Links! Ausgabe 06/2012

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Lasst Euch nicht erpressen!

Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Juni 2012

Am 18. Mai 2012 trat das griechische Parlament in Athen zusammen, um seine Gremien zu wählen. Einen Tag später wurde das Parlament aufgelöst, um Neuwahlen zu ermöglichen. Chaos in Griechenland? Als wir letzte Woche in der GUENGL-Fraktion die Wahlen auswerteten, waren sich alle einig: Griechinnen und Griechen haben nicht aus Versehen den beiden großen Parteien Nea Dimokratia und Pasok ihre Stimme versagt, sondern diese bewusst abgestraft, weil deren Politik die Gesellschaft an den Rand des Zusammenbruchs schleuderte. Die konservative Nea Dimokratia fiel von 33,5 Prozent auf 18,85 Prozent zurück, die sozialistische Pasok von 43,9 Prozent auf 13,18 Prozent. Zulegen konnten die kleineren Parteien. Zweitstärkste Kraft wurde das linke Wählerbündnis Syriza, das von 4,6 Prozent auf 16,78 Prozent aufstieg, aber auch die kommunistische KKE und die Demokratische Linke erhielten Zuwächse. Erstmalig nach dem 2. Weltkrieg wurden Faschisten im griechischen Parlament vereidigt. Im militärischen Gleichschritt und mit Hitlergruß zogen sie ins Parlament ein. Der katastrophale Sozialabsturz ganzer Bevölkerungsgruppen hat das Land im Kern erschüttert. Binnen weniger Monate wurden Gehälter dreimal drastisch gekürzt, ebenso Renten, Sozialleistungen. Kinder sind besonders betroffen. Statt bedürftigen Kindern zu helfen, müssen neuerdings Behörden informiert werden, wenn Kinder im Unterricht wegen Hunger umfallen. Was unter der großzügigen Hilfe »Europas« für Griechenland firmiert, war von Anfang an nichts weiter als Hilfe für Banken, die durch ihre Zinspolitik ihren elitären Beitrag zur Verschuldung Griechenlands leisteten. Griechenlands Bürgerinnen und Bürger erhielten de facto keinen einzigen Cent. Nun wirdein linkes Wahlbündnis verteufelt, weil Syriza-Chef Tsipras nicht den Kotau vor der Großzügigkeit

»Europas« macht. Täglich folgt ein Horrorszenario dem anderen, der Untergang Griechenlands wird prophezeit. »Notfallpläne« für den Austritt aus dem Euro, ja sogar aus der EU werden durchgespielt. Fakt ist jedoch, dass weder Nea Demokratia noch Pasok zu einem Politikwechsel bereit ist. Wenn Syriza mit ihnen in die Regierung gegangen wäre, hätte sie alle ihre Wahlversprechen brechen müssen. Eine solche Regierungspolitik würde die Linken in Griechenland an die Wand fahren. Syriza vertritt klare Ziele: 1. Sofortige Annullierung aller antisozialen Forderungen, Rücknahme der Kürzungen der Gehälter und Pensionen (Renten). 2. Annullierung derjenigen Gesetze, die das Arbeitsrecht demontieren und die Kollektivverträge außer Kraft setzen. 3. Einführung des Verhältniswahlrechts und gesetzliche Neuregelung des bisherigen ministeriellen Verantwortungsbereiches. 4. Öffentliche Überprüfung der Banken, Umwandlung der Banken in ein Instrument der wirtschaftlichen Entwicklung und Stärkung der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Und 5. Einrichtung eines internationalen Ausschusses zur Überprüfung und Neubewertung der Staatschulden und ein Schuldenmoratorium. Diese Ziele widerspiegeln den Willen der Mehrheit der Bevölkerung in Griechenland. Neuwahlen können, sofern die linken Parteien gestärkt daraus hervorgehen, eine Chance sein. Dazu muss aber auch deren Bereitschaft da sein, zu kooperieren und Befindlichkeiten beiseite zu schieben. Insofern haben die seit Jahren zerstrittenenlinken Parteien Griechenlands eine einmalige historische Chance. Auch von der Glaubwürdigkeit und Kraft der Linken in Griechenland wird abhängen, ob Faschisten und andere rechte Kräfte erneut erstarken können. Griechenland braucht eine demokratische Alternative zur jetzigen Situation! Deshalb gilt den linken Kräften in Griechenland unsere Solidarität und Hilfe. Lasst Euch nicht erpressen! Die Menschen in Griechenland haben eine bessere Zukunft verdient! Ohne die Linken ist das nicht möglich.


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»Zum Erfolg kann man sich nur selbst führen« »Empört euch!«, forderte Stéphane Hessel weit vernehmbar nicht nur für die europäische Linke, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt – ein Aufruf, der angesichts der ständigen Finanz- und Demokratiekrise aktueller nicht sein könnte. Aus Empörung muss jedoch Handeln werden. Der politische Streik, in Deutschland faktisch nicht legal, dafür aber umso legitimer, ist ein unverzichtbares Kampfmittel. »Links!« sprach darüber mit Veit Wilhelmy, Gewerkschaftssekretär der IG Bau. Du bist einer der Initiatoren des »Wiesbadener Appells« für den poltischen Streik. Warum braucht Deutschland überhaupt politische Streiks? Ich antworte mit einer Gegenfrage: Warum nicht? In allen anderen Ländern um uns herum gibt es dieses Recht, nur in der BRD ist es durch ein aus den 50er Jahren stammendes rückständiges Richterrecht illegalisiert worden. Gerade weil die Politik immer stärker in wirtschaftspolitische und sozialpolitische Zusammenhänge eingreift und man das mit der normalen Tarifpolitik gar nicht mehr ausgleichen kann, muss es möglich sein, für politische Ziele Arbeitsniederlegungen zu organisieren. Was wären denkbare politische Ziele, die mit einem Streik erreicht werden könnten? Politische Streiks sind in allererster Linie Abwehrkämpfe. Ein Thema, das sich geeignet hätte, war der Beschluss zur Rente mit 67. Ein Großteil der Bevölkerung, nicht nur die Gewerkschaften, ist gegen diese Rentenkürzung. Ein umfassender politischer Streik oder ein Generalstreik wäre wünschenswert gewesen, um sie zu verhindern. Punktuell hat die IG Metall politisch dagegen gestreikt, aber nur punktuell, in wenigen Betrieben. Das hat aber wesentlich mehr Wirkung gezeigt als Demonstrationen am Samstag oder ein Kreuzchen bei der Bundestagswahl. Ich trete seit Jahren dafür ein, dass die Gewerkschaften sich dieses Recht, das sie ja einmal hatten, wieder nehmen. In der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung ist das politische Streikrecht immer wieder verloren gegangen. Zum Beispiel in den 50er Jahren...

In den 1950er Jahren ging es um die Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes, und die damalige Regierung hat entgegen den vorherigen Absprachen einen verschlechterten Entwurf als Gesetzesgrundlage vorgestellt. Dagegen hat damals die IG Druck und Papier den legendären zweitägigen Zeitungsstreik initiiert, da ist bundesweit so gut wie keine Zeitung erschienen. Das ist von Politik und Justiz als politischer Streik gebrandmarkt worden. Verkürzt gesagt hat das damals neu eingerichtete Bundesarbeitsgericht, in Person seines Präsidenten Nipperdey, der auch schon unter Hitler tätig war, diese verheerende Rechtssprechung auf den Weg gebracht. Damit war zwar im Grunde genommen juristisch kein Verbot erlassen, aber begründet, dass ein Arbeitgeber bei der Ausübung seines Gewerbes nicht behindert werden darf. Wenn das durch einen politischen Streik geschieht, kann er gegenüber der Gewerkschaft gerichtlich einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Das ist zwar rein formal kein Verbot, wirkt aber wie ein solches. Daran wird bis heute festgehalten. Welche Veränderungen am Streikrecht wären notwendig, damit politische Streiks möglich würden? Die Gewerkschaften und Parteien müssen diese Forderung immer wieder aufstellen, aber ich betrachte es in der gegenwärtigen politischen Situation als Illusion, dass irgendeine Regierungspartei den Gewerkschaften gönnerhaft das politische Streikrecht schenken

würde. Der politische Streik muss erkämpft werden, durch sogenannte kontrollierte Regelverletzungen, wie es die Arbeiterbewegung im Grunde genommen immer gemacht hat. Ein ganz wichtiger Ansatz ist zudem, diese Regelungen in den Tarifverträgen abzusichern. Das haben die deutschen Gewerkschaften seit den 50er Jahren vollkommen verschlafen. Dieser Ansatz gefällt mir deswegen so gut, weil man die Politik dazu nicht braucht. Man kann es aus eigener Kraft schaffen, indem man es in die Tarifverträge hineinstreitet, notfalls auch hineinstreikt. Wie ist die Stimmung in den Gewerkschaften, sowohl im DGB als auch in den Tochtergewerkschaften? Wie positioniert man sich zum Wiesbadener Appell? Mich hat es nicht gewundert, dass von den Vorständen der DGB-Gewerkschaften bislang keinerlei Reaktion kam. Das ist aber normal, leider. Aber von Untergliederungen und Einzelpersonen aus Gewerkschaften gibt es jede Menge Reaktionen. Natürlich kann es nicht dabei bleiben, nur darüber zu sprechen, aber das ist die erste Stufe, damit das Thema auch in der Bevölkerung auf die Agenda kommt, damit die Funktionäre sich damit auseinandersetzen und das Thema breit in die Mitgliedschaft tragen. Zum Beispiel steht ja die Frage im Raum, wie lange wir noch auf einen gesetzlichen Mindestlohn warten wollen? Wenn ein paar Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für ein bis zwei

Tage die Arbeit einstellen würden, verknüpft mit der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, kann man sich vorstellen, wie schnell die Regierung reagieren würde. Ich würde sogar noch weiter gehen: Sogar eine Drohung mit einem politischen Streik könnte unter Umständen schon politische Auswirkungen haben. Dazu müssten die Gewerkschaften aber in der Lage sein, auch nichtorganisierte Beschäftigte zu mobilisieren. Eine politische Streikbewegung, die mit einem konkreten Thema verknüpft ist, kann auch weitere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Gesellschaftsschichten dazu bewegen, sich dem Protest anzuschließen. Durch die Ausweitung der Kampfmittel würden die Gewerkschaften auch im politischen Raum erfolgreicher sein. Und sie hätten es leichter, neue Mitglieder zu gewinnen – Erfolg macht schließlich sexy. Die nichtorganisierten Beschäftigten würden sehen, dass nicht nur z.B. eine dreiprozentige Lohnerhöhung erstreikt werden kann, die von der Inflation meist wieder aufgefressen wird, sondern dass die Gewerkschaften beispielsweise einen gesetzlichen Mindestlohn durchsetzen können, in Ergänzung zu tariflichen Mindestlöhnen. Das kann man sich gut vorstellen. Wenngleich die deutsche Streikkultur – etwa im Vergleich mit der französischen – die Frage aufwirft, ob die deutschen Beschäftigten angesichts des allgegenwärtigen Fata-

lismus überhaupt dazu animiert werden könnten. Das sind Schutzbehauptungen, um dieses Thema nicht angehen zu müssen. Drehund Angelpunkt ist es, mit den Gewerkschaftsmitgliedern solche Themen zu diskutieren, sie von der Notwendigkeit zu überzeugen und sie Schritt für Schritt durch Bildungsmaßnahmen in diese Richtung zu »führen«. Es wirkt zwar nach außen immer so, als ob die Deutschen nichts machen, aber das liegt daran, dass niemand nach vorne geht und sich ernsthaft darum kümmert. Schließlich gibt es Beispiele für erfolgreiche Kämpfe. Welche? Die französische Regierung wollte den Kündigungsschutz von Jugendlichen massiv verschlechtern, woraufhin es in Frankreich einen mehrtägigen Generalstreik gab. Daran haben sich nicht nur die Gewerkschaften und ihre Mitglieder beteiligt, sondern große Teile der Beschäftigten im ganzen Land. Dadurch wurde der gesellschaftspolitische Druck so groß, dass die Regierung ihr Vorhaben ersatzlos zurückgenommen hat. Ein zweites Beispiel ist die Streikbewegung Mitte der 80er Jahre in Polen, Solidarnosc, da haben sich insbesondere Westdeutsche vor den Fernsehschirmen befürwortend auf die Schenkel geklopft. Zumindest die westlichen Staaten, die Presse, die Bevölkerung, haben das alle bejubelt. Wenn man heute in der BRD das Wort Generalstreik in den Mund nimmt, läuft man Gefahr, vom Verfassungsschutz beobachtet oder als Kommunist bezeichnet zu werden. So schräg ist das. Wäre es vorstellbar, dass ein Machtwechsel auf Bundesebene – etwa eine rot-rot-grüne Koalition – das Recht auf politischen Streik durchsetzen könnte? Da bin ich sehr skeptisch, selbst dann, wenn ein solches Bündnis zustande käme. Größere Teile in der Sozialdemokratie, der Partei der ich ja auch 30 Jahre lang angehört habe, und noch größere Teile der Grünen stehen dieser Forderung skeptisch gegenüber. Deshalb ist mein Rat an die Gewerkschaften, sich dieses Recht selbst zu erstreiten und trotzdem die Forderung an die Politik immer wieder zu formulieren. Zum Erfolg kann man sich wahrscheinlich nur selbst führen. Die Fragen stellten Rico Schubert und Kevin Reißig. Das komplette Interview findet sich auf www.links-sachsen.de.


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Es tut sich was: Politisches Streikrecht ausweiten! So beschrieb Veit Wilhelmy im April 2012 in einer Podiumsveranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die auch von attac-Dresden mitgetragen wurde, die aktuelle Diskussion zum politischen Streik. Vor etwa 30 Teilnehmern begründete der Gewerkschaftssekretär aus Wiesbaden, dass diese Kampfform erforderlich ist, um mehr als nur wirtschaftliche oder tarifpolitische Ziele durchzusetzen. Wenig später, am 10. Mai, streikten in Großbritannien 400.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst gegen geplante Verschlechterungen ihrer Altersrente. Wäre ein solcher Streik in Deutschland denkbar? Sicher nicht. Und er wäre auch nicht erlaubt, weil damit keine unmittelbaren wirtschaftlichen Ziele und Interessen verfolgt würden. Politiker, Gewerkschafter und Wissenschaftler fordern deshalb in einer Initiative, dem »Wiesbadener Appell«, eine Ausweitung des Streikrechts. Deutschland ist eines der streikärmsten Länder in der Welt. Eine Ursache liegt auch darin, dass politische Streiks als unzulässig gelten. Damit ist ein Grundrecht, wie es im Grundgesetz verankert ist, faktisch außer Kraft gesetzt. Dies zu ändern, braucht einen

Fast sah es ja nach den Wahlen in Frankreich und in Griechenland und nach Unruhen in Spanien oder Italien schon so aus, dass ich »Merkel allein zu Haus« hätte titeln müssen. Aber wenigstens der französische Präsident hat schon mal geklingelt; einmal zunächst, doch der wird noch öfter vor der Türe stehen und Einlass begehren. Ob er irgendwann so willkommen sein wird wie sein Vorgänger, wissen wir noch nicht. Gut Ding wird wohl Weile brauchen. Er löffelt nicht jede Suppe aus, die man ihm vorsetzt, sondern stellt Forderungen. Die sparsame Hausfrau, die einem großen Teil Europas die schmale Kost von Tütensuppen verordnet hat,

beständigen Druck von unten, um in den DGB-Gewerkschaften zu neuen Beschlüssen für ein Recht auf politische Streiks und auf den Generalstreik zu kommen. In seinem Vortrag zeigte Veit Wilhelmy, gestützt auf eigene Buchveröffentlichungen, die historischen und heutigen Zusammenhänge des Themas. Die Gewerkschaften müssen wieder stärker zu Kampforganisationen werden und dabei das auch in der Europäischen

Sozialcharta verbriefte Recht auf politischen Streik wahrnehmen. In der lebhaften, teilweise kontroversen Diskussion bestand beinahe die Gefahr, es könnten Gräben zwischen den »Reformern« und den »Klassenkämpfern« aufreißen. Die einen verwiesen auf die in den Betrieben fehlende Bereitschaft zur politischen Aktion. Die anderen führten an Hand prekärer Lebenssituationen vor, wie dringend

grundlegende Veränderungen notwendig sind. Auf dem Podium argumentierten die Betriebsräte Holm Theinert und Bernhard Fischer von Infineon am Beispiel von Qimonda im Jahr 2008, wie schwierig sich die betrieblichen Auseinandersetzungen gestalten. Dies ist nicht zuletzt durch den geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Belegschaften bedingt. Der Landtagsabgeordnete Klaus Tischendorf, Sprecher der AG

betrieb&gewerkschaft der LINKEN in Sachsen, bestätigte, dass die Streikbereitschaft hier niedriger ist als im Westen, verwies aber zugleich auf positive Veränderungen in den letzten Jahren. Ralf Hron, DGB-Vorsitzender Dresden-Oberes Elbtal meinte, nur wenige Gewerkschaftsmitglieder wollten politischen Streik als Kampfform nutzen. Ihm ist deshalb die Bewahrung des DGB als Einheitsgewerkschaft wichtiger. Ein »Bruderkrieg« müsse unbedingt vermieden werden. Entscheidend seien nicht die Formen der Auseinandersetzungen, sondern die Ergebnisse. Inzwischen fand am 5. Mai 2012 in Berlin die internationale Konferenz »Politische Streiks im Europa der Krise« statt. Die Veranstalter von der Rosa-Luxemburg-Stiftung konnten an die europäischen Erfahrungen von 24 Generalstreiks allein aus den letzten beiden Jahren anknüpfen. Bleibt zu hoffen, dass diese Diskussion in den deutschen Gewerkschaften weiter geführt wird. Unter www.politischer-streik.de kann sich jeder über den Wiesbadener Appell informieren und diesen unterstützen. Wilfried Trompelt

soll das Mahl wieder opulenter gestalten, damit die halb verhungerten Esser erstarken. Das klingt doch vernünftig. Nur kräftige Menschen können arbeiten und neue Werte schaffen. Der Suppenkasper war am siebenten Tage tot. Die Merkeln jedoch lässt klingeln und um Essen betteln. Den Sparwahn will sie nicht aufgeben, bessere Kost gibt es nur, wenn das Geld dafür nicht geborgt, sondern ... ja was, sondern? »Borgen bringt Sorgen«. »Borgen und Schmausen endet mit Grausen.« Das mag ja sein. Aber nichts borgen, bringt offensichtlich auch Sorgen, größere vielleicht noch als das Borgen. Hierin schlummert der Grundwiderspruch kapitalistischer Geldwirtschaft, in der Geld selbst zur Ware wird. Sie lebt vom Borgen und Verborgen. Borgen ist jedoch die Erstgeburt der Armut. Die Alternative zur Armut ist Verhungern. Auf der Straße liegt kein Geld mehr. Das hat der Exportweltmeister Deutschland längst

eingesammelt. Jetzt klingeln jene, die einst als Käufer auf Pump vor der Tür standen, als Bettler und die EU verkommt zur Suppenküche. Die Köchin freilich wird dick und fett. Es bewahrheitet sich nämlich die finnische Weisheit: »Borgst Du

»Teilhauptmieten«. Das waren nach heutiger Diktion so etwas wie WGs. Klingel gab es und gibt es da oft nur eine. Das alles hat Frau Merkel wohl vergessen. Sie wohnte ja auch allein mit ihren Eltern im Pastorenhaus. Jetzt hält sie Europa für ihr Haus und teilt es nur mit dem Hausmeister Schäuble. Der hat einen Schlüssel zum Haus, zu Küche, Kammer und Haushaltskasse. Der braucht nicht zu klingeln. Alle anderen jedoch, die eigentlich auch ins Haus gehörten, sollen dies, wenn sie hinein wollen. Die Hausfrau will dann entscheiden, ob sie das zulässt oder ob man wen im Regen stehen lässt. Sie hat vergessen, dass auch sie nur Teilhauptmieterin ist. Irgendwann werden da die Durchgeweichten Sturm klingeln. Einmal, vielleicht auch noch zwei- oder dreimal. Irgendwann wird aber auch ihre Geduld zu Ende sein. Der französische Präsident geht noch gesittet voran und klingelt brav bei Neum ..., pardon, Mer-

kel. Andere werden wütender. Die Polizei wird sie auf Dauer nicht daran hindern können, das zu besetzen, was aus ihren rausgepresst wurde, sich den angehäuften Reichtum verfügbar zu machen, der ihre aktuelle Armut verursacht. »Occupy«, »Blockupy« das sind die Stichworte für die neuen Volksweisheiten. Die predigen nicht Gewalt, sondern tätige Demokratie. Die Gewalt geht von den »Hausbesetzern« der Wall-Street oder des Frankfurter Bankenviertels aus, die in ihren Quartieren ruhig, dick und fett auf der Bank sitzen wollen. Gewalt geht von jenen aus, die meinen, es gäbe zu viele »Kleine« in den Parlamenten, was nur die Demokratie störe. Spätestens jetzt sollte es bei uns allen mehr als zweimal klingeln. So einer meint gar nicht Demokratie, er meint Plutokratie. Das ist nach DUDEN, Universalwörterbuch die »Staatsform, in der die Besitzenden, die Reichen die politische Herrschaft ausüben«. Peter Porsch

Merkel - zweimal klingeln. Dir Spreu von einem Reichen, musst Du ihm Weizen zurückgeben.« Der Titel übrigens, »Merkel zweimal klingen«, ist bis auf die Merkel geklaut. Die Älteren unter den Leserinnen und Lesern oder vielleicht auch nur mehr die ganz Alten werden das schon gemerkt haben. »Neumann - zweimal klingeln« war der Sonntagsrenner bei Radio DDR in den sechziger Jahren. Warum musste man eigentlich bei Neumanns zweimal klingeln? Nun, in der DDR waren große Wohnungen oft geteilt in zwei oder mehrere


Hintergrund

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Kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres hatten die sächsischen Regierungsund Koalitionsspitzen eilends eine Pressekonferenz einberufen, auf der sie das sogenannte »Bildungspaket 2020« vorstellten. Das Problem des Lehrermangels, das erheblichen Unmut unter Lehrerund Elternschaft verursacht hatte, sei damit gelöst, erklärten der Finanz- und der Kultusminister sowie die Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP. Die öffentlich demonstrierte Selbstzufriedenheit währte jedoch nicht lange. Drei Monate später befand sich das Regierungskabinett in einer schweren Krise und war von einer Lösung des Lehrkräfteproblems weiter entfernt denn je. Mittlerweile hatte, für viele völlig überraschend, der Kultusminister seine Meinung über das »Bildungspaket 2020« geändert. Nach den Berechnungen seines Hauses werde Sachsen seine Spitzenposition in der Bildung verlieren, wenn nicht energisch gegen den Lehrermangel vorgegangen werde. Demnach gehen bis zum Jahr 2030 82,8 % aller am 01. August 2011 unter Vertrag stehenden Beschäftigten in Rente. Insgesamt sind das 26.959 Personen. Es besteht folglich akuter Handlungsbedarf, um den Unterricht in Zukunft auch nur annähernd sichern zu können. Jährlich müssten etwa 1.600 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden, um die ausscheidenden Lehrkräfte zu kompensieren. Dennoch sah das »Bildungspaket 2020« einen weiteren Stellenabbau im Schulbereich vor, und zwar von derzeit 27.600 auf 25.400 bis 2021.

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Lehrermangel: Staatsregierung versagt weiter

Nach dem Rücktritt Roland Wöllers konzentriert sich die neue Kultusministerin Brunhild Kurth ganz auf die Vorbereitung des kommenden Schuljahres, insbesondere auf die Absicherung des Unterrichts. Auch sie hat zu dem Zweck ein »Bildungspaket« vorgelegt. Es sieht mehr Einstellungen vor, die Rückkehr von Lehrern aus der Verwaltung und aus dem Ganztagsbereich in den Unterricht sowie ein »Programm Unterrichtsgarantie«. Letzteres soll es den Schulen ermöglichen, schnell und flexibel auf Unterrichtsausfall zu reagieren. Insgesamt rechnet die Minis-

terin mit 1.011 Stellen bzw. Personen und Kosten in Höhe von 23,5 Millionen Euro. Auch diese Maßnahmen reichen nicht aus, um den Lehrermangel zu kompensieren. Zudem konzentriert sich die Ministerin ausschließlich auf den Unterricht. Schule ist jedoch mehr als das: Was wird zum Beispiel aus den Ganztagsangeboten, wenn die Pädagogen daraus abgezogen und durch Honorarkräfte ersetzt werden? Zur Absicherung des außerordentlich hohen Bedarfs an Lehrkräften im Freistaat Sachsen sollte die Staatsregierung ein Sofortprogramm

zur Gewinnung von qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern auflegen. Die Ausbildungskapazitäten in den Lehramtsstudiengängen an der TU Dresden und der Universität Leipzig sollten erhöht und das Lehramtsstudium an der TU Chemnitz wieder eingerichtet werden. Die Kapazitäten den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung müssen deutlich angehoben werden. Für erfolgreiche Alumni eines Lehramtsstudiums an sächsischen Hochschulen muss es eine rechtsverbindliche Einstellungsgarantie geben, im Ausland erworbene Abschlüsse und Qualifikatio-

2. Linke Sommerakademie Sachsen schafft Verbindung Der diese Zeitung tragende Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V. veranstaltet nach dem großen Erfolg vom letzten Jahr die 2. Linke Sommerakademie vom 6. bis 8. Juli 2012 in Krögis bei Meißen. Im Mittelpunkt steht das Thema Kommunikation und damit verbunden die Weiterbildungen und Qualifikation derer, die sich in linken Strukturen und Zusammenhängen engagieren oder dies vorhaben. In erster Linie geht es um Fähigkeitsvermittlung, wie man sich in Parteien, Vereinen, Initiativen und/oder Bündnissen

sinnvoll einbringen kann. Während der Sommerakademie gibt es neben qualitativ hochwertigen Seminaren auch genügend Raum, um sich gegenseitig zu vernetzen, miteinander zu diskutieren und einander zuzuhören. UnterstützerInnen sind die Rosa-Luxemburg-Stiftung, DIE LINKE. Sachsen, Bereich politische Bildung der LINKEN und Abgeordnete der Fraktion im DIE LINKE im Sächsischen Landtag. Weitere Informationen über gebotene Inhalte, Anmeldung und Preise unter www.linke-bildung-kultur.de

Ab sofort kann man sich anmelden! Da die Plätze begrenzt sind, ist es sinnvoll, ein Votum einer linken Struktur zu haben. Natürlich kann sich aber auch direkt bei uns, dem ausrichtenden Verein Linke Bildung & Kultur für Sachsen per Mail sommerakademie@linke-bildung-kultur.de oder telefonisch 0351 84389773 angemeldet werden. Der TeilnehmerInnenbeitrag liegt bei 35 Euro für Delegierte aus Organisationen, ohne Delegierung kostet es 95 Euro.

nen sind unbürokratisch anzuerkennen. Der altersgerechte Übergang für aus dem Schuldienst ausscheidende Pädagogen, einschließlich Altersteilzeit, muss geregelt werden. Für all dies sind die nötigen finanziellen Mittel aus dem Landeshaushalt bereitzustellen. Vorschläge dieser Art sind vom Kultusministerium und von den Koalitionsfraktionen stets abgelehnt worden. Das erlaubt keinen anderen Schluss, als dass Regierung und Koalition den Lehrermangel in Sachsen schlichtweg ignoriert haben. Jochen Mattern


Juni 2012

Sachsens Linke

Fünf Jahre die LINKE! Tom Strohschneider gibt auf Seite 3 einen Rückblick. Nicht nur nneues Spitzenpersonal, sondern eine „neu Erzählung“ sind notwendig, um die Partei „wieder in die Offensive zu bringen“. Cornelia Falken stellt die neu erarbeiteten Bildungspolitischen

Leitlinien vor, die in der nächsten Ausgabe komplett abgedruckt werden. Enrio Stange und Tilo Wirtz beginnen eine neue Serie zum Thema „Wohnen in Sachsen“. Auf Seite 4.

Und Dr. Axel Troost zeigt auf Seite 7, dass der schwarz-gelben Koalition mit dem Fiskalpakt jedes Verständnis pragmatischer Politik abgeht.

Bildungspolitik Die Leitlinien in der näch

sten Ausgabe

Der 4. Juni

Die Partei als Ort des gemeinsamen Handelns Überlegungen für einen Aufbruch weg vom Lagerdenken, hin zu einer neue Linken Für eine Gesellschaft ohne Angst! Die gegenwärtige Wirtschaftskrise äußert sich in Deutschland anders als in Griechenland. Und sie wird von den Bürger_innen anders erlebt. Die Krise besteht in einer zunehmenden Prekarisierung der Lebens- und Arbeitswelt, in zunehmenden Druck und steigender Angst. Diese Prekarisierung hat verschiedene Gesichter. Beispielweise Stress im Job, das Gefühl, in immer kürzerer Zeit immer mehr schaffen zu müssen, Angst vorm Verlust des Jobs, und sei er noch so schlecht bezahlt, oder in dem Gefühl, als Angst vor Hartz-IV-Sanktionen oder dem Gefühl als Erwerbslose auf dem Amt nicht als Bürgerin zu gelten und anderen Demütigungserfahrungen. Die Herrschenden versu-

chen nun die verschiedenen Gruppen gegeneinander auszuspielen, z.B. den Arbeiter der Stammbelegschaft gegen die Leiharbeiterin, die Verkäuferin mit Dumpinglohn gegen den Erwerbslosen oder den Migrant gegen die »Deutsche«. Linke Politik muss die gemeinsamen Interessenslagen, die zwischen den verschiedenen Gruppen der Beschäftigten, der Erwerbslosen, der Prekarisierten – sowohl derjenigen, die am Laptop arbeiten als auch derjenigen, die den Wischmopp schwingen, herausarbeiten und eine gemeinsame Sprache finden. Insofern halten wir es mit dem Slogan: Prekarisierte aller Lebenslagen, vereinigt Euch! Für eine Gesellschaft ohne Angst. Für eine Offensive fürs Öffentliche! Jahrelang führten die Eliten in Wirtschaft und Politik einen Feldzug gegen das Öffentliche und für Privatisierungen. Dem Ausverkauf der Gemeingüter setzen unzählige lokale Initiativen erfolgreich die Überzeugung entgegen: Privatisierung ist Diebstahl öffentlichen Eigentums. So manches Bürgerbegehren konnte die Pri-

vatisierung der kommunalen Stadtwerke oder Krankenhäuser verhindern. Dies war auch ein Erfolg unserer Partei. Eine Offensive fürs Öffentliche kann daran anknüpfen, sollte aber nicht bei reinen Abwehrkämpfen stehen bleiben. Sozialistische Politik heißt eben auch, Wirtschaftsdemokratie voranzutreiben sowie Formen solidarischer Ökonomie, wie Genossenschaften oder Kooperativen und Rekommunalisierungen zu befördern. In diesem Zusammenhang ist auch das Konzept eines Infrastruktursozialismus einzuordnen. Dieses zielt darauf ab, elementare gesellschaftliche Aufgaben wie Mobilität, Kultur, Kommunikation und Gesundheit der Warenförmigkeit zu entziehen. Übersetzt auf Landes- und Kommunalpolitik könnte dieses bedeuten, sich für kostenloses WLAN für alle oder kostenfreien Bus- und Bahnverkehr einzusetzen. Gegen den Fiskalpakt, die Schuldenbremse und die Verarmung der öffentlichen Hand! Das in Deutschland hegemoniale Erklärungsmuster zur Krise ist so einfach wie falsch.

Die Krise ist nicht entstanden, weil einige Länder über ihre Kosten gelebt haben. Die falsche Diagnose durch Merkel und Co. führt dazu, dass ganz Europa das falsche, ja kontraproduktive Medikament der sogenannten Schuldenbremse zwangsverschrieben wird. Tatsächlich handelt es sich jedoch um etwas anders: ein Kreditverbot bzw. eine Investitionsbremse. Die sogenannten Schuldenbremse bedeutet letztlich, dass notwendige Investitionen im Bildungsbereich verboten sind und dass Mittel für das Stadttheater oder den Jugendclub gekürzt werden müssen. Schuld an der Krise sind die drei Us: Unterregulierung der Finanzmärkte, Ungleichgewichte in der Außenhandelsbilanz und Ungleichgewichte in der Einkommensverteilung. Eine wirksame Krisenbekämpfung muss genau da ansetzen. Das heißt: es bedarf Maßnahmen zur Umverteilung von oben nach unten, höhere Löhne in Deutschland zur Reduktion des Leistungsbilanzüberschusses und eine couragierte Regulierung der Finanzmärkte z.B. eine Verbot der Hedgefonds.

Der Souverän hat entschieden und einen neuen Parteivorstand gewählt. Wahrscheinlich werde ich nicht vollständig zufrieden sein mit dem Ergebnis, und das ist auch gut so. Jedoch werde ich die Entscheidung des Parteitages von Göttingen akzeptieren. Was ich vom Parteitag und der neuen Parteispitze erwarte? Dass von Göttingen ein Signal der Gemeinsamkeit ausgeht, verbunden mit einem praktischen Verständnis von Pluralität als Stärke unserer Partei. Dass die Parteitagsbeschlüsse auf das alltägliche Handeln unserer Partei abzielen und unsere Fähigkeit verbessern, auf aktuelle Entwicklungen für die Menschen nachvollziehbar und klar zu reagieren. Vor allem erwarte ich von allen Gewählten für Parteivorsitz und Parteivorstand, dass sie willens sind, in ihrer Vorstandstätigkeit Solidarität und Toleranz im Umgang mit unterschiedlichen Positionen zur Grundlage ihres Handelns zu machen. Was voraussetzt, dass die Delegierten des Parteitages ihre Fähigkeit nutzen, in ihrem Wahlverhalten die Vielfältigkeit unserer LINKEN abzubilden, nicht auszugrenzen, und sich von der Maxime leiten lassen, dass in einem Parteivorstand vor allem Menschen tätig sein sollen, die im Austausch miteinander Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen und auf diesem Wege DIE LINKE nach vorn bringen. Je mehr dies alles gelingt, desto besser können wir die Geschichte der LINKEN weiterschreiben. Im Übrigen: Der 4. Juni ist ein ganz normaler Montag im Jahr 2012.


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Meinungen Uwe Schnabel aus Coswig zu »(Atom)streit mit Teheran« (Links! 5/2012, S.4) Ich unterstütze die Forderung von Cornelia Ernst nach einem Dialog auf Augenhöhe. Dazu gehört für mich aber auch, dass nicht Verdächtigungen und Verleumdungen einfach weiterverbreitet werden. So haben israelische Regierungsvertreter schon öfters dem Iran mit einem Erstschlag gedroht. Von einer analogen Erstschlagsdrohung des Iran wurde noch nicht berichtet. Nach verschiedenen Berichten geht es der jüdischen Bevölkerung im Iran besser als den Palästinenser(inne)n in Israel. Im Gegensatz zu Israel und der NATO hat in den vergangenen Jahrzehnten der Iran kein anderes Land angegriffen. Die iranische Regierung ist nicht antisemitisch. Sie fragt nur, warum die Palästinenser(innen) darunter leiden müssen, dass in Europa der Holocaust stattgefunden hatte. Aber, wie Cornelia Ernst feststellte, um Menschenrechte und

mögliche Atomwaffen im Iran geht es der USA und der EU nicht. Sie stört, dass die iranische Regierung selbstbestimmt agiert und sich nicht dem Westen unterwirft. Deshalb werden vom Westen alle Verhandlungsangebote des Irans abgelehnt. Aus diesem Grund will der Iran bei der friedlichen Nutzung der Atomenergie unabhängig sein. Das Streben nach Atomwaffen wird aber ausdrücklich abgelehnt. Es gibt auch keinerlei Beweise für das Gegenteil. Und die Staaten, die den Iran kritisieren, haben nicht nur selbst Atomanlagen, sondern sogar (teilweise im Rahmen der nuklearen Teilhabe) Atomwaffen. Wir sollten uns gemeinsam gegen diese Regierungen wehren, die nicht nur den Iran bedrohen.

Für eine andere Zeitpolitik! Zu den Verteilungsungerechtigkeiten dieser Gesellschaft gehört, die für alle Beteiligten nachteilige Verteilung der verschiedenen Tätigkeiten. Die einen sind gestresst, weil sie zunehmend mehr Überstunden in Kauf nehmen. Andere wiederum sind gestresst, weil allen Bewerbungen und Weiterbildungen zum Trotz sich kein guter Arbeitsplatz finden lässt. Ungleich verteilt sind auch die Aufgaben zwischen den Geschlechtern. Immer noch tragen die Frauen einen Großteil der Familien- und Sorgearbeit weg, während die einflussreichen Spitzenjobs vorrangig in Männerhänden liegen. Hier gilt es umzuverteilen. Arbeitszeitverkürzung, und zwar sowohl als kollektive Regelungen in Tarifverträgen als auch selbstbestimmte Formen wie z.B. Sabbatjahre oder Auszeiten für Weiterbildungen etc. können dem gesellschaftlichen Burn-Out entge-

genwirken und eine gerechte Verteilung der notwendigen Erwerbsarbeiten befördern.

Impressum Sachsens Linke! Die Zeitung der Linken in Sachsen Herausgeber: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Kultur und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden

So gesehen

In Göttingen an die Leine legen! Von Uwe Schaarschmidt

Im Mai haben drei Frauen des Landesvorstandes ein sportliches Projekt in Angriff genommen. Die Laufbegeisterten haben sich dem Wettkampf gestellt und am Frauenlauf in Leipzig teilgenommen. Ausgerüstet mit entsprechenden LINKE-Shirts im Glitzerstyle (wir sind angetreten als die Glitzergirls der LINKEN, ganz zeitgemäß zu den tollen Postkarten des Landesverbands) einem phantastischen Fanblock und entsprechenden „isotonischen Getränken“

sind wir zu Bestleistungen aufgelaufen und haben dabei bewiesen, dass DIE LINKE genug Puste hat. Nun, uns hat der Tag sehr viel Spaß gemacht und wir würden das auch gerne woanders wiederholen. In den Landkreisen, bei Volksläufen und so weiter. Um es also kurz zu machen: Schickt uns eine Mail wann und wo die Läufe stattfinden oder wann ihr ggf. lauft, bringt ein paar Leute mit zum anfeuern und bejubeln und wir kommen und laufen mit.

wissheiten stehen.

en geben hier unseren Handlungsrahmen vor: Wenn wir gemeinsam mit anderen einer sozialen und demokratischen Politik zum Durchbruch verhelfen können, dann sind wir dabei. Ob auf der Straße, in Bürgerinitiativen oder eben auch in den Parlamenten. Für uns sind dabei stets zwei Punkte zentral: 1. Das Erreichen von Macht- und Entscheidungspositionen ist kein Selbstzweck. Sie muss sich daran messen lassen, ob sie sozialen und demokratischen Fortschritt voranbringt. 2. Die Macht linker Politik besteht in der Handlungsmacht der Vielen. Sie entsteht in der Gesellschaft, im Alltag, dort wo Menschen arbeiten und leben. Wir gehen dahin, wo sich, was tut. Wir wollen wieder Mut machen, die Gesellschaft zu verändern. Raus aus den Gräben und rein in die Veränderung – so stellt die LINKE die Machtfrage. Katja Kipping (gekürzt)

Für eine LINKE als lernende Partei Geteilte Gewissheiten, gemeinsame Standpunkte und klare Ziele sind der Kit, der die verschiedenen Mitglieder einer Partei zusammenhält. Doch neben all den Gewissheiten gibt es auch immer wieder Fragen, auf die wir keine definitive Antwort haben und dazu können wir auch stehen. »Preguntando Caminamos« – Fragend schreiten wir voran! sagen die mexikanischen Zapatistas. Die globalisierungskritische Bewegung hat diesen Slogan aufgegriffen. Hier kann die LINKE von der Bewegung lernen. Offene Differenzen und ungeklärte Fragen müssen nicht durch knappe Mehrheitsbeschlüsse oder durch Lautstäke übertüncht werden. Vielmehr sollten wir neben unseren Überzeugungen auch zu unseren Unge-

Für eine Partei ,in der die Lust größer ist als der Frust Auf einer Regionalkonferenz meinte eine Genossin, sie verbringe einen großen Teil ihrer knappen Freizeit in der Partei und sie habe ein Recht darauf, diese Zeit nicht als Zumutung zu erleben. Recht hat sie. Doch leider werden unsere Veranstaltungen und Sitzungen diese Forderung wahrlich nicht immer gerecht. Wenn wir die Verhältnisse zum Tanzen bringen wollen, darf die Freude an der Politik nicht auf der Strecke bleiben. Die Machtfrage stellen, die Gesellschaft verändern! Viel wird über unser Verhältnis zu anderen Parteien diskutiert. Wir sind aber eine eigenständige Partei und das sollte im Mittelpunkt unserer Politik stehen. Wir wollen die Gesellschaft verändern. Und das Programm sowie die darin enthaltenden Haltelini-

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der Lausitzer Rundschau Druckerei GmbH in Cottbus in einer

Auflage von 17000 Exp. gedruckt. Der Redaktion gehören an: Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Tom Schumer, Rico Schubert, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Jörg Teichmann, Ralf Richter, Stathis Soudias Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt: Archiv, iStockphoto, pixelio

Internet unter www.sachsenslinke.de Kontakt: kontakt@dielinkesachsen.de Tel. 0351-8532725 Fax. 0351-8532720 Redaktionsschluss 25.5.2012 Die nächste Ausgabe erscheint am 28.6. 2012.

Was bemüht man noch, als sprachliches Abbild für das, was momentan in Deutschlands Linkspartei abläuft? Ist nicht alles schon bemüht? Das Leben des Brian, Fuchs und Elster, Ekel Alfred, Dinner for One, Hempels Sofa...? Haben die Medien nicht schon alle Überschriften ebenso durchprobiert, wie alle Untergangsszenarien? Ist der innerparteiliche Phrasen-Generator nicht schon so heiß gelaufen, dass er statt Phrasen nur noch Schlagwörter im Staccato ausspuckt? Und ist der »Richtungskampf« in der Partei nicht vielmehr ein Kampf ihrer Funktionäre und Abgeordneten, für den jene allerdings einmal mehr die »Stimmung an der Basis« bemühen, ohne diese Stimmung auch nur im Ansatz wahrgenommen zu haben, was jetzt flugs gegenteilig behauptet wird: »Viele Leute haben mich angesprochen«, »Ich wurde von Vielen gefragt« »Oft bin ich in den letzten Wochen gebeten worden«... Bemerkenswert, wenn auch nicht wirklich neu ist, wie zwei völlig unschuldige Mengenwörter dabei mit Inbrunst in wertende Haftung genommen werden. Merke: »Viele« sind immer die Guten, während »Einige« stets die finsteren Gesellen verkörpern. »Und wenn hier Einige meinen, denken, glauben, sagen zu müssen....« Bolschewiki und Menschewiki – man kennt das. Und die armen Kandidaten! Sie liegen herum (Kandidatenlage), drehen sich im Kreis (auf dem Kandidatenkarussell), führen Kriege (Kampfkandidaturen), Friedensverhandlungen (Kompromisskandidaten) – allein vom Kandi-Datenschutz ist nichts zu spüren, in der zukünftigen Internetpartei Deutschlands. So viel Kalauer muss sein, auch wenn es Einigen nicht passt. Nun – bald haben wir es hinter uns. Vielleicht schaffen wir es ja noch einmal, uns zusammenzu raufen, statt nur zusammen zu raufen. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht schaffen wir es auch nur, damit wenigstens etwas von uns bleibt, den kommenden Generationen ein neues Synonym für Chaos zu schenken: »Zustände wie in Göttingen!«


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Eine geteilte Geschichte Fünf Jahre »Die Linke« zwischen Aufstieg und Krise »Was könnten unsere Probleme sein?«, fragte Gregor Gysi zur Eröffnung des Gründungsparteitags der LINKEN im Juni 2007 in den Saal. Und gab in Berlin gleich eine doppelte Antworten: Es gebe »zwei Möglichkeiten«, mit der unterschiedlichen Geschichte und den unterschiedlichen Biografien in der vereinigten Partei umzugehen. »Die eine besteht darin, dass wir das alle als ein großes Problem wahrnehmen, realisieren und uns täglich darüber den Kopf zerbrechen. Und die andere Möglichkeit ist, dass wir letzteres auch tun, uns den Kopf zerbrechen, aber dass wir das als Chance ansehen und sagen, wir sind und bleiben neugierig aufeinander. Dann kann das Ganze ein Gewinn werden.« Fünf Jahre später muss man sagen: Maßgebliche Teile in der LINKEN haben sich offenbar für die erste Variante entschieden. Zumindest die zweite Hälfte der noch jungen Parteigeschichte prägte ein enervierender Konflikt ums Personal, um machtpolitische Ressourcen in Fraktion und Partei das Bild. Medial angefeuert zeigte sich eine Debattenkultur, die selbst wohlmeinende Beobachter abschreckte. Von einer existenziellen Krise der Linkspartei war die Rede - wenigstens in dieser Frage herrschte flügelübergreifender Konsens. Dabei hatte doch alles so vielversprechend begonnen. Seit 2005 war die Partei von einem Erfolg zum nächsten marschiert. Bei 16 von 19 bundes- und landesweiten Urnengängen konnte DIE LINKE ihr prozentuales Ergebnis verbessern; sie zog in sechs westdeutsche Landtage ein, sie steigerte bei den Bundestagswahlen 2009 ihr Ergebnis deutlich - und zog mit einer von 54 auf 76 Abgeordneten vergrößerten Fraktion abermals ins Parlament ein. Das war das eine. Das andere war: Die Linkspartei veränderte die politische Landschaft. Allein ihre Existenz in Parlamenten zwang die Konkurrenz zu inhaltlichen und strategischen Korrekturen. Vor allem in den ersten Jahren vermochte die Linke es, Themen auf die Agenda zu setzen - vom Mindestlohn über die Forderung nach Aussetzung von HartzSanktionen bis zur Finanztransaktionssteuer. »Wir wollen Politik verän-

dern. Darin rechnen wir Erfolg - nicht in Prozenten«, hat Oskar Lafontaine einmal gesagt. Nun sind weder der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn durchgesetzt, noch sieht es danach aus, dass SPD und Grüne, die am stärksten auf DIE LINKE reagierten, 2013 einen Politikwechsel in Angriff nehmen würden, der diesen

ge Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch von diesem Posten Abstand nehmen. Die Aufstellung eines neuen Personaltableaus für die Parteispitze geriet den Beteiligten zum »Blick in den Abgrund« und brachte eine Doppelspitze hervor, der wichtige Kräfte innerhalb der Linken kein Vertrauen entgegenbrach-

genden und schon länger bestehen Konflikten eine Ausdrucksform. Und vor allem: die Wahlerfolge blieben aus. Der Sprung über die Fünfprozent-Hürde in Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 markierte den letzten wirklichen Wachstumserfolg der Partei. Danach begann eine Phase der Stagnation,

Namen auch verdiente. Vieles von dem, was die Linke auf die Tagesordnung gesetzt hat, wurde von anderen Parteien lediglich rhetorisch absorbiert. Und doch liegt hier einer der wesentlichen Gründe dafür, dass DIE LINKE seit 2009 in die Defensive gedrängt ist: Mit dem »links blinken« von SPD und Grünen in der Opposition ist es für die Partei schwerer geworden, Alleinstellungsmerkmale für sich zu reklamieren. Gesellschaftliche Konflikte wie der um Hartz oder den Afghanistaneinsatz sind zudem in den Hintergrund getreten. Mit der »Begrünung« des öffentlichen Diskurses nach dem Atom-Unfall von Fukushima, mit der von Stuttgarter »Wutbürgern« entfachten neuen Attraktivität von Beteiligung jenseits der Parteienpolitik, und mit dem Aufkommen der Piraten, die vor allem als Alternative des Verfahrens - Basisdemokratie, Liquid Democrcy etc. - betrachtet werden, wurden dem Wachstum der LINKEN Grenzen gesetzt. Zudem geriet die Partei in eine defensive Bündnisposition, nachdem sich SPD und Grüne seit Herbst 2009 in mehreren Ländern gegen eine rechnerisch denkbare Zusammenarbeit mit ihr entschieden hatten. Steine legte sich die Partei aber auch selbst in den Weg. Nach einem als Machtkampf bezeichneten Vorgang musste Anfang 2010 der bisheri-

ten, der die Integrationsfähigkeit ihrer Vorgänger fehlte und die alsbald wegen ihrer Amtsführung in die Kritik gerieten. Zwischen strategischer Positionierung und öffentlichem Agieren begannen immer größere Widersprüche zu klaffen. Mitgliederzahlen mussten nach unten korrigiert werden, die Grenzen des Parteiaufbaus im Westen wurden in zahllosen Kleinkonflikten ebenso sichtbar wie die organisatorischen Probleme einer überalterten Partei im Osten. Medial angefeuerte Diskussionen etwa über den Mauerbau, das Kuba-Bild, die Almhütte des LINKEN-Chefs Klaus Ernst und den »Kommunismus«Text der Co-Vorsitzenden Gesine Lötzsch gaben tiefer lie-

bald drehten die Ergebnisse ins Minus und schließlich flog DIE LINKE aus ersten Landtagen im Westen wieder heraus. Die Serie schlechten Abschneidens wiederum wirkte auf die inneren Klärungsprozesse zurück: Als Treibstoff von Konflikten zwischen den Strömungen, zwischen unterschiedlichen Auffassungen, was eine linke Partei ausmacht, wohin sie geht, mit wem sie das tut. Die Diskussionen vor dem Göttinger Parteitag gerieten zum vorläufigen Höhepunkt dieser Auseinandersetzung. Und nun? Kurz nach dem Gründungsparteitag im Sommer 2007 stand DIE LINKE in Umfragen bei 14 Prozent. Fünf Jahre später nähert sie sich bundes-

politisch wieder der Fünfprozent-Hürde. Ist das nur eine vorübergehende Delle oder zeichnet sich hierin ein Trend ab, an dessen Ende DIE LINKE als gesamtdeutsches Sammlungsprojekt gescheitert ist? Georg Fülberth hat die Linkspartei einmal als den »Ausdruck einer bestimmten, gegenüber den Jahrzehnten 1945 bis 1989 gewandelten, Wirtschafts- und Sozialstruktur« bezeichnet. So etwas verschwindet nicht über Nacht. Auch die parteipolitische Repräsentationslücke links der Sozialdemokratie ist nicht viel kleiner geworden; das Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit ist groß, die Skepsis gegenüber dem Kapitalismus in den vergangenen Jahren der Krise gewachsen. Ein Garant für neue Erfolge einer Linken ist, der bloß mit kämpferischen Reden aktiviert werden müsste, ist das aber ebenso wenig, wie allein neues Spitzenpersonal die Partei wieder in die Offensive bringen wird. Dafür ist mehr nötig. Wenn es der LINKEN gelingt, mit einer neuen Erzählung wieder mehr Menschen zu bewegen, ihnen Lust auf Utopie in der Zukunft und den Kampf um bessere Lebensverhältnisse im Jetzt zu machen; wenn sie es schafft, die sozialen Interessen von unterschiedlichen Milieus in einer gemeinsamen Idee der Veränderung zu bündeln, wenn sie wieder lernt, miteinander ohne Diffamierung zu streiten, wenn sie die Potenziale ihrer Mitglieder anders nutzt und die Widersprüche pluralistischer Politik nicht als Hindernisse, sondern als Gelegenheit begreift, über sie hinauszudenken - dann hat sie auch eine Zukunft. Tom Strohschneider


Sachsens Linke!  6/2012

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Der Landesvorstand hat sich am 11.Mai 2012 mit dem Entwurf der neuen »Bildungspolitischen Leitlinien« befasst und beschlossen, das Papier zur innerparteilichen und öffentlichen Diskussion zu stellen. Was hat es mit diesem Entwurf auf sich? Im Leitantrag zum 4. Landesparteitag 2009 entstand der Auftrag, ein neues Landesentwicklungskonzept der LINKEN Sachsen zu erarbeiten, das die Zielrichtung linker Politik bis zum Jahr 2020 beschreibt. Diese Schwerpunkte sollten formuliert und ausgestaltet werden: »Sachsen ohne Armut« zu einer wirkungsvollen Armutsbekämpfung aus Landesebene , »Plan Demokratisches Sachsen«, u.a. die Vereinfachung von Volksbegehren und weitere Formen demokratischer Beteiligung, »Aufbruch in ein sozial ökologisches Sachsen« mit Gestaltungsvorschläge für linke ökologische Politik, »Bildung, Kunst, Kultur für alle« zur Bündelung unserer bildungs- und kulturpolitischen Kompetenz und »Sachsen 2020« als integriertes Landesentwicklungs- und Wirtschaftskonzept. Nunmehr liegt der Entwurf des Konzeptes für die Bildungs- und Kulturpolitik (wie

auch der entsprechende Entwurf für die sozialpolitischen Leitlinien) vor und kann und soll – auch als Beitrag zur Vorbereitung des Landesparteitages im Oktober 2012 – innerparteilich und durchaus auch öffentlich diskutiert werden. Politiker aller Parteien betonen, dass die Zukunft Sachsens davon abhängt, dass der hohe Bildungsstand seiner Bevölkerung auch in den kommenden Generationen erhalten bleibt. Das ist kein Selbstläufer, man muss etwas tun. Aber was? Hier endet die Einigkeit. Unser Bildungskonzept beschreibt Ziele, Forderungen und Ausgestaltung von der frühkindlichen Bildung über schulische und berufsbildende Bildung und Erziehung bis zur Hochschulpolitik sowie die Notwendigkeit und Möglichkeiten zur Steuerung und Förderung der Weiterbildung. Auch Kultur und Sport gehören zur Bildung (oder sind Sport und Bildung Formen unserer Kultur?) Tatsache ist, Bildung und Kultur bedingen einander, und deshalb werden auch Sportförderung und andere kulturelle Aspekte in das Gesamtkonzept einbezogen. Bildung versteht DIE LINKE als Menschenrecht. Im Entwurf der bildungspolitischen

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Nicht nur Personalprobleme

Leitlinien steht wörtlich: »Bildung als Menschenrecht heißt Bildung für alle, heißt diskriminierungsfreier Zugang zu Bildungseinrichtungen unabhängig von Geschlecht, von ethnischer, kultureller, sozialer Herkunft, von individuellen Fähigkeiten und Beeinträchtigungen«. Die bildungspolitischen Leitlinien der sächsischen LINKEN erhalten besondere aktuelle Brisanz, weil in den vergangenen Monaten deutlich wurde, wie die CDU-geführte Staatsregierung in Sachen Bildungs-

politik versagt hat. Nur ein Beispiel: Wegen der restriktiven Einstellungspolitik sind in Sachsen lediglich 11 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer unter 40 Jahre alt, der Bundessdurchschnitt liegt bei 31 Prozent. So ist seit langem vorhersehbar, in welchen Jahren tausende Lehrerinnen und Lehrer altersbedingt aus dem Dienst ausscheiden werden. Andererseits steigen im selben Zeitraum die Schülerzahlen deutlich, nach Angaben aus dem Kultusministerium allein bis 2020 um 15.000. Noch

ein Fakt: Die Zahl der Abiturienten wird in den kommenden Jahren sinken, gleichwohl wird nicht ein Viertel der kommenden Abiturientenjahrgänge Lehrerin oder Lehrer werden wollen. Wir brauchen aber, um die Katastrophe noch zu verhindern, mindestens 1700 neue Lehrerinnen und Lehrer – jährlich! Mit den Leitlinien möchten wir LINKE Positionen und Lösungen, nicht nur zu den Personalproblemen, zeigen. Cornelia Falken

Wohnen und Wohnungswirtschaft in Sachsen sen durchschnittlich 35 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens für das Wohnen einschließlich »Nebenkosten« aufgewendet werden. Seitdem sind vor allem die Betriebskosten weiter gestiegen. Rechnet man alle Kosten für das Wohnen inklusive der Energiekosten hinzu, wird schnell ein Durchschnittswert von über 40 Prozent erreicht. Damit ist ersichtlich, welche Bedeutung Veränderungen des Wohnungsmarktes für die Lebensbedingungen des Einzelnen haben können. Der Dresdner Wohnungsmarkt hatte sich in 2006 mit dem WOBA-Totalverkauf mit gut 48.000 Wohnungen an die Fortress-eigene Gagfah schlagartig verändert. Es gab danach keinerlei Wohnungen in kommunaler Hand. Aber in Zusammenarbeit mit den grossen kommunalen Wohnungsgesellschaften sowie den Genossenschaften gestalten die Kommunen die Stadtentwicklung. So lastet nun für die Landeshauptstadt die Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau sowie die Verpflichtung, ausreichend

bezahlbaren Wohnraum für Sozialtransferempfänger und nur sehr gering leistungsfähige Mieterinnen vorzuhalten, erheblich schwerer. Mit dem Dresdner Coup sind knapp 16 Prozent aller Dresdner Wohnungen an die Gagfah gegangen. Zum Schutze der Mieter und zur Sicherung der kommunalen Handlungsfähigkeit wurde eine Sozialcharta vereinbart. Doch bald wurde

klar, dass einige Vereinbarungen hinter geltendem Recht zurück blieben oder geltendes Recht waren. So das lebenslange Mietrecht für ältere Mieter: durch die bisherige Mietdauer waren sie meist schon nicht mehr kündbar. Auch die vereinbarte Erhöhung der Mindestinstandhaltungsinvestition von 5 auf 7,56 Euro/ qm pro Jahr ist bemerkenswert. In der Wohnungswirt-

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»Wohnst Du noch, oder lebst Du schon?«, so hat ein schwedisches Möbelhaus einen Slogan entworfen, der sich vielerlei semantischer Umformungen unterziehen musste. Manche zielten auf die Unabhängigkeit von Marktentwicklungen in den »eigenen vier Wänden«. In Sachsen hat es seit 1990 eine erhebliche Wohneigentumsförderung gegeben. Doch die meisten Menschen in Sachsen wohnen zur Miete. Von den knapp 2,28 Mio. Wohnungen in Sachsen befinden sich 420.171 in Ein-, 318.626 in Zwei- und 1.540.180 in Drei- und Mehrfamilienhäusern. Dabei findet Wohnen in Ein- und Zweifamilienhäusern ebenso zur Miete statt, und Mieteigentum befindet sich in Drei- und Mehrfamilienhäusern. Etwa ein knappes Drittel wohnt in den »eigenen vier Wänden«. Wohnen ist eine zentrale Säule des Zusammenlebens unabhängig davon, ob es in der Stadt oder auf dem Dorf ist. Nach einer Studie des Immobilienverbandes Deutschland aus dem Jahre 2008 müs-

schaft gelten knapp 7,80 Euro als unterste Grenze. Darunter ist laut Kennzahlen des GdW keine seriöse Instandhaltung möglich. Im Umkehrschluss heisst das also, dass die WOBA-Töchter in Dresden de facto nach 2006 keinerlei ernsthafte Instandhaltung mehr durchgeführt oder diese eingestellt haben. Dresden hat mit dem WOBAVerkauf nur bedingt Zugriff auf Wohnungen, keinen Einfluss auf den Mietpreis und keinen Durchgriff zur Mitwirkung an der Stadtentwicklung. Dresdens Schuldenfreiheit und -verbot auf dem Papier stehen eine andauernde Unterfinanzierung der Stadt und ein Investitionsstau von 1,5 Mrd. Euro bei Schul-, Kulturstätten, Verkehrsanlagen und Nebenstraßen gegenüber. In loser Folge werden die Autoren Wohnungsunternehmen, Stadtentwicklung und die Entwicklung des Wohnens in mehreren sächsischen Städten näher beleuchten. Auftakt wird in der kommenden Ausgabe Dresden mit den Vorgängen um die WOBA sein. Enrico Stange und Tilo Wirtz


Kommunal-Info 5-2012 30. Mai 2012 Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de

KFS

Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Sparkassen 1 Sächsische Sparkassenlanschaft bleibt weiter gespalten Seite 2

Sparkassen 2 In Krisenzeiten haben sich Sparkassen als Stabilitätsanker bewährt Seite 3

Neue Vorsitzende Simone Luedtke wurde zur neuen Vorsitzenden des KFS gewählt Seite 4

Veranstaltungen Privatisierung & Rekommunalisierung Energiewende in Kommunen

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Daseinsvorsorge-privat oder kommunal? „Kommunale Daseinsvorsorge zwischen Privatisierung und Rekommunalisierung“ lautet das Thema der Kommunalpolitischen Konferenz am 30. Juni in Dresden. Passend zu diesem Thema bringen wir hier einen Auszug aus einem Papier1 des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIfU), das Jens Libbe federführend erarbeitet hat, der auch auf unserer Kommunalpolitischen Konferenz auftreten wird. Die Frage, ob Dienstleistungen auch durch kommunale, sprich öffentliche Unternehmen zu erbringen sind oder ob sie privaten Akteuren am Markt überlassen werden sollten, ist keineswegs neu. Über die letzten 150 Jahre betrachtet unterlagen Aufbau und Organisationsformen von öffentlichen Infrastrukturen in den einzelnen Bereichen im Zeitverlauf mal stärker privater, mal vermehrt öffentlicher Leistungserbringung. Je nach finanzieller und organisatorischer Handlungskraft der öffentlichen Hand, technischen Entwicklungen oder vorliegenden Erfahrungen mit unterschiedlichen Formen der Leistungserbringung schlug das Pendel mal in die eine, mal in die andere Richtung aus.

Frühes Marktversagen

Private Unternehmen spielten zu Beginn des Aufbaus von Infrastrukturen der sogenannten Daseinsvorsorge eine wichtige Rolle, wenngleich es bereits damals eine Trägervielfalt gab. Angesichts unübersehbarer Defizite in Hinblick auf Qualität und Quantität der Versorgung - hier kann auch von einer frühen Form des Marktversagens gesprochen werden - nahm die Bedeutung staatlicher und kommunaler Unternehmen in der Leistungserbringung im Laufe der Zeit zu. Später - in der Bundesrepublik der Nachkriegsjahr-

zehnte wurden die öffentlichen Unternehmen ein wichtiger Bestandteil des wohlfahrtsstaatlichen Modells. Über sie wurde die weitgehend flächendeckende Versorgung mit zahlreichen grundlegenden Dienstleistungen sichergestellt.

Bruch in 80er Jahren

Gebrochen wurde diese Entwicklung spätestens Ende der 1980er-Jahre. Mangelhafte Kundenorientierung sowie partei- und gewerkschaftspolitische „Gefangennahme“ der Unternehmen führten zu vielfältiger Kritik am System der öffentlichen Wirtschaft, was sich in Begriffen wie Staatsversagen, Ineffizienz oder Patronagesystem ausdrückte. Teilweise wurden Forderungen nach mehr bürgerschaftlicher Einflussnahme auf die öffentlichen Unternehmen (hier insbesondere auf die Stadtwerke) laut - eine Debatte um Rekommunalisierung jenseits der Eigentumsfrage. Die Frage, ob öffentliche Dienstleistungen besser in öffentlicher und insbesondere kommunaler Hand oder durch private Akteure unter Marktbedingungen erbracht werden sollten, ist insofern kein Phänomen nur der letzten Jahre, aber durchaus normativ hoch aufgeladen. Es gab auch nie einen eigentumsrechtlichen Monismus. Gleichwohl ist unübersehbar, dass sich Organisationsund Aufgabenstrukturen der deutschen Kommunen in den vergangenen knapp 20 Jahren gravierend verändert haben. Das traditionelle Bild kommunaler Selbstverwaltung - demnach erledigen Städte und Kreise gestützt auf Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung“ selbst, d.h. mit eigenen Einheiten der Leistungserbringung - hat deutliche Risse bekom-

men. Die kommunale Aufgabenwahrnehmung hat sich infolge erheblicher Auslagerungen von Aufgaben und Leistungen auf privatisierte Einheiten oder rein private Unternehmen als „kommunale Erfüllungsgehilfen“ erheblich verändert. Ob nun Versorgungs- und Verkehrsbetriebe oder auch Kindertagesstätten und Krankenhäuser - heute werden Aufgaben von Privaten erledigt, die bis vor kurzem noch selbstverständlich zum Kernbereich kommunaler Aufgabenerledigung zählten. Infolge dieser Entwicklung ist - darauf hat das Deutsche Institut für Urbanistik bereits vor einigen Jahren hingewiesen - ein institutioneller Wandel der kommunalen Aufgabenwahrnehmung zu konstatieren. Dieser institutionelle Wandel drückt sich insbesondere in einer Ausdifferenzierung der Formen der Aufgabenwahrnehmung aus. Neben der Aufgabenwahrnehmung in den öffentlich-rechtlichen Formen von Regie- und Eigenbetrieb steht eine Fülle von privaten und privatisierten Organisationsformen: In der Empirie finden sich neben kommunalen Eigengesellschaften, die zu 100 Prozent in der Hand der Kommune sind, gemischtwirtschaftliche Kooperationsgesellschaften mit variierenden kommunalen Mehrheits- oder Minderheitsanteilen. Und schließlich können Kommunen auch sogenannte Erfüllungsgehilfen in ihre Aufgabenwahrnehmung einschalten, in der Regel Private, die im Auftrag der Kommune operativ die Dienstleistung erstellen.

Ursachen für Privatisierung

Für diese Entwicklung gibt es zwei Ursachen: zum einen die Verwaltungsmodernisierung, verbunden mit der Übernahme von Managementkonzepten aus der privaten Wirtschaft und mit

der Ausgliederung von Aufgaben auf selbständige Organisationseinheiten; zum anderen die lang andauernde Finanzkrise der Kommunen, die vielerorts zum Verkauf von Beteiligungen oder zur Einbindung privater Partner geführt hat. Ein weiterer maßgeblicher Treiber dieser Entwicklung sind Liberalisierungs- und Privatisierungspolitiken auf europäischer Ebene. Sie unterstellen traditionell öffentliche Bereiche einem Wettbewerbsregime. Es handelt sich also um eine gleichermaßen binnengetriebene wie durch externe Ursachen forderte Entwicklung. Einzelfallentscheidungen erzeugen dabei immer wieder große Aufmerksamkeit, wie etwa der Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe oder der Verkauf der Dresdener Wohnungsbaugesellschaft. Das potenzielle Reservoir für Privatisierungsvorhaben ist jedenfalls erheblich: So befinden sich in Deutschland etwa 900 Energieversorgungsunternehmen, etwa 7000 Wasserver- und Abwasserentsorgungsunternehmen, über 700 Krankenhäuser und etwa 400 Verkehrsunternehmen ganz oder überwiegend in kommunalem Besitz.

Enttäuschte Erwartungen

In nicht wenigen Fällen wurden die Erwartungen, die ursprünglich an die Entscheidung pro Privatisierung geknüpft wurden, nicht erfüllt. Zurückzuführen ist dies zum einen auf eine nicht selten unzureichende Abwägung von Privatisierungsentscheidungen seitens der Politik, zum anderen auf Enttäuschungen hinsichtlich der Entwicklung von Qualität und Preisen. Politikversagen ist gleichermaßen festzustellen wie regionales Marktversagen. In nicht wenigen Gemeinden und Landkreisen hat Fortsetzung: folgende Seite


Kommunal-Info 5/2012

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Sparkassen in Sachsen gespalten Am 10. Mai hat der Sächsische Landtag das „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute im Freistaat Sachsen und die Sachsen-Finanzgruppe“ beschlossen. Zum Gesetzentwurf hatte es noch im Haushalts- und Finanzausschusses des Sächsischen Landtags am 21. März eine öffentliche Anhörung gegeben, in deren Folge es jedoch nicht mehr zu nennenswerten Änderungen am Gesetzentwurf kam. Wie nach dem Entschwinden der Sachsen-LB von manchen vielleicht erwartet, wurde mit dem Gesetz nicht die Auflösung der Sachsen-Finanzgruppe (SFG) verfügt, sondern es wurde der SFG überlassen, sich in der Zukunft weiter zu entwickeln oder sich selbst aufzulösen.

Gespaltene Sparkassenlandschaft

Fazit bleibt also: vorerst wird es weiterhin in Sachsen eine gespaltene Sparkassenlandschaft geben, die sich zum Teil sogar quer durch die Landkreise zieht. Zur SFG gehören:  die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig,  die Sparkasse Mittelsachsen,  die Sparkasse Vogtland,  die Erzgebirgssparkasse und  die Ostsächsische Sparkasse Dresden. Eigenständig in kommunaler Trägerschaft geblieben sind:  die Sparkasse Muldental,  die Kreissparkasse Döbeln,  die im Sparkassenzweckverband vereinten Sparkassen der Stadt Chemnitz und des Landkreises Zwickau,  die Sparkasse Zwickau, getragen von der Stadt und dem Landkreis Zwickau,  die Sparkasse Meißen,  die Kreissparkasse Bautzen und  der Sparkassenzweckverband Oberlausitz-Niederschlesien, bestehend aus der Stadt Görlitz und dem Landkreis Görlitz.

Mehrere Optionen

Das Gesetz lässt nun verschiedene Optionen offen, ohne die Auflösung Fortsetzung von Seite 1

...privat oder kommunal? sich die Kommunalwirtschaft durch eine Neuausrichtung der unternehmerischen Strategien aber auch neu aufgestellt. Sie erschließt - zum Beispiel durch eine vermehrte regionale Kooperation in Form von Gemeinschaftsunternehmen - vorhandene Wirtschaftlichkeitspotenziale und schafft damit auch die Voraussetzung für (Re-) Kommunalisierungsmaßnahmen.

Triebkräfte für Rekommunalisierung

In Regionen mit einer ohnehin schwachen Wirtschaftsstruktur werden öffentliche Unternehmen wieder vermehrt als ein Instrument angesehen, mit dem sich der regionale Arbeitsmarkt und die lokale Wirtschaft durch Vermeidung von Lohndumping stärken lassen. Andernorts wird der Wille, politischen Einfluss auf die Qualität und Sicherung der Leistungserstellung

der SFG zu einem Zeitpunkt X zu bestimmen:  Der SFG werden mit dem Gesetz weitere Entwicklungs- und Konsolidierungsmöglichkeiten eingeräumt.  Rein theoretisch wäre es sogar möglich, dass die bisher eigenständigen Sparkassen der SFG beitreten und so auf diesem Wege eine einheitliche Sparkassenlandschaft wieder hergestellt würde.  Und schließlich, was bisher nicht möglich war: das Gesetz macht auch den Weg frei für den Austritt aus der SFG und für die Auflösung der SFG. Für den Rückkauf der Anteile wären jedoch von den betreffenden kommunalen Trägern insgesamt 215 Millionen Euro aufzubringen.

Stärkung der SFG

In Stellungnahmen von Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung wurde das Gesetz als ein gelungener Kompromiss gesehen, mit dem es geglückt sei, einerseits das vereinbarte Konzept zur Herauslösung des Freistaates aus der Sachsen-Finanzgruppe und andererseits die „Erweiterung der Handlungsoption in Bezug auf die

zurückzugewinnen, ausdrücklich betont. Dies ist vor allem dort der Fall, wo in den vergangenen Jahren der Unmut der Bürgerinnen und Bürger gestiegen ist. Auch Ökologie- und Ressourcenargumente werden angeführt, etwa der Wunsch, atom- und kohlekraftfreien Strom zu handeln und zu produzieren oder perspektivisch getrennte Infrastrukturbereiche stärker zu integrieren. Vor allem aber geht es darum, die strategische Position der Kommunalwirtschaft gerade dort zu stärken, wo die Liberalisierung des Marktes weit vorangeschritten ist. Ein weiterer maßgeblicher Treiber der Rekommunalisierung ist das Wettbewerbsrecht, insbesondere das Vergabe- und Beihilferecht, mit der dazu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH). Hinzu tritt, dass die Bedingungen für einen Ausschreibungswettbewerb voraussetzungsvoll und nicht in allen Sektoren gegeben sind, sodass allein aufgrund des Fehlens eines Marktes die Eige-

Sachsen-Finanzgruppe“ sachgerecht und ausgewogen zu gestalten. Zugunsten einer Stärkung der SFG wurde in die Waagschale geworfen, „dass die Sparkassen durch eine verstärkte Bündelung der Kräfte die fehlende Landesbank ersetzen können bzw. müssen oder auch sollten.“ Um dies zu erreichen, sei die im Gesetzentwurf „vorgesehene Regelung zur Weiterentwicklung der Sachsen-Finanzgruppe“ zu begrüßen. Und auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei die SFG „im Vergleich der verschiedenen Kooperationsformen innerhalb der Sparkassenorganisation eine innovative Zukunftsoption“, sie sei eine sinnvolle Lösung, „um die Sparkassen dabei zu unterstützen, die erheblichen Effizienzsteigerungen, die notwendig sind, zu erreichen.“

Rückkehr zu den Wurzeln

Dem wurde entgegengehalten, dass die SFG wie ihr Vorgänger, der „Sachsen-Finanz-Verbund“ aus rein politischen Motiven gegründet wurde. Gründungsgedanke sei gewesen, eine langfristig leistungsfähige, effiziente und gemeinsame Sparkassenstruktur nerstellung angebracht ist. Und selbst wenn Ausschreibungen es erleichtern, den kostengünstigsten Anbieter zu finden, so ist dieser nicht zwangsläufig derjenige, der die Leistung in der bestmöglichen Qualität anbietet. Außerdem erfordert ein Ausschreibungswettbewerb ein effizientes Ausschreibungsmanagement in den Kommunen. Anders formuliert: Koordination und Kontrolle der Leistungserbringung werden komplexer und komplizierter, was gerade kleinere Kommunen vor Probleme stellt. Tendenziell verstärkt die Komplexität des Vergaberechts zudem die ohnehin bestehenden Informations- und Kompetenzasymmetrien zwischen Rat und Verwaltung, Kommunen werden stärker von externer Beratung abhängig und die lokale Demokratie geschwächt. 1 Rekommunalisierung – eine Bestandsaufnahme, Dt. Institut für Urbanistik, August 2011.

im Freistaat Sachsen zu schaffen, einen dauerhaften Ertrag und die Teilhabe aller Verbundinstitute am Gesamtgewinn der Gruppe zu gewährleisten. Heute müsse festgestellt werden, dass die angestrebten Ziele nicht erreicht wurden. Die politisch gewollte Gründung der SFG habe die wirtschaftliche Rechtfertigung dazu nie erbracht. Overheadkosten haben z.B. das negative Jahresergebnis der SFG in Höhe von 4,47 Millionen Euro im Jahre 2010 maßgeblich beeinflusst. Eine Besserung sei nicht erkennbar. Deshalb müsste vom Gesetzgeber jetzt ebenso konsequent eine politische Entscheidung getroffen werden und die Auflösung der SFG als Ziel im Gesetz zum Beispiel zum 31.12.2017 festgeschrieben werden. Das Ziel müsse sein, ein einheitliches Sparkassenwesen in Sachsen wieder herzustellen. Das könne nur geschehen, indem wieder zu den eigentlichen Wurzeln zurückgegangen werde und eine Rückkehr zu kommunal verankerten Sparkassen erfolgen würde. Auch die mit der SFG verheißenen Synergieeffekte seien ausgeblieben. Die Zusammenarbeit der Sparkassen unter dem Dach des OSV habe vorher gut funktioniert und tue dies immer noch. Synergien ergaben sich allenfalls in fusionierten SFG-Sparkassen. Diese seien jedoch nicht mit der SFG zu begründen, sondern den Instituten selbst zuzurechnen. Auch betriebswirtschaftlich hätten die Sparkassen der Sachsen-Finanzgruppe in der Vergangenheit keine signifikanten Vorteile im Vergleich zu anderen Sparkassen außerhalb der Gruppe erreichen können. Inwieweit dies bei einer Stärkung der SFG und der Schaffung konzernähnlicher Strukturen dann möglich sein solle, bliebe abzuwarten. Auch innerhalb des OSV und auch bundesweit können seien keine Belege dafür zu finden, dass große Sparkassen besser aufgestellt sein müssen als kleinere. Ebenfalls gäbe es keine Befunde dafür, dass die eigenständigen kommunalen Sparkassen nicht in der Lage wären, den Mittelstand ausreichend mit Krediten zu bedienen und es dafür der SFG bedürfte. AG

Impressum Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de V.i.S.d.P.: A. Grunke Die Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird aus finanziellen Zuwendungen des Sächsischen Staatsministeriums des Innern gefödert.


Kommunal-Info 5/2012

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Geschäftsmodell Sparkassen stabil Die Sparkassen – ein Geschäftsmodell mit Zukunft. In Krisenzeiten haben sich Sparkassen als Stabilitätsanker bewährt Das Geschäftsmodell der Sparkassen hat sich in den vergangenen 200 Jahren als erstaunlich robust und stabil erwiesen. Dabei sind Sparkassen immer dann von besonderer Bedeutung gewesen, wenn große gesellschaftliche Umbrüche zu bewältigen waren. Dies begann schon in der Zeit der ersten Sparkassen-Gründungen in Deutschland. Im ausgehenden 18. Jahrhundert setzte der über ein Jahrhundert währende Wandlungsprozess ein, durch den Deutschland zu einem führenden Industriestaat wurde. Im Zuge dieser „Industriellen Revolution“ durchlitten die Menschen vieles, was wir heute aus Entwicklungsländern kennen: Überbevölkerung, Massenarmut, Hunger, Landflucht, Ausbeutung, Kinderarbeit. Verschärft wurden die Probleme dadurch, dass sich gleichzeitig die ständische Gesellschaftsstruktur auflöste und mit ihr zahlreiche traditionelle Vor- und Fürsorgeeinrichtungen verschwanden. Die ersten Sparkassen wurden denn auch aus dem Gedanken der Vorsorge gegründet. Es ging darum, dass auch Personen mit geringem Einkommen und Vermögen die Chance bekommen sollten, geringe Geldbeträge sicher und verzinslich anzulegen, damit sie Rücklagen für Notzeiten bilden oder einen Kapitalstock für die Existenzgründung sammeln konnten. Hilfe zur Selbsthilfe und Erziehung zur Selbstverantwortung – so lassen sich die Motive der ersten Sparkassengründungen zusammenfassen. Im Jahr 1801 kam es in Göttingen zur Gründung der ersten Sparkasse, für deren Verbindlichkeiten die Stadtgemeinde eine Garantie übernahm. Die Sparkasse in kommunaler Trägerschaft, die heute in Deutschland dominiert, war damit geboren.

Vielfalt des Angebots als Stärke

Die Sparkassen-Idee hat seitdem einige Kriege und Wirtschaftskrisen überstanden. Dies war letztlich möglich, weil Sparkassen eben kein Selbstzweck, sondern eng eingebunden in das wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Umfeld ihrer Region sind. Dabei sind die zentralen Pfeiler der Arbeit der Sparkassen seit 200 Jahren ein kreditwirtschaftliches Angebot, dass sich an alle gesellschaftlichen Gruppen richtet, die Finanzierung des Mittelstandes sowie regionale Ausrichtung und kommunale Bindung. Dieses Geschäftsmodell hat sich auch in der Finanzmarktkrise eindrucksvoll bewährt. Das an der Realwirtschaft ausgerichtete und kundenorientierte Geschäft der Sparkassen hat die Krise nicht verursacht und ist von ihr nicht beeinträchtigt worden. Im Gegenteil: Aufgrund der robusten Geschäftsentwicklung waren die Sparkassen der Stabilitätsanker für die deutsche Wirtschaft. Sie sind auch in den schwierigen Jahren 2008/2009 in der Lage gewesen, Mittelstand und Kommunen weiter zuver-

lässig mit Finanzmitteln zu versorgen. Und mit den Sparkassen konnte dann der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland finanziert werden. Schon das Jahr 2010 war im Unternehmenskreditgeschäft für die Institute ein Rekordjahr. Und auch in 2011 verzeichneten die Sparkassen eine ungebremste Kreditdynamik. So wurden im vergangenen Jahr von den Sparkassen insgesamt 66,7 Milliarden Euro an Krediten für Unternehmen und Selbständige zugesagt. Dies bedeutet gegenüber 2010 noch einmal ein Plus von

Überwindung der Krise liegt in der notwendigen Umkehr großer Teile der Finanzwirtschaft hin zu einer Wiederannäherung an die Realwirtschaft. Hochspekulative Geschäfte von auf internationalen Finanzmärkten agierenden Finanzkonzernen dürfen die Stabilität ganzer Volkswirtschaften nicht länger gefährden. Ausgehend vom G 20 Gipfel im September 2009 wurde das Signal gesendet, dass kein Produkt, kein Markt und kein Marktteilnehmer der Finanzwirtschaft mehr unreguliert bleiben solle.

knapp vier Prozent (+2,5 Milliarden Euro). Ausgezahlt wurden 59,7 Milliarden Euro. Das entspricht einem Zuwachs von gut sechs Prozent bzw. 3,4 Milliarden Euro. Eine Kreditklemme, wie sie der ein oder andere schon wieder heraufbeschwören möchte, ist vom Markt her absolut nicht in Sicht. Und auch Rezessionsängste sind derzeit unbegründet. Denn in den meisten Branchen der Wirtschaft sind Lage, Kapazitätsauslastung und Geschäftserwartungen gut. Und die typischen Begleiterscheinungen einer Rezession, wie steigende Arbeitslosenzahlen, Druck auf die Ertragslage der Unternehmen und andere Schwächezeichen fehlen völlig. Aber auch wenn die deutsche Wirtschaft sich im Augenblick sehr stabil und krisenresistent zeigt, wird sich Deutschland nicht dauerhaft den Auswirkungen der Staatsschuldenkrise entziehen können. Dabei ist die Einsicht entscheidend, dass die Schuldenberge überall in Europa – egal auf welcher staatlichen Ebene sie entstanden sind – schrittweise abgebaut werden müssen. Dies wird ein langwieriger Prozess werden, für den Konsolidierungsprogramme und das Instrument der Schuldenbremse dringend erforderlich sind. Es ist richtig, dass die EU-Staaten auf dem jüngsten Gipfel diesen Weg mit ihren Beschlüssen eingeschlagen haben. Wir dürfen es nämlich nicht zulassen, dass eine Schuldenkrise nur mit neuen Krediten bekämpft werden soll. Die USA etwa haben eine andere, nicht auf Stabilität, sondern kurzfristige Stimulation ausgerichtete Tradition. Hingegen müssen wir in Europa auf der richtigen Balance von Solidität und Solidarität bestehen. Ein zweiter wichtiger Punkt zur

Zweieinhalb Jahre später müssen wir aber konstatieren, dass dieses Ziel bislang nicht nur deutlich verfehlt wurde, sondern dass vielmehr die noch stabilen Teile der Finanzwirtschaft durch die Regulierungsmaßnahmen drohen, in Gefahr zu geraten. Mit Regulierung überzogen wurde bislang nur das klassische, vergleichsweise risikoarme Bankgeschäft von Banken und Sparkassen. Hedgefonds und andere Finanzinstitutionen können weiterhin in erheblicher und zum Teil systemgefährdender Größenordnung hochspekulative Geschäfte machen. Dies geschieht auch jenseits von Börsen oder anderen zentralen Abwicklungsplattformen und somit ohne jedwede Markttransparenz. Es gibt schon jetzt ein erhebliches Ungleichgewicht zu ungunsten klassischer Finanzprodukte.

Kritische Haltung zu Basel III

Natürlich setzen die Sparkassen ihre Geschäftsergebnisse für Zwecke des Gemeinwohls ein. Sie müssen ihr Geld aber auch im Markt verdienen können. Man darf sie nicht überfordern, wenn man ihre Stabilität und ihre Rolle als verlässliche Kreditgeber erhalten möchte. Vor diesem Hintergrund ist auch unsere kritische Haltung zu Basel III zu verstehen. Neben den Mittelstandskrediten ist dabei insbesondere auch der Kommunalkredit massiv von den geplanten aufsichtsrechtlichen Eigenkapital-Anforderungen betroffen, da er künftig mit erheblich mehr Eigenkapital unterlegt werden müsste. Basel III in der jetzt vorliegenden Form würde die Rolle der Sparkassen als Kreditgeber vor Ort ohne zwingenden Grund erschweren. Es zeigt sich, dass Regelungen, die ursprünglich für international tätige Großbanken erarbeitet wurden, nicht

eins zu eins auf regional agierende Kreditinstitute umgesetzt werden können. Gleiches gleich, Ungleiches aber auch ungleich zu behandeln – das ist nicht nur eine verfassungsrechtliche Vorgabe, sondern ein kluges Verhalten, wenn man unterschiedlichen Verhältnissen und Anforderungen gerecht werden will. Deshalb setzen wir jetzt darauf, dass die Bundesregierung, so wie sie es im Jahreswirtschaftsbericht auch angekündigt hat, zumindest für eine differenzierte Einführung von Basel III eintreten wird. Auch die Mitglieder des Deutschen Städtetages setzen sich seit langem mit Nachdruck dafür ein, dass die kommunal getragenen Sparkassen nicht durch falsch verstandene Regulierung weiter belastet werden. Dies geschieht aus dem Wissen heraus, dass die Sparkassen nicht nur eine wichtige finanzpolitische Aufgabe in den einzelnen Regionen Deutschlands haben, sondern dass sie auch von eminenter Bedeutung für das gesellschaftliche Zusammenleben in einer örtlichen Gemeinschaft sind. Dieser Verantwortung sind die Institute auch im vergangenen Jahr nachgekommen. Wir gehen davon aus, dass in 2011 operativ ein gutes Ergebnis mit weitgehend stabiler Zinsspanne und leicht steigenden Provisionserträgen erzielt werden konnte. Dabei kam den Instituten natürlich auch die robuste Wirtschaftsentwicklung zu Gute, so dass wir nicht mit größeren Belastungen für die Risikovorsorge im Kreditgeschäft rechnen. Natürlich werden die Unsicherheiten an den Finanzmärkten im Rahmen der aktuellen Staatschuldenkrise auch Auswirkungen auf die Depot A-Bewertungen der Sparkassen haben. Dies wird sich aber voraussichtlich nur in einem überschaubaren Ausmaß in den Jahresabschlüssen der Häuser niederschlagen. Daraus folgt, dass die Sparkassen im Ergebnis weiterhin im erforderlichen Maße Eigenkapital und Vorsorgereserven aufstocken können, um den steigenden Eigenkapitalanforderungen im Rahmen von Basel III gerecht werden zu können. Die Sparkassen haben also rechtzeitig begonnen, sich auf ein geändertes Marktumfeld einzustellen. Auch dies ist eine wichtige Voraussetzung, um langfristig im Markt erfolgreich zu sein. Die Sparkassen sind seit über 200 Jahren der verlässliche Partner rund um alle Fragen der Finanzierung. Diese vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Städten und Kommunen wollen die Institute auch in Zukunft uneingeschränkt fortsetzen. HEINRICH HAASIS PRÄSIDENT DES SPARKASSEN- UND GIROVERBANDES Aus: Städtetag aktuell 2/2012


Kommunal-Info 5/2012

Herzlichen Dank, lieber Michael!

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Veranstaltungen

des Kommunalpolitischen Forums Sachsen e.V.

Energiewende in den Kommunen

Potentiale in den Kommunen bei der Nutzung erneuerbarer Energie 16. Juni 2012, Sonnabend, 10 bis 13 Uhr in Freiberg „Alte Mensa“ - Großer Saal, Petersstraße 5

Das Kommunalpolitische Forum Sachsen (KFS) war am 28. April zu seiner jährlichen Mitgliederversammlung zusammengekommen. Auf der Tagesordnung stand auch die Wahl des Vorstands. Nach langjährigem Wirken schied Dr. Michael Friedrich (im Bild oben links) aus dem Vorstand des KFS aus. Fast von Beginn an hatte er dem Vorstand angehört und war seit Mitte der 90er Jahre dessen stellvertretender Vorsitzender. Seit 1. Dezember 2001 hat er als Vorsitzender sehr maßgebend zur weiteren Entwicklung des KFS beigetragen. Durch seinen immensen Fundus an kommunalpolitischen Wissen und Erfahrungen hat er das inhaltliche Profil des KFS nachhaltig mit beeinflusst. Wenn in Sachsen in Verbindung mit linker Kommunalpolitik Namen zu nennen wären, dann stände Michael Friedrich mit an vorderster Stelle. Nach kurzem Intermezzo in der letzten DDR-Volkskammer zog er 1990 in den Sächsischen Landtag ein und war bis zu seinem Ausscheiden im Herbst 2009 kommunalpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Seit 1990 bis heute sitzt er außerdem im Kreistag und seit 1999 auch noch im Gemeinderat. Michael Friedrich wird uns als erfahrener Ratgeber in Sachsen Kommunalpolitik erhalten bleiben. Für sein verdienstvolles Wirken im KFS sei ihm herzlich gedankt! Zur neuen Vorsitzenden des KFS wurde Simone Luedtke (im Bild unten), Oberbürgermeisterin der Kreisstadt Borna gewählt. Sie gehörte schon einmal dem Vorstand des KFS von 2006 bis 2008 an. Weiterhin wurden in den Vorstand wiedergewählt: Marion Junge, Patrick Pritscha, Klaus Tischendorf und Jens Matthis.

Herzlichen Glückwunsch zur Wahl, liebe Simone!

 Grußwort und Vortrag Prof. Dr.-Ing.habil. Ulrich Gross, Lehrstuhl für Technische Thermodynamik der TU Bergakademie Freiberg  Vortrag Tobias Jaster, Stadtverwaltung Freiberg, Energiebeauftragter  Vortrag Axel Schneegans, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Freiberg AG  Vortrag Prof. Dipl.-Ing. Timo Leukefeld, Honorarprofessor an der TH Zwickau und Firmeninhaber Zur Erreichung der Energiewende bedarf es neben einer Aufstockung der öffentlichen Fördermittel zur Gebäudesanierung des Ausbaus innovativer Umwelttechnologien sowie einer besseren Energieeinsparung und einer höheren Energieeffizienz. In ihren einführenden Vorträgen und im Podiumsgespräch werden die eingeladenen Gesprächspartner Hinweise und Anregungen aus ihrer jeweiligen Sicht geben, wie Möglichkeiten zur Umsetzung der Energiewende ausgeschöpft werden können.

Bürger/in und Kommune im Dialog?

Möglichkeiten & Grenzen digitaler Bürgerhaushalte. Fachkonferenz - gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen 23. Juni 2012, Sonnabend, 11.00 - 17.30 Uhr in Dresden, Rathaus, Dr.-Külz-Ring 19  Demokratie und Haushalt – Bürgerhaushalte als Weg der Überwindung eines Widerspruchs Dr. Lutz Brangsch (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin)  Überblick über existierende Bürgerhaushalte in Deutschland Dr. Oliver Märker (Bundeszentrale für politische Bildung, Köln) Moderation: Benjamin Winkler (digitaledemokratie.de, Leipzig)  Diskussion: Gibt es das „ideale“ Modell eines Bürgerhaushaltes? Vorstellung bereits existierender Bürgerhaushalte in Deutschland Berlin-Lichtenberg: CHRISTINA EMMRICH (stellv. Bezirksbürgermeisterin) Leipzig: MARKUS HEIDE (Stadtbezirksbeirat Leipzig)  Workshop: Wie sieht ein Onlinetool eines Bürgerhaushaltes aus? Einführung und praktische Übungen Dr. Oliver Märker (Bundeszentrale für politische Bildung, Köln)  Abschlusspodium: Welche Möglichkeiten gibt es in Deutschland und besonders in Sachsen Bürgerhaushalte auszubauen und weiterzuentwickeln? Teilnehmerbeitrag: 10 EUR (ermäßigt 5 EUR)

Kommunalpolitische Konferenz 2012 zum Thema:

Kommunale Daseinsvorsorge zwischen Privatisierung und Rekommunalisierung 30. Juni 2012, Sonnabend, 10 bis ca. 15 Uhr in Dresden Haus der Gewerkschaften, Schützenplatz 14 Vorträge:  Privatisierung der kommunalen Daseinsvorsorge in Deutschland – eine Bilanz (Prof. Dr. Gerstlberger, Univ. von Süddänemark / Integrierte Management- und Kommunalberatung Kassel)  PPP in deutschen Kommunen – Bilanz und Erfahrungen (Dr. Karsten Schneider, DGB-Bundesvorstand)  Rekommunalisierung: Ursachen und Motive, Varianten, reale Möglichkeiten (Jens Libbe, Dt. Institut für Urbanistik Berlin)  Rekommunalisierung in der Praxis - Erfahrungen aus Bereichen der Ver- und Entsorgung (Erhard Ott, Bundesvorstandsmitglied der Gewekschaft ver.di, Fachbereichsleiter Ver- und Entsorgung)  Sicherung kommunaler Daseinsvorsorge durch bürgerschaftliche Selbsthilfe und Genossenschaften (Dr. Herbert Klemisch, Klaus Novy Institut e.V. Köln) Teilnehmerbeitrag: 5 EUR (Mitglieder des KFS: 2,50 EUR) ANMELDUNGEN zu allen Veranstaltungen bitte an: Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Fon 0351-4827944 / 4827945 Fax 0351-7952453 E-Mail: info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de


Mai 2012

Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

ParlamentsReport Billig: Kommt teuer! – LINKE und SPD für Reform des Vergaberechts

Sachsens Ministerpräsident hat sein monatelanges Schweigen gegenüber dem Landtag zum sich verschärfenden Lehrernotstand und Unterrichtsausfall an den Schulen im Freistaat unterbrochen: für genau 41 Sekunden. In dieser Zeit warf er der Opposition „Krawall“ vor, was vor allem eine Beleidigung Tausender Schüler/innen ist, die mit einem Aktionstag und einer Demonstration zum sächsischen Parlament ihren berechtigten Unmut über die selbstverschuldete Personalmisere in Sachsens Bildungswesen zum Ausdruck gebracht haben. Und das gemeinsam mit Studierenden, die an den Hochschulen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Eigentlich wollte unsere bildungspolitische Sprecherin Cornelia Falken nur von der neuen Kultusministerin wissen, woher die 23 Millionen Euro genommen werden, die die Regierung nun für ihre verspätete wie unzureichende Notoperation zur Gewinnung von mehr Lehrernachwuchs einzusetzen gedenkt. Ganz davon abgesehen, dass in der Demokratie das Parlament über die Verwendung von Steuergeldern entscheidet, weshalb bei der Haushaltsaufstellung vom „Königsrecht“ der Abgeordneten die Rede ist. Antwort des Ministerpräsidenten: Aus dem Landeshaushalt. Woher auch sonst? Offenbar hat Herr Tillich den Überblick über die Kernaufgaben einer Landesregierung – und dazu gehört die Verantwortung für Schulen – verloren. Die Beratungen über den kommenden Doppelhaushalt im Herbst werden fürs Kabinett Tillich zur Stunde der Wahrheit.

Dr. André Hahn Fraktionsvorsitzender

Am 10. Mai 2012 stand der Entwurf „Gesetz zur Neufassung des Vergaberechts im Freistaat Sachsen und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Drs 5/9013) zur 1. Lesung auf der Agenda der 56. Plenartagung. „Dieses Gesetz verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele. Erstens: Von seiner Händearbeit muss man ohne staatliche Hilfe leben können und zweitens: Mit Steuergeldern ist sparsam umzugehen, Nachträge, Nachforderungen in den gewohnten

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Liebe Leserinnen und Leser!

Bereits 2010 sprachen sich sämtliche Sachverständige in der Anhörung des Vergabeberichts für eine grundlegende Reform des sächsischen Vergaberechts aus. Bei den Fraktionen DIE LINKE und SPD rannten sie damit offene Türen ein, im Schulterschluss mit dem DGB erarbeiteten sie einen Gesetzentwurf, der Tariftreue- und Mindestentgeltregelungen einführt, den sächsischen Mittelstand fördert, eine umweltgerechte Beschaffung befördert, Gleichstellung und Behinderte begünstigt sowie den Rechtsschutz auch im Bereich unterhalb der gesetzlichen Schwellenwerte gewährt.

Ziehen beim Vergaberecht an einem Strang: Mitglieder des DGB, der LINKEN und der SPD

Ausmaßen sind auszuschließen. Wir wollen einen fairen Wettbewerb, der über die Qualität läuft und nicht über den Missbrauch von Billig-Jobs, Leiharbeit und schlechten Arbeitsbedingungen. Die öffentliche Hand muss hier Vorreiter sein. Unser Gesetzentwurf verbietet die staatliche Unterstützung von Billiganbietern und offeriert Städten, Gemeinden und

Landkreisen verlässliche Kriterien für ihre Vergabeentscheidungen. Zugleich erhalten die Bieter Rechtssicherheit, da sie ihre Angebote an feststehenden gesetzlichen Regelungen ausrichten können“, so der LINKE Wirtschaftsexperte KarlFriedrich Zais. Der Gesetzentwurf wurde zur Weiterbehandlung in die zuständigen Ausschüsse überwiesen.

67. Jahrestag der Befreiung Am Ende waren es über 100 Menschen, die sich Anfang Mai am Ehrenhain der Roten Armee auf dem Leipziger Ostfriedhof versammelt hatten, um der 67. Wiederkehr der Befreiung vom Hitlerfaschismus zu gedenken. Sie waren der Einladung der Landtagsfraktion DIE LINKE, der Leipziger LINKEN Stadtfraktion, des DeutschRussischen Zentrums Sachsen e.V. (DRZ) und deren AG „Renaissance Judentum in Sachsen“ gefolgt. Meh-

rere Redner ergriffen das Wort, darunter Leipzigs Bürgermeister Heiko Rosenthal, die MdL Dr. Volker Külow Dr. Dietmar Pellmann sowie der DRZVorsitzende Herbert Schmidt, der in einer Rede neben den gefallenen Sowjet-Soldaten auch an die WestAlliierten und deutschen Antifaschisten erinnerte, die im innerdeutschen Widerstand aktiv waren. Külow skizzierte den unbefriedigenden Umgang mit dem „Tag der Befreiung“ in Sach-

sen und Deutschland und mahnte, dass alles dafür getan werden müsse, damit Zeit faschistischer Barbarei nicht in Vergessenheit gerät. Die Kranzniederlegung bestritten der Erzpriester der Russisch-Orthodoxen Gedächtniskirche zu Leipzig, Alexej Tomjuk, und Zsolt Balla, Rabbiner der Israelischen Religionsbereitschaft zu Leipzig, gemeinsam und sprachen jeweils ein Gebet in russischer und hebräischer Sprache. Kulturell wurde die Gedenkveranstaltung durch Beiträge des Kreisverbandes des Bundes der Vertriebenen und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland im Bund der Vertriebenen, die im DRZ organisatorisch eine neue Heimat fanden, bereichert. An der Kranzniederlegung nahmen auch zahlreichen Veteranen des II. Weltkrieges teil. Am Abend gedachten die Anwesenden auf dem Gelände des Sommerbades Ost gemeinsam mit Iossif Iolych vom Jüdischen Forum beim DRZ der sowjetischen Soldatinnen und Soldaten, die ihr Leben im Kampf gegen den deutschen Faschismus verloren haben. Text und Bild: Jens Wodrich


PARLAMENTSREPORT

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Mai 2012

Nein zur „Herdprämie“, Ja zum Kita-Ausbau!

LIO

„Nein zum Betreuungsgeld – Ja zum Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz“ war der Antrag der Fraktion DIE LINKE überschrieben, den sie im MaiPlenum zur Abstimmung stellte und über den die Landesregierung aufgefordert wird, sich auf Bundesebene für den Verzicht auf das Betreuungsgeld einzusetzen und stattdessen den Ausbau von Krippenplätzen und die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf

qualitativ hochwertige, ganztägige Betreuung für unter Dreijährige voranzutreiben. „Es besteht die Gefahr, dass positive Entwicklungen der letzten Jahre durch das von der CSU und kleinen Teilen der CDU gewollte Betreuungsgeld konterkariert werden“, so Werner, die den LINKEAntrag vom Parlament begründete und auf die bisherige Entwicklung verwies: „Selbst Teile der CDU hatten sich für den Ausbau der Kinderbetreuung, für Ganztagsschulen, den Rechtsanspruch auf Kita für unter Dreijährige © Benjamin Thor n / PIXE

„Die CDU missachtet die wirklichen Wünsche der Eltern“, ist Heike Werner überzeugt. Die familienpolitische Sprecherin der Linksfraktion fordert statt des Betreuungsgeldes mehr Krippenplätze einzurichten.

und für bessere Bildung insgesamt ausgesprochen. Diese Ansätze der Familienpolitik wurden von einem großen gesellschaftlichen Konsens getragen. Mit dem Betreuungsgeld könnte viel wieder kaputt gemacht werden.“ Werner nannte es „seltsam“, dass Eltern mit dem Betreuungsgeld eine finanzielle Leistung erhalten, weil sie ein öffentliches staatliches Angebot nicht nutzen, auf das sie einen Rechtsanspruch hätten: „Begründet wird das mit Anerkennung und Wahlfreiheit. Dabei treffen Eltern eine solche Entscheidung nicht wegen 150 Euro! Wirkliche Anerkennung für Eltern nimmt Familien und deren Ansprüche wirklich wahr und berücksichtigt deren Lebenswelt, um damit ein gedeihliches Entwi-

ckeln aller Familienmitglieder zu ermöglichen.“ Als besonders perfide kritisiert DIE LINKE, dass Eltern, die Hartz IV beziehen (und ihr Elterngeld bereits auf Hartz IV angerechnet bekommen!), kein Betreuungsgeld erhalten sollen. „Damit wird doch de facto behauptet, dass ihre Erziehungsleistung weniger wert ist, dass es Eltern erster und zweiter Klasse gibt. Das ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich!“, so Heike Werner. Was Eltern wirklich wollen, darüber gibt eine Elternbefragung in Dresden Auskunft: Qualifizierte Kita-Betreuung und flexible und bedarfsgerechte Öffnungszeiten! Ungeachtet dessen wurde der Antrag der LINKEN mit schwarz-gelber Landtagsmehrheit abgelehnt.

Sachsens Bildungslandschaft – es brennt an allen Ecken!

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Schuljahr den Fachunterricht nicht mehr überall mit Fachlehrern ausstatten können. Dem Rückgang an Lehrkräften steht ein Anwachsen der Schülerzahlen gegenüber. Dresden bspw. rechnet bis 2020 mit einem Plus an 20.000 Schülerinnen und Schülern, Leipzig mit ca. 17.000.

Wie dringend das ist, rechnete der wissenschafts- und hochschulpolitische Sprecher der LINKEN, Prof. Dr. Gerhard Besier vor: „Im Oktober 2008 vereinbarten Bund und Länder u.a. folgende Ziele: Steigerung der Bildungsausgaben auf zehn Prozent des Bruttoinlands-

produkts bis 2015, Halbierung der Quote der Schulabgänger ohne Abschluss auf vier Prozent; Erhöhung der Quote der Studienanfänger auf 40 Prozent eines Altersjahrgangs.

Lehrer fehlen. Ein weiteres großes Problem zeichnet sich ab: Wir werden bereits im kommenden

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Kaum ein Politikfeld eint die Fraktionen von DIE LINKE, SPD und GRÜNE mehr als die Bildung. Kein Wunder also, dass die drei Fraktionen im Mai einen gemeinsamen Antrag in den Landtag einbrachten, der auf die Sicherung und Weiterentwicklung der Bildungslandschaft in Sachsen zielt. Während im Plenarsaal über Lehrerund Dozenten-Notstand gestritten wurde, machten ca. zweieinhalbtausend Studierende, Schüler/innen, Eltern und Lehrkräfte vorm Landtag auf die Misere aufmerksam und forderten die Rücknahme der Stellenkürzungen an den Hochschulen und ausreichend schulische Lehrkräfte.

Auch die Hochschulen bekommen mehr Studierende als prognostiziert, dennoch sollen bis 2020 über 1.040 Stellen gestrichen werden. Was folgt ist eine schlechte Betreuungsrelation und mangelnde Studienqualität. Statt weiterer Personalkürzungen brauchen wir mindestens 1.600 Neueinstellungen pro Jahr und eine am wachsenden Bedarf orientierte Finanzierung von Schule, Hochschule und Forschung, denn Investitionen in Bildung und Wissenschaft sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Freistaates Sachsen!“

Und hier ist Sachsens Bilanz: Das Zehn-Prozent-Ziel der Bildungsfinanzierung liegt in weiter Ferne. Der Anteil der Forschung am BIP beträgt 2,59 Prozent; der Anteil der Bildung bei rund vier Prozent. Die Halbierung der Quote der Absolventen allgemein bildender Schulen ohne Hauptschulabschluss ist bei derzeit elf Prozent nicht einmal ansatzweise erkennbar. Die Anhebung der Zahl der Studienanfänger ist nicht erreicht.“ Das Resultat der verfehlten Per­ sonalpolitik fasst die LINKE Bildungsexpertin Cornelia Falken zusammen: „An den Schulen fällt massiv Unterricht aus, Klassen werden zusammengelegt, weil

Am Rande der Großkundgebung am 10. Mai 2012 übergab eine Schüler-Abordnung Rote Karten an Kultusministerin Brunhild Kurth (re.).


PARLAMENTSREPORT

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Drei Fragen + drei Antworten = 1 Buchtipp MdL Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag und Mitautorin des Buches „Made in Thüringen? Naziterror und Verfassungsschutzskandal“ berichtet über Motiv, Inhalt und Wirkung des Buches: Wie kam es dazu, dieses Buch aufzulegen? Wer hatte die Idee und warum?

Wir wollten von Anfang an das Buch am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, präsentieren. Das haben wir geschafft. Es ist ein passendes Datum für eine solche Veröffentlichung. Damit sind wir deutlich schneller gewesen als das erste offizielle Dokument, das SchäferGutachten aus Thüringen. Immerhin haben die etwas vorgelegt. Das sächsische Innenministerium dagegen betreibt Vogel-Strauß-Politik und tut in aller Regel so, als wisse es noch nicht einmal, dass es so etwas wie den NSU überhaupt gegeben hat. Und Fehler haben sächsische Behörden selbstverständlich nicht begangen! Warum schreibt eine so große Autorengruppe und an wen konkret richtet sich das Buch? Ganz einfach: Wir wollten eine sinnvolle Mischung aus Vertretern der Opfergruppen, die noch immer zu selten gehört werden, aus sachverständigen Journalistinnen und Journalisten sowie linken Politikerinnen und Politikern. Da die Behörden, besonders hier in Sachsen, die Aufklä-

rung behindern, muss öffentlicher Druck aufgebaut werden. Unsere Zielgruppe sind nicht Fachleute, sondern allgemein politisch interessierte Menschen, die sich Sorgen wegen der Neonazis und ihrer Gewalt machen. Denen wollen wir fundierte Argumente an die Hand liefern. Wie ist die Resonanz auf das Buch, was wird bei Podiumsdiskussionen nachgefragt und gibt es da Unterschiede in den Bundesländern? Ich habe inzwischen eine Reihe von Veranstaltungen zum Thema gemacht: von Strausberg über Bad Oldesloe bis zu diversen Abenden in NRW. Allgemein herrscht sehr großes Misstrauen gegenüber dem Geheimdienst. Natürlich mit Recht. Im Westen machte man sich häufig Vorwürfe, dass die Zusammenarbeit mit den Migrantenorganisationen in den letzten Jahren vernachlässigt wurde und deren Hinweise, dass es sich um eine rassistische Mordserie handelt, nicht ernst genug genommen wurden. Solche Selbstreflexion ist im Osten eher selten gewesen. Allgemein war das Lob für uns als LINKE von Menschen außerhalb der Partei für unsere gute Aufklärungsarbeit und Hartnäckigkeit. Das spornt natürlich an. Diese Kraft brauchen wir auch. Es liegt noch viel Arbeit vor uns.

Am 8. Mai 2012 erschien das Buch „Made in Thüringen? Naziterror und Verfassungsschutzskandal“, herausgegeben von Bodo Ramelow. Auf reichlich 200 Seiten beleuchtet eine Autorengruppe Hintergründe, Motive und das politisch-soziale Klima, vor dem der „Nationalsozialistische Untergrund“ 13 Jahre lang nahezu ungestört morden und rauben konnte. „Der Staat hat bei der Bekämpfung dieser Strukturen versagt – war er auf dem rechten Auge blind?“, fragt der Klappentext. Neben der Antifaschismusexpertin der LINKEN Landtagsfraktion in Sachsen, Kerstin Köditz, schreiben Frauke Büttner, Steffen Dittes, Michael Ebenau, Katharina König, Felix Korsch, Aiman A. Mayzek, Wolfgang Nossen, Petra Pau, Martina Renner, Andrea Röpcke, Romani Rose, Paul Wellsow, Gerd Wiegel, Volkmar Wölk, Stefan Wogawa u.a.m.

„Made in Thüringen? Naziterror und Verfassungsschutzskandal“ EUR 12,80 VSA: Verlag; E-Mail: info@vsa-verlag.de ISBN 978-3-89965-521-6

Plenarspiegel Mai 2012 Am 9. und 10. Mai 2012 fand die 55. und 56. Sitzung des Sächsischen Landtags statt. Folgende parlamentarische Initiativen wurden von bzw. mit der Fraktion DIE LINKE eingebracht: Aktuelle Debatte: „Landesentwicklungsplan ‚übersieht‘ Barrieren – Staatsregierung muss nachbessern!“ Gesetzentwürfe Fraktionen DIE LINKE und SPD: „Gesetz zur Neufassung des Vergaberechts im Freistaat Sachsen und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Drs 5/9013) „Gesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung und die Freiheit des Informationszugangs im Freistaat Sachsen [Sächsisches Verwaltungstransparenzgesetz] (Drs 5/9012) Gemeinsamer Antrag der Fraktionen DIE LINKE, SPD und Grüne: „Bildungslandschaft Sachsen sichern und weiterentwickeln“ (Drs 5/8987)

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Die Idee entstand bei einem gemeinsamen Treffen der Innenbzw. Rechtspolitiker und –politikerinnen der Linksfraktionen aus Thüringen und Sachsen in Erfurt. Wir haben zur Aufklärung der Vorgänge um den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU), mögliche Behördenkumpanei und Behördenversagen in Zusammenhang damit von Anfang an eng zusammengearbeitet. Wir tun dies selbstverständlich auch heute noch. Ursprünglich war eine gemeinsame Herausgeberschaft durch beide Fraktionen geplant, doch ließ sich dies nicht durchführen. Also hat dies Bodo Ramelow übernommen, der tatsächlich als Fraktionsvorsitzender in Thüringen auch die treibende Kraft bei dem Projekt war. Festzuhalten bleibt, dass wir gemeinsam Recherche betrieben haben.

Das hat uns in beiden Bundesländern genützt, das hat auch der Aufklärung insgesamt genützt.

Änderungsanträge – zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Neuregelung des Jagdrechts im Freistaat Sachsen; (Drs 5/9075) – zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur „Änderung des Gesetzes über die öffentlichrechtlichen Kreditinstitute im Freistaat Sachsen und die Sachsen-Finanzgruppe“; (Drs 5/9074) – zum Antrag der Fraktion GRÜNE zur „Quantifizierung des kommunalen Investitionsbedarfes“; (Drs 5/9088) Entschließungsantrag zur Fachregierungserklärung von Innenminister Markus Ulbig (CDU) zum Thema: „Bewahren. Erneuern. Gestalten. – Stadtentwicklung im Freistaat Sachsen.“ (Drs 5/9068) Antrag: „Nein zum Betreuungsgeld – Ja zum Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz“ (Drs 5/9001) Drucksachen (Drs) und Rede­beiträge unter www.linksfraktion- sachsen.de


PARLAMENTSREPORT

Mai 2012

Gut besucht war auch in diesem Jahr wieder der Frühlingsempfang der Fraktion DIE LINKE, den sie heuer direkt im Landtag gab - allerdings nicht im Plenarsaal, sondern mit direktem Elb-Blick im LandtagsRestaurant Chiaveri. Bei Häppchen und Wein ließ sich in lockerer Atmosphäre gut plauschen und über all das reden, was bewegt. Für den kulturellen Rahmen sorgten die Musikerinnen vom Duo „CELLcanto“ (Bild rechts) und der Schauspieler Franz Sodann, der „kulturpolitische Kabinettstückchen“ präsentierte. (Bild links, 2. V. li. im Gespräch mit Fraktionschef Dr. André Hahn)

Foto: DAK

Foto: DAK

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„Gläserne Ministerien“ – Verwaltungstransparenz in die Verfassung!

„Unser Gesetz bringt die Bürger/ innen auf Augenhöhe mit der Verwaltung, denn was die Verwaltung weiß, soll auch die Allgemeinheit wissen können. Dabei denken wir bspw. an Gutachten, Stellungnahmen, Kontrollergebnisse oder Verträge. Schließlich wurden diese ja auch auf Kosten der Allgemeinheit beschafft, folglich hat die Allgemeinheit auch das Recht, darüber zu erfahren“, so Julia Bonk, Sprecherin für Daten- und Verbraucherschutz und neue Medien.

lich aufbereitet sein und dürfen die Bürger/innen für abgefragte Verwaltungs-Informationen nicht zur Kasse gebeten werden. Für Klaus Bartl, Sprecher für Verfassungs- und Rechtspolitik, ist die Durchsetzung der Informationsfreiheit überfällig: „Die Freiheit des Zugangs zu Informationen hat das Bundesverfassungs-

Foto: Susanne Ritter

Dem Gesetzentwurf nach soll die Informationsfreiheit in der Verfassung verankert werden, die Kontrolle übernähme der Datenschutzbeauftragte. Zur Nutzung der Informationsfreiheit ist auf lizenzierte Software zu verzichten, müssen die Dokumente nutzerfreund-

Foto: efa

Über Behörden-Transparenz wird oft gesprochen, an praktikablen Wegen, diese zu erreichen aber fehlt es. Die Fraktion DIE LINKE will dem mit einem „Sächsischen Verwaltungstransparenzgesetz“ abhelfen. Im Maiplenum wurde es präsentiert.

Charlotte Kaiser und Hannah Brandt beim Girls’ Day 2012 in der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

gericht bereits 1983 in seinem so genannten Volkszählungsurteil als ‚elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten demokratischen Gemeinwesens‘ bezeichnet. Diesem Anspruch hinken Verfassungslage und Lebensrealität in Sachsen hinterher. Wir wollen erreichen, dass als Pendant zum Datenschutz künf-

tig auch jeder und jede einen unbürokratischen Anspruch auf Informationszugang gegenüber allen öffentlichen Stellen im Land hat. Unser Gesetzentwurf soll helfen, den Beschluss der 23. Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten Deutschlands vom November 2011 für Sachsen umzusetzen: „Informationsfreiheit in das Grundgesetz und in die Länderverfassungen!“

Der 26. April 2012 war für Hannah Brandt (12, re.) und Charlotte Kaiser (13, li.) der Tag, an dem sie sich konkret mit Sachsens Landesparlament befassen sollten. Als Gäste der Fraktion DIE LINKE bekamen die Schülerinnen des Evangelischen Kreuzgymnasiums eine exklusive Führung durch das „Hohe Haus“ am Elbufer und durften LINKEN Abgeordneten und Mitarbeiter/innen in FrageAntwort-Runden „auf den Zahn fühlen“. Hannah und Charlottes Tagesbilanz fiel positiv aus: „Wir würden jedem empfehlen, mal den Landtag zu besuchen, auch weil man dort mal etwas anderes hört und viel über Perspektiven von Frauen und Mädchen erfahren kann.“ Spannend fanden die Mädchen auch den Vortrag von MdL Heiderose Gläß über „Frauen & Politik“ und erfrischend-erfreulich die schon obligatorische Portion Eis als sahnigen Abschluss des Girls’ Day 2012 bei den Landtags-LINKEN.

Impressum Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Telefon: 0351/493-5800 Fax: 0351/493-5460 E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de www.linksfraktion-sachsen.de V.i.S.d.P.: Marcel Braumann Redaktion: Elke Fahr


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Bundesausschuss fasst Beschluss zu Mitgliedermagazin

Am 5. Februar 2012 hatte der Bundesausschuss beschlossen, die Mittel für das Mitgliedermagazin zunächst einzufrieren, bis durch die zeitgleich gebildete ad-hocGruppe verschiedene Fragen aus der Diskussion geklärt sind. Seither ist viel passiert, Fragen wurden geklärt, neue tauchten auf. Am Ende der Arbeit der ad-hoc-Gruppe stand ein Beschlussvorschlag an den Bundesausschuss, der die Erstellung des Piloten mit 20 Seiten zum Bundesparteitag vorsieht. Gleichzeitig wird der Parteivorstand beauftragt, die bisherigen Durchschnittlichen Einlagen in den Wahlkampffond sicherzustellen und bis 30. September 2012 ein Einnahmekonzept für das Mitgliedermagazin zu erarbeiten. Am 27. April 2012 tagte nun erneut der Bundesausschuss zu seiner regulären Sitzung in Lübeck (Schleswig-Holstein). Neben der Wahl des Präsidiums, dem Birgit Klauber (Thüringen), Barbara Borchert (BAG Betrieb und Gewerkschaft), Anita Friedetzky (Hamburg), Angela Mai (Berlin), Michael Bruns (NRW), Falk Neubert (Sachsen) – an dieser Stelle allen Gewählten unseren herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Arbeit – stand auch der Be-

schluss zum Mitgliedermagazin auf der Tagesordnung. Die Debatte dauerte insgesamt rund vier Stunden, zu unterschiedlich waren die Positionen für und gegen das Mitgliedermagazin. Insbesondere die Frage der Finanzierbarkeit warf immer wieder Fragen auf und sorgte für Bauchschmerzen. Am Ende dieser langen Debatte, die trotz der teils gegensätzlichen Positionen von einer beeindruckenden Diskussionskultur getragen wurde – beispielhaft für die Gesamtpartei – stand der Beschluss: Der Pilot zum Mitgliedermagazin wird in voller Auflage zum Parteitag produziert. Gleichzeitig werden Parteivorstand sowie Vertreter der Roten Reporter, des Bundesausschuss und des Finanzbeirates bis 30. September diesen Jahres die Weichen für Einnahmen stellen. Letztlich liegt es nun in unserer aller Verantwortung, das Mitgliedermagazin zu unserem Magazin zu machen. Es mit unseren Beiträgen, Geschichten und Wortmeldungen zu bestücken und zu bereichern und so unsere Erfahrungen mit den Genossinnen und Genossen in den anderen Bundesländern zu teilen. Kurz: Machen wir das Mitgliedermagazin zu einem Tanker, der Informationen transportiert und Anregungen für unsere tägliche politische Arbeit bringt! In diesem Sinne Leinen los und allzeit gute Fahrt! Ralf Fiebelkorn und Simone Hock, RoRe

Sehr geehrte Frau Kestner, mir geht es um die Kosten, die die Schule meiner Tochter geltend macht. Mal sind es Kopien für den Unterricht, die zu zahlen sind, mal bekomme ich Abrechnungen für andere Lernmittel. Ich finde, dass es langsam reicht. Weiter wollte ich einmal fragen, wie das mit der Finanzierung von Klassenfahrten aussieht. Ich habe gehört, dass die Kosten vom Jobcenter zumindest zu einem Teil übernommen werden. Da ich Leistungen vom Jobcenter Görlitz beziehe und schon von Freunden sehr Widersprüchliches gehört habe, würde ich gern wissen, wie die Rechtslage in dieser Frage ist. Mit freundlichen Grüßen Yvonne K. (Görlitz)

Neues aus dem Landesrat Wie immer, so war auch die Tagesordnung für den 12. Mai 2012, gut gefüllt. Zunächst jedoch ein kleiner Nachtrag zum 21. April, als der Landesrat seinen neuen Sprecherrat wählte. Diesem gehören Luise Neuhaus-Wartenberg, Simone Hock, Michael Lauter und Holger Weidauer an. Zur Sitzung am 12. Mai hatte der Sprecherrat Heinz Pingel für den Bericht zum Arbeitsstand der AG Finanzkonsolidierung eingeladen. Zunächst gab es einen kleinen Einblick über die Einnahmen- und Ausgabenstruktur. Hier machte Heinz deutlich, dass seit der Euro-Umstellung die regelmäßige Anpassung der Beiträge zu wünschen übrig lässt. Er verwies darauf, dass die Ausgaben für die Landesweiten Zusammenschlüsse in Höhe von 20.000 bis 25.000 € die zum größten Teil als Reisekosten anfallen. Zur Kostensen-

kung sollte hier vermehrt auf Telefon- und Emailkontakte sowie die Möglichkeiten der gleichzeitigen Dokumentenbearbeitung im Internet zurückgegriffen werden. Eine weitere Möglichkeit zur Senkung der Reisekosten sei die vermehrte Nutzung der übrigen Geschäftsstellen als Tagungsort. Nicht alle Sitzungen müssen in Dresden stattfinden. Heinz machte aber auch deutlich, dass Einsparungen bei den Pflichtaufgaben (Wahl des Landesvorstandes alle zwei Jahre per Landesparteitag usw.) nicht möglich sind. Bei allen Ansätzen – ein Konzept der AG zur Konsolidierung fehlt noch! Sehr rege, aber immer respektvoll verlief die Diskussion zu den Kriterien der Listenaufstellung zu Bundes- und Landtagswahl, obgleich die Standpunkte zum Teil sehr gegensätzlich waren. Einig-

keit konnte jedoch in zwei Punkten erzielt werden: Die Mandatszeit sollte begrenzt werden. Und es sollte abrechenbare Vereinbarungen mit den Abgeordneten getroffen werden bezüglich ihrer persönlichen Weiterbildung und Entwicklung sowie ihre Arbeit im Wahlkreis. Darüber hinaus endete dieser Tagesordnungspunkt mit einem Auftrag an die Mitglieder des Landesrates. In Vorbereitung der Landesratssitzung im Juli sollen sie zwei Fragen in ihren Basisorganisationen diskutieren: 1. Brauchen wir Kriterien für die Listenaufstellung? 2. Welche Kriterien sollen das sein? Weiterer Schwerpunkt waren die „Chancen einer Regierungsbeteiligung 2014“. Hierzu erläuterte Rico Gebhardt die Notwendigkeit, bereits jetzt Gespräche zu führen und mögliche gemeinsame Anknüpfungspunkte heraus-

zufinden. Die Diskussion war geprägt von zwei wesentlichen Aussagen: Es ist notwendig mit anderen zu reden! In bzw. für eine mögliche Koalition dürfen wir nicht unser eigenes Profil verlieren! Sollten sich mögliche Koalitionspartner einigen, wäre dafür das öffentliche Bekenntnis aller Partner zur Koalition vor der nächsten Wahl eine Prämisse für uns. Wichtig ist es den Wählerinnen und Wählern zu vermitteln, dass unsere Ziele im Wahlprogramm langfristige Ziele sind, die wir nur umsetzen können, wenn wir alleine Regieren. Bis dahin versuchen wir über kleine Schritte und im Bündnis mit anderen diesem Ziel näher zu kommen! Weitere Details können nach dem 16. Juni im Protokoll auf unserer Homepage nachgelesen werden. Sprecherrat

Sehr geehrte Frau K., nach Auffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) besteht für einen Zahlungsanspruch des öffentlichen Schulträgers für die von Ihnen benannten Kosten keine Rechtsgrundlage. Das Schulgesetz stellt hierfür keine Anspruchsgrundlage zur Verfügung. Auch auf allgemeine Erstattungsansprüche kann die Gemeinde als Schulträgerin sich nicht berufen. Im Fall ging es (auch) um Kosten für Kopien. Es obliegt hier der Schulträgerin, die sachlichen Kosten für den Schulbetrieb, zu denen auch die Lernmittel gehören, zu tragen. Auch Unterrichtskopien sind Lernmittel. Das Gericht bestätigte mit dem Urteil (Az: 2 A 520/11) eine Entscheidung des Dresdner Verwaltungsgerichtes aus dem Vorjahr. Zum Thema „Klassenfahrt“ hat das Bundessozialgericht entscheiden, dass die vollen Kosten durch das Amt zu übernehmen sind. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um mehrtägige Auslandsfahrten handelt, solange die schulrechtlichen Bestimmungen eingehalten wurden. Wenn das Amt dennoch nur eine Pauschale übernehmen will – die in diesen Fällen natürlich nicht reicht – stehen die rechtlichen Chancen also sehr gut. Mit freundlichen Grüßen Marlen Kestner, Rechtsanwältin

Foto Wolfgang Pehlemann

Leinen los für den Tanker


Sachsens Linke!  6/2012

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Jugend

LAK-Gender startet Kampagne »Freies L(i)eben mit allen?!« Wir, der Landesarbeitskreis Gender der linksjugend [solid‘] Sachsen wollen mit Veranstaltungen, Aufklebern und Flyern eingerostete Weltbilder über Geschlechter(rollen) brechen. Dazu zeigen wir die Definitionen von bestimmten Begriffen auf, die oft im gesellschaftlichen Diskurs fallen oder gelebt werden. So haben wir sieben verschiedene Aufklebermotive kreiert, die eine Definition von folgenden Begriffen in den öffentlichen Raum stellen: Feminismus, Transphobie, Gender, Homophobie, Sexismus, Patriarchat und Heteronormativität. Die Idee ist, dass durch die Präsenz dieser Begriffe und einer dazugehörigen Beschreibung Menschen angeregt werden, über diese nachzudenken. Die Begriffe werden neutral beschrieben und sind keine politischen Forderungen. Genau das wollen wir auch, denn wir finden durch eine Definition werden Menschen eher angeregt, über diese Begriffe nachzudenken: Ist dies wirk-

lich richtig? Kommt das nicht zu kurz? Oder verstehe ich darunter was vollkommen anderes? Wenn sich diese oder andere Fragen bei den Leser_ innen stellen, haben wir schon das erreicht, was wir wollen. Denn das Nachdenken und Bewusstmachen über Probleme und Formen des L(i)ebens, ist der erste Schritt um die unterschiedlichen Formen auch zu verstehen und zu akzeptieren. Auf unserer Homepage und unserem Flyer findet man dann aber doch auch unsere Positionen zu diesem Thema. Um inhaltliche Akzente zu setzen, veranstalteten wir Seminare in Leipzig und Dresden. Folgende wird es noch geben: Workshop »Pornographie« am 1.06.2012 um 18:00 Uhr in der Wir AG Dresden. »Queer-Feministische Party »F*ck You Gender« am 2.06. um 20:00 Uhr im Jugendhaus Roter Baum Dresden, Seminar »Das Patriarchat ist tot, es lebe das Patriarchat?!« am 30.06 um 18 Uhr im Jugendhaus Roten Baum

Dresden und am 07.07 im linXXnet in Leipzig Vortrag »Von der Menschwerdung der Frau« am 8.7 im linXXnet in Leipzig, Seminar »Entwicklung des CSDs und die Kritik daran« (Arbeitstitel) am 11.07 im Hausprojekt B12 (Braustraße 20) in Leipzig. Außerdem sind wir mit einem eigenen Wagen bei der CSDParade am 14.07 in Leipzig vertreten. Weitere Veranstaltungstermine, ausführlichere Definitionen, Aufklebermotive und politische Forderungen unter: www.gender.linksjugendsachsen.de Die Aufkleber findet ihr in den Geschäftsstellen oder Abgeordnetenbüros eures Vertrauens. Wenn du bei uns mitmachen möchtest, dann schreib uns doch per E-Mail an lakgender[at]lists.linksjugendsachsen.de oder komm zu einen unserer Treffen, die auf der Homepage veröffentlicht werden. Marco Böhme

Ohne Frauen ist kein Staat zu machen Die Regierungspolitik in Sachsen vernachlässigt zunehmend eine moderne Gleichstellungspolitik. Wir brauchen den Politikwechsel und fragen uns: Wo drückt uns der linke Schuh in der Frauenpolitik und welche Alternativen sehen linke Frauen? Daher ist uns die Meinung unserer Frauen wichtig! Wir wollen alle Genossinnen und möglichst viele Sympathisantinnen erreichen und aktiv einbeziehen, genau diese Fragen zu besprechen, Ideen auszutauschen und Aktionen zu planen. Dafür brauchen wir eine neue Organisationsform, die es uns ermöglicht, die zahlreichen Frauen unseres Landesverbandes aktiv beteiligen zu können. Um mit euch genau diese neue Form zu diskutieren, laden wir alle Genossinnen und Sympathisantinnen für den 9. Juni 2012 ab 10 Uhr nach Chemnitz ins AJZ ein. Anlässlich der sächsischen Landesfrauenkonferenz 2012 wollen wir den Landesrat Linke Frauen Sachsen als Koordinierungsinstrument ins Leben rufen und uns über seine Grundsätze und Ziele verständigen. Dazu gehört unter anderem der Austausch über folgende Fragen: Welche Ziele verfolgen wir mit den neuen Formen der Zusammenarbeit?

Welche Rechte und Pflichten haben Genossinnen als Mitwirkende? Was passiert mit den bisher vorhandenen Frauenstrukturen innerhalb der LINKEN (z. B. LAG LISA)? Welche Rechte räumen wir Gästen und Sympathisantinnen ein? Wie wollen wir in die Partei und die Gesellschaft wirken? Welche Netzwerke wollen wir aufbauen oder aktivieren? Dies sind Fragen, die wir gern mit euch diskutieren wollen. Weiterhin werden wir zusammen mit Prof. Peter Porsch über den Sinn und Unsinn des Genderns streiten. Der Veranstaltungsort ist das AJZ Chemnitz e.V., Chemnitztalstraße 54. Ihr könnt bequem per Bahn und ÖPNV anreisen (Infos gibt es unter www.cvag. de) oder per Auto (Abfahrt A4 Chemnitz-Glösa – Chemnitztalstraße Richtung Zentrum). Parkplätze sind vorhanden. Wir sind überzeugt, dass die neue Organisationsstruktur dazu beitragen wird, frauenpolitischen Inhalten mehr Gewicht im Parteileben und in der Öffentlichkeit zu verleihen. Wir hoffen auf diesem Weg, immer mehr Frauen zu motivieren, Politik mitzugestalten. Zur Bildung des Landesrates werden alle Frauen der Partei DIE LINKE Sachsen erfasst, sie

haben in den letzten Tagen einen Brief bzw. eine Mail erhalten und sind damit Teil der neuen Struktur. Nach der Gründung des Landesrates Linke Frauen Sachsen kann jede Frau jederzeit selber entscheiden, ob sie aktiv mitwirken möchte, indem sie eine Mitwirkungserklärung unterschreibt. Wir laden Dich herzlich ein, an diesem wichtigen Ereignis persönlich teilzuhaben!

Fünf Forderungen für eine bessere Zukunft Queer - DIE LINKE. Sachsen: 1. Diskriminierungsverbot ins Grundgesetz. Kein Mensch darf wegen ihrer / seiner „sexuellen Identität“ diskriminiert werden, deshalb unterstützen wir die Aufnahme des Merkmals „sexuelle Identität“ in den Gleichheitsartikel des Grundgesetzes (Artikel 3 Abs. 3 GG). 2. Lebenspartnerschaft = keine Ehe light! – Letzte Hürden überwinden! Wir stehen für die Gleichstellung aller Lebensweisen. Die eingetragene Lebenspartnerschaft muss der Ehe in allen Bereichen gleichgestellt werden - insbesondere im Einkommensteuerrecht, Erbschaftsteuerrecht und Adoptionsrecht. 3. Aufklärung an Schulen. Wir fordern eine Verbesserung der Aufklärungsarbeit an Schulen und die Berücksichtigung sexualpädagogischer Inhalte in der Aus- und Weiterbildung von Pädagogen/innen. 4. Ein Personenstandsrecht für alle. Wir fordern, das Personenstandsrecht dahingehend zu ändern, dass es auch den Ansprüchen von Intersexuellen und Transsexuellen ohne Sondergesetze gerecht

wird. Gesetze wie das TSG und LPartG grenzen Gruppen von Menschen aus und diskriminieren sie. 5. Verfolgung auf Grund sexueller Identität ist ein Asylgrund. Wir fordern, die Anerkennung der Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung / Identität als Asylgrund und Zuzugsregelungen für Lebenspartner/innen. Mehr Informationen findet ihr unter: www.dielinke-sachsen. de/queer/ Darüber hinaus organisieren in vielen Städten in und außerhalb von Sachsen Vereine, Initiativen und Einzelpersonen Veranstaltungen zur Aufklärung und zum Abbau homophober Vorurteile. Wir laden Euch ein - beteiligt Euch, damit unsere gemeinsamen Forderungen Realität werden! Hier die nächsten Termine in Sachsen: CSD in Leipzig „Hinter dem Horizont geht‘s weiter ...“ 07. - 14. Juli 2012 - www.csdleipzig.de Tüdelü in Chemnitz „Hetero, Homo, Bi oder Trans? - Chemnitz, die Stadt der Vielfalt kann`s!“ 21. Juli 2012 - www.tüdelüchemnitz.de


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DIE LINKE im Europäischen Parlament

6/2012  Sachsens Linke!

Frankreich liegt links von uns – Mit Sicherheit nicht! setzungen um den Europäischen Verfassungsvertrag. Anders als in Deutschland wurde diese Debatte vor allem außerhalb der Parlamente geführt. Nach langen Diskussionen sprach sich die PS für den EU-Vertrag aus und stellte damit ihren linken Flügel ins Abseits. Die ideologische Annäherung der Partei an die politische Mitte führte 2008 zum Austritt des PS-Abgeordneten Jean-Luc Mélenchon und zur Gründung der PdG. Diese, nur durch wenige Aktivisten geführte Partei formte zu den Europawahlen 2009 ein Wahlbündnis mit der großen, aber stark geschwächten PCF. Einen ersten Erfolg lieferte das Wahlbündnis bei den Kreiswahlen 2011 mit zehn Prozent der Stimmen ab. Die entstandene Dynamik nutzend, entschieden sich PCF und PdG dafür, auch bei den Präsidentschaftswahlen 2012 gemeinsam mit Melenchon anzutreten. In einer Basisbefragung wurde dieser mit überwältigender Mehrheit bestätigt und konnte so, die zu Beginn des Jahres mageren Umfragewerte von fünf Prozent schnell nach oben korrigieren. Kurz vor dem ersten Wahlgang wurde er gar mit 15 Prozent und mehr taxiert. Den Auftakt seiner Kampagne legte der Linkskandidat auf den Place de la Bastille, einem symbolträchtigen Ort, denn von diesem

ist nahezu jede (revolutionäre) Umwälzung des Landes ausgegangen. 100.000 Menschen folgten diesem Signal und hörten wie Melenchon die klare Linksausrichtung seiner Politik, z.B. die Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohns auf 1.700 Euro, die zugespitze Auseinandersetzung mit dem rechtspopulistischen Front Nationale (FN) und die Absage an die europäische Austeritätspolitik, deutlich machte. Letztlich erreichte der Kandidat der Linken elf

Prozent der Stimmen. Angesichts der Situation der radikalen Linken nach den letzten Parlamentswahlen – nur knapp konnte die Fraktionsstärke erreicht werden - ein deutliches Aufbruchssignal. Mehr aber nicht. Um einen Wahlsieg der Rechtskonservativen unter Mithilfe des FN zu verhindern, rief Melenchon nach dem ersten Wahlgang im April sogar dazu auf, in der Stichwahl für Hollande zu stimmen. Die gescheiterten Verhandlungen

um die Aufteilung der Wahlkreise innerhalb des »linken« Lagers für die Parlamentswahlen zwischen PCF, PdG, Sozialisten und Grünen zeigen aber, dass die radikale Linke von Hollande kein Entgegenkommen zu erwarten hat. Zum zweiten zeigt dieser Vorgang, dass die PS an ihrem eingeschlagenen Kurs Richtung »Mitte« festhalten wird. Ob Frankreich also politisch nach links rückt, wird sich erst bei den Parlamentswahlen im Juni zeigen.

Probleme des europäischen Bankensystems anzugehen. Wir appellieren an alle linken Kräfte in Griechenland, SYRIZA bei der Herausforderung zu unterstützen, eine Regierung zu bilden, die sich tatsächlich den Menschen gegenüber verantwortlich fühlt. Wir werden hier unser Bestes tun, um Merkel, Schäuble und der deutschen Politik von Super-Sparmaßnahmen, Arbeitslosigkeit und sozialer Zerstörung entgegenzutreten. DIE LINKE wird ihre nationalen und europäischen Anstrengungen vorantreiben und die enge Zusammenarbeit mit SYRIZA fortsetzen. Wir wollen auf europäischer Ebene nach einer Lösung suchen, die finanzielle, wirtschaftliche und politische Krise Europas zu überwinden. Mit unseren herzlichsten und

solidarischen Grüßen,

activebizz.de_pixelio.de

…meint Dominic Heilig Geografisch stimmt es: Frankreich liegt links von Deutschland. Zumindest wenn man auf einen Globus schaut. Auf den Kopf gedreht betrachtet hingegen mancher das politische Frankreich seit den Präsidentschaftswahlen. Einige Teile der deutschen LINKEN haben übereilt den Wahlsieg des sozialistischen Bewerbers Francois Hollande in der Stichwahl vom 6. Mai mit einem linken Wahlerfolg gleichgesetzt. Dies muss angesichts der programmatischen Forderungen der Parti Socialiste (PS) verwundern. Die Abwahl von Nicolas Sarkozy ist ein Erfolg gegen die Rechte. Vor allem in Hinblick auf die europäische Austeritätspolitik und die Auslandseinsätze französischer Truppen sind Veränderungen durch Hollande zu erwarten. Ein Linksschwenk in der französischen Politik bedeutet das aber nicht. Gleichzeitig steht fest, dass ohne die Unterstützung der Linksfront aus Parti de Gauche (PdG) und Parti Communiste (PCF) der knappe Wahlsieg der Sozialisten nicht möglich gewesen wäre. Um den Kontext der Entstehung des Linksbündnisses Front de Gauche zu verstehen, muss man ins Jahr 2005 zurückgehen. Damals erlebte Frankreich eine große Politisierung über die Auseinander-

An die Kameraden (Genossen) von SYRIZA Liebe KameradInnen und Kameraden, (Genossinnen und Genossen), in diesem kritischen Moment für Griechenland und die Menschen in der Europäischen Union bekunden wir unsere tiefe Solidarität und Unterstützung für den politischen Kurs von SYRIZA. Ihr großer Erfolg bei den letzten Wahlen ist ein Zeichen der Hoffnung für viele Menschen, welche die neoliberalen Experimente in Griechenland und die autoritäre Politik der EU-Regierungen stoppen wollen. Wir möchten Ihnen für Ihre klare und feste Position in den Verhandlungen zur Bildung einer Regierung danken. Wir lehnen die Angriffe der anderen griechischen Parteien, sowie der meisten Medien und verschiedener europäischer Regierungen gegen die Koalition der Radi-

kalen Linken entschieden ab. Auf der einen Seite beschuldigen einige linke Gruppen SYRIZA wegen des Willens, Griechenland als Mitglied des Euro und der EU zu halten. Auf der anderen Seite wird SYRIZA weithin als antieuropäisch dargestellt, weil sie das Interesse des griechischen Volkes vertritt und die diktierten Memoranden ablehnt. Die oft wiederholte Befürchtung, SYRIZAS Vorschläge würden zum Austritt Grienlands aus der Eurozone führen ist ungeheuerlich, zumal dies den Ausstieg aus der EU bedeuten würde. Es scheint, dass Frau Merkel und der Rest der EU-Führung nicht bereit sind zu akzeptieren, dass die demokratische Führung in Griechenland entscheiden kann, ob und wie die griechischen Schulden bezahlt werden sollten.

Das verhinderte Papandreou-Referendum war dazu bestimmt, die Sparmaßnahmen-Politik durch die Gegenüberstellung mit der Alternative eines Ausstiegs aus der EU zu legitimieren. Nun gibt die bevorstehende Wahl dem griechischen Volk die Möglichkeit, die brutale Sparpolitik zu stoppen, die Verletzung der Arbeitnehmerrechte zu beenden und ein neues politisches Projekt in der EU zu beginnen, das Antworten auf die tiefe politische und wirtschaftliche Krise findet. Wir senden Ihnen unsere herzlichsten und aufrichtigsten Wünsche für einen großen Erfolg von SYRIZA bei den Wahlen und ermutigen Sie zum Voranschreiten auf Ihrem Weg, eine Regierung in Griechenland zu bilden, eine Schuldenprüfung zu schaffen und die tief verwurzelten

Andrej Hunko - MP und Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Claudia Haydt - Mitglied des Vorstandes der Europäischen Linken Tobias Pflüger - Mitglied des Vorstandes der LINKEN


Sachsens Linke!  6/2012

DIE LINKE im Bundestag

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Eurokrise: deprimierende Aussichten aus dem Bundestag

der Bundesregierung war. Die Strategie der Bundesregierung wird inzwischen weltweit als Bedrohung wahrgenommen. Beim letzten G 8-Gipfel stand die Bundesregierung wieder einmal isoliert da. In Wahrheit sind die Koalitionsabgeordneten und die Bundesregierung die Radikalen in Europa. Jeder Mensch mit ökonomischen Sachverstand weiß inzwischen, dass die Währungsunion in der jetzigen Form keine Zukunft hat. Viele fordern nun, Staaten aus der Währungsunion rauszuschmeißen. Die Währungsuni-

on würde daran zerbrechen und wir stünden vor einem Scherbenhaufen. Alternativ müssen wir dafür sorgen, dass sich die Staaten der Währungsunion wieder aufeinander zu entwickeln. Dazu muss die Eurozone eine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben. Jeder, der ernsthaft darüber nachdenkt, verlangt dann eine neue Steuerpolitik, etwa bei der Besteuerung von Unternehmen und von Vermögen, oder aber endlich eine europäische Finanztransaktionssteuer. Dazu gehört dann aber auch, dass die Bundes-

regierung nicht weiter andere Staaten durch ihre Lohnpolitik niederkonkurriert und sich nicht um die langfristigen Folgen schert. Dazu gehören aber auch neue Instrumente wie Eurobonds. Dabei lässt sich über allerlei Kompromisse reden: Wer die Anleihen zu welchen Bedingungen bekommt, wie die Zinsvorteile aufgeteilt werden, wie stark die Haftung ausfällt. Was aber nicht geht, ist diese Debatte zu verweigern und zuzulassen, dass Finanzinvestoren die Staaten der Währungsunion gegeneinander ausspielen. Aus der jetzigen

Abgezockte Verbraucherinnen und Verbraucher Unseriöse InkassoUnternehmen machen fette Beute Die meisten Verbraucherinnen und Verbrauchern shoppen regelmäßig oder ab und zu im Internet, schließen online Verträge ab, abonnieren Zeitungen oder lassen sich per Telefon für Produkte, Dienstleistungen und Gewinnspiele werben. Häufig im gutem Glauben, sich informiert und evtl. sogar das Kleingedruckte gelesen zu haben, erschrecken sie sich um so mehr, wenn sie Post von einem Inkasso-Büro bekommen. Drei von vier Adressaten von Inkasso-Schreiben fühlen sich dann laut einer Studie der Verbraucherzentralen be-

droht, verängstigt und eingeschüchtert. Das ist auch kein Wunder, wenn man sich Ton, Aufmachung, Warnungen und vermeintliche Konsequenzen solcher Schreiben genau anschaut. Die angedrohten Kosten sind oft enorm. Schließlich treibt die Einschaltung eines Inkassobüros die Kosten immer in die Höhe. Besonders dreist agieren manche Inkasso-Unternehmen bei Forderungen über Kleinstbeträge. In den Büros der Verbraucherzentralen landen immer häufiger Beschwerden, bei denen es um Forderungen von unter einem Euro geht. Laut Studie verteuerten sich die eigentlichen Forderungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Inkassodienste um durchschnittlich 50 Prozent, bei überschuldeten Menschen bisweilen gar um 266 Prozent.

Unseriöses Inkasso und hohe Inkassogebühren sind seit langem eine Plage für Verbraucherinnen und Verbraucher. Und offenbar ein Massenphänomen. Trotz der bekannten, oft rechtlich fragwürdigen Methoden vieler Inkassofirmen wurden bisher erst zwei Inkasso-Zulassungen aufgrund verbraucherschädigender Geschäftspraxis entzogen. Behördliche Aufsicht und Kontrolle gibt es so gut wie gar nicht. Unseriöse Inkassounternehmen können ungehemmt Kasse machen und die lückenhafte Rechtslage schamlos ausnutzen. Die Bundesregierung hat die massenhafte Abzocke der Verbraucherinnen und Verbraucher bisher ignoriert und Forderungen des Bundesrates und der Verbraucherschutzministerkonferenz nicht aufgegriffen. Die Schließung der Rechts-

lücken im Inkassobereich ist längst überfällig, deshalb macht DIE LINKE der Bundesregierung Druck. In unserem Antrag im Deutschen Bundestag fordern wir, dass die Gebühren für Inkassodienste müssen klar geregelt, d.h. beschränkt werden. Es muss eine Aufsicht über die Branche geben, die klar und wirksam gesetzlich geregelt ist. Und bevor überhaupt eine Genehmigung für das Betreiben eines Inkassobüros erteilt wird, müssen Behörden jeden sorgfältig prüfen. Nicht zuletzt muss es natürlich einen Sanktionskatalog für unseriöse Inkassopraktiken geben, der empfindliche Bußgelder und Schadensersatzansprüche bei ungerechtfertigter Abmahnung vorsieht. Caren Lay

Situation kommen wir nur heraus, wenn wir die Staaten der Währungsunion von den Finanzmärkten abschirmen. Dafür brauchen wir sowohl eine Form von Eurobonds als auch die Europäische Zentralbank. Genau hier fehlt der Koalition aber jedes Verständnis von pragmatischer Politik. Der Fiskalpakt kann nur durch eine Grundgesetzänderung in Kraft treten, wozu Stimmen der Opposition notwendig sind. Die SPD hält damit ein Druckmittel in der Hand. Sie könnte einen Kurswechsel erzwingen oder die Notbremse ziehen. Nur ist sie bisher dermaßen ungeschickt und unentschlossen vorgegangen, dass sie diese Chance verspielen wird. Die SPD-Rechten werden eher Willy Brandt verstoßen, als dass sie dem Fiskalpakt die Zustimmung verweigern. Damit behalten die Radikalinskis aus der Koalition aber weiter freie Bahn. Axel Troost

Manchmal muss es raus! Man mag mitunter nicht glauben, zu welch schlechtem Benehmen sich ausgerechnet manch honorige Herren mit Schlips und Kragen von CDU/ CSU und FDP im Plenum des Bundestages hinreißen lassen. Ein besonders unangenehmer Vertreter dieser Art ist der FDP-Abgeordnete Martin Lindner, eine Art Sturmgeschütz des Neoliberalismus mit Gelfrisur, der für seine Zwischenrufe berüchtigt ist. Als er neulich die Rede meines Kollegen Jan van Aken störte, brach aus diesem sonst ruhigen Mann heraus, was sich wohl lange angestaut hatte: „Jedes Mal, wenn hier eine Frau redet, dann macht dieser Macho arrogante Zwischenrufe und krault sich seine Eier. Das ist wenig zu ertragen. Das geht überhaupt nicht.“ Während LINKE, SPD und Grüne lachend applaudierten, entschuldigte sich Jan bei der Sitzungspräsidentin - für die „Eier“, nicht für den „Macho“, wie er auf Nachfrage erklärte. Michael Leutert, Sprecher der Landesgruppe

Foto: Niklas Plessing @flickr CC-Lizenz

Die Koalition plustert sich derzeit wieder einmal auf und versucht, alle anderen Parteien im Bundestag als unverantwortliche Schuldenmacher hinzustellen. Der konkrete Anlass ist die Debatte um Eurobonds. Nach Beschluss der Koalition haften die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aber bereits mit über 200 Milliarden Euro für Schulden anderer Staaten, dazu kommen noch Risiken aus den Anleihenaufkäufen der Europäischen Zentralbank. Die Koalition sollte daher nicht scheinheilig über alle herfallen, die Schulden vergemeinschaften wollen. Worin liegt aber gerade das Problem? Wir dürfen nicht immer nur auf Griechenland schauen und daraus Rezepte für die ganze Eurozone entwickeln. Inzwischen erleben wir einen Abschwung in der gesamten Eurozone. Es geht auch um Spanien, Italien und Frankreich, um Deutschland, Holland und Österreich. Die reine Sparpolitik ist gescheitert, weil die Wirtschaft stottert und deshalb die Schulden trotz Sparen steigen. Die Präsidentschaftswahl in Frankreich und die Parlamentswahlen in Griechenland waren eine Absage an die radikale und ökonomisch dumme Sparpolitik. In den Niederlanden ist daran die Regierung zerbrochen, die bisher der wichtigste Verbündete


Geschichte

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6/2012  Links!

Hilfe als Selbsthilfe: Der Marshall-Plan sich gegen die Freundschaft mit der Sowjetunion und andere ihrer Alliierten richte. Anders entschied Österreich. Es einigte sich mit der Sowjetunion, die in Österreich neben den Westmächten Besatzungsmacht war, an der Pariser Konferenz teilzunehmen. Die Konferenz beschloss die Gründung der »Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit« (OEEC), die seit dem 16. April 1948 agierte und die im September 1961 in die OECD überführt wurde. Die Pariser Konferenz stellte die Weichen für die politische Stabilisierung Westeuropas als kapitalistischer Bündnispartner der USA, die »Eindämmung« der sozialistischen Sowjetunion und die Gewinnung neuer Absatzmärkte für die amerikanische Überproduktion. US-Präsident Harry S. Truman (1884-1972) brachte 1948 den »Marshall-Plan« als Vorschlag in den Kongress ein. Am 3. April unterschrieb er den »Economic Cooperation Act of 1948«, der sofort in Kraft trat und auf einen Zeitraum von vier Jahren ausgelegt war. Die USA leisteten den Mitgliedsländern der OEEC bis 1952 Hilfen im Wert von 13,1 Milliarden Dollar. Etwa 10 Prozent der ERP-Mittel, 1,4 Millarden Dollar, wurden den deutschen Westzonen als Kredite zur Verfügung gestellt. Zu den Vorbedingungen zählte die Durchführung einer separaten Währungsreform, die Deutschlands und Berlins wirtschaftliche Einheit zerriss. Ökonomen berechneten, dass die MarshallplanKredite von 1948 bis 1951 nur

eine Steigerung des Bruttoinlandsproduktes von 0,5 Prozent bewirkten. Das dennoch schnelle Wirtschaftswachstum in Westeuropa wird auch auf andere Stimuli zurückgeführt. Die Gründung der ersten westeuropäischen Institution, der OEEC, war eine Voraussetzung für den Abbau von Zollbarrieren in Westeuropa. Aus der amerikanischen Emigration zurückkehrende Wirtschaftsfachleute führten in den Betrieben moderne amerikanische Managementund Marketing-Methoden ein, die in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland noch nicht angewandt worden waren. Die Ostzone beziehungsweise die im Oktober 1949 gegründete DDR hatte keine Chance, ERP-Mittel für den Wiederauf-

bau zu bekommen. Diese hätten auch wegen der amerikanischen Vorbedingungen nicht angenommen werden können. Jeder Partner des Marshall-Planes musste genauestens den Stand der Zerstörung der Wirtschaft dokumentieren und an die USA berichten, was die staatliche Souveränität verletzte. Die DDR machte aus der Not eine Tugend. Sie fasste ihren Standpunkt in einem Plakat zusammen: »Wir brauchen keinen MarshallPlan, wir kurbeln selbst die Wirtschaft an!« Die Bedeutung des Marshall-Planes für die Systemauseinandersetzung wurde zunächst weder von der DDR noch von der Sowjetunion richtig erfasst. Beide waren sich zunächst einig, dass Westdeutschland durch die USA in eine koloniale Ab-

hängigkeit gebracht werde. Es würden Schulden angehäuft, die in Jahrzehnten nicht zurückgezahlt werden könnten. Diese Fehlbewertung hatte Folgen. Der Stopp von ökonomisch unsinnigen Demontagen seitens der UdSSR zum Beispiel vollzog sich nicht so schnell, wie er angesichts der antisozialistischen Offensive der USA in Westeuropa erforderlich gewesen wäre. Erst im Januar 1949 wurde auf Beschluss einer Wirtschaftsberatung von Vertretern der UdSSR, Bulgariens, Ungarns, Rumäniens und der Tschechoslowakei in Moskau der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW, engl.: COMECON) gegründet. Albanien und die DDR traten 1950 dem RGW als Mitglieder bei. Siegfried Prokop

schen Kohle-Reparationen an die Alliierten abzusenken. Ein Jahr später wurde Rathenau Wiederaufbauminister und erreichte 1922 bei der Konferenz von Cannes die Reduzierung der laufenden Reparationszahlungen. Im selben Jahr zum Außenminister ernannt, erbrachte er im April 1922 seine größte außenpolitische Leistung: Den Rapallo-Vertrag mit Sowjetrussland, der unter anderem zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen und zum Verzicht auf Reparationsleistungen führte. Diese »Erfüllungspolitik« zielte auf eine ehrliche Begleichung der Reparationsschuld und sollte langfristig die Voraussetzungen für eine Verständigung mit den Alliierten schaffen. Rathenaus Wille, die Forderungen der Westmächte zunächst zu erfüllen,

machte ihm die Anhänger der »Dolchstoß«-Lüge zu unerbittlichen Feinden. Obwohl Rathenau den Krieg unterstützt hatte, wurde er zur Zielscheibe rechtsradikaler Kräfte, nicht zuletzt wegen seines Judentums. Der Antisemitismus, schrieb er, sei »die vertikale Invasion der Gesellschaft durch die Barbaren«. Rathenau spielte in den Anfangsjahren der Weimarer Republik eine staatstragende Rolle, und er hätte sicherlich auch später zur Stabilisierung der ersten deutschen Demokratie beigetragen. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Bereits seit 1920 kursierte ein Hetzlied, das sich dezidiert gegen Rathenau richtete: »»Knallen die Gewehre – tak, tak, tak/ Aufs schwarze und aufs rote Pack./Auch Rathenau, der Walther,/Erreicht kein hohes

Alter,/Knallt ab den Walther Rathenau/Die gottverdammte Judensau!« Vor 90 Jahren, am 24. Juni 1922, traten Fememörder der faschistischen »Organisation Consul« an der Berliner Kreuzung Erdener-/ Wallotstraße an den offenen Fond von Rathenaus Wagen heran und erschossen ihn. Am Tage nach der Ermordung Rathenaus formulierte Reichskanzler Joseph Wirth im Reichstag: »Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. – Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts!« Mit stärkerer Beachtung dieses Satzes hätte die zeitgenössische Linke den Gang der Geschichte zweifellos geändert. Kevin Reißig

Marshallplan_im_Ruhrgebiet Bundesarchiv

Der »Marshall-Plan« (»European Recovery Program«, ERP) erhielt seinen Namen nach dem amerikanischen Außenminister George C. Marshall (1880-1959). Dieser hatte am 5. Juni 1947 in einer Rede vor einem Auditorium der Harvard University vorgeschlagen, den landwirtschaftlichen und industriellen Wiederaufbau des kriegszerstörten Europa durch amerikanische Kredite zu fördern. Das Ziel müsse darin bestehen, schnell politische Stabilität, eine gesunde Wirtschaft und das Wohlbefinden der Menschen herbeizuführen. Am 12./13. Juli 1947 tagte in Paris eine Europa-Konferenz, an der von den eingeladenen 22 Staaten acht nicht teilnahmen. Bereits im Vorfeld war es zwischen den USA und der Sowjetunion wegen der diskriminierenden Rahmenbedingungen zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Die antisowjetische Ausrichtung des »Marshall-Planes« konnten die mit der Sowjetunion verbündeten osteuropäischen Länder und Finnland nicht übersehen, so sehr sie Kredite für den Wiederaufbau ihrer Wirtschaft auch benötigt hätten. Die finnische Regierung begründete ihre Absage mit dem Hinweis darauf, dass Finnland noch nicht über einen Friedensvertrag verfüge und dass der »Marshall-Plan« unter den Großmächten Unstimmigkeiten hervorgerufen habe. Die bürgerliche Regierung der Tschechoslowakei sagte ihre Teilnahme ab, weil letztere als eine Handlung interpretiert werden könnte, die

Einer von Wenigen Es gibt nicht viele Persönlichkeiten, die den Lauf der Geschichte entscheidend hätten verändern können – wäre ihnen nur mehr Zeit geblieben. Walther Rathenau zählt dazu. 1867 als Sohn des späteren AEG-Gründers Emil Rathenau in Berlin geboren, studierte er Physik, Philosophie, Chemie und Maschinenbau. Obwohl er sich zunächst geweigert hatte, in der 1887 gegründeten »Allgemeinen Elektricitäts- Gesellschaft« seines Vaters Karriere zu machen, übernahm er seit der Jahrhundertwende leitende Funktionen. Zur Zeit des ersten Weltkrieges war Rathenau Aufsichtsratsvorsitzender; bis 1915 leitete er erfolgreich die Kriegsrohstoffabteilung (KRA) im preußischen Kriegsministerium. Danach kehrte er zwar zur AEG zurück, blieb aber in

die deutschen Kriegsanstrengungen involviert: In einem Brief an den Chef der »Obersten Heeresleitung«, Erich Ludendorff, forderte er 1916 die Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit und befürwortete die Bombardierung Londons mit Zeppelinen. 1918 sprach er sich überdies gegen einen Waffenstillstand aus, damit Deutschland in Friedensverhandlungen eine bessere Position einnehmen könne. Nach dem Krieg gelang dem diplomatisch geschickten Rathenau rasch der Aufstieg in hohe politische Ämter. Er gründete die linksliberale Deutsche Demokratische Partei mit und nahm 1920 als Wirtschaftssachverständiger an der Konferenz von Spa teil, auf der man sich unter anderem darauf einigte, die deut-


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Rosa-Luxemburg-Stiftung

Termine Chemnitz, 1. Mai, ab 13 Uhr Aktion und Intervention Reihe: Absahnen!* /*Arbeitsbefreiungsmaßnahmen und Sahnetörtchen*/ Springbrunnen am Roten Turm, 09111 Chemnitz Leipzig, 2. Mai, 19 Uhr Reihe: MarxExpedition 2012 Anonyme Herrschaft und Fetischismus. Moderne Machtverhältnisse und ihre Selbstverrätselung Mit Dr. Ingo Elbe Universität Leipzig, Hörsaalgebäude Universitätsstraße 1, Hörsaal 8, 04109 Leipzig Dresden, 2. Mai, 19 Uhr Vortrag und Diskussion ACTA und der Kampf um das „Geistige Eigentum“ Mit Tobias Schröter, Referent für Forschungs- und Technologiepolitik bei der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Chemnitz, 3. Mai, 20 Uhr Lesung und Gespräch Reihe: Absahnen!* /*Eine Schaarschmidt-Lesung*/ Satirische Kolumnen zur Arbeitskritik. Mit Uwe Schaarschmidt, Dresden Lokomov, Augustusburger Straße 102, 09126 Chemnitz Leipzig, 3. Mai, 18 Uhr Vortrag und Vernissage »Kein Ort. Nirgends« Vernissage zur Christa-WolfAusstellung Mit Prof. Dr. Klaus Schuhmann, Literaturwissenschaftler und Dr. Christel Hartinger, Literaturwissenschaftlerin Rosa-Luxemburg-Stiftung, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Chemnitz, 4. Mai, 20 UhrVortrag und Gespräch Reihe: Absahnen!* /*Dann lieber gleich arbeiten*/ Mit Gregor Henker, Leipzig Lokomov, Augustusburger Straße 102, 09126 Chemnitz Chemnitz. 7. Mai, 20 Uhr Öffentliches Treffen Reihe: Absahnen!*

Impressum Links! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Herausgebergremium: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Dr. Achim Grunke, Rico Schubert Verleger: Verein Linke Kultur und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dres-

/*Einstweilen wird es Mittag*/ Lokomov, Augustusburger Straße 102, 09126 Chemnitz Chemnitz, 8. Mai, 20 Uhr Filmlounge Reihe: Absahnen!* /*Viereckige Augen*/ Kurzfilmprogramm zum Wandel der Arbeit Lokomov, Augustusburger Straße 102, 09126 Chemnitz Dresden, 9. Mai, 19 Uhr Linke Streitkultur? Heillos zerstritten? Eine Diskussionsveranstaltung zur politischen Kultur der Partei DIE LINKE Mit Bernd Wittich, Philosoph und freischaffender Autor WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Leipzig, 10. Mai, 18 Uhr Linke Streitkultur? Heillos zerstritten? Eine Diskussionsveranstaltung zur politischen Kultur der Partei DIE LINKE Mit Bernd Wittich Rosa-Luxemburg-Stiftung, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Leipzig, 15. Mai, 18 Uhr Zwickauer Zelle, NPD, freie Kameradschaften – Nazistrukturen in Sachsen Mit MdL Kerstin Köditz Rosa-Luxemburg-Stiftung, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Leipzig, 15. Mai, 18 Uhr Reihe: Absahnen!* /* Klasse Bewußtsein! */ Galerie für zeitgenössische Kunst (GfzK) Leipzig, Neubau, Karl-Tauchnitz Str. 9-11, 04107 Leipzig Dresden, 15. Mai, 18 Uhr Reihe: Junge Rosa Kritische Theorie – was ist das eigentlich? Mit: Steffen Juhran, Leipzig WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

Provinz muss nicht provinziell sein

Rosa-Luxemburg-Stiftung, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Chemnitz, 22. Mai , 19 Uhr Hightech-Kapitalismus in der Krise Mit Prof. Wolfgang Fritz Haug Kulturkaufhaus DAStietz, Großer Saal, Moritzstraße 20, 09111 Chemnitz Leipzig, 22. Mai, 18.30 Uhr Reihe: Absahnen!* /* Klasse Bewußtsein! */ Teil II Galerie für zeitgenössische Kunst (GfzK) Leipzig, Neubau, Karl-Tauchnitz Str. 9-11, 04107 Leipzig Leipzig, 23. Mai, 19 Uhr Reihe: MarxExpedition 2012 Marx und die Grenzen der Dialektik Mit Prof. Dr. Christoph Türcke Universität Leipzig, Hörsaalgebäude Universitätsstraße 1, Hörsaal 8, 04109 Leipzig Dresden, 23. Mai, 19 Uhr Karl Marx im 21. Jahrhundert? Mit Martin Runow, gesellschaftswissenschaftlicher Beirat der LINKEN Dresden WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Dresden, 30. Mai, 20 Uhr Filmvorführung mit anschließendem Gespräch Fernes Land - pakistanischdeutsches Roadmovie Mit Kanwal Sethi, Regisseur Leipzig Schauburg, Königsbrücker Straße 55, 01099 Dresden Leipzig, 31. Mai, 18 UhrDie politische Situation in Russland nach den Präsidentschaftswahlen*** Mit Boris Krumnow, Mitglied AG Russland der Rosa-Luxemburg-Stiftung Klub Gshelka, An der Kotsche 51, 04207 Leipzig

Leipzig, 22. Mai, 18 Uhr Die neue „große Transformation“ – vom radikalen Marktsystem zu einer nachhaltigen Solidargesellschaft? Mit Prof. Dr. Rolf Reißig,

Leipzig, 31. Mai, 19 Uhr Reihe: MarxExpedition 2012 Entfremdung. Die Schizophrenie im Kapitalismus Mit Prof. Dr. Christian Schmidt Universität Leipzig, Hörsaalgebäude Universitätsstraße 1, Hörsaal 8, 04109 Leipzig

den Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der Lausitzer Rundschau Druckerei GmbH in Cottbus in einer

Auflage von 18000 Exemplaren gedruckt. Redaktion: Kevin Reißig, Rico Schubert (V.i.S.d.P.) Kontakt: redaktion@linke-bildung-kultur.de Tel. 0351-84 38 9773 Bildnachweise: Archiv, iStockphoto, pixelio Redaktionschluß: 22.4.2012 Die nächste Ausgabe er-

scheint am 31.5.2012. Die Zeitung kann abonniert werden. Jahresabo 10 Euro incl. Versand. Abo-Service 0351-84389773 Konto: KontoNr. 3491101007, BLZ 85090000, Dresdner Volksbank Internet www.links-sachsen.de

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Rezensionen

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Zwischen Empörung und Aktion Seit einigen Jahren findet in Berlin am Vorabend des 1. Mai die antikapitalistische Walpurgisnacht statt, eine Veranstaltung zwischen Empörung, Jugend und Aktion. Eine Mischung, die einen interessanten Abend verspricht, wenn da nicht das schlechte Wetter wäre. Also, so der Entschluss, wird die Kapitalismuskritik zuhause bei Wein, auf dem Sofa betrieben. Als Feigenblatt dient mir der vor kurzem auf Deutsch erschienene Essayband von David Graeber. Der Autor, Professor für Ethnologie am Goldsmiths College in London, veröffentlichte diese Sammlung von Essays 2011 unter dem Titel Revolutions in Revers: Essays on Politics, Violence, Art and Imagination, deren deutsche Ausgabe den Titel des letzten Essays Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus erhielt und den interessierten Leser etwas in die Irre führt, wenn er eine Anleitung im Kampf gegen und eine Ausarbeitung von Alternativen zum bestehenden System erwartet. Vielmehr entwirft der Autor zu verschiedenen gesellschaftlichen und menschlichen Aspekten eigene theoretische Konzepte, die nicht nur für Aktivisten interessant sind. David Graeber schreibt aus der Sicht eines Amerikaners und mit dem Impetus eines Anarchisten. Gleich zu Beginn bilanziert Graeber die Ziele und Erfolge verschiedener globalisierungskritischer und direkt-demokratischer Bewegungen und Gruppie-

rungen der letzten Jahre. Für den in der direkten Aktion ungeübten Leser ist die Analyse der Antiglobalisierungsbewegung, zumal von einem Ideengeber der Occupy-Bewegung unternommen, durchaus reizvoll, auch wenn er der bemerkenswerten These, dass die globalisierungskritischen Proteste gegen die WTO den Freihandel blockiert oder die Globalisierungsgegner gar den Kampf gegen den Terror provoziert hätten, nicht so leicht folgen mag. Nach dem bewegungsgeschichtlichen Rückund Einblick der ersten beiden Essays werden in den folgenden Essays die einzelnen Konzepte des Autors entfaltet. Die Ausführungen im dritten Essay »Revolution rückwärts« zu Innovation und Revolution überraschen, da sie ein fast republikanisches Kolorit zeigen. David Graeber bringt hier mit Leichtigkeit Fragen zu Gewalt, Imagination und Kreativität zur Sprache, über die ein jeder Revolutionär vor Projektbeginn reflektiert haben sollte. Ebenso bemerkenswert sind seine anthropologischen Ausführungen zum Dualismus von Egoismus und Altruismus des Menschen im folgenden Essay. So seien beide durchaus keine natürlichen Triebe, sondern vielmehr Ergebnisse des Sozialen, insbesondre Resultat eines Bildungsprozesses, der je nach politischer Ausrichtung auf eine Ausweitung (so die Rechte) oder eine Überwindung (so die Linke) dieses Dualismus zielt.

Im letzten Essay kommt Graeber auf die aktuelle Wirtschaftskrise zu sprechen oder vielmehr Schuldenkrise. Die Krise des Kapitalismus wird dem Versagen des Neoliberalismus zugeschrieben, dessen Ziel nur die Erhaltung des eigenen Systems ist. Der Autor plädiert für eine neue Art des Politischen, für Fantasie und einen strategischen

Schuldenerlass. Dieses Buch lädt zu vielerlei Gedankenexperimenten ein, auch wenn einige Argumentationen und Thesen wenig nachvollziehbar scheinen. Die Stärke dieses Buches liegt vor allem in der Beschreibung der verschiedenen globalisierungskritischen Bewegungen sowie deren Aktionen, so dass man auf das neue, ebenfalls in diesem

Jahr erschienene Buch »Inside Occupy« vom selben Autor gespannt sein kann. Verfasst am 1. Mai! Andreas Haupt

ist und von einer kleinen Invalidenrente lebt, hat es vergleichweise schlimmer getroffen. Wieder die Liebe. Beim Verfolgen seiner Freundin, die vermutlich fremdging, stürzte er von den Klippen Ibizas – auch ein schönes Klischee, aber so passend die HippieInsel. Dem folgten nach 6 Wochen Krankheit die Kündigung und dann nichts mehr. 20 Jahre zu Hause in dauerhafter Einsamkeit. Nur noch das Musikhören der Hits dieser Tage – the green leaves of summer, they are gone. Er wird eingeladen, die 68er werden akademisch aufgearbeitet. Was haben sie dem Land gebracht? Die Scheckkarte – wirft er völlig zu Recht in der Podiumsdiskussion der Uni Konstanz, zu der er geladen wird, ein. Doch gegen den ehemaligen Bombenbauer der RAF – auch eine Folge von 68 – ist damit kein Ankommen. »Wer

so bildhaft mit dem unsterblichen Bedürfnis nach Anarchie spielte, wer die heimlichen Sehnsüchte nach Rebellentum so direkt ansprach, dem lag jedes Publikum zu Füßen.« Seine Stimme geht unter. Was bleibt? Ein sehr deutsches Schicksal, alleingelassen in den Wirren des letzten Weltkrieges, auf der Suche nach Liebe und Sinn mitten in den wilden 60ern, ein kometenhafter Aufstieg als linker Unternehmer 1986 und eine ziemliche Stille nach 1989. Nicht untypisch, aber … Bernd Cailloux kann großartig vom Altern erzählen, von Krankheit, vom Herumsitzen in Cafes und von Bindungsunfähigkeit, kurz: Aus einem Leben. Lesenswert. Rico Schubert Bernd Cailloux: Gutgeschriebene Verluste - Roman mémoire, 21,95 €, ISBN: 978-3518-42279-3

David Graeber: Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System Pantheon Verlag ISBN-10: 3570551970, 12,99 €

Alternde Achtundsechziger Roman mémoire lautet der Untertitel von Bernd Cailloux´neuem Buch. Und das nicht zu Unrecht, schildert Callioux doch ein sehr deutsches Leben im 20 Jahrhundert, das mit seinem eigenen viel gemein hat. Entlang der 68er Befreiungen, entlang seiner zahlreichen Liebschaften tritt ein Schicksal zutage. Ein Schicksal, das viele in seiner Generation – der Ich-Erzähler ist 61 – teilen. Als Flüchtlingskind geboren in der Nähe von Erfurt, im Alter von vier Wochen von seiner Mutter verlassen, flieht er im Zuge des Jahres 1968 in die »freie« Stadt Berlin. Westberlin konkreter. Frei deswegen, da sie ja von den Westallierten diesen Status zugeschrieben bekam, aber auch wahrscheinlich deswegen frei, da in den 60er und 70er Jahren die Jugendlichen aus der alten BRD dorthin flohen. Alles war ein biss-

chen freier, das geteilte Berlin blieb Großstadt. Die Subkulturen der 68er, Musik, Mode, Kunst: Berlin hatte Glamour. Und der Icherzähler blieb in diesen Subkulturen hängen, auch wenn sich das Leben seitdem gewandelt hat. Was er übrigbehalten hat als AntiBougeois? Die rebellische Haltung. Ironisch, ja teilweise zynisch, wird das beschrieben, etwa wenn die vormaligen Gefährten oder Geliebten ins Eigenheim am Rande der Stadt ziehen. Er hat nichts, was diesem Klischee entsprechen würde: kein Eigenheim, keine Rentenansprüche. Beklemmend die Szenen, wenn er als Zauberlehrling der Drogenexperimente lediglich den Virus zurückbehält. Mitte der 70er war das noch nicht AIDS, oder HIV, sondern Hepatitis, HBV. Mehr als 40 Jahre danach holen ihn seine Eskapaden ein. Doch mit wel-

cher ironischen Distanz er seine Krankengeschichte erzählt, ist großartig. Weniger großartig ist die Beschreibung der aktuellen Liebe. Auch wenn Frauen eine große Rolle in seinem Leben spielen – nach Berlin folgte er einer Frau – wird nicht klar, was das reizvolle an dieser Liebschaft ausmacht. Im Vergleich hat er dennoch Glück gehabt. Den Nachbar, der seit 20 Jahren zu Hause


Kultur

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Trotz alledem und alledem!

Hannes Wader wurde 1942 als Sohn einer Arbeiterfamilie in Bielefeld geboren. Er erlernte den Beruf Dekorateur und machte erste musikalische Erfahrungen in einem Mandolinenorchester. Später spielte er Saxophon und Klarinette in einer Dixielandband. Seine ersten eigenen Lieder entstanden 1960, doch da lebte er bereits in Westberlin, wohin es ihn, wie so viele andere junge Bundesbürger hingezogen hat. In den unzähligen Musikkneipen traten Sänger und Bands auf, die die Folksongs von Tom Paxton, Pete Seeger oder Bob Dylan vortrugen, die ihn anfänglich beeinflußten, wie übrigens auch die Lieder des vom linken Anarchismus geprägten französischen Chansonsängers Georges Brassens. Wader begann nun eigene Songs zu schreiben, jedoch, und das war für die damalige Zeit neu,deutschsprachig im Straßen- bzw. Gaunerjargon, vielleicht eines Francois Villon. 1966 trug er erstmalig diese Lieder auf der Burg Waldeck vor (vergleiche Links! 07/08 2011), wo er Kollegen wie Dieter Süverkrüpp, Franz Josef Degenhardt und auch den Kabarettisten Hans Dieter Hüsch kennen lernte. Seine schlichte, unverblümte folkige Vortragsart, seine brisante Stimme, die

Klarheit seiner Sprache und das Fingerpicking auf der Gitarre beeindruckten die Waldecker sehr. So ein vielseitiges Talent kannte man in der damaligen Liedermacherszene noch nicht. 1969 erschien seine erste Langspielplatte, die ihm den Ruf »singender Bürgerschreck«einbrachte. Seine frühen Songs handelten von schrägen, unangepaßten Typen, Aussteigern, die sich in der spießbürgerlichen Gesellschaft unwohl fühlten und ihren eigenen Weg gehen wollten. Später bekamen seine Texte gesellschaftskritischere Inhalte. Auch war Hannes Wader am sogenannten deutschen Folkrevival aktiv geworden. Es handelte sich um die Zeit der Wiederentdeckung des demokratischen Liedguts (u.a. Lieder der 48er Revolution). Gruppen wie »Zupfgeigenhansel«, Hein und Oss, Helmut Debus, Peter Rohland, um nur einige aufzuzählen, hatten sich bereits in diesem Genre einen Namen gemacht. Seine LP »Volkssänger« galt als Maßstab zahlreicher Folkinterpreten, auch in der DDR. Waders politische Haltung ließ ihn kämpferisch werden. Das dokumentierte seine LP »Arbeiterlieder«. Er wurde Mitglied der DKP und ein Medienverbot blieb nicht aus. Trotzdem sang er weiter, denn er war bereits so populär, dass er reinen Gewissens auf Radiosendungen und Fernsehauftritte verzich-

ten konnte. Seine Konzerte waren gut besucht und seine Schallplatten erreichten hohe Auflagen. Im Zuge der Veränderungen im Jahre 1989 verließ er die DKP, blieb jedoch ein streitbarer linker Künstler. Gemeinsam mit Konstantin Wecker konnte man ihn auf Konzerten gegen rechte Gewalt erleben. Sein 2001 erschienenes Al-

bum »Wünsche« mit Liedern wie »Vaters Land« oder »Victor Jara« ließen keinen Zweifel aufkommen, dass er weiterhin seinem politischen Weg treu bleibt. Im Februar 2003 gab er zusammen mit Reinhard Mey und Konstantin Wecker während der Großdemonstration gegen den IrakKrieg in Berlin ein Konzert.

Heute ist er oft mit Konstantin Wecker auf den Bühnen zu erleben. Am 23. Juni feiert Hannes Wader seinen siebzigsten Geburtstag. Die Gitarre wird er nie ablegen, seine Stimme weiter tremolieren lassen, voll Wut und Zärtlichkeit. Seine Songs bleiben zeitlos - trotz alledem und alledem! Jens-Paul Wollenberg

gern das Solidaritätslied an. Regie führte der Bulgare Slátan Dudow, das Drehbuch stammt unter anderem von Bertolt Brecht. Die Produktion des Films erfolgte unter Geld- und Zeitnot. Kurze Zeit nach der Uraufführung verbot die Berliner Filmprüfstel-

le das Werk, da es geeignet sei, »die öffentliche Sicherheit und Ordnung und lebenswichtige Interessen des Staates zu gefährden«. Brechts Kommentar dazu: »Der Inhalt und die Absicht des Films geht am besten aus der Aufführung der Gründe hervor, aus denen die Zensur ihn verboten hat«. Nachdem der Film nach öffentlichen Protesten unter Auflagen wieder zugelassen worden war, folgte am 26. März 1933 erneut das Verbot. Gleichgültig, ob sie die herrschenden Verhältnisse auf dokumentarische oder narrative Weise kritisieren – alle kapitalismuskritischen Filme antworten mit Anni auf die am Ende von »Kuhle Wampe« gestellte Frage danach, wer die Welt verändern werde: »Die, denen sie nicht gefällt!« Kevin Reißig

Foto Wikimedias

Hannes Wader zum Siebzigsten

Film

Alt, aber nicht veraltet: »Kuhle Wampe« Die rücksichtslose Kritik alles Bestehenden ohne Furcht vor ihren Resultaten oder den herrschenden Mächten sei die gegenwärtige Aufgabe, schrieb Karl Marx 1844. Die Mittel, um diese Kritik auszudrücken und zu verbreiten, sind vielfältig – Filme gehören seit langem dazu. Neben Fritz Langs monumentalem Meisterwerk »Metropolis« (1926), das mit einigem Recht als Startpunkt gelten kann, sind in den vergangenen Jahren zahlreiche weitere Produktionen entstanden – »Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte« (Michael Moore), »Let’s make money« (Erwin Wagenhofer) und »bread and roses« (Ken Loach) sollen als Beispiele genügen. Nicht zu vergessen sind auch Filme über die Geschichte der Arbeiterbewegung. Werke wie

Kurt Maetzigs zweiteiliges Portrait über Ernst Thälmann oder Verfilmungen von Ostrowskis »Wie der Stahl gehärtet wurde« sind hier zu nennen, und besonders ein Klassiker, der vor 80 Jahren – im Mai 1932 – uraufgeführt wurde: »Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?«. Im Gegensatz zum heute oft gebräuchlichen Genre Dokumentarfilm gehört er zur Gattung des proletarischen Films und drückt wie »Metropolis« seine Kritik an den Verhältnissen aus, indem er eine Geschichte erzählt – und die Schicksale seiner Protagonisten nutzt, um das Wesen des Bestehenden herauszuarbeiten. Im Vordergrund steht das Leben einer Arbeiterfamilie zur Zeit der Weltwirtschaftskrise: Weil der arbeitslose Sohn erfährt, dass seinem ebenfalls arbeitslosen

Vater die Unterstützung gekürzt wird, begeht er Selbstmord. Die Familie verliert ihre Wohnung, Tochter Anni (Hertha Thiele) – als einzige noch berufstätig – kann dies nicht verhindern. Ihr Freund Fritz (Ernst Busch) besorgt ein Quartier in der Laubenkolonie »Kuhle Wampe«. Als Anni ihm mitteilt, dass sie schwanger ist, fordert er erst eine Abtreibung, will sie dann aber heiraten. Als er auf der Hochzeitsfeier erklärt, dass die Ehe erzwungen sei, verlässt sie ihn. Als Mitglied eines Arbeitersportvereins nimmt Anni an einem Sportfest der linken Gewerkschaften teil, trifft Fritz dort wieder und sie versöhnen sich. Auf dem Heimweg stimmen die jungen Arbeiter (u. a. Erwin Geschonneck) in der U-Bahn nach einem Meinungsstreit mit Bür-


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