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MUSIK ALS WELTWEITES GRUNDBEDÜRFNIS
from 0831 (05/06.2024)
Der Kemptener Schlagzeuger Magnus Dauner Im Interview
von Dominik Baum
Magnus Dauner ist bereits als Kind vielfach mit Musik, insbesondere Jazz, in Berührung gekommen und hat früh angefangen Schlagzeug zu lernen. An der Hochschule für Musik und Theater München studierte er später Jazz Schlagzeug. Inzwischen ist der Kemptener nicht nur Musiker von Beruf – er tritt unter anderem beim Jazzfrühling mit seiner Band „Portrait in Rhythm“ auf –, sondern bringt als Dozent auch die indische Rhythmik „Konnakol“ näher, mitunter in der Elbphilharmonie Hamburg und der Landesmusikakademie Berlin. Auch abseits der Bühne engagiert sich der Schlagzeuger, wie zum Beispiel im Vorstand des Bayerischen Jazzverbands. Wir haben mit Magnus über das tief im Menschen verankerte Bedürfnis nach Musik, seinen Auftritt beim Jazzfrühling sowie die Auszeichnung des Events als „Landesjazzfestival Bayern“ gesprochen.
Magnus, wie ging es bei dir mit der Musik los?
Mit dem aktiven Schlagzeugunterricht habe ich mit sechs Jahren begonnen. Und davor habe ich – wie man das als Kind so macht – auf Sachen rumgehauen (lacht). Da mein Vater ein großer Jazzfan und Musikliebhaber ist, war Musik schon immer Teil meines Alltags und ich war früh auf Konzerten dabei.
Warum Schlagzeug?
Die ältesten Instrumente der Menschheit sind Gesang und Trommeln. Spannend ist: Das Trommeln und spätere Schlagzeugspielen hat sich unabhängig voneinander auf der ganzen Welt entwickelt. Das heißt, das Instrument muss etwas an sich haben, bei dem wir Menschen eine Resonanz spüren. So ging es auch mir damals als sechsjähriger Junge – und heute noch genauso.
Hast du das Gefühl, dass heute mehr oder weniger junge Menschen ein Instrument lernen wollen?
Da muss man zwischen einer professionellen Ausrichtung und dem Musizieren als Hobby differenzieren. Bei Ersterem steigen die Zahlen. Es gibt immer mehr Hochschulen und hervorragend ausgebildete Absolventinnen und Absolventen. Ganz generell würde ich aber sagen, dass die Natürlichkeit, ein Instrument zu lernen, zurückgeht, weil das auch eine Sache ist, die aus der Familie und aus der Gesellschaft heraus geprägt wird.
MUSIKMACHEN IST GENAUSO BEFRIEDIGEND WIE EIN COMPUTERSPIEL ODER SOCIAL MEDIA.
Hast du irgendwelche Tipps für angehende Musiker:innen?
Das Wichtigste ist: machen, machen, machen. Auch wenn es komisch klingen mag: Am Anfang geht es nicht um richtig oder falsch, sondern einfach darum, ein Instrument in die Hand zu nehmen und zu spielen. Immer weitermachen und niemals denken, dass man es nicht kann! Musikmachen ist genauso befriedigend, setzt die gleichen chemischen Prozesse im Hirn in Gang wie ein Computerspiel oder Social Media. Es dauert nur etwas länger, bis der Effekt eintritt. Hat man es geschafft, ist das Glücksgefühl dafür umso größer und nachhaltiger, weil ich selbst etwas erschaffen und nicht nur konsumiert habe.
Hat sich in deinen Augen seit der Pandemie der Wert von Kultur aus Konsumentensicht verändert?
Die ernüchternde Antwort ist: eher nicht. Ich glaube, bei denjenigen, die in Kunst und Kultur schon zuvor eine Wertigkeit erkannt haben, hat sich diese Wertigkeit noch einmal verfestigt. Bei allen anderen würde ich tendenziell nein sagen. Was sich durch die Pandemie – entgegen der Hoffnungen von uns Künstlern – verändert hat, ist die Eventisierung des Kulturbetriebs. Aus einem Konzert wird ein Happening gemacht, anstatt sich die Frage zu stellen: Geht es mir gut, wenn ich nach einem Konzert rausgehe? Geht es mir besser, wenn ich 15 Euro für ein Konzert ausgebe als beispielsweise für eine Pizza? Die Pizza habe ich innerhalb von 45 Minuten vergessen und werde in meinem ganzen Leben nicht mehr daran denken. Aber an das Konzert – selbst wenn es schlecht war – werde ich mich unglaublich lang erinnern. Jeder Konsument hat also die Entscheidung: Wie viel Wert ziehe ich aus den 15 Euro?
Deine eigene Band heißt „Portrait in Rhythm“. Nun spielst du ja nicht nur Jazzmusik, sondern hast auch eine Vorliebe für die indische Rhythmik entwickelt. Was ist für dich der schönste Rhythmus?
(Lacht) Den gibt es nicht. Was mich interessiert: Kann ich die Herangehensweise einer traditionellen indischen Musik mit der Herangehensweise einer traditionell westlichen Musik verbinden? Im Laufe der Jahre ist mir aufgefallen: selbstverständlich. Und das liegt an dem, was ich vorhin erwähnt habe: Das Bedürfnis, Musik zu machen, ist für alle Menschen exakt gleich. Wir haben nur unterschiedliche Sprachen entwickelt mit unterschiedlicher Grammatik, aber die Herangehensweise, die Idee, das Verlangen danach deckt sich weltweit.
