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IM WELTLADEN KEMPTEN

von Anke Roser

Im Weltladen arbeiten etwa 60 Ehrenamtliche, das Sortiment ist breit und bunt – und immer fair gehandelt. Wer auf der Suche nach coolen Geschenken ist, sollte sich dort unbedingt mal umschauen. Oder sich gleich selbst engagieren, so wie Vorständin Ursula Liebmann-Brack, die das schon seit fast 40 Jahren tut.

Im Weltladen gibt es nur fairen Kaffee? Irrtum! So fing es zwar vor vier Jahrzehnten an, doch inzwischen ist das Sortiment extrem breit: Geschirr, Bad-Utensilien, Seifen und Cremes, Windlichter, Gießkannen und Pflanztöpfe, Geldbeutel, Spielzeug, Dekorationsartikel, Hausschuhe, T-Shirts und weitere Kleidungsstücke, Ringe und anderer Schmuck, Knabbereien, Gewürze, Bananen, Tees, natürlich Kaffee und noch so einiges mehr bietet der Kemptener Weltladen heute in seinen Räumlichkeiten in der Promenadestraße 1. „Wir haben Kunden hier, die gezielt und oft schon seit langer Zeit bestimmte Produkte bei uns einkaufen. Und wir haben viele Interessierte, die einfach auf der Suche nach einem schönen Geschenk sind. Oft ist die Motivation, dass man jemandem, der ohnehin schon alles hat, gerne etwas Faires und Vernünftiges schenken möchte,“ erzählt Ursula Liebmann-Brack, die seit 2021 zusammen mit Annette Herz und drei weiteren Ehrenamtlichen den Vorstand des Weltladen Kempten - für Eine Welt e. V. bildet.

WARUM IST FAIRER HANDEL WICHTIG?

Die Pastoralreferentin ist – natürlich ehrenamtlich – schon seit dem Gründungsjahr 1985 dabei, als die Geschichte des Weltladens in Kempten ihren Anfang nahm. Einige junge Studierende lernten damals in Augsburg das Weltladen-Modell kennen, hinter dem die Motivation steht, Erzeugern aus damals sogenannten „Dritte-Welt-Ländern“ gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne zu ermöglichen. Das ist auch heute noch die Idee: Eine partnerschaftliche, direkte Zusammenarbeit mit Manufakturen, die nach hohen sozialen und ökologischen Standards arbeiten. Dabei wird die eigene Marktmacht nicht dazu genutzt, die Preise zu drücken. Vielmehr verständigen sich die Partner auf eine faire, dem Aufwand angemessene Bezahlung, was sich natürlich in den Preisen widerspiegelt – Dumpingpreise gibt es im Weltladen nicht.

Die Gründer:innen, die sich größtenteils aus der christlichen Jugendarbeit kannten, fingen 1985 ganz klein an. Zunächst stand nur ein Lagerräumchen zur Verfügung, keine eigene Verkaufsstelle. Marktstände bei diversen Veranstaltungen waren das erste Vertriebsmodell. Dann wurde ein winziger Ladenraum in der Zwingerstraße frei. „Die Verkäuferin und genau ein Kunde hatten Platz in diesem Laden,“ erinnert sich Ursula LiebmannBrack. „Wir haben damals alles in Eigenregie gemacht, sogar die Regale hat der Schreiner in unserem Team selbst gebaut.“ Anfangs hat sie selbst einmal pro Woche im Laden verkauft. Vor allem aber war ihr damals die sogenannte „Infogruppe“ wichtig, die es neben der „Ladengruppe“ gab. Denn der Weltladen hat zwei Satzungsziele: Fairen Handel betreiben und über Fairen Handel aufklären. Als der Laden das erste Mal in größere Räumlichkeiten umzog und damit zwei Schaufenster zur Verfügung hatte, wurde stets eins mit Produkten und eins mit Informationen dekoriert.

Inzwischen hat sich die Verkaufs-Fraktion durchgesetzt. Die Überzeugung ist heute, dass die Menschen durch möglichst viele, gut präsentierte Produkte in den Laden gelockt werden sollen, wo die ehrenamtlichen Verkäufer:innen, die sich regelmäßig weiterbilden, mit ihnen ins Gespräch kommen können. Eine relativ häufige Frage lautet, warum man eigentlich in den Weltladen kommen solle, wenn doch auch die großen Supermarkt- und Discounter-Ketten fair gehandelte Produkte wie Kaffee, Tee und Schokolade anbieten. Ursula Liebmann-Brack ist froh, wenn diese Frage thematisiert wird: „Daran kann man den Unterschied zwischen echtem Fairen Handel und Feigenblatt-Fair-Trade erklären. Das vorderste Ziel der großen Ketten ist immer, möglichst gute Geschäfte zu machen. Dafür drücken sie logischerweise die Herstellerpreise. Es ist zwar immer noch besser, dort ein Produkt mit Transfair-Siegel zu kaufen als ein ganz billiges, konventionell gehandeltes Produkt. Trotzdem stärkt man damit den Umsatz der großen Konzerne und damit ihre Marktmacht. Und die ist eben nicht fair.“

RAUS AUS DER BIRKENSTOCK-ECKE

Der Kemptener Weltladen arbeitet mit den großen Importorganisationen wie GEPA, El Puente und dwp zusammen und zusätzlich mit etwa 70 weiteren größeren und kleineren Lieferanten. Um nicht jeden Handelspartner selbst überprüfen zu müssen und weitere Synergien zu nutzen, gibt es übergeordnete Dachorganisationen für die Weltläden in Deutschland. „Deren Arbeit ist wahnsinnig hilfreich für uns“, sagt Ursula LiebmannBrack. „Bei der Einrichtung des aktuellen Ladens haben wir jede Menge Unterstützung bekommen zu organisatorischen und verkaufstechnischen Fragen, auch ganz konkret zur besten Art der Präsentation oder der Beleuchtung bis hin zur Beschaffenheit der Preisschildchen. Dank dieser Professionalisierung sind wir und viele andere Weltläden inzwischen rausgekommen aus der Birkenstock-Ecke und sprechen ein breiteres Publikum an.“

Um die vielen Kooperationen zu koordinieren, sich mit anderen Läden zu vernetzen, Informationen zu filtern, auf Messen zu fahren und die für den Verein wichtigen Termine im Griff zu behalten, leistet sich der Weltladen mit Marianne Haneberg-Klein eine hauptamtliche Mitarbeiterin, die 23 Stunden pro Woche für alle Themen rund ums Geschäftliche zur Verfügung steht. Sie ist die Hauptansprechpartnerin für alle Lieferanten, aber auch für alle Mitglieder der Ladengruppe. Das sind fast 60 Personen, die großteils im Verkauf, aber auch in der Buchhaltung, der IT, der Dekoration und im Einkauf arbeiten. „Die Einkäuferinnen haben sich aufgeteilt, wer was bestellt. Jede managt ihren Sortimentsbereich völlig selbständig – das funktioniert bewundernswert gut“, findet Ursula Liebmann-Brack.

Spannende Angebote F R Schulen

Und wie sieht die Zukunftsstrategie des Weltladens aus? Neue Mitarbeitende und Vereinsmitglieder rekrutieren sich im Wesentlichen aus dem Netzwerk der aktuell Engagierten – wobei ausdrücklich jede:r Interessierte eingeladen ist mitzumachen und gerne im Weltladen nachfragen kann. Neue Kundschaft versucht der Weltladen nicht nur über klassische Werbung und über Vorträge zu finden, sondern auch über die Einbindung von Kindern und Jugendlichen. Vier verschiedene Bildungsangebote gibt es inzwischen: Der „Schoko-Parcours“ zeigt den aufwändigen Weg von der Kakaobohne zur Schokolade. Die Materialkiste „Wasser für alle“ bietet verschiedene Stationen zum Thema Verknappung der weltweiten Süßwasserressourcen. Das Projekt „Globalisierung im Kleiderschrank“ wirft einen Blick auf Mode, Märkte und Menschen vom Baumwollanbau bis zur Altkleiderentsorgung. Und beim „City Bound“ erwartet die Teilnehmenden eine Rallye durch die Kemptener Innenstadt. Zahlreiche Kemptener Schulen haben die Angebote bereits genutzt – aber es dürfen gerne noch mehr werden. Gleiches gilt für Gruppenführungen, die sich an alle Interessierten richten und Hintergründe zum Fairen Handel vermitteln. Weitere Infos gibt es unter www.weltladen-kempten.de

Save The Date

Am Samstag, 22. Juni gibt es in Zusammenarbeit mit der vhs von 14:00 bis 16:00 Uhr einen „Coffee Walk and Talk“ durch Kempten, das heißt einen interaktiven Spaziergang zu Kaffee, Gerechtigkeit und fairem Handel. Anmeldung und Treffpunkt: vhs Kempten, Bodmanstraße 2 (0831 7049650, info@vhs-kempten.de); Kosten: 10 €, Bezahlung vor Ort.

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