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FRAUEN IM HANDWERK Installati onssektor: Von wegen ein „Männerberuf

BILDUNGSWERKSTATT

ERFOLGSFAKTOR BILDUNG: Kontinuierliche Aus- und Weiterbildung sowie die Stärkung des Meistertitels sind das Fundament für hochwertiges Südtiroler Handwerk.

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„Dumme Sprüche sind kein Grund aufzugeben“

JOHANNA HILLEBRAND IST EINE VON WENIGEN FRAUEN, DIE HIERZULANDE ALS ELEKTROTECHNIKERIN TÄTIG IST: „ES GIBT WIRKLICH ZAHLREICHE TOLLE PRAKTISCHE BERUFE. WENN IHR DIE CHANCE HABT, VERSUCHT ES EINFACH SELBST!“

Sie sind eine von wenigen Elektrotechnikerinnen hier in Südti rol. Wie ist es als Frau in einem männerdominierten Beruf zu arbeiten?

Ich fühle mich in meinem Beruf sehr wohl. Es gibt manche Personen, die zwar überrascht sind, wenn sie feststellen, dass ich als Frau einen Elektrotechnik-Betrieb führe, aber das macht mir nichts aus. Andere wiederum sehen darin nichts Außergewöhnliches, was ich in der heuti gen Zeit auch als angemessen fi nde. Natürlich muss ich mir manchmal Sprüche anhören, aber da stehe ich drüber. Solch dumme Aussagen sind auf keinen Fall ein Grund aufzugeben. Ich lache darüber oder erwidere schon Mal den einen oder anderen Spruch. Selbstbewusst genug bin ich dafür.

Wie haben ihre Familie und Freunde reagiert, als Sie sich für diesen Berufsweg entschieden?

Für meine Familie war das immer schon klar, dass ich diesen Weg einschlage. Ich bin in unserem Familienbetrieb, den ich vor etwa eineinhalb Jahre übernommen habe, schließlich aufgewachsen. Ich habe bereits die Sommermonate während meiner Oberschulzeit immer im Betrieb

JOHANNA HILLEBRAND Elektrotechnikerin und Geschäftsführerin von Elektro Hillebrand

mitgearbeitet. Dann war es für meine Familie auch keine große Überraschung mehr. Einige Freunde wunderten sich zwar, dass ich diesen Berufsweg tatsächlich eingeschlagen haben, aber geäußert hat sich niemand negativ darüber. Ich bin sehr froh, dass so viele Leute hinter mir stehen. Das bedeutet mir sehr viel, vor allem nach manch einen anstrengenden Tag, ist das sehr wichtig.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Seit ich den Betrieb übernommen habe, sieht er etwas anders aus. Als mein Vater noch den Betrieb leitete, war ich hauptsächlich auf Baustellen und das war echt toll. Die Arbeit hat sich seit der Übernahme auf mehrere Bereiche verschoben. Als Geschäftsführerin muss ich die Arbeiten an meine Mitarbeiter verteilen, Kundengespräche führen, Büro-Arbeit erledigen und Reparaturen vornehmen. An manchen Tagen vermisse ich die Baustelle schon etwas.

Gab es für Sie Herausforderungen als Sie die Leitung des Betriebes übernahmen?

Ja, schon einige, wie für alle frischgebackenen Geschäftsführer. Ich musste mich damit abfinden, dass ich 24 Stunden erreichbar sein muss. Das war am Anfang oft schwierig. Eine weitere Herausforderung entwickelte sich aus der Situation heraus. Zu dieser Zeit haben zwei Mitarbeiter den Betrieb verlassen, da sie sich beruflich neu orientieren wollten. Und jeder Betriebs-Eigentümer weiß, wie schwierig es in letzter Zeit war, neue Mitarbeiter zu finden. Doch es hat sich alles zum Guten gewendet. Zurzeit sind wir insgesamt zu acht: fünf Mitarbeiter, meine Eltern und ich.

Was gefällt Ihnen an deiner Arbeit? Haben Sie sie hauptsächlich gewählt, weil Sie damit aufgewachsen sind?

Das ich sozusagen im Familienbetrieb aufgewachsen bin, hat sicherlich etwas mit meiner Berufswahl zu tun. Der Beruf wurde mir aber nicht aufgedrängt, der Betrieb hat mir vielmehr die Chance geboten, den Beruf besser kennen

Aufruf!

Achtung Elektrotechnikerinnen, Glaserinnen, Spenglerinnen und alle weiteren Frauen im Installationssektor: Wir gründen eine Arbeitsgruppe, um mit Projekten und Initiativen mehr Mädchen von den Berufen zu überzeugen. Ihr seid interessiert und wollt mitmachen? Meldet euch bei Walter Soligo Tel. 0471 323 278

01 Bei der Arbeit

Mit großem

Engagement dabei 02 Elektrotechnikerin

Seit einigen Jahren

Geschäftsführerin

zulernen und ihn auch auszuprobieren. Das war sicherlich ausschlaggebend. Ich mag meinen Beruf, weil er sehr vielseitig ist. Viele stellen sich vor, dass Elektrotechniker nur auf Baustellen arbeiten, doch das Stimmt nicht. Der Sektor hat vor allem viel mit Digitalisierung zu tun. Immer wieder können wir neue Technologien kennenlernen und ausprobieren. Ich achte sehr darauf, dass meine Mitarbeiter und ich mich ständig weiterbilden. Das finde ich einfach großartig!

Haben Sie auch negative Erfahrungen als Frau in einem „Männerberuf“ gemacht?

Außer ab und zu einige „lustig gemeinte“ Sprüche, wurde ich immer gut aufgenommen. In der Fachschule waren wir nur zwei Mädchen und alles Jungs, war aber überhaupt kein Problem. Ich wurde immer respektiert und das ist auch heute im Arbeitsalltag so. Eine Ausnahme gab es allerdings: Bevor ich ganz im elterlichen Betrieb einstieg, habe ich mich bei anderen Betrieben beworben, um weitere Erfahrungen zu sammeln. Die Antwort eines Betriebsbesitzers war sehr dreist: Er hat die Absage damit begründet, dass ich „Unfrieden in die Firma“ bringen würde. Diese Aussage spricht für sich: Es fehlte einfach an Professionalität.

Was raten Sie allen Frauen und Mädchen, die Interesse am Installationssektor haben?

Traut euch! Es gibt wirklich zahlreiche Tolle praktische Berufe. Wenn ihr die Chance habt, versucht es und lasst euch von Sprüchen nicht unterkriegen. Was ich sehr wichtig finde ist, dass Eltern ihren Töchtern solche Berufe nicht mit Aussagen wie „das ist zu anstrengend für dich“ oder „dort wirst du nur schmutzig“ ausreden dürfen. Praktische Berufe im Installationssektor sind genauso spannend und bieten genauso viele Möglichkeiten, wie andere Berufe. Versucht es einfach selbst!

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