierungschefs jedoch von der Bundesregierung über den Tisch ziehen. Statt der benötigten 8,5 Milliarden für 2015 sollen nur acht Milliarden Euro verteilt werden, und das erst 2016. Erhöht werden soll nur um 1,8 %. Auch wurde die „Sperrklinke“ vergessen. Sachsen entgehen so bis 2030 bis zu einer Milliarde Euro. Schlimmer noch: Der Freistaat reicht die Regionalisierungsmittel sowieso nicht vollstän-

Foto: Torsten Bätge / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Sachsen ist ein Bahnland, noch. Die Fahrgastzahlen steigen. Auf 1.000 Einwohner kommen 518 Autos, in Mecklenburg-Vorpommern sind es 517. Das sind die niedrigsten Werte aller Flächenländer. Mobilität ist Lebensqualität, gerade auf dem Land. Umso wichtiger sind öffentliche Verkehrsmittel. Ihnen droht allerdings ein Streckensterben.

dig an die Zweckverbände weiter, 2014 nur zu drei Vierteln – ein bundesweiter Negativrekord. Die LINKE forderte bereits im Dezember per Antrag (Drs 6/3000), sie zu 90 % weiterzugeben. Die Linksfraktion initiierte eine Aktuelle Debatte. „Die Zweckverbände brauchen Zusagen, damit sie nicht ganze Landstriche abkoppeln müssen“, fordert Verkehrspolitiker Marco Böhme. „Wir haben diese Debatte auch beantragt, damit die Regierung und die Koalitionsfraktionen den Zweckverbänden ein Zeichen geben, dass sie auf Unterstützung zählen können. Bisher gibt es keine Verlautbarung, dass wir wenigstens den Status Quo erhalten wollen!“ Die Regierung will auf Busstatt auf Bahnverbindungen setzen. Das schadet der Attraktivität und der Barrierefreiheit des Schienenverkehrs. Außerdem will das Duligs Ministerium, dass der Kauf von Elektroautos mit bis zu 5.000 Euro gefördert wird. „Das wird fast vier Milliarden Euro kosten – Geld, das in bestehende Elektroverbindungen, in die Eisenbahn, investiert werden sollte!“, so Böhme. In der Haushaltsberatung wird die Koalition zeigen müssen, ob sie Sachsen aufs Abstellgleis schieben will.


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Milchbauern in Not – LINKE will helfen

Zivilcourage ist kein Verbrechen!

Milch ist gesund und für viele ein Grundnahrungsmittel. Sie ist für uns überall verfügbar. Das muss so bleiben! Milchviehhaltende Betriebe stecken allerdings wieder einmal in der Krise, auch in Sachsen. Denn die Preise, die sie bei den Molkereien und anderen Abnehmern erzielen können, decken die Produktionskosten nicht. Seit 15 Monaten liegt der Milchpreis bei rund 26 Cent je Liter, was bei Erzeugerkosten von 35 Cent beispielsweise den Milchbauern im Kreis Görlitz bis heute 22,5 Millionen Euro Verluste einbrachte. Der Hauptgrund: Es gibt zu viel Milch am Markt, und das nicht erst, seitdem es keine regulierende Quote mehr gibt. Längst bringen sich Milcherzeuger global in Stellung für einen gnadenlosen Kampf um Marktanteile.

„Allein ein starker Staat und Fördermittel reichen nicht, um den Kampf gegen die Radikalisierung zu gewinnen. Es braucht eine starke und aktive Zivilgesellschaft“. Neue Töne waren vom Ministerpräsidenten zu hören, als der Landtag nach den Vorfällen in Clausnitz und Bautzen zusammenkam. Ist das die Einsicht, dass zivilgesellschaftlich Engagierte nicht gegängelt werden dürfen, sondern Unterstützung brauchen? Im Falle der Staatsanwaltschaft Leipzig sowie für die Landtagsfraktionen von CDU, SPD und AfD lautet die Antwort wohl „Nein“. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls auf, wenn man den Eifer betrachtet, mit dem LINKEN-Abgeordnete Juliane Nagel verfolgt wird. Jüngst entschieden Landtags-Immunitätsausschuss und Landtags-Plenum, deren Immunität aufzuheben. Nur LINKE und GRÜNE stimmten dagegen.

Kathrin Kagelmann, agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, setzt auf regionale Wirtschaftskreisläufe, regionale Vermarktungsstrukturen und heimische Produktvielfalt. „Das sind keine Allheilmittel, schon gar nicht mit Sofortwirkung, aber es sind mit Sicherheit die nachhaltigsten“. Ein Mindestabnahmepreis sei „nicht die

Einführung der sozialistischen Planwirtschaft durch die Hintertür“, sondern „ein legitimes politisches Marktregulierungsinstrument ähnlich dem Mindestlohn“. Am Preiskampf verdienten bisher nur Supermärkte und Molkereien. „Das soll auch der, der sieben Tage die Woche früh im Stall steht“. Der Druck hatte offenbar schon gewirkt, bevor der Landtag sich mit dem Antrag befasste. Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) hat eine Bundesratsinitiative angekündigt. Am 23. März protestierten Landwirte auch in Sachsen gegen den Preisverfall bei ihren Erzeugnissen. Der Druck muss aufrechterhalten werden. Sonst geraten viele landwirtschaftliche Betriebe in Existenznot – und es könnte eines Tages sogar zu wenig Milch geben.

Foto: © Thomas Fries, Lizenz: cc-by-sa-3.0 de

Milchbauern in Existenznot – das muss aufhören! Die Linksfraktion hat dem Landtag ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen (Drucksache 6/4079). Wichtigster Punkt: Ein bundesweiter Mindestabnahmepreis für Milch, verbunden mit verbindlichen Angaben zu Liefermenge, Qualität und Lieferzeitraum. Die Betriebe sollen außerdem finanzielle Anreize erhalten und ihre Produktion drosseln, um den Markt zu entlasten. Außerdem unterstützen wir die Forderung der Bauernverbände nach einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage und einem Risikoausgleich im Steuerrecht, damit die Betriebe vorsorgen können. Die Landwirtschaftliche Unfallversicherung muss dauerhaft genug Bundes-

mittel bekommen, damit die Versicherungsbeiträge sinken können. Die EU sollte ihre Einnahmen aus Strafzahlungen für Überproduktion – im letzten Jahr mehr als 800 Millionen Euro – nutzen, um notleidenden Unternehmen zu helfen. Für all das kann sich die Staatsregierung im Bund sowie in der Agrarministerkonferenz einsetzen. Sie könnte milchviehhaltende Betriebe auch selbst mit Ausgleichszahlungen stützen.

Gedenkstättenstiftung: Licht ins Dunkel! Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten betreut zentrale Erinnerungsorte – etwa die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, Schauplatz der NS-„Euthanasie“Verbrechen, das ehemalige Kriegsgefangenenlager Zeithain oder das frühere Stasi-Gefängnis in Bautzen. In letzter Zeit sorgt die Stiftung häufig für Schlagzeilen. Gut in Erinnerung ist der Missbrauch ihres offiziellen TwitterKanals durch den Vize-Geschäftsführer Bert Pampel, der seine asylfeindliche Privatmeinung auf diesem Wege kundtat. Weitaus gefährlicher für die Stiftungsarbeit sind aber interne Querelen und arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen, die auch bundesweite Medien beschäftigen. So berichtet die „ZEIT“, Gedenkstättenchef Siegfried Reiprich habe mit seinem Führungsstil „etliche Mitarbeiter gegen sich aufgebracht“. Eine Historikerin, die nun in Bayern arbeitet, wird zitiert. Es sei ihre Aufgabe gewesen, über diktatorische Regime aufzuklären. „Stattdessen habe ich selbst erfahren, wie sich diktatorische Machtausübung anfühlt“. Gegründet wurde die Stiftung 1994 per Kabinettsbeschluss. Seither ist nie geprüft worden, wie sie arbeitet, was bei vergleichbaren Einrichtungen freilich der Fall ist. Neben den Querelen spricht ein weiterer Grund dafür, das schleunigst nachzuholen. Denn die

„Gedenkstätten als moderne zeithistorische Museen mit besonderen humanitären und bildungspolitischen Aufgaben“ stehen vor Herausforderungen, wie Günter Morsch, Direktor der Brandenburgischen Gedenkstätten, sagt. Das gilt vor allem für die Erinnerung an die Nazi-Diktatur, weil sich die Ära der Zeitzeugen dem Ende zuneigt. Die Linksfraktion will, dass externe Experten aus der Forschung und der Gedenkstättenarbeit anderer Bundesländer Reiprichs Haus unter die Lupe nehmen (Drucksache 6/4433). Darauf soll die Staatsregierung im Stiftungsrat hinwirken. Wissenschafts-, Justiz- und Sozialministerium könnten dafür sorgen, dass die gedenk- und förderpolitische Ausrichtung der Stiftung, ihre Organisations-, Personalund Finanzstrukturen, die Arbeit des Geschäftsführers und der Gremien, die Verwendung der Mittel sowie die Zusammenarbeit mit Initiativen und Fördervereinen auf den Prüfstand kommen. Dann ließe sich diskutieren, wie eine vielfältige Erinnerungskultur und eine moderne Gedenkstättenlandschaft gesichert werden können. Franz Sodann, Kulturexperte der Linksfraktion, konstatierte zudem eine „Schieflage“ in deren Schwerpunktsetzung. So seien in den letzten

drei Jahren nur etwa 15 % der StiftungsFördermittel in die NS-Aufarbeitung geflossen, dafür 85 % in die Arbeit zum Unrecht in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR, wie die GRÜNEN herausgefunden haben. „Auch hat die Stiftung in den vergangenen Jahren vieles daran gesetzt, um gesellschaftliche und bürgerschaftliche Initiativen zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit zu erschweren“. So hat sie die „Gruppe Brenner“, die erfolgreich die Schicksale von Opfern des früheren KZ Sachsenhausen und von NS-Strafprozessen aufarbeitet, erst kaum unterstützt und nun alle Mittel gestrichen. Begründung? Keine. Gesprächsbereitschaft? Fehlanzeige. Sodanns Fazit: „All diese Vorkommnisse rechtfertigen die Frage, ob die Stiftung ihren gesetzlichen Auftrag noch erfüllt“. Die Regierung will beruhigen. Der Stiftungsrat habe bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Arbeit zu überprüfen. Ob sie das allerdings mit der nötigen Distanz tun kann, bleibt abzuwarten. Bertolt Brecht sagte 1952 auf dem Völkerkongress für den Frieden: „Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz“. Deshalb braucht es Gedenkstättenarbeit und politisch-historische Bildung. Das sollte allen klar sein – besonders in Sachsen.

Hintergrund sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Leipzig gegen Nagel wegen des Verdachts der Aufforderung zu Straftaten. Konkret geht es um eine Pressekonferenz des Netzwerkes „Leipzig nimmt Platz“ im Januar 2015, bei der sie gefordert haben soll, eine LegidaKundgebung zu blockieren. Dieselben Vorwürfe erhob die Behörde gegen Monika Lazar, Bundestagsabgeordnete der GRÜNEN, und gegen drei weitere Persönlichkeiten, die an der Pressekonferenz teilgenommen hatten. Die drei letztgenannten Verfahren wurden inzwischen fallengelassen. Auch Lazar wird nicht weiter verfolgt. Der BundestagsImmunitätsausschuss hatte die Staatsanwaltschaft zu ihren Vorwürfen befragt und entschieden, Lazars Immunität nicht aufzuheben. Nicht so der sächsische in der Causa Nagel. Wie kann es sein, dass über zweitausend Menschen die Erklärung „Leipzig nimmt Platz“ unterzeichnet haben, aber nur gegen Nagel weiter ermittelt wird? Ist das Handeln der Staatsanwaltschaft politisch motiviert? Nagel und die Linksfraktion sehen einem möglichen Prozess gelassen entgegen. Selbst der Landespolizeipräsident hat eingeräumt, dass friedliche Blockaden nicht strafbewehrt sind. Wäre diese Erkenntnis früher gereift, wäre die sächsische Zivilgellschaft heute vielleicht kräftiger. Der Versuch, Nagels Engagement zu kriminalisieren, läuft allen Absichtserklärungen, sie zu stärken, zuwider.


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Die tägliche Dosis Kultur erhöhen!

