Links! Ausgabe 12/2012

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OBM-Wahl in Leipzig

Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Dezember 2012

Der Leipziger Oberbürgermeister-Wahlkampf läuft gefühlt schon eine Ewigkeit – auch wenn er eigentlich gerade erst so richtig losgeht. In bestimmten Stadtteilen ist der Ausspruch »Da macht Horst wieder Wahlkampf« beim Anblick einer der häufigen »verdachtsunabhängigen Personenkontrollen« schon so alltäglich, dass sich sein Zynismus abgetragen hat. Tatsächlich herrscht unter Linken in der Zivilgesellschaft ernsthaft Sorge vor dem Tag, an dem Law and Order ins Leipziger Rathaus einziehen könnten. Eigentlich schon seit der ersten Komplexkontrolle im Sommer 2011 kursierten relativ offen Vermutungen, dass die CDU bzw. ihr in Sympathie verbundene Erfüllungsgehilfen hier die Stadtgesellschaft für den Auftritt ihres OBM-Kandidaten sturmreif schießen. Damals galt Bernd Merbitz selbst als der wahrscheinliche Kandidat. Die Chuzpe, selbst anzutreten, hätte Wawrzynski noch niemand zugetraut. Dabei war er längst dafür berüchtigt, sich gerne und auslassend zu »ordnungs- und sicherheitspolitischen« Themen zu äußern, allen voran zur Drogenpolitik der Stadt, die er etliche Male öffentlichkeitswirksam attackieren konnte. Adjutiert wurde er dabei zuverlässig und engagiert durch mehrere, seitenfüllende Interviews in Bild und LVZ. Dort konnte die geneigte Leserschaft etwa von einem »Drogenfall« in Wawrzynskis Verwandtschaft erfahren, davon, wie die Stadt »ihn« (d. h. die Polizei) vom drogenpolitischen Arbeitskreis ausschließe, sowie den Grund für seine chirurgische Gesichtshautstraffung zum Auftakt seiner Kampagne. Wawrzynski war immer da, wenn es darum ging, Dinge zu skandalisieren und die erregte Bürgerseele zu streicheln. Als etwa aufgebrachte Einwohnerinnen und Einwohner gegen die Unterbringung von Geflüchteten in ihrem Stadtteil mobil machten, war der Polizeipräsident der Stadt Leipzig zur Stelle, um sich für runde Tische anzudienen. Ebenso lieferte er wunderbar griffige Parolen,

die die Sorgen und Ängste der Leipziger aufgriffen: Die Kriminalität, die in Leipzig so furchtbar hoch liegt und über die es sich so gut erschauern lässt in der guten Stube bei der Sonntagszeitung – Produkt der laschen Drogenpolitik der Stadt! Diesem Versagen setzte der tatkräftige Polizeipräsident nun endlich etwas entgegen: seine stadtweiten, ungezielten Großeinsätze (»Komplexkontrollen« genannt), die öffentlich Präsenz beweisen wollten und hundertschaftenweise Beamte damit beschäftigten, mangelnde Fahrradbeleuchtung, Verkehrssünden oder Kleinstmengen illegalisierter Substanzen zu ahnden. Drei Tütchen Gras wurden da in polizeilichen Pressekonferenzen schnell zum erfolgreichen Schlag gegen die »Drogenszene« – ungeachtet, ob überhaupt Strafverfahren im Anschluss stattfanden oder aufgrund der geringen Menge eingestellt wurden. Ganze Stadtteile verwandeln sich in polizeiliche Sonderzone, wenn Wawrzynskis Wahlhelfer in grün ausrücken, um ein Wohnhaus im alternativen Kiez Connewitz zu durchsuchen. Erklärtes Ziel war dabei, »das Sicherheitsgefühl der Leipziger Bevölkerung zu stärken« – nicht etwa, die immer gerne angeführte Kriminalstatistik positiv zu beeinflussen. Der Wahlkampf um das Leipziger Rathaus ist seit anderthalb Jahren auf den Straßen von Leipzig und in der Lebensrealität vieler Menschen spürbar, die sich hier gewisse kulturelle Freiräume erstritten haben und das Bild Leipzigs damit prägten. Relativ ungeniert konnte Wawrzynski die Jahre, die er als Angestellter des sächsischen Innenministeriums verbrachte, dafür nutzen, sich als politischer Akteur zu profilieren und »aus Polizeisicht« auf städtische Politik einzuprügeln. Diese gewisse Outsider-Rolle, sein Ruf als »Starker Mann« und seine offene Forderung nach Law and Order machen ihn aus Sicht Vieler gefährlich. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, linke Ansätze offensiv in den Wahlkampf zu tragen und den ressentimentgetragenen Antworten eines Horst Wawrzynski klare Absagen zu erteilen. Steffen Juhran


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