LINKS! 5/2018

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Rüstungskontrolle: Konzepte statt mahnender Worte

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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Mai 2018

„Verantwortungsvoll“, „restriktiv“, „zurückhaltend“ – bedächtige Worte begleiten den Rüstungsexportbericht vom Juni 2017. Im krassen Gegensatz dazu stieg unter der Ägide der dritten GroKo das Volumen von Ausfuhrgenehmigungen auf 25,1 Mrd. Euro. Der Umfang der tatsächlichen Exporte mag gegenüber 2016 zwar leicht gesunken sein, das ist aber Augenwischerei. Denn einst genehmigte Rüstungsgüter müssen erst produziert werden, bevor sie in den Export gehen. Ist eine Genehmigung ausgesprochen, kann sie kaum zurückgenommen werden. Denn der Bundessicherheitsrat als maßgebendes Gremium liegt außerhalb der Kontrolle des Parlaments. Das Abstimmungsverhalten ist Verschlusssache. So erfahren wir Abgeordneten erst aus den Rüstungsexportberichten, was wohin geliefert wurde und werden soll. Es ist dramatisch, dass die Übergangsregierung zwischen Oktober 2017 und März 2018 Exporte in Höhe von zwei Milliarden Euro genehmigte, auch an Staaten wie Katar und Ägypten – obwohl man beschwor, keine Mitglieder der Saudi-Arabischen Kriegskoalition gegen den Jemen zu beliefern. Das zeigt mal wieder: Auf Beteuerungen und Versprechungen ist kein Verlass, auf Kontrollverfahren des Endverbleibs ebenso wenig, wie mir eine Berichtsanfrage im Haushaltsausschuss zeigte. Also sind mir persönlich unsere Forderungen nach pauschalen Rüstungsexportstopps nicht genug, weil wir bei mahnenden Worten bleiben. Bevor es jemand falsch versteht: Die Friedenssicherung durch Abrüstung ist oberstes Gebot! Aber was genau heißt „Rüstungsexportstopp jetzt“? Innerhalb des Bestehenden gäbe es nur zwei Optionen. Erstens: Der Rüstungsetat wird aufgestockt, damit die Bundeswehr als Abnehmer fungieren kann, um die Nachfrage der Überpro-

duktion künstlich zu erhalten – und damit nicht ins Ausland geliefert werden muss. Oder zweitens: Die hier ansässigen Firmen sehen keinen rentablen Standort mehr in Deutschland, ziehen ihre Fachkräfte ab und gründen mehr und mehr Tochterfirmen im Ausland. Der Effekt wäre jener unkontrollierbare Technologietransfer in zweifelhafte Drittstaaten, den wir eigentlich unterbinden wollen. Den Unmut der Industriegewerkschaften bekommen wir dann übrigens gratis dazu. Es gäbe noch eine dritte Option: Wir bieten eine grundsätzliche Alternative an. Das bedeutet aber, dass wir wahr- und ernstnehmen, dass Rüstungspolitik zugleich Wirtschafts-, Industrie- und Arbeitsmarktpolitik ist. Es darf nicht darum gehen, „schuldige“ Akteure zu finden, sondern die strukturellen Bedingungen selbst müssen identifiziert und verändert werden. Hierfür braucht es ein nationales Konversionsprogramm zur Überführung des Industriepotenzials in zivile Produktion. Was darin grundlegend enthalten sein muss, habe ich mit anderen Abgeordneten schon 2014 in einem Antrag dargelegt (BTDrs. 18/2883). Um ein solches Programm umzusetzen, muss es gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen AkteurInnen fortentwickelt und mit den Beschäftigten umgesetzt werden. In diesem Sinne wäre es eine radikale Friedenspolitik, weil es die Rüstungsproduktion an ihrer Wurzel greift. Als Gegenstück der inneren Entwicklung braucht es auch eine äußere, internationale Alternative. Die liegt für mich ganz klar in einer Außenpolitik der Zusammenarbeit und partnerschaftlichen Entwicklung. Damit meine ich kurzfristig die Aufstellung ziviler Krisenreaktionskräfte auf der einen Seite und mittel- bis langfristig einen Wandel der ökonomischen Außenbeziehungen Deutschlands und der EU. Es nützt nichts, in Krisenregionen den Aufbau selbsttragender Strukturen zu unterstützen, wenn diese durch subventionierte Güter aus der EU niederkonkurriert werden. Um es abschließend noch mal ganz klar zu sagen: Unsere Forderungen sind die richtigen. Aber ihnen müssen auch materielle, greifbare und konkrete Konzepte folgen. • Michael Leutert


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