Plenarspiegel März 2016 Die 29. (Sondersitzung), 30. und die 31. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages fanden am 29. Februar sowie am 16. und 17. März 2016 statt. Die Fraktion DIE LINKE war mit den folgenden Initiativen vertreten: Aktuelle Debatte „Bahn-Land Sachsen auf dem Abstellgleis“ Anträge „Nach Clausnitz und Bautzen: Bedauern reicht nicht, die Staatsregierung muss endlich aufwachen – Haltung zeigen, Zivilgesellschaft unterstützen, demokratischen Rechtsstaat stärken“ (Drs 6/4364, mit Bündnis 90/DIE GRÜNEN) „Evaluation der Tätigkeit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten“ (Drs 6/4433)

Seit Anfang 2016 reisten wir mit unserer Veranstaltung „Sachsens Kultur – Räume, Möglichkeiten, Perspektiven“ durch die Kulturräume, um mit Vertretern aus Politik, Kunst und Kultur zu sprechen und zu erfahren, wie es um das kulturelle Erbe unseres Landes bestellt ist. Die Initialzündung war die Evaluation des Kulturraumgesetzes (KRG) 2015. Eine Arbeitsgruppe analysierte für die Regierung Zahlen und Fakten, sprach Empfehlungen aus und befand im Großen und Ganzen: „und siehe, es war sehr gut“. Wir wollten wissen, wie Menschen und Macher vor Ort das sehen. Wir wollten Kulturschaffende und deren Publikum zu Wort kommen lassen, ihren Erfahrungen, Zwängen und Ideen eine Bühne geben. Wir wollten herausfinden, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um das Kulturraumgesetz zu erhalten. Jetzt, bevor es im Herbst in den Landtag kommt, ist der richtige Zeitpunkt. Unser Ansinnen erfuhr durchweg positive Resonanz. So positiv, dass unsere Fraktion Eintritt in Veranstaltungsorte erhielt, von denen ich nicht zu träumen wagte (z. B. die Theater Freiberg, Plauen, Zittau oder die Landesbühnen in Radebeul). Großartig auch, wer mit uns diskutierte: der Präsident der Kulturstiftung, Ulf Großmann, der Vater des Kulturraumgesetzes, Prof. Dr. Vogt, Prof. Dr. Albrecht von der TU Bergakademie Freiberg, Präsident und Mitglieder des Kultursenats, Intendanten, LeiterInnen von Museen, Musikschulen und Kulturverbänden, Landrat Henry Graichen ebenso wie der Oberbürgermeister von Radebeul. So viele offene

Türen und so großes Interesse zeigen, welche Bedeutung und welches Potential Kunst und Kultur haben. Oder: In welchem Dilemma sie stecken. Sachsen ist das Bundesland mit der größten Dichte kultureller Einrichtungen. Das Kulturraumgesetz hat das ermöglicht. Ursprünglich sollte damit „nur“ die Theater- und Orchesterlandschaft erhalten werden. Inzwischen beteiligt sich das Land an der Finanzierung von Museen, Bibliotheken, soziokulturellen Zentren, Musikschulen, etc. in kommunaler Trägerschaft und lässt Landkreise und Städte nicht allein. Gut so. Allerdings entscheidet das Land nicht mit, was gefördert wird. Das ist dem Kulturraum selbst überlassen. Diese Autonomie ist ein hohes Gut. Sie verliert jedoch ihren Wert, wenn die Staatsregierung den Kulturräumen noch mehr Aufgaben überträgt, ohne sie in den Stand zu setzen, diese zu bewältigen. Damit ist schon angedeutet, wie es nach 20 Jahren KRG aussieht: die Aufgaben sind immens, das liebe Geld reicht nicht. So kocht der Kulturbetrieb auf kleinster Flamme: Zusammenlegungen von Theatern haben diese nicht gesichert. Obwohl Künstler zumeist in Haustarifverträgen arbeiten, die z. T. 35 % unter dem Flächentarifvertrag der untersten Stufe liegen, steht immer wieder die Schließung einzelner Sparten im Raum. Einkommensverluste werden mit Freizeit vergolten. Das bedeutet weniger Probenzeit, weniger Aufführungen, weniger Besucher. Weitere Selbstausbeutung oder weniger Qualität führt zur Diskussion über die Daseinsberechtigung.

„Sicherung des Kindeswohls in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates Sachsen“ (Drs 6/3001) „Neue Perspektiven für Langzeitarbeitslose im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/2075) Drucksachen (Drs) und Reden unter www.linksfraktion-sachsen.de

12. April, 16 Uhr Fachgespräch: „Gesunde Ernährung in Kindertagesstätten und Schulen – Anspruch und Wirklichkeit in Sachsen“ Sächsischer Landtag, Raum A400

Verkehrslärm bekämpfen, Lärmschutz ausbauen! Handlungsmöglichkeiten auf Landesebene. 71. Treffen mit Bürgerinitiativen und Kommunalpolitiker/innen. Gewerkschaftshaus Dresden, Schützenplatz 14, Seminarraum

„Milchviehhaltende Betriebe und Unternehmen in Sachsen stärken – Milch(preis)krise wirksam begegnen [Milch(preis) krise-Maßnahmepaket]“ (Drs 6/4079)

Sammeldrucksache 6/4510 mit den Anträgen der Linksfraktion

Termine

16. April, 10.00 Uhr

„,So geht sächsisch‘ – geht nicht mehr. Standortkampagne sofort einstellen, Kampagnenbudget zur Demokratieförderung verwenden“ (Drs 6/4434)

„Braunkohle-Verkaufsverhandlungen: Sächsische Interessen wahren, Perspektiven für die Lausitz eröffnen, Folgekosten begrenzen“ (Drs 6/3955)

Eine Tänzerin in Görlitz verdient 1.500 € brutto im Monat, mit spätestens 36 Jahren kann sie ihren Beruf nicht mehr ausüben, Altersarmut ist vorprogrammiert. Bibliotheken werden geschlossen. Den Musikschulen laufen die Lehrkräfte davon, weil sie für zwei Stunden Unterricht keine 30 Kilometer mehr fahren können. Um nur die Theater und Orchester in der Fläche aus den Haustarifverträgen herauszuholen, fehlen neun Millionen Euro. Dabei machen die derzeitigen Mittel für das Kulturraumgesetz mit 91,7 Millionen Euro gerade einmal 0,5 % des Haushalts aus. Wir fordern eine Aufstockung um 20 Millionen. Erhöhen wir für uns die tägliche Dosis an Kultur! Wir müssen debattieren, wie viel Kultur wir uns jetzt und künftig leisten wollen. Die Aufmerksamkeit von allen Seiten zeigt: Kunst und Kultur sind kein weicher, sondern ein knallharter Standortfaktor, für Regionen, für Menschen und den sozialen Zusammenhalt. „Das haben wir immer schon so gemacht“ bedeutet Stillstand. Damit wäre das Kulturraumgesetz ad absurdum geführt. Franz Sodann, MdL

28. April, 09.30 Uhr Girl‘s Day 2016

Willkommenspreis 2016 Zum zweiten Mal lobt die Fraktion DIE LINKE den Preis „Gelebte Willkommenskultur und Weltoffenheit in Sachsen“ aus. Damit wollen wir das Ringen um Menschenfreundlichkeit unterstützen und all jene würdigen, die sich für ein friedliches Miteinander einsetzen. Die Auszeichnung wird in den Kategorien „Etablierte Initiative“, „Junge Initiative“ und „Einzelpreis“ vergeben. Erstere sind mit jeweils 1.000 Euro, der Einzelpreis mit 500 Euro Preisgeld dotiert. Die Finanzierung erfolgt aus Spenden unserer Abgeordneten. Für den Preis können sich Personen, Initiativen, Vereine oder Verbände bewerben, die sich für Geflüchtete bzw. MigrantInnen engagieren, sofern sie in Sachsen wohnhaft und tätig sind. Die

Engagierten können auch vorgeschlagen werden. Der Bewerbung bzw. dem Vorschlag ist eine schriftliche Beschreibung beizufügen, der einer festen Struktur entsprechen soll. Informationen gibt es unter www. gleft.de/1f1. Bewerbungen und Vorschläge können – unter Ausschluss des Rechtsweges – bis zum 30. April 2016 an die folgende Adresse eingereicht werden: Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, Stichwort: „Gelebte Willkommenskultur und Weltoffenheit in Sachsen – 2016“, Bernhard-v.-Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden. Die Preisverleihung findet im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung im Juni 2016 im Sorbischen National-Ensemble, Äußere Lauenstraße 2, 02625 Bautzen statt.

Sächsischer Landtag, Raum A467 Infos: www.gleft.de/1aJ

Impressum Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Telefon: 0351/493-5800 Telefax: 0351/493-5460 E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de www.linksfraktion-sachsen.de V.i.S.d.P.: Marcel Braumann Redaktion: Kevin Reißig


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