Ich bin so froh, in einer Welt zu leben, in der es Oktober gibt“, das soll die kanadische Schriftstellerin Lucy Maud Montgomery gesagt haben. Und auch wenn das im ersten Moment vielleicht ein bisserl komisch klingt, hat sie damit schon recht. Immerhin ist Oktober der perfekte Mix aus goldenem Herbst und aufregender Mystik. Und auch auf die Gefahr hin wie ein abgedroschenes Pinterest-Bild zu klingen: Jetzt ist Zeit für Einkuscheln, Teetrinken und das genüssliche Eintauchen in andere Welten. Und dabei sind wir natürlich gerne mit unserer neuen WIENERIN behilflich!
„Wir zelebrieren die Spooky Season in all ihren Facetten.“
Colourful. Quasi bunt wie die Blätter ist auch der Themenmix dieser Ausgabe. Wir haben uns angesehen, wie viel Macht weibliche und queere Fans besitzen und uns der Frage gestellt, woher man tatsächlich weiß, ob man ein Kind haben möchte. Wir nehmen Tampons inklusive ihrem schlechten Ruf unter die Lupe und checken, wie schädlich sie tatsächlich sind. Wir lassen uns bei der Outfitwahl von unseren Lieblingsserien inspirieren, probieren die Nagellack-Trendfarben der Saison und setzen bei der Wahl der Rock- und Hosenlänge jetzt klar auf midi. On top warten natürlich auch noch neue Wiener Lokalempfehlungen und ein paar herrliche Tipps zum Streamen, Hören und Lesen gibt’s als Zugabe. Eben genau richtig, um die „Spooky Season“ in all ihren Facetten zu zelebrieren. Wir wünschen ganz viel Freude beim Schmökern!
Der Dokumentarfilm „Trog“ bricht das Schweigen um Kindesmissbrauch
22 WILL ICH EIN KIND?
Mögliche Antworten darauf finden wir im Gespräch mit Anna Schmutte
STYLE
30 MACH MAL HALBLANG
In dieser Saison lieben wir die Midilänge
42 ALL EYES ON ...
... Popstar Sabrina Carpenter und ihr Stilgeheimnis
BEAUTY
46 WHAT A PEELING
So finden Sie das richtige Peeling für Ihre Bedürfnisse
60 DANGER ZONE?
Wie gefährlich sind Tampons für unseren Körper?
LEBEN
66 SORRY, ABER ...
Tara-Luise Wittwer sagt: Schluss mit Entschuldigungen. Was wir daraus lernen
70 VON LIEBE, MUT & WIDERSTAND
„Babylon Berlin“-Star Liv Lisa Fries im Interview
OKTOBER 2024
VIEL GESCHREI UM NICHTS?
Die unterschätzte Macht der Fangirls
76 TAKE CONTROL
Eine neue Methode zur Brustkrebsfrüherkennung macht Ho nung
WOHNEN
88 VELVET DREAMS
Mit diesen Trends wird der Schlafraum zum Ruhetempel
GENUSS
96 HEIMAT AUF DEM TELLER
Simple Gerichte mit frischen, regionalen Zutaten
BUSINESS
114 HARTLIEBS BÜCHER
Wie wir die Leseratten in uns reanimieren können
FREIZEIT
118 WO TRIFFT MAN ...
... Influencerin Leandra Procelli in Wien?
122 IM RAUSCH DES LEBENS?
Autorin und Kabarettistin Verena Titze über Burnout und Suchtgefahr
UMS ECK
148 YPPENPLATZ
Highlights, die man in Ottakring kennen sollte
106
44
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Life Style Projekt GmbH
Brunecker Straße 3, 6020 Innsbruck o ce@wienerin.at
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FOTO: Pexels/Marc Nusser 34 WATCH OUT Kultige Looks aus unseren Lieblingsserien
Die November-Ausgabe erscheint am 31. Oktober 2024.
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Der Herbst 2024 setzt auf Burgunder –einen eleganten Rotwein-Ton, der mühelosen Glamour und Herbststimmung bringt.
1 | CAT-EYE. Sonnenbrille von &OtherStories, um € 35,– 2 | ROUND & ROUND. Creolen „Puffy Shine“ von Bijou Brigitte, um € 24,95 3 | TURTLE. Rollkragenshirt von Polo Ralph Lauren, um € 139,– 4 | TRÈS CHIC. Cardigan von H&M, um € 29,99 5 | BUSINESS. Weste von Zara, um € 29,95 6 | HANDLICH. Mini-Shopper-Bag von Mango, um € 29,99 7 | GRAUE MAUS. Minirock von Project; Work Life, gefunden bei Vero Moda, um € 44,99 8 | SLIPPERY. Slip von Anita, um € 29,95 9 | BÄRIG. Socken von Polo Ralph Lauren, erhältlich bei Peek & Cloppenburg, um € 19,99 10 | AUFTRITT. Mokassin von Zara, um € 39,95
Jeden Monat zeigen wir hier ausgewählte Stücke, die es uns ganz besonders angetan haben.
REDAKTION: Andrea Lichtfuss FOTOS: Hersteller, Unsplash/Pesce Huang
UNSERE
LIEBLINGE
1. BLÜTENBOUQUET. Cremig und fruchtig: Eau de Parfum „The Favourite“ von Penhaligon’s, 100 ml um € 195,– 2. LOVE IT. Da rutscht nix mehr aus der Hand: Seife von Dearsoap, um € 16,90 3. MADAMA BUTTERFLY. Fehlt nur noch das passende Cabriolet. Sonnenbrille von Loewe, um € 320,– 4.ÜBERRASCHUNGSGAST. Damit das Aufstehen nicht ganz so schwerfällt: Tasse von Donkey, um ca. € 20,– 5.GENAU HINSCHAUEN. Der Flanellpyjama aus der „Pink Collection“ von Bonprix trägt nicht nur die „Breast Cancer Awareness“-Farbe, sondern hat auch eine eingenähte Präventionsroutine. Um € 29,99 6. GUTE NACHT. Perfekter Powernap-Buddy: Schlafmaske von Mey, um € 19,99
WOHLIG WARME Winterzeit nur für KURZE ZEIT
Entspannen Sie sich bei Massagen, Saunen und Dampfbädern in den Wellnessbereichen unserer Vivea 4* Hotels.
Genießen Sie kulinarische Highlights und schaffen Sie sich
Ihre persönliche Wohlfühloase – ideal für kalte Wintertage
3 oder 4 Nächte inkl. Halbpension und eine Anwendung oder 7 Nächte inkl. Halbpension und zwei Anwendungen (Hydrojetmassage, Entspannungsbad oder Naturfango [Teilpackung]).
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Bad Bleiberg 04244 90500 . Bad Eisenkappel 04238 90500 . Bad Goisern 06135 20400
Bad Häring 05332 90500 Bad Schönau Zur Quelle 02646 90500-2501
Bad Schönau Zum Landsknecht 02646 90500-1501 Bad Traunstein 02878 25050
Bad Vöslau 02252 90600 . Umhausen im Ötztal 05255 50160 vivea-hotels.com
UNTERSTÜTZEND
Mit einer offiziellen Verlängerung der Schulbuchaktion bis 2031/32 planen österreichische Schulen, auch für die kommenden sechs Jahre kostenlose Lehrbücher bereitzustellen. Damit sollen Eltern bei den hohen Kosten der Lernmaterialien entlastet werden.
NACHHALTIG
Vom Spielball zum Mäusehäuschen: Um den großen Überschuss an Tennisbällen des Wimbledon-Turniers sinnvoll zu verwerten, gingen einige Exemplare nach den finalen Matches an diverse Tierschutzvereine. Durch ein kleines Loch in der Mitte wurden die gelben Bälle daraufhin zu einem Zuhause für Zwergmäuse umfunktioniert.
