6 minute read

0831 - Wahlspecial 2023

IM GESPRÄCH MIT ALEXANDER HOLD, DEM VIZEPRÄSIDENTEN DES BAYERISCHEN LANDTAGS

NOBELSTE AUFGABE EINES DEMOKRATISCHEN BÜRGERS IST ES, DIE RICHTUNG ZU BESTIMMEN, IN DIE SICH DAS LAND ENTWICKELN SOLL.“

Alexander Hold (Freie Wähler) ist Direktkandidat für die Landtagswahl. Würde er gewählt werden, wäre es bereits seine zweite Amtszeit. Denn der Kemptener Richter a. D. sitzt bereits seit 2018 als einer der Vizepräsidenten im Bayerischen Landtag. Wie der Politiker die letzten fünf Jahre im Maximilianeum – dem Sitz des Landtags – erlebt hat, was für ihn das Schönste am Politikerdasein ist und wie er den aktuellen Wahlkampf wahrnimmt, lest ihr im Interview.

Herr Hold, Sie sind seit 2018 Landtagsabgeordneter. Wie blicken Sie auf Ihre erste Amtszeit auf Landesebene zurück?

Es war eine sehr intensive Zeit. Ich habe am Anfang gedacht, die größte Herausforderung wäre es, die Bienen zu retten. Dann hat uns schnell Corona eingeholt. Gerade in der Präsidiumsarbeit war das sehr intensiv, weil wir jede Woche neue Vorschriften umzusetzen hatten. Mit dem Krieg in der Ukraine und der Energiekrise gab es auch nach der Pandemie keine Zeit zum Durchatmen.

Sie sind nicht nur Mitglied des Landtags, sondern auch einer der Vizepräsidenten. Welche Verpflichtungen gehen damit einher?

Das Präsidium leitet die Geschicke des Landtags. Wir sind für mehrere hundert Mitarbeiter personell verantwortlich und als Hausherr für Ordnung und Sicherheit zuständig, was insbesondere in Coronazeiten ein wichtiges Thema war. Außerdem sind wir Bauherr, können beispielsweise im September das neue Empfangszentrum eröffnen. Darüber hinaus sind wir für die Veranstaltungen des Landtags zuständig und natürlich vertritt der Vizepräsident die Präsidentin bei Terminen.

Wie dürfen wir uns einen typischen Arbeitstag von Ihnen vorstellen?

Sehr abwechslungsreich. Der Alltag eines Landtagsabgeordneten sieht so aus, dass er sich spätestens um sieben Uhr morgens an die Arbeit macht und abends irgendwann nur noch ins Bett fällt. Manche Sitzungen sind bis fünf Uhr morgens terminiert – trotzdem geht es am nächsten Morgen direkt weiter. Auch am Wochenende hat man selten frei. Ich führe zwar kein Buch über meine Arbeitsstunden, würde mich aber wundern, wenn bei mir öfter mal eine Woche unter 80 Stunden dabei wäre.

Wie schaffen Sie es, dieses Arbeitspensum Tag für Tag abzurufen?

Viel zu arbeiten, begleitet mich mein Leben lang – ob als Kind im Geschäft meiner Eltern, in Nebenjobs während des Studiums oder in der Justiz. Ich merke allerdings schon, dass der Landtag sehr herausfordernd ist und dass man mehr auf sich Acht geben müsste.

Können Sie trotz Ihrer hohen Arbeitsauslastung die Kritik nachvollziehen, dass die Diäten für Landtagsabgeordnete zu hoch seien?

Wir verdienen sicherlich auskömmlich und die meisten Menschen müssen mit weniger leben. Trotzdem ist jede Kritik im Grunde unredlich. Es gibt zahlreiche Berufe, die deutlich besser vergütet werden – und das bei wesentlich mehr Freizeit und teilweise geringerer Verantwortung. Des Geldes wegen sollte keiner in die Politik gehen. Leicht oder schnell verdientes Geld gibt es als Abgeordneter nicht.

Was ist das Schönste am Politikerdasein?

Zwei Dinge: Einerseits die Vielseitigkeit der Aufgaben – da kommt kaum ein anderer Beruf an den des Politikers heran. Und andererseits vielen Menschen begegnen und helfen zu dürfen.

Und was ist ein notwendiges Übel?

Der hohe persönliche Aufwand, der zulasten des Privatlebens geht. Das lässt sich kaum vermeiden.

Nun werden im Oktober auf Bezirks- und Landesebene die Karten neu gemischt. Auch Sie stellen sich zur Wiederwahl. Wie erleben Sie den aktuellen Wahlkampf? Spüren Sie einen Unterschied zu 2018?

Bisher hatte ich kaum Zeit für den Wahlkampf. Aber ich stelle fest, dass deutliche Unterschiede zwischen Oppositions- und Regierungsparteien bestehen. Es ist relativ leicht, als Kandidat einer Oppositionspartei für nichts geradestehen zu müssen und einfach zu sagen: ‚Das läuft schlecht‘. Als Mitglied einer Regierungsfraktion wird man zwar schnell für alles mögliche kritisiert, kann dafür aber auch vorweisen, was alles geschafft worden ist. Ich könnte stundenlang referieren, was wir geleistet haben, das längst in Vergessenheit geraten oder ganz schnell zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Ein Beispiel: Die Wiedereinführung von G9 an den Gymnasien. Dabei hat man uns anfangs eine Regierungsbeteiligung gar nicht zugetraut – auch parteiintern zum Teil nicht. Tatsache ist, dass wir zum Großteil in dieser Koalition taktgebend waren. Die Menschen haben klar erkannt: Das Vier-Augen-Prinzip tut den Bayern gut.

DIE KLAGE ÜBER MÄNGEL IM BILDUNGSSYSTEM IST SO ALT WIE DIE SCHULE SELBST.

Für viele Gesetzesentscheidungen ist letztlich der Bund verantwortlich. Das Thema Bildung ist hingegen Ländersache und beschäftigt auch unsere Leser:innen. So haben wir von einer Lehrerin die Frage erhalten, was die Landespolitik gegen den seit Jahren andauernden und sich verschärfenden Lehrkräftemangel zu unternehmen gedenkt. Was möchten Sie unserer Leserin antworten?

Vorweg: Die Klage über Mängel im Bildungssystem ist so alt wie die Schule selbst. Man darf bei alledem nicht vergessen, dass Bayern Bildungsland Nummer eins in Deutschland ist.

Aber ja, wir haben zu wenige Lehrer an Grund- und Mittelschulen. Was bei dieser Diskussion leider oft untergeht: Wir hatten noch nie so viele Lehrer in Bayern wie aktuell der Fall – bloß arbeiten viele davon nur in Teilzeit. Es ist eine große Aufgabe, wieder mehr Lehrkräfte dazu zu bringen, Vollzeit zu arbeiten oder zumindest die Stundenzahl zu erhöhen. Wir haben viel in die Wege geleitet, um den Lehrerberuf attraktiver zu machen. Gegen massiven Widerstand – auch unseres Koalitionspartners – haben wir beispielsweise durchgesetzt, dass Grund- und Mittelschullehrer das gleiche Einstiegsgehalt wie ein Realschulund Gymnasiallehrer erhalten. Auch für Quereinsteiger gibt es leichtere Zugangsmöglichkeiten. Und wir haben viele neue Studienplätze für Lehrer geschaffen, die es nun zu besetzen gilt – das geht allerdings nicht von heute auf morgen.

NICHT DIE PARTEIEN BESTIMMEN, WER IN DEN LANDTAG KOMMT, SONDERN DIE BÜRGER.

Da die Landtagswahlen nur alle fünf Jahre stattfinden, hilft es uns sicher allen, unser Wahlwissen etwas aufzufrischen: Wie war das noch mal mit Erst- und Zweitstimme? Gibt es einen Unterschied zur Bundestagswahl?

Der wichtigste Satz ist: Jede Stimme ist wichtig. In Bayern werden Erst- und Zweitstimme zusammengezählt. Dadurch ergibt sich, wie viele Sitze eine Partei im Landtag erhält. Mit der Erststimme wird der Direktkandidat eines Stimmkreises gewählt. Während beispielsweise bei der Bundestagswahl mit der Zweitstimme nur eine nicht veränderbare Parteienliste gewählt wird, können sich die Bürger auf Landesebene für ihren Lieblingskandidaten entscheiden. Dadurch haben auch Kandidaten, die von ihrer Partei nicht ganz oben auf die Liste gesetzt wurden, die Chance, in den Landtag einzuziehen. Das zeigt: Nicht die Parteien bestimmen, wer in den Landtag kommt, sondern die Bürger.

Ihr abschließendes Statement an unsere Leser:innen, warum diese am 08. Oktober von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen sollten:

Weil Demokratie davon lebt, dass das Volk herrscht und bestimmt. Die nobelste Aufgabe eines demokratischen Bürgers ist es, die Richtung zu bestimmen, in die sich das Land entwickeln soll.

This article is from: