7 minute read

TANKEN WIR BALD „GRÜNEN“ DIESEL?

Nico Winkler Von Pr G Ber Den Neuen Kraftstoff Hvo100

Nico Winkler präsentiert den geruchsneutralen, durchsichtigen und schwefelfreien Kraftstoff HVO100, bei Präg als KlimaDiesel90 bezeichnet von Dominik Baum

Die Neuzulassungen von Elektroautos haben in den letzten Jahren deutlich an – Achtung, Wortspiel – Fahrt aufgenommen. Gemessen an allen in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen ist ihr Anteil mit 2,1 Prozent* allerdings dann doch noch überschaubar. Die Statistik verdeutlicht: E-Mobilität braucht noch Zeit. Was also tun, bis mehr E-Fahrzeuge nachgefragt werden und die notwendige Ladeinfrastruktur flächendeckend geschaffen ist? Eine mögliche Übergangslösung für all jene, die ein dieselbetriebenes Fahrzeug ihr Eigen nennen, könnte HVO100 sein – ein synthetischer Kraftstoff, der ohne fossile Bestandteile hergestellt wird. Kommt aus der Zapfsäule unserer Lieblingstankstelle also bald „sauberer“ Diesel? Präg-Mitarbeiter Nico Winkler ist Experte für den neuen Kraftstoff und hat uns nicht nur diese, sondern zahlreiche weitere Fragen zu HVO100 beantwortet.

Nico, bevor wir auf HVO100 zu sprechen kommen, möchte ich noch ein anderes Schlagwort, das als Alternative zur E-Mobilität immer wieder auftaucht, in den Raum werfen: E-Fuels. Was genau hat es damit auf sich und wie praxistauglich sind diese?

E-Fuels sind flüssige Kraftstoffe, die ohne fossile Bestandteile auskommen und dennoch in einem konventionellen Dieseloder Benzinmotor verbrannt werden können. Da der Kraftstoff durch die Synthese von Wasserstoff und Kohlenstoff erzeugt wird, bezeichnet man E-Fuels als synthetische Kraft- und Brennstoffe. Das Produkt steckt aber noch in einer frühen Entwicklungsstufe. Für deren Herstellung muss viel grüne Energie aufgewendet werden, weshalb der Kraftstoff momentan noch sehr teuer und somit – Stand jetzt – wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig ist.

Ihr beschäftigt euch mit einer E-Fuel-Alternative, die in ihrer Umsetzung deutlich weiter fortgeschritten ist: hydrotreated vegetable oil, besser bekannt als HVO100. Was darf man sich darunter vorstellen?

HVO100 ist nicht wirklich mit E-Fuels vergleichbar: Letztere bestehen, wie eben erwähnt, hauptsächlich aus erneuerbaren Energien, beispielsweise Sonnen- oder Windenergie, während HVO100 aus biologischen Rest- und Abfallstoffen hergestellt wird. Es gibt aber eine Gemeinsamkeit: Beide Kraftstoffe kommen ohne Rohöl und andere fossile Bestandteile aus.

Kannst du in einfachen Worten erklären, wie HVO100 hergestellt wird?

Wie kurz angerissen, wird als Basis ein Rest- oder Abfallstoff herangezogen, der seine ursprüngliche Aufgabe erfüllt hat. Das können mitunter Stroh, Gülle, Gartenabfälle, Speisereste und forstwirtschaftliche Abfälle sein. Dieser Grundstoff wird zunächst gründlich gereinigt. Durch die Hinzugabe von Wasserstoff wird dem Produkt anschließend der Sauerstoff entzogen. Im weiteren Verlauf wird das Produkt hydriert und erreicht so den gewünschten flüssigen Aggregatzustand. Abschließend wird das Produkt isomerisiert, wodurch dieses beispielsweise auf seine Kältefestigkeit und Cetanzahl eingestellt wird. Wurden all diese Schritte durchlaufen, hat man – vereinfacht gesagt –HVO100.

Was hat es mit der Cetanzahl auf sich?

Diese gibt Auskunft über die Zündwilligkeit des Kraftstoffs. Bei normalem Diesel liegt der Wert bei 51, bei HVO100 bei über 70. Das bedeutet: Der neue Kraftstoff wird im Motorraum deutlich leichter und auch sauberer verbrannt, wodurch einerseits die Leistung steigt und sich andererseits weniger Verunreinigungen im Motor und den Filtern ablagern. Dieselfahrer, die mit ihrem Auto nur Kurzstrecken zurücklegen, kennen das Problem. Diese müssen alle paar Monate eine längere Strecke zurücklegen, um die Filter wieder frei zu brennen. Und da deutlich weniger *Stand 2023 (ohne Plug-in-Hybrid); Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt

Schadstoffe ausgestoßen werden, ist die Belastung für die Umwelt oder auch jene Menschen, die am Fahrzeug arbeiten, deutlich geringer.

F R Die Aktuellen Verbrennerfahrzeuge Brauchen Wir Eine

Klimafreundliche L Sung

Trotzdem wird der Kraftstoff im Motorraum des Fahrzeugs verbrannt und es entstehen Emissionen. Ist ein Elektromotor somit nicht die ‚sauberere‘ Alternative?

Man muss ganz klar sagen: Die E-Mobilität wird die entscheidende und zukunftsweisende Mobilität in Deutschland sein. Aber: Um zu beurteilen, wie ‚sauber‘ welche Mobilitätsform ist, muss man sich den kompletten Produktlebenszyklus eines Verbrennerfahrzeugs im Vergleich zu dem eines E-Autos anschauen – von der Herstellung über die Lebensdauer bis hin zur Entsorgung und dem Recycling. Klar ist: Beide Fahrzeugarten verursachen CO2. Ob die eine Fahrzeugart sauberer ist als die andere, ist ein Stück weit Definitionssache. Viel wichtiger ist jedoch: Für die Verbrennerfahrzeuge, die aktuell auf dem Markt sind – das sind aktuell weltweit 1,4 Milliarden – brauchen wir eine klimafreundliche Lösung. Und das sind Kraftstoffe, die erneuerbar sind und nicht aus fossilen Bestandteilen bestehen. Es wäre weder sauber noch nachhaltig, diese teilweise noch sehr neuen und funktionsfähigen Fahrzeuge von heute auf morgen durch E-Autos zu ersetzen. Mal ganz davon abgesehen, dass die Infrastruktur hierfür gar nicht vorhanden wäre.

Gibt es Punkte, bei denen HVO100 gegenüber normalem Diesel noch hinterherhinkt?

Beim Preis – da ist auch der Gesetzgeber gefragt – und beim Bekanntheitsgrad. Erst wenn die Verbraucher das neue Produkt kennenlernen und verstehen, dass es sich rein technisch gesehen um ein Zwillingsprodukt zum Diesel handelt, kann Vertrauen entstehen.

Wie groß ist die Preisdifferenz aktuell?

Das variiert sehr stark, aber grundsätzlich sprechen wir von rund 10 bis 20 Cent pro Liter.

Was muss der Gesetzgeber deiner Meinung nach tun, um dem entgegenzuwirken?

Im Gegensatz zu herkömmlichem Dieselkraftstoff emittiert HVO100 bis zu 90 Prozent weniger Neuemissionen. Deshalb könnte der Gesetzgeber den neuen Kraftstoff fördern. Der aktuelle CO2-Preis für HVO100 sollte entsprechend um die 90 Prozent Emissionseinsparung gesenkt werden. Dadurch würde sich der Preisunterschied sehr schnell verringern.

In welchen Bereichen kommt HVO100 bereits zum Einsatz?

In letzter Zeit hat die Deutsche Bahn mit einem Prestigeprojekt für Furore gesorgt. Überall dort, wo das Schienennetz nicht elektrifiziert werden kann, werden die Lokomotiven mit HVO100 betrieben. Darüber hinaus gibt es auch andere große Unternehmen, die auf den synthetischen Kraftstoff setzen, beispielsweise Würth Schrauben. Das Familienunternehmen hat kürzlich in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, seine Geschäftswägen ab sofort ausschließlich mit HVO100 betanken zu wollen. Hinzu kommen auch erste Speditionen, die ihren Fuhrpark bereits umgestellt haben.

Kann ich auch als Privatperson HVO100 tanken?

In anderen Ländern wie Österreich, Italien oder Schweden ist das bereits möglich. Aber auch in Deutschland ist Bewegung drin: Bereits ab Mitte April soll HVO100 an öffentlichen Tankstellen zugänglich sein. Der Bundestag hat das neue Gesetz bereits durchgewunken, nun muss noch der Bundesrat seine Zustimmung geben (Anm. d. Red.: Das Interview wurde am 20.03.24 geführt). Ob und wie schnell die Tankstellen letztlich umrüsten, bleibt abzuwarten.

Welchen Beitrag leistet Präg auf dem Weg zur Alltagstauglichkeit des synthetischen Kraftstoffs?

Wir setzen bei einem der vorhin angesprochenen Nachteile an: dem Bekanntheitsgrad. Durch unser Engagement versuchen wir das Produkt flächendeckend bekanntzumachen, insbesondere im süddeutschen Raum. Und wir setzen uns auch dafür ein, dass in der Politik weiter über den alternativen Kraftstoff gesprochen wird. Außerdem sehen wir unsere Aufgabe darin, HVO100 über unsere Tanklager in der Region verfügbar zu machen, damit der Kraftstoff – sobald die Nachfrage steigt – vorrätig ist.

Welches Feedback hast du bisher von deinen Kunden erhalten? Kannten sie das Produkt bereits vorher?

Die Erfahrungen sind sehr unterschiedlich. Es gibt Unternehmen, vor allem in der Transport- und Recyclingbranche, die sich mit dem Kraftstoff und seinen Vorteilen schon auseinandergesetzt haben. Es gibt aber auch das genaue Gegenteil: Unternehmer, die HVO100 mit Biodiesel verwechseln und infolgedessen erst einmal eine abweisende Haltung einnehmen. Sobald die Kunden den Unterschied verstanden haben, sind sie deutlich aufgeschlossener und können sich vorstellen, HVO100 zu nutzen. Voraussetzung: Der Preis muss stimmen.

Womit wir wieder bei der Preisdifferenz angekommen sind, die ausschlaggebend dafür sein wird, ob der Kraftstoff wirtschaftlich attraktiv ist …

Genau. Alternativ kann natürlich auch hier der Gesetzgeber voranschreiten und es zur Pflicht für Unternehmer machen, beim Fuhrpark eine gewisse Nachhaltigkeit an den Tag zu legen. In diesem Fall würde das Produkt in meinen Augen eine hohe Nachfrage genießen, weil durch einen relativ geringen Mehrpreis saubere Lieferketten abgebildet werden können. Weiterer Vorteil: Die eigene Infrastruktur muss nicht umgestellt werden. Ich muss nur prüfen, ob meine Fahrzeuge für das Produkt freigegeben sind. Und das ist bei neueren Fahrzeugen immer gegeben.

This article is from: