„Der Osten darf keine Einöde der Armut werden“ Die sächsische Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Susanna Karawanskij, hat die Rolle als Ost-Koordinatorin der Linksfraktion übernommen.
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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Oktober 2016
Wie kommt es, dass Sie sich für die Belange der Ostdeutschen stark machen wollen? Ich wurde 1980 in Leipzig geboren. Dadurch habe ich in meinen ersten zehn Lebensjahren die DDR erlebt. Ich gehöre also zur „Dritten Generation Ost“, die in zwei gegensätzlichen politischen und sozialen Systemen aufgewachsen ist. Die Umbruchszeit bekam ich natürlich vor allem in der Schule mit, plötzlich fehlten Lehrerinnen. In meinem direkten Umfeld merkte ich, was die gewaltigen Umbrüche mit vielen Menschen machten. Bis heute muss man leider feststellen, dass die Menschen im Osten in einigen Bereichen benachteiligt werden oder mit strukturellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Dafür genügt ein Blick auf den Arbeitsmarkt oder aufs Rentensystem. Es kommen genügend Menschen ins Wahlkreisbüro, die ganz persönliche Benachteiligungen erfahren oder erfahren haben. Allzu oft wird vergessen, dass es in der DDR auch Dinge gab, die nicht einfach in Vergessenheit geraten sollten. Das fängt bei der Bildung an und geht bis zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. der Möglichkeit für Frauen, in Vollzeit erwerbstätig zu sein. Es gibt noch viel zu tun, um Ost und West wirklich auf eine Stufe stellen zu können. Das möchte ich mit anpacken, ohne West gegen Ost auszuspielen. Das Rentensystem ist beispielsweise nicht nur ein ostdeutsches Problem, was z.B. die Rentenüberleitung betrifft, sondern es bedarf in Ost wie West einer Reform. Das Rentenniveau muss überall auf 53 % angehoben werden. Und wir brauchen eine solidarische Mindestrente. Ist es 26 Jahre nach 1990 überhaupt noch notwendig, die Probleme der Ostdeutschen näher in den Blick zu nehmen? Ja, auf alle Fälle. Es existieren noch große Ungleichgewichte. Die Löhne sind im Osten meist
deutlich niedriger, Renten aus DDR-Zeiten wurden oft gekürzt und nicht ins gesamtdeutsche Rentensystem übergeleitet, das Geldvermögen ostdeutscher Haushalte ist eindeutig niedriger, und im Osten fehlt es immer noch an wirtschaftsstarken Regionen. Nicht nur im Kontext mit Digitalisierung und Industrie 4.0 besitzt Ostdeutschland Standortpotenziale, die allerdings strukturpolitisch gefördert werden müssen. Es braucht gute Arbeitsmöglichkeiten, um die Abwanderung gerade junger Menschen in den Westen zu verhindern. Der Osten darf keine Einöde der Armut werden. Wir sind als LINKE eine gesamtdeutsche Partei. Aber unsere Ursprünge sind klar. Der Osten ist gewissermaßen die Lebensversicherung der Partei, Substanz und Quelle ihrer Weiterentwicklung. Wir wollen die Belange und Bedürfnisse der ostdeutschen Bevölkerung nicht untergehen lassen. Denn was im Grundgesetz verankert ist, ist noch lange nicht Wirklichkeit: die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Was sind Ihre Ziele? Ich muss das Rad nicht neu erfinden, denn mein Vorgänger Roland Claus hat über zehn Jahre sehr gute Arbeit geleistet. Darauf möchte ich aufbauen und gleichzeitig eigene Akzente setzen. Einer wird sein, gegen die Diskriminierungen der Ostdeutschen im Rentenrecht anzukämpfen. Dies wird auch im Bundestagswahlkampf Thema sein. Weiterhin werde ich in unserer Fraktion Sprecherin für Kommunalfinanzen bleiben. Daher werde ich mich für stabile und bessere Finanzen der Kommunen einsetzen. Da Ostdeutschlandpolitik ein Querschnittsthema ist, werde ich sicherlich auch auf die Felder Gesundheit, ländliche Räume, Arbeitsmarkt und Frauen schauen. Dabei darf man nicht die gleichstellungspolitische Vorreiterrolle des Ostens unter den Teppich kehren. Wichtig ist es, reelle Zukunftsperspektiven zu entwickeln, um alsbald wirklich gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Es darf nicht noch mal ein Vierteljahrhundert vergehen!