Ob große und kleine Held:innengeschichten, innovative Ideen oder inspirierende Momente – in unserer Artikelreihe sammeln wir monatlich positive Nachrichten aus Österreich und der ganzen Welt, die ermutigen, bestärken und Hoffnung machen.
LEBENSRET TEND
Um die Zeit bis zu seiner Transplantation zu überbrücken, setzten amerikanische Wissenschaftler:innen einem 58-jährigen Patienten aus Texas erstmals ein Herz aus Titan ein. Ganze acht Tage hielt die magnetbetriebene Pumpe den Mann, der an Herzversagen litt, am Leben, bis das künstliche Organ schließlich durch ein Spenderherz ausgetauscht wurde.
STRESS-
ABBAU
Um Studierenden durch stressige Prüfungsphasen zu helfen, hat das Landesbibliothekszentrum in Koblenz einen pädagogischen Begleithund eingestellt. Bereits zehn Minuten Kuscheln mit „Little Joe“ senkten die Cortisolproduktion.
IMPULSE
#familiensache • #fandom • #trog
ON MY MIND
Am 10. Oktober ist internationaler Mental Health Day.
Zu wenig wird über mentale Gesundheit gesprochen, oftmals gilt sie als Tabu. Und doch zeigen Studien, dass schon in der Jugend depressive Symptome und Ängste ansteigen. Weltweit soll am 10. Oktober, am Mental Health Day, dem Thema mehr Beachtung geschenkt werden. Die Wiener Initiative „Mental Health Days“ will zudem direkt an Schulen ganzjährig ansetzen. So werden Workshops sowohl für Schüler:innen und Lehrlinge als auch für Pädagog:innen und Erziehungsberechtigte altersgerecht zu den Themen Mobbing, Körperbewusstsein & Essstörungen, Smartphone- und Internetabhängigkeit, Leistungsdruck & Prüfungsangst, Sucht mit Schwerpunkt Alkohol, Depression, Suizidalität und Ängsten veranstaltet. Weitere Infos unter www.mentalhealthdays.eu
BESSER... BESSER... ES WIRD ES WIRD
… aber nicht mehr gut. Kindesmissbrauch führt zu schwerem Trauma. Man sollte es „durch-arbeiten“, auch damit man es nicht an die eigenen Kinder weitergibt, sagt die Psychoanalytikerin Angelika Breser. Das Wichtigste: das Schweigen brechen. Das tut Ella Hochleitners Dokumentarfilm „Trog“.
REDAKTION: Viktória Kery-Erdélyi
FOTOS: Pexels/Cottonbro, Mirjam Schneeberger, Ella Hochleitner
Käthe Sasso, die kürzlich verstorbene Widerstandskämpferin, sagte in einem Interview zur schweren Erkrankung beziehungsweise zum frühen Tod ihrer Kinder: „Mein Mann war sechs Jahre eingesperrt, ich drei. Das sind die Folgen, leider.“ Dass die Gräuel des Naziregimes auch die nachfolgenden Generationen massiv schädigten, wurde erforscht und bestätigt.
Mit der Erzählung einer unerträglichen Situation einer Familie in Salzburg beginnt Ella Hochleitners Dokumentarfilm „Trog“: Der Vater gilt als Deserteur und wird erschossen, die Mutter schwanger in ein KZ deportiert, ihre drei kleinen Kinder muss sie zurücklassen. Als sie wieder heimkehren kann, heiratet sie erneut und bekommt weitere zehn Kinder.
Nacheinander führt die Filmemacherin die heutigen „Kinder“ im Pensionsalter in das leer stehende Haus in Goldegg. Es sind ihre Cousins und Cousinen, die Kinder ihres Onkels. Sie lässt sie reden und sich erinnern – und das Publikum immer mehr erahnen, dass auch unter diesem Dach schlimme Dinge geschahen. Stück für Stück erzählen einige der Geschwister von einem Missbrauch, den sie beobachtet oder von dem sie erfahren haben. Das Kind, das dadurch entstand, wuchs mit ihnen unter einem Dach auf und hatte es schwer. Das Mädchen fühlte sich lange nicht zugehörig. Woran das lag, konnte es erst „einordnen“, als es die Wahrheit kannte.
Den Mitwirkenden an diesem Dokumentarfilm gebührt großer Respekt; trotz ihrer Liebe zum Vater – er ist mittlerweile gestorben – schauen sie hin oder lassen sie darauf schauen, was geschehen war. „Wenn Betroffene beginnen zu reden, erleben sie das zunächst als Verrat und leiden unter Schuldgefühlen“, erklärt die Psychoanalytikerin Angelika Breser.
Transgenerational. Die Folgen von sexuellem Missbrauch erschweren auch das Leben der nachfolgenden Generation –und selbst das der Kindeskinder. Transgenerationale Weitergabe von Traumata nennt man das in der Fachsprache. Oft wissen die Kinder nicht konkret, was beispielsweise ihre Mutter erlitten hat, dennoch beeinflusst es ihr Leben. „Wie sollen Kinder es NICHT spüren, wenn ihre Mutter eine sexuell missbrauchte Frau ist und ein schwieriges Verhältnis dadurch zu ihrer Sexualität, zu ihrem Körper hat? Auch wenn sie nicht darüber spricht, vermittelt sie etwas, sei es beispielsweise, dass sie sich schämt, über Sexualität zu reden“, beschreibt die Psychoanalytikerin. Sie möchten gerne weiterblättern, weil sexueller Missbrauch oder Misshandlung von Kindern – beides Formen von Gewalt – Sie nicht betrifft? Laut UNICEF ist weltweit jedes zweite Kind zwischen 2 und 17 Jahren von physischer, sexueller oder psychischer Gewalt betroffen. Der Beratungsstelle „die möwe“ zufolge ist „gewaltfreie Erziehung nur für die Hälfte der Befragten eine ideale Erziehungsform“, zitiert die Psychoanalytikerin aus einer Studie. „Und das 30 Jahre nach gesetzlich verankertem Gewaltverbot in der Erziehung.“ Im Vorjahr fokussierte in Deutschland eine Studie konkret sexuellen Missbrauch; die Schätzungen darin sind schockierend: Etwa jede:r siebte bis achte Erwachsene hat sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend erlitten, unter den Frauen ist jede fünfte bis sechste betroffen.
ERINNERN IN GOLDEGG.
Den Mitwirkenden gebührt großer Respekt: Einigen gelingt es, sich vor der Kamera zu öffnen.
Die Reaktionen sind oft nicht einfach für mich, aber ich zweifle nicht an diesem Film.
Ella Hochleitner, Filmemacherin
Der Schutz der Kinder muss über allem stehen. Das missbrauchte Kind ist nie schuld.
Dr. Angelika Breser, Psychoanalytikerin
DOKUMENTARFILM.
Ella Hochleitners „Trog. Eine österreichische Familiengeschichte“ startete im Herbst in den Kinos.
Auch die Autorin dieser Zeilen hätte irgendwann gerne „weitergeblättert“. Je tiefgehender die Recherche im selbst gewählten Thema wurde, desto größer wurde der Wunsch, es doch lieber bleiben zu lassen. Dafür gibt es eine Erklärung: „Zu den ubiquitären Reaktionen auf die Wahrnehmung von Trauma und Traumatisierten gehört der biologisch angelegte Fluchtimpuls: der Impuls wegzuschauen, zu verleugnen und die Augen vor dem Unerträglichen zu verschließen“, schreibt etwa die Schweizer Psychoanalytikerin Marianne Leuzinger-Bohleber.
