Energie Dezember 2014 - Sonderausgabe der Leipziger Volkszeitung

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Verlagsbeilage • 9. Dezember 2014

ENERGIE

Knirschen im

Getriebe

Die Deutschen wollen die Energiewende – nur nicht vor der eigenen Haustür. Bundesweit kämpfen Bürgerinitiativen gegen Fracking, Stromtrassen, Windräder – und Investoren, die daran verdienen wollen. „Es gibt kein weiteres vergleichbares Land auf dieser Welt, das eine solch radikale Veränderung seiner Energieversorgung anpackt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Rede Anfang des Jahres. Laut einer Schätzung der Regierung wird die Energiewende bis zum Jahr 2040 bis zu eine Billion Euro kosten. Das größte Infrastrukturprojekt seit dem Zweiten Weltkrieg ist geprägt von Kostenüberschreitungen, regulatorischen Konflikten und Streit über Fragen des Naturschutzes. Nicht nur die Industrie, auch viele Bürger betrachten die Entwicklung der Energiewende mit Sorge. Deshalb nehmen sie das Heft selbst in die Hand – mit Know-how und Mut. Mit welchem Erfolg, lesen Sie in dieser Beilage.

Dauerbrenner Kohle

DisKurs um erDKabel

DrahtseilaKt vor ort

Taugen fossile Brennstoffe als Helfer der Energiewende? Seite 4

Taugen sie als Alternative zu Überlandleitungen? Seite 7

Risiko oder Bürgerpflicht? Warum Genossenschaften boomen. Seite 8


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ENERGIE REPORT

Eckpunkte des Aktionsplans Energieeffizienz Der Energieverbrauch in Deutschland soll sinken – helfen soll dabei der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz. Ziel ist, im Jahr 2020 mit 20 Prozent weniger Energie auszukommen als 2008. Unternehmen und private Haushalte sollen damit rund 18 Milliarden Euro sparen können. Gebäude: Wer sein Wohneigentum saniert, um weniger Energie zu verbrauchen, kann die Ausgaben dafür künftig von der Steuer absetzen. Die Regierung stellt dafür von 2015 bis 2019 jährlich eine

Auf der Suche nach der zündenden Idee Verheerendes Zeugnis für die Energiewende: In einer Studie kritisiert die deutsche Industrie die Regierung. Der Umstieg auf erneuerbare Energien koste zu viel und sei fortschrittsfeindlich. Zudem fresse die Energiewende die Stromkonzerne. Mit Eon spaltet sich der Größte unter ihnen auf.

D

ie Bundesregierung streitet über den künftigen Kurs der Energie- und Klimapolitik. Das zeigt der aus dem Bundeswirtschaftsministerium stammende Entwurf des Fortschrittsberichts zur Energiewende, der auf große Bedenken im Bundesumweltministerium stößt. Der Fort-

Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit, Planbarkeit heißen die Ziele, an denen sich die Energiewende und ihre Architekten werden messen lassen müssen. Unkalkulierbares Wagnis oder Chance? Die Einschätzungen von Regierung und Industrieverbänden klaffen weit auseinander. Milliarde Euro bereit. Geprüft wird zudem, ob diese Förderung auch für vermietete Wohnungen und Häuser gelten soll. Wer sich Expertenrat holen will, kann künftig etwas mehr Geld sparen: Bei der sogenannten Vor-Ort-Beratung werden ab März 60 statt bisher 50 Prozent der Kosten vom Staat bezahlt. Heizungen: Ab 2016 sollen alle mehr als 15 Jahre alten Heizungsanlagen ein „Energielabel“ erhalten, zum Beispiel vom Schornsteinfeger, das den Energieverbrauch darstellt. Elektrogeräte: Die bekannte Kennzeichnung von Geräten mit den Buchstaben A bis G für niedrigen bis hohen Stromverbrauch soll weiterentwickelt werden. Hintergrund ist, dass die oberste Klasse bereits bis zur Kennzeichnung A+++ aufgefächert wurde. Bei der Neufassung sollen die obersten Klassen so strenge Vorgaben haben, dass sie zunächst gar nicht vergeben werden. Industrie: Bereits gestartet wurde die Initiative „Energieeffizienznetzwerke“ – hier können sich Firmen, unterstützt von Fachleuten, über ihre Erfahrungen austauschen. Bis 2020 soll es rund 500 Netzwerke mit einheitlichen Standards geben. Ein weiterer Aspekt ist „vermeidbare industrielle Abwärme“ – sie soll verringert werden. Die Regierung überlegt hier etwa, Isoliermaßnahmen zu fördern.

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schrittsbericht, aus dem Zeit Online zitierte, vergleicht Daten aus den vergangenen Jahren und soll dazu beitragen, Trends zu erkennen und Fehlentwicklungen der Energiewende zu korrigieren. Mitarbeiter von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) äußern grundlegende Bedenken gegen den Entwurf der Kollegen aus dem Hause von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (ebenfalls SPD). Sie fordern eine Überarbeitung der Aussagen, welche Ziele die Energiewende erreichen soll. Ihr Vorwurf: Der Berichtsentwurf relativiere sowohl das Klimaschutzziel als

Wir müssen endlich Schluss machen mit den Illusionen in der deutschen Energiepolitik. Sigmar Gabriel (SPD), Bundeswirtschaftsminister

auch den Ausstieg aus der Kernenergie. Diese beiden Ziele galten bisher als unantastbare Hauptziele der Energiewende. Der Entwurf stellt sie allerdings unter der Überschrift „Politische Ziele“ nun auf eine Ebene mit den Zielen, die „Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zu stärken“ und die Versorgungssicherheit jederzeit zu gewährleisten. Dadurch würden die eigentlichen Ziele der Energiewende „still und leise beerdigt“, so die Kritiker. Die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und der Versorgungssicherheit galten bisher nur als Nebenbedingungen: Sie müssten erfüllt werden, um die Hauptziele der Energiewende zu erreichen. Torpediert wird dieser Bericht durch Aussagen Sigmar Gabriels, der einen raschen Verzicht auf die Nutzung der Kohle für unrealistisch hält und die Entscheidung über das Abschalten einzelner Kraftwerke den Unternehmen überlassen will. „Wir müssen endlich Schluss machen mit den Illusionen in der deutschen Energiepolitik“,

Feuer und Flamme? Die deutsche Industrie „brennt“ noch nicht für die Energiewende.

schrieb Gabriel in einem Positionspapier, das die Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichte. „Man kann nicht zeitgleich aus der Atomenergie und der Kohleverstromung aussteigen.“ Wer das wolle, sorge für explodierende Stromkosten, Versorgungsunsicherheit und die Abwanderung großer Teile der Industrie. Kohle- und Gasverstromung werde auf längere Sicht noch als „Rückendeckung der Energiewende“ für Zeiten benötigt, in denen es nicht genug Wind- oder Solarstrom gebe. Gabriels Aussagen kommen nicht von ungefähr. Die Ziele der deutschen Energiewende geraten nach einer Analyse des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zunehmend außer Reichweite. Nach dem Ergebnis des neuen „BDI-Energiewende-Navigators 2014“ hat sich die Erfolgsbilanz der Energiewende im Vergleich zum Vorjahr in drei von fünf Kategorien verschlechtert. Der Bericht wurde vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) erstellt. In der Kategorie „Klima- und Umweltverträglichkeit der Energiewende“ heißt es nach Angaben der Tageszeitung Welt,

dass beim CO2-Ausstoß „nicht nur ein Reduktionsziel verfehlt“ werde. „Der Ausstoß von Treibhausgasen war 2013 sogar höher als in den Vorjahren.“ Der aktuelle Plan der Bundesregierung, den CO2-Anstieg durch die Stilllegung von Kohlekraftwerken auszugleichen, wird vom BDI scharf kritisiert: „Nationale Eingriffe in den Strommarkt lassen die Strukturen des europäischen Emissionshandels komplett außer Acht“, sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo der Welt am Sonntag: „Die geplanten Eingriffe in den Kraftwerkssektor werden europaweit kein Gramm CO2 reduzieren. Aber sie erhöhen unsere Einfuhren von Kohlestrom und verlagern Produktion wie Wertschöpfung ins Ausland.“ Zwar steigt der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch weiter. Doch bezieht man auch Heizenergie und Kraftstoffe mit ein, hat sich der Trend der Energiewende ins Negative gewendet. Das von der Bundesregierung angestrebte Ziel, bis 2020 mindestens 18 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen zu decken, rückt nach der BDI-Analyse also außer Reichweite. Die

Energiewende sorgt auch nur noch selten für nennenswerte Innovationen, glaubt der BDI. Zwar wurden die öffentlichen Forschungsausgaben mit Energiebezug erhöht. Statt 4,5 Prozent wie im Vorjahr wurden 2013 nunmehr 5,2 Prozent aller öffentlichen Forschungsausgaben im Bereich sauberer Energie getätigt. Doch daneben blieben die privaten Forschungsausgaben lediglich konstant, während zugleich „die Dynamik bei Neugründungen und Patenten in den vergangenen Jahren erkennbar nachließ“, wie es im Bericht heißt. Der Anteil der Patente mit Bezug auf „saubere Energie“ ging deutlich zurück, von 5,5 auf nur noch 4,1 Prozent. Auch in puncto Versorgungssicherheit gibt es Kritik. Zwar war 2013 noch genügend Kraftwerksleistung vorhanden, um die „Jahreshöchstlast“ beim Stromverbrauch zu decken. Doch verspreche dieser positive Befund für die Zukunft keinerlei Sicherheit, schränkt der BDI gleich wieder ein: „Der geplante Rückbau der Kraftwerkskapazitäten übersteigt deutlich den Zubau. Im Saldo ergibt sich für Süddeutschland bis zum Jahr 2018 inzwischen eine deutliche Deckungslücke.“ Unterm Strich habe sich die Wirtschaftlichkeit der Energiewende im Laufe des vergangenen Jahres „innerhalb des roten Bereichs weiter verschlechtert“, heißt es schließlich im BDI-Energiewende-Navigator. Die Strompreise der privaten Haushalte lägen in Europa „mit an der Spitze“. Ziel sei ein funktionierender Energiebinnenmarkt, mit dem sich jährlich bis zu 50 Milliarden Euro sparen ließe. Stichwort Wirtschaftlichkeit: Zwei Drittel der kommunalen Energieversorger machen 2014 weniger Geschäft als im Vorjahr. Auch die großen Energiekonzerne hadern. Der größte unter ihnen, die Düsseldorfer Eon SE, hat Konsequenzen aus der Energiewende gezogen. Die dadurch ausgelösten Überkapazitäten auf dem Strommarkt haben einen Erlös- und Wertverfall mit sich gebracht. Deshalb spaltet Eon sich auf: Das klassische Geschäft mit Kohle, Atom und Gas soll in eine neue Gesellschaft ausgegliedert werden; das Geschäft mit dem Ökostrom, dem Netzbetrieb und Kundenlösungen soll der neue Geschäftszweig werden.

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Strompreise sinken erstmals seit Jahren „Energiesparen schafft beste Aussichten für Kommunen.“ OSTDEUTSCHLAND GEHT

Seit 2007 fördert die enviaM-Gruppe fast 1.000 Energiesparprojekte in Kommunen. So konnten weit mehr als 20.000 Tonnen Kohlendioxid eingespart werden.

200 Versorger drosseln Anfang 2015 die Tarife

E

rfreuliche Vorweihnachtspost für viele Stromkunden: Nach 14 Jahren mit – im Bundesschnitt – regelmäßig steigenden Stromrechnungen senken viele deutsche Versorger Anfang 2015 erstmals wieder die Preise. „Eine Trendwende“, jubelt die Verbraucherzentrale NRW, gießt aber gleichzeitig viel Wasser in den Wein: Die Mehrzahl der Stromversorger sei noch abgetaucht und gebe ihre eigenen deutlich gesunkenen Einkaufskosten nicht an die Verbraucher weiter. Nach Angaben des Preisvergleichsportals Verivox haben 242 Unternehmen zum Jahresbeginn Preissenkungen im Schnitt um 2,4 Prozent angekündigt, Konkurrent Check 24 hat 179 Preissenkungen im selben Umfang erfasst – darunter große Versorger wie die Stadtwerke München, Mainova (Frankfurt/Main) oder der ostdeutsche Großversorger EnviaM. Der Verbraucherstrompreis liegt aktuell im Bundesschnitt bei knapp über 29 Cent pro Kilowattstunde. 30 bis 35 Euro im Jahr kann ein vierköpfiger Durchschnittshaushalt im Grundversorgungstarif nach Angaben der Tarifportale sparen. „So eine große Anzahl von Preissenkungen hatten wir noch nie“, sagt eine Check24-Sprecherin. „Trotzdem kommen sie zu spät und fallen im Schnitt zu gering aus, finanzielle Spielräume der Versorger werden anscheinend nicht vollständig an den Verbraucher weitergegeben.“ Mit rund 200 der insgesamt 850 Grundversorger gibt nämlich bisher gerade mal ein Viertel der Branche Preissenkungen von der Strombörse an die Verbraucher weiter. Außerdem halten sich die Marktführer Eon und RWE genauso zurück wie Vattenfall. Von den „Großen Vier“ der Branche beteiligt sich damit bisher nur EnBW am Preissenkungsreigen – und das mit bescheidenen 1,4 Prozent. Die drei anderen winken erst mal ab. „Wir rechnen noch“, sagt ein RWE-Sprecher auf Nachfrage. „Eon hält den Strompreis stabil“, sagt eine Eon-Sprecherin. Die Beschaffungspreise an der Strombörse sind in den vergangenen zwei Jahren deutlich von mehr als 50 auf nur noch 32 Euro (Spotpreis) pro Megawattstunde gefallen. Hinzu kommen stabile oder sogar leicht gesunkene staatliche Abgaben. Die viel gescholtene EEG-Umlage

Deutschland produziert zu viel Strom zur Finanzierung der Ökostromreform sinkt zum 1. Januar 2015 sogar geringfügig von 6,24 auf 6,17 Cent pro Kilowattstunde. Auch die Summe aller staatlichen Steuern und Abgaben – inklusive Mehrwert- und Stromsteuer – geht nach Berechnung des Energieberatungsunternehmens ISPEX leicht von 10,17 Cent auf 9,46 Cent zurück. Die NRW-Verbraucherzentrale hat seit 2010 einen Rückgang allein des Börsenstrompreises um mehr als zwei Cent pro Kilowattstunde errechnet. Um annähernd zwei Cent müssten dann auch die Verbraucherpreise nachgeben, fordert Energieexperte Udo Sieverding. Davon ist die Branche aber weit entfernt. Die durchschnittliche Preissenkung von 2,4 Prozent – bei denen, die überhaupt senken – entspricht laut Verivox gerade einmal 0,7 Cent Entlastung. „Eine Dreistigkeit, die Verbraucher konsequent mit einem Anbieterwechsel quittieren sollten“, schimpft Sieverding. Hintergrund für die Zurückhaltung der Stromkonzerne ist aus Sicht von Marktbeobachtern das derzeit maue Geschäft: Viele Unternehmen verdienen mit der Stromerzeugung kaum noch Geld. Eon und RWE mussten beispielsweise bei ihren Quartals-Pressekonferenzen massive Gewinnrückgänge verkünden. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer fordert trotzdem, dass endlich auch die privaten Verbraucher von den gesunkenen Börsenstrompreisen profitieren müssten. Wirtschaftsminister Gabriel müsse das durchsetzen. Das Energierecht biete dafür genügend Handlungsmöglichkeit. Der Branchenverband BDEW wehrt sich gegen Kritik. Die niedrigere EEG-Umlage bringe nur einen geringen Entlastungseffekt, erklärte ein Sprecher. Zugleich erfordere der Ausbau der Netze in vielen Regionen höhere Netzentgelte, die ebenfalls auf den Endpreis aufgeschlagen werden.

In Deutschland wird derzeit viel zu viel Strom produziert, der im Inland gar nicht vollständig abgesetzt oder verbraucht werden kann. Die Folge: ein extrem hoher Strom-Exportüberschuss. So ist laut Statistischem Bundesamt der Saldo aus Stromexport und -import von sechs Milliarden kWh (2011) auf rund 35 Milliarden kWh Netto-Überschuss im Jahr 2013 gestiegen. Das ist eine Steigerung um das Sechsfache binnen zweier Jahre. Der Stromexport-Überschuss erreicht damit bereits einen Anteil von fast sechs Prozent am deutschen Brutto-Stromverbrauch im Jahr 2013 (600 Milliarden kWh). Auch im Jahr 2014 ist der ExportÜberschuss erneut auf Rekordkurs. Nach den ersten neun Monaten des Jahres 2014 weist der Saldo bereits einen Export-Überschuss in Höhe von rund 23 Milliarden kWh (Jan-Sept 2013: 22 Milliarden kWh) Strom auf. Der hohe Netto-Überschuss in der Strombilanz mit dem Ausland in Höhe von 35 Milliarden kWh lässt die Emissionen in Deutschland rasant ansteigen. Alte Kohlekraftwerke produzieren vor allem billigen Strom, der im Ausland lukrativ verkauft werden kann. Eine Einsparung der von Bundeswirtschaftsminister Gabriel geforderten 22 Millionen Tonnen CO2 entspricht einer Drosselung der Kohlestrom-Produktion um rund 20 Milliarden kWh Strom. Selbst mit einem derartigen Rückgang würde Deutschland immer noch 15 Milliarden kWh über den eigenen Strombedarf hinaus produzieren und als Netto-Stromexporteur fungieren. Einer Drosselung der Stromproduktion in Deutschland steht allerdings im Wege, dass der Stromexport für die deutschen Kraftwerksbetreiber derzeit sehr lukrativ ist. Laut dem Statistischen Bundesamt konnten im Jahr 2013 im Durchschnitt 5,23 Cent für die Kilowattstunde Exportstrom erlöst werden. Das ist deutlich mehr, als an der Strombörse zu erzielen ist.


ENERGIE REPORT

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Kleine Kraftwerke im Kommen

3700 Menschen arbeiten im Berliner Gasturbinenwerk bei Siemens. Gaskraftwerke gelten als gute Ergänzung zu erneuerbaren Energien, weil sie sich relativ schnell hoch- und herunterfahren lassen und kurzfristig zur Verfügung stehen, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint.

Dass die Stromversorgung von morgen dezentral erfolgen wird, ist für Dr. Frank Büchner Fakt. Doch was bedeutet dezentrale Stromversorgung in der Praxis? Dazu ein Interview mit dem Siemens-Manager. Herr Dr. Büchner, Siemens hat die Pläne der Bundesregierung zur Energiewende früh unterstützt. Wie zufrieden sind Sie mit dem Fortschritt drei Jahre nach Ausrufung der Grünstrom-Revolution? Siemens ist davon überzeugt, dass die Energiewende gelingen kann. Wir werden die Lösungen finden, die Deutschland für eine Stromversorgung braucht, die nachhaltig, sicher und bezahlbar ist. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass sich Bund und Länder bei der Energiewende darauf geeinigt haben, künftige Kostensteigerungen zu dämpfen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu erhalten. Wir begrüßen, dass es eine bessere Planungs- und Investitionssicherheit für künftige Projekte im Bereich erneuerbare Energien geben wird. Die nächsten großen Herausforderungen stellen allerdings die Neuordnung des Strommarktes und die stärkere Marktintegration der erneuerbaren Energien dar. Hierdurch sollte auch eine stärkere Kosteneffizienz im Energiesystem einkehren. Erst nach dieser Neuordnung ist die Energiewende insgesamt auf Kurs. Stichwort Energiewende: Müsste man nicht viel eher von einer Energie-Verbrauchs-Wende sprechen als von einer Energiewende, die sich stark auf die Erzeugung von (elektrischer) Energie bezieht? Hat nicht die Reduktion des Energie-Verbrauchs den deutlich größeren Hebel als die alternative Herstellung von (elektrischer) Energie? Ja, es geht um die Reduzierung des Primärenergieverbrauchs, also die effiziente Ausnutzung aller

Energieressourcen, nicht nur der Elektroenergie. Hier ist noch viel Luft nach oben. Schwerpunkte sind für uns eine bessere Stromerzeugung, der effizientere Einsatz von Energie in der Industrie, die energetische Sanierung von Gebäuden und ein intelligentes Lastenmanagement. Insbesondere das Lastenmanagement wird uns auch helfen, erneuerbare Energien besser in das System einzubringen: Je nach Verfügbarkeit von Wind- oder Sonnenstrom können manche Verbraucher zu- oder abgeschaltet werden. Wie groß das Potenzial von Energieeffizienzlösungen ist, lassen bereits wenige Fakten erkennen: Könnte man alle fossil befeuerten Kraftwerke weltweit so modernisieren, dass sie dem neuesten Stand der Technik entsprechen, würde dies so viel an CO2-Emissionen einsparen, wie die gesamte Europäische Union emittiert, vier Milliarden Tonnen pro Jahr. Bis zu 40 Prozent Energieeinsparungen können durch intelligente Gebäudetechnik erzielt werden. Allein auf elektrische Antriebe entfallen rund zwei Drittel des Energieverbrauchs in der Industrie. Der

In puncto Energieeffizienz ist noch viel Luft nach oben. Dr. Frank Büchner, Siemens-Manager

untersucht, wie ein Stromsystem auf Basis erneuerbarer Energien funktionieren könnte und welche Systemdienstleistungen wie beispielsweise Frequenz- oder Spannungserhalt nötig sind. Das Projekt hat bewiesen, dass Regelenergie aus 100 Prozent erneuerbaren Energien bereitgestellt werden kann und dennoch die Systemstabilität gewahrt bleibt. Voraussetzung ist allerdings der massive Ausbau von Speichertechnologien.

Einsatz von optimierten Lösungen lässt den Energieverbrauch bei industriellen Antrieben um bis zu 70 Prozent sinken. Inwieweit können Unternehmen wie Siemens mit internationaler Energiemarkt-Expertise zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende beitragen? Wir sind das einzige Unternehmen, das auf allen Technologiefeldern, die für eine erfolgreiche Energiewende nötig sind, bereits Lösungen anbieten kann. Das gilt für die Nutzung erneuerbarer Energien, zum Beispiel durch modernste Windturbinen, genauso wie für hocheffiziente, schnell-startfähige Gaskraftwerke; ebenso für die verlustarme Energieübertragung per Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) oder für intelligente Stromverteilnetze, deren weiterer, kontinuierlicher Ausbau dringend erforderlich ist. Und natürlich auch für die effiziente Energienutzung in Gebäuden, Industrieanlagen oder im Verkehr.

Die Energiebranche befindet sich in einem Umwälzungsprozess hin zu dezentraler Energieversorgung. Welche Technologien haben aus Ihrer Sicht die größten Potenziale, die Energiewende weiter voranzubringen? In den nächsten Jahren wird der Markt für dezentrale Energieversorgung um etwa 3,5 Prozent pro Jahr wachsen. Für 2030 rechnen wir damit, dass die Hälfte der weltweit neu installierten Leistung dezentral, also verbrauchernah erzeugt wird. Für Betriebe spielen Gasturbinen, Dampfturbinen, Gasmotoren, aber auch Windturbinen eine wichtige Rolle. Regional sind die Treiber für die dezentrale Energieversorgung und der Energiemix sehr unterschiedlich. In Deutschland ist es in erster Linie der anhaltende Preisverfall im Bereich Photovoltaik. Auch Regulierungen wirken sich hier aus, zum Beispiel die steuerliche Befreiung für Selbstversorger. In Großbritannien wiederum ist es der Zugang zu Erdgas.

Sie werden nicht müde, die Bundesregierung davor zu warnen, die Kosten für die

Die Bundesregierung bereitet nach der EEG-Novelle nun das Weißbuch für ein neues Energiemarktdesign vor. Was muss bei den fossilen Energien passieren? Das zunächst durch das Wirtschaftsministerium vorgelegte Grünbuch war in erster Linie der Versuch, die Diskussion um die Weiterentwicklung des Strommarktes zu strukturieren. Im De-

Man kann sich einen Kapazitätsmarkt wie eine Versicherungsprämie vorstellen. Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)

Braucht es für die konventionellen Energieerzeuger einen Ausbaupfad analog zum nun gesetzlichen Ausbaupfad der Erneuerbaren? Wir sind bereit, einen klimafreundlichen Umbau des Kraftwerksparks, der auf wettbewerblichen Maßnahmen basiert, zu gestalten. Dafür bedarf es aber gut durchdachter Rahmenbedingungen. Trotz aller Schwierigkeiten, die die Umsetzung der Energiewende mit sich bringt, darf die Politik nicht dem Reflex nachgeben, alles von oben steuern zu wollen. Wir reden schließlich von einem marktwirtschaftlich organisierten Energiemarkt. Wir müssen alle anstehenden Herausforderungen gebündelt und gemeinsam diskutieren. Die Politik hat den Klimaschutz als Ziel, darf aber auch eine bezahlbare und vor allem weiterhin sichere Energieversorgung nicht aus dem Auge verlieren.

Das Herzstück des künftigen Stromnetzes ist das Energiemanagement. Ohne eine intelligente Kommunikation zwischen den einzelnen dezentralen Energieerzeugern kollabiert das gesamte System schneller als den Anhängern der Brennstoffzellen-Technik lieb ist. Wie weit ist Siemens in diesem Punkt? Ausschlaggebend ist eine sekundengenaue, aktive und intelligente Leistungssteuerung der dezentralen Anlagen. Siemens hat gemeinsam mit Forschungspartnern und anderen Unternehmen im Projekt „Kombikraftwerk“ mit Hilfe von Simulationen und Praxistests

© VNG Norge AS/Helge Hansen/Montag

LEIDENSCHAFT FÜR ERDGAS, ZUVERLÄSSIG FÜR EUROPA, VERANTWORTUNGSVOLL FÜR DIE REGION. © VNG Norge AS/Helge Hansen/Montag

Kohle- und Gaskraftwerke rentieren sich immer weniger. Daher fordert die Energiewirtschaft gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi die Einführung eines Marktes für gesicherte Leistung, über den sich fossile Kraftwerke finanzieren sollen. Was versprechen Sie sich von einem solchen Kapazitätsmarkt? Es ist richtig, dass viele Betreiber konventioneller Gas- und Kohlekraftwerke ihre Anlagen nicht mehr rentabel betreiben können. Für rund 50 Kraftwerke liegen bei der Bundesnetzagentur Anträge auf Stilllegung vor. Ihr Betrieb lohnt sich wirtschaftlich zunehmend nicht mehr, da die erneuerbaren Energien weiter wachsen. Das Dilemma: Wir brauchen noch für viele Jahre konventionelle Kraftwerke – in Ergänzung zu den erneuerbaren Energien, da diese nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Es muss also eine Lösung für die Kraftwerke geben, die immer dann bereitstehen müssen, wenn die Erneuerbaren keinen Strom produzieren. Der Sinn sogenannter Kapazitätsmärkte ist, diese Versorgungssicherheit zu gewährleisten, man kann sich so einen Kapazitätsmarkt wie eine Versicherungsprämie vorstellen.

tail sind einige richtige Ansätze enthalten. So wird die kurzfristige Einführung einer Reserve zur Absicherung des heutigen Energiemarktes unterstützt. Der BDEW hatte sich als Brückenlösung stets für eine marktwirtschaftliche, strategische Reserve anstelle der Reservekraftwerksverordnung, die einem Abschaltverbot gleichkommt, ausgesprochen. Für den Gesetzgebungsprozess sind aber noch weitreichende Änderungen notwendig: So verkennt das Grünbuch den Nutzen der KraftWärme-Kopplung. Diese modernen und hocheffizienten Anlagen leisten einen wichtigen Beitrag, um CO2 und Brennstoffe einzusparen. Laut Koalitionsvertrag soll ihr Anteil an der Stromerzeugung bis 2020 genau 25 Prozent betragen. Mit Blick auf die aktuelle Klimazieldebatte sollte daran festgehalten werden. Und: Ohne den erwähnten Kapazitätsmarkt würde die Reform des Strommarktes unvollständig bleiben, da das sehr wichtige Gut Versorgungssicherheit nicht ausreichend berücksichtigt werden würde: Ein kompliziertes Problem, aber alle nötigen Informationen liegen auf dem Tisch. Die Politik muss 2015 zu einem Jahr der Entscheidungen machen.

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BDEW-Chefin auf Konfrontationskurs mit Sigmar Gabriel Vermeidung von Kohlendioxidemissionen weiterhin vor allem den Stromkunden aufzubürden. Und plädieren dafür, vor allem den Wärmeverbrauch in Wohnungen und Häusern zu senken. Doch im Koalitionsvertrag ist die steuerliche Förderung für die energetische Gebäudesanierung hinten runtergefallen. Ein Fehler? Es handelt sich um eines der bislang größten Versäumnisse der Politik bei der Umsetzung der Energiewende. Mit 40 Prozent hat der Wärmemarkt den größten Anteil am Energieverbrauch in Deutschland, in Wohngebäuden haben Heizungen und die Warmwasserversorgung einen Anteil von etwa 85 Prozent am Endenergieverbrauch. Leider liegen diese enormen CO2-Minderungspotenziale weitgehend brach. Dabei hat die Branche immer wieder darauf hingewiesen und geeignete Vorschläge gemacht.

85 Prozent der Bevölkerung haben dort einen Anschluss an das Gasnetz. Mit dem erst kürzlich angekündigten Zukauf des aero-derivativen Gasturbinen-Geschäfts von Rolls-Royce schließt Siemens eine Lücke im Portfolio und stärkt seine Position in der dezentralen Stromerzeugung.

Die Internationale Energie-Agentur (IEA) spricht bei Energieeffizienz von der wichtigsten Energiequelle die wir haben mit dem Stichwort „first fuel“. Gibt es dadurch einen weltweiten Schub für Effizienz-Technologien? Die künftige Energieversorgung ist derzeit in vielen Ländern weit oben auf der Tagesordnung, auch wenn die Herausforderungen unterschiedlich sind. Während in den Wachstumsmärkten der Strombedarf steigt, steht in den Industriestaaten vor allem die Wirtschaftlichkeit und in einigen Ländern auch der Klimaschutz im Vordergrund. Sicher ist in Weltregionen mit höheren Energiepreisen auch der Effizienzdruck höher. Ein schonender Ressourceneinsatz trägt nicht nur zum Umwelt- und Klimaschutz bei, er erhöht auch die Wettbewerbsfähigkeit. Die IEA prognostiziert, dass nicht nur der Energieverbrauch, sondern auch die Energiepreise weltweit steigen werden. Das ist auch in anderen Weltregionen ein Anreiz, Effizienz-Technologien einzusetzen. Unsere Kunden wissen aber auch, dass die fossilen Energieträger wie beispielsweise Erdöl endlich sind. Um für die Zeit danach gewappnet zu sein und den Wohlstand zu sichern, setzen sie bereits heute auf nachhaltige Konzepte. Ein Beispiel ist Masdar, die geplante CO2freie Ökostadt in Abu Dhabi. Anzeige

„Die Politik muss 2015 zu einem Jahr der Entscheidungen machen“ Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) fand jüngst deutliche Worte: „Es wird keine Überlebensgarantie für Kraftwerke geben.“ Ein Satz, den Hildegard Müller so nicht stehen lassen will. Die Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hatte doch mehr Verständnis für die fossile Kraftwerkssparte erwartet. Ihre Verbandsmitglieder garantierten immerhin Versorgungssicherheit bei Wind- und Sonnenflaute. Was genau Gabriel sich vorstellt, wenn es um das künftige Strommarktdesign geht, ist noch vage. Aber das Thema liegt auf der Hand. Und die Frage, welche Rolle die Kohle langfristig spielt, muss beantwortet werden. Mehr dazu im Interview mit Hildegard Müller.

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Als Brücke ins regenerative Zeitalter sind Kohle, Gas und Öl noch unverzichtbar. Die weltweite Nachfrage wächst ungebrochen – genauso wie der Aufwand, genug davon aus der Erde zu holen. 116,5 Millionen Tonnen Kohle hat Deutschland 2013 verbraucht. In der Lausitz, im mitteldeutschen und im rheinischen Braunkohlerevier leben Tausende Menschen davon.

Tief im Osten Der schwedische Staatskonzern Vattenfall betreibt in seinem Tagebau Welzow-Süd südlich von Cottbus noch heute die 1972 in Betrieb gegangene Abraumförderbrücke F 60. Der Braunkohlehunger der DDR forderte Technikern und Konstrukteuren große Leistungen ab. Volkmar Schrader stand am Reißbrett, als die größte Abraumförderbrücke entstand.

A

ls Volkmar Schrader und seine Kol- tiggestellt war, waren viele Probleme zu legen vor Jahrzehnten beauftragt überwinden, wie er berichtet. Er habe die wurden, die bis heute größte Ab- Entwicklung der F-60-Brücken zunächst raumförderbrücke im Braunkohletagebau als Konstrukteur und zuletzt als Chefkonin der Lausitz zu konstruieren, waren die strukteur begleitet. „Wir hatten zum BeiBedingungen vergleichsweise schlecht. spiel Schwierigkeiten mit den Fördergur„Wir hatten in der DDR manchmal Mate- ten, die waren aus Polyamid. Sie rissen rialmangel und mussten uns als Konstruk- manchmal. In der BRD gab es bereits teure dann Alternativen ausdenken“, sagt Stahlseilgurte, die stabiler waren.“ 1972 der pensionierte 74-Jährige aus Schwarz- ging die Brücke in den Probebetrieb. Daheide (Oberspreewald-Lausitz). mit war es möglich, bis in eine Tiefe von Der erste von fünf Stahlkolossen mit 60 Metern zu kommen, um Braunkohle dem Namen F 60 nahm 1972 im Tagebau zu fördern. Welzow südlich von Cottbus seinen BeEimerkettenbagger legen die Kohle trieb auf. Noch heute ist er im Einsatz. frei und laden das Erdreich auf Bänder Seine Begeisterung für Technik ist dem der Brücke, wie Schrader erklärt. Diese Diplom-Ingenieur in jedem Satz anzu- transportiere den Abraum über den offe- Volkmar Lange vor seinem „Baby“. Länge: knapp 500 Meter, Breite: circa 300 Meter, merken. An einer Wand in dem Arbeits- nen Tagebau hinweg und verkippe ihn an Höhe: circa 80 Meter, Gewicht: 12 000 Tonnen, Anzahl der Räder: etwa 1300, Schichtbezimmer in Schraders Wohnung hängt ein vier verschiedenen Ebenen. Indessen setzung: 14 Mitarbeiter, Förderleistung: 19 000 Kubikmeter pro Stunde, FahrgeschwinBild von der F 60. Als sein Lebenswerk werde die freigelegte Kohle unter der digkeit: 5 bis 15 Meter pro Minute. Die Braunkohle, die die F 60 fördert, wird unter bezeichnet der hochgewachsene Mann, Brücke abgebaut und mit einer anderen anderem im Kraftwerk Jänschwalde (gr. Foto) verbrannt. der gebürtig aus Halle stammt, das riesi- Bandanlage wegtransportiert. Die Brücke ge technische Konstrukt. „Dass die F 60 ist fahrbar, sodass sie sich langsam durch so lange Wind, Regen sowie den extre- den gesamten Tagebau arbeitet. seit einigen Monaten versucht die Politik, men Arbeitsbedingungen standgehalten Es wurden nach der ersten F 60 auch die fossile Last abzuschütteln: Im FrühStichwort hat...“, sagt er in einem fast zärtlichen für andere Gruben in der Lausitz solche jahr beschloss die NRW-Landesregierung Ton. Abraumförderbrücken gebaut. In Noch- überraschend die Verkleinerung des Schrader hat viele Daten zusammen- ten, Reichwalde und Jänschwalde sind größten deutschen Braunkohlereviers getragen über die nach seinen Angaben sie laut Vattenfall noch in Betrieb. Eine Garzweiler II am Niederrhein. Der schwerund 290 Jahre alte Geschichte seiner da- fünfte Brücke ist heute eine touristische dische Energiekonzern Vattenfall kündig- Derzeit unterstützt die staatliche Bankenmaligen Firma Lauchhammerwerk und Attraktion. Unter dem Namen Besucher- te zudem an, einen Verkauf seines Braun- gruppe KfW mit 2,8 Milliarden Euro Kohleüber den Jahrhunderte alten Tagebau in bergwerk kann sie in Lichterfeld (Ober- kohlereviers in der Lausitz zu prüfen. kraftwerke weltweit. Weitere 547 Millionen der Lausitz. Mit einem Freund teilt der spreewald-Lausitz) betreten werden. Es Kommt nach dem Atomausstieg jetzt viel Euro hat die Bank für den Ausbau einer Hobby-Historiker diese Leidenschaft. Vie- gibt auch Konzerte vor der Stahlkulisse, schneller als gedacht auch der Braun- passenden Infrastruktur vergeben und le alte Fotos und Pläne gibt es bei Schra- sogar geheiratet wird dort. Die F 60 war kohleausstieg? Der Bundesverband der 108 Millionen Euro für den Kohlebergbau. der zu sehen. Der Braunkohlehunger der eine Weiterentwicklung der Einheitsför- Deutschen Industrie (BDI) warnt vor ei- Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine DDR war groß. Die Energie war ver- derbrücken F 34 und F 45. Schrader ist nem Stellenabbau und einem Preisan- Anfrage der Grünen im Bundestag hervor. gleichsweise günstig zu produzieren und überzeugt: „Eine größere Brücke als die stieg, sollte die Regierung das Ab- Die Oppositionspartei fordert die Bundesresie war verfügbar. Im Boden der Lausitz – F 60 kann nicht gebaut werden.“ schalten von Kohlekraftwerken anord- gierung auf, die Subventionierung der Kohle dem zweitgrößten Braunkohlerevier Ein Viertel des deutschen Stroms nen. Hauptgeschäftsführer Markus endgültig zu beenden. Die Bundesregierung Deutschlands nach dem Rheinischen Re- stammt aus Braunkohlekraftwerken. Doch Kerber sagte gegenüber der FAZ: „Kraft- verweist darauf, dass Neuzusagen für die vier – lagerten viele Schätze. werksstilllegungen schädi- KfW-Förderung von Kohleprojekten 17 Gruben gab es laut Gemein- Strommix in Deutschland gen die Wettbewerbsfähig- zwischen 2006 und 2013 nur 0,5 Prozent samer Landesplanung Berlinkeit der deutschen Industrie der gesamten Kreditzusagen ausgemacht Brandenburg bis zur Wende in Insgesamt 631 Milliarden Kilowattstunden Strom ganz unmittelbar, ohne Nut- hätten. Dagegen seien 38 Prozent der Brandenburg und Sachsen. wurden 2013 in Deutschland erzeugt, davon durch: zen für das Klima.“ Der Bör- Zusagen auf die Förderung von Klima- und Heute betreibt der schwedisenstrompreis würde bis Umweltschutz entfallen. Von der Kohle-FörErneuerbare Energien sche Staatskonzern Vattenfall 2020 um rund ein Fünftel derung durch die KfW profitieren nach Braunkohle 26 noch fünf: Welzow-Süd, Jänsteigen und die Strombe- Angaben der Regierung auch viele deutsche 8,5 % Windenergie schwalde und Cottbus-Nord in zugskosten der energie- Unternehmen und Universitäten, denn die Brandenburg, sowie Nochten intensiven Branchen um Kohlekraftwerke aus Deutschland verfügten Steinkohle 19 und Reichwalde in Sachsen. 15 Prozent anziehen. Für die über die vergleichsweise modernste 24 6,7 Biomasse % Braunkohle ist heute als beDekade nach dem Jahr 2020 Technologie. Es würden auch nur Kohlesonders klimaschädlicher Enererwartet Kerber einen Ver- kraftwerke gefördert, die einen besonders 4,8 Photovoltaik gieträger umstritten. Brandenlust an Wertschöpfung von hohen Wirkungsgrad hätten, betont die 15 Kernenergie 5 3,3 Wasserkraft burg und Sachsen halten bismehr als 70 Milliarden Euro. Bundesregierung in ihrer Antwort. So haben 11 lang daran fest. Wenn SchraDurch direkte und indirek- unter anderem RWE, Linde, Siemens und 0,8 Siedlungsabfälle der von der Konstruktion der F te Effekte würden bis zu BASF Fördergelder für Technologien Erdgas Sonstiges 60 erzählt, leuchten seine Au74 000 Arbeitsplätze gefähr- erhalten, die den Kohlendioxidausstoß von Quelle: Agentur für Erneuerbare Energien, BDEW / Grafik: dpa Kraftwerken verringern sollen. gen. Bis der Stahlkomplex ferdet.

Kraftwerks-Förderung

Pro & contra

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er komplette Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 und der Ausbau der erneuerbaren Energien auf rund die Hälfte der gesamten Stromerzeugung bis 2030 ist beschlossen und findet in unserer Gesellschaft allgemein Zustimmung. Damit ist das Ob entschieden, nicht das Wie. Dieses bedeutet eine enorme technische, wirtschaftliche und politische Herausforderung. Hierin steckt eine Generationenaufgabe und dafür brauchen wir die Braunkohle. Insbesondere für Sachsen wird die Braunkohle noch lange Zeit von großer Bedeutung sein, weil sie der einzige preiswerte, heimische und grundlastfähige Energieträger ist. Anders als bei ande-

„Wenn die Energiewende gelingen soll, brauchen wir die Braunkohle“ Georg-Ludwig von Breitenbuch, energiepolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen

Dauerbrenner Kohle D

ren fossilen Energieträgern findet die Wertschöpfung bei der Braunkohle bei uns in Sachsen statt. Außerdem hängen Tausende Arbeitsplätze daran. Für die Mitarbeiter mit ihren Familien in der Lausitz und im Raum Leipzig haben wir auch Verantwortung. Doch nicht nur für Sachsen ist die Braunkohle wichtig. Wenn die Energiewende in Deutschland wirklich gelingen soll, brauchen wir sie als Brückentechnologieträger. Im Gegensatz zur Wind- und Solarenergie ist die Braunkohle-Verstromung das ganze Jahr, Tag und Nacht grundlastfähig. Die erneuerbaren Energien bedürfen der Unterstützung durch die Braunkohle so lange, bis die Stromnetze entsprechend modernisiert und zuverlässige Speichermöglichkeiten gefunden sind. Die Frage der Energiebereitstellung wird heute von manchen ideologisch diskutiert und die Braunkohle wird nach der Kernenergie ebenfalls komplett infrage gestellt. Bezahlbarkeit und Machbarkeit treten dabei leider oft in den Hintergrund. Wir als Politiker sind aber verpflichtet, für die Bürgerinnen und Bürger verantwortungsvoll zu entscheiden. Deshalb sagen wir: Die Braunkohlenutzung ist für Sachsen wie für Deutschland so lange erforderlich, wie die erneuerbaren Energien Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit nicht in gleichem Maße gewährleisten können.

ie Energiewende in Deutschland hat zum Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien an der Energieversorgung kontinuierlich zu erhöhen. Mit der Zunahme der erneuerbaren Energien in der Stromproduktion wird es notwendig sein, dass das Stromsystem insgesamt dezentraler, intelligenter und flexibler wird. Nur flexible Kraftwerke können in der Kombination mit erneuerbaren Energien Schwankungen durch ebendiese ausgleichen. Gaskraftwerke sind aufgrund ihrer Flexibilität besonders gut dafür geeignet. Braunkohlekraftwerke passen jedoch nicht in eine mittel- bis langfristige Energiewende, da sie zu inflexibel und behä-

„Die Weichen müssen richtig gestellt werden. Weg von der Braunkohle.“ Claudia Kemfert, Expertin für Klimaschutz am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

big sind und zudem zu viele Treibhausgase ausstoßen. Zwar kann Braunkohle in Deutschland gefördert werden, doch der Abbau verursacht erhebliche Eingriffe in die Umwelt und Gesellschaft sowie eine Schädigung der Natur und des Klimas. Die schwedische Regierung hat aus diesem Grund kürzlich zu Recht beschlossen, dass der Abbau und die Verstromung von Braunkohle nicht in eine nachhaltige Energiewelt passen, sodass sich der schwedische Konzern Vattenfall in naher Zukunft aus dem Braunkohlegeschäft in Deutschland verabschieden wird. Der Zeitpunkt ist somit günstig, den Braunkohleausstieg in Deutschland nun endgültig einzuleiten, vor allem durch aktive und wirkungsvolle Klimaschutzinstrumente. Die Bundes- und Landesregierungen sind zudem gefragt, den Strukturwandel effektiv zu gestalten und insbesondere für die Beschäftigten der Braunkohleindustrie vernünftige Alternativen zu erarbeiten. Die wirtschaftlichen Chancen durch den Umbau des Energiesystems weg von Braunkohle hin zu erneuerbaren Energien sind groß. Die Weichen müssen jetzt richtig gestellt werden. Für die Energiewende. Weg von der Braunkohle.


ENERGIE REPORT

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Kohle mit Zukunftspotenzial

drei Fragen an ...

„Chancen in der Region nutzen“

Braunkohle ist das Markenzeichen von MIBRAG. Das Unternehmen will auch in den nächsten Jahrzehnten den wertvollen Rohstoff fördern. Für interessierte junge Leute bieten sich dadurch zahlreiche berufliche Perspektiven.

S

abrina Mehle und Juliane Böhm haben den Schritt gewagt – und ihn nicht bereut. Die beiden jungen Damen begannen im vergangenen Jahr bei MIBRAG in Profen ihre Ausbildung zum Elektroniker Betriebstechnik. „Es macht großen Spaß, Schaltungen aufzubauen, die dann auch funktionieren“, sagt die 17-jährige Sabrina. Einen kleinen Nebeneffekt hat ihr technischer Beruf auch noch: „Ich kann zu Hause auch mal die eine oder andere Reparatur erledigen, ob Kabel, Lampe oder Steckdose.“ Mädchen müssten keine Scheu haben, in diesem Bereich ihre Laufbahn zu beginnen. „Es ist eine Welt mit durchaus lösbaren

Foto: Jens Schlüter

Wie ist MIBRAG für die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte gerüstet? Dr. Joachim Geisler: Wir haben ein gutes Team und sind technisch hervorragend ausgerüstet. Zudem modernisieren wir beständig unsere ... Dr. Joachim Anlagen und die Tech- Geisler, nik. Ein Thema, mit dem Vorsitzender wir uns seit einiger Zeit der Geschäftsbeschäftigen, ist die de- führung mografische Entwicklung. Seit Jahren bemühen wir uns, die Mannschaft so zu verjüngen, dass wir auch die nächsten Jahrzehnte auf gute Fachkräfte zurückgreifen können.

Die Förderung von Rohbraunkohle südlich von Leipzig wird auch in den kommenden Jahrzehnten einen großen Stellenwert haben.

zweige sind fast alles Domänen der Jungs.“ Alexander Ostrowski ist einer von ihnen. Der 19-Jährige begann ebenfalls im vergangenen Jahr seine Ausbildung, dreieinhalb Jahre dauert es insgesamt, bis er Industriemechaniker ist. „Für diesen Beruf sollte man handwerklich geschickt sein.“ Für Alexander kein Problem, er sieht sich von Haus aus als begeisterter „Friemler“. Angst vor drecki-

Eine Welt mit durchaus lösbaren Aufgaben. Sabrina Mehle (links) und Juliane Böhm.

letzten Jahren haben wir 100 Prozent der gerade Ausgebildeten übernehmen können. Zudem ist die Fluktuation bei den jungen Leuten sehr gering.“ Es ist kein Geheimnis, dass in Zeiten geburtenschwacher Jahrgänge immer weniger potenzielle Lehrlinge bereitstehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber, dass junge Leute im Vergleich zu den neunziger Jahren viel mehr Chancen haben.

Angst vor dreckigen Händen sollte man nicht haben. Alexander Ostrowski

Walther. Eine Zusammenarbeit, die sich bewährt habe. Fast 60 Prozent der Auszubildenden wurden über diese Schulpartnerschaften gewonnen. Auf diese Weise konnten schon viele falsche Vorstellungen über MIBRAG-Berufe beseitigt werden – eine Erfolgsgeschichte. „In diesem Jahr haben wir mit Franz Gröbe einen Jungfacharbeiter, der als bundesweit Berufsbester in Berlin ausgezeichnet wurde. Darauf sind wir stolz und auch darauf, dass seit 2000 keiner in den Prüfungen durchgefallen ist“, so Walther. Der Bedarf an Fachkräften ist bei MIBRAG groß. In den kommenden Jahren werden rund 600 Beschäftigte im Bereich Bergbau und Veredlung in den

verdienten Ruhestand gehen. Etwa 70 Prozent davon sind Facharbeiter. „Diese Lücken wollen wir möglichst mit selbst ausgebildetem Nachwuchs füllen“, betont Walther. Jahr für Jahr werden mehr junge Leute ausgebildet, in diesem Jahr begannen 48, im kommenden Jahr beginnen schon 59 Jugendliche ihre Ausbildung. Im vergangenen Jahr wurde in Profen ein neues Ausbildungszentrum eröffnet, heute Drehund Angelpunkt für den Berufsnachwuchs. Doch nicht nur mit dem Facharbeiterbrief in der Tasche tun sich bei MIBRAG viele Chancen auf – auch Ingenieuren und Betriebswirten bieten sich interessante Perspektiven.

Hintergrund

MIBRAG in Zahlen ■ Die Mitteldeutsche Braunkohlengesell-

Aufgaben“, betont die 19-jährige Juliane. Mitbringen sollten Bewerber vor allem ordentliche Leistungen in Mathematik und Physik. Beide wohnen südlich von Leipzig, ihr Arbeitsweg ist deshalb gut zu bewältigen. Einen Wunsch haben sie aber noch: „Es könnten ruhig noch mehr Mädchen hier lernen, denn die anderen Ausbildungs-

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gen Händen sollte man in dieser Branche nicht haben, findet er. Auch er hat seine Berufswahl nicht bereut. Die Zukunftsperspektive sieht ohnehin gut aus – die Übernahmequote bei MIBRAG sei extrem hoch. Diesen Fakt kann Jürgen Walther nur bestätigen. Er ist Leiter Aus- und Weiterbildung bei MIBRAG. „In den

MIBRAG hat längst erkannt, dass mehr getan werden muss, um den Berufsnachwuchs von morgen zu gewinnen. Mit einigen Bildungseinrichtungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt bestehen deshalb Schulpartnerschaften. „Wir gehen direkt in die Schulen und stellen unsere Berufsfelder vor, und wir kümmern uns auch um Praktika“, verrät

schaft (MIBRAG) baut in den Tagebauen Profen (Sachsen-Anhalt) und Schleenhain (Sachsen) pro Jahr etwa 20 Millionen Tonnen Rohbraunkohle ab.

■ Im Mitteldeutschen Revier gelten noch

rund zwei Milliarden Tonnen als wirtschaftlich abbaubar.

■ Pro Jahr werden über 40 Millionen Euro in

die Modernisierung von Geräten, Verfahren und den Umweltschutz investiert. In den

vergangenen 20 Jahren waren das mehr als 1,4 Milliarden Euro. ■ Durch die Versorgung von Kraftwerken

mit Kohle leistet das Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Strom- und Wärmeversorgung von Industrie und Privatkunden.

■ Seit vier Jahren engagiert sich MIBRAG

auch im Bereich erneuerbarer Energien. Am Rand des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain wurde dafür ein Windpark errichtet.

MIBRAG versteht sich als fester Partner der Region. Was haben die Menschen ganz konkret davon? Wir ermöglichen jungen Menschen, sich in dieser Region ein Leben aufzubauen. Denn wir zahlen Löhne, die nicht unterhalb jener Schwelle liegen, unter der man sein Leben nicht mehr aus eigener Arbeit bestreiten kann. Allein von unseren jährlich 115 Millionen Euro Personalkosten landen 80 bis 85 Millionen Euro als Löhne direkt auf den Konten unserer Beschäftigten. Sie fließen unmittelbar in den regionalen Kreislauf. Eine repräsentative Prognos-Studie besagt, dass jeder Arbeitsplatz im Bergbau drei weitere Stellen im Umfeld schafft. Das trifft auch auf MIBRAG zu. Wir sind stets darauf bedacht, das Gros der Lieferungen und Leistungen zur Unterstützung unseres Produktionsprozesses aus der Region zu beziehen. Rund 110 Millionen Euro unseres Umsatzes gehen damit an Zulieferer in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Was macht eine berufliche Zukunft bei MIBRAG für junge Menschen attraktiv? Wir investierten 2013 drei Millionen Euro am Standort Profen in ein nagelneues Ausbildungszentrum mit modernsten Schulungstools. Das haben wir bewusst gemacht. Damit junge Leute auch ohne Auto, stattdessen mit Bus und Bahn zu uns kommen können. Und wer sich bei uns bewirbt, weiß, dass er nach der Lehre auch einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten kann, sofern er die Ausbildung erfolgreich absolviert.

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Zwischen Himmel und Erde

I

Wie die Energiewende für Lichtblicke auf dem Arbeitsmarkt sorgt

n Mecklenburg-Vorpommern drehen sich derzeit rund 1650 Windräder. Sie decken nach Angaben des Energieministeriums im Durchschnitt 70 Prozent des Strombedarfs im Land. Servicetechniker André Sebesta wartet viele diese Windräder. Höhenluft schnuppert er momentan auf sieben Anlagen mit 140 Meter hohen Türmen bei Plau am See. Hier sollen künftig rund 21 000 Haushalte mit sauberem Windstrom versorgt werden, teilte der Rostocker Windparkentwickler Umweltgerechte Kraftanlagen (UKA) mit. Rund 60 000 Tonnen Kohlenstoffdioxid könnten so jährlich eingespart werden. Bis Jahresende sollen im Windpark Barkhagen (Landkreis Ludwigslust-Parchim) vier weitere Anlagen ans Netz gehen. Die Energiebranche ist im Umbruch. Dieser Transformationsprozess beeinflusst auch den Arbeitsmarkt. Deutschlands größtes Energieunternehmen Eon richtet sich radikal neu aus: weg von der konventionellen Stromerzeugung – hin zu erneuerbaren Energien. Für die Beschäftigten von Eon sei die Spaltung zwar eine „Zäsur“. Sie werde aber keine Arbeitsplätze kosten, sondern perspektivisch sogar neue Jobs sichern, betonte Eon-Personalvorstand Mike Winkel. Ganz ähnlich klang auch die Stellungnahme der Arbeitnehmervertreter: Beide Unternehmensteile hätten in Zukunft „gute Chancen“, auf den jeweiligen Märkten zu bestehen, so Andreas Scheidt von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Allein die großen Versorger Eon, RWE,

EnBW und Vattenfall wollten nach VerdiAngaben bis 2016 rund 20 000 Jobs abbauen. Weitere 10 000 Stellen vor allem bei Stadtwerken seien gefährdet, wenn die Förderung von Anlagen zur KraftWärme-Kopplung nicht schnell reformiert werde, sagte Verdi-Bundesvorstand Erhard Ott. Allerdings könnten nach Ansicht der Gewerkschaft durch den Ausbau der Stromnetze im Zuge der Energiewende auch 10 000 neue Arbeitsplätze entstehen. Bei aller Schwarzmalerei: In der klassischen Energiewirtschaft ist die Gesamtbeschäftigtenzahl von heute rund 233 000 zwar rückläufig. Trotz des Booms der erneuerbaren Energien bleibt die klassische Energiewirtschaft aber ein starker Wirtschaftszweig. Durch die Modernisierung des Kraftwerksparks, den Netzausbau und die neuen Geschäftsmodelle beispielsweise rund um die Energieeffizienz ergeben sich nicht nur positive Beschäftigungseffekte mit einer wachsenden Nachfrage an Nachwuchsund Fachkräften, sondern auch Perspektiven in neuen Berufen, wie dem Regulierungsmanager, Effizienzberater oder Energiehändler. Die größte Anzahl der Beschäftigten gibt es nach wie vor im energietechnischen Bereich, in der Energieerzeugung und -verteilung. Vor allem Ingenieure aus den Bereichen Elektrotechnik, Energietechnik, Bergbau, Maschinenbau und Verfahrenstechnik werden hier gesucht. Zunehmender Bedarf an Ingenieuren und Naturwissenschaftlern besteht auch in den Bereichen der Energieeffizienz

und der E-Mobility, der neuen Querschnittstechnologie zwischen Automobilund Energiewirtschaft. Betriebswissenschaftler (BWL/VWL) haben nach wie vor gute Chancen im Consulting, dem Energiemanagement, -vertrieb und -marketing; Bereiche, die infolge des zunehmenden Energiewettbewerbs eine immer größere Rolle spielen werden. Dazu zählen auch der Energie- und Emissionshandel. Nicht zu vergessen auch die vielen Forschungsinstitute als Quelle der vielen neuen Energietechnologien „made in Germany“. Die Perspektiven für Absolventen mit ingenieurwissenschaftlichem und betriebswissenschaftlichem Know-how sind daher in der Energiewirtschaft weiterhin vielversprechend. Auf dem jungen Markt der erneuerbaren Energien haben sich in den vergangenen Jahren ganz neue Berufsbilder und Ausbildungsberufe entwickelt. Rund 371 400 Menschen waren 2013 in den Bereichen Photovoltaik, Solarthermie, Wind-, Geo- und Bioenergie sowie der Wasserkraft beschäftigt. 2020 sollen es bis zu 500 000 sein. 2004 waren es mal gerade 160 500 Beschäftigte. Im Zuge des Wandels verdienen Industrie- und Handwerksbetriebe sowie Dienstleister mit am Stromgeschäft: vom Hersteller von Erntemaschinen für Biomasse über Heizungsbauer, die Blockheizkraftwerke zum Laufen bringen, bis zum Berater, der Großverbraucher vereint und so günstige Tarife bei Versorgern aushandelt. Auch EnergietechnikLieferanten wie Bosch und ABB verkündeten schon, dass sie großen Bedarf an Arbeitskräften haben. Gerade technische und ökonomische Studiengänge sind das beste Sprungbrett. Fast 300 Studien- und Weiterbildungsgänge listet das Internetportal „studium-erneuerbare-energien.de“ auf, wobei die Definition weit gefasst wurde und auch angrenzende Felder wie Elektrotechnik oder Gebäudetechnik einbezogen wurden.

Servicetechniker André Sebesta arbeitet auf einer der neuen Windkraftanlagen vom Typ Vestas V112 im neuen Windpark in Barkhagen (Mecklenburg-Vorpommern). Sieben Anlagen mit 140 Meter hohen Türmen gehen in der Nähe des Plauer Sees offiziell ans Netz und sollen künftig rund 21 000 Haushalte mit Windstrom versorgen.

Unsere flexiblen Kraftwerke: Partner der Erneuerbaren Grüne Energie aus Wind & Sonne und eine sichere Stromversorgung rund um die Uhr – so geht Energieversorgung heute. Flexible Braunkohlenkraftwerke unterstützen die Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz. So sind sie ein Wegbereiter für die Energiewende. www.vattenfall.de/flexgen


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Der Übergang ins Zeitalter der erneuerbaren Energien stellt auch an Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker besondere Herausforderungen. Der Umbau des Energiesystems, seiner Verfahren, Netze und Speicher basiert nicht nur auf technologischem Fortschritt, sondern erfordert auch gesellschaftliche und ökonomische Innovationen.

Die Superbatterie

Mit dem Riesen-Akku soll es möglich sein, Öko-Strom zu speichern Das mecklenburgische Energieunternehmen Wemag hat im Herbst den nach eigenen Angaben größten kommerziellen Batteriespeicher in Europa in Betrieb genommen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) legte den symbolischen Hebel um, um den Großspeicher in Schwerin offiziell ans Netz gehen zu lassen. Der Bau des Großspeichers in Schwerin wurde vom Bund mit 1,3 Millionen Euro gefördert. Der Batteriespeicher soll kurzfristige Schwankungen im Stromnetz ausgleichen, die vor allem durch die Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie entstehen können. Dieser sogenannte Flatterstrom könnte ansonsten der Netztechnik schaden und durch Sicherheitsabschaltungen auch zu Stromausfällen

führen. Der Großspeicher hat laut Wemag eine Kapazität von fünf Megawattstunden und besteht aus 25 000 langlebigen Lithium-Ionen-Zellen. Sie sind in einem turnhallengroßen Gebäude neben einem Umspannwerk in Schwerin untergebracht. Die Akkus können in Sekundenbruchteilen ihre Leistung abgeben und haben damit dasselbe Ausgleichspotenzial wie eine konventionelle 50-Megawatt-Turbine. Sobald die Frequenz im angeschlossenen Stromnetz unter einen bestimmten Wert unterhalb der Netzfrequenz von 50 Hertz fällt, speist der Batteriespeicher automatisch Strom ins Netz. Ab einem gewissen Wert oberhalb von 50 Hertz werden die Batterien wieder aufgeladen. Zur längerfristigen Zwischenspeiche-

Unverzichtbar für die Energiewende: Hochflexible Braunkohlekraftwerke

rung großer Mengen überschüssiger Kilowattstunden aus Wind- und Solaranlagen dient der Akku nicht. Um etwa eine stunden- oder tagelange Windflaute regional überbrücken zu können, sind derzeit nur Pumpspeicherwerke, also Stauseen, wirtschaftlich einsetzbar. Auch ihre Speicherleistung ist aber begrenzt. Die Wemag hofft deshalb, mit dem Batteriespeicher auf dem sogenannten Regelenergiemarkt Geld zu verdienen, auf dem Stabilisierungsleistungen an Stromnetzbetreiber verkauft werden.

Mit Hilfe von 25 000 Lithium-IonenAkkus sollen in kürzester Zeit Schwankungen im Stromnetz ausgeglichen werden.

Initialzündung für flexible Kraftwerke Den Prototyp einer neuen Generation von effizienten und hochflexiblen Braunkohlekraftwerken hat Vattenfall im Kraftwerk Jänschwalde (Brandenburg) in Betrieb genommen. Herzstück der Pilotanlage ist ein neu entwickelter Brenner mit elektrischer Plasmazündung. In Kombination mit dem hochveredelten Brennstoff Trockenbraunkohlestaub (TBK), der das ursprünglich zur Zündung eingesetzte Heizöl ersetzt, ermöglicht die Technologie eine noch flexiblere Fahrweise des Kraftwerksblocks F. Die Fähigkeit moderner Braunkohlekraftwerke, ihre Erzeugungs-

leistung schnell innerhalb eines möglichst breiten Regelbandes zu steigern oder zu senken, macht sie zu einem unverzichtbaren Teil der Energiewende, weil sie die schwankende Stromeinspeisung von Wind- und Solaranlagen je nach Bedarf ausbalancieren können. So halten sie die erforderliche Frequenz im Stromnetz stabil und ebnen erneuerbaren Energien den Weg zum Verbraucher. Mit einer Investitionssumme von 13 Millionen Euro wurde einer der beiden Kessel des 500-MW-Blocks auf die innovative Technologie umgerüstet. Zur Brennstoff-Versorgung wurde ein 40 Meter hohes Trockenbraunkohle-Silo in unmittelbarer Nachbarschaft des Blocks errichtet und an diesen angekoppelt. In der Pilotanlage kommt künftig Trockenbraunkohlestaub zum

Einsatz, der im Vattenfall-Veredlungsbetrieb in Schwarze Pumpe hergestellt wird. Mit der dort angewendeten Technologie lässt sich der Wassergehalt der Braunkohle von etwa 50 auf unter zehn Prozent senken. Durch den höheren Brennwert eignet er sich auch zur Zündfeuerung in Kraftwerken. „Mit der Anlage zur Zünd- und Stützfeuerung auf Basis von Trockenbraunkohle wird das Kraftwerk Jänschwalde zu einem Pionier in Sachen Flexibilität“, sagte Hubertus Altmann, Vorstand für das Ressort Kraftwerke bei Vattenfall Mining & Generation. „Unsere Kraftwerksingenieure wollen an diesem Standort nachweisen, dass ein mit TBKTechnologie ausgerüsteter Kraftwerksblock seine Mindestlast, die nach heutigem Standard bei 33 Prozent liegt, auf bis zu 20 Prozent absenken kann. Damit lässt sich die Anlage wesentlich flexib-

ler und effizienter fahren – das spart Ressourcen und damit auch Emissionen.“ Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke gab gemeinsam mit Hubertus Altmann und Julia Bell, Leiterin Projekte für den Vattenfall-Bereich Continental/UK, das Startsignal zur Inbetriebsetzung der TBK-Anlage. Woidke sagte: „Damit die Braunkohle ihrer Rolle als Brückentechnologie in der Energiewende gerecht werden kann, müssen die Kraftwerke effizienter und flexibler werden. Die neuartige Starthilfe für einen Braunkohlekessel auf der Basis von Trockenbraunkohle ist dabei ein wichtiger Baustein. Mit ihr kann besser auf die zunehmende Einspeisung von Strom aus regenerativen Energien reagiert werden. Damit hat die Anlage energiepolitische Bedeutung über Brandenburg hinaus.“

Die Pilotanlage (l.) und ihr Herzstück (r.) werden im Frühjahr 2015 in den Regelbetrieb übergehen. Die TBK-Technologie ermöglicht eine Emissionen-Einsparung von einer Million Tonnen CO2.

„Unsere Speicher sind besser denn je gefüllt“ Tagtäglich nutzen Millionen Menschen in Deutschland Erdgas zum Heizen, Kochen und Autofahren Der Ukraine-Konflikt rückt auch die Versorgungssicherheit mit Erdgas in den Blickpunkt. Gerade mit Einbruch der Kälte gewinnt das Thema an Bedeutung, denn ein Großteil des Erdgases wird in Deutschland für Heizen und Warmwasseraufbereitung verwendet. Die Ukraine ist ein wichtiges Transitland für russisches Erdgas – hierdurch fließt etwa die Hälfte der russischen Gasexporte nach Europa. Zurzeit gibt es jedoch keine Anzeichen für Versorgungsstörungen auf deutschen Gasmärkten – die Lieferungen laufen auf stabilem Niveau, sagt Karsten Heuchert, Vorstandsvorsitzender des Gasimporteurs VNG aus Leipzig. Russland ist nach wie vor eine wichtige Bezugsquelle für die VNG, eine wichtige Pipeline geht quer durch die Ukraine. Wie besorgt müssen deutsche Wirtschaft und deutsche Verbraucher im Hinblick auf die derzeitigen Spannungen mit Russland um die Versorgungssicherheit von Gas sein? Ich kann nur immer wieder betonen: Die Gasversorgung in Deutschland ist sicher. Von Seiten der Erdgasunternehmen wird dafür auch eine ganze Menge getan. Die VNG-Gruppe ist dafür das beste Beispiel. Wir haben unsere Gasbeschaffung sehr breit aufgestellt und beziehen das Erdgas über Langfristverträge aus Norwegen, Russland und von deutschen Produzen-

ten. Gleichzeitig kaufen wir auch den größten Teil unserer Mengen über Großhandelsmärkte, an denen ausreichend Gas verfügbar ist. Unsere Bezugsrouten für russisches Erdgas verlaufen über Weißrussland und die Ostsee-Pipeline. Und wir haben mit unseren Töchtern ONTRAS und VGS zwei erfahrene Unternehmen in der Gruppe, die sich zuverlässig um den Betrieb des ostdeutschen Ferngasleitungsnetzes und die Untergrundgasspeicher kümmern. Und diese Speicher sind gut gefüllt? Ja, das sind sie aber immer zu dieser

Wir arbeiten für einen steten Gasfluss – rund um die Uhr. Karsten Heuchert, Vorstandsvorsitzender VNG Leipzig

Jahreszeit, denn ihre Aufgabe ist es, eine Bevorratung für kältere Tage zu ermöglichen. Und wegen des vorangegangenen warmen Winters sind sie dieses Jahr sogar viel besser gefüllt. Welche Maßnahmen trifft die VNG, um die Versorgungssicherheit vor allem durch die sensiblen Wintermonate zu gewährleisten? Wir stehen als Erdgasspezialist im Dienste der Versorgungssicherheit und arbeiten jeden Tag dafür, dass überall ausreichend Erdgas im Markt verfügbar ist. Die Versorgungssicherheit ist quasi unser Geschäftsmodell. Um nur drei Beispiele zu nennen: Unsere Techniker warten die Gasanlagen mit großem Know-how und halten sie damit jederzeit technisch in einem einwandfreien Zustand. Einige von ihnen arbeiten für einen steten Gasfluss im Rund-um-die-Uhr-Bereitschaftsdienst. Unsere Gashändler haben immer den Blick auf die Handelsplätze für Erdgas und beobachten auch unvorhersehbare Ereignisse, beispielsweise wenn eine Bohrplattform außerplanmäßig ausfällt. Dann können sie schnell auch zusätzliche Mengen einkaufen. Und im Gaseinkauf verhandeln unsere Mitarbeiter mit den Produzenten zusätzlich zu den Langfrist-

mengen, vor allem über Einjahres- oder Halbjahreslieferungen. Welche Chancen verbergen sich für Gasversorger wie VNG hinter der Energiewende in Deutschland? Erdgas ist und bleibt ein wichtiger Grundpfeiler der künftigen Energieversorgung und wird, selbst bei den optimistischen Annahmen zum Ausbau der erneuerbaren Energien, den Strom- und Wärmemarkt in Deutschland entscheidend mitbestimmen. Die Energiewende geht nicht ohne den flexiblen Energieträger Erdgas und deshalb ist sie auch eine Chance für unseren Energieträger. Einen großen Vorteil haben wir auf unserer Seite: Schon jetzt ist Erdgas in Deutschland die Heizenergie Nummer eins. Mittelfristig wird das auch so bleiben. Das liegt auch daran, dass die Verbraucher genau wissen, wie zuverlässig, günstig und sauber Erdgas ist. Bei Erdgas denken die meisten Menschen an Kochen und Heizen. Wo können die Menschen noch Erdgas antreffen? Gibt es vielleicht auch ungewöhnliche Einsatzmöglichkeiten, an die man im ersten Moment nicht denkt? Erdgas ist ein vielseitiger Energieträger, der in Deutschland insbesondere zum Heizen verwendet wird. Dabei kann er noch viel mehr. Zum Beispiel Strom er-

zeugen. Rund zehn Prozent der jährlichen Stromerzeugung in Deutschland stammen aus Erdgas, meist aus umweltfreundlichen und effizienten Gaskraftwerken. Eine gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme aus Erdgas machen Blockheizkraftwerke (BHKW) und Brennstoffzellen möglich. Die BHKW-Geräte gibt es in vielen Varianten – von sogenannten Mini- und Mikro-BHKW bis zu Anlagen, die über ein Nahwärmenetz ganze Stadtteile oder Industriegebiete mit Strom und Wärme versorgen. Brennstoffzellen sind vorrangig für den Einsatz in Ein- und Zweifamilienhäusern sowie im Gewerbe konzipiert. Eine weitere Einsatzmöglichkeit: Mit Erdgas können Autos, Lkw und sogar Schiffe fahren. Das ist wesentlich umweltfreundlicher und preiswerter als Benzin, Diesel oder Schweröl. Stichwort Heizen: Es wird von Seiten der Politik immer wieder bemängelt, dass die Modernisierung der veralteten Heizungsanlagen in den deutschen Kellern nicht vorankommt und dadurch Energieeinsparungen nicht genutzt werden. Wie sehen Sie dieses Thema? Der Modernisierungsstau in den deutschen Heizungskellern ist nicht von der Hand zu weisen. Der Austausch-Turnus bei Heizungen liegt bei 22 Jahren, die Erneuerungsquote stagniert bei drei Pro-

zent. Obwohl 64 Prozent aller Heizungsanlagen Erdgaskessel sind, verfügen lediglich 30 Prozent aller Gasheizungen über Brennwerttechnik und damit über den aktuell effizientesten Weg der Wärmegewinnung. Hinzu kommt, dass 20 Prozent der Ölheizungen älter als 20 Jahre sind, acht Prozent sind sogar 30 Jahre und älter. Hier schlummern noch hohe Effizienzpotenziale. Aber wir sehen auch, dass die Heizungserneuerung für den Hausbesitzer ohne konkreten Anlass kaum Bedeutung hat. Das ist die Kehrseite der großen Zufriedenheit mit den bestehenden Heizungsanlagen. Und wie könnte dieser offensichtliche Modernisierungsstau aufgelöst werden? Hier gibt es sicherlich vielfältige Ansatzpunkte. Zum einen sollte der Zugang für bestehende Anreize vereinfacht werden, zum anderen brauchen wir auch neue Fördermöglichkeiten. Die seit Langem diskutierte steuerliche Förderung des Heizungstauschs könnte beispielsweise die nötige Dynamik auslösen. Zum anderen muss die Gas- und Heizgeräteindustrie noch stärker als bisher darüber informieren, dass neue Heizgeräte mehr leisten können und sich schneller amortisieren. Das gilt ganz besonders für die ErdgasBrennwerttechnik, die aktuell der effizienteste Weg zur Wärmegewinnung ist.


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Einer trage des anderen Last

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Der Querschnitt eines Erdkabels für den Stromtransport.

Für die Energiewende müsste das Stromnetz in Deutschland ausgebaut werden. Doch der Ausbau geht nur langsam voran. Bürgerproteste sind ein Grund, die Kosten ein anderer. Jüngster Kostentreiber ist der Ausbau der regionalen Stromnetze. Die müssen verstärkt werden, um die schnell wachsenden Mengen dezentral erzeugten Ökostroms an die großen Netzknotenpunkte zu transportieren, von wo aus sie zügig und in großen Mengen in die Verbrauchszentren geleitet werden können.

