Derartige Aufregung hat es um Edgar Mrugalla schon lange nicht mehr gegeben. Er wohnt zurückgezogen in Düsseldorf, in der Nähe seiner Tochter. Der Hof in Dithmarschen wurde zwangsversteigert, bei Mrugalla häuften sich unbezahlte Rechnungen. Heute lebt er von 292 Euro Künstlerrente im Monat; ein Schlaganfall und eine Parkinson-Erkrankung erschweren ihm das
Arbeiten zudem immer mehr. Der ehemalige »König der Kunstfälscher« zehrt vom Ruhm vergangener Tage; auf seiner Website nennt er sich »Künstler, Virtuose, Genie – verfemt, umstritten, bewundert«. Doch obwohl Mrugalla nur selten ein Bild verkaufen kann, kommt aufhören nicht in Frage. Für den Mann, der einmal Rembrandt war, ist Kunst eben auch ein Lebenselixier. n
Taschengeld für die Stasi DDR-Experte Klaus Behling über kreative Wege der Devisenbeschaffung Die Stasi betrieb nicht nur Spionage, sondern handelte auch mit Kunstwerken – und beauftragte sogar Fälscher wie Edgar Mrugalla. Warum? Die DDR brauchte dringend Devisen, um am wissenschaftlich-technischen Fortschritt teilzunehmen, der sich im Westen abspielte. Indem die Stasi Kunstsammler enteignete und Bilder in die Bundesrepublik verkaufte – darunter auch Auftragsfälschungen –, beschaffte sie dem Staat Geld. Insgesamt hat der Kunsthandel aber nur ein kleines Taschengeld von sechs Millionen D-Mark eingebracht; andere Dinge waren den Devisenbeschaffern wichtiger. Zum Beispiel? Der 1983 vom bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß mit Stasi-Oberst Alexander Schalck-Golodkoswki eingefädelte Milliardenkredit für die DDR war wichtig, weil er dem maroden Staat bescheinigte, immer noch kreditwürdig zu sein. Auch mit Börsenspekulationen hat die Stasi versucht, Geld zu gewinnen. Zusätzlich hat die DDR fast alles verkauft, das nicht niet- und nagelfest war: So hat man etwa Pflastersteine 82
herausreißen und in westdeutschen Städten wieder einsetzen lassen. Wurde das Geschäft mit den Stasi-Kunstfälschungen jemals aufgeklärt? Anfang der Neunziger hat sich ein Untersuchungsausschuss im Bundestag mit Schalck-Golodkowski beschäftigt, der illegal Kunstwerke in den Westen verkauft hatte. In den Ermittlungen ging es aber eher darum, wo das Vermögen der SED geblieben war – und nicht darum, Auftragsfälschungen zu enttarnen. Die Fälschungen sind also nach wie vor im Umlauf? Selbstverständlich, der internationale Kunstmarkt profitiert noch heute davon. Deshalb hat auch niemand Interesse daran, die Kunstfälschungen zu enttarnen: Museen, Galeristen und Sammler verdienen gutes Geld damit. Klaus Behling, Jahrgang 1949, arbeitete als Diplomat im DDR-Außenministerium. Nach der Wende wurde er Journalist beim Axel-Springer-Verlag. Mit seinen Büchern über die Spionagemethoden der DDR hat er sich einen Namen gemacht; zuletzt erschien »Lautloser Terror: Kriminalität in der Stasi« (Melitzke Verlag, zusammen mit Jan Eik).
INJEK TION #6: GELD
Straßenkicker Wichtig ist auf dem Platz: Das gilt auch für die Obdachlosen-WM. Eine Fotoreportage. Brasilien ist Fußball-Weltmeister 2010 – zumindest beim »Homeless World Cup«. Seit 2003 wird das Turnier jährlich ausgetragen; die Idee stammt von den Machern eines australischen und eines schottischen Straßenmagazins. Durch die WM sollen die Obdachlosen neues Selbstbewusstsein bekommen. Gespielt wird mit vereinfachten Regeln und kleinen Teams – beim Torjubel gibt es aber keinen Unterschied zu einer echten WM. Der Hamburger Fotograf MAURICIO BUSTAMANTE ist von Anfang an mit seiner Kamera dabei.
OBEN Gehalten! Deutsche WM-Qualifikationsspiele in Stuttgart UNTEN Das deutsche Team trainiert während des Homeless World Cup in Göteborg RECHTS Miroslav (58) aus der Slowakei, Teilnehmer in Kapstadt
OBEN Fans und Teammitglieder feuern ihre Mannschaften in Kopenhagen an UNTEN Beim allerersten Homeless World Cup 2003 in Graz f채llt ein Tor RECHTS Katy (19) aus Australien, Teilnehmerin der WM in Edinburgh
OBEN Rückweg von der WM in Kopenhagen: zwei deutsche Spieler auf der Fähre UNTEN Der World Cup 2006 in Kapstadt war der erste außerhalb Europas RECHTS Lindsay (17) aus Schottland, Teilnehmerin der WM in Kapstadt