DER JAZZFRÜHLING SCHAFFT ES, DIE VIELFALT DES JAZZ HINEIN IN DIE GESELLSCHAFT ZU TRAGEN.
Obwohl Jazz – bezogen auf die Anzahl der Hörenden –eher ein Nischengenre ist, erfreut sich der Kemptener Jazzfrühling über eine ganze Woche hinweg eines großen Zulaufs. Woran glaubst du, liegt das?
Jazz hat grundsätzlich ein Imageproblem. Mit dem Genre wird etwas verbunden, das ihm nicht gerecht wird. Jazz umfasst einen Zeitraum von 120 Jahren oder noch länger. Wir können 120 Jahre Musikgeschichte nicht in ein Wort packen – das wäre unfair. Wenn Leute auf ein Konzert gehen und hinterher erfahren, dass das gerade Jazz war, sind sie völlig verdutzt und sagen: ‚Aber das war doch total schön!‘ Es ist menschlich, dass wir etwas nicht wollen, was wir nicht kennen. Der Jazzfrühling schafft es, die Vielfalt des Jazz hinein in die Gesellschaft zu tragen. Natürlich steckt unglaublich viel Knowhow dahinter. Das Festival ist so professionell aufgestellt und organisiert, da könnten sich manche professionelle Agenturen und Konzertveranstalter eine Scheibe von abschneiden. Es ist immer noch ein ehrenamtlich arbeitender Verein. Dafür ist es phänomenal, was dieser leistet.
Unter dem Motto FOKUS ALLGÄU stellen die Veranstalter seit diesem Jahr eine regionale Band in den Fokus – dieses Mal ist das „Portrait in Rhythm“. Worauf dürfen sich die Gäste freuen?
Ich mag die Trennung zwischen Publikum und Bühne nicht. Deshalb wird es sich so anfühlen, als hätte ich alle in mein Wohnzimmer eingeladen – es wird ein sehr privater Abend werden. Ich finde es auch unglaublich wichtig, dem Publikum die Chance zu geben, sich dort einzuklinken, wo wir als Musiker stehen. Deshalb erzähle ich meinen Gästen von den Geschichten, die hinter den Liedern stecken.
Worauf freust du dich beim diesjährigen Jazzfrühling am meisten?
Da lautet meine etwas eigennützige Antwort aus der Verbandsperspektive heraus: der Jazzfrühling-Wettbewerb (lacht). Der Förderpreis, der mit dem Wettbewerb einhergeht, zählt – auch aus finanzieller Sicht – zu den größten Förderpreisen in diesem Bereich und das bundesweit. Jeder, der glaubt, nichts mit Jazz anfangen zu können, aber dem Ganzen eine Chance geben möchte, sollte genau diese Veranstaltung besuchen. Zu hören sind vier junge Bands, die trotzdem auf einem unfassbar hohen Niveau spielen und eine große Bandbreite des Genres abdecken.
Und was war dein Highlight in 39 Jahren Jazzfrühling?
Den Schweizer Schlagzeuger Jojo Mayer live spielen zu sehen – er ist ein Held meiner Jugend. Ansonsten kann ich mich ganz besonders an die frühen Konzerte in der Sing- und Musikschule erinnern. Das waren die Modern-Jazz-Konzerte, die ich mit acht, neun, zehn Jahren mit meinem Papa besucht habe.
Dieses Jahr darf sich der Kemptener Jazzfrühling als ‚Landesjazzfestival Bayern‘ bezeichnen. Dieser Titel wird vom Bayerischen Jazzverband e. V. vergeben, zu dessen Vorstandschaft du gehörst. Wie genau läuft das ab?
Das Landesjazzfestival wird von unserem Vorstand nach bestimmten Kriterien vergeben. Jedes Jahr kommt ein Festival zum Zug, das für seine inhaltliche und programmatische Arbeit der vergangenen Jahre ausgezeichnet wird. Dass es dieses Jahr der Jazzfrühling geworden ist, hat vor allem zweierlei Gründe: Erstens feiert der Jazzfrühling-Wettbewerb, der jungen, aufstrebenden Künstlern eine Bühne gibt, sein zehnjähriges Jubiläum. Und zweitens hat es der Jazzfrühling – im Vergleich zu vielen anderen Veranstaltungen dieser Art – geschafft, eine Transformation der Generationen einzuleiten und auch viele junge Besucher anzulocken. Auch zur Coronazeit hat der Klecks schneller als viele andere reagiert und mit dem Streamen der Konzerte eine digitale Lösung gefunden. Und auch bei der Diversität sind sie ganz vorne mit dabei. Zusammengefasst: Das Niveau, auf dem das Event den Jazz in die Gesellschaft bringt, ist so vorbildlich, dass dieses Jahr klar war, wer den Titel tragen darf.
Abschließend noch ein ganz anderes Thema: In der neuen Ausgabe ist auch unser 0831-Festivalscout wieder mit am Start. Auf welches Festival freust du dich denn dieses Jahr am meisten?
Mit der Band Orange sind wir in diesem Sommer wieder auf zahlreichen Festivalbühnen unterwegs. Ein Highlight ist für mich das Herzberg Festival Ende Juli. Wenn ich dann zwischen den ganzen Auftritten mal einen Abend frei habe, genieße ich es auch einfach, mal zur Ruhe zu kommen.