7 minute read

Der neue Vorstand stellt sich vor… Fragen an Till Völger

INTERVIEW

Till Völger

Kornelia Boje

Advertisement

Stefan Krause: Till, du bist neben Klara das jüngste Mitglied des Vorstandes – was hast du bisher gemacht?

Till Völger: Vor meiner Mandatierung als Vorstandsmitglied des BFFS war ich im Vorstand des InteressenVerband Synchronschauspieler e.V. (IVS), bis IVS und BFFS im September letzten Jahres endgültig miteinander „verschmolzen“ sind.

Ich bin seit etwas über 15 Jahre in der Synchronbranche tätig, das erste Mal stand ich mit 5 oder 6 Jahren im Studio. Im Jahre 2008 habe ich mich dann dazu entschieden, neben der Synchronschauspielerei den Weg der Juristerei einzuschlagen. Im Studium hatte ich das große Glück, dass die erste Vorlesung zum Bürgerlichen Recht von Herrn Prof. Wandtke gehalten wurde, einem ausgewiesenen Urheberrechtsexperten. Über ihn bin ich dann mit dem Urheberrecht in Berührung gekommen, habe 2010 als studentischer Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl angefangen und dort dann auch meine tatsächliche Ausbildung im Bereich „Geistiges Eigentum“ erhalten.

Schon im Jahre 2009 bin ich in den bereits 2006 gegründeten IVS eingetreten. Seither habe ich dann angefangen im Verband mitzuwirken. Zunächst nur im Rahmen der Mitgliederversammlungen, später dann (2014) über die Berufung als Beirat in die GVL. Nachdem ich 2013 meine erste juristische Staatsprüfung hinter mich gebracht hatte, habe ich mich weiter dem Urheberrecht gewidmet und bin ins Promotionsstudium übergegangen. Während dieser sehr lehrreichen Zeit habe ich seit 2015 immer intensiver beratend im IVS mitgewirkt. Als unser damaliger Vorsitzender, Peter Reinhardt, der den Verband gegründet und aufgebaut hat, aus persönlichen Gründen aus dem Vorstand zurückgetreten ist, habe ich mich nach Rücksprache mit den übrigen Vorstandsmitgliedern für eine Kandidatur entschieden – und bin gewählt worden.

Heute – nach dem Zusammenschluss von IVS und BFFS – sind wir als vereinigte Schauspielgewerkschaft einige deutliche Schritte weiter, als es noch 2006 der Fall war. Beide Verbände haben in der Vergangenheit viel erreicht, da will ich ansetzen und den Weg weitergehen.

Als angehender Jurist hast du viel Know-how aber auch „nebenbei“ viel zu tun? Was treibt dich an?

Till: Die Arbeit im BFFS – wie auch zuvor die im IVS – ist natürlich eine ehrenamtliche, dass jeder von uns „nebenbei“ noch einiges bewegen muss, um die Brötchen auf den Tisch zu bekommen, ist da ja klar. Für mich ist das aktuell neben meiner Synchrontätigkeit vor allem das juristische Referendariat. Außerdem habe ich im September letzten Jahres meine Dissertation eingereicht; ich befinde mich also in den letzten Zügen meines Promotionsverfahrens, was natürlich ebenfalls noch Zeit in Anspruch nimmt.

Das alles unter einen Hut zu bekommen ist zweifelsohne eine Herausforderung, aber eine angenehme. Denn letztlich bin ich – wie schon gesagt – über die Juristerei erst als Verbandsmitglied des IVS aktiv geworden, später dann als Vorstand. Als Jurist habe ich aber auch schon die Unternehmerseite kennengelernt – allerdings nicht im Kultursektor – und die Erfahrung gemacht, dass es da in bestimmten Punkten doch wesentlich leichter ist, die jeweiligen Interessen effektiv zu vertreten.

Und warum hast du dich dann für die Seite der Kreativen entschieden?

Till: Zunächst einmal ist es ganz einfach: Diese Seite ist die, auf der ich selbst stehe. Ich bin außerdem zutiefst davon überzeugt, dass dieser Weg der richtige ist. Das hat vor allem etwas mit den Erfahrungen zu tun, die ich im Synchronbereich sammeln konnte. In dieser Branche wird in rechtlicher Hinsicht sehr viel „hemdsärmelig“ gearbeitet. Das mag sehr familiär und locker rüberkommen, ist aber in vielen Fällen ein wirklicher Nachteil für die Kolleginnen und Kollegen. Vielfach fehlt es hier an einem professionellen Umgang mit rechtlichen Fragestellungen. Ich meine, dass es hier viel Veränderungsbedarf gibt und dass wir hier wirklich etwas bewegen können – gemeinsam. Und dafür „brenne“ ich auch.

Du hast die Verschmelzung mit dem IVS maßgeblich mit angetrieben – welche Vorteile haben sich dadurch deiner Meinung nach ergeben?

Till: Anfangs war ich tatsächlich derjenige, der auf die Bremse getreten hat. Die Überlegungen zu einem Zusammenschluss der Verbände lagen schon seit einer Weile in der Luft, aber Mitte 2015 war ich der Meinung, dass der IVS noch nicht bereit für dafür ist. Wir hatten noch einige Schritte auf einem Weg vor uns, den wir – davon war und bin ich überzeugt – erst mal zu Ende gehen mussten. Das betrifft vor allem das Verfahren vor dem Bundessozialgericht zur Klärung der Statusfrage. Aber wir mussten uns als Verband auch ein wenig neu ausrichten und auf die aktuellen Erfordernisse in der Branche einstellen. In all dieser Zeit hatten wir aber auch einen immer engeren Kontakt mit dem damaligen Vorstandsteam des BFFS. Wir haben uns zu fast allen Themen abgesprochen, gemeinsame Aktionen geplant und wir sind ab dem Jahr 2016 fast immer zusammen aufgetreten. Auf diese Weise ist ein großes Vertrauen zwischen uns gewachsen. Dieses Vertrauen und die Fortentwicklung des IVS haben dazu geführt, dass wir Anfang 2017 gesagt haben: Machen wir’s!

Durch den Zusammenschluss haben wir nun einen einheitlichen Schauspielverband in Deutschland, der als Gewerkschaft die Interessen aller Schauspiel-Gewerke vertritt. Das an sich ist schon ein deutlicher Mehrwert!

Darüber waren wir nun auch in der Lage, als vereinte Organisation einen Antrag auf Mitgliedschaft bei der GVL zu stellen – der BFFS wird also künftig Gesellschafter der Verwertungsgesellschaft sein. Auch das eröffnet uns neue Möglichkeiten, die wir als Einzelverbände so vorher nicht hatten. Vorteil aber gleichzeitige Herausforderung ist schließlich, dass wir als Schauspielfamilie nun einen weiteren Prozess des „Zusammenwachsens“ angestoßen haben.

Dann gibt es da natürlich noch – ganz profan – die logistischen und finanziellen Vorteile. Wir hatten vorher zwei Infrastrukturen für eine Idee, ein Ziel. Durch den Zusammenschluss können wir nun sämtliche Synergieeffekte nutzen, wobei wir hier und da sicher noch ein wenig nachsteuern müssen.

Wir haben unter der Überschrift „Professionalisierung“ eine neue Stufe erreicht. Als gemeinsame Schauspielgewerkschaft gehören wir zu den Verbänden, die in der Kulturlandschaft durchaus wahr- und ernstgenommen werden. Wir sind noch lauter geworden.

Welche Ressorts gehören zu deinen Schwerpunkten?

Till: Mein Ressort ist vorwiegend das Urheberrecht. Das bedeutet einerseits, dass die politische Entwicklung in diesem Bereich zu meinen Aufgaben gehört, und dass der BFFS sich als Verband dort einbringt, Stellung bezieht und die Schauspielerinnen und Schauspieler vertritt. Das passiert zum Beispiel über die Mitgliedschaft des BFFS in der Initiative Urheberrecht oder im Deutschen Kulturrat, wo ich als Vertreter des BFFS tätig bin. Das passiert aber auch über die Ansprache politischer Kontakte und die Formulierung unserer Interessen gegenüber politischen Parteien und der Legislative.

Andererseits bedeutet das aber auch, dass zu meinem Ressort die Beachtung urheberrechtsrelevanter Belange der Schauspielerinnen und Schauspieler durch die verschiedenen Produzenten und Filmhersteller gehört. Im Zentrum steht da natürlich der Anspruch auf eine „angemessene“ Vergütung. In dem Zusammenhang gibt es immer wieder Anstrengungen seitens der Verwerter, diesen Anspruch zu unterwandern. Vor kurzem hat der BFFS dazu einen Gerichtsprozess gegen einen Produzenten angestoßen, der die Schauspielerinnen und Schauspieler per Vertragsklausel an private Schiedsgerichte verweisen wollte, wenn es um bestimmte Vergütungsfragen geht – unter Ausschluss der staatlichen Gerichte. In der Vergangenheit haben wir es auch schon erlebt, dass in den Verträgen Klauseln enthalten waren, über die die Schauspielerinnen und Schauspieler verpflichtet wurden, den Produzenten die Gelder abzutreten, die sie von der GVL erhalten. Auch dem haben wir als Verband Einhalt gebieten können.

Das Thema „angemessene Vergütung“ wirkt sich natürlich auch auf den Bereich „Tarifverhandlungen“ und „Internationales“ aus. Da stehe ich also auch eng mit Heinrich und Hans im Austausch – wie aber natürlich auch mit dem restlichen Team des Vorstandes und unseren Justiziaren Bernhard F. Störkmann und Brien Dorenz.

