Zwischen devoter Haltung und aktiver Unterstützung
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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt November 2016
Es ist eine Bilanz des Grauens: Am 23. Oktober gab der Justizminister der Türkei bekannt, dass nach dem gescheiterten Putsch im Juli 35.000 Menschen verhaftet worden seien, nach 4.000 werde noch gefahndet – die NGO „Human Rights Watch“ spricht auch von Folter. Insgesamt habe man 82.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Zahl suspendierter Personen wird auf 101.000 geschätzt. Das alles ist legitimiert durch Notstandsdekrete, zu denen das türkische Parlament Präsident Erdogan nach dem Putsch ermächtigt hat. Auch kritische Medien wurden seitdem größtenteils verboten. Der Chefredakteur der Tageszeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar, hat sich ebenso wie türkische Diplomaten in Deutschland in Sicherheit gebracht. Doch das ist nicht alles: Bereits vor dem Putsch war die fragile Annäherung zwischen türkischem Staat und türkischen Kurden, in Zuge derer auch die PKK 2013 eine Waffenruhe verkündet hatte, beendet worden. Erdogans Türkei führt erneut einen offenen Krieg gegen die eigene kurdische Bevölkerung: Häuser werden zerstört, Menschen sterben, der bisher zumindest an kurdischen Privatschulen erlaubte Unterricht in türkischer und kurdischer Sprache ist verboten. 181 Politiker der kurdische Interessen vertretenden Parteien HDP und DBP wurden festgenommen. Und der Krieg gegen die Kurden geht jetzt auch über die Landesgrenzen hinaus. Am 19. Oktober verkündete das türkische Militär, man habe bei einem Luftangriff im Nordirak 200 kurdische Kämpfer getötet – Kurden, die gemeinsam mit den USA und auch der Bundeswehr gegen den IS kämpfen. Man sollte meinen, Herrscher, die so undemokratisch und inhuman handeln, müssten mit scharfen Restriktionen der internationalen Gemeinschaft rechnen. Was aber macht die Bundesregierung? Sie tut genau nichts, um vor allem den Flüchtlingspakt mit Erdogan
nicht zu gefährden. Stattdessen distanzierte sie sich aus diesem Grund auch von der Armenienresolution des Bundestags. Die Bundeswehr fliegt zudem weiterhin Aufklärungseinsätze vom türkischen NATO-Luftwaffenstützpunkt Incirlik, obwohl die türkische Regierung lange einen Besuch zuständiger Bundestagsabgeordneter verweigerte. Und als ob das nicht reicht, will die Bundesregierung den Einsatz verlängern und den Luftwaffenstützpunkt mit 58 Millionen Euro öffentlicher Gelder ausbauen. Dieses devote Handeln der Bundesregierung ist zurückzuführen auf die Machtposition Erdogans, derer er sich nur zu bewusst ist. Das Flüchtlingsabkommen und die Türkei als – vermeintlicher – Bündnispartner im Kampf gegen den IS wurden hier erwähnt. Doch muss sich die Bundesregierung fragen lassen, wo die Grenze zwischen devoter Haltung und aktiver Unterstützung eines zunehmend grausamen und diktatorischen Regimes verläuft. Aus dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das erste Halbjahr 2016 geht hervor, dass ausgerechnet der Export von Munition für Kleinwaffen, denen weltweit am meisten Menschen zum Opfer fallen, in die Türkei erheblich zugenommen hat. Sie ist von Platz 25 auf Platz acht der Hauptexportländer gestiegen. Wie viele Kurden mussten wohl durch deutsche Munition sterben? Wir fordern von der Bundesregierung, endlich zu handeln. Zwei Maßnahmen stehen ganz vorne: ein Stopp von Waffenlieferungen in die Türkei. Und: Der Einsatz der Bundeswehr in der Türkei muss sofort beendet werden. Sonst macht sich die Bundesregierung mitschuldig an den von Erdogans System begangenen Verbrechen und droht, ihre Glaubwürdigkeit in Fragen ziviler Außenpolitik nachhaltig zu beschädigen. Michael Leutert (DIE LINKE), MdB, im Haushaltsausschuss zuständig für internationale Politik
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Odyssee eines Dresdner Rettungswagens für Kobane In unserer globalisierten Welt, in der so viel über die Not in anderen Erdteilen berichtet wird, finden sich immer mehr Menschen zusammen, um zu helfen – nicht immer in Hilfsorganisationen, sondern manchmal auch als eher lose Gruppen. Eine davon heißt „Dresden hilft Kobane“. Wenn Helfer selbst in Not geraten, ist das tragisch – im Oktober erschien in der Presse ein Hilferuf. Worum es dabei ging, hat Ralf Richter für „Links!“ von der Sprecherin des Projektes, Anja Osiander, erfahren. Kobane – ist das nicht die japanische Stadt, wo es das Erdbeben gab?, wurde ich kürzlich gefragt. Kobane war Anfang 2015 sehr oft in den Medien. Helfen Sie uns: Wo liegt Kobane und warum will Dresden Kobane helfen? Kobane ist eine Stadt im türkisch-syrischen Grenzgebiet auf der syrischen Seite. Von dort sind es wenige hundert Meter bis zur Grenze. Die syrisch-türkische Grenze entstammt übrigens einem Abkommen, das zwischen Großbritannien und Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg geschlossen wurde. Damals wurde Syrien geschaffen und so ein kurdisches Siedlungsgebiet getrennt. Deswegen leben heute auf beiden Seiten der Grenze vor allem Kurden. Sie waren hauptsächlich betroffen, als der IS bis in diese Gegend vorrückte. Welche Bedeutung hat Kobane? Kobane ist eine der größten Städte im kurdischen Gebiet auf der syrischen Seite, und es ist die erste Stadt, die der IS nicht erobern konnte, weil der Widerstand der kurdischen Kämpfer so stark war, unterstützt von der amerikanischen Luftwaffe. Die Schlacht um Kobane ereignete sich zwischen Oktober 2014 und Januar 2015. Sie endete mit einem kurdischen Sieg über den IS, der sich danach zurückzog. Was lässt sich über die Menschen dort sagen? Da der Bürgerkrieg in Syrien schon drei Jahre angedauert hatte, als der IS mit den Angriffen begann, war die Stadt voller Flüchtlinge. Die sind mit Beginn der Kampfhandlungen auf die türkische Seite der Grenze geflohen. Dort aber waren sie sehr schlecht unterbracht … Sie werden ja nicht selbst dort gewesen sein, also von wem haben Sie diese Information? Das weiß ich von Fettah Ce-
tin. Fettah Cetin ist ein Kurde, der seit zwanzig Jahren in Dresden lebt und aus der dortigen Gegend stammt. Jedes Jahr fährt Herr Cetin zum kurdischen Neujahrsfest in seine Heimat. Er besucht das Fest in Diyarbakir, einer Stadt, die etwa 250 Kilometer von Kobane entfernt liegt. Er hat eine Reise genutzt, um in die Grenzregion zu fahren und sich das Leid der Flüchtlinge anzusehen. Anschließend kam er nach Dresden zurück und sagte: Das ist furchtbar, wir müssen da helfen. Fettah Cetin hat Kontakt aufgenommen zur Dresdner Stadtteil-Bürgerinitiative „Pieschen für alle“, in der auch ich engagiert bin, und hat das dort in einer unserer Versammlungen erzählt. Da haben wir beschlossen, den Flüchtlingen dort zu helfen, weil es ja sinnvoller ist, ihnen in der Nähe in der Heimat zu helfen, damit sie nicht noch weiter fliehen müssen. So kam „Dresden hilft Kobane“ zustande. Wie lief die Gründung genau ab? Da muss ich etwas ausholen. Es leben ja sehr viele Kurden in Deutschland, nach kurdischen Schätzungen sind die Hälfte aller Türken in Deutschland Kurden. Die meisten haben eigene Vereine gegründet, um ihre Kultur und ihre Anliegen zu vertreten. In Dresden gab es so etwas bislang nicht, obwohl mehrere hundert Kurden und ihre Familien hier leben. Der Angriff auf Kobane hat die Menschen aufgerüttelt, und die Dresdner Kurden haben einen Verein deutsch-kurdischer Begegnungen gegründet. Dann suchten sie ein Vereinsheim und fanden es hier im Stadtteil Pies-
chen. Die Gruppe begann, sich vorzustellen, zum Beispiel bei in der Bürger-sprechstunde einer Stadträtin. So kam der erste Kontakt zustande ... … zwischen einer Vertreterin von „Pieschen für alle“ und dem neu gegründeten Verein für deutsch-kurdische Begegnungen. Jetzt müssen Sie uns noch verraten, was es mit „Pieschen für alle“ auf sich hat. „Pieschen für alle“ ist entstanden aus dem Stadtteil-Verein Pro Pieschen, den es schon seit über zwanzig Jahren gibt und der ein soziokulturelles Netzwerk hier im Stadtteil bildet. Als aber die PEGIDA-Demonstrationen bundesweite Aufmerksamkeit erzielten, haben wir uns gesagt: Wir wollen nicht brüllen, sondern reden, und haben einen Aufruf gestartet, der nannte sich „Pieschen für alle“. Im Laufe der Zeit hat sich daraus eine Flüchtlingshilfsinitiative ent-wickelt. „Pieschen für alle“ war aber immer gedacht als ein Forum für Diskussionen darüber, wie wir im Stadtteil miteinander auskommen können. Da passten die Kurden mit ihrem Anliegen sehr gut hinein. Es muss aber auch menschlich stimmen … Es gab gegenseitige Sympathien. Fettah Cetin ist in meinen Augen ein sehr integrer, zupackender Mensch. Und als er sagte, dass wir in Kobane helfen müssen, fand ich das auch. Da haben wir beide angefangen, uns Gedanken zu machen, es kamen andere hinzu. Es ist aber bis heute nur ein loser Zusammenschluss mit einer Netzseite. Wir agieren
unter dem Dach des Vereins deutsch-kurdischer Begegnungen, sind aber selber nur eine kleine Gruppe. Wer engagiert sich besonders in Pieschen für alle? Obwohl Pieschen sehr bunt ist, hat sich herauskristallisiert, dass sich besonders Frauen und da wiederum besonders ältere Frauen – und zwar Lehrerinnen – engagieren. Wie kam es zur Rettungswagen-Idee? Einer der Kurden traf sich in Diyarbakir mit Personen von der Regionalverwaltung, die sich dort um die Flüchtlinge kümmern. Die machten dann den Vorschlag: schickt einen Rettungswagen! Woraufhin „Dresden hilft Kobane“ Spenden sammelte und da auch besonders eine Schule, das Pestalozzi-Gymnasium in Dresden-Trachenberge, aktiv wurde. Ab August 2015 haben wir uns auf den Rettungswagen konzentriert. Ich hatte mir das viel einfacher vorgestellt, und vor allen Dingen war mir nicht klar, wie teuer so ein Wagen ist. Wir haben dann ein Jahr gebraucht, um 17.000 Euro für das Fahrzeug zusammen zu bekommen. Ganz wichtig war für uns das Gymnasium, was die Motivation zum Spendensammeln betraf, denn die Spenden kamen erst sehr zögerlich und in sehr kleinen Beträgen. Bis eine Lehrerin die Idee hatte: Wir sammeln in der Schule! Sie gewann dafür die Unterstützung der Vorsit-zenden des Elternvereins, woraus die Kampagne entstand: Jeder Schüler gibt einen Euro. Tatsächlich haben man-
Am Tag vor der Abreise: Anja Osiander, Fettah Cetin, Heidi Franzke, Achim Thiele (v. l.)
che Schüler oder Eltern auch mehr gegeben. Damit hatten wir plötzlich auf einen Schlag über eintausend Euro. Deshalb sind wir, bevor wir mit dem Rettungswagen Richtung Kobane aufbrachen, am Gymnasium vorgefahren und haben uns bedankt. Sie waren schon auf einem guten Weg. Aber dann kamen die schweren Turbulenzen. Wieso kam der Wagen nicht nach Kobane? Ab Januar dieses Jahres war die Grenze zwischen Syrien und der Türkei im Raum Kobane komplett dicht – Hilfe funktionierte nur noch über Schmugglerwege im Nordirak, aber dieses Risiko wollten wir nicht eingehen. Wir haben den Spendern also vermittelt, dass wir den syrischen Flüchtlingen im Raum Diyarbakir helfen wollen. Wir wollten der Regionalregierung in Diyarbakir den Rettungswagen übergeben, allerdings hatte es inzwischen einen Putsch in der Türkei gegeben. Und wir hatten den Eindruck, dass die gesamte Verwaltung der Regionalregierung nun nicht mehr handlungsfähig war, zumal ja auch viele Kurden als Putschisten verdächtigt wurden. Die bisherige gute Beziehung zwischen dem Ge-sundheitsministerium in Ankara und dem Gesundheitsamt in Diyarbakir war offenbar obsolet geworden. Damit hing unsere gesamte Aktion am berühmten seidenen Faden … Eine ziemlich spannende Sache – sie endet aber doch noch mit einem zumindest halben Happy End, nicht wahr? Das halbe Happy End ist zu einem Teil einem Idomeni-Aktivisten zu verdanken, der Flüchtlingshilfe für Griechenland organisierte. Denn die Flüchtlinge, die von Idomeni aus in Griechenland in verschiedene Lager verteilt wurden, leben dort auch unter sehr schlechten Bedingungen. Besonders aktiv ist ein Ehepaar aus Hamburg, das vor acht Jahren nach Griechenland ausgewandert ist. Dieses Paar stellt sein Privathaus auf der Halbinsel Chalkidiki, nicht weit vom Berg Athos, als Basisstation für ein Hilfsprojekt zur Verfügung, das sich aus den Aktionen in Idomeni entwickelt hat. Das Ganze nennt sich „Doc Mobile“ und ist seit September ein eingetragener Verein. Der Idomeni-Aktivist kannte die Initiative, und so haben wir diesem Verein jetzt unseren Rettungswagen übergeben. Der Wagen wird also Ärzte und Sanitäter aus der ganzen Welt zu den verschiedenen Camps in Nordgriechenland transportieren, damit sie dort helfen können.
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Kostenlos-Buch-Aktion zur Blockade Leningrads Anlässlich des 75. Jahrestages der Blockade Leningrads erinnert das Deutsch-Russische Kulturinstitut Dresden mit einer Kostenlos-Buchaktion an das Ereignis. Ziel ist es, eines
Leningrads durch die deutschen Faschisten. Erst in den letzten Jahren konnte sich die westdeutsche Geschichtsschreibung dazu durchringen, die Blockade als Teil eines völkerrechtswidri-
der größten Kriegsverbrechen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: „871 Tage“ heißt das Gedenkbuch von Ninel Koribskaja. Vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 – also 871 Tage – dauerte die Blockade
gen Vernichtungskrieges anzuerkennen. Gleichwohl spielt im Geschichtsunterricht die Blockade Leningrads sowohl in Ostals auch in Westdeutschland eine geringe Rolle, wenn sie denn überhaupt Erwähnung findet.
Literarisch Gebildete mögen erkannt haben, dass ich mich mit diesem Titel an Christian Morgenstern anlehne. Das ist nicht falsch. Die meisten kennen wohl sein Gedicht „Die unmögliche Tatsache“. Morgenstern berichtet vom Missgeschick seines Helden Palmström, der von einem „Kraftfahrwagen“ überfahren wurde. Nachdem er nach der Ursache grübelt, kommt er zur Erkenntnis, dass 1. der „Kraftfahrwagen“ an dieser Stelle gar nicht fahren hätte dürfen, und deshalb 2. der Unfall nur ein Traum sein konnte: „weil nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Nun werden Genies immer wieder geboren. Sachsen darf sich eines solchen rüh-
men. Es handelt sich um den AfD-Abgeordneten zum Sächsischen Landtag, Carsten Hütter. Eine wahre Leuchte seiner Zunft. Wie es sich für alternative und deshalb aufsässige Abgeordnete gehört, stellt er so genannte „Kleine Anfragen“ an die Staatsregierung, vornehmlich zu dem Zweck, um sie in Verlegenheit zu bringen. So weit so gut. Nur mit der Verlegenheit ist es so eine Sache, wie wir gleich feststellen werden. Alternativus Hütter hatte einen Verdacht oder sogar eine Information: Eine Vergewaltigung sollte stattgefunden haben, vielleicht auch nur der Versuch, aber immerhin. Dem Zeitgeist folgend konnte der Täter aller Wahrscheinlichkeit nach nur ein Ausländer gewesen sein. Das war für den für die deutsche Leitkultur bestellten Hüter Hütter schon klar. Er wusste jedoch auch, dass solches, der Wahrung eines positiven Bildes von Multikulti wegen, gerne verheimlicht würde. Sicher, so vermutete er weiter, würde sich die CDU-geführte sächsische Staatsregierung an die-
Das Buch „871 Tage“ wendet sich somit insbesondere an Geschichtslehrer und Schüler, die etwas über die Geschichte der Blockade erfahren wollen, und zwar aus der Sicht von damals Eingeschlossenen. Die Autorin Ninel Koribskaja war gerade zehn Jahre alt, als die Blockade begann, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter durchlebte. Es beginnt mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, der für die Kinder Leningrads ein Tag wie jeder andere war. Das leicht verständliche Buch erschien 2014 in Moskau in deutscher Sprache. Im Rahmen eines Projektes der Stiftung Russkij Mir möchte das Deutsch-Russische-Kulturin-
stitut Dresden dieses Buch an Schulen und Kultureinrichtungen in ganz Deutschland verteilen, die ein Interesse daran haben, das aktive Gedenken für die Opfer des Zweiten Weltkrieges zu pflegen. Der Blockade fielen nach Schätzungen 1,1 Millionen Zivilisten zum Opfer – niemals zuvor hatte die Blockade einer Stadt während eines Krieges so viele Menschenleben gefordert. Vielen, zumindest den in Ostdeutschland Aufgewachsenen, bekannt sein dürfte die Leningrader Sinfonie von Dimitri Schostakowitsch. Nachdem ein Sonderflugzeug mit der Partitur die Luftblockade durchbrochen hatte, konnte die Leningrader Erstaufführung mitten
in der Blockade am 9. August 1942 vom Radioorchester Leningrad gespielt und von allen sowjetischen Rundfunksendern übertragen werden. Das Radio spielte für die Eingeschlossenen eine zentrale Rolle. Die Autorin schreibt: „Das Radio ist mein Leben, mein Freund, meine Erziehung.“ In Hunger und Not richteten Radiosendungen aber auch zahlreiche Kulturveranstaltungen in der belagerten Stadt die Leningraderinnen und Leningrader auf, gaben ihnen Zuversicht. Ralf Richter Das reich bebilderte Buch erhält man beim Deutsch-Russischen Kulturinstitut, Zittauer Str. 29, 01099 Dresden, oder unter drkidresden@drki.de
sen Schutz von Fremdem und Fremden halten. Sie ist ja landauf, landab für ihre ausländerfreundliche, antipatriotische Haltung bekannt. Also fragte Herr Hütter süffisant: ob es im Mai 2016 im Maxim-Gorki Park eine Vergewaltigung gab, ob diese im Zusammenhang mit einem Asylbewerber stand oder ob durch das Opfer in der Täterbeschreibung ein
tens der Behörden oder Dritter, das Opfer zum Schweigen zu bringen?“ Und: „Welchen Stand haben die Ermittlungen?“ Meine werten Leserinnen und Leser muss ich nun, bevor ich den eigentlichen Fortgang behandle, um Entschuldigung für das von mir gewählte Wort „insistieren“ bitten. Es gefällt mir einfach, weil laut DUDEN „bildungssprachlich“. Und mit der Bildung will man ja der „Alternative“ für Deutsch und ihrem „Kommunizieren“ nicht hintanstehen. Für die einfacheren Gemüter aber: Herr Hütter blieb beharrlich, und die Staatsregierung war um eine Antwort nicht verlegen. Oder doch? Sie wusste nämlich von nichts; nichts von einer Vergewaltigung, auch nichts von einer solchen durch einen Asylbewerber. Deshalb wusste sie natürlich auch nichts von Ermittlungen und konnte nun auch der Logik der Dinge folgend nichts zu einem möglichen Versuch, das Opfer zum Schweigen zu bringen, sagen. Das alles übermittelte („kommunizierte“) sie brav dem Hütter. Ihre leitkultu-
relle Beflissenheit, doch Licht in das Dunkel zu bringen, betonend, meldete der Innenminister außerdem, dass zwar flugs Nachforschungen eingeleitet worden waren, leider aber auch keine einschlägigen Erkenntnisse gebracht hätten. Welche Schande! Aufmerksame Rezipientinnen und Rezipienten (auch „Leserinnen und Leser“, aber weniger gebildet) der regierungsseitigen (endlich gebildetes Deutsch) Antwort haben aber den wahren Grund für den Misserfolg der Untersuchungsbehörden in der allerersten Frage des Herrn Hütter erkannt. Herr Hütter frug (altes Deutsch) nämlich nach einer Vergewaltigung im Maxim-Gorki-Park. Jetzt waren alle zur Antwort Verpflichteten ratlos. In ganz Sachsen gibt es keinen Maxim-Gorki-Park. Daran trifft Herrn Hütter jedoch keine Schuld, weil für seine alternativen Zwecke wohl sein muss, was nicht sein darf. Ich meine freilich, dass es einen solchen Park in Sachsen tatsächlich nicht gibt, nicht geben darf, ist der eigentliche Skandal.
Weil sein muss, was nicht sein darf Hinweis auf einen Asylbewerber gegeben wurde? Gefragt hat er überdies, ob der Fall an die Presse kommuniziert wurde? Hier sei mir der Hinweis auf das vorbildlich-alternative Deutsch gestattet. Vertreter von „Systemparteien“ würden wahrscheinlich anders fragen. Zum Beispiel, ob die Sache an die Presse „gemeldet“ oder „weitergegeben“ wurde. MdL Hütter insistierte aber noch weiter: „Gab es Versuche sei-
Hintergrund
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Luxemburg als Philosophin Volker Caysa will das theoretische Gebäude der linken Denkerin systematisch diskutieren Der Leipziger Philosoph Volker Caysa gilt als einer der derzeit kühnsten und produktivsten Vor- und Querdenker der demokratischen Linken. Mag sein, dass seine Affinität für Rosa Luxemburg in ihrer analogen, für ihn vorbildhaften Wesensverwandtschaft begründet liegt. So zielt seine wissenschaftliche Beschäftigung mit ihrem Leben und Wirken darauf, sie als eigenständige weitsichtige Philosophin, als originäre politische Denkerin in heutiges kollektives Bewusstsein zu heben – sie also aus der ihr von linken und rechten Widersachern auferlegten Restriktion auf revolutionäre Märtyrerin und marxistische Nur-Ökonomin zu befreien. In diesem Sinne referierte Volker Caysa auch auf dem Ständigen Rosa-Luxemburg-Seminar Ende September in der Leipziger Dependance der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. Sein Thema lautete nicht von ungefähr „Rosa Luxemburg und Georg Lukács“. Der marxistische ungarische Theoretiker war es schließlich, der sie als Erster als eine ernst zu nehmende Philosophin behandelte. Doch während Lukács sich punktuell mit Luxemburgs Werk befasste, will Caysa deren Gedankengebäude systematisch diskutieren. Und während Lukács Rosa Luxemburg als demokratische Sozialistin verortete, bescheinigt ihr Caysa einen weiter reichenden Politstatus: Er sieht sie als libertäre, internationalistische Sozialistin. Luxemburg Anerkennung als politische Philosophin zu verschaffen, so Caysa, erfordere, die revolutionäre Realpolitikerin von der Denkerin zu unterscheiden. Vom Standpunkt der Opportunität ihrer Erkenntnisse für linksdemokratisches Denken und Handeln heiße das also, diese nicht auf politische Aktualität zu reduzieren. Als Denkerin verfüge sie über ein originales, konsistentes theoretisches Gebäude. „Das will ich, weil noch nicht geleistet, abgelöst von allem ihrem sonstigen Denken und Tun, als unser theoretisch-methodologisches Erbe herausarbeiten“, so Caysa. Im Mittelpunkt ihrer politischen Philosophie stehe ihre Demokratieauffassung. Sie gründe sich auf die elementare Erkenntnis, dass wahrhaftige Demokratie thymotisch verfasst sein, also die Stimmung
des Volkes kennen und berücksichtigen müsse. Eine praxisrelevante theoretische Position, die Lukács verkannte und, wie viele ihrer Widersacher vor und nach ihm, als Überschätzung der Volksstimmung, als irriges Spontanitätskonzept kritisierte. Politisches Handeln müsse mit Bewusstsein geschehen! Volker
Caysa reflektierte dann Luxemburgs massenthymotische Grundidee im Verhältnis von Sozialismus und Demokratie, von Sozialismus und öffentlicher Freiheit, die in die Conclusio münde: Ein demokratischer Sozialismus ist ein freiheitlicher Sozialismus, und der freiheitliche Sozialismus ist Bedingung für einen demokratischen Sozialismus. Mit Luxemburg begründete der Leipziger Philosoph auch die notwendigen Schritte für die entschiedene Linke, aktuelle affektaufgeladene Massenproteste in demokratische Bahnen zu leiten. „Aus dem Zorn-
kapital kann man politisches Kapital aufbauen, politische Programme und Bewegungen ableiten“. Das bedinge, eigene Klassenwirklichkeit nicht für die Wirklichkeit der Massen zu halten. Breiten Raum nahmen bei Caysa und in der Diskussion das Luxemburg-Diktum von der Freiheit als Freiheit der Andersdenkenden, sich zu äußern und die damit verknüpfte These von dem sie garantierenden Rechtstaat ein („Keine Volkssouveränität ohne Rechtstaat“). An dieser Stelle kann nur noch eine Idee Rosa-Luxemburgs angesprochen werden, die der Referent auch in ihrer aktuellen Bedeutung erörterte: die politische und soziale Einbindung abgehängter Bevölkerungsschichten in die Gesellschaft. „Rosa Luxemburg warnte davor, das , Lu m p e np r o l e tariat‘ nur pejorativ zu betrachten, wie es ein Großteil der (verbürgerlichten) Linken tat (und tut)“. Die Deklassierten seien aber nicht nur eine Gefahr für die öffentliche Freiheit. Sie könnten auch eine positive, produktive Macht werden, wenn ihr Zorn, ihre Wut, ihre Enttäuschung durch eine Avantgarde zur Sprache gebracht und klug organisiert werde. „Insofern sieht sich Rosa Luxemburg nicht nur durch den Druck der Straße bedroht, sie sieht auch, dass die Macht auf der Straße liegt und man nur verstehen muss, sie aufzuheben“. Das bedeutet für
Peter Porsch: Linke Dispute. Anregungen, Polemiken und Kopfnüsse aus linker APO-Zeit. 162 S., 12,99 Euro, ISBN 978-3-945187-62-3.