Der Film. Drei Jahre lang arbeitete Ella Hochleitner an ihrem Dokumentarfilm „Trog“. „Zunächst hat mich interessiert, wie die Kinder ihr Leben gemeistert haben, deren Eltern schreckliche Dinge im Krieg erlebt haben – und später auch die Geschichten der Halbgeschwister, die in eine ähnliche Atmosphäre hineingeboren wurden.“ Das große Haus, indem 15 Kinder aufwuchsen, steht seit Jahren leer. Einige Räume wirken wie „eingefroren“, im Zimmer, in dem die Mutter, die schon 54-jährig starb, aufgebahrt wurde, liegt noch die Tuchent auf dem Bett. Mit jedem „Kind“, das bereit war teilzunehmen, ging Ella Hochleitner mit ihrer Kamera jeweils einmal durchs Haus. Sie filmte, was sie zeigen wollten, sie hörte zu, was sie erzählen wollten. Mal begutachten sie gemeinsam alte Marmeladengläser im Keller, mal schildert einer der „Burschen“, wie sie nachts eine Dachöffnung als Toilette benutzten, und man muss schmunzeln.
Irgendwann brechen einige Cousinen ihr Schweigen und erzählen mutig von Dingen, die „ausbleiben hätten müssen“, wie es eine von ihnen formuliert. „Einiges ist noch nicht aufgearbeitet (…), wir sind die nächsten Verantwortlichen, dass hier Ruhe einkehrt“, sagt eine der Frauen. Eine andere: „Aufarbeiten kann man nur, wenn man alles weiß oder alles sagt.“
Die Psychoanalytikerin Angelika Breser konstruiert den Begriff „durch-arbeiten“, „weil es klarmacht, dass es nicht wieder gut werden kann, aber lebbarer, wenn man es mit professioneller Unterstützung ins Reden bringt.“ Nicht zuletzt für die nachfolgenden Generationen, damit man ihnen sozusagen nicht von Beginn an einen vollen Rucksack weitergibt.
Was ist ein Trauma? „Nach Sigmund Freud ist ein Trauma eine Situation, in der die Psyche mit der Erregungsmenge, die auf sie einbricht, nicht mehr fertig wird“, erklärt sie und ergänzt: „Ein psychisches Trauma ist ein Diskrepanzerlebnis, bei dem der Mensch etwas Unvorhersehbares, Bedrohliches und Unkontrollierbares erfährt, das die jeweiligen Bewältigungsmöglichkeiten übersteigt – und: Diese Situation geht mit dem Gefühl der Schutzlosigkeit einher. Den Schrecken spüren wir mitunter auch körperlich, beispielsweise durch einen starken Stich im Bauch. – Ein Trauma führt zu einer dauerhaften Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses.“ Es bedeutet Kontrollverlust und Ausgeliefertsein; die Ohnmacht erleben wir als unerträglich. Menschen reagieren ganz individuell; zu einem Trauma können ein Autounfall, ein Überfall, ein Verlust – oder eben von den Nazis abgeholt worden zu sein, führen.
Gewalt ist häufig Ursache für Traumatisierungen. Physische, psychische und sexualisierte Übergriffe verletzen die seelische
beziehungsweise körperliche Integrität einer Person, „Gewalterfahrungen innerhalb der Familie, wie sexueller Missbrauch, bedeuten immer einen Missbrauch von Vertrauen und einen Missbrauch von Beziehungen, diese bekommen einen lebenslangen Riss“, sagt Angelika Breser.