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er stockende Ausbau der deut- te EEG jetzt für alle Gleichstromleitun- tiker des Großraums haben sich parschen Stromnetze galt lange als gen trotz maximal zwei- bis siebenmal teiübergreifend zusammengeschlossen. größtes Hindernis der Energie- höheren Kosten in Teilabschnitten die Kritiker bezweifeln die Notwendigkeit wende. Jetzt kommen die Projek- Verlegung der Leitungen unter der Erde. der Leitungen prinzipiell. Auch die südte langsam in Fahrt. „Wir sehen deutli- „Das ist kein Allheilmittel, aber bietet deutschen Länder könnten ihren Strom che Fortschritte bei den Verfahren“, sagt große Chancen, die Akzeptanz vor Ort durchaus erneuerbar selbst erzeugen, der Chef der Abteilung Netzausbau in zu verbessern“, sagt Scheid. Dennoch sagt etwa der NRW-Chef des BUND, der Bundesnetzagentur, Heinz-Jürgen bleibe die Klagefreudigkeit der Deut- Holger Sticht. „Den muss man nicht im Scheid. Bis zur Jahresmitte 2014 seien schen hoch. Beispiel Großregion Hanno- Wattenmeer produzieren und durch fast 100 Kilometer Höchstspannungslei- ver, die von der Leitung von Wilster nach ganz Deutschland führen.“ tung neu gebaut worden – darunter auch Grafenrheinfeld nach den vorläufigen Anwohner fürchten die Strahlenbeetliche Kilometer für die Verlängerung Planungen der Netzbetreiber direkt be- lastung der Leitungen. Solange die geder umstrittenen „Thüringer Strombrü- rührt wird: Hier sind nicht nur Umwelt- sundheitlichen Folgen nicht ausreichend cke“ bis zum Atomkraftwerk Gra- schützer alarmiert wegen der „Monster- erforscht seien, könne man die Riesenfenrheinfeld in Bayern, das Betreiber trassen“ und Großleitungen mit bis zu projekte nicht hinnehmen, sagt Sticht. Eon 2015 abschalten will. 70 Meter hohen Masten – auch die Poli- Anders als früher werden diese DiskusKernprojekte des Bundessionen aber schon sehr weit vor bedarfsplangesetzes sind drei dem Genehmigungsverfahren Neue Höchstspannungsleitungen große Stromtrassen in Nordgeführt. In Niedersachsen hat Korridore für Gleichstromleitungen nach dem neuen Entwurf Süd-Richtung. Insgesamt solder Netzbetreiber Tennet beider Stromnetzbetreiber len rund 2800 Kilometer Leispielsweise schon acht Dialogtung neu entstehen. Für etwa veranstaltungen organisiert, Ostsee Nordsee 1000 Kilometer dieser neuen bevor der Antrag für die TrasSH Höchstspannungsleitungen Anbindung senfeststellung überhaupt einMV OffshoreWilster würden die Anträge der Netzgereicht wird. Tausende BürWindparks betreiber noch in diesem Jahr gervorschläge kamen zum VerHamburg Emden erwartet, sagt Scheid. Dazu lauf der Leitung, die vielfach zählen die rund 300 Kilometer auch umgesetzt werden. „Wir DEUTSCHLAND Bremen lange, sogenannte Ultranetsind dabei, den Vorschlags-KorBB Berlin Leitung von Osterath bei Düsridor zu überarbeiten, um VorHannover Wolmirstedt seldorf bis Philippsburg in Baschläge der Bürger aufzunehnach Norden den-Württemberg und vorausmen“, sagt Tennet-Sprecherin NI verlängert sichtlich auch die sogenannte Ulrike Hörchens. ST Königsleitung der EnergieGroße Hoffnungen auf mehr NW Leipzig wende: die Verbindung von Akzeptanz verbinden sich mit Elbe Wilster, nördlich von Hamden in rund zwei Metern Tiefe SN TH Düsseldorf burg, bis Grafenrheinfeld. Sie verbuddelten Erdkabeln – wie soll ab Ende 2022 gigawattetwa auf einer 3,4 Kilometer HE weise Nordsee-Windstrom langen Versuchsstrecke für eine nach Bayern bringen. 380kV-Wechselstromleitung, Aufrüstung Bei den länderübergreifendie der Netzbetreiber Amprion entlang den Neubauprojekten hat die bestehender in Raesfeld am Niederrhein Nürnberg Trasse Bonner Netzagentur nach dem baut. Sie sollen Anwohner verRP 2013 verabschiedeten Gesetz söhnlich stimmen. Allerdings Philippsburg die Genehmigung direkt in gibt es auch dabei Probleme: Stuttgart BY der Hand. Bauherr sind die Für das Verlegen müssen die Raum Raum Gundremmingen Netzbetreiber. Die Bürger werArbeiter eine mehr als 40 Meter Wendlingen den viel früher als bisher nach breite Schneise in die Landnach Westen München ihren Bedenken gefragt und schaft schlagen. Und die Kabel verschoben BW Quelle: Tennet, an neuralgischen Stellen erkönnen sich auf bis zu 50 Grad Transnet BW, 100 km 50hertz, Amprion Grafik: dpa laubt das im August novelliererhitzen. Das macht den Land-

wirten in möglichen Erdkabelregionen Sorgen. In Raesfeld wird erst mal untersucht, ob die „Heizkabel“ im Boden die Ernte beeinflussen. Die Ingenieure haben ganz andere Sorgen: Wenn die Erdkabel einmal kaputt gehen sollten, wäre eine Reparatur wesentlich aufwendiger und würde länger dauern als bei Überlandleitungen, die oft schon nach wenigen Stunden wieder zugeschaltet werden können. Alles in allem rechnet der Netzbetreiber, dass sich nur rund ein Zehntel der geplanten neuen Stromleitungen für Erdkabel eignen, sagt der technische Geschäftsführer von Amprion, Klaus Kleinekorte. „Wir wissen heute noch nicht, ob und wie sehr wir die Zuverlässigkeit des Übertragungsnetzes damit schwächen.“ Deshalb fürchten die Netzbetreiber wachsende Begehrlichkeiten nach den Erdkabeln überall dort, wo Bürgerinitiativen nicht locker lassen und es keine Einigung über Streckenverläufe gibt. „Wenn die Öffentlichkeit deutlich mehr Erdkabel verlangt, muss auch

klar sein, dass es dann schwierig wird, die Stabilität des Netzes zu garantieren“, sagt Kleinekorte. In Raesfeld rechnet Amprion mit rund 30 Millionen Euro für die 3,4 Kilometer – sieben- bis achtmal so viel wie für eine vergleichbare Überlandleitung. Das Wirtschaftsministerium hat unlängst Fachleuten erstmals ein Konzept präsentiert, nach dem bis zum Jahre 2032 „je nach Szenario zusätzliche Gesamtinvestitionen in Höhe von 23 bis 49 Milliarden Euro erforderlich“ werden. Die jährlichen Kosten der Nieder-, Mittel- und Hochspannungsnetze, die die Verbraucher tragen, „erhöhen sich um zehn bis 20 Prozent in den nächsten 20 Jahren“, heißt es in dem Gutachten, das das Ministerium auf seiner Home-

page veröffentlicht hat. Kalkuliert wird mit jährlichen Mehrkosten von 1,8 bis 3,8 Milliarden Euro – die für den Neubau von Stromautobahnen im Höchstspannungsnetz sind dabei nicht eingerechnet. Die gute Nachricht lautet: Bis zu einem Drittel billiger ginge es allerdings dann, wenn nicht jede Kilowattstunde Ökostrom ins Netz eingespeist werden müsste, wenn der Netzbetreiber Anlagen – anders als heute – großzügiger abregeln dürfte, die Netze und Transformatoren elektronisch besser gesteuert würden. Laut der Untersuchung, die externe Experten angestellt haben, müssen ansonsten bis zum Jahr 2032 mindestens 130 000 Kilometer neue Leitungen gelegt werden, viele davon als teure Erdkabel. Sollten sich die Bundesländer mit ihren sehr weitreichenden ÖkostromAusbauplänen durchsetzen, wachse der Netzausbaubedarf sogar auf 280 000 Kilometer.

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Energieeffizient in die Zukunft icht nur die Bundesregierung hat mit dem „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz“ die effiziente Nutzung von Energie ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Auch Unternehmer wissen, dass Energieeffizienz zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden ist. Trotz des hohen Kostendrucks ist vielen allerdings noch nicht bewusst, dass auch unternehmerische Nebenprozesse wie Wärme, Kälte, Druckluft und Beleuchtung effizienter gestaltet werden können. Diese Potenziale bleiben vielfach noch ungenutzt, denn nur wenige Unternehmen haben das notwendige Fachwissen im eigenen Haus. Als einer der führenden kommunalen Energiedienstleister in Mitteldeutschland bieten die Stadtwerke Leipzig leistungsstarke Energielösungen, die nachhaltig Kosten einsparen sowie die Ökobilanz und die Wett- Mit Ingenieurskompetenz suchen die Stadtwerke Leipzig bei Unternehmen nach bewerbsposition verbessern. Energie-Einsparpotenzial. Das Unternehmen kennt genau Um die Herausforderungen zu meisdie Erwartungen seiner Kunden, aber anlagen. Nach der Analyse wird ein Fahrplan erarbeitet, mit dem sich durch tern, die sich durch die Umgestaltung der auch deren Fragen und Nöte. „Unsere Energieexperten haben ein effiziente Energielösungen Kosten senken Energiewirtschaft ergeben haben, müsAuge dafür, wo sich Einsparpotenziale im lassen. In vielen Fällen gehört auch der sen sich sowohl Energieversorger als Unternehmen verstecken und an wel- Einbau moderner, effizienter Technik auch Verbraucher und Unternehmen entchen Stellen sich wirksam Energiever- dazu. Wer jetzt an knappes Eigenkapital sprechend vorbereiten. Je früher sich Unbräuche senken lassen“, erklärt Dr. Jo- oder teure Finanzierungen denkt, kann ternehmen mit dem eigenen Energiemahannes Kleinsorg, Sprecher der Ge- sich ruhig zurücklehnen. Sollte die opti- nagement auseinandersetzen, desto eher schäftsführung der Stadtwerke Leipzig. male Lösung neue Anlagen vorsehen, können sie auch die Weichen für eine Mit individuell zugeschnittenen Maßnah- werden diese auf Wunsch von den Stadt- energieeffiziente und damit wettbewerbsmen begleiten die Energieexperten ihre werken Leipzig geplant, errichtet, finan- fähige Zukunft stellen. Mit ihrer KompeKunden von der umfassenden Bedarfs- ziert und betrieben. „Schließlich sollen tenz und langjährigen Erfahrung stehen analyse über die Projektumsetzung bis sich unsere Kunden auf ihr Kerngeschäft ihnen die Stadtwerke Leipzig als verlässlicher Energiepartner zur Seite. zur Finanzierung und Betriebsführung. konzentrieren können“, so Kleinsorg. Und was dabei wichtig ist: Die Ingenieure wissen genau, worauf es bei der ganzheitlichen Betrachtung von energetischen Anforderungen ankommt. Denn sie kennen die Anlagen, die auf dem Markt verDie Stadtwerke Leipzig haben in den Die Stadtwerke Leipzig GmbH, einer fügbar sind und können einschätzen, letzten Jahren ihre Position im Energieder führenden kommunalen Energiewelche sich für die individuelle Situation markt kontinuierlich gefestigt. dienstleister Mitteldeutschlands, eignen. Mit einer herstellerneutralen Be627 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bündelt mit ihrer Tochter Netz Leipzig ratung haben sie so die Freiheit, die optierwirtschafteten im Jahr 2013 einen alle Kompetenzen und Dienstleistunmale Anlage und Anlagengröße vorzuUmsatz von 3226,3 Millionen Euro und gen rund um die Erzeugung, den schlagen. einen Gewinn von 67,2 Millionen Euro. Transport und die Verteilung von Am Anfang steht eine detaillierte EnerDer Stromabsatz im Jahr 2013 betrug Strom, Gas und Wärme. Das Unternehgieeffizienzanalyse, mit der das Optimie2321 Gigawattstunden; der Fernwärmemen bietet passgenaue Energierungspotenzial in allen Energieanlagen absatz belief sich auf 1483 Gigawattlösungen und langjährige Erfahrung ermittelt wird. Dabei werden alle Bereistunden im Versorgungsgebiet und der bei der ganzheitlichen Betrachtung che genau untersucht. Begutachtet werAbsatz im Gas betrug 1350 Gigawattvon energetischen Anforderunden Elektrik, Heizung und Beleuchtungsstunden. gen. systeme, aber auch Kälte- oder Druckluft-

Was haben Wind und Kohle gemeinsam? Beide sichern die Energieversorgung für die Zukunft.

Foto: Rainer Weisfl og

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Stadtwerke Leipzig bieten maßgeschneiderte Energiedienstleistungen

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GEMEINSAM ENERGIEWENDE GESTALTEN Deutschlands Energieinfrastruktur ist im Wandel. Damit die Energieversorgung sicher und bezahlbar bleibt, werden konventionelle Energieträger im Energiemix der Zukunft ihren Platz haben müssen. MIBRAG fördert Braunkohle in Mitteldeutschland und betreibt einen eigenen Windpark. Mit beiden Aktivitäten trägt das Unternehmen dazu bei, die Energiewende mitzugestalten. www.mibrag.de


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ENERGIE REPORT

DIENSTAG, 9. DEZEMBER 2014 | NR. 285

Nachhaltigkeit, der Leitgedanke der Energiewende, erfordert eine Sensibilisierung von Unternehmen gegenüber ihrer ökonomischen, ökologischen und sozialen Umwelt. Für Energiegenossenschaften ist Nachhaltigkeit eigentlich eine Selbstverständlichkeit, weshalb sie besonders gut geeignet sind, ein Umdenken voranzutreiben. Aber auch Energiedienstleister helfen Kommunen beim Sparen.

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ls Gründungsmitglied einer Energiegenossenschaft müsse man schon einen gehörigen Schuss Enthusiasmus mitbringen, erklärt Sebastian Koch schmunzelnd. Denn Energiegenossenschaften sind so etwas wie die fleißigen Ameisen der Energiewende in Deutschland. Sebastian Koch muss das wissen. Er sitzt im Vorstand der 2013 gegründeten Energiegenossenschaft Leipzig (EGL). Erst Anfang November dieses Jahres erhielt die EGL ihre so wichtige Eintragung und kann damit nun eigene Projekte angehen: Ihr erstes Bürgerkraftwerk soll eine Photovoltaik-Anlage mit geplanten 85 Kilowatt auf dem Dach des Hupfeld-Centers in Böhlitz-Ehrenberg werden. Doch warum engagiert sich eine Gruppe von überwiegend jungen Menschen Anfang 30 für ein so komplexes und eher trockenes Thema wie Energieversorgung, Einspeisevergütung und EEG-Reform? „Das Thema ist in Medien und Gesellschaft viel zu oft ein technisches“, erklärt Koch. „Und wir reden dabei viel zu oft von Fehlern wie Off-

shore-Windparks, Desertec oder Stromtrassen. Wir reden viel zu selten über die Chancen.“ Energiegenossenschaften bieten seiner Meinung nach vielen normalen Bürgern die Gelegenheit, mit relativ geringem finanziellen Aufwand ihren Teil zu einer umweltverträglichen Versorgung beizutragen und den Ausbau der erneuerbaren Energien direkt in ihrer Heimat voranzutreiben. Und Koch weist auf die spezielle Organisationsform hin: „Durch Genossenschaften kommt ein stark

Bei uns hat die EEG-Reform zu einer Jetzt-erst-rechtHaltung geführt. Sebastian Koch, EG Leipzig

demokratisches Element hinzu.“ Jeder Genossenschafter hat unabhängig von seinen Anteilen nur eine Stimme. Das Unternehmen bleibt somit in der Hand der Bürger. Für Vorstand Nils Müller von der deutschlandweit agierenden Energiegenossenschaft Greenpeace Energy ist das der springende Punkt: „Denn während sich bei anderen Unternehmen die Interessen von Eigentümern und Kunden oft gegenüberstehen – die einen wollen Geld verdienen, die anderen ein gutes Produkt zu einem günstigen Preis – ist dies in einer Genossenschaft anders. Eigentümer und Kunden ziehen an einem Strang.“ Die Zahlen des Deutschen Genossenschaftsund Raiffeisenverbandes belegen diese Anziehungskraft: Allein unter ihrem Dach haben sich seit 2006 über 700 neue Energiegenossenschaften gegründet. In Deutschland existieren mehr als 900. 70 Prozent werden mit weniger als 50 Mitgliedern gegründet und konzentrieren sich aufgrund ihrer Größe meist auf kleinere Solar- oder Windkraftanlagen.

Der positive Trend hat in diesem Jahr jedoch einen empfindlichen Dämpfer erlitten. Mit der Reform des Erneuerbare-EnergienGesetzes im August dieses Jahres befürchten viele Akteure ein Ausbremsen der dezentralen Energiewende. „Vor allem lokale Akteure, Bürgerprojekte und Energiegenossenschaften könnten unter den neuen Regelungen leiden“, sagt Müller. Unter anderem sollen ab 2017 alle Neubau-Projekte für geförderte Ökostrom-Anlagen öffentlich aus-

Vor allem lokale Akteure und Bürgerprojekte könnten darunter leiden. Nils Müller, Greenpeace Energy

geschrieben werden. „Dabei sind große, finanzstarke Konzerne aber klar im Vorteil“, erklärt er, „weil sie die wirtschaftlichen Risiken auf viele Wettbewerbs-Projekte verteilen können.“ Weitere Punkte beinhalten eine faktische Drosselung des Ausbaus der erneuerbaren Energien („atmender Deckel“) oder verteuern den Ökostrom sogar für Selbstversorger („Sonnensteuer“). „Das politische Ziel, eine nachhaltige Energieversorgung im Sinne von Klimaschutz und Ressourcenschonung zu erreichen, wird damit nicht erreicht“, so Müller. Auch Koch sieht die Reform kritisch: „Bei uns hat dies aber eher zu einer Jetzt-erst-recht-Haltung geführt.“ Als beste Waffe der Genossenschaften auf dem großen Feld der Energie erweist sich bisher die Vernetzung. Und noch in einem weiteren Punkt sind sich Klein- und Großakteure einig. Der Wirtschaftskreislauf soll regional bleiben, Bau und Wartung wenn möglich an lokale Partnerunternehmen gehen. Damit die Energiewende eben dort Werte schöpft, wo sie passiert.

Fotos: LVZ-Archiv, EG Leipzig, Enver Hirsch

Im Land der untergehenden Sonne

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Viel Wind um den Wald

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Kommen bald Windenergieanlagen in die sächsischen Wälder? Der Vorstoß eines Verbandes findet im Freistaat wenig Zustimmung

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Fotos: dpa/Montag: LVZ

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nergie aus Wind war in Sachsen bisher eher ein Randthema. Mit der neuen schwarz-roten Koalition soll sich das nun ändern. Gleich am Anfang der Regierungszeit sorgt ein Vorstoß eines Windenenergieverbands für Aufsehen, der kurzerhand Wälder als geeignete Standorte für Windenergieanlagen einstuft. Doch Regierung, Grüne und Umweltschützer zeigen sich wenig begeistert. Bis 2025 soll der Anteil erneuerbarer Energien auf 40 bis 45 Prozent steigen, hat sich die schwarz-rote Regierung vorgenommen. „Wir bekennen uns zum Ausbau der Windkraft und setzen auf flexible Regelungen auf der Ebene der Regionalen Planungsverbände“ – so steht es im Koalitionsvertrag. Dazu soll bald, so heißt es aus dem von Martin Dulig (SPD) geführten Wirtschaftsministerium, eine Windpotenzialstudie erstellt werden. Passend dazu preschte der Bundesverband Windenergie (BWE) einen Tag nach Unterzeichnung des sächsischen Koalitionsvertrags mit der Mitteilung vor, dass nach BWEAnsicht Nutzwälder gut für Windenergieanlagen geeignet seien – vor allem im Süden Deutschlands. Die zumeist mit Monokulturen genutzten forstwirtschaftlichen Flächen mit

oft bereits schwerlastfähig ausgebauten Zugangswegen eigneten sich gut für Windanlagen, so der Verband. Störungen für Tiere seien gering, da sich der Lebensraum der Tiere weit unterhalb der Rotoren befinde. Auch Martin Maslaton, Vorsitzender des BWE Sachsen, zeigt sich überzeugt von der Nutzung des Waldes: „In der Tat sind Nutzwälder für die Windenergie selbstverständlich auch in Sachsen geeignet. Denn Windenergienutzung im Wald ist nicht nur technisch, sondern auch rechtlich grundsätzlich möglich.“ Doch bei den sächsischen Parteien stößt dieser Vorschlag auf wenig Gegenliebe. „Die Koalition lehnt bisher ,Wind über Wald‘ ab, weil noch ausreichend Vorrangflächen in Sachsen außerhalb der Wälder ausgewiesen werden könnten“, sagt Georg-Ludwig von Breitenbuch, energiepolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag. Auch die Grünen sind der Meinung, dass für den Ausbau der Windenergie keine Waldfläche in Anspruch genommen werden muss. Zwar räumt Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grünen, ein: „Studien, etwa durch die Deutsche Wildtier Stiftung, kommen zur Schlussfolgerung, dass naturferne, intensiv genutzte Fichten- und Kie-

fernforste aus Naturschutzsicht für Windenergie geeignet sein können.“ Das sind eben diese intensiv genutzten Nutzwälder, von denen auch der Bundesverband Windenergie spricht. Aber auch von den Grünen heißt es: „In Sachsen ist das jedoch für den weiteren Ausbau der Windenergie auch mittelfristig wegen der ausreichenden Verfügbarkeit von Flächen außerhalb der Wälder derzeit kein Thema.“ Der Vorstoß des BWE sorgt auch für Kritik von Natur- und Umweltschützern. Die Studie „Windenergie im Lebensraum Wald“ der Deutschen Wildtier Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass der Ausbau von Windenergieanlangen im Wald vor allem Vögel und Fledermäuse gefährdet – zum Beispiel durch die Kollisionsgefahr mit Rotorblättern. „Wie groß das Störpotenzial für bestimmte Arten und insbesondere für Greifvögel ist, das ist immer auch eine Frage der Standorte. Diese müssen sorgfältig ausgewählt werden“, heißt es dazu vom Landesverband Sachsen des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Mehr Potenzial im Bezug auf Windenergie sehen die Naturschützer im sogenannten Repowering, dem Ersatz bestehender Anlagen durch neuere und leistungsstärkere.


ENERGIE REPORT

NR. 285 | DIENSTAG, 9. DEZEMBER 2014

Kommunen und Energieversorger modernisieren gemeinsam die Straßenbeleuchtung – dabei ermöglicht neue Dimmer-Technik Sparen ohne Einschränkung

Foto: enviaM

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Alles wie gehabt – und doch gespart

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s ist Nacht geworden in der Gemeinde Nobitz. Ein leichter Nebel steigt von der Pleiße empor über die B 93 des Ortsteils Mockern und die feuchte Novemberkälte lässt den abendlichen Spaziergänger frösteln. Besonders bei solchen Lichtverhältnissen ist eine gute Straßenbeleuchtung unverzichtbar für alle Verkehrsteilnehmer. Umso mehr überrascht es, als um Punkt 20.15 Uhr das energiesparende Dimmprofil der Straßenbeleuchtung die Leistung aller Lampen um ein Drittel herunterfährt – und dies kaum wahrzunehmen ist. „Das spürt man eigentlich noch nicht“, erklärt Katrin Lory von der Gemeindeverwaltung Nobitz. Erst bei der zweiten Dimmstufe, die mitten in der Nacht von 22.15 bis 4.45 Uhr die Strahlkraft der Natriumdampflampen um ganze zwei Drittel reduziert, wird die Wirkung ersichtlich. Dann scheint lediglich noch ein Orientierungslicht, aber auch das erweist sich im Alltag als ausreichend. „Wichtig ist, dass alle Leuchten an sind und Autofahrer zum Beispiel in kein dunkles Loch hineinfahren“, betont Sachbearbeiterin Lory, die in der Bauverwaltung für die Straßenbeleuchtung zuständig ist. In Nobitz zeigt sich: Die Energiewende stellt kein fernes Phänomen dar, bestehend aus OffshoreWindparks und Höchstspannungstrassen. Die Energiewende ist vielmehr eine gesellschaftliche Aufgabe mit unzähligen kleinen Rädchen. Und diese Rädchen drehen sich zumeist gleich nebenan im Lokalen, angetrieben von zahllosen Akteuren. Viele Kommunen machen es deshalb wie die Gemeinde Nobitz im Altenburger Land und setzen bei einem ihrer größten Energiefresser und Kostenträger an: der Straßenbeleuchtung. Unterstützung erhalten sie dabei von ihrem regionalen Energiedienstleister enviaM.

Stück für Stück ist vernünftig

Licht an, Kosten runter: Energieeinsparpotenziale bieten sich an vielen Stellen, zum Beispiel bei Straßenbeleuchtungen.

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Deshalb stellt Konstanze Lange, die für Nobitz zuständige Kommunalbetreuerin der enviaM, lachend fest: „Alles bleibt wie gehabt – und es wird doch gespart.“ Nur wie funktioniert eine derartige Win-win-Situation für Gemeinde und Umwelt? Seit zehn Jahren läuft das Modernisierungsprojekt der Laternen, das im Ort Nobitz begann. Stück für Stück rüstet die Gemeinde dabei ihre Straßenbeleuchtung energieeffizient um, teilweise mit bedarfsabhängiger Regelung, sogenannten Dimmern. Bei insgesamt 1500 Straßenleuchten, die pro Jahr rund 502 700 Kilowattstunden Strom verbrauchen ein aufwendiges Anliegen. Bei Stromkosten von circa 120 000 Euro pro Jahr aber auch ein lohnendes. Stück für Stück ist da vernünftig. Zwei Protagonisten treiben das Vorhaben mit voller Kraft voran. Da wäre auf der einen Seite natürlich Bürgermeister Hendrik Läbe (SPD), seit 2009 in Nobitz im Amt und ein begeisterter Anhänger der sogenannten Dimmlight-Technik. Und auf der

anderen Seite der führende regionale Energiedienstleister in Ostdeutschland – enviaM. „Wir haben 2007 den Fonds Energieeffizienz Kommunen, kurz FEK, eingerichtet“, erklärt die Kommunalbetreuerin. Ziel des FEK ist es, die kommunalen Investitionsmaßnahmen zur Einsparung von Strom und Gas zu fördern, zum Beispiel energiesparende Dimmer und effiziente Leuchten an Straßen oder in kommunalen Einrichtungen. In einem Antragsformular werden von der Gemeinde Maßnahme und angestrebte Energieersparnis angegeben. Die enviaM ermittelt dann durch ein eigenes Bewertungssystem die Förderwürdigkeit. Zwischen 2000 und 6000 Euro können je nach Größe der Kommune pro Jahr zugeschossen werden, bei besonders innovativen Projekten sind es sogar bis zu 10 000 Euro. In diesem Jahr waren es insgesamt 145 Projekte in 135 Kommunen mit einer Gesamtsumme von 361 000 Euro (siehe Infokasten).

„Die Kommune als unser Partner“ Ein Energieversorger, der seine Gewinne über diese Fördermittel teilweise dahin zurückgibt, wo er sie erwirtschaftet? Der seinen Kunden beim Energiesparen hilft? „Wir sehen die Kommune als unseren Partner“, sagt Konstanze Lange, „der das, was ihn bewegt, mit uns bespricht.“ Dienstleistungs-Unternehmen wie die enviaM würden heute daran gemessen, wie sie ihre Kunden beim Thema Energieeffizienz unterstützen. Auch wenn das dazu führe, dass das Unternehmen letztendlich weniger Energie verkaufe. 2014 investierte die Gemeinde Nobitz rund 13 000 Euro in die Umrüstung der 62 Straßenlaternen in Burkersdorf. Für dieses Projekt kamen 3000 Euro aus dem Fonds der enviaM. „Das ist für uns eine sehr gute Geschichte“, freut sich auch Katrin Lory. Seit Jahren pflege man diese vertrauensvolle Beziehung mit der enviaM-Kommunalbetreuerin und „Frau Lange ist für uns immer erreichbar“. Demnächst sei ein Ausflug in den LED-Leuchtenpark der enviaM-Gruppe in Grimma geplant. Dort haben Städte und Gemeinden seit 2011 die Möglichkeit, rund 40 Beleuchtungsmodelle „quasi am lebenden Objekt“ in Augenschein zu nehmen, sagt Konstanze Lange. Nur so können wichtige Faktoren wie Lichtfarbe oder Lichtkegel für geplante kostenintenstive Umrüstungen wirklich bewertet werden. In Nobitz konnten nicht zuletzt mit Hilfe des Energieversorgers Stromverbrauch und Stromkosten bei den modernisierten Anlagen bereits um 50 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig verringerte sich der Kohlendioxid-Ausstoß um ebenfalls rund 50 Prozent pro Jahr. Und das ohne die vielfach übliche, aus Sicherheitsgründen jedoch umstrittene Abschaltung von Straßenleuchten. Also alles wie gehabt – und doch gespart.

enviaM-Kommunalberaterin Konstanze Lange (Mitte) mit Sachbearbeiterin Katrin Lory und Gemeinderatsmitglied Michael Apel vor der Dimmeranlage in Mockern. Foto: Mario Jahn

Stichwort

Fonds Energieeffizienz Kommunen (FEK) Der Fonds Energieeffizienz Kommunen (FEK) wurde 2007 von enviaM eingerichtet. Seit 2012 beteiligt sich auch die enviaM-Tochtergesellschaft MITGAS am FEK. Ziel des FEK ist die Förderung von kommunalen Investitionsmaßnahmen zur Einsparung von Strom und Gas. Seit der Einführung des FEK wurden 983 Projekte unterstützt. Im Jahr 2014 werden 145 Projekte in 135 Kommunen mit einer Gesamtsumme von 361 000 Euro gefördert. Seit der Auflage des FEK sparten die geförderten Städte und Gemeinden insgesamt rund 13,7 Millionen Kilowattstunden Strom und Gas und verringerten ihren Kohlendioxid-Ausstoß um 21 300 Tonnen. Die enviaM-Gruppe ist der führende regionale Energiedienstleister in Ostdeutschland. Der Unternehmensverbund versorgt rund 1,4 Millionen Kunden mit Strom, Gas, Wärme und EnergieDienstleistungen. Zur Unternehmensgruppe mit mehr als 4100 Beschäftigten gehören die enviaM Mitteldeutsche Energie AG (enviaM) mit Sitz in Chemnitz sowie weitere Gesellschaften, an denen die enviaM mehrheitlich beteiligt ist.

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Energie aus Klärschlamm – Millionen Helfer machen es möglich Die Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH versorgt im Ballungsraum Leipzig mehr als 631 000 Menschen rund um die Uhr mit Trinkwasser und behandelt deren Abwasser. Der nachhaltige Umgang mit Ressourcen wird dabei immer wichtiger. Wie aus den Restprodukten der Abwasserbehandlung noch Energie gewonnen werden kann, ist eine der zentralen Fragen im Klärwerk Rosental.

In den Faultürmen des Leipziger Hauptklärwerks im Rosental verwandeln Mikroorganismen und Bakterien Klärschlamm in Gas, das zur Wärmeund Stromerzeugung genutzt wird.

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ehr als 40 Meter ragen die Faul- tig noch weiter verbessert werden köntürme von Leipzigs Hauptklär- nen. Dazu werden unter anderem die Lewerk im Rosental in den Himmel. bensbedingungen der Mikroorganismen Hinter den riesigen Behältern verbirgt in den Faulbehältern untersucht. sich nicht nur eine komplexe Technik. Dank der Wärmeversorgung aus den Abermillionen kleinster Helfer – Mikroor- vier Blockheizkraftwerken kann die KWL ganismen und Bakterien – arbeiten in ei- im Klärwerk auf Fernwärme verzichten – nem extra auf sie abgestimmten Milieu es ist zu 100 Prozent wärmeautark. „Wir auf Hochtouren. „Ziel ist es, aus dem versorgen damit die Faulbehälter und alle Klärschlamm, der in den Ve r w a l t u n g s g e b ä u d e Faultürmen bei 37 Grad auf dem Klärwerksgelänlagert, Gase zu gewinde mit Wärme aus den Rund 64 Prozent nen. Diese verbrennen Blockheizkraftwerken und unseres Bedarfs wir in unseren Blockheizsparen so etwa 80 000 Likraftwerken, um Wärme ter Heizöl pro Jahr, also an Strom und Strom zu erzeugen“, rund 66 000 Euro“, sagt decken wir selbst. Daniel Jentzsch, Fachbesagt Peter Wirth, Experte für Schlammbehandlung reichsleiter des Klärwerks Peter Wirth, bei der KWL. Rosental. KWL-Energieexperte Bei der Reinigung des In der Wasserbranche Abwassers im Klärwerk nimmt die Anlage bundesbleibt Klärschlamm zuweit inzwischen eine Vorrück. Davon werden tägreiterrolle in Sachen nachlich etwa 850 Kubikmeter haltige Energienutzung in die Faultürme ein- geleitet, wo in ei- ein. Um die Abläufe im Werk weiter zu nem vierstufigen Abbauprozess das Faul- verbessern, hat die KWL in den vergangas Methan entsteht. Zurück bleibt aus- genen beiden Jahren für rund eine Milligefaulter Schlamm, der nach der Entwäs- on Euro noch eine Prozesswasserbehandserung dem Landschaftsbau oder Land- lung gebaut. Bei der Entwässerung des wirten zur Verfügung gestellt wird. Das Klärschlamms entsteht Schlammwasser, entstandene Methan treibt in den Block- das der biologischen Reinigungsstufe heizkraftwerken auf dem Gelände Moto- wieder zugeführt wird. „Nun wird es in ren an. So gewinnt die KWL thermische einer Zwischenstufe, der sogenannten und elektrische Energie. „Unsere Block- Deammonifikation, vorbehandelt, um so heizkraftwerke liefern in drei Stunden so Einfluss auf die Stickstoffzulauffracht und viel Energie, wie eine Durchschnittsfami- damit die Leistungsfähigkeit der Biologie lie im Jahr verbraucht. Damit decken wir zu nehmen“, sagt Jentzsch. Im Vergleich circa 64 Prozent unseres Bedarfs an Strom zur klassischen Nitrifikation/Denitrifikatiim Klärwerk Rosental“, erklärt Peter on werden bei der Deammonifikation 60 Wirth. Prozent weniger Sauerstoff und 100 ProGemeinsam mit Studenten verschiede- zent weniger zusätzlicher Kohlenstoff verner mitteldeutscher Hochschulen sucht er braucht. Das verringert die Betriebskosnach Möglichkeiten, wie die Werte künf- ten und schont die Umwelt.

Das bewegt mich. Wenn jeder unserer Handgriffe die Versorgung der Leipziger sichert.

Versorgungssicherheit bedeutet für die KWL, den Menschen in Leipzig und der Region immer genügend Trinkwasser in bester Qualität zur Verfügung zu stellen und das Abwasser umweltgerecht zu entsorgen. Seit 1996 wurde bereits über eine Milliarde Euro in eine moderne und zukunftssichere wasserwirtschaftliche Infrastruktur investiert. Dadurch erhält und erweitert die KWL die Leistungsfähigkeit der Netze und die Effizienz der Anlagen – und das kommt den Menschen und der Umwelt zugute.

www.wasser-leipzig.de

Beratung im Energie- und Umweltzentrum Katharinenstraße 17 | 04109 Leipzig Öffnungszeiten: Mo – Fr 9 –18 Uhr Telefon: 0341 969-2222 E-Mail: kundenservice@wasser-leipzig.de 24-Stunden-Entstörungsdienst Telefon: 0341 969-2100


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ENERGIE REPORT

DIENSTAG, 9. DEZEMBER 2014 | NR. 285

Spitzen-Energie aus Sachsen

Sie vertreiben innovative Heizanlagen, sind Spezialisten für Wärmerückgewinnung oder Energiesysteme: Einige sächsische Unternehmen gehören zu den Vorreitern in der Energiewirtschaft. Sie nutzen die Vorteile ihres Standortes und Fachmessen als Branchentreff und zum Austausch.

impreSSum Verlagsbeilage der Leipziger Volkszeitung Verlag, Herstellung und Druck: Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft mbH & Co. KG, Peterssteinweg 19, 04107 Leipzig Anzeigen: Dr. Harald Weiß Projektleitung: Nicky Steinberg Redaktion: Simone Liss, Thomas Bothe, Bert Endruszeit, Nadine Marquardt Content/Fotos/Grafik: dpa; AFP; Patrick Frischknecht, Fotolia; Siemens; enviaM; VNG; Rainer Weisflog/Vattenfall; Mibrag; Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH; Stadtwerke Leipzig; Bert Endruszeit; Mario Jahn; LVZ-Archiv; IWR-Pressedienst & Energieletter; Bundesverband Erneuerbare Energie, Agentur für Erneuerbare Energien, Deutsche Energie-Agentur, Energie Pressedienst, Institut für Regenerative Energiewirtschaft; BDEW Titeloptik/Layout: christian42, Fotolia/ Beatrice Kasel Kontakt: serviceredaktion@lvz.de

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WK Sachsen zum Beispiel. Seit up mit zehn Mitarbeitern gegründet. 17 Jahren ist das Unternehmen im Heute sind es circa 130 Beschäftigte – Heizanlagenbau am Markt etab- zehn davon arbeiten in der firmeneigeliert. Mehr als 150 Objekte, unter ande- nen Abteilung für Forschung und Entrem das Hotel Best Western Leipzig und wicklung. Der Spezialist für Wärmerückden Sportpark Nischwitz, hat KWK Sach- gewinnung mit dem laut Enders „besten sen mit innovativen Heizanlagen ausge- Preis-Leistungs-Verhältnis im Bereich stattet. „Wir haben uns auf Blockheiz- Abgaswärmetauscher am deutschen kraftwerke spezialisiert. Das Besondere Markt“ wurde für seine Arbeit ausgeist, dass wir komplett von der Planung, zeichnet: zum Beispiel 2008 mit einer Montage und den Service mit innovati- Nominierung zum Deutschen Gründerven Dienstleistungen alles anbieten“, er- preis, im gleichen Jahr mit dem Indusklärt Geschäftsführer Albrecht Willne- triepreis zur Hannover Messe für Abgascker. Blockheizkraftwerke (BHKW) sind wärmetauscher. 2011 bekam Wätas den modular aufgebaute Anlagen zur Ge- Preis „enertec dezentral“ für das selbst winnung von Energie und Wärme, die entwickelte erste luftgekühlte Minidas Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung Blockheizkraftwerk „EPS 4“. Und die nutzen, bei dem sowohl Wärme als auch Entwicklung geht weiter. Derzeit arbeiStrom erzeugt werden. tet Wätas nach eigenen Angaben an der Sechs Mitarbeiter sind am Standort Wärmerückgewinnung über Heatpipe Roßwein, gelegen zwischen Nossen und mit dem höchsten Wirkungsgrad am Döbeln, tätig. KWK Sachsen stellt die Weltmarkt und einer MeerwasserentsalBHKW selbst nicht her, sondern vertreibt zungsanlage ohne Elektroenergie auf sie als Fachbetrieb an Kunden aus In- der Basis von Abfallwärme aus Stromerdustrie, Gewerbe und öfzeugungsprozessen. fentlichen Einrichtungen. Ausgezeichnet ist auch Mitarbeiterpotenzial, „Wir sind mit den neuesdie Arbeit der Thermea Partnerunternehmen, ten Technologien vertraut Energiesysteme GmbH. Zusammenarbeit und investieren permaAm Firmensitz in Ottenmit Politik und nent in Weiterbildung und dorf-Okrilla werden HochWissenschaft als Networking“, sagt Willnetemperatur-WärmepumStandortvorteil cker. pen, Kältemaschinen und Eine Plattform dafür Druckluft-Kältetrockner bieten Messen wie Enertec und Terratec unter dem Markennamen thermeco2 entin Leipzig: Neben dem Fachprogramm wickelt und hergestellt. Für besonders und dem Austausch zu Fachthemen energiesparende Pumpen für Unternehnutzt das Unternehmen die Möglichkeit, men mit hohem Kühlbedarf erhielt Therseine Anlagen vorzuführen. „Wir kön- mea 2009 den „Kältepreis“ des Bundesnen vor Ort den Besuchern beziehungs- umweltministeriums. Heute produzieren weise Fachkunden ein Blockheizkraft- die 30 Mitarbeiter in dem 2008 gegrünwerk mit allen technischen Details prä- deten Unternehmen für deutsche und insentieren und uns über die Wirtschaft- ternationale Auftraggeber, zum Beispiel lichkeit sowie die Ressourcen- und Volkswagen oder den Schlachtbetrieb Zürich. Dabei profitiert Thermea vom Energieeffizienz austauschen.“ Als Ideenschmiede und zur Suche Standort in Ottendorf-Okrilla – durch die nach neuen Lösungen und Wegen nutzt direkte Anbindung an die Autobahn 4 Torsten Enders, Geschäftsführer der Wä- und den Technologiestandort Dresden. tas Wärmetauscher Sachsen GmbH, die „Wissenschaftliche Einrichtungen wie Fachmessen. Know-how und Potenzial die TU und das Institut für Luft- und Kälfür die Weiterentwicklung seiner Pro- tetechnik Dresden sind uns bei der Fordukte zur Wärmerückgewinnung findet schung und Entwicklung behilflich“, erder Unternehmer am Standort Olbern- klärt Gaby Dollak-Schneider, zuständig hau im Erzgebirge. Mitarbeiterpotenzial, für das Marketing bei Therma. Auch bei sehr gute kleine und mittlere Unterneh- der Enertec präsentiert sich das Untermen als Partner, Zusammenarbeit mit nehmen. „Wir stellen unsere ProduktpaUniversitäten und Politik – so beschreibt lette vor, intensivieren Kundenkontakte Enders die Vorteile des Standorts in un- und stellen Kontakte mit zukünftigen mittelbarer Nähe zu Tschechien. 2003 Partnern aus den angrenzenden Länhat Enders das Unternehmen als Start- dern her“, so Dollak-Schneider.

Die Arbeit der Firma Thermea aus Ottendorf-Okrilla wurde vom Bundesumweltministerium ausgezeichnet: In der Manufaktur werden unter anderem Hochtemperatur-Wärmepumpen entwickelt und produziert. Foto: Thermea

Stichwort

Fachmessen Terratec und Enertec Die beiden Fachmessen Terratec und Enertec finden alle zwei Jahre statt. Das nächste Mal vom 27. bis 29. Januar 2015 auf dem Leipziger Messegelände. Während sich die Terratec in erster Linie mit Umwelttechnik und -dienstleistungen beschäftigt, geht es auf der Enertec um Erzeugung, Verteilung und Speicherung von Energie. Schwerpunkt der Terratec 2015 sind zukunftsfähige Lösungen für Wasser, Rohstoff- und Kreislaufwirtschaft sowie die Anpassungen an den Klimawandel. Die Enertec

stellt neueste Technologien sowie innovative Dienstleistungen für eine effiziente und zukunftsfähige Energieinfrastruktur vor. Schwerpunkt ist die dezentrale Energieerzeugung – auch im Zusammenspiel mit modernen zentralen Lösungen. Beide Messen werden durch ein Fachprogramm mit Veranstaltungen und Vorträgen ergänzt. Unter anderem thematisiert das Forum „enertec dezentral“ Aspekte der dezentralen Energieversorgung sowie als weiteren Schwerpunkt die Bioenergie.

Zudem findet während der Messen, die sich auf die Märkte Mittel-, Ost- und Südosteuropas sowie der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten ausrichtet, die 18. „Green Ventures“ statt. Bei dieser größten internationalen Kooperationsbörse für Unternehmen der Umwelt- und Energietechnik in Deutschland können die Teilnehmer in Kontakt mit Unternehmen aus dem In- und Ausland kommen.

➦ www.enertec-leipzig.de www.terratec-leipzig.de

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Antworten für eine wirtschaftliche, nachhaltige, ressourcenschonende und zuverlässige Energienutzung. Das Energiesystem ist im Wandel. Der steigende Anteil dezentraler Erzeugung und erneuerbarer Energien im Energiemix führte zur Entwicklung eines hochkomplexen Systems, das durch eine Vielzahl neuer Spieler und neuer Technologien gekennzeichnet ist. Zentrale und dezentrale Erzeugungseinheiten interagieren mit Kunden, die ihrerseits zunehmend zu stromerzeugenden Prosumenten werden.

Die Strom Matrix ist ein einzigartiges Marktmodell, das diesen neuen Zustand des Energiesystems abbildet. Je nach Ausgangslage, Herausforderungen und Zielen entwickelt sich in jedem Land und in jeder Region eine eigene Strom Matrix. Auf der Grundlage einzigartiger Marktkenntnis liefert Siemens effiziente und nachhaltige Lösungen für die gesamte Strom Matrix.

siemens.de/strommatrix


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