Das Büchlein erschien Ende Juni 2016 im verlag am park. Sämtliche Verkaufserlöse helfen, unsere Zeitung zu erhalten.
Caysa, die „aus der Mitte Geschrumpften“, im heutigen Sprachgebrauch eher „Pack“ und „Mob“ oder beschönigender „Prekariat“ genannt, nicht nur als „Modernisierungsverlierer“ zu betrachten, sondern als den Rand der bürgerlichen Gesellschaft. „Der wächst und muss integriert werden, will
sie weiter als soziale und demokratische Ordnung bestehen“. Rosa Luxemburg steht daher für Caysa in der Tradition einer franziskanischen Linken. „Franz von Assisi gliederte bekanntlich die von der christlichen Gesellschaft Ausgestoßenen in diese ein und humanisierte sie dadurch“. Wulf Skaun
Geschichte
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„Lenin ist alles andere als ein toter Hund“ Wladislaw Hedeler und Volker Külow plädieren für eine Reaktualisierung seiner Imperialismusanalyse „Er rührte an den Schlaf der Welt – Lenin“ (Becher/Eisler/ Busch). Verblichene Hommage auf einen „großen Mann“ der Geschichte (Plechanow). Mit dem Scheitern seines praktizierten Sozialismusmodells „im Sinne der Jakobiner-Herrschaft“ (Luxemburg) hat ihn politischer Mainstream linker und rechter Provenienz auch als Gesellschaftstheoretiker für erledigt erklärt. Einspruch, rufen intime Kenner seiner Werke. „Lenin ist alles andere als ein toter Hund“, erklären auch Volker Külow und Wladislaw Hedeler. Beim 17. Jour fixe im September, vor wiederum vollem Leipziger Haus der Rosa-LuxemburgStiftung Sachsen, stellten die beiden Herausgeber und Autoren ihr jüngstes Opus vor: Kritische Neuausgabe von Lenins „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“. Moderator Klaus Kinner, selbst Kommunismus- und Sozialismusforscher, lobpreiste den im Verlag 8. Mai erschienenen Band: „Mit diesem Buch ist eine neue Stufe der Lenin-Edition erreicht. Es wird künftig keine Ausgaben von Werken Lenins geben, die an dieser Schrift vorbeigehen können.“ Ein Summa cum laude, das die Arbeit der Historiker und Publizisten Külow und Hedeler zu Recht würdigt. Die inhaltlichen, methodologischen und editionstechnischen Innovationen, die ihre Kritische Neuausgabe auszeichnen, machen diese zur Pflichtlektüre für alle an Gesellschafts- und Politiktheo-
rie Interessierten. Ihre umfassende Recherche in Archiven und Bibliotheken in Amsterdam, Moskau und Zürich erlaubt es erstmals, die Geschichte der Entstehung und Veröffentlichung des Werkes sowie den Personenkreis, mit dem Lenin in Verbindung stand, auf einer gesicherten Quellenbasis jenseits parteipolitischer Instrumentalisierung darzustellen. Die Autoren zeigen, wie Lenin durch Nikolai Bucharin, David Rjasanow und Georgi Sinowjew angeregt und unterstützt wurde. Sie schildern, wie die Imperialismusstudie ab 1924 in dem von Stalin erfundenen „MarxismusLeninismus“ kanonisiert wurde. Wie die Bemühungen um das literarische Erbe Lenins, die Vorbereitung und Herausgabe der Werkausgaben und Lenin-Sammelbände seit Mitte der 1920er Jahre immer stärker in den Sog der innerparteilichen Fraktionskämpfe gerieten. Und wie diese 1936 bis 1938 in den „Großen Terror“ mündeten, in dem nicht nur viele der ersten Garde der Bolschewiki wie Bucharin, Rjasanow und Sinowjew auf Geheiß Stalins umgebracht wurden, sondern auch viele Editoren der Leninausgaben und der ersten russischsprachigen Ausgabe der „Hefte zum Imperialismus“. In ihrem 100-seitigen Kommentar dokumentieren Hedeler und Külow, welche Quellen Lenin für seine Untersuchung ausgewertet hat. Dabei werden seine 21 „Hefte zum Imperialismus“ zeitlich und inhaltlich rekonstruiert. Sie liefern über 1.200 bibliografische Angaben! Die lassen die innere Logik und die thematische Bandbreite seines Forschungsprozesses erken-
nen. Lenin beabsichtigte, die ökonomischen, politischen und geistig-ideologischen Aspekte des zeitgenössischen Imperialismus in ihrer Totalität zu erfassen. Er studierte dafür nicht nur renommierte Autoren und Gelehrte wie Rudolf Hilferding, John Hobson, Otto Jeidels, Alfred Landsburgh, Robert Lief-
mann, Jacob Riesser, Werner Sombart, August S ar tor i us von Walters hausen und Gerhart von Schulze-Gaevernitz. Auch Publikationen akademischer Außenseiter las er. Fritz Kestner, Hermann Levy, Sigmund Schilder, Theodor Vogelstein schätzen heute bestenfalls noch Spezialisten. Die Erläuterung weiterer Texte Lenins aus den Jahren 1915/1916 und der Abdruck des berühmten Manifests des Internationalen Sozialistenkongresses in Basel 1912 erleichtern den beiden Historikern die
Einbettung des Werkes in den imperialismustheoretischen Diskurs am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Deutlich wird, dass der Wissenschaftler Lenin, viel stärker als bislang wahrgenommen, unmittelbar an die zeitgenössischen Debatten in der II. Internationale angeknüpft hat.
S o erin nern sie auch an mitunter zu Unrecht vergessene „Imperialismus“-Theoretiker: an Otto Bauer, Herman Gorter, Alexander Helphand, Heinrich Laufenberg, Georg Ledebour, Julian Marchlewski, Anton Pannekoek, Karl Radek und Fritz Wolffheim. Nach Georg Lukács bestünde Lenins Überlegenheit darin, „eine theoretische Großtat ohnegleichen“, dass er die ökonomische Theorie des Impe-
rialismus mit allen politischen Fragen konkret zu verknüpfen vermochte. Die Herausgeber kommentieren Lenins Werk auch mittels eines zweigliedrigen Fußnotenapparats. Darin werden Mängel bisheriger Editionen beseitigt und vor allem jene Textpassagen präsentiert, die Lenin direkt aus den „Heften zum Imperialismus“ in seine Imperialismusstudie übernahm. Fünf Verzeichnisse erschließen den Text, darunter erstmals eines, das alle von Lenin im „Imperialismus“ zitierten Quellen aufführt. Das Buch enthält zudem eine mehr als 100 Titel umfassende Literaturliste zur gegenwärtigen Imperialismusdebatte. 60 Illustrationen aus Moskauer und Zürcher Archiven, viele davon erstmals zu sehen, veranschaulichen die Darstellung. Dietmar Dath und Christoph Türcke bereichern mit ihren Essays die Neuausgabe. Beide regen die Reaktualisierung von Lenins Werk an, dessen Dialektik auch 100 Jahre später es erlaube, „mit immer noch erstaunlich hilfreicher, nahezu unverminderter Sehschärfe nach links und rechts zu sehen“. Und das einen „verblüffend prägnanten Begriff jenes Imperialismus (bietet), dessen globale Deregulierung wir erleben“. Also bilanziert Volker Külow: „Man kann und muss Lenin heute stärker gegen den Strich lesen und im Kontext der modernen Globalisierungsdebatten neu interpretieren. Mit der Kritischen Neuausgabe ist für eine Reformulierung seiner Imperialismusanalyse aus unserer Sicht eine solide Grundlage geschaffen“. Man lese selbst. Wulf Skaun
Vor 175 Jahren geboren: Minna Cauer Geboren am 1. November 1841 als drittältestes von vier Kindern in einem Pfarrhaus in Freyenstein, gehörte Minna Cauer zu den äußersten Linken der bürgerlichen Frauenbewegung, die, wie die sozialistische Frauenzeitschrift „Die Gleichheit“ zu ihrem 71. Geburtstag schrieb, „ihr wertvolle Anregungen, manche kräftige Impulse verdankte”. Sie war frühzeitig verheiratet; 1865 verstarben ihr einziges Kind an Diphterie und wenig später auch ihr Ehemann. Auf sich allein gestellt, bereitete sie sich in Privatstunden auf das Lehrerinnenexamen vor, das sie 1867 bestand. Zunächst ein Jahr lang als Deutschlehrerin in Paris tätig, unterrichtete sie Töchter aus aristokratischen Kreisen. Die im französischen Kaiserreich erlebten sozialen Gegensätze prägten sie zeit ihres Lebens.
Zurückgekehrt nach Deutschland, lehrte sie im westfälischen Hamm, wo sie mit dem Historiker Eduard Cauer, der für eine grundlegende Reform der Frauenbildung eintrat, eine neue Ehe schloss. Durch ihren Mann lernte sie Persönlichkeiten kennen, die die Ideenwelt des deutschen
Liberalismus verkörperten. 1881 wurde sie erneut Witwe. Rückbetrachtend schrieb Minna Cauer, die ohne Zweifel die profilierteste Vertreterin der bürgerlichen Frauenbewegung für das Frauenwahlrecht war, dass sie nicht allein durch die Frauenbewegung ins öffentliche Leben hineingezogen worden ist, sondern generell durch „ein heißes Gefühl, das Recht für die Schwachen und Unterdrückten zu erringen”. Im Unterschied zu den konservativen Frauenrechtlern erkannte sie, dass das angestrebte Frauenwahlrecht nur möglich ist, wenn sich ein grundlegender gesellschaftlicher Wandel vollzieht, wovon ihr 1898 erschienenes Buch „Die Frau im 19. Jahrhundert“ zeugte. Bereits 1894 hatte sie in ihrem Tagebuch notiert: „Die Sozialdemokratie zieht mich mächtig
an, nicht in ihrem Vorgehen, aber in ihrer Idee. Es ist Leben. Es sind Ideale. In unserem Stande ist soviel Totes und Überlebtes.“ Sie versuchte, angeregt durch August Bebels Buch „Die Frau und der Sozialismus“, Brücken zu schlagen zwischen der bürgerlichen und der proletarischen Frauenbewegung. Dem dienten ihre Kontakte und teilweise freundschaftlichen Beziehungen zu Bertha Suttner, Clara Zetkin u.a.m. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges erschütterte sie zutiefst. Die Kriegsbegeisterung breiter Volkskreise und die unerwartete Kriegsbefürwortung der sozialdemokratischen Partei raubten ihr den Schlaf. Sie tat alles in ihren Kräften stehende, um auf vielfältige Weise die Antikriegsbewegung zu fördern. Die russische Oktoberrevolution be-
grüßte sie als Friedensbringerin und trat für Friedensverhandlungen mit Sowjetrussland ein. Die deutsche Novemberrevolution 1918, die das von ihr verfolgte Frauenstimmrecht brachte, empfand sie als folgerichtig. Sie warnte vor restaurativen Tendenzen im politischen Leben der jungen Weimarer Republik. In ihren letzten Lebensjahren sah sie die Perspektive der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland in einer, wie sie schrieb: „Demokratie mit dem Endziel eines wissenschaftlichen Sozialismus”. Am 3. August 1922 verstarb Minna Cauer in Berlin. Prof. Dr. Kurt Schneider Verfasst unter Berücksichtigung der Angaben von Hans Jürgen Arendt in „Demokratische Wege”, Verlag J.B. Metzler 1997.
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Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Termine Chemnitz, 5. November, Samstag, 19.00 Uhr Lesung: Queer ge_lesen! Queerulant_in - Lesetour***. REIHE: Rosa trifft Lila. Mit dem Zeitungskollektiv Queerulant_ in. Komplex, Zietenstraße 32, 09130 Chemnitz Im April 2012 erschien die erste Ausgabe von Queerulant_ in, einer queeren unkommerziellen Zeitschrift, die nun in die neunte Ausgabe geht. Hast Du dich gefragt, wer eigentlich hinter dem Kollektiv Queerulant_in steckt? Findest du es anstrengend, immer alle Texte zu lesen? Würdest du gerne Texte diskutieren oder hast du Anregungen? Mit der Lesung geben wir die Möglichkeit, diese Dinge zu verändern oder Queerulant_in vielleicht erst einmal kennen zu lernen. Chemnitz, 8. November, Dienstag, 18.30 Uhr Workshop: Bullenwagen klauen und Adorno zitieren – Die Linke zwischen Theorie und Praxis*** Mit Boris Krumnow (politischer Bildner). Eine Veranstaltung der RLS Sachsen in Kooperation mit dem Rothaus e.V. Veranstaltungssaal Rothaus, Lohstraße 2, 09111 Chemnitz Dresden, 9. November, Mittwoch, 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Frankreich und seine Proteste. Mit Guillaume Paoli (deutschschreibender französischer Schriftsteller und Philosoph). Eine gemeinsame Veranstaltung des Büro von MdL Anja Klotzbücher und der RLS Sachsen. WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Die sozialen Proteste rund um die Reform des Arbeitsmarkts in Frankreich fanden im letzten Sommer ihren Höhepunkt. Der Allgemeine Gewerkschaftsbund (CGT) in Frankreich sowie eine junge, linke Bewegung (Nuit Debout) brachten regelmäßig hundertausende Menschen auf die Straßen von französischen Großstädten,
Impressum Links! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Herausgeber: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Achim Grunke Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e. V.,
um der Regierung zu zeigen, dass sie keine Reform wie die Agenda 2010 in Deutschland möchten. Doch allen Protesten zum Trotz verabschiedete die französische Regierung die Arbeitsmarktreform. Wie verliefen die Massenproteste genau und was könnte die deutsche Linke daraus lernen? Leipzig, 10. November, Donnerstag, 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Revolutionäre Realpolitik oder die Kunst, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Jour fixe - Ein ungewöhnlicher Gesprächskreis. Mit Michael Brie (Philosoph und langjähriger Direktor des Instituts für Gesellschaftsanalyse der RLS). Moderation: Klaus Kinner und Manfred Neuhaus. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Dresden, 11. November, Freitag, 18.00 Uhr I 12. November, Samstag, 9.00 Uhr Kontinuität und Neuanfang: Hans Grundig nach 1945 in Dresden. Wissenschaftliches Kolloquium zu Schaffensperiode des antifaschistischen Künstlers in der sächsischen Hauptstadt***. Mit Hilke Wagner (Direktorin der Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden), Annekatrin Klepsch (Zweite Bürgermeisterin Dresden, Beigeordnete für Kultur und Tourismus), Florian Weis (Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Rosa-LuxemburgStiftung), April Eisman (Iowa State University, Ames/USA), Bettina Uppenkamp (Dresden), Oliver Sukrow (Hansund-Lea- Grundig-Stiftung), Thomas Widera (Dresden), Meike Hopp (München), Caitlin Dalton (Boston, MA), Eckhart Gillen (Berlin), Birgit Dalbajwa (Dresden), Konstanze Rudert (Dresden), Johannes Schmidt (Dresden), Olaf Peters (Halle/ Saale), Maike Steinkamp (Berlin), Johanna Huthmacher (Berlin), Stephan Weber (Dresden); Moderation: Thomas Flierl und Oliver Sukrow. Freitag: Albertinum, Tzschirnerplatz 2, 01067 Dresden Samstag: Hochschule für BilKleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus gedruckt.
dende Künste, Brühlsche Terrasse 1, 01067 Dresden Einer bislang kaum beachteten Schaffensperiode des Dresdner Künstlers Hans Grundig (1901-1958) widmet sich die zweitägige internationale Konferenz. Das Kolloquium wird sich mit der Rückkehr Hans Grundigs aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft und seiner Berufung als Professor und Rektor an der Dresdner Akademie beschäftigen, vor allem aber den kulturpolitischen und historischen Hintergrund der sächsischen Nachkriegszeit bis zur Gründung der DDR im Jahr 1949 beleuchten. Unmittelbar vor Beginn des Kolloquiums kommt in Dresden die Jury des Hans-undLea-Grundig-Preises zusammen. Das neunköpfige Gremium aus KunstexpertInnen und VertreterInnen der Rosa-Luxemburg-Stiftung berät über den Wettbewerbsaufruf für die Preisvergabe 2017. Dresden, 14. November, Montag, 19.00 Uhr Performance und Publikumsgespräch: „Translation“ - Überlegungen zum Turmbau zu Babel. Mit Olga Jitlina (Video- und Performancekünstlerin, St. Petersburg), Ali Difi, Patrick Owusu, Michael Oluwakayode Olokodana (alle „Lampedusa in Hamburg“), Yulia Awerina (Sängerin) u.a. Eine gemeinsame Veranstaltung mit der Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung, der Rosa-LuxemburgStiftung Sachsen und dem Staatsschauspiel Dresden. Staatsschauspiel Dresden, Kleines Haus (Bühne 3), Glacisstraße 28, 01099 Dresden Das Theaterstück „Translation“ stellt die Frage nach der Übersetzbarkeit von Biografien und Schicksalen. Eine Gruppe politisch aktiver Flüchtlinge besteht darauf, die inquisitorischen Fragen eines Interviewers im Asylverfahren gemeinsam statt einzeln zu beantworten. Sie tragen Textstellen aus Andrej Platonows Roman „Seele“ („Dzhann“) in vier Sprachen vor und versuchen auf diese WeiRedaktion: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Ute Gelfert, Ralf Richter. Kontakt: redaktion@linke-bildung-kultur.de Tel. 0351-84389773 Redaktionschluss: 25.10.2016 Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 01.12.2016.
se, ein universelles Vokabular für ihre Situation zu finden. Als Übersetzerin agiert eine Sopranistin, die das Gesagte als barocke, romantische und klassische Opernarien interpretiert. Dresden, 19. November, Sonnabend, 13.00 Uhr 17.00 Uhr Workshop: Gewalt und Militanz. Ein Streifzug durch deutsche Bewegungspraxen. REIHE: Junge Rosa - richtet sich speziell an Jugendliche und junge Erwachsene. Mit Henning Behrends (Aktivist). WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Leipzig, 24. November, Donnerstag, 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Leo Jogiches, Julian Marchlewski und Georg Lukács. Ständiges Rosa-Luxemburg-Seminar. Mit Dr. Holger Politt (Fokusstelle Rosa Luxemburg der RLS). Moderation: Prof. Dr. Klaus Kinner. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Leipzig, 25. November, Freitag Utopie und Totalität. Die Fortsetzung von Etwas – Georg Lukács‘ Frühschriften***. Tagung der Rosa-LuxemburgStiftung-Sachsen anlässlich der Präsentation von Bd. 1 von Georg Lukács‘ Werkausgabe. Mit Verleger Detlev Kopp und den Herausgeber*innen Zsuzsa Bognar, Werner Jung und Antonia Opitz. Eröffnung und Moderation: Volker Caysa. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Am Ende seines Lebens hat der ungarische marxistische Philosoph und Literarhistoriker Georg Lukács im Zusammenhang mit einer geplanten Autobiographie unter dem Titel „Gelebtes Denken“ darauf hingewiesen, dass bei ihm jede Sache die Fortsetzung von etwas sei und dass es keine unorganischen Elemente in seinem Werk gebe. Dies kann nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Edition seiner Werkausgabe, die mit dem nun Die Zeitung „Links!“ kann kostenfrei abonniert werden. Wir freuen uns jedoch über eine Spende, mit der Sie das Erscheinen unserer Zeitung unterstützen. Kostendeckend für ein Jahresabo ist eine Spende in Höhe von 12 Euro. Sollten Sie an uns spenden wollen, verwenden Sie bitte folgende Kontodaten:
in Angriff genommenen Bd. 1 – Frühschriften bis 1918 –, dessen erster Teilband vor dem Abschluss steht, überprüft und nachvollzogen werden. Leipzig, 29. November, Dienstag, 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Philosophische Dienstagsgesellschaft. Hat die Gerechtigkeit eine Chance? Aktuelle Fragen zu einem alten philosophischen Problem. Mit Dr. Roland Wötzel (Leipzig). Moderation: Dr. Volker Caysa. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Die Kritik ist andauernd und unüberhörbar, der Zweifel allgemein, die Unsicherheit nimmt zu. Dafür sind nicht zuletzt die Vertiefung der sozialen Ungerechtigkeit durch Gesetz, der Ausbau der Staatssicherheit zu Lasten der Bürgerrechte, dem Gerechtigkeitsempfinden widersprechende Urteile, die immer weitergehende Verrechtlichung der Privatsphäre ursächlich. Der republikanisch gesinnte Bürger fragt beunruhigt: „Ist unser Recht richtig, ist es gerecht? Ist der Rechtsstaat wie sich aus der Frage einer desillusionierten Bürgerrechtlerin von 1989 entnehmen lässt - der Ersatz für Gerechtigkeit? Helfen Gerechtigkeitstheorien, ungerechte Zustände zu verändern?“ Im Vortrag wird ein Fragender seine Antworten vorstellen. Dresden, 30. November, Mittwoch, 19.00 Uhr Lesung und Podiumsgespräch: „¡No pasarán!“ Auf den Spuren der Interbrigadisten aus Dresden und Umgebung. Mit Roland Hering (Sohn des Widerstandskämpfers und Interbrigadisten Arno Hering) und André Lang (VVNBdA). Eine gemeinsame Veranstaltung des VVN BdA Dresden und der RLS Sachsen. WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden *** in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e.V. Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V. IBAN: DE83 8509 0000 3491 1010 07 BIC: GENODEF1DRS Bank: Dresdner Volksbank Raiffeisenbank Aboservice: www.links-sachsen.de/abonnieren, aboservice@links-sachsen.de oder 0351-84 38 9773
Rezensionen
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11/2016 Links!
Sächsischer Volksentscheid 1946 – unvergessen?! Die direkte Demokratie ist inzwischen fast in aller Munde. Gerade auch in Sachsen. Noch blockiert eine Mehrheit in der CDU eine Absenkung der Hürden, die Volksentscheide im Freistaat nahezu unmöglich machen. Doch die Debatte ist in vollem Gange. Umso erstaunlicher ist es, dass der sächsische Volksentscheid vom 30. Juni 1946 über das Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes im Jahr seines 70. Jahrestages bisher so wenig Beachtung gefunden hat. Das ist auch deshalb merkwürdig, weil der seinerzeitige Volksentscheid „nach demokratischen Grundsätzen korrekt durchgeführt“ wurde, wie nicht nur die Wikipedia-Geschichtsschreibung weiß. Bei einer Wahlbeteiligung von 93,7 Prozent stimmten 77,6 Prozent mit „Ja“. Insofern gebührt Prof. Dr. Horst Schneider, emeritierter Professor für allgemeine Geschichte, Dank für sein in diesem Jahr erschienenes Buch zum Thema. (Dass der berühmt-berüchtigte Rechtsextremismus-Relativierer Eckhard Jesse im Buch „Deutsche Geschichte“ laut Schneider begründungsfrei von einem „manipulierten Volksentscheid“
schreibt, braucht uns nicht zu bekümmern.) Horst Schneider ist ein streitbarer Geist, der sich seit 1990 am Streit um das Geschichtsbild zur DDR beständig beteiligt. Es ist ihm daher offenkundig ein Herzensanliegen, sich mit pedantisch detailgetreu recherchierten Fakten rund um den sächsischen Volksentscheid von 1946 an den von verschiedenen Historikern gegen ihn gepflegten (Vor)urteilen wie „Sowjetisierung“ und „Diktaturdurchsetzung“ abzuarbeiten. Dass es in Hessen in jener Zeit ein ähnliches Votum des Volkes gab, das mit 76,8 Prozent der Sozialisierung der Schlüsselindustrien zustimmte, findet der Autor zu Recht interessant. Der entsprechende Artikel steht bis heute in der hessischen Landesverfassung – realisiert wurde er nie. Schneider bekennt sich zu „parteilicher“ Sicht und weist denen, die daran Anstoß nehmen, nach, dass auch sie parteilich sind – nur aus anderem Blickwinkel. Er kreist dabei um eine ewig junge sozioökonomische Grundsatzfrage: Dass „die allgemeine Unsicherheit zum Normalzustand der Gesellschaft“ geworden ist, wussten schon die Menschen, die
das Erfurter Programm der SPD von 1891 geschrieben und beschlossen haben. Im Jahr 2016 würde diese Aussage wohl von fast allen unterschrieben, wenngleich wohl nicht die seinerzeit eindeutige Ursachenbeschreibung, „dass das Privateigentum an Produktionsmitteln unvereinbar geworden ist mit deren zweckentsprechender Anwendung und vollen Entwicklung.“ Das ist eben der Streitpunkt. Der Frontverlauf ist dabei bisweilen unerwartet. So zitiert Schneider aus den Erinnerungen Konrad Adenauers: „Ein großes Gefahrenmoment waren Anfang des Jahres 1947 Pläne Englands, in der britischen Zone, in der das wichtigste Industriegebiet Deutschlands lag, Verstaat-lichungen im großen Umfang durchzuführen.“ Die von ungezügeltem Kapitalismus ausgehende Kriegsgefahr hat Schneider am Beispiel der Dynastie Flick beschrieben, deren Wirkungsradius von Weltkrieg bis Parteispendenaffäre reicht. Der sächsische Volksentscheid steht für ein anderes Deutschland. Das bleibt wahr, auch wenn nicht alle damaligen alternativen Blütenträume in Erfüllung gingen. Marcel Braumann
Horst Schneider, „Was des Volkes Hände schaffen, soll des Volkes eigen sein. Der Volksentscheid über die Enteignung der
Kriegs- und Naziverbrecher am 30. Juni 1946 in Sachsen“. Edition Freiberg, Dresden, 2016. 8 €. ISBN: 978-3-943377-53-8
DDR, Lieder, Türken, Krimis: Literaturtipps aus Sebnitz Nun schreiben heute viele und veröffentlichen, wenn sie das Geld dazu haben, Bücher über ihr Leben, und – wenn sie motiviert sind – über viele andere Dinge. Ich habe auch endlich (fast) die Zeit, dieser Leidenschaft nachzugehen, wobei ich mein Leben außen vor lasse. Verschiedenes ist schon fertig, anderes wartet noch auf Korrektur oder ist erst in Umrissen im Kopf vorhanden. Diese meiner literarischen Produktionen kann ich schon anbieten:
Rückblende Vorwärts: Geschichten aus, über und nach der DDR Da erzählt ein naiver Polizist an der Grenze in Berlin einen
Witz über Honecker. Erst lachen alle, doch dann überlegen verschiedene Personen in der Hierarchie, was man aus diesem Fakt alles machen kann. Oder muss? Der Autor erzählt Geschichten von eher unspektakulären Ereignissen, die vielleicht gerade deshalb kleine Mosaiksteine im Gesamtbild eines untergegangenen Staates bilden ... (epubli: Belletristik, ISBN 9783-7375-5741-2, 7,80 €) Lieder und Gedichte – Ein Bildband Erst war die Idee, dann das Wort und später oft die Musik. So geht das bei Leuten, die texten und komponieren. Wenn das Wort nun auf das Foto trifft – passend, ergänzend, widersprechend –, kann daraus ein Bildband werden. Mit ganz neuen Aussagen. (Vorschau: epubli: Lyrik, ISBN 978-3-7375-6624-7, 9,80 €. CD zum Buch – 19 Lieder der „Grenzgänger“: 7,00 €) Die Türken kommen. Eine Liebesgeschichte Der Zufall will es − nein, es soll ja gar keine Zufälle geben. Jedenfalls treffen in einem Fastfood-Restaurant plötzlich zwei Personen aufeinander.
Und gehen nicht im Guten auseinander. Wie kommen eigentlich türkische Touristen nach Pirna? Und wie reagieren
Vermieter auf sie, da sie doch bisher nur Gäste aus Hamburg, Halle oder Heiligendamm bewirten mussten? Wie reagie-
ren die Vermieter-Tochter und ihr Bruder, der Pegida und der NPD nahe steht? All das in diesem Kurzroman, der in einer Gegend handelt, die in den letzten Monaten immer wieder im Medieninteresse stand ... Preis: 8,80 € Hörbuch mit kurzen musikalischen Zwischentönen ab November erhältlich. Des Pudels Kern: Schulzeit (in Vorbereitung) Zwei Krimis aus dem Berlin der Wendezeit: Nicht einfach für einen Anfänger, wenn er nicht nur den Täter ermitteln, sondern auch noch seinen erfahrenen, aber voreingenommenen Mentor überzeugen muss. Schuleinbrüche sind das eine, Einsätze zum 40. Jahrestag der DDR das andere. Was soll man machen, mit den Tätern und mit diesem Land? Was geworden ist, sehen wir. Erinnern wir uns an das, was wir damals dachten und wollten? Die Bücher sind erhältlich in den Buchläden in Sebnitz, Neustadt/Sachsen, Bischofswerda, Dresden oder beim Autor. Versand 1,50 €. Lesungen, auch mit musikalischer Begleitung, können gern organisiert werden. Rainer Böhme
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Links! 11/2016
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„Die Spur der Verzweiflung wird der Wind verwehn“ Nun, Musikrebell oder zärtlicher Anarchist – zu vielfältig verlief das Leben Rio Reisers, um sich auf einen speziellen Wesenszug des singenden Politbarden festzulegen, der Musikant, Komponist, Songtexter und Schauspieler in einer Person war. Hätte man in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts junge Musikliebhaber nach der Nummer Eins unter Westdeutschlands Liedrockinterpreten gefragt, wären die Antworten wohl meist eindeutig ausgefallen: Rio Reiser! In einem Atemzug freilich mit „Ton Steine Scherben“ genannt, jener aufsässigen Kultband, der es spielerisch gelang, mit Songs wie „Keine Macht für Niemand“ oder „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ nicht nur im Westen überschwängliche Begeisterung hervorzurufen. Selbst in der DDR, hauptsächlich im ziemlich unübersichtlichen Stadtbezirk Prenzlauer Berg der Hauptstadt, stießen ihre rebellischen Lieder auf große Resonanz, gab es doch gewiss Parallelen zu Kreuzbergs Hausbesetzerszene, in deren Umfeld die Band als musikalisches Sprachrohr galt. Übrigens gelang es ebenfalls zwei Protagonisten aus der DDR, die das Phänomen Hausbesetzung thematisierten, von sich reden zu machen. Es handelte sich um das Gesangsduo Pannach, Kunert, um zwei aus der DDR ausgewiesene Ex-Mitglieder der verbotenen „Klaus Renft Combo“ aus Leipzig. Doch das war etwas später, zurück also zu Rio Reiser. Er wurde als Jüngster dreier Brüder am 9. Januar 1950 in Westberlin geboren. Seine Eltern wechselten sehr oft die Wohnorte, was den kleinen Ralph Christian Möbus, wie er in Wirklichkeit hieß, nie eine richtige Heimat finden ließ. Diesem Umstand war es wahrscheinlich zu danken, dass er sich stets wie ein umherziehender Vagabund fühlte. Die drei Brüder waren bereits in frühester Jugend sehr kreativ und befassten sich schon bald mit Theaterversuchen und anderen künstlerischen Projekten. Erste Gesangsfähigkeiten erwarb Ralph sich übrigens als Elfjähriger im Schulchor des Nürnberger Melanchton-Gymnasiums. Durch die Bekanntschaft des linksorientierten Aktionskünstlers Wolfgang Ewald Hallmann wurden ihre politischen Interessen geweckt. Mit letzterem versuchten sie sich an Liedtheaterexperimenten, und so kam es zur Bandgründung mit gleichgesinnten Akteuren, wie etwa 1966 der „Beatkinks“, die sich wenig später „de Galaxis“ nannten, geleitet vom Gitarristen Ral-
ph Peter Steitz, der als „Lanrue“ eine wesentliche Rolle im Lebens Rio Reisers spielen sollte. 1967 zogen die Brüder Möbius nach Berlin, weil ihnen sehr schnell klar wurde, dass sie mit ihren waghalsigen Theaterexperimenten in der fränkischen Provinz auf allgemeines Unverständnis stießen und gegen eine kalte Wand spielen würden. Unter schwierigsten Umständen gelang es ihnen, im Berliner „Theater des Westens“ die Rockoper „Robinson 2000“ zu inszenieren und uraufzuführen, was zur Folge hatte, dass sie mit der dortigen linken Szene in
ben“, der jedoch nicht ausgestrahlt wurde, womit wohl bewiesen war, dass es nicht nur in der DDR eine kulturbeschneidende Zensur gab. Als es dann zu gewaltigen Protestaktionen gegen den geplanten Abriss alter Wohnviertel im Stadtteil Kreuzberg kam, weil von den Stadtvätern die Idee ausging, Luxusvillen zu errichten, um viel Geld zu scheffeln, war es für die „Scherben“ selbstverständlich, dass sie sich politisch einmischten. Auch in anderen Städten kam es zu ähnlichen Aktivitäten, zu denen sie eingeladen wurden, da den Ver-
Gruppe „Elbe 1“, bevorzugten die „Scherben“ nun einen frecheren, zur Auflehnung anreizenden punkigeren Sound, der es ihnen ermöglichte, eine weit größere Publikumsresonanz zu erreichen. Agitation war seitdem nicht mehr ihr Anliegen, sie wollten sich nicht mehr moralsierender linker Rhetorik unterordnen lassen. Ihr Ziel hieß nun mehr denn je einfach mal Anarchie. 1972 folgten unzählige Auftritte in der gesamten BRD, und ihr zweites Album kam auf den Markt, diesmal sogar als Doppel-LP: „Keine Macht für Nie-
Berührung kamen. Wenige Jahre später, 1970, kam es mit Kai Sichtermann, Wolf Seidel und Lanrue zur Gründung von „Ton Steine Scherben“. Ihre erste Single „Macht kaputt was euch kaputt macht“ mit der B-Seite „Wir streiken“ wurde produziert, bevor sie ihre erste LP „Warum geht es mir so dreckig“ (1971) aufnahmen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt begannen sich die Medien für die Band zu interessieren, die im Lauf ihrer späteren Entwicklung oft die Mitglieder (hauptsächlich die Schlagzeuger) wechselte. Der damals schon sehr populäre Rockfotograf Jim Rakete schaltete sich ein und lud die Gruppe zu einer Fotosession ein, um in der „Berliner Zeitung“ ein Interview zu präsentieren. Auch die Kultfernsehsendung „Beatclub“ drehte einen Clip der „Scher-
anstaltern und Organisatoren mittlerweile klar war, welche positive Auswirkung ein Auftritt der Band auf das rebellierende jugendliche Potential hatte. „Ton Steine Scherben“ wurden zum rockigen Aushängeschild der Hausbesetzerszene. Doch schon bald wurde den Musikern bewusst, dass sie sich in eine musikalische Sackgasse begeben hatten. Ihre Gagen reichten nicht mehr aus, um sich zu ernähren. Es kam zu Unstimmigkeiten unter den Kollegen, und nach heftigen Diskussionen beschloss die Band schließlich, andere Wege einzuschlagen. Im Vergleich zu anderen sozialkritischen Musikern der alten Republik, wie beispielsweise dem spezifisch auf den Ruhrpott festgelegten großartigen Frank Beier, dem fränkischen Maximilian Kerner oder der Hamburger
mand“. Es sollte ihre populärste Scheibe werden. Auch ihre dritte LP „Komm schlaf mit mir“ wurde ein wahrer Verkaufsschlager. In den folgenden Jahren widerfuhr der Band nach mehreren Umbesetzungen abermals eine musikalische Veränderung. Die Texte boten zwar weiterhin gesellschaftkritische Aspekte, doch mischten sich in diese bereits sehr persönliche, von Melancholie geprägte Eigenheiten, die teilweise den Charme poetischer Chansons hatten. Auch die Instrumentalisierung durchwehte der Hauch einer sensibleren Herangehensweise. Ihre dritte Platte klang sehr gut, wurde von den alten Fans jedoch mit Enttäuschung aufgenommen. Im Juni 1975 zog die gesamte Band auf einen Bauernhof ins nordfriesische Fresehagen, um
Bild: Michael Fiegle / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0
Gedenken an einen Musikrebellen: Rio Reiser
in einer Kommune zu leben, alternativ, autonom und unabhängig. Die „Scherben“ legten eine kurzweilige Schaffenspause ein, und 1976 wurde das Ensemble „Captain Hammer“ gegründet, das jedoch kurze Zeit später floppte. Nach mehreren Neustarts der „Scherben“ folgten bis zur endgültigen Auflösung 1985 zahlreiche Konzerte und Plattenproduktionen, die jedoch im derweil aufkommenden kommerziellen Mainstream-Rummel kaum noch Beachtung fanden. Rio Reisers erstes Soloprojekt begann 1985, ein Jahr später erschien dementsprechend das Album „RIO I.“, im November. Es enthält zum Teil von den Scherben verworfenen Titel, die Rio neu bearbeitete. Der Song „König von Deutschland“ wurde ein Riesenhit, auch „Alles Lüge“ und „Junimond“ stießen auf große Resonanz. Die Aufnahmen der Platte klingen im Vergleich zu deren der Scherben sehr perfektioniert und glatt – nun ja, es war eine Columbia-Produktion. Die vierzehn Mitstreiter sorgten teilweise für ein gigantisches Soundfeuerwerk mit souligen Einlagen, und es war anzunehmen, dass er dadurch viele Scherbenanhänger verlor. Wie dem auch sei, auch durch die unzähligen späteren Alben wurde ihm das Attribut „Bester deutschsprachiger Songtexter“ zugeschrieben. Gestandene Rockgrößen wie Herbert Grönemeyer oder Udo Lindenberg bewunderten Rio Reiser. Lindenberg bezeichnete ihn überschwänglich als einen „Flammenwerfer mit deutschen Texten“. Besser kann man das nicht ausdrücken. Die zweite Platte „Blinder Passagier“ gilt als seine beste überhaupt. Nebenher komponierte er Musik für Film und Theater, wirkte in Filmen mit und textete für diverse andere Interpreten wie „Fettes Brot“, Marianne Rosenberg, Klaus Lage oder Uwe Ochsenknecht. Dass er trotz kommerzieller Erfolge ein politisch hoch motivierter Künstler blieb, bewies er, als er 1990 Mitglied der PDS wurde. Mit seinem letzten Studioalbum „Himmel und Hölle“ ging er 1996 nochmals auf Deutschlandtournee, diesmal auch mit bekannten Kollegen aus dem Osten, Lutz Kerschowski und dem kambodschanischen Cellisten Sunny Thet von der Gruppe „Bayon“. Die Tournee führte bis ins Plauener Malzhaus. Leider sollte das sein letzer Auftrittsort sein. Denn sein sich verschlechternder Gesundheitszustand ließ es nicht mehr zu, dass er die Tournee vollendete. Er starb am 20. August 1996 an Herzversagen. Eine Gedenktafel neben dem Haupteingang des Malzhauses erinnert an ihn. Jens-Paul Wollenberg
11/2016 Sachsens Linke!
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November 2016
Sachsens Linke
Diese Ausgabe hält eine Neuerung bereit: Erstmals sind zwei Kreisverbände mit einer eigenen Seite vertreten. Die Genossinnen und Genossen aus dem Erzgebirge und dem Landkreis Zwickau debattieren, ob sie dauerhaft in „Sach-
sensLinke“ präsent sein und so mithelfen wollen, die Landeszeitung zu erhalten. Der Kreisvorsitzende Klaus Tischendorf erklärt,
wie es dazu kam. Wir hoffen, dass sich weitere Kreisverbände anschließen werden, und bitten um Debatten vor Ort!
Aktuelle Infos stets auch
unter
e www.dielinke -sachsen.d CDU-organisiertes Staatsversagen
Das Neueste aus dem Landesvorstand In unserer letzten Beratung des Landesvorstandes hat uns Falk Neubert über die Arbeit des MDR-Rundfunkrates infor-
miert. Wir entsenden als Partei alle vier Jahre einen Vertreter in dieses Gremium. Beim jetzt ständigen Tagesord-
Die Landesgeschäftsstelle sucht Mitstreiter*innen Ein junges Team hat viele Vorteile. Aber eben auch den Nachteil, dass manchmal andere berufliche Herausforderungen über den Weg kommen oder eben schlicht und ergreifend die Familienplanungen der Mitarbeiter*innen voran geht. Wir freuen uns natürlich über Nachwuchs oder wenn unsere Mitarbeiter*innen sich neuen Herausforderungen stellen. Aber … genau deshalb haben wir ab sofort Stellen zu vergeben. Wir suchen ein*e Buchhalter*in, eine Elternzeitvertretung für den
Bereich Veranstaltungen/ Organisation/Wahlen und ein*e Mitarbeiter*in für den Wahlkampf. Losgehen kann es sofort. Wenn ihr Lust auf die Aufgaben habt, dann meldet Euch bitte in der Landesgeschäftsstelle. Da bekommt ihr alle nötigen Informationen. Wir brauchen Menschen, die organisatorisch fit sind, Spaß an Unterstützung LINKER Politik haben, Teamarbeit toll finden, in Vollzeit zur Verfügung stehen! Bezahlt wird nach Tarif. Arbeitsort ist Dresden.
nungspunkt „Vorbereitung der Bundestagswahl“ haben wir beschlossen, wie wir in Sachsen das Bundestagswahlprogramm diskutieren wollen. Es wird vor-Ort-Angebote zur Debatte geben, aber auch thematische Regionalkonferenzen. Es wurde weiterhin beschlossen, in der Finanzplanung für das Jahr 2017 für den Jugendwahlkampf 6000,00 Euro zu berücksichtigen, da der Jugendverband eigene inhaltliche Akzente setzen will und eine Tour plant. Der Landesvorstand hat sich einen Überblick darüber verschafft, wie der Stand zur Schulgesetznovelle und vielen weiteren Beschlüssen des 13. Landesparteitages ist, bei denen die Landtagsfraktionen Arbeitsaufträge erhalten hat. Zum Landesentwicklungskonzept ALEKSA. 2030 wird es am 18. März 2017 einen Workshop geben, bei dem der Entwurf eines Leitbildes diskutiert wird, erste Schwerpunkte gesetzt werden, aber auch die Prozessplanung mit Mitgliedern unserer Partei besprochen wird.
Weiterhin haben wir Jakob Müschen als Jugendkoordinator zum 1.1.2017 eingestellt, da sich unsere derzeitige Jugendkoordinatorin Marie Wendland in Vollzeit ihrem Studium widmen will. Weitere Themen der Beratung waren: • Tag der Mitglieder 2017 • Einberufung Kreiswahlversammlung für die Nominierung von Bundestagskandidatinnen und -kandidaten • Finanzielle Unterstützung der Busanreise zum Protest gegen des Bundesteilhabegesetz am 7. November in Berlin • Finanzplanung 2017, Abrechnung 3. Quartal 2016 Protokolle und Beschlüsse des Landesvorstandes findet ihr unter www.dielinke-sachsen.de
Sachsen ist zu einem Sanierungsfall geworden. Der Freistaat hat grundlegende Probleme in vielen Bereichen: Bildung, soziale Sicherheit, Öffentlicher Nahverkehr, Polizei und Justiz, Pflege, Langzeitarbeitslosigkeit und vieles mehr. Dafür gibt es Verantwortliche: Sachsens CDU. Wenn die sich ausruht auf der führenden Platzierung des sächsischen Schulsystems im Bildungsvergleich, während es nicht genug ausgebildete Lehrkräfte gibt, um den Unterricht abzusichern, dann ist das Staatsversagen. Wenn auf der Straße der Mob wütet, Asylunterkünfte brennen oder Andersdenkende von Nazis und Rassisten bedroht werden, und die regierende CDU dazu schweigt, dann ist das Staatsversagen. Und die Pannen bei der Verhaftung des Chemnitzer Terrorverdächtigen bis hin zu seinem Selbstmord? Wie soll ich das nennen, wenn nicht Staatsversagen? Erst Polizei und Justiz bis zur Handlungsunfähigkeit kaputt sparen, das Personal mit Problemen alleinlassen, dann aber fordern, man möge mit den Behörden nicht so hart ins Gericht gehen – das ist unverantwortlich. Wer Probleme benennt, ist in den Augen der CDU ein Nestbeschmutzer. Man dürfe nicht die Leistungen der Menschen im Freistaat schmälern, heißt es dann. Doch darum geht es gar nicht. Es geht um das Versagen der CDU, für das sie die Menschen dreist in Mithaftung nimmt. Wenn wir wollen, dass sich Sachsen ändert, muss sich Sachsens Politik ändern. Die CDU muss von der Regierungsbank verschwinden. Und zwar so schnell wie möglich.
Sachsens Linke! 11/2016
Meinungen
Zu „Duma-Wahlen in Russland“ (Sachsens Linke! 10/2016, S. 4) und „Ukraine – ein schwarzer Fleck in Europa“ (Sachsens Linke! 10/2016, S. 6) Der Bevölkerung Russlands geht es heute deutlich besser als unter Jelzin und als heute in der Ukraine. Deshalb unterstützt ein Großteil der Bevölkerung die aktuelle Politik. Führt die teilweise deutlich geringere Wahlbeteiligung in der BRD auch zur Forderung, dass „alle Parteien sowie die Regierung“ sich fragen müssen, „ob sie die Krise, die Unzufriedenheit und die Unsicherheit der Leute richtig verstanden und ihr entgegengearbeitet haben“? Und verliert nicht auch bei uns die LINKE gegenüber den Rechten, wenn sie herrschende Politik nur etwas sozialer gestalten will? Oder geht es nur gegen Russland, weil diese der imperialistischen Politik des Westens im Weg steht? Aber warum beteiligt sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung daran? Und warum wird die Wiedervereinigung der Krim mit Russland als Annexion bezeichnet? Würde nach einem nationalistischen Putsch bei uns mit starker faschistischer Beteiligung, der Abspaltung eines Bundeslandes, das diesen nicht mitträgt, und der Vereinigung mit einem demokratischen Nachbarland auch von einer Annexion gesprochen? Rita Kring, Dresden
rungen“ zu machen. 2. Der Integrationswille der Mächtigeren ist vonnöten. Leider wird gegenwärtig mit Integration aber nur Anpassung/Assimilation gemeint. Aber selbst wenn sich die Benachteiligten noch so sehr anpassen, sie werden nicht als gleichwertig akzeptiert. Außerdem können sie so ihre Stärken, z. B. ihre besonderen Fähigkeiten, nicht nutzen. Und warum sollen nicht auch die Mächtigeren von den Benachteiligten lernen? Wäre somit nicht eine gleichberechtigte Zusammenarbeit am besten? Uwe Schnabel, Coswig
Zu „Integration braucht Beteiligung“ (Kommunal-Info 8/2016, S. 3) und „Das Recht darf nicht dem Unrecht weichen“ (Parlamentsreport September 2016, S. 2) Alle Personen haben Stärken und Schwächen. Keine Person darf aber ausgegrenzt, benachteiligt und behindert werden, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Vorfahren, körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen oder weil sie sonst nicht der Norm entspricht. Behindert ist man/frau nicht, behindert wird man/frau. Zwei wichtige Punkte für eine Integration Benachteiligter wurden genannt: 1. Die Benachteiligten müssen aktiv mitgestalten können, auch um „praktische Selbstverwirklichungserfah-
Zum Leserbrief von Uwe Schnabel in Sachen Braunkohle (SachsensLinke 10/2016, S. 2) Lieber Genosse Uwe Schnabel, es freut mich, dass Du meine Zuschrift gelesen hast. Ich habe mich dort zu einigen wenigen Aspekten der Reform des EEG geäußert. Wir sind uns sicher einig, dass nach dem Ausstieg aus den Atomkraftwerken der Ausstieg aus der Braunkohlenverstromung kommen muss. Bei den übrigen Themen sind wir nicht einer Meinung. Die Versorgung der Bürger, Wirtschaft und öffentlicher Einrichtungen, z.B. Krankenhäuser mit Strom, ist ein breites Feld, füllt viele Fachbücher. Es gibt dabei die gesellschaftspolitischen Themen und die physikalischtechnische Seite. Von letzteren haben die meisten Politiker keine Ahnung. Wichtig: Die Stromerzeugung muss zu jeder Zeit genauso hoch sein wie die Abnahme durch die Kunden. Das regelt die Netzagentur. Bei der Stromerzeugung vorwiegend aus Windkraftgeneratoren und Solaranlagen gibt es das Problem, dass bei lang andauernder Windstille, nachts und bei starker Bewölkung die erzeugte Strommenge den Bedarf nicht decken kann. Sind die Speicher entleert, müssen Verbraucher abgeschaltet werden. Bei der Abschaltung von Stromnetzen kann es dazu kommen, dass sich automatisch weitere Netze abschalten – das nennt man Blackout, einen flächendeckenden Stromausfall eines Landes.