Mitgliederversammlung 23. Juni 2018

Kornelia Boje

Ein weiteres relevantes Thema ist die Steuerpolitik. Das liegt vor allem an der Verknüpfung mit der sozialversicherungsrechtlichen Frage, wodurch immer stärker die Frage danach aufkommt, wie sich die fiskalische Situation zur sozialversicherungsrechtlichen verhält. Dieses Thema ist letztlich eines, das wir – wie die Statusfrage allgemein – nur auf politischer Ebene angehen können. Da wiederum arbeite ich mit Heinrich Hand in Hand.

Gibt es ein Aufgabengebiet, das dir besonders am Herzen liegt?

Till: Das ist natürlich die Vergütungsfrage, vor allem im Synchronbereich. Wir erleben hier seit den 1960er Jahren unter Berücksichtigung der Inflationsrate einen konstanten Gagenverfall. Demgegenüber nimmt das Auswertungsvolumen stetig zu, allein die Kosten für eine Kinokarte sind seitdem stärker gestiegen, als es durch einen Inflationsausgleich erforderlich gewesen wäre. Da stimmt also was nicht. Gleichzeitig wird gerade in der Synchronbranche gerne mit der Angst vor der Nichtbeschäftigung gespielt. Das wird zwar gerne dementiert, aber man hört es dann doch hin und wieder. Steuer-, Sozial-, Arbeits-, Kartell- und Urheberrecht werden in der Synchronbranche durch die Produzenten vielfach missachtet. Und das betrifft nicht nur die „kleinen“ Player, im Gegenteil.

Andererseits meine ich, dass es fast keinen schöneren Job gibt, den man sich vorstellen kann. Insofern liegt es mir sehr am Herzen, hier eine Verbesserung der Arbeitssituation zu schaffen, inklusive der Vergütungs- und Vertragsstrukturen. Am Ende des Tages muss jede Kollegin und jeder Kollege in der Lage sein, auch im Alter in Würde von den Früchten ihrer oder seiner Arbeit leben zu können.

Welche Ziele sollte der BFFS deiner Meinung nach in den kommenden Monaten (Jahren) intensiv verfolgen und wieso?

Till: Das ist eine Frage, die sich eigentlich nicht wirklich kurz beantworten lässt. Ein wesentliches Ziel ist natürlich, dass wir für alle Bereiche schauspielerischen Schaffens möglichst flächendeckend Tarifverträge bzw. gemeinsame Vergütungsregeln verhandeln, vor allem im Theater. Das allein ist aber natürlich eine Aufgabe, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Ein weiteres Ziel ist, dass wir die sozialversicherungsrechtliche Lage derart klären, dass sich niemand mehr in dem Wust der verschiedenen Regelungen verheddert und vor allem, dass niemand mehr durchs Raster fällt. Das betrifft dann vor allem auch die Frage der Arbeitslosenversicherung. Dann müssen wir dringend das Thema Altersarmut im Blick behalten. Aber auch die jüngere Entwicklung hat uns Aufgaben mit auf den Weg gegeben: Diversität im Film, Schutz vor Belästigung am Arbeitsplatz, faire Produktionsbedingungen – Bereiche, die natürlich weit über mein eigenes Ressort hinausgehen.

Till Völger im Sommer 2014

Kornelia Boje

Wie ist das Feedback der Mitglieder nach dem Zusammengehen von IVS und BFFS? Sehen die Leute auch die Vorteile oder fühlen sie sich eher im großen Verband etwas unterrepräsentiert?

Till: Für ein umfassendes Stimmungsbild ist es jetzt tatsächlich noch zu früh, immerhin ist der Zusammenschluss jetzt gerade einmal ein halbes Jahr her. Viele Entwicklungsschritte sind noch nicht vollzogen, viele müssen noch getestet und besprochen werden. Das fängt schon bei der Ausarbeitung des einheitlichen Beitragssatzes an, der ja laut Verschmelzungsvertrag in den nächsten Jahren vereinheitlicht werden muss.

Im Rahmen des Tagesgeschäfts behaupte ich jetzt mal, dass der Synchronbereich da keinesfalls zu kurz kommt, im Gegenteil. Der BFFS hat seit der Verschmelzung erstmals aktiv als Partei zwei Gerichtsverfahren angestoßen – beide im Synchronbereich. Und beide auch bislang erfolgreich. Außerdem wird der Bereich Synchron nun auch im Rahmen des Deutschen Schauspielpreises gewürdigt, durch die Verleihung des Preises „Die Stimme“. Schließlich haben wir durch die Satzungsänderungen des BFFS einen effektiven Minderheitenschutz eingebaut, sodass es im Ergebnis gar nicht so entscheidend auf die Branchengröße ankommt.

Lieber Till, vielen Dank für das Gespräch.

Stefan Krause

This article is from: