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ICH UND MEINE YONI
SCHÖNES ENTDECKEN
Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Birgit Wagner, www.wortwunderwelt.com Mit viel Feingefühl beantwortet „Ich und meine Yoni“ Fragen rund um die Weiblichkeit und ihre Wunder – mit zauberhaften Texten und Bildern. Das Buch basiert auf der Idee eines klugen Mädchens aus Waidhofen an der Ybbs.
Wenn Antonia Pichler seit einigen Wochen morgens ihren Computer hochfährt, findet sie häufig lange, sehr persönliche E-Mails im Posteingang. Darin danken ihr viele Frauen für ihr Buch. Sie schreiben ihr, dass nicht nur ihre Töchter „Ich und meine Yoni“ mögen, sondern dass das farbenfrohe Bilderbuch auch bei ihnen selbst Blockaden löst und Heilungsprozesse anregt.
Die Autorin dieser Zeilen hätte sich ein solches Buch auch schon früher gewünscht. „Wann?“, fragt der aufmerksame Mann zu Hause.
Für die Gespräche mit den Töchtern, schon als sie im Kindergarten waren, aber sogar noch früher, auch für die Zeit des eigenen Heranwachsens.
Viele Fragen, wenig Antworten. Antonia Pichler aus Waidhofen an der Ybbs liebt die Neugier ihrer Tochter. Bereits mit vier Jahren stellte sie kluge Fragen zu ihrem Körper; die Bücher, die es zu dem Zeitpunkt für Kinder gab, lieferten weder befriedigende Antworten noch wahrheitsgetreue Bilder. „Sogar in Körperbüchern findet man die Vulva einfach nur mit einem Dreieck mit einem Strich dargestellt“, weiß Antonia Pichler.
Ihre Tochter war fest entschlossen: „Mama, du musst ein Buch schreiben“, sagte sie ihr immer wieder und ließ nicht locker, bis sich ihre Mutter – im Brotberuf Texterin, aber zuvor noch keine Autorin – weichklopfen ließ.
Entstanden ist ein hinreißendes Bilderbuch, für dessen Finanzierung Antonia Pichler auch ein Crowdfunding initiiert hatte. Ein solches ermöglicht die Realisierung eines Projekts mit privaten Sponsoren; das Buch der Niederösterreicherin unterstützten viele Frauen, aber auch Männer. „Ich und meine Yoni“ wurde schließlich umweltfreundlich in Melk gedruckt und erschien im vergangenen Dezember. Es erzählt die Geschichte der sechsjährigen Loumi, die ihre Weiblichkeit entdeckt – mit all ihren schönen Wundern: vom komplexen Aufbau bis hin zur Periode, zauberhaft illustriert von Manu König. Das Mädchen bekommt von ihrer Mama zudem einen Spiegel, um ihre Vulva kennenzulernen, wenn sie das möchte.
Antonia Pichler – fachlich beriet sie die Gynäkologin Karin Neunteufel – verquickt im Buch mehrere Herzensmissionen: Sie möchte, dass die Bezeichnung „das da unten“ aus dem elterlichen Wortschatz verschwindet und die Scham, mit der Weiblichkeit besetzt ist, Schicht für Schicht verblasst. „Es könnte so viel kreative Energie auf der Welt freigesetzt werden, wenn wir die Scham zu lösen beginnen“, ist sie überzeugt. Deswegen lädt Buch-Heldin Loumi auch zur Interaktion ein, um die eigene Yoni zu zeichnen, hübsche Affirmationskärtchen mit Sätzen wie „Ich bin wunderschön“ und „Ich bin gut so wie ich bin“ auszuschneiden und ein Yoni-Mandala auszumalen.
Den Begriff Yoni wählte die Autorin ganz bewusst; es bezeichnet im Sanskrit die Einheit aus Vulva, Vagina und Gebärmutter. „Diesen Ansatz mag ich sehr, weil die drei Bereiche für mich eine Einheit bilden“, sagt sie. Es geht im Buch auch um Selbstliebe, sich so anzunehmen, wie man ist. Und darum, möglichst früh zu lernen, was einem gut tut und was nicht. „Spätestens an dieser Stelle schlucken viele Erwachsene beschämt“, weiß Antonia Pichler. Dabei seien eben diese Entdeckungen so wichtig, um mög-
Ich möchte Kindern nahebringen, dass es wichtig ist, die Vulva frei kennenzulernen und freundschaftlich anzunehmen. Antonia Pichler, Buchautorin lichst früh zu wissen, welche Berührungen (anderer) nicht in Ordnung sind, wann man Stopp sagen darf und muss. Das Buchprojekt erlebte die Autorin selbst als heilsam, unschöne Erfahrungen gut zu verarbeiten. Noch immer Tabus. Mit welchen Tabus die Vulva bis heute belegt ist, erfuhr sie kürzlich einmal mehr, als sich eine Pädagogin gegen den Ankauf des Buches für eine Kindergartengruppe aussprach. Mehr Gewicht hat zum Glück das positive Feedback, auch aus dem Familien- und Freundeskreis. „Meine Eltern konnten sich nicht so richtig vorstellen, was das für ein Buch wird“, schmunzelt die Tochter eines Diakons. „Dann habe ich ihnen ein Exemplar mit persönlicher Widmung gebracht, wenig später hat mich meine Mutter spürbar berührt angerufen, das war besonders schön.“ Ihr Ehemann hat sie stets unterstützt und sei mit dem Projekt „mitgewachsen“. „Manchmal hat er für gewisse Themen ein bisschen Zeit gebraucht, aber als Weihnachtsgeschenk ließ er mir sogar einen Yoni-Steaming-Hocker aus Holz anfertigen“, erzählt sie. Eine schöne Geste, denn die uralte, aus dem asiatischen bzw. afrikanischen Raum stammende Tradition für Intim-Dampfbäder gilt (bei richtiger und vorsichtiger Handhabung) als wohltuend für Frauen.
Die Vision der Autorin ist, dass möglichst viele Menschen „Ich und meine Yoni“ offen und gerne in die Welt hinaustragen und dass es den Weg zu einem natürlichen offenen Umgang mit der Vulva ebnet. „Wenn ein kleines Mädchen zu Hause sagt, sie geht mit dem Spiegel ihre Yoni anschauen, sollte das für die Eltern so selbstverständlich sein, als ginge sie zum Zähneputzen ins Bad.“
Die Nachfrage nach dem Buch ist übrigens groß. Schon jetzt arbeitet Antonia Pichler an einer zweiten, mit geschlechterinklusiven Formulierungen adaptierten Auflage. Und einem Buch für Kinder mit Penis.