Victim Blaming. Laut einer Erhebung von Statistik Austria (2021) zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen passieren 83,67 Prozent der Übergri e durch männliche Personen. Die Opfer werden erneut zu Opfern, wenn ihnen nicht geglaubt, wenn ihnen (Mit)Verantwortung für das Erlittene zugeschoben wird. Beim sogenannten „Victim Blaming“ werden die „Rechtfertigungen“ der Gewalttäter reproduziert; wir sind als Gesellschaft gefordert, achtsam mit Begri en umzugehen und die Verantwortung beim Täter zu verorten, warnen Expert:innen unermüdlich. „Dem Täter mehr zu glauben als dem Opfer dient der eigenen Abwehr, das halten wir leichter aus, das macht uns weniger betro en. Überspitzt formuliert: Indem ich glaube, vergewaltigt wird man als blonde Frau mit Minirock, glaube ich, wenn ich als dunkelhaarige Frau mit langem Kleid nachts durch den Park spaziere, passiert mir nichts“, erklärt Angelika Breser.
Wegschauen. Bei Kindesmissbrauch schauen mitunter auch Mütter weg, manchmal jene, die selbst Ähnliches erlebt haben. „Sind der Schmerz und die Verwirrung noch so groß, muss der Schutz der Kinder über allem stehen. Leider hören Kinder auch Sätze wie ,Wer weiß, was du getan hast‘, aber es ist absolut klar: Das missbrauchte Kind ist nie schuld.“ (Auch nicht der Minirock einer Frau.)
Kommt es vor, dass Erwachsene im Rückblick von einem Kindesmissbrauch sprechen, der ihrer Fantasie entstammt? „Das mag sein, aber alle Fälle, mit denen ich jemals konfrontiert war, waren nie in Zweifel zu ziehen“, betont Angelika Breser. „Und das, obwohl sich Opfer oft selbst wünschen, sie hätten es sich nur eingebildet.“
Die Filmemacherin Ella Hochleitner und die Protagonist:innen ihres Dokumentarfilms haben viel auf sich genommen. Tatsächlich bekommt das Projekt aktuell viel mediale Aufmerksamkeit, viel Wertschätzung. Nicht alle Reaktionen sind feinfühlig und wohlwollend, „ich versuche das jeweils ins Lot zu bringen, damit so wenig Negatives wie möglich auf die Familie einwirken kann. Das ist nicht einfach, aber ich habe trotzdem keine Zweifel, dass es gut war, den Film zu machen“, sagt die Filmemacherin. Sie will damit das Bewusstsein für Zusammenhänge schärfen und dafür, wie lange Traumata Wellen schlagen können, „der Film hat eine Allgemeingültigkeit, die über Grenzen hinausgeht. Freund:innen aus Sizilien oder Kuba haben ihn sofort genauso verstanden“.
Die Psychoanalytikerin Angelika Breser abschließend: „Das Wichtigste ist immer: etwas ins Reden bringen. Mit wem und in welchem Setting entscheiden jeweils die Opfer. Jeder Film, jeder Artikel, jede Fernseh- und Radiosendung, alles, was mit dem Tabuthema Gewalt und Trauma bricht, ist wichtig, und selbst wenn es Widerstand hervorruft, weil es das Ganze aus diesem völlig Unbegreifbaren holt, mit dem die Betro enen sehr allein sind.“ WEITERGABE
KUM VIEL GESCHREI NICHTS?
Warum der Einfluss von weiblichen und queeren Fangemeinden weit über die stereotype Ohnmachtsfantasie hinausgeht.
reischende junge Mädchen, die reihenweise in Ohnmacht fallen, sobald ihr Idol die Bühne betritt. Dieses Bild haben vermutlich viele im Kopf, wenn sie an sogenannte „Fangirls“ denken. Ein Bild, das tief in der Popkultur verwurzelt ist, oft belächelt und immer wieder abgewertet wird. Doch hinter dem Klischee verbirgt sich eine unterschätzte Macht. Fans sind heute nicht nur treibende wirtschaftliche Kräfte, sondern auch bedeutende politische Akteur:innen, deren Einfluss auf die Gesellschaft sich kaum mehr ignorieren lässt.
Nach der Absage der Taylor-Swift-Konzerte in Wien aufgrund eines Terrorverdachts, dauerte es nicht lange, bis sich die Kommentarspalten in den sozialen Medien mit abfälligen Bemerkungen füllten – au allend oft von Männern, die keine Gelegenheit ausließen, ihre Verachtung für die „hysterischen“ Fans und die vermeintliche Seichtheit des Phänomens kundzutun. Um Aussagen wie „Wenigstens bleiben uns diese Schreihälse erspart“ oder
ähnliche Herabwürdigungen zu lesen, bedarf es keines langen Scrollens. Keine Überraschung für Verena Bogner, Musikjournalistin und Kennerin der Szene. Für sie geht es hier in erster Linie um das Thema Abgrenzung: „Man will mit Pop, einem weiblich dominierten Genre – sowohl was Acts als auch Fans angeht – nichts zu tun haben und beweisen, dass man selbst viel schlauer und kulturell gebildeter ist als die ‚Mainstream-Schäfchen‘.“
Auf Dauerschleife. „Fangirl“ – das klingt für viele immer noch nach einem abwertenden Begri , einem Stempel für junge Frauen, die zu emotional oder irrational seien. „Es ist ein Bild, das vor allem von Männern geprägt wurde und Frauen abwertet. Dabei geht es oft darum, kulturelle Macht zu verteidigen und weibliche Begeisterung als minderwertig zu brandmarken“, erklärt Jörn Glasenapp, Professor für Literatur-, Medien- und Kulturwissenschaft an der Universität Bamberg.
wird ein Artist danach beurteilt, welche Fans er oder sie hat, und nicht aufgrund der Kunst an sich.“
Doch warum wird die Leidenschaft von weiblichen Fans so häufig als hysterisch bezeichnet, während männliche Begeisterung – etwa im Sport – als leidenschaftlich und bewundernswert gilt? „Der Male Gaze ist überall!“, bemerkt Verena Bogner tre end. Sie erklärt, dass auch der Kulturjournalismus stark männlich geprägt ist und dass Phänomene, die von Frauen getragen werden, oft ins Lächerliche gezogen werden. „Drehen bei einem Bruce-Springsteen-Konzert alle durch, wird man nur selten von ‚hysterischen Gen-X-Männern‘ lesen. Einfach weil die, die darüber schreiben, meist selbst aus dieser Gruppe stammen.“
Schon die Fans der Beatles in den 1960er-Jahren wurden in den Medien vor allem als liebeskranke Mädchen dargestellt, deren Verstand von Hormonen vernebelt sei. Ein Bild, das sich bis heute hartnäckig hält. „Was bei männlichen Acts wie den Beatles, aber auch aktuellen Stars wie Harry Styles noch dazukommt: die Ebene der vermeintlichen Verliebtheit. Man unterstellt den weiblichen Fans gerne, dass sie doch nur „hormongesteuerte“ Wesen seien, die in John, Paul oder Harry verliebt seien. Man spricht ihnen das Interesse für die Musik noch stärker ab, als dies vielleicht bei weiblichen Acts der Fall ist“, so Verena Bogner.
Zweischneidiges Schwert. Der deutsche Kulturwissenschaftler sieht die grundliegende Problematik aber vor allem in der geschlechtsspezifischen Ungleichbehandlung der Fans: „Es spielt weniger eine Rolle, wer auf der Bühne steht, sondern vor der Bühne. Wenn weibliche Fans jubeln, gilt das als weniger cool. Fans von Künstler:innen wie PJ Harvey, die viele männliche Anhänger haben, werden nicht so abgewertet. Es ist echt verrückt, aber genau diese geschlechtsspezifische Doppelmoral sehen wir immer wieder.“ Das bestätigt auch Musikjournalistin Verena Bogner, die sich intensiv mit Popkultur und Feminismus auseinandersetzt: „Weibliche Fangemeinden polarisieren immer, wenn sie dieses Ausmaß an kulturellem Impact erreicht haben. Oft
Fandom als Wirtschaftsmacht. Ein Blick auf die Auswirkungen der abgesagten Taylor-Swift-Konzerte in Wien verdeutlicht die beeindruckende ökonomische Macht, die hinter den Fangemeinden steckt. Die Hotelbuchungen in Wien stiegen laut dem Vergleichsportal Check24 vor den geplanten Konzertterminen um satte 246 Prozent, und die Preise für Übernachtungen erhöhten sich im Durchschnitt um 22 Euro pro Nacht. Bei Veranstaltungen dieser Größenordnung würden vor allem Branchen wie die Hotellerie, Gastronomie und der Handel profitieren. Während ihre Kritiker:innen sie noch belächeln, bestimmen Fangirls auch längst die Schlagzahl in der Musikindustrie. “„Fans sind Gott“, sagte einst der Musikprodu-
zent Jack Antono , mit dem auch Taylor Swift immer wieder zusammenarbeitet. Sie finanzieren ganze Karrieren, kurbeln die Wirtschaft an und setzen gesellschaftliche Impulse“, so Bogner.
Politische Gamechanger. „Was vielen noch nicht bewusst ist, ist, dass Fangemeinden auch eine enorme politische Kraft entfalten können“, erklärt Jörn Glasenapp. Auch bei der aktuellen Präsidentschaftswahl in den USA könnte der Einfluss von Fangemeinden besonders spürbar werden. So äußerte sich Taylor Swift nach der TV-Debatte von Kamala Harris und Donald Trump auf Instagram und verkündete, dass sie ihre Stimme der Demokratin geben werde. Der Kulturwissenschaftler verdeutlicht, dass die Unterstützung durch prominente Persönlichkeiten wie Taylor Swift, Charli XCX oder Beyoncé in sogenannten Swing States entscheidend sein könnte: „In den umkämpften Swing States kommt es oft nur auf wenige Tausend Stimmen an, die darüber entscheiden, wer gewinnt. Kommt dann jemand wie Taylor Swift ins Spiel, die eine riesige Fangemeinde hat und die ihre Plattform nutzt, um politisch Einfluss zu nehmen, kann das tatsächlich Wahlentscheidungen beeinflussen. Das zeigt, wie bedeutend diese Fangemeinden über den Bereich der Popkultur hinaus sind.“
Safe Spaces. Die Bilder der Swifties in der Wiener Corneliusgasse, die nach der Konzertabsage trotz allem gemeinsam feierten und sich gegenseitig unterstützten, verdeutlichen eindrucksvoll, welchen emotionalen und sozialen Rückhalt Fangemeinden bieten können. Verena Bogner beschreibt diesen Raum als einen unverzichtbaren Zufluchtsort: „Fan-Communitys sind besonders für Mädchen, Frauen und queere Menschen ein ganz besonderer Ort, an dem sie aufgefangen werden und spüren, dass sie mit ihren Interessen nicht alleine sind. Dass es noch viele andere gibt, die dieselben Dinge wie sie mögen, auch wenn ihnen die Welt gerne einredet, dass sie einen schlechten Musikgeschmack und eh keine Ahnung haben.“
Wurden junge Mädchen und Frauen für ihre Fanliebe in der Vergangenheit meist verurteilt und belächelt, übernehmen sie heute zunehmend die Kontrolle über ihre eigene Identität. „Die Kritikerin Jessica Hopper sagte einmal: ‚Ersetze das Wort Fangirl durch Expertin und schau, was passiert.‘ Genau als das sollten wir weibliche Fans viel öfter betrachten: als interessierte, gut bewanderte Musikkenner:innen“, betont Verena Bogner. Sie sieht, dass der Begri Fangirl immer öfter als positive Selbstzuschreibung verwendet wird: „Diese Entwicklung freut mich sehr, weil wir das Attribut Fangirl stolz vor uns hertragen sollten.“