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Sachsens Linke! Die Zeitung der LINKEN in Sachsen
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen.
Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V.,
Seite 2 Zweitens: Ob eine dezentrale Energiegewinnung kostengünstiger ist, ist umstritten. Es ist ein besonderes Kapitel in der Energiepolitik. Auf jeden Fall ist es keine „erneuerbare Energie“. Wer den Begriff „erneuerbare Energie“ eingeführt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls hatte er oder sie keine Ahnung von Physik. Man kann einen Reifen runderneuern, nicht die Energie. Den Begriff erneuerbare oder regenerative Energie gibt es in der Physik nicht. In der Physik gilt der Erhaltungssatz der Energie. Die wichtigste Aussage daraus lautet: Energie lässt sich umformen. In Pumpspeicherkraftwerken und sonstigen Speichern wird die Energie gespeichert und bei Bedarf freigesetzt. Übrigens sind ausreichend große Energiespeicher bei 100 % alternativen Energie die Achillesferse. Die Windund Solarenergie sollte man richtigerweise mit alternativen Energien bezeichnen, d. h. alternativ zu Kernkraft, Kohle- und Gaskraftwerken. Nicht ganz unerwähnt sollte man lassen, dass in naher Zukunft, trotz fallender Strompreise an der Börse, mit einem Ansteigen der Strompreise für Normalkunden zu rechnen ist, weil die EEG-Umlage steigt. Sie resultiert aus der garantierten Abnahme des Ökostroms und den steigenden Netzkosten. Siehe SZ vom 15./16.10.2016 Seite 24. Fragen bzw. Meinungen kannst Du mir brieflich oder telefonisch mitteilen. Die Zeitung der Linken ist dafür nicht gut geeignet. Joachim Loos, Bautzen Zu „Vorbereitung der Bundestagswahl: Lasst uns streiten. Um Inhalte!“ und zu „Ukraine –e in schwarzer Fleck in Europa (SachsensLinke! 10/2016, S. 1, 6) Antje Feiks fordert zum Streit um Inhalte heraus. Das ist dann gut, wenn man Öffentlichkeit erreicht. Das ist besonders in der Presse mitunter nicht leicht (ich habe das im nd in letzter Zeit mehrfach versucht – vergebens!). Im Jugendteil von SachsensLinke schreibt Franziska Fehst von ihrer Reise in die Ukraine. Es ist schon gut, dass unsere linke Jugend solche Verbindungen pflegt. Leider hat auch sie einiges Vokabular mancher linker Spitzenfunktionäre übernommen. Sie schreibt von ei-
ner „Annexion der Krim“. Das ist auch dar Wortschatz von Frau Merkel. In Meyers Neuem Lexikon heißt es zum Begriff Annexion: „gewaltsame Einverleibung fremden Staatsgebietes und Unterdrückung seiner Bevölkerung“. Davon kann im Fall der Krim keine Rede sein. Im Gegenteil: Ganz im Sinne der UN-Resolution 2625 (XXV) vom 24.10.1970, die das Sezessionsrecht nachdrücklich anerkennt, hat das Volk der Krim von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch gemacht und sich in einem demokratischen Plebiszit für Russland entschieden. Dem Antrag der Krim hat die russische Duma zugestimmt. Auch die Aufnahmeprozedur folgte streng demokratischen Prinzipien (siehe das Buch von Sergej Baburin von 2014 – eine historisch-juristische Begründung dieses Aktes, in Russisch). Und das Selbstbestimmungsrecht hat völkerrechtlich Vorrang gegenüber dem Souveränitätsanspruch von Staaten. Die LINKE verfügt über genug juristischen oder auch militärischen Sachverstand. Wenn sich die Bundestagsfraktion einen ehemaligen NATO-General als Gesprächspartner sucht, warum tut sie das nicht mal mit einem ehemaligen NVA-General? Noch leben welche, hochqualifizierte und den Völkern der damaligen Sowjetunion noch heute zugetan. In Fragen Krieg-Frieden, Aggressivi-
tät der NATO und speziell des deutschen Imperialismus können sie bestimmt linke Standpunkte besser, qualifizierter formulieren. Nur zugreifen muss man, ohne erst auf die CDU oder die SPD zu schielen. Also – große Anerkennung für Franziska Fehst, nur das mit der „Annexion“ der Krim sollte sie noch einmal überdenken. Heinz Bilan, Leipzig
Termine Offene Mitgliederversammlung der LAG Bedingungsloses Grundeinkommen 19. November 2016, 13:00 Uhr Interim., Demmeringstraße 32, Leipzig Die Veranstaltung ist offen für alle, die sich für das BGE interessieren. Wir werden über unsere Pläne im nächsten Jahr diskutieren, über unser Agieren im Bundestagswahlkampf und über das Modellprojekt eines „Basic Income Grant“ in Namibia sprechen. Außerdem werden wir Wahlen durchführen. Im Anschluss findet ab 17 Uhr eine öffentliche Veranstaltung mit Michael Hirsch (Philosoph & Autor) zum Thema „Die Überwindung der Arbeitsgesellschaft“ statt. Hirsch wird die zentralen Thesen seines gleichnamigen Buches vorstellen.
fds Sachsen: Neuer Sprecher*innenrat Im Zeichen einer beginnenden öffentlichen und innerparteilichen Debatte um ein mögliches Mitte-LinksBündnis nach der Bundestagswahl traf sich am 15. Oktober 2016 das Forum demokratischer Sozialismus Sachsen zur Mitgliederversammlung. Zum Landesparteitag wurden Dr. Christel Neuhaus und Steffen Klötzer delegiert. Das Mandat für den Landesrat blieb unbesetzt. In den Landessprecher*innenrat wurden gewählt: Lars Aßhauer, Simone Hock, Steffen Klötzer, Dr. Christel
Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus gedruckt.
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Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Thomas Dudzak, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt, Ralf Richter, Stathis Soudias.
kontakt@dielinke-sachsen.de Tel. 0351-8532725 Fax. 0351-8532720 Redaktionsschluss 25.10.2016
Neuhaus, Uwe Schuch und Marika Tändler-Walenta. In der Diskussion über die anstehenden Aufgaben bestand Einigkeit, dass ein wirklicher Politikwechsel nur mit einer starken LINKEN zu erreichen ist. Ohne Bündnispartner wird aber die Bekämpfung von prekärer Beschäftigung, von Altersarmut, Kinderarmut und sozialer Spaltung nicht möglich sein. In die dringend vor allem innerparteilich kulturvoll zu führenden Dialog wird sich das fds Sachsen verstärkt einbringen. Steffen Klötzer
Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 01.12.2016.
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Merkwürdige Nachrufe auf Manfred Krug Das war eine große Geschichte in Böhmen und Sachsen, die natürlich in der DDR verfilmt werden musste. Es wäre auch heute interessant, wenn der MDR die sieben Teile erneut zeigen würde – und sie auch als DVD in die Bibliotheken käme. Schließlich hat es auch etwas mit Heimatgeschichte zu tun. Auf der Homepage der Gemeinde Großolbersdorf im Erzgebirge wird Stülpner als berühmte Persönlichkeit geführt – und zwar als „Wilderer, Rebell und Deserteur“. Sein Grab wird noch heute im Ort gepflegt. Manfred Krug als Wilderer, Rebell und Deserteur? Im Film schien ihm die Rolle auf den Leib geschrieben zu sein. Was das reale Leben betrifft, so inszenierte er sich spätestens in der Biermann-Affäre als Rebell und wurde danach auch von vielen seiner ehemaligen Fans im Osten als Deserteur betrachtet. Keiner reiste so nobel aus wie Manfred Krug – eigentlich zog er nur innerhalb einer Stadt um. Als er mit Mercedes und Familie die geschichtsträchtige, für den Agentenaustausch bekannte Glienicker Brücke passierte, hatte er schon ein Haus in Schöneberg gekauft. Sein Ost-Berliner-Haus behielt er selbstverständlich. Materiell verbesserte sich Krug mit der Übersiedlung. Aber als Künstler?
Gemeinsam mit großartigen Kollegen wie Eberhard Esche, Ruth Hohmann, Gerd E. Schäfer und den Berliner Jazz-Optimisten war er durch die gesamte DDR getourt und hatte ein hochwertiges Kulturprogramm geboten. So etwas wäre auf der „anderen Seite“ nicht möglich gewesen, schon weil es dort keine Kulturhäuser gab. In der DDR tourte der Künstler Manfred Krug, von Westberlin aus war er nur „Auf Achse“, dafür dann aber weltweit. Er bedankte sich oft für die“ Rollen, schließlich müsse er drei Kinder und eine Frau ernähren. Auf der CD „Jazz – Lyrik – Prosa“ von 1995 singt er nicht nur „We shall overcome“, sondern er präsentiert auch die sowjetische Humoreske „Die Kuh im Propeller“, beschäftigt sich aber auch in einer Ballade mit dem grausamen Schicksal des Briefträgers William L. Moore aus Baltimore, der sich als Bürgerrechtskämpfer für gleiche Rechte von Schwarzen und Weißen in den Südstaaten einsetzen will und das nicht überlebt. Man f r e d K r u g
Die Kraft einer Utopie Es ist ein erstaunliches Buch. Sein Autor Manfred Lütz ist kein Historiker und kein Politologe, sondern ein Mann der Wirtschaft, wie er sich selbst bezeichnet. Heute ist er als Rentner noch mit einigen einstigen beruflichen Aufgaben befasst. Sein Buch ist kein Schnellschuss, kein Resultat flüchtiger Überlegungen, sondern das Ergebnis einer nahezu 20jährigen akribischen Arbeit, die, in vier Teile gegliedert, insgesamt 29 Kapitel umfasst und ohne wissenschaftliche Betreuung entstand. Lütz lässt sich „im Nachhinein und mit größerem Abstand betrachtet” von der Ansicht leiten, „dass wir im Osten ein Stück Zukunft erlebt haben; in Form einer frühgeschichtlichen Revolution”. Das wird nicht schlechthin behauptet, sondern anhand der Realität des Geschichtsprozesses belegt. Fehler und Mängel werden benannt, Ursachen für die Niederlage der sozialistischen DDR, für den Sieg der kapitalistischen BRD verdeutlicht. Lütz war nicht bestrebt, seine Darstellung als theoreti-
sche Arbeit abzufassen. Es war nicht seine Absicht, in die geschichtswissenschaftliche Debatte einzugreifen. Für ihn sind nicht Fachwissenschaftler, Historiker und Politologen die Adressaten seines Buches. „Das Buch ist speziell für Menschen gedacht”, schreibt er, „die gern etwas darüber erfahren möchten, bisher aber nur ,anderes‘ gehört haben“. In diesem Sinne ist er bemüht, eine an deutscher Zeitgeschichte interessierte Leserschaft, die bisher mehr oder weniger nur die des Zeitgeistes kennt, anzusprechen, mit ihr in einen indirekten Dialog zu kommen. „Ich kann nur raten”, empfiehlt er, „das Buch nicht wie einen Roman lesen zu wollen, sondern nach jedem Kapitel kurz zu unterbrechen und zu überlegen, ob das richtig sein könnte, was ich geschrieben habe, und manches noch einmal zu lesen“. Dem dient eine lebensnahe Darstellung, die an die Erfahrungen der Menschen anknüpft und bemüht ist, marxistische Theorie zu vermitteln. Lütz versucht nachzuweisen,
dass zwar der „reale Sozialismus“ in Europa gescheitert ist, aber bei weitem nicht die sozialistische Idee. Er teilt die Auffassung von Marion Gräfin Dönhoff, die bereits vor Jahren in der Hamburger Zeitung „Die Zeit“ schrieb: „Die Niederlage des Marxismus bedeutet nicht den Triumph des Kapitalismus. Gescheitert ist er als wirtschaftliches System, nicht aber als Utopie, als Summe uralter Menschheitsideale: soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Freiheit für die Unterdrückten, Hilfe für die Schwachen. Damit ist er unvergänglich.“ Diese Utopie wird, davon ist Lütz überzeugt, früher oder später zur Realität werden. 163 Fußnoten zeugen vom Bemühen des Autors um eine akzeptable Quellen- und Literaturbasis. Dennoch vermisst man ganzheitliche Darstellungen zur Geschichte der DDR. Prof. Dr. Kurt Schneider Lütz, Manfred: Die „Superaktiengesellschaft”. GNN Verlag, Schkeuditz 2016, 272 S., 14 Euro. ISBN 978-3-89819415-0
war im Westen populär – groß aber war er im Osten. Denn als Künstler wurde er, wie Götz George – der wie Manfred Krug aus dem Ruhrpott stammte –, durch den westdeutschen Kulturbetrieb klein gehalten. Auch Götz George kennen die meisten als „Schimanski“, nicht als „Totmacher“. Große Rollen in großen Filmen in Westdeutschland? Als Manfred Krug weg war, spielte Rolf Hoppe den Göring an der Seite von Klaus Maria Brandauer im „Mephisto“ unter der Regie von Istvan Szabo. So etwas war Manfred Krug nie vergönnt. Im Osten war Manfred Krug e i n
vielfältiger Künstler, im Westen wurde er unter Wert verkauft. Man kann aus diesem deutsch-deutschen Schicksal eines Mannes, der in Duisburg geboren wurde und als 12-Jähriger in die DDR kam, bevor er als Erwachsener wieder in den Westen entschwand, vieles über die deutsch-deutsche Geschichte lernen – wenn man die Fakten kennt. Ralf Richter
Bild: Bundesarchiv, Bild 183-K0622-0001-001 / Katscherowski (verehel. Stark), / CC-BY-SA 3.0
Im Deutschlandradio Kultur erklärte ein junger Moderator, womit Manfred Krug seinen großen Durchbruch als Schauspieler in der DDR gehabt habe: mit dem Film „Spur der Steine“. Der MDR bezeichnet „Spur der Steine“ als bedeutendsten Manfred-Krug-Film in der DDR. Was? „Spur der Steine“ kannte man in der DDR praktisch nicht. Der Film lief etwa zwei Tage lang, bevor es aus den Kinos verschwand. Das war 1966. Der Film wurde in Ostdeutschland erst populär, als es die DDR praktisch nicht mehr gab. Er kam 1990 in die Kinos und wurde dann wirklich gefeiert. Aber mit „Spur der Steine“ zum Durchbruch als Schauspieler in der DDR? Etwas Verrückteres kann man sich kaum vorstellen. Warum sollte ein Film, bei dem Manfred Krug dem Staatschef Walter Ulbricht äußerst unangenehm aufgefallen war, für Krug der Karrieredurchbruch gewesen sein? Manfred Krug war im Osten ein vielseitiger anerkannter und populärer Künstler. Ich sah ihn das erste Mal als Kind in der „Stülpner-Legende“. Krug spietlte Karl Stülpner, den legendären Wilderer aus dem Erzgebirge, der im sächsischböhmischen Grenzgebiet der Herrschaft das Wild wegschoss, um der armen Bevölkerung Fleisch zu schenken.
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DIE LINKE im Erzgebirge
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Schluss mit der Selbstbescheidung! mente der Gesellschaft angreifen“ will. „Man attestiert uns häufig einen Mangel an Pragmatismus, an Kompromissfähigkeit und dem Willen, unsere Ziele auch umzusetzen. Es fällt uns in Sachsen, in Deutschland und in Europa auch, schwer, Kraft zu ziehen für den Bau ei-
ist, an Bedeutung gewinnt. Interessant ist und mitreißend wird, was aus dem Rahmen des Erwarteten fällt. Die LINKE habe, so Pätzolt, ein Programm für alles, was sie wolle und nicht wolle, aber keines dafür, wie sie ans Ziel zu kommen gedenkt. Anstatt
ner neuen Ordnung. Das ,Lager der Solidarität‘ ist ein bloßer Gedanke, keine kraftvolle Bewegung“. Die Partei strahle nicht aus, woran die meisten Menschen im Land ohnehin zweifelten: „Den Glauben an eine politische Gestaltung der Welt, die aus den Fugen geraten ist“. Gewiss: Wer verändern will, braucht eine Vision und die Option, sie umzusetzen. Allerdings, möchte man ergänzen, darf die Vision nicht an Aufmerksamkeit einbüßen, weil vor allem über Optionen geredet wird – Stichwort Rot-RotGrün. Harald Pätzolt schlägt vor, „Träume wieder ins politische Geschäft einzuspeisen“. Sicher müssen wir dabei wieder provokanter und emotionaler vorgehen, zumal die „gefühlte Realität“ in einer Welt, die immer weniger zu fassen
den Menschen ständig zu sagen, wie schlecht die Welt ist – das wissen sie selbst –, solle Zuversicht vermittelt werden, dass wir Probleme lösen können. Dabei, so appelliert Pätzolt, sollten wir uns nicht auf die Arbeitsteilung der Ebenen verlassen und glauben, Landespolitik könne nur in Dresden, Bundespolitik nur Berlin, Europapolitik nur in Brüssel gemacht werden. Statt sich mit den Regeln und dem Gegebenen zu bescheiden, solle öfter „das große Rad gedreht“ werden, im kapitalismuskritischen Sinne. Denn die Verhältnisse wirkten sich ganz konkret auf das Leben aus. Auch auf den unteren Ebenen seien Ansprüche zu stellen. Andernfalls gebe es keine „politische Politik“. Fragen wir also: Weshalb gibt es zum Beispiel Niedrig- oder gar Negativzinsen? Welche
Bilder: Wolfram Dittmann
Berlin in Hilmersdorf – das erlebten die erzgebirgischen Genossinnen und Genossen bei ihrer jüngsten Mitgliederversammlung. Personifiziert wurde das durch Dr. Harald Pätzolt, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Strategie und Grundsatzfragen beim Parteivorstand. Schon im Vorfeld seines Vortrages, den eine rege Diskussion würdigte, plädierte er in einem Papier für „Linke Politik aus Sachsen heraus“. Laut Pätzolt erleben wir alle einen „Globalisierungsschock“. „Es bricht über uns herein, was die Regierungen von Angela Merkel von uns fern zu haltenversucht haben: dass es jenseits der deutschen Grenzen eine Realität gibt, die fremd, bedrohlich, ungemütlich ist. Terror in Paris, Übergriffe in Köln zu Silvester, Flüchtlinge in großer Zahl, Krimkrieg und Brexit, Verwerfungen mit der Türkei, mit Russland sowieso, Klimakatastrophen, TTIP und was nicht noch alles. Für viele Menschen ist das einfach zu viel. Angst macht sich breit“. Hinzu komme Wut auf „die Politik“, die es nicht schaffe, all das fern zu halten, worum die meisten sich nicht selbst kümmern wollten. Die Reaktionen seien augenfällig: Die Bundeskanzlerin versuche, „mit Reparaturen das gewohnte, bequeme Leben zu bewahren“. Die Populisten von der AfD wollten einfach eine große Mauer um Deutschland bauen. Und die Linke – nicht nur die LINKE – sehe sich darin bestätigt, dass eine neue Ordnung nötig ist, die für Sicherheit und Gerechtigkeit sorgt. Eine solche wäre „ein Generationenprojekt für Jahrzehnte“. Allein: Die Linke schaffe es nicht, zu vermitteln, dass sie auf dem Weg dorthin „nicht leichtfertig die Funda-
Folgen hat es eigentlich, dass Bayer den Lebensmittelkonzern Monsanto geschluckt hat? Wäre es nicht sinnvoll, wieder staatliche Lohn- und Preispolitik zu betreiben? Weshalb reden wir immer über Steuern, aber kaum darüber, wie Einkommen und Vermögen erworben, wie Gewinne der Unternehmen aufgeteilt werden, wer sie sich aneignet? Neben den Strategiedebatten waren Entscheidungen zu treffen. Klaus Tischendorf wurde mit 58 Ja-Stimmen (98 Prozent) als Direktkandidat für die Bundestagswahl gewählt. Er tritt gegen seinen Landtagskollegen Alexander Krauß an, der sich „sozialpolitischer Sprecher“ der CDU-Fraktion nennt. Der bemüht sich freilich redlich, jeden Anschein von Nächstenliebe und Empathie zu vermeiden. Für Menschen, die aus Kriegs- und Krisengebieten fliehen müssen, hat er Zynismus übrig: „Wer sein Kind allein um die weite Welt reisen lässt, sollte dafür nicht auch noch mit einer Aufenthaltserlaubnis belohnt werden.“ Als ob Eltern ihre Kinder freiwillig in ein ungewisses Schicksal und den möglichen Tod schicken würden, um sich
selbst ein paar Euro Stütze in Deutschland zu verschaffen! Das ist AfD-Niveau. Man kann sich nur für den Familienvater Krauß freuen, dass er sich nicht in der Situation derer befindet, die er verhöhnt, dass er nicht entscheiden muss, welches seiner Kinder auf die „Reise“ gehen soll. In der satten westlichen Welt fällt es Politikern wie Krauß offensichtlich leicht, sich in der Auffassung zu wiegen, man müsse sich andernorts eben mit dem Sterben abfinden, um den Industrieländern keine „Unannehmlichkeiten“ zu bereiten. Juliane Nagel hat ihn einen „Asozialpolitiker“ genannt. Die Auseinandersetzung wird spannend! Womit wir wieder bei Pätzolts Plädoyer wären. Sozialpolitik ist weitgehend Bundessache. Wir wären schlecht beraten, von der Bundesebene zu erwarten, dass sie uns den Kampf für soziale Sicherheit abnimmt. Wir sind die Partei. Wir können nah am Menschen sein, in unserem täglichen Lebensumfeld. In diesem Sinne ist Berlin auch in Aue, Oberwiesenthal, Annaberg, Marienberg, Seiffen, Hilmersdorf. Schluss mit der Selbstbescheidung! Kevin Reißig
Wieso publizieren Kreisverbände in der Landeszeitung? „SachsensLinke“ sprach mit dem Vorsitzenden Klaus Tischendorf über die neue Präsenz „seines“ Kreisverbandes Erzgebirge in der Landeszeitung. Klaus, plötzlich sind Kreisverbände in der Landeszeitung als Rubriken präsent. Wieso das? Das ist zunächst ein Testlauf, zu dem wir uns im Erzgebirge entschlossen haben. Zu den Hintergründen muss ich etwas ausholen. Unsere Landeszeitung besteht aus vier Teilen: Der Mantelteil „Links!“ wird vom gemeinnützigen Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen herausgegeben. Zu ihm steuern drei Partner jeweils eine eigene Publikation bei: der Landes-
verband („SachsensLinke“), die Landtagsfraktion („Parlamentsreport“) und das Kommunalforum Sachsen e. V. („Kommunal-Info“). Die Partner zahlen dafür an den Verein, der so unter anderem die Kosten der Zeitung deckt. Jahrelang wurde die „Links!“ über die Bürostruktur verteilt, allerdings mit großen Verlusten. Oft blieben ganze Papierstapel liegen. Auch deshalb hat der Landesvorstand beschlossen, den Trägerverein zu bitten, die Landeszeitung per Deutscher Post zu versenden, und zwar an alle Genossinnen und Genossen. Dadurch sind die Kosten für den Verein enorm gestiegen. Jede Ausgabe hinterlässt ein Finanzierungsloch in vierstelliger Höhe, für das der
Landesverband einspringen muss. Das kann nicht ewig so weiter gehen. Das Spendenaufkommen hat sich zwar dankenswerterweise erhöht, auf Dauer reicht das aber leider auch noch nicht. Also stößt der Verein jetzt die alte Debatte wieder an, die Kreiszeitungen in die Landeszeitung zu packen. Wie stellt man sich das vor? Auf lange Sicht sollen alle Kreisverbände eine bis zwei Seiten in der Landeszeitung bekommen, um sich mit wichtigen Themen präsentieren zu können. Der Gesamtumfang der Zeitung wird dann aufgestockt, je nachdem, wie viele mitmachen. So erschließt sich der Trägerverein eine Einnahmequelle und kann
seine Kosten hoffentlich decken. Gleichzeitig können auch Kreisverbände einsparen, wenn sie für ihre Kreisseite(n) weniger an den Verein zahlen müssen, als sie sonst für ihre Kreiszeitungen ausgeben würden. Wird dann eure Kreiszeitung „DIE LINKE im Erzgebirge“ eingestellt? Mir ist klar, dass an den Kreiszeitungen viel Herzblut hängt. Die halten schließlich wichtige Infos für unsere Strukturen vor Ort bereit, die in einer landesweiten Zeitung keinen Platz finden können – etwa Geburtstagsanzeigen. Deshalb ist auch nicht geplant, die Kreiszeitung einzustellen. Sie soll in ein Infoblatt umgewandelt werden, das
mit wenig Aufwand selbst hergestellt werden kann. Wenn sich dann zeigt, dass der Gang in die Landeszeitung doch nicht praktikabel ist, kann zur alten Form zurückgekehrt werden. Was wünschst Du Dir? Ich hoffe auf positive Resonanz und darauf, dass wir in die Pötte kommen. Die übrigen Kreisverbände sollten unserem Beispiel folgen und diskutieren, ob und wie sie mittel- bis langfristig ebenfalls in der Landeszeitung präsent sein wollen. Das wäre ein guter Beitrag, um unsere Zeitung zu erhalten. Es ist höchste Zeit, dass sich die Kreis- und Stadtverbände zu unserer Landeszeitung bekennen und an dem Projekt beteiligen.
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DIE LINKE. Kreisverband Zwickau
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Kommunalpolitischer Tag im Landkreis Zwickau Welche Herausforderungen erwarten die Kommunalpolitik in Bezug auf Mobilität und Gesundheitsversorgung in Stadt und ländlichem Raum und welche Finanzen stehen dafür zur Verfügung? Hierzu fand am 15. Oktober der Kommunalpolitische Tag im Landkreis Zwickau statt, organisiert vom Kommunalpolitischen Forum. Zu Beginn sprach Dr. Jürgen Blume, Vorsitzender unserer Kreistagsfraktion, zu aktuellen und künftigen Schwerpunkten im Kreistag. Das sind vor allem die Fortschreibung des Ju-
gendhilfeplans sowie der ÖPNV, speziell das Ringen um eine kostenfreie Schülerbeförderung. Die zukünftige Gestaltung der Berufsschullandschaft ist ein weiteres Thema. Carmen Baumgart, Geschäftsführerin der Bezirksgeschäftsstelle Chemnitz der kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, schilderte die Situation der medizinischen Fachversorgung unserer Region. Die dargestellten Planungsgrundlagen und deren Auswirkungen zeigten uns teilweise völlig neue Zusammenhänge
zwischen der gesetzlich vorgeschriebenen Anzahl an Medizinern und dem gefühlten wie tatsächlichen Ärztemangel. Wege mit dem ÖPNV zurückzulegen, ist eine weitere Herausforderung. Dr. Thomas Voigt (SPD) verdeutlichte in seinem Vortrag, dass dies auch anders sein kann und es durchaus realistische Pläne für eine verbesserte Mobilität im ländlichen Raum gibt. Er entwarf die Zukunftsvision eines bedarfsgedeckten und bezahlbaren bus- und schienengebundenen Nahverkehrs, der
Interkulturelles Fest auf dem Hauptmarkt Am 1. Oktober wurde der Hauptmarkt in Zwickau zum bunten Festgelände. Westsächsische Hochschule, Lutherkirchgemeinde, Vereine, Parteien und Organisationen warteten mit einem bunten Angebot auf und boten Gelegenheit zum Informieren und Kennenlernen. Es gab internationale Köstlichkeiten, zum Beispiel aus den Heimatländern der Zugezogenen. Für jeden war etwas dabei. So konnten die OrganisatorInnen um das Büro der Ausländerbeauftragten der Stadt Zwickau, Ulrike Lehmann, der Lutherkirchgemeinde und dem Koordinierungsbüro des Gasometers weit über
1.000 Gäste begrüßen. Herzlichen Dank allen Beteiligten und jenen, die das Fest mit Sach- und Geldspenden
unterstützten, wie etwa die Spendenvereine unserer Bundestags- und Landtagsfraktionen!
Gratulation zum 70. Parteijubiläum
Herbstwanderung mit Sommerfeeling
in den Kreistag eingebracht. Der Entwurf, den Finanzdezernentin Sabine Hofmann vorstellte, hat ein Ausgabevolumen von knapp 377 Millionen Euro. Auf der Einnahmeseite stehen aktuell 373 Mio. Euro im Plan, so dass sich ein Minus von ca. 3,7 Millionen Euro ergibt. Das entspricht der nicht erwirtschafteten Nettoabschreibung, die durch eine Ausnahmeregelung in den gesetzlichen Vorgaben zur Erfüllung der Doppischen Haushaltsführung bis Ende 2017 zulässig ist. Dass trotzdem nicht alles planbar ist, verdeutlich-
ten die Tagesordnungspunkte Außerplan- und überplanmäßiger Mehrbedarf im Bereich der Jugendhilfe gemäß SGB VIII und für die Schülerbeförderungskosten beim Zweckverband VMS. Das größte Problem für die Mehrkosten bei den Schülerbeförderungskosten ist, dass der Schulverkehr in seinem Umfang nicht durch den ÖPNV sichergestellt werden kann und immer mehr Schulpflichtige den freigestellten Schülerverkehr benötigen. Hier treffen die fatalen Auswirkungen dreier Fehlentwicklungen aufeinander, die wir seit Jahren gegenüber der Bundes- und Landesregierung anprangern: Verfehlte Schulpolitik, falsche ÖPNV-Entwicklung und verpasste Kinder- und Familienpolitik. Außerdem informierte die Verwaltung den Kreistag über den aktuellen Stand des Unterbringungskonzeptes für Geflüchtete und Asylbewerber. Der Landkreis benötigt weniger Plätze und wird seine Kapazitäten zur Unterbringung von 4.800 Plätzen auf etwa 3.000 Plätze deutlich reduzieren. Lutz Dressel
2017 die Kosten für Unterbringung und Integration von Geflüchteten und Asylbewerbern sein, deren komplette Übernahme durch Bund und Länder zwar in Aussicht gestellt ist, aber nicht zu Lasten der Finanzkraft der Kommunen für Inventionen oder gar freiwilliger Aufgaben gehen darf. Herzlichen Dank an Referenten und Organisatoren für einen gelungenen Tag, der eine regere Teilnahme verdient hätte! Mehr unter: www.dielinkezwickau.de. Lutz Dressel
Kurz gemeldet Eva-Maria Schildbach vom Ortsverband Glauchau und der Kreisvorsitzende Sandro Tröger gratulierten Alfred Eckhardt zum 70-jährigen Parteijubiläum. Der 91-jährige war im April 1946 in die SPD eingetreten. Die tägliche Lektüre von nd und Freier Presse gehört ebenso zu seinem Alltag wie regelmäßige Radtouren ins Umland. (Foto)
Kreis-Haushaltsentwurf 2017 in 1. Lesung Ein Mammutprogramm von über 30 Tagesordnungspunkten hatte der Kreistag Zwickau in seiner Sitzung am 5. Oktober 2016 in Glauchau zu bewältigen. U.a. wurden zwei Amtsleiterstellen neu besetzt. Im Amt für Personal und Organisation wird Frau Julia Dettmer ab dem 1. Mai 2017 die Nachfolge von Karin Mzyk antreten. Als neuer Amtsleiter für das Amt für Service und Informationstechnik wurde Herr Thomas Klein vom Kreistag bestellt. In erster Lesung wurde der Haushaltsentwurf für 2017
diesen Namen verdient. Wichtig seien das gemeinsame Wollen aller Beteiligten und die Bereitschaft, Strukturen aufzubrechen. Susanna Karawanskij, MdB und Sprecherin für Kommunalfinanzen, gab aus Sicht des Bundeshaushaltes einen Überblick über Art und Umfang der kommunalen Finanzen. Bund und Länder sind die zentralen Geldgeber der Kommunen, wobei der Länderfinanzausgleich gerade eine Neuregelung erfahren hat. Ein wesentlicher Haushaltsposten werden auch
Nachdem unsere Bürgerinitiative „Crimmitschau zeigt Herz“ viele organisatorische Hürden gemeistert hat, beginnen wir voll motiviert eine neue Saison. Mit Unterstützung durch den Runden Tisch und viele weitere Organisationen starteten wir eine weitere Aktion in Zusammenarbeit mit European Homecare und den Paten – eine Herbstwanderung bei bestem Sommerwetter mit Geflüchteten jeden Alters. Mit tierischer Unterstützung brachen wir im Innenhof von European Homecare mit 43 Personen auf. Die Wanderung
führte am Friedhof vorbei, zum Eisstadion, das Kinderaugen zum Strahlen brachte, und über den Tierpark bis zum Textilmuseum. Dort gab es eine Stärkung mit Kaffee und Kuchen, Kakao und Obst. Die Rückmeldungen waren positiv und es wird weitere Aktionen von uns geben. Und freuen wir uns über ein weiteres, ein neues Mitglied in unserer Initiative. • Chris Prügner Das dünnste Dicke Brett So nannte Marcus Schlimbach, Vize- Vorsitzender des DGB Sachsen, die Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes in Sachsen am Ende der DGB-Veranstaltung „Langzeitarbeitslosigkeit – Hilft da noch was? Was bringt ein sozialer Arbeitsmarkt?“ am 21. September in Zwickau. Neben Lars Mühlberg vom Wirtschaftsministerium waren auch die arbeitsmarktpolitischen Sprecher Alexander Krauß (CDU) und Nico Brünler (DIE LINKE) gekommen. Positiv: Ein sozialer Arbeitsmarkt soll in Sachsen entstehen, doch ob er hält, was er hoffen lässt, muss die Zeit zeigen. Zum vollständigen Bericht: www. bit.ly/2e4iNsr
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Jugend
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Macht eure Diäten transparent! Einkünfte der jeweiligen Abgeordneten zu gelangen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Es sieht düster aus. Lediglich sieben von 27 Landtagsabgeordneten der LINKEN erachten es als nötig, dem Thema Diätentransparenz einen Platz auf ihrer Online-Präsenz einzuräumen. Das sind gerade einmal knapp 26 %! Besonders hoher Nachholbedarf ist dabei bei den männlichen Abgeordneten festzustellen: Nur zwei von 14 (14,3 %) legen gut sichtbar offen, was ihre Einkünfte anbelangt. Betrachtet man dann noch die Situation bei den älteren Männern (wir haben die Grenze beim 40. Lebensjahr gezogen), so zeigt lediglich einer von zwölf (das entspricht traurigen 8,3 %) bei besagtem Thema eine vorbildliche Haltung. Von den 13 weiblichen LINKEMdLs haben immerhin fünf, also gut 38 %, auf ihrer Website Aussagen zu ihren Einnahmen getroffen. Von den sechs Frauen, die derzeit unter 40 Jahre alt sind, trifft dies gar auf die Hälfte zu, bei den älteren Frauen nur auf zwei von sieben. Das ist zwar wenig, aber mit knapp 29 % noch besser als der Durchschnitt der gesamten Fraktion. Insgesamt kommt die Gruppe
der Unter-40-Jährigen also auf eine Transparenzquote von 50 % (vier von acht) und lässt damit die Ü-40-Personen, die
Bild: Shane Ronemus / flickr.com / CC BY-NC-ND 2.0
Damit meinen wir nicht, dass wir gern Einblicke in etwaige Ernährungsumstellungen oder Fitnesspläne unserer sächsischen Landtags- und Bundestagsabgeordneten haben möchten. Nein, es geht uns um das liebe Geld. Und tatsächlich auch nicht nur um Diäten, sondern um sämtliche Bezüge und Nebeneinkünfte. Darum, wer wie viel woher wofür bekommt, und bis zu einem gewissen Grad auch darum, wofür die Knete eingesetzt wird. Schließlich ist Transparenz ein entscheidender Hebel, um Korruption und Machtmissbrauch zurückzudrängen, Vertrauen zu schaffen und Kontrolle zu ermöglichen. Eigentlich sollte das Ganze selbstverständlich sein. DIE LINKE fordert schließlich auch sonst gefühlt überall mehr Transparenz – und das völlig zu Recht. Doch wie halten es unsere Mandatsträger_innen selbst damit? Um das herauszufinden, hat der Beauftragtenrat der sächsischen Linksjugend eine kleine Untersuchung durchgeführt. Gegenstand waren die Websites der 27 MdLs und acht MdBs – das Ziel: Herausfinden, auf wie vielen Seiten es ohne ewiges Suchen möglich ist, an Informationen über die
lediglich auf knapp 16 % (drei von 19) kommen, weit hinter sich. Bei den Bundestagsabgeordneten sieht es etwas besser aus: Immerhin sechs von acht geben auf ihrer Homepage Auskunft über ihre Einnahmen. Bedeutet für uns: Weniger reasons to worry. In der Kürze dieses Artikels beziehen wir uns bei den Ergebnissen noch nicht einmal auf die Ausführlichkeit und Vollständigkeit der einzelnen
Auflistungen, sondern lediglich auf das Aufgreifen des Themas und die zumindest halbwegs prominente Platzierung auf der jeweiligen Website. Auch das Vorhandensein und die Ausführlichkeit der Angaben der einzelnen Abgeordneten auf der Infoseite des Sächsischen Landtags, beispielsweise die Stufenangaben zu etwaigen Nebeneinkünften, haben wir geprüft, uns jedoch in diesem Artikel nicht weiter darauf bezogen. Nur so viel: Auch hier gibt es deutliche Unterschiede. Aber: Wenigstens haben 34 der 35 von uns geprüften Mandatsträger_innen im Jahr 2016 eine eigene Website für ihre Abgeordnetentätigkeit. Chapeau. Die Rechercheergebnisse stammen allesamt vom 23.09.2016. Natürlich können wir nicht vollkommen ausschließen, dass wir hier oder da mal etwas übersehen oder falsch aufgefasst haben. „Eine Offenlegung ist für mich eine Selbstverständlichkeit, schließlich werden meine Diäten und Kostenpauschalen über Steuermittel bezahlt und ich erhalte diese aufgrund meiner Wahl in den Sächsischen Landtag. Die Bürger_innen haben daher ein Recht da-
Egal ob Mailand oder Madrid – Hauptsache Palermo Vom 28. bis 30.10. fand unser Zweites Landesjugendplenum in diesem Jahr statt. Diesmal ging es über drei Tage! Es wurde viel diskutiert, gewählt, verabschiedet, begrüßt und natürlich auch gefeiert ;-) Zunächst zum etwas Traurigen: Unsere Jugendkoordinatorin Marie Wendland hat sich vor einiger Zeit dafür entschieden, den Job ab 2017 nicht mehr machen zu wollen und konsequenterweise auch als unsere Schatzmeisterin im Beauftragtenrat zurückzutreten. Somit geht eine kleine Ära zu Ende, da sie ganze sieben Jahre lang in diesem Gremium saß. Mit einer lustigen Laudatio und kleinen Geschenken haben wir uns von ihr verabschiedet und hoffen, sie trotzdem oft zu sehen. Allerdings haben wir auch gute Neuigkeiten: Wir haben sowohl einen neuen Schatzmeister als auch ein neues BRMitglied gewählt. Zudem wird Jakob Müschen ab 1.1.2017 die Jugendkoordination übernehmen. In diesem Sinne: Danke Marie und Herzlich willkommen Jakob! Wir hatten uns als Beauftragtenrat dafür entschieden, einen eigenen Leitantrag einzubringen, der als Grundlage für den nächsten Bundestags-
wahlkampf dienen soll. Wir wollen wieder eine eigenständige Jugendkampagne fahren! Bereits im Vorfeld gab es zahlreiche Änderungsanträge. Zudem konnten in zwei Workshopphasen nochmals Änderungen oder Ergänzungen hinzugefügt werden, sodass der Antrag mit großer Mehrheit beschlossen werden konnte. Neben dem Leitantrag haben wir darüber abgestimmt, wie wir „Die Partei vor uns hertreiben“ und ob wir eigene Kandidat_innen mit einem Jugendvotum ausstatten möchten. Yes, we want to! Für das Votum gab es zwei Kandidaturen, wobei sich Tilman
Loos mit 88,7 % durchsetzte (Foto). Herzlichen Glückwunsch an unseren ehemaligen Jugendpolitischen Sprecher und jetzigen Jugendkandidaten für die Landesvertreter_innenversammlung im April. Wir freuen uns auf einen anstrengenden und intensiven Wahlkampf mit Dir. Aber auch mit viel Flausch und Schabernack. Oder wie er selbst sagt: Egal ob Mailand oder Madrid – Hauptsache Palermo! Einige Gäste waren auch anwesend, beispielsweise von den Jusos und der Grünen Jugend Sachsen. Von diesen beiden Grüppchen gingen in jüngster Vergangenheit verschiedene
Bestrebungen aus, die Fühler in Richtung der Landtagswahl 2019 zu einer rot-rot-grünen Regierungsoption auszustrecken. Wir wollen da in nichts nachstehen und beschlossen den Antrag „The youth wants R2G in 2k19?“, der sich damit beschäftigt, eine lebhafte Debatte rund um das Thema R2G in Sachsen anzukurbeln. Alle Anträge findet ihr auf unserer Website www.linksjugendsachsen.de. Neben den Nachwahlen in den Beauftragtenrat wurden auch neue Menschen für den Länderrat der linksjugend [‚solid], Landesparteitagsdelegierte und eine neue Person für den Landesrat gewählt. Mit über 90 Teilnehmer_innen war es eines der bestbesuchten Landesjugendplena der letzten Jahre. Es waren viele neue Gesichter dabei, die sich auch gleich mit viel Elan in die Debatten eingebracht und viele neue Gedanken zur Sprache gebracht haben. Nächster Halt ist im November in Dahlen, wenn wir neben der Durchführung eines Satire-Wochenendes auch den Auftakt für unser Wahlkombinat geben. BTW 2017, wir kommen. Mit Loos geht‘s los! Franziska Fehst, Daniel Peisker
rauf zu erfahren, was mit dem Geld passiert. Ich fordere alle anderen Abgeordneten dazu auf, das gleiche zu tun!“ – so unser Jugend-MdL Marco Böhme in der Leipziger Internetzeitung vom 29.04.2015. Recht hat er. Und nicht nur das: In der Wahlkreiszeitung für den Leipziger Südwesten, die im Herbst 2016 an 9.000 Haushalte verteilt wurde, findet sich unter anderem ein großer Artikel mit dem Titel „Wie viel Kohle hat ein MdL?“, wo zusätzlich zur Online-Übersicht alle Einnahmen übersichtlich aufbereitet und erklärt werden. That‘s what we call Transparenz. Also, liebe Leser_innen: Gern mal beim MdL/MdB des Vertrauens nachforschen oder gleich erfragen, wie es so um die Transparenz steht. Wäre doch interessant zu erfahren, wo die Person in unserer Tabelle auftauchen müsste – oder? Vielleicht fühlt sich ja nun auch die eine oder andere betroffene Person dazu ermuntert, mal die Angaben zu checken. Und vielleicht prüfen wir als Beauftragtenrat die Statistiken ja zu gegebenem Zeitpunkt noch einmal. Steht in nächster Zeit eigentlich irgendwas an? Daniel Peisker
Termine 8. November: Möglichkeiten und Grenzen kommunaler Wohnungspolitik in Leipzig. 19-21 Uhr, Rabet, Konradstrasse 30, Leipzig. Infos: gleft.de/1ub 9. November: Frankreich und seine Proteste. 19-22 Uhr, WIR-AG, MartinLuther-Str. 21, Dresden. Infos: gleft.de/1uz 18.-19. November: Teilhabe junger Menschen in der Kommune. 17 Uhr, Jugendherberge Augustusburger Straße 369, Chemnitz. Infos: gleft. de/1uB 19. November: Mietenpolitscher Ratschlag. Mieten in Leipzig: Was tun? 1117 Uhr, Volkshochschule, Löhrstr. 3-7, Leipzig. Infos: gleft. de/1uA 19. November: Gewalt und Militanz. Ein Streifzug durch deutsche Bewegungspraxen. 13-17 Uhr, WIRAG, Martin-Luther Str. 21, Dresden. Infos: gleft.de/1uC Informationien zu Veranstaltungen unter www.linksjugend-sachsen.de
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DIE LINKE im Europäischen Parlament
11/2016 Sachsens Linke!
Was bleibt, ist Hoffnung ... Jesiden“. Es müssen, so die Forderung, endlich konkrete Schritte eingeleitet werden, um die religiöse Minderheit im Irak und Syrien zu schützen und den Völkermord zu beenden. Infolge des Terrors wurden bereits Zehntausende aus ihrer Heimat vertrieben und zur Flucht gezwungen, viele Menschen, egal ob Frauen und Kinder, Männer, Kranke oder Alte, wurden ermordet, verschleppt, gekidnappt und gefoltert, ganze Familien und Dorfgemeinschaften ausgelöscht. Die gekidnappten Frauen und Mädchen werden systematisch vergewaltigt, geschlagen, auf den Sklavenmärkten als häusliche Dienst- oder Sexsklavinnen zwangsprostituiert und vom IS weiterverkauft. Laut UN-Berichten befinden sich derzeit etwa 3.200 Kinder und Frauen in Gefangenschaft. Mehr
ter notdürftigsten Bedingungen, untergebracht. Es fehlte an ausreichender Versorgung und medizinischer Betreuung. Weiterhin berichtet Yazda von Schwierigkeiten bei der Registrierung und dem Gefühl der Ausweglosigkeit vieler Geflüchteter. Bisher konnten nur wenige Jesid*innen auf den legalen Wegen der UN-Flüchtlingsorganisation in sichere Länder einreisen. Aus diesem Grund fordert Yazda ein festes Kontingent jesidischer Flüchtlinge in den Resettlement-Programmen. Dazu gehört auch eine Priorisierung in der internationalen Asyl- und Einwanderungspolitik. Dem Terror und Kämpfen im Irak sind Tausende Zivilist*innen zum Opfer gefallen. Allein für den kurzen Zeitraum von Mai bis Oktober 2015 nennt ein Menschenrechtsbericht der Vereinten Nationen mehr als 3.000
Yazda Center engagiert sie sich gegen den Völkermord an den Jesid*innen durch den IS. Sie widmet ihr Leben dem Kampf für die Befreiung der Frauen und Mädchen. Dabei hält sie unter schwersten Bedingungen Kontakt zu den Verschleppten, betreut die betroffenen Familien und unterstützt die Verhandlungen zur Freilassung der Frauen und Mädchen. Die Initiative leistet unschätzbar wertvolle Arbeit bei der Aufklärung der Verbrechen, indem sie diese dokumentiert und internationale Organisationen, auch die kurdische und andere Regierungen, über die Gewalttaten informiert und so versucht, medizinische, psychologische und soziale Hilfe zu organisieren. Auf Initiative von Dr. Cornelia Ernst, Mitglied der interfraktionellen jesidischen Freundschaftsgruppe des Europaparlaments, wurde NaBild: Oscar Swartz / flickr.com / CC BY-NC 2.0
Die Jesid*innen, eine monotheistische Religionsgemeinschaft, die ursprünglich aus dem Irak, Syrien und der Türkei kommt, werden vom Islamischen Staat als so genannte „Ungläubige“ brutal verfolgt. Tausende Jesid*innen im Nordirak erleben und erleiden Unvorstellbares seit dem Vormarsch des IS und der damit verbunden Herrschaft des Terrors. Im August 2014 starteten islamistische Terrormilizen in den irakischen Gebieten der Region Sindschar, in denen viele Angehörige der Glaubensgemeinschaft lebten, einen regelrechten Feldzug. Seitdem ist wenig geschehen. Die eigens vom UN-Menschenrechtsrat einberufene Kommission „Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic“ beklagt das ungehindert weitergehende Mor-
den, die Kriegsverbrechen an den Schutzlosen, und fordert die bisher tatenlos zusehende Weltgemeinschaft auf, zu handeln: „ISIS has committed, and continues to commit, the crime of genocide, as well as multiple crimes against humanity and war crimes, against the Yazidis“ – „ISES begeht, und begeht weiterhin, das Verbrechen des Völkermords und verschiedene Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen gegen die
als die Hälfte der irakischen Jesid*innen hat alles verloren. Hunderttausende Flüchtlinge, darunter auch Syrer*innen und irakische Christ*innen, sind auf der Flucht. Laut Schätzungen einer uns von der Menschenrechtsaktivistin Nareen Shammo freigegebenen Studie der jesidischen Organisation Yazda von 2015 waren in den Flüchtlingscamps der Türkei etwa 11.200 und in Syrien 5.375 geflüchtete Jesid*innen, zumeist un-
Tote und 7.000 verwundete Zivilist*innen. Dazu kommen die ungezählten Opfer von Verschleppung, Versklavung und Zwangsprostitution. Für das, was die jesidischen Frauen in Gefangenschaft erleiden, gibt es kaum Worte. Oftmals ist das einzige, was bleibt, die Hoffnung. Einer der wenigen Menschen, die diese spenden können, ist Nareen Shammo. Sie ist Jesidin. Mit der US-amerikanischen Initiative für Jesid*innen und dem
reen Shammo im Herbst 2015 für den Clara-Zetkin Frauenpreis der LINKEN nominiert und dort für ihr wertvolles Engagement im Kampf für Menschen- und Freiheitsrechte, insbesondere für ihren unschätzbaren Einsatz zur Befreiung jesidischer Frauen aus der Gewalt des IS, ausgezeichnet. Die in Deutschland ankommenden, schwer traumatisierten Frauen und Kinder brauchen besondere Unter-
stützung. Praktisch bedeutet das unter anderem die Sicherstellung umfassender psychologischer und medizinischer Betreuung durch geschultes, weibliches Personal an den entsprechenden Stellen. Das Gleiche gilt für eine auf Wunsch mögliche Einzelunterbringung für Frauen und Kinder. In allen Punkten aber sind verbindliche Schulungen und die Sensibilisierung von Behörden in Bezug auf geschlechtssensible Fluchtgründe sowie deren konsequente Einbeziehung in asylpolitische Fragen aller Ebenen maßgebend. Wir müssen geschlechtsspezifische Fluchtgründe stärker anerkennen und das Bewusstsein für die speziellen Bedürfnisse geflüchteter Frauen und Kinder weiter schärfen. Die Verbrechen des IS dürfen nicht ungestraft bleiben. Wir dürfen nicht wegsehen, wenn vor unseren Augen gemordet und gefoltert wird. Die internationale Ächtung der Verbrechen des IS, dazu gehört auch die zivilgesellschaftliche Solidarität mit den verfolgten Jesid*innen, ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen den Terror und den noch immer anhaltenden Völkermord im Irak und Syrien. Menschen wie Nareen Shammo haben hingesehen und gehandelt. Wenn wir ihrem Beispiel folgen, gibt es Hoffnung. Anja Eichhorn, Europabüro Cornelia Ernst, MdEP Für ihren wertvollen Einsatz im Kampf gegen den Terror des IS verlieh das Europäische Parlament den diesjährigen Sacharow-Preis an zwei Jesdinnen. Er wird den beiden Aktivistinnen Mitte Dezember bei einer feierlichen Zeremonie überreicht. Er ist mit 50.000 Euro dotiert und ist benannt nach dem früheren russischen Physiker und Dissidenten Andrej Sacharow. Mit dem Preis zeichnet das Europaparlament seit 1988 jedes Jahr Menschen und Organisationen aus, die sich weltweit in besonderer Weise für Menschenrechte eingesetzt haben. Im vergangenen Jahr hatte der zu Haft und Peitschenhieben verurteilte saudi-arabische Blogger Raif Badawi die Auszeichnung erhalten.
Sachsens Linke! 11/2016
DIE LINKE im Bundestag
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Wohnen in Sachsen muss bezahlbar bleiben Sachsen ganz vorn dabei, wenn es um den Abriss geht. Im Rahmen des euphemistisch betitelten Bundesför-
Bundesländer. Aus hoyerswerdaer Sicht ist mir klar: Einige Städte werden weitere Unterstützung beim Abriss
sen bekam über die Jahre jährlich 60 Millionen Euro von der Bundesregierung, um Sozialwohnungen zu bauen. Aber:
derprogramms „Stadtumbau Ost“ wurden allein in Sachsen zwischen 2012 und 2014 fast 14.000 Wohnungen abgerissen. Damit liegt Sachsen an der Spitze aller ostdeutschen
brauchen. Aber ausschließlich darauf zu setzen, ist nicht mehr zeitgemäß. Der Bund stellt jedes Jahr Geld für den sozialen Wohnungsbau bereit. Allein Sach-
Das Geld wurde anders investiert. Die Landesregierung gibt das Geld, was sie für den sozialen Wohnungsbau bekommt, lieber für die Eigenheimförderung aus. 2015 ließ
Bild: Rasande Tyskar / flickr.com / CC BY-NC-ND 2.0
Beim sozialen Wohnungsbau herrscht in Sachsen seit Jahren Stillstand. Der unschöne Trend der Vorjahre setzte sich fort. Wie eine schriftliche Frage von mir an die Bundesregierung zu Tage förderte, wurde auch 2015 im Freistaat keine einzige Sozialwohnung gefördert. Das sächsische Innenministerium behauptete, dass es zwischen 2000 und 2015 schlicht „keine Notwendigkeit“ gab, in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Ein starkes Stück. Schließlich gibt es in Sachsen nur noch 7.000 Sozialwohnungen von ehemals 200.000. Die Mieten zogen kräftig an: In Leipzig zwischen 2009 und 2014 um 15 Prozent, in Dresden im gleichen Zeitraum sogar um 34 Prozent. Damit können sie mit vielen westdeutschen Städten locker „mithalten“. Die Folgen sind bekannt: Wer sich das Leben in der Innenstadt nicht mehr leisten kann, wird an den Stadtrand verdrängt. Im schlimmsten Fall droht sogar die Obdachlosigkeit. Fast 5000 Zwangsräumungen gab es im vergangenen Jahr in Sachsen. Die allermeisten davon in Dresden und Leipzig. Auf der anderen Seite ist
Sachsen 20 Millionen Euro des geschenkten Geldes sogar komplett verfallen. Schlusslicht im Neubau, Meister im Abriss. So lässt sich die Wohnungspolitik im Freistaat auf den Punkt bringen. Zwar gibt es offenbar bei der Landesregierung viel zu spät ein Umdenken. Der SPD-Innenexperte Albrecht Pallas betont zudem, man wolle nicht die gesamten Mittel, die der Bund für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt, auch dafür ausgeben. Es gebe ja immerhin noch andere Probleme. Eine skandalöse Aussage, wie ich finde. Bis heute gibt es kein Förderprogramm, mit dem auch nur eine Sozialwohnung gefördert wurde. Ich hoffe, dass die angekündigte Richtlinie nun endlich kommt. Fast alle Bundesländer waren da besser. Sicher: In sächsischen Städten haben wir noch kein Mietniveau wie in Hamburg, München oder Berlin, aber wir sind auf dem besten Weg dahin. Und es sollte nicht vergessen werden, dass auch Berlin mal für bezahlbares Wohnen bekannt war. Das kann auch in Sachsen schnell kippen, wenn nicht jetzt gehandelt wird. Caren Lay
Wie sieht LINKE Familienpolitik aus? Der LINKE Bundestagsabgeordnete Jörn Wunderlich referierte unlängst im Leipziger Wahlkreisbüro des Landtagsabgeordneten Franz Sodann über das Thema Familienpolitik – und dessen Stellung im gesamtpolitischen Betrieb und in der Partei. Es ist problematisch, dass Familienpolitik in fast alle anderen Fachbereiche hineinreicht, es aber an einer umfassenden Vision sowie an angemessener Prioritätensetzung fehlt. Linke Familienpolitik bedeutet, dem etwas entgegenzusetzen. Ihre zentralen Forderungen lauten daher: Familie und Beruf müssen vereinbar sein, das verhindert Familien-, Kinder- und Jugendarmut. Familienpolitik ist untrennbar mit Gleichstellungspolitik verknüpft und muss als solche konzipiert werden. Familie ist für die Fraktion DIE LINKE dort, wo Menschen füreinander soziale Verantwortung übernehmen, unabhängig von Trauschein oder sexueller Orientierung. Die Anerkennung der Vielfältigkeit von Familienformen und Lebensweisen ist leitendes Prinzip. Ein ständiges Thema ist die begrenzte Bezugsdauer beim Unterhaltsvorschuss. Die LIN-
KE fordert, die Bezugsdauer von derzeit maximalen 72 Monaten und maximal bis zum 12. Lebensjahr hin zu einem Bezug bis zum 18. Lebensjahr zu entfristen. Dadurch würden unter dem Strich 200 Millionen Euro Mehrbelastungen entstehen. Bei der derzeit guten Finanzsituation des Bundes und im Vergleich zu der geplanten Erhöhung des Bundeswehretats um 1,7 Milliar-
den Euro bis 2017 ist das eine finanzierbare Forderung und eine Maßnahme von vielen, die notwendig ist, um die Vision einer besseren Familienpolitik umzusetzen. Die Situation der Betroffenen würde das sehr verbessern. Das ist längst noch nicht alles, wofür sich die Linksfraktion einsetzt. Es geht auch um eine gebührenfreie und hochwertige Kinderganztagsbetreuung
inklusive gesunder Essensversorgung. Das Kindergeld und der Kinderzuschlag sollen zu einer Kindergrundsicherung weiterentwickelt werden. Das Recht auf Teilzeitarbeit sowie ein Rückkehrrecht in Vollzeit müssen kommen, ebenso Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich. Das Elterngeld soll für bis zu 24 Monate flexibel (in Mindestblöcken von sechs Monaten)
beziehbar sein. Der HartzIV-Satzes soll auf mindestens 500 € angehoben und eine sanktionsfreie Mindestsicherung geschaffen werden. Nicht zuletzt wäre auch der Zugang zu Eltern-Kind-Kuren zu verbessern. Geld muss in Familien und nicht in Waffen investiert werden. Das wäre ein erster Schritt für eine zukunftsorientierte und soziale Familienpolitik. Es wäre eine sinnvolle Investition in die Zukunft und eine Maßnahme gegen das Auseinanderdriften der sozialen Schichten. Dazu gehört es auch, Elternschaft endlich erlebbar zu machen und für mehr Rechte erwerbstätiger Eltern zu sorgen. Verspielen wir nicht ein chancenreiches linkes Projekt. Schaffen wir mehr Verständnis und Bürgernähe in den Kommunen! Moritz Thielicke Weitere Informationen: www. bit.ly/2fmm7AX
Kommunal-Info 9-2016 26. Oktober 2016 Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de
KFS
Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V.
Klimaschutz Die erweiterte Kommunalrichtlinie eröffnet neue Fördermöglichkeiten Seite 3
Veranstaltungen Jugendseminar zur Teilhabe junger Menschen in der Kommune Kommunalpolitischer Tag im Landkreis Nordsachsen Seite 4
Kreisgebietsreform 2008 in Sachsen Mit der Kreisgebietsreform von 2008 in Sachsen hat sich die durchschnittliche Fläche der Landkreise von 782 qkm auf ca. 1.757 qkm erhöht und damit mehr als verdoppelt. Die durchschnittliche Einwohnerzahl stieg von 124.037 auf 274.205 Einwohner an und hat sich ebenfalls mehr als verdoppelt. Mit ihrer durchschnittlichen Fläche von 1.757 qkm befinden sich die sächsischen Landkreise über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 1.158 qkm. Ebenso liegen die sächsischen Landkreise mit der durchschnittlichen Einwohnerzahl von 274.205 über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 186.605 Einwohnern. Zum Thema „Die Kreisgebietsreform im Freistaat Sachsen. Auswirkungen des territorialen Neuzuschnitts auf die Wahrnehmung des kommunalpolitischen Ehrenamts“ hat nun Frau Svenja Ems 2016 ihre Masterarbeit auf dem Gebiet der Verwaltungswissenschaften an der Universität Potsdam abgeschlossen. Die am Kommunalwissenschaftlichen Institut (KWI) der Universität betreute Arbeit wurde jetzt in deren Schriftenreihe „KWI-Arbeitshefte“ Nr. 24 veröffentlicht.*
Ziel der Untersuchung
Mit der vorgelegten Arbeit sollen die Auswirkungen des territorialen Neuzuschnitts der sächsischen Landkreise auf die Wahrnehmung des kommunalpolitischen Ehrenamts untersucht werden. Im Erkenntnisinteresse steht dabei die Frage, welchen Einfluss die territoriale Vergrößerung der sächsischen Landkreise auf die Ausübung des Kreistagsmandats und die Bereitschaft zur Kandidatur bei Kreistagswahlen hat. Im Ergebnis soll mit der vorgelegten Arbeit ein empirisch fundierter Beitrag zur Debatte über Kreisgebietsgrößen und deren Einfluss auf die demokra-
tische Partizipation in der kommunalen Selbstverwaltung geleistet werden. Dafür wurde eine breit angelegte Literatur- und Dokumentenrecherche durchgeführt. Neben der einschlägigen Fachliteratur zum Thema wurden Gesetzestexte, Gerichtsurteile, öffentliche Stellungnahmen und Berichte sowie (rechts-) wissenschaftliche Studien und Drucksachen aus dem sächsischen Landtag analysiert und ausgewertet. Ganz besonders wurde das aufsehenerregende Urteil des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2007 zur dort geplanten Kreisgebietsreform zum Ausgangspunkt der Untersuchung genommen. Bei dem ersten Reformgesetz, nach dem die bestehenden 12 Landkreise und sechs kreisfreien Städte zu 5 neuen Großkreisen zusammengefasst werden sollten, sah das Gericht, dass durch eine beträchtliche Vergrößerung der Kreisfläche die ehrenamtliche Tätigkeit als Mitglied des Kreistags beträchtlich erschwert werde. Infolge des höheren Zeitaufwands, der gestiegenen Entfernungen und der stärkeren Arbeitsbelastung drohte erkennbar die Gefahr, dass die Bereitschaft von Bürgern, ein Ehrenamt auf Kreisebene wahrzunehmen, weiter nachlässt. Eine kraftvolle Selbstverwaltung sei aber darauf angewiesen, dass sich Vertreter aus möglichst vielen gesellschaftlichen Gruppen im Kreistag und seinen Ausschüssen zusammenfinden.
Datenbasis der Untersuchung
Für die Untersuchung wurden von den insgesamt 914 Kreisräten aller 10 sächsischen Kreistage 583 Kreisräte per E-Mail zur Teilnahme an der Umfrage gebeten. Bis zum Ende des Befragungszeitraums gingen 138 gültige Teilnahmen ein, womit eine effek-
tive Rücklaufquote von 23,7% erreicht werden konnte. Immerhin sind die 138 teilnehmenden Kreisräte 15% von den insgesamt 914, was in den Sozialwissenschaften als repräsentativ gilt. Von den 138 Kreisräten, die insgesamt an der Online-Umfrage teilgenommen haben, waren 69 Personen nach eigenen Angaben bereits vor der Kreisgebietsreform Mitglied eines Kreistags bzw. Mitglied der Vertretungskörperschaft einer ehemals kreisfreien Stadt. Der Fragebogen war so konzipiert, dass ausschließlich diese Personengruppe Fragen zu möglichen Veränderungen seit der Kreisgebietsreform gestellt bekommen haben. Die anderen 69 Kreisräte erhielten hingegen nur jene Fragen, die sich auf die aktuelle Situation im Kreisgebiet bezogen.
Ergebnisse der Untersuchung Am Beginn der Untersuchung standen 6 Hypothesen. Anhand der Ergebnisse der Befragungen wurde dann geprüft, ob und inwieweit die Hypothesen am Fallbeispiel der Kreisgebietsreform im Freistaat Sachsen bestätigt werden konnten.
Aufwand zur Mandatsausübung
Hypothese 1: Das vergrößerte Kreisgebiet führt bei der Ausübung des Kreistagsmandats zu einem erhöhten Zeitaufwand und einer stärkeren Arbeitsbelastung. Hier zeigt die Untersuchung, dass die vergrößerten Kreisgebiete zu einem Anstieg der für das kommunale Ehrenamt aufzubringenden Zeit geführt haben. Sowohl die Anzahl der mandatsbezogenen Termine als auch der zeitliche Aufwand für die Wahrnehmung dieser Termine inklusive deren Vor- und Nachbereitung sowie die erforderlichen
Fahrzeiten sind bei der überwiegenden Mehrheit der befragten Kreisräte seit der Kreisgebietsreform gestiegen. Die befragten Kreisräte nehmen zwar eine Veränderung der Anforderungen und Bedingungen wahr, schätzen diese allerdings nicht als so gravierend ein, als dass eine ehrenamtliche Kreisratstätigkeit nicht mehr möglich wäre. Gleichzeitig weisen die Befragungsresultate aber auch auf eine zunehmende Professionalisierung innerhalb der Fraktionen und Kreistagsgruppen hin, durch die der gestiegene Zeitaufwand sowie die größere Arbeitsbelastung zum Teil abgefedert werden können. Auch wird die vermehrte Beschäftigung von hauptamtlichem Personal in den Fraktionen angesichts des Aufgabenzuwachses von einer großen Mehrheit der befragten Kreisräte als sinnvoll angesehen. Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass der individuelle Aufwand zur Mandatsausübung zwar sowohl hinsichtlich der aufzubringenden Zeit als auch der Arbeitsbelastung gestiegen ist, sich dies jedoch in einem Rahmen bewegt, der es weiterhin ermöglicht, das Kreistagsmandat ehrenamtlich wahrzunehmen.
Überschaubarkeit des Kreisgebiets
Hypothese 2: Die Kreisgebietsreform hat zu einer mangelnden Überschaubarkeit des Kreisgebiets geführt. Anhand der vorliegenden Ergebnisse wird bestätigt, dass die befragten Kreisräte die Überschaubarkeit der überörtlichen Gegebenheiten seit der Kreisgebietsreform im Durchschnitt schlechter bewerten als vor der Reform. Während die Überschaubarkeit der überörtlichen Fortsetzung auf folgender Seite
Kommunal-Info 9/2016 Fortsetzung von Seite 1
Kreisgebietsreform... Gegebenheiten in den alten Kreisgebieten von den befragten Kreisräten im Durchschnitt als „gut“ bezeichnet wird, ist sie in den neuen Landkreisen hingegen durchschnittlich nur noch „befriedigend“. Gleichwohl macht die Untersuchung deutlich, dass trotz der gesunkenen Überschaubarkeit der überörtlichen Gegebenheiten die zu behandelnden und damit relevanten Themen mehrheitlich auch in den neuen Kreisgebieten überblickt werden können. Die Autorin verweist hier auch auf andere bereits vorliegende Untersuchungen, wo festgestellt wird, dass die überwiegenden politischen Entscheidungen keine physische Überschaubarkeit des Kreisgebiets voraussetzen und daher die Verschlechterung der Überschaubarkeit einen geringen Stellenwert in der praktischen Kreistagsarbeit einnehme. Insgesamt kann durch die vorliegenden empirischen Befunde bestätigt werden, dass sich die Überschaubarkeit der überörtlichen Gegebenheiten seit der Kreisgebietsreform zwar verschlechtert hat, jedoch nicht zwangsläufig zu unzumutbaren Erschwernissen in der Ausübung des Ehrenamts führe.
Arbeitsfähigkeit der Gremien des Kreistags
Hypothese 3: Die deutliche Vergrößerung der Kreistage erschwert die Arbeitsfähigkeit innerhalb der einzelnen Gremien (Ausschüsse, Fraktionen, Plenum). Im Zuge der sächsischen Kreisgebietsreform wurde die Zahl der Kreistagsmandate pro Kreistag zwar deutlich erhöht, doch können Befürchtungen, dass dadurch die Arbeitsfähigkeit innerhalb der einzelnen Gremien der Kreistage erschwert wird, durch die Untersuchung nicht bestätigt werden. Obwohl die Ergebnisse darauf hindeuten, dass sowohl der Koordinationsaufwand und Abstimmungsbedarf innerhalb der Gremien als auch die Dauer von Entscheidungsfindungsprozessen durch die Vergrößerung der Kreistage gestiegen sind, sehen die befragten Kreisräte mehrheitlich keine Veränderung hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit der Gremien der Kreistage. Damit hat die Vergrößerung der Kreistage nach den Befragungsresultaten zwar zu steigenden internen Koordinationskosten geführt, doch bewegen sich diese ebenfalls in einem Rahmen, der die Arbeitsfähigkeit der Gremien nicht beeinträchtigt.
Fachliche Spezialisierung
Hypothese 4: Die Ausübung des Kreistagsmandats ist seit der Kreisgebietsreform durch eine zunehmende fachliche Spezialisierung innerhalb der Fraktionen und Ausschüsse gekennzeichnet. Allgemein wird als ein Vorteil der Vergrößerung der Kreistage die verbesserte Möglichkeit für eine fachliche Spezialisierung innerhalb der Fraktionen und Ausschüsse gesehen. Eine solche Entwicklung wird auch durch die vorgelegten Untersuchungsergebnisse bestätigt. So deuten die Befragungsresultate auf eine seit der Kreisgebietsre-
Seite 2 form zunehmende fachliche Spezialisierung innerhalb der Fraktionen und Ausschüsse hin, die von der Mehrheit der befragten Kreisräte als nützlich wahrgenommen wird. Zudem hat die Untersuchung gezeigt, dass Kreisräte, die einen Anstieg der fachlichen Spezialisierung innerhalb ihres Kreistags attestieren, diese eher als hilfreich bewerten. Es ist demnach zu vermuten, dass die fachliche Spezialisierung innerhalb der sächsischen Kreistage in Zukunft weiter voranschreiten wird.
Informations- und Kommunikationstechnologien
Hypothese 5: Seit der Kreisgebietsreform erfolgen mandatsbezogene Tätigkeiten verstärkt über die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die befragten Kreisräte für ihre mandatsbezogenen Tätigkeiten seit der Kreisgebietsreform ebenfalls vermehrt digitale Hilfsmittel nutzen. Allerdings ist ein positiver Nutzen anhand der Beurteilung der Kreisräte nicht signifikant festzustellen. Die Ergebnisse können damit die Annahme nicht bestätigen, dass durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien durch die Kreisgebietsreform entstandene Nachteile ausgeglichen werden können. Ebenso wenig lassen die Befragungsresultate erkennen, dass vor allem jüngere Kreisräte von ihrem veränderten Informations- und Kommunikationsverhalten profitieren und durch ihre erweiterten Mobilitätsmöglichkeiten mögliche Nachteile leichter ausgleichen können. Vielmehr wurde in der vorliegenden Untersuchung deutlich, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Alter der Kreisräte und deren Angabe gibt, ob entstandene Nachteile durch digitale Hilfsmittel kompensiert werden können. Insgesamt kam es bei einer deutlichen Mehrheit der befragten Kreisräte seit der Kreisgebietsreform zu einem Ausbau des Angebots an digitalen Hilfsmitteln für die Mandatsträger. So hat die Untersuchung gezeigt, dass überwiegend gute Voraussetzungen für die Kommunikation per E-Mail sowie die Nutzung von digitalisierten Unterlagen und Internetportalen bestehen. Ein deutlicher Nachholebedarf zeigt sich jedoch beim Angebot der Konferenztechnik. Für die Zukunft wünscht sich die große Mehrheit der befragten Kreisräte einen weiteren Ausbau des digitalen Angebots.
Bereitschaft zur Kandidatur
Hypothese 6: Die neuen Rahmenbedingungen haben Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Kandidaten, die sich zur Kreistagswahl stellen. In Anlehnung an die Ressourcentheorie wurde in der vorliegenden Untersuchung zwischen zwei Personengruppen unterschieden: der „normal“ berufstätigen und der „ressourcenstarken“ Gruppe. Dabei werden zu den „normal“ Berufstätigen hier Angestellte, Arbeiter und Unternehmer bzw. Selbständige gezählt, zur „ressourcenstarken“ Gruppe aber diejenigen, die über ein besseres Zeitbudget bzw. die notwendige zeitliche Flexibilität verfügen und/ oder sich durch ihre überdurchschnittlichen Fachkenntnisse besser auf das
anspruchsvollere Funktionsprofil der Landkreise einstellen können wie z.B. Angehörige des öffentlichen Dienstes, nicht mehr erwerbstätige Rentner, Bundes- oder Landtagsabgeordnete und Bürgermeister sowie Mitarbeiter von kreisangehörigen Städten und Gemeinden. Zunächst wurde angenommen, dass sich die veränderten Rahmenbedingungen negativ auf die Motivation und Bereitschaft der „normal“ Berufstätigen auswirken, für ein Kreistagsmandat zu kandidieren. Die statistischen Daten, die sowohl aus der Online-Befragung als auch aus der Analyse der Wahlvorschlagslisten für die Kreistagswahlen in den Jahren 2004, 2008 und 2014 gewonnen wurden, zeigen, dass diese Annahmen für die betrachtete Stichprobe bzw. die betrachteten Kreistagswahlen nicht bestätigt werden können. So hat die Analyse der Kandidatenlisten zu den Kreistagswahlen in den Jahren 2004, 2008 und 2014 deutlich gemacht, dass sich die Zusammensetzung der Bewerber über den Betrachtungszeitraum nicht verändert hat. Auffallend ist hierbei, dass die „normal“ Berufstätigen bei allen drei Wahlen den deutlich größten Anteil an Kandidaten darstellen. Befürchtungen, nach denen vor allem Angehörige dieser Personengruppe aufgrund der höheren Komplexität und des steigenden Zeit- und Ar-
beitsaufwands nicht mehr bereit sind, für ein Kreistagsmandat zu kandidieren, sind durch die gewonnen Daten nicht aufrecht zu erhalten. Ebenso wenig lassen die Daten eine Zunahme von „ressourcenstarken“ Kandidaten erkennen. Dennoch haben die erhobenen Daten gezeigt, dass „ressourcenstarke“ Kreisräte durch anspruchsvollere Aufgabenstellungen eher motiviert sind, bei Kreistagswahlen zu kandidieren, als „normal“ Berufstätige. Zusammenfassend kann jedoch die Hypothese, dass die neuen Rahmenbedingungen Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Kandidaten haben, nicht bestätigt werden. Zwar ist insgesamt bei einzelnen Mandatsträgern ein gewisser Unmut zu erkennen, ein tendenzieller Rückgang der Motivation macht sich bei den befragten aktiven Politikern jedoch nicht bemerkbar. Aufgrund des hohen Durchschnittsalters der sächsischen Kreisräte wird es in naher Zukunft jedoch zu einem „Altersumbruch“ in den Kreistagen kommen, wodurch die kommunale Ebene vor allem vor der Aufgabe steht, einen ausreichend großen Personenkreis an neuen Kandidaten zu erschließen.
Größe der Landkreise
Über eine zulässige flächenmäßige Ausdehnung von Landkreisen bestehen unterschiedliche Auffassungen. Der Deutsche Landkreistag als der kommunale Spitzenverband der Landkreise in Deutschland sprach sich 2006 für eine grundsätzliche Maximalgröße von 2.000 qkm aus. In der Literatur werden aber auch Maximalgrößen von 2.500 bis 3.000 qkm genannt. Bei der Kreisgebietsreform 2008 in Sachsen wurde von der grundsätzlichen Orientierung ausgegangen, dass die künftigen Landkreise dauerhaft mindestens 200.000 Einwohner in einer Fläche von maximal 3.000 qkm umfassen sollen. Auf jeden Fall wäre eine flächenmäßige Ausdehnung von mehr als 5.000 qkm aus verfassungsrechtlicher Perspektive problematisch, da bei dieser Größenordnung die durch das Grundgesetz und die Landesverfassungen gezogene Grenze überschritten sein dürfte. Wie aktuelle Reformvorhaben in anderen Bundesländern zeigen, wird die Berücksichtigung der bürgerschaftlich-demokratischen Dimension auch zukünftig den Reformdiskurs prägen. So werden z.B. in Brandenburg und Thüringen Kreisgebietsreformmodelle diskutiert, die deutlich über die Flächendimension der Landkreise im Freistaat Sachsen und auch in Mecklenburg-Vorpommern hinausgehen. Welche Folgen die Schaffung solcher „Großkreise“ für die bürgerschaftlich -demokratische Selbstverwaltungsfähigkeit haben wird, kann aufgrund fehlender empirischer Eindeutigkeit nur vermutet werden. Zwar liefere die vorliegende Arbeit hilfreiche Erkenntnisse darüber, wie sich eine durchschnittliche Verdopplung der Flächendimensionen der Landkreise auf die Wahrnehmung des kommunalpolitischen Ehrenamts auswirkt, doch sind Rückschlüsse auf die Partizipationsfähigkeit in Kreisen, die eine Flächendimension von 3.000 qkm weit überschreiten, nach Meinung der Autorin nur sehr begrenzt möglich. AG — * Svenja Ems, Die Kreisgebietsreform im Freistaat Sachsen. Auswirkungen des territorialen Neuzuschnitts auf die Wahrnehmung des kommunalpolitischen Ehrenamts, Universitätsverlag Potsdam, Masterarbeit 2016, KWI-Arbeitshefte 24. Der vollständige Text kann unter www.uni-potsdam.de/kwi/aktuelles.html abgerufen werden.
Impressum Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de Red., Satz und Layout: A. Grunke V.i.S.d.P.: P. Pritscha Die Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird aus finanziellen Zuwendungen des Sächsischen Staatsministeriums des Innern gefördert.
Kommunal-Info 9/2016
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Klimaschutz in Kommunen
Die erweiterte Kommunalrichtlinie eröffnet neue Fördermöglichkeiten1
Von Greta Link und Benjamin Kroupa Service- und Kompetenzzentrum Kommunaler Klimaschutz, Deutsches Institut für Urbanistik Das Bundesumweltministerium hat die erfolgreiche Förderung des Klimaschutzes weiter ausgebaut. Das Pro-
gramm bezuschusst erstmalig Klimaschutzmaßnahmen in Rechenzentren und den Austausch von Elektrogeräten in Schul- und Lehrküchen sowie Kitas. Ebenfalls neu: Gemeinnützige Sportvereine können sich Energiesparmaßnahmen, wie die Sanierung der Hallenbeleuchtung, fördern lassen und mehrheitlich kommunale Unternehmen sind für einen Großteil der Förderschwerpunkte antragsberechtigt. Gleichzeitig bleiben bewährte Förderschwerpunkte - von der Einstiegsberatung über die Erstellung von Klimaschutzkonzepten bis hin zu investiven Maßnahmen - weiterhin bestehen. Das Antragsfenster ist vom 1. Januar bis 31. März und vom 1. Juli bis 30. September geöffnet. Für die Förderschwerpunkte Klimaschutzmanagement und Energiesparmodelle in Schulen und Kitas können ganzjährig Anträge eingereicht werden. Die Klimaziele der Bundesregierung sind ehrgeizig: Bis zum Jahr 2020 sollen die nationalen Treibhausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 reduziert werden, bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent.
Die „Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten in sozialen, kulturellen und öffentlichen Einrichtungen im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative“ (Kommunalrichtlinie) ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Seit 2008 wurden rund 3.300 Kommunen in rund 9.300 Projekten dabei unterstützt, ihre Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) zu reduzieren. Seit dem 1. Juli 2016 bietet die Erweiterung der Kommunalrichtlinie nun noch mehr Handlungsmöglichkeiten und schafft zusätzliche Anreize für Kommunen und lokale Akteure, sich für den Klimaschutz einzusetzen. Ein Engagement, das sich mehrfach lohnt: Klimaschutzinvestitionen helfen nicht nur dem Klima, sondern entlasten auch dauerhaft den (kommunalen) Haushalt und tragen zur Wertschöpfung vor Ort bei. Auch finanzschwache Kommunen müssen Investitionen für Klimaschutz nicht scheuen, denn sie erhalten eine erhöhte Förderung.
Green-IT: Energieverbrauch in Rechenzentren senken
Kühlung und Stromversorgung verbrauchen rund die Hälfte des Energie-
verbrauchs eines Rechenzentrums2. Große Potenziale zur Einsparung von THG-Emissionen liegen daher in der Optimierung der bestehenden Infrastruktur sowie dem Einsatz von energiesparenden Hardwarekomponenten. Verschiedene Maßnahmen zur Erhöhung der Energie- und Ressourceneffizienz von Rechenzentren werden seit dem 1. Juli 2016 vom Bundesumweltministerium gefördert. Einen Zuschuss von bis zu 40 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben erhalten Antragssteller beispielsweise für die Einführung der Nutzung freier Kühlung, einer Wärmestromführung, der Abwärme-Nutzung oder einer Bedarfssteuerung. Auch der Ersatz einzelner oder mehrerer Hardwarekomponenten wie Server, Kälteanlagen, Kühlsysteme und effiziente Netzteile, die die Anforderungen des Umweltzeichens Blauer Engel einhalten, ist förderfähig. Kindertagesstätten, Schulen sowie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erhalten eine erhöhte Förderquote von bis zu 50 Prozent. Fortsetzung: folgende Seite
Kommunal-Info 9/2016
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Veranstaltungen des KFS November 2016
Jugendseminar Teilhabe junger Menschen in der Kommune (Teil II) 18.-19.11.2016, Freitag ab 17:00 Uhr bis Sonnabend ca. 17:00 Uhr Jugendherberge, Augustusburger Straße 369, Chemnitz Themen: Was passiert im Jugendhilfeausschuss? Jugendbeteiligung ganz praktisch Beteiligung von Kinder und Jugendlichen bei der Planung von Spiel- und Freizeitanlagen Was geht alles noch?“- Einblick in die Arbeit der Servicestelle Kinder- und Jugendbeteiligung Wie kommt Jugendbeteiligung überhaupt an? Haben Jugendliche das Gefühl beteiligt zu werden? Wie gestaltet man Jugendbeteiligung effektiv?
Kommunalpolitischer Tag Landkreis Nordsachsen Sonnabend, 19.11.2016, 10:00-16:00 Uhr „Bürgerhaus Eilenburg“, Franz-Mehring-Straße 23, Eilenburg Themen: Über die Zusammenarbeit von Fraktionen in kommunalen Vertretungen Wirksame Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen
Um die organisatorische Vorbereitung zu erleichtern, wird um rechtzeitige Anmeldung gebeten. Anmeldungen und weitere Informationen unter: Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de Fortsetzung
... Klimaschutz Alt gegen neu: Effizienz bei weißer Ware
Elektrogeräte wie Kühlschränke, Waschmaschinen oder Gefriergeräte, sogenannte weiße Ware, verbrauchen je nach Effizienzklasse sehr viel Energie. Im Durchschnittshaushalt entfallen etwa 40 Prozent3 der gesamten Energiekosten auf Waschen, Trocknen, Kühlen, Spülen und Kochen. In Schulküchen und Kitas fällt dieser Anteil häufig noch höher aus. Zum 1. Juli 2016 hat das Bundesumweltministerium daher einen neuen Förderschwerpunkt eingeführt: Werden in Schul- und Lehrküchen sowie in Kitas Elektrogeräte, die älter als zehn Jahre sind, gegen Geräte der höchsten Energieeffizienzklasse (derzeit A+++) gemäß EU-Label ausgetauscht, übernimmt der Bund bis zu 40 Prozent der zuwendungsfähigen Investitionskosten. Ebenfalls bezuschusst wird der Austausch von Elektroherden und Konvektomaten (Heißluftdämpfern). Die fachgerechte Entsorgung des Altgeräts ist nachzuweisen.
Neue Fördermöglichkeiten für Sportvereine und kommunale Unternehmen
Gute Nachrichten für Sportvereine mit Gemeinnützigkeitsstatus: Mit der Erweiterung der Kommunalrichtlinie können auch sie erstmals einen Zuschuss für die Umsetzung investiver Klimaschutzmaßnahmen beantragen. Attraktive Förderquoten erhalten Sportvereine beispielsweise für den Austausch ineffizienter Lüftungsanlagen (bis zu 35 Prozent) oder die Umrüstung auf LED bei der Innen- und Hallenbeleuchtung (bis zu 40 Prozent) und der Außenbeleuchtung(bis zu 30 Prozent). Weitere investive Maßnahmen wie der Austausch alter Umwälzpumpen durch Hocheffizienzpumpen oder der Einbau einer Gebäudeleittechnik werden mit einem Zuschuss von bis zu 40 Prozent gefördert. Auch für mehrheitlich kommunale Unternehmen hat sich die Förderung verbessert. Sie sind mittlerweile für den Großteil aller Förderschwerpunkte antragsberechtigt. Dazu gehören neben der Erstellung und Umsetzung verschiedener Klimaschutzteilkonzepte auch alle investiven Maßnahmen der Kommunalrichtlinie.
Bewährtes bleibt bestehen
Einstiegsberatung, Klimaschutzkonzepte und Klimaschutzmanagement Die Einstiegsberatung bietet Kommunen, die ganz am Anfang ihrer Klimaschutzaktivitäten stehen, weiterhin die Möglichkeit eines strukturierten
Einstiegs mit Hilfe von externen Beraterinnen und Beratern. Klimaschutzkonzepte und themenbezogene Teilkonzepte (z. B. für nachhaltige Mobilität, Green-IT oder Industrieund Gewerbegebiete) helfen, die unterschiedlichen Potenziale für den Klimaschutz vor Ort zu identifizieren. Und um den Klimaschutz dauerhaft vor Ort zu verankern, können Kommunen ihr Personal mit professionellen Klimaschutzmanagerinnen und –managern verstärken. Diese begleiten die Umsetzung der Klimaschutzkonzepte, organisieren Beteiligungsprozesse und sind für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Für modellhafte Klimaschutzmaßnahmen, die mindestens 70 Prozent THG-Emissionen einsparen, können die Klimaschutzmanagerinnen und – manager Zuschüsse von bis zu 50 Prozent beantragen. Beliebt bei Bildungseinrichtungen wie Kitas und Schulen ist die Förderung sogenannter Energiesparmodelle. Das Prinzip ist einfach: Vermindern die Nutzer und Träger der Einrichtungen die THG-Emissionen durch einen bewussten Umgang mit Strom und Wärme, erhalten sie zum Beispiel einen Anteil an der Energiekosteneinsparung. Nachhaltige Investitionen: Von der LED-Beleuchtung bis hin zur klimafreundlichen Mobilität Moderne LED-Lichtsysteme können gegenüber herkömmlichen Leuchten bis zu 80 Prozent der THG-Emissionen einsparen. Seit Oktober 2015 wird die Umrüstung auf LED vom Bundesumweltministerium bezuschusst. Die Fördersätze betragen für die Außenbeleuchtung 20 bzw. 25 Prozent in Verbindung mit einer Steuer- und Regelungstechnik sowie für LED-Lichtsignalanlagen und die LED-Innen- und Hallenbeleuchtung bis zu 30 Prozent. Für die Erneuerung und den Austausch von Lüftungsanlagen können Zuschüsse bis zu 25 Prozent beantragt werden. Fortgeführt wird ebenfalls die Unterstützung von Maßnahmen im Mobilitätsbereich mit bis zu 50 Prozent der Investitionskosten, wie z.B. die Errichtung von verkehrsmittelübergreifenden Mobilitätsstationen oder der Lückenschluss von Radwegen. Weiterhin fördert der Bund die aerobe In-situ Stabilisierung von stillgelegten Siedlungsabfalldeponien zur Reduzierung der Methanbildung mit bis zu 50 Prozent. Erhöhte Förderquoten für finanzschwache Kommunen sowie Bildungseinrichtungen und Sportstätten Weiterhin gelten besonders attraktive Förderquoten für finanzschwache Kommunen, beispielsweise von bis zu 90 Prozent für die Erstellung oder Umsetzung von Klimaschutzkonzepten. Auch Kitas, Schulen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie Sportstätten erhalten erhöhte Förderquoten für ausgewählte Klimaschutzinvestitionen.
Sie möchten einen Förderantrag stellen?
Neben Kommunen richtet sich die Kommunalrichtlinie auch an andere Institutionen, wie z. B. Bildungseinrichtungen, Sportvereine, kommunale Unternehmen und Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus sowie deren Stiftungen.
Wichtige Termine
Anträge auf Förderung können vom 1. Januar bis 31. März sowie vom 1. Juli bis 30. September eines Jahres gestellt werden. Ganzjährig können Anträge eingereicht werden: für das Klimaschutzmanagement, das Anschlussvorhaben zum Klimaschutzmanagement sowie die ausgewählte Maßnahme, für Energiesparmodelle an Schulen und Kitas, Einrichtungen der Kinderund Jugendhilfe und Sportstätten sowie für das Starterpaket im Rahmen der Energiesparmodelle.
Weitere Informationen
Das „Service- und Kompetenzzentrum: Kommunaler Klimaschutz“ (SK:KK) beim Deutschen Institut für Urbanistik ist Ansprechpartner in Fragen des kommunalen Klimaschutzes. Im Auftrag des Bundesumweltministeriums berät das SK:KK zu Fördermöglichkeiten, bietet ein umfangreiches und vielfältiges Veranstaltungsportfolio und motiviert durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit dazu, Klimaschutzprojekte umzusetzen. Gleichzeitig bringt es seine Expertise in den wissenschaftlichen und fachpolitischen Diskurs ein. Durch seine Arbeit trägt das SK:KK zur Umsetzung der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums bei. Tel.: 030 39 001-170 E-Mail: skkk@klimaschutz.de Weitere Informationen unter www.klimaschutz.de/kommunalrichtlinie.
Projektträger Jülich
Der Projektträger Jülich (PtJ) ist verantwortlich für die Beratung zu fachlichen und administrativen Fragen zur Antragstellung, Projektdurchführung und Ergebnisverwertung. PtJ bearbeitet die eingereichten Förderanträge, begleitet die laufenden Vorhaben und führt die Mittelbewirtschaftung sowie die Erfolgskontrolle durch. Fragen zur Antragstellung werden gern durch die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beantwortet unter: Tel.: 030 20199-577 oder E-Mail: ptjksi@fz-juelich.de Weitere Informationen unter www.ptj. de/klimaschutzinitiative-kommunen.
Nationale Klimaschutzinitiative
Die Nationale Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums unterstützt seit 2008 zahlreiche Projekte, die einen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen leisten. Die Förderung erstreckt sich von der Entwicklung langfristiger Strategien bis hin zu konkreten Hilfestellungen und investiven Maßnahmen. Die guten Ideen aus den Projekten tragen dazu bei, den Klimaschutz vor Ort zu verankern. Hiervon profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher, Kommunen, Unternehmen und Bildungseinrichtungen. Weitere Informationen unter: www.klimaschutz.de — 1 Das Service- und Kompetenzzentrum Kommunaler Klimaschutz beim Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) hat uns gebeten, diesen Beitrag auf unseren Seiten zu veröffentlichen. 2 Bitkom e.V. (2015): Energieeffizienz in Rechenzentren. Leitfaden, Berlin, S. 9. 3 BDEW Bundesverband der Energieund Wasserwirtschaft e.V. (2016): Energie-Info. Stromverbrauch im Haushalt, Berlin, S. 10.
Oktober 2016
Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
ParlamentsReport Staatsversagen Liebe Leserinnen und Leser, der „Stern“ schilderte jüngst Denkwürdiges: An der Dresdner Frauenkirche findet, von der Stadtgesellschaft weitgehend unbeachtet, eine Nazidemo statt. Ein Hochzeitspaar, das einer StretchLimousine entsteigt, wird passend platziert, damit keine Reichskriegsflaggen auf‘s Foto kommen. Man arrangiert sich. Einige „Nazis raus!“-Rufer werden von der Polizei abgeführt. Westdeutsche Touristinnen äußern ihr Unverständnis, weil die Nazis unbehelligt bleiben. Eine schauderhafte Szene! Und neues Futter für‘s „Sachsen-Bashing“. Sollten wir uns darüber freuen? Hilft das irgendwem? Nein. Wer pauschal auf Sachsen eindrischt, erreicht nur, dass die Gescholtenen in Abwehrstellung gehen, anstatt nach den Gründen ihrer Probleme zu fragen. Das lenkt ab von den Verantwortlichen – von der sächsischen CDU, die hier seit 26 Jahren regiert. Für die ist „Sachsen-Bashing“ herrlich bequem: Sie kann sich dann als „Beschützer“ aufspielen, ihr eigenes Versagen überdecken und andere beschuldigen. So auch im Fall al-Bakr. Vize-Regierungschef Martin Dulig (SPD) griff seinen CDU-Koalitionspartner an: „Immer wenn ich Unzulänglichkeiten bei der Polizei oder der Justiz kritisiere, bekomme ich den Vorwurf, ich sei ein Nestbeschmutzer“. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer schoss prompt zurück: „Er“, also Dulig, „schadet unserem Land durch sein Auftreten“. Aha. Angeblich sind also nicht Fehler im Innen- und Justizressort daran schuld, dass Sachsen bis auf die Knochen blamiert dasteht, sondern diejenigen, die darauf hinweisen. Diese Taktik kennen wir in Sachsen schon lange. Wir alle dürfen sie Tillich und seiner CDU nicht mehr durchgehen lassen!
Rico Gebhardt Fraktionsvorsitzender
Der Fall des Terrorverdächtigen alBakr, der erst der sächsischen Polizei entwischte, ihr dann von drei mutigen Syrern ausgeliefert wurde und der sich schließlich in staatlicher Obhut umbringen konnte, ist zu einem weiteren Exempel geworden. Die bundesweite Öffentlichkeit nutzt es, um „die Sachsen“ zu kritisieren. Geht es schlicht um doofe Ossis, die sich von guten Wessis die Welt erklären lassen sollten? Diese Frage führt in die Irre, zumal eine Studie der Uni Leipzig belegt, dass im Osten noch heute nur 23 Prozent der Spitzenpositionen in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Justiz, Verwaltung und Medien mit Ossis besetzt sind. Die Causa al-Bakr zeigt jedenfalls brutal: Sächsischen Behörden und Entscheidern fehlt mitunter die Sensibilität. Anstatt die Brisanz der Lage zu erkennen, trieb man Dienst nach Vorschrift. Beim Kampf gegen islamistischen Terror, beim Umgang mit Terroristen macht unser Freistaat bisher keine gute Figur. al-Bakrs Pläne wurden zum Glück vereitelt. Doch es gibt viele Fragen zum Polizeieinsatz in Chemnitz und zu den Vorgängen in der JVA Leipzig. Weshalb wurde die Tür zur Wohnung, in der man den Verdächtigen vermutete, aufgesprengt, wo doch davon auszugehen war, dass sich dahinter Sprengstoff befand? Weshalb wurde al-Bakr trotz eines Großaufgebotes nicht geschnappt? Weshalb wurde er am Hauptbahnhof in Leipzig trotz Großfahndung nicht erkannt? Musste der syrische Hinweisgeber, der den zu diesem Zeitpunkt bereits überwältigten Verdächtigten übergeben wollte, tatsächlich eine Stunde lang im Polizeirevier warten? Weshalb wurde der Fahndungsaufruf nicht auf Arabisch verbreitet? Weshalb wurde die JVA Leipzig von al-Bakrs Einlieferung überrascht? Kalkulierten nicht alle Beteiligten ein, dass ein mutmaßlicher Selbstmordattentäter tatsächlich Selbstmord begehen könnte? Weshalb sah man „Vandalismus“ und keinen Suizidversuch, als al-Bakr elektrische Anlagen in seiner Zelle manipulierte? Warum inspizierte man den Häftling nur alle 30 Minuten? Fragen über Fragen. Die Linksfraktion hat schon früh gefordert, dieses Staatsversagen im Innenund Justizbereich durch unabhängige Experten aufarbeiten zu lassen und das Parlament einzubeziehen. Tillichs
Regierung versucht nun den Befreiungsschlag auf eine andere, durchschaubare Weise: Sie berief kurzerhand selbst eine Kommission, um sich selbst zu kontrollieren, und das noch bevor sich die Landtagsausschüsse mit dem Fall befassen konnten. Das ist höchst unglaubwürdig. Denn der Volksmund weiß: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Auch die Besetzung der Kommission, die bis Weihnachten einen ersten Bericht vorlegen will, lässt Zweifel am Sinn des Gremiums aufkommen. Abgesehen
Notstand in der Justiz bekämpfen. Hätte es in der JVA Leipzig mehr Personal gegeben, wären ständig mehrere Psychologen und Dolmetscher verfügbar gewesen, dann wäre manche Fehleinschätzung vielleicht vermeidbar gewesen. Die CDU-geführten Regierungen sind allerdings davon getrieben, den Freistaat in punkto Haushaltslage zum Musterknaben zu machen. Die Folge ist stupide Kürzungspolitik. Der Justizvollzug verlor zwischen 2003 und 2015 insgesamt 353 Personal- und 84 Anwärterstellen. So steigen die
davon, dass die CDU-geführte Regierung ausgerechnet einem seinerzeit von der CDU/CSU vorgeschlagenen Ex-Verfassungsrichter den Vorsitz übertrug – in der Kommission sitzen nur ehemalige Funktionsträger, aber keine unabhängigen Wissenschaftler. Besonders problematisch ist die Personalie Heinz Fromm: Der ehemalige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz flog aufgrund von Ermittlungspannen und dubioser Aktenvernichtungen in Sachen „Nationalsozialistischer Untergrund“ von seinem Posten. Nun soll er ehrliche Aufklärungsarbeit leisten. Wer’s glaubt …
Krankenstände beim Vollzugspersonal, Mehrarbeits- und Überstunden stauen sich. Das Personal wird gnadenlos verschlissen. „Irgendwann fliegt der Deckel vom siedenden Topf“, warnt der LINKEN-Rechtsexperte Klaus Bartl.
Bild: Jörg Lohrer / flickr.com / CC BY-NC 2.0
Für den Spiegel ist Sachsen ein „Failed Freistaat“, schlicht gescheitert. Für den Stern ist Sachsen „das dunkelste Bundesland“. Die heute-show will sich über Sachsen nicht einmal mehr lustig machen. Ein vernichtendes Zeugnis!
Die Erfahrungen, die Sachsen bisher mit solchen Regierungskommissionen sammeln musste, sind jedenfalls nicht positiv. Aus der Sachsensumpf-Affäre ist bekannt, dass die wirklich interessanten Aussagen solcher Gremien den Landtag und die Öffentlichkeit nur geschwärzt erreichen. Deshalb lässt sich mit einiger Sicherheit vorhersagen, was die Kommission – neben vielen schwarzen Zeilen – übermitteln könnte: Das Handeln der Einsatzkräfte war grundsätzlich hoch professionell. Die JVA-Bediensteten haben nachvollziehbar gehandelt. Diese Sätze sind keine Erfindung. Sie stammen von CDU-Abgeordneten! Mindestens eine Schlussfolgerung ist klar: Sachsens Regierung muss den
„Die übliche CDU-Strategie, alles kleinzureden, darf nicht aufgehen. Wir werden auch parlamentarisch darauf drängen, dass die lange Reihe mutmaßlicher Fehlleistungen selbstkritisch aufgearbeitet wird“, kündigt Oppositionsführer und LINKEN-Fraktionschef Rico Gebhardt an. „Aus unserer Sicht ist der noch bestehende Aufklärungsbedarf bezüglich der Polizeimaßnahmen erheblich größer als zu den Vorkommnissen in der JVA“. Gebhardt sieht den Ministerpräsidenten am Zug, im Landtag im Rahmen einer Regierungserklärung klar zu machen, wie er dem Staatsversagen in Sachsen – nicht nur bei Sicherheit und Ordnung, sondern auch in der Bildungspolitik – bekommen will. Tillich hat seine Führungsaufgabe so sehr schleifen lassen, dass Sachsen deutschlandweit zum Gespött geworden ist. Dabei trägt er die Gesamtverantwortung. Er darf sich nicht länger abducken und seine Minister als Blitzableiter benutzen! Was im Fall al-Bakr geschah, muss in allen Facetten beleuchtet werden. Dann ist über (personelle) Konsequenzen zu entscheiden. Es wird jetzt viel erwartet von Sachsen.
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PARLAMENTSREPORT
Oktober 2016
Sachsen geht besser. Sozialer Zusammenhalt ist machbar! LINKE stellen Alternativen Haushalts-Ansatz vor Die Linksfraktion hat sich auf ihrer Klausur in Görlitz auf ihren Alternativen Haushalt 2017/2018 verständigt, dessen Inhalt sie in den laufenden Etatberatungen vertreten wird. Der Landtag entscheidet im Dezember über die in Zahlen gegossene Politik für 2017 und 2018. Die wichtigste Aufgabe besteht derzeit darin, den sächsischen Staat wieder voll handlungsfähig zu machen. Mit ihrem Alternativen Haushaltsansatz will die Linksfraktion insbesondere die Ausbildungskapazitäten für Lehrkräfte, Polizei und Justiz
„So geht sächsisch“ geht nicht mehr Die teure Imagekampagne hilft weder gegen Pegida-Pöbler noch gegen eine selbstkritiklose CDU-Regierung, die Sachsens Ruf ruiniert. Deshalb wollen wir sie auf null setzen. Statt in die Fassade muss der Freistaat in seine soziale Substanz und die Zivilgesellschaft investieren, dann kann’s auch mit dem Image bergauf gehen. Ersparnis: acht Millionen Euro.
so ausbauen, dass sie dem Bedarf entsprechen. Ministerpräsident Tillich hatte mit seiner Vorgabe von 2009, den öffentlichen Dienst des Freistaats um ein Fünftel auf 70.000 Stellen zu schrumpfen, den Staat auf Kosten des Gemeinwohls geschwächt. Dem großen Sozialkahlschlag von 2010 folgte ein jahrelanges Armrechnen der sächsischen Staatsfinanzen. Ergebnis: Von 2011 bis 2016 wurden jährlich planmäßig im Durchschnitt über 500 Millio-
Zentrum für Telekommunikationsüberwachung: Keine Rechtsgrundlage Dem geplanten länderübergreifenden Rechen- und Dienstleistungszentrum, mit dem die Polizei die Telekommunikation überwachen soll, fehlt auf absehbare Zeit jede Rechtsgrundlage. Also muss dafür auch nicht kein Geld im Haushalt eingeplant werden. Ersparnis: knapp 300.000 Euro.
Kohleförderer sollen für Umweltschäden haften
Keine Kirchentage auf Staatskosten!
Bergbau verursacht gewässerökologische und andere Umweltschäden. Dafür sollen die Tagebaubetreiber haften. Auch sie sollen die Wasserentnahmeabgabe zahlen. Das bringt fünf Millionen Euro mehr. Auch die Förderabgabe soll fällig werden – bisher entgehen dem Freistaat jährlich mehrere Millionen, weil sie zwar für strategische Rohstoffe wie Kaolin oder Lithium erhoben wird, nicht aber für Braunkohle.
Wir wollen nicht, dass der Freistaat kirchliche Großveranstaltungen üppig bezuschusst, noch dazu ohne die Verwendung der Mittel zu kontrollieren. Andere zivilgesellschaftliche Organisationen müssen für ihre Veranstaltungen auch selbst aufkommen. Der Staat muss neutral sein, er darf keine Glaubensrichtung bevorzugen oder benachteiligen, damit Religionsfreiheit wirklich herrscht. Ersparnis: über zwei Millionen Euro.
nen Euro weniger aus Rücklagen entnommen, als dem Freistaat Sachsen an Steuermehreinnahmen zuflossen. Mehreinnahmen in Größenordnungen ergeben sich aus einer realistischen Berechnung von Steuer- und Lotterieeinnahmen. Wir wollen im Unterschied zum CDU-Finanzminister kein Geld bunkern, sondern im Rahmen des Möglichen in die Zukunft des Landes investieren. Insgesamt wollen wir in den Jahren 2017 und 2018 jeweils 543,13 bzw.
Steuereinnahmen realistisch einschätzen!
Sachsen muss für Lehrkräfte attraktiv werden!
CDU-Finanzminister Unland rechnet den Freistaat künstlich arm, um gigantische Rücklagen zu bilden, während überall Geld fehlt. Die vielen Millionen, die beispielsweise im „Zukunftssicherungsfonds“ schlummern, werden infolge der Niedrigzinspolitik aufgezehrt. Sparen ist richtig, für die CDU aber ist es zum Fetisch geworden. Ob Umsatzsteuer, Lottoeinnahmen oder die Spartöpfe: Geld, das nach vernünftigen Maßstäben verfügbar ist, wollen wir nutzen – für Investitionen in Schulen, Sicherheit, Soziales, Nahverkehr. So lassen sich bei realistischer Betrachtung mehr als 840 Millionen Euro lockermachen.
Sachsen ist ein schlechter Arbeitgeber für Lehrerinnen und Lehrer: Nirgendwo in Deutschland verdienen sie weniger als hier. Kein Wunder also, dass sie sich woanders Arbeit suchen, dass Nachwuchs fehlt. Fast die Hälfte der Lehrkräfte, die zum Beginn dieses Schuljahres eingestellt wurden, hat keine pädagogische Ausbildung. Der Unterricht ist längst nicht mehr flächendeckend sicher. Der Lehrerberuf muss attraktiver werden! Das Paket im Umfang von 213 Millionen Euro, das die Staatsregierung angekündigt hat, erreicht dieses Ziel nicht und schafft zudem neue Ungerechtigkeiten, weil es die Mehrheit der Lehrerschaft benachteiligt. Wir fordern weiterhin einen Landestarifvertragt, der Sachsens bundesweiten Rückstand bei der Lehrerbezahlung wirklich ausgleicht! Auch die Qualifizierung der Seiteneinsteiger verlangt größere Anstrengungen. Schon die Verdopplung der Zahl der Lehramtsstudienplätze von 2.000 auf 4.000 kostet 27 Millionen Euro …
Kann nichts, bringt nichts: Landesamt für Verfassungsschutz Nicht nur das Versagen vor dem NSU-Terror, sondern auch dutzende Fälle von kuriosem Nichtwissen zeigen: Das Landesamt für Verfassungsschutz ist verzichtbar. Anti-Terror-Kampf ist Sache des Bundes und der Polizei. Ersparnis: mehr als zehn Millionen Euro.
Aus drei mach eins: Ein Statistikamt für drei Länder Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt sollten ihre Statistischen Landesämter verbinden. Das spart Personal und Ressourcen, die Informationsfülle nimmt keineswegs ab. Die Ämter sind auch für politische Entscheidungen unverzichtbar. Ersparnis: 17 Millionen Euro. Bild: GuentherHH / flickr.com / CC BY-ND 2.0
586,24 Millionen Euro mehr ausgeben. Dem stehen Finanzierungsvorschläge in Höhe von 509,52 bzw. 621,13 Millionen Euro gegenüber. Somit ist der aus unserer Sicht notwendige Mehrbedarf komplett gedeckt, ohne dass die Haushaltsrücklage angegriffen wird oder neue Schulden gemacht werden. Insgesamt unterbreiten wir in unserem nunmehr neunten Alternativen Haushaltsansatz 157 Veränderungsvorschläge gegenüber dem Regierungsentwurf. Beispiele finden sich in den nachfolgenden Kästen.
Lebenslang lernen: Volkshochschulen stärken! Auch die Volkshochschulen leiden an Finanznot. In den letzten zehn Jahren wurden die Mittel, die der Freistaat für Weiterbildung ausgab, nicht erhöht. Das wollen wir nachholen, schon wegen allgemeiner Kostensteigerungen, und mehr Geld in Unterrichtsräume und Technik, eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte, digitale und demokratische Bildung stecken. Investition: elf Millionen Euro.
PARLAMENTSREPORT
Für ein gutes Lernumfeld und wirklich kostenfreie Lernmittel
Nicht nur der Fall al-Bakr zeigt: Sachsens Justiz braucht Hilfe Zwischen 2003 und 2015 büßten unsere Gefängnisse viele Stellen ein: Der CDU-Kürzungskurs hat von ehemals 2.208 Beamten nur 1.771 übriggelassen. Heute sind fast alle Anstalten permanent überbelegt, die unmittelbaren Vollzugsbediensteten im Dauerstress und häufig krank. Mit zusätzlich 9,2 Millionen Euro wollen wir – als erste Linderung – 50 weitere Vollzugsbeamte einstellen, in jeder Haftanstalt eine feste Psychologen-Stelle schaffen und Honorarkosten für Dolmetscherleistungen abdecken.
Arbeit finanzieren, nicht Arbeitslosigkeit! Wer auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance hat, ist unweigerlich armutsbedroht. Ein dauerhafter öffentlicher Beschäftigungssektor bietet den nach wie vor zahlreichen und oft älteren Langzeiterwerbslosen eine Chance. Für eine entsprechende Erweiterung des Landesarbeitsmarktprogramms wollen wir jährlich sieben Millionen Euro ausgeben und bei Vereinen und Verbänden dauerhafte gemeinnützige Arbeitsplätze schaffen.
Bild: Peter Hebgen / pixelio.de
Wichtig für alle: Solide Krankenhäuser
Sport und Kultur nicht vernachlässigen
Der Freistaat stellt den Krankenhäusern Mittel für Investitionen zur Verfügung – allerdings zu wenig, um den Sanierungsstau zu beheben. Mit gut 40 Millionen Euro zusätzlich wollen wir ein großes Stück vorankommen.
Sport und Kultur sind für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unverzichtbar. Bei Investitionen in Sportstätten lehnen wir die von der CDU-SPD-Koalition geplante Absenkung der Mittel ab, denn der Investitionsstau ist gigantisch. Wir wollen den Sportstättenbau weiter auf gleichem Niveau fördern – mit jährlich 17,5 Millionen Euro. Bei den Kulturräumen legen wir gut 17 Millionen Euro drauf, damit die Ausbeutung in den meisten Theatern und Orchestern ein Ende hat und ordentlich nach Tarif bezahlt werden kann.
Mehr Arbeitsschutz, weniger Unfälle Die Arbeitsschutzbehörden sind aufgrund von Personalabbau fast handlungsunfähig – die Zahl der aufgesuchten Betriebe hat sich in den letzten zehn Jahren fast halbiert. Wir wollen zehn zusätzliche Arbeitsschutzinspektoren einstellen. Investition: reichlich 1,2 Millionen Euro.
Retter retten: Feuerwehren aufrüsten Die Regierung redet viel vom Ehrenamt, unterstützt es aber kaum. Das spüren nicht zuletzt die Freiwilligen Feuerwehren. Damit Gebäude, Geräte und Schutzausrüstung nicht immer weiter veralten und der Investitionsstau etwas abgebaut wird, wollen wir den Kommunen jährlich zehn Millionen Euro mehr für den Brandschutz geben. Den Jugendfeuerwehren möchten wir 20 Prozent mehr Mittel zukommen lassen, das sind dann 300.000 Euro pro Jahr.
Keine Zeit verlieren: Kitas fördern! An der frühkindlichen Bildung darf nicht mehr gespart werden! Wir wollen insgesamt 148 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen, unter anderem für die Anerkennung der Vor- und Nachbereitungsstunden von Kita-Erzieherinnen, die Verdoppelung der Kita-Investitionsmittel auf 20 Millionen Euro, mehr Familienbildung und Sprachförderung.
Zügig mehr Polizisten ausbilden! Die Hochschule der sächsischen Polizei soll weitere Lehrkräfte bekommen, damit mehr Anwärterinnen und Anwärter für den Polizeiberuf ausgebildet werden können. Ab 2018 sollen jährlich nicht nur 600, sondern 750 Polizeimeisterinnen und -meister sowie Polizeikommissarinnen und -kommissare ausgebildet werden können. Investition: 3,33 Millionen Euro.
Bild: Landeshauptstadt Stuttgart / flickr.com / CC BY-NC 2.0
An den Schulen kommt es auch auf eine gute Lernatmosphäre für alle an. Deshalb sollen die Flächenkreise 40 Millionen Euro zusätzlich für den Schulhausbau bekommen. Für knapp dieselbe Summe wollen wir weitere Schulpsychologen einstellen und eine flächendeckende Schulsozialarbeit sichern. 20 Millionen sollen in den Ausbau der Ganztagsangebote fließen. Außerdem sollen die Kommunen als Schulträger zehn Millionen Euro mehr bekommen, damit sie von den Eltern kein Geld mehr für Schulbücher, Taschenrechner, Kopien und andere Lernmittel verlangen müssen. Denn die Landesverfassung sagt zweifelsfrei: Lernmittel sind unentgeltlich!
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Bild: strassenstriche.net / flickr.com / CC BY-NC 2.0
Oktober 2016
Nicht nur für die Lausitz: Strukturwandelfonds Sachsen Seit knapp 100 Jahren sind weite Regionen der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier stark vom Braunkohleabbau geprägt. Das Ende dieses Wirtschaftszweiges kommt früher oder später. Im Sinne der Beschäftigten und der Bevölkerung heißt es: vorsorgen gegen Strukturabbrüche! Die Lausitz sollte zur Modellregion für die Energiewende entwickelt werden. Dort ist nach Ansätzen zu forschen, um die Menschen vor Ort zu befähigen, attraktvie Beschäftigungsmöglichkeiten abseits der Braunkohleverstromung zu finden. Einen entsprechenden Fonds wollen wir jährlich mit fünf Millionen Euro ausstatten.
Keinen zurücklassen: Jugendarbeit verstärken Ein Land, in dem jedes fünfte Kind in Armut lebt, darf keinen jungen Menschen zurücklassen. Wir wollen die Mittel für Jugendsozialarbeit auf insgesamt 30 Millionen Euro pro Jahr verdoppeln. Die Jugendpauschale für die kommunalen Jugendhilfeträger soll auf 15 Euro pro Jugendlichem und Jahr erhöht werden. Dann wäre deren Kürzung, die CDU und FDP 2010 vornahmen, Geschichte.
Ein Herz für Tier(heim)e Die Staatsregierung will die Zuschüsse für die Tierschutzvereine deutlich verringern. Nicht mit uns! Wir wollen sie stattdessen aufstocken und auch einen Landestierschutzbeauftragten installieren. Investition: etwa 1,5 Millionen Euro.
Ob Schüler oder nicht: Auch auf dem Lande sicher mobil! Nicht kleckern, sondern klotzen gilt für die Förderung des Öffentlichen Nahverkehrs auf dem Lande. Hierfür wollen wir insgesamt 236,34 Millionen Euro zusätzlich einsetzen, damit die Verkehrsverbünde Schritt für Schritt flächendeckende Mobilität für alle ermöglichen können, die nicht stets mit dem eigenen Auto unterwegs sein können oder wollen. Außerdem soll der Freistaat den Kommunen bei den Kosten für die Schülerbeförderung unter die Arme greifen. Die Mittel für den Ausbildungsverkehr wollen wir jährlich um knapp 15 Millionen auf 75 Millionen erhöhen.
Seite 4 Wochenlang hat die Staatsregierung mit den Gewerkschaften darüber verhandelt, wie der Lehrerbedarf im Freistaat gedeckt werden kann. Nun hat die Staatsregierung ein Programm vorgelegt, das zwar einige richtige Schritte unternimmt, aber am Ende wohl nicht geeignet ist, um Sachsen ausreichend attraktiv für Lehrkräfte zu machen. Die bildungspolitischen Sprecherinnen von Linken und Grünen, Cornelia Falken und Petra Zais, haben einen offenen Brief an das sächsische Kabinett verschickt. Wir dokumentieren ihn im Wortlaut. Antworten sind nicht bekannt.
PARLAMENTSREPORT Nun bekommt die CDU-Kultusministerin die Krise nicht in den Griff, während der CDU-Ministerpräsident schweigt und der CDU-Finanzminister Geld blockiert, um „für kommende Generationen“ zu sparen. Was aber wird aus der heutigen Generation? Ihre Politik hat Sachsens Schulen in eine Notlage manövriert. Die Schü-
zurück. Diese scharfe Rhetorik offenbart Ihre große Verunsicherung. Nach Auffassung der Landtagsfraktion von LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erweist sich die sächsische Regierung als unfähig, eine konstruktive Personal- und Bildungspolitik zu betreiben. Das zeigen die gescheiterten Verhandlungen über Maßnahmen zur
Nicht länger jammern und trödeln – Sofortmaßnahmen gegen Lehrkräftemangel einleiten! Sehr geehrter Ministerpräsident Tillich, sehr geehrte Ministerinnen und Minister! Vor vier Jahren war die Unterrichtsversorgung nach Aussage der Kultusministerin noch „auf Kante genäht“. Heute, nach dem Start ins Schuljahr 2016/2017, hat sich die Situation noch dramatisch verschlechtert: Die Unterrichtsversorgung ist nach Aussage der Kultusministerin „angespannter denn je“. Wir sagen: Sie ist längst nicht mehr flächendeckend gewährleistet. Es gelingt Ihnen einfach nicht, den Lehrermangel in Sachsen zu bekämpfen. Ihre Personalpolitik beschränkt sich auf das Stopfen von Löchern. Spätestens seit dem Auslaufen des Bezirkstarifvertrages für Gymnasialund Mittelschullehrer 2006/2007 wussten Sie, was kommt. Schon damals hätten mehr Lehrkräfte eingestellt werden müssen, um vorzusorgen. Es blieb genug Zeit, um die Lehramtsausbildung aufzustocken. Es bestand die Chance, für konkurrenzfähige Gehälter zu sorgen. Das alles haben Sie unterlassen.
lerzahlen steigen – erfreulicherweise. Gleichzeitig verlassen immer mehr Lehrer altersbedingt die Schulen, bis 2030 werden das etwa 80 Prozent des heutigen Personalbestandes sein. Die Einstellung junger Lehrkräfte gelingt Ihnen jedoch nur in einem unzulänglichen Maße. Das Lehrpersonal wird verschlissen, wie die hohen Krankenstände und die zahlreichen vorzeitigen Ruhestandseintritte zeigen. Dennoch sieht die Kultusministerin die sächsischen Schulen „auf einem guten Weg“. Kritik an ihrer Bildungspolitik weist sie als „Abwerbemaßnahme“ sächsischer Lehrkräfte
Behebung des Lehrermangels zwischen Finanz- und Kultusministerium sowie der GEW und der dbb-Tarifunion sowie der Streit über das neue Schulgesetz. Wir betrachten es als skandalös, mit welcher Ignoranz die Staatsregierung die selbstverursachten Probleme auf dem Rücken der SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen austragen will. Der CDU, die sämtliche Kultusminister hierzulande stellte, mangelt es an Respekt und vor allem an Wertschätzung gegenüber den LehrerInnen, die jahrelang die Lasten der Umbrüche getragen haben und immer mit der Aussicht auf bessere
Oktober 2016 Zeiten vertröstet wurden. Statt besserer Zeiten folgt nach CDU-Lesart ein „Tal der Tränen“. Das ist an Zynismus nicht zu überbieten. Wir fordern die Sozialdemokraten auf, ihre Mindestforderungen in der Bildungspolitik aus der Zeit, in der sie die Oppositionsbänke drückten, nicht aufzugeben und in der Koalition auf attraktive Bedingungen für den Lehrerberuf in Sachsen zu dringen. Wir fordern Sie als sächsische Staatsregierung auf, unverzüglich und mindestens die folgenden Maßnahmen zu treffen: » Den Lehrerberuf an Grundschulen und Mittelschulen aufwerten – Pflichtstundenzahl reduzieren (von 28 auf 26 in Grundschulen, von 26 auf 25 an Mittelschulen) und Entlohnung verbessern (Höhergruppierung von Entgeltgruppe 11 zunächst mindestens in Entgeltgruppe 12 an Grundschulen, generelle Höhergruppierung aller Lehrkräfte in die Entgeltgruppe 13 an Mittelschulen). » Sichere Rahmenbedingungen für Seiteneinsteiger schaffen – vor dem Lehreinsatz ein halbes Jahr » Weiterbildung bei vollem Gehaltsbezug garantieren, Betreuung durch Mentoren gewährleisten. » Zulagen für ältere LehrerInnen gewähren. » Altersermäßigungen ausbauen statt abbauen – Lehrkräften ab dem 63. Lebensjahr drei Ermäßigungsstunden einräumen. » In allen Klassen eine Klassenleiterstunde pro Woche einführen. Cornelia Falken, MdL, Bildungspolitische Sprecherin, DIE LINKE Petra Zais, MdL, Bildungspolitische Sprecherin, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN
Termine
Theaterzeit: „Neun blaue Nächte“ – Premiere im doppelten Sinn
Transboundary Parliamentary Networking Conference between Severní Čechy (CZ), Dolny Śląsk (PL) & Sachsen (DE) 26.11.2016, 10 bis 18 Uhr, Hochschule Zittau, Haus Z IV
Das gab es hier noch nie: Eine Politikerin übernimmt die Schirmherrschaft für eine Schauspiel-Inszenierung am Mittelsächsischen Theater in Freiberg und Döbeln. Eine Premiere im doppelten Sinn – sowohl für mich als auch für die Macher des Stücks „Neun blaue Nächte“ von Matéi Visniec. Es hat mehrere Grunde, dass es mir eine Ehre war, diese Schirmherrschaft zu übernehmen: „Liebe Freiheit“ ist das Motto der neuen Spielzeit 2016/17. Intendant Ralf-Peter Schulze begründet die Wahl dieses Mottos so: „… FREIHEIT ist nicht grenzenlos. Freiheit heißt nicht frei von Verantwortung zu sein. Freiheit heißt nicht frei von Werten, heißt nicht frei zu sein von Nächstenliebe, von Respekt, Achtung und Liebe. LIEBE wiederum grenzt nicht aus, setzt keine Bedingungen …“ Gerade deshalb passt diese außergewöhnliche, weil heitere und zugleich tiefsinnige Liebesgeschichte so gut zum Motto der neuen Spielzeit.
»Das umfassende Wirtschaftsund Handelsabkommen EUKanada (CETA) – Chance oder Canadian Rodeo für Sachsen?« 24.11.2016, 10 bis 14 Uhr, Sächsischer Landtag, Saal 2
Schon lange fühle ich mich dem Mittelsächsischen Theater sehr verbunden. Auch dieses Haus kämpft seit Jahren
um ausreichende finanzielle Mittel, die es langfristig ermöglichen, das hohe Niveau aller Sparten, beispielsweise des Schauspiels und des Musiktheaters, aufrechterhalten zu können und die Theaterschaffenden zu motivieren, dem Haus die Treue zu halten. Die Kulturraumtour unseres kulturpolitischen Sprechers Franz Sodann machte im Januar Station im Freiberger Theater, um mit renommierten Kulturschaffenden das Sächsische Kulturraumgesetz zu diskutieren. Infolgedessen überlegte ich in Freiberg gemeinsam mit TheaterGeschäftsführer Dr. Hans Peter Ickrath, welche politische Unterstützung noch möglich ist, um öffentlichkeitswirksam auf die Probleme aufmerksam zu machen. Die Idee der Schirmherrschaft bot dazu gleich in mehrerer Hinsicht Gelegenheit. Zum einen spiegelt die Inszenierung das Spielzeitmotto treffend wider, ich erlebte den Entstehungsprozess des Stückes hautnah mit, lernte die Arbeit hinter den Kulissen kennen und kam mit den Theaterschaffenden ins Gespräch. Zum anderen
sorgte nicht zuletzt meine Schirmherrschaft für sehr gut besuchte Vorstellungen. Außerdem gab es positive Presseresonanz, und für die hervorragenden jungen HauptdarstellerInnen Anna Bittner und Delschad Numan Khorschid war das Stück ein weiteres Sprungbrett für eine zukunftsweisende Karriere. Die Beiden verkörperten auf der Bühne ein ungewöhnliches Liebespaar und in der Realität den Beweis gelebter Integration. Denn Delschad Numan Khorschid ist Kurde, stammt aus dem Nordirak, floh vor mehr als zehn Jahren nach Deutschland, besuchte die Berliner Schauspielschule und ist nun Gast des Schauspielensembles des Mittelsächsischen Theaters. Nach der Aufführung am 25. November werde ich zudem bei einer Podiumsdiskussion die Möglichkeit haben, mit der Theaterleitung, den SchauspielerInnen und dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Darauf freue ich mich ganz besonders. Dr. Jana Pinka, MdL
Impressum Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Telefon: 0351/493-5800 Telefax: 0351/493-5460 E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de www.linksfraktion-sachsen.de V.i.S.d.P.: Marcel Braumann Redaktion: Kevin Reißig