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MEHR ALS EIN KOCHBUCH
DAS FENSTER IN SEINE KOCHSEELE
„Tisch 14 bitte!“ ist mehr als ein Kochbuch, sagt Haubenkoch Johannes Jungwirth aus Göttlesbrunn. Einblicke in das Werk, dessen Produktion ohne Stecknadeln auskam.
Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Sajovic & Scherr Fotografie, www.dieabbilderei.at
Wenn ein kulinarischer Bildband den Titel „Tisch 14 bitte!“ trägt und der Herr des Hauses denselben bereits in seinem Vorwort feiert, dann will man natürlich wissen, wie dieser Tisch aussieht. Man wird aber kein Foto im Buchinneren finden und das ist trotzdem gut so.
Sie haben sicher schon einmal versucht, einen Sonnenaufgang am Meer oder einen pinken Winterhimmel zu fotografieren. Selbst wenn das Bild noch so schön ist, die Realität, das Gefühl, den Duft kann ein Foto nicht wiedergeben. Am besten man besucht das Lokal „DERjungWIRT“ in Göttlesbrunn und reserviert im Vorfeld Tisch 14. Wenn er nicht mehr frei ist, fragen Sie zumindest vor Ort, wo er ist, damit Sie ihn sehen.
Er ist wirklich speziell, mit seiner Nähe zu den im Kamin tänzelnden Flammen, aber jeder Platz ist dort fein. Und besonders fein sind die für Augen, Nase und Gaumen komponierten Spektakel am Teller, für die Johannes Jungwirth die Hauptverantwortung trägt. Mit „Tisch 14 bitte!“ verwirklichte der Haubenkoch
TUT GUT. „Es gibt kaum einen anderen Beruf, in dem du so schnell Rückmeldung bekommst und die ist in 99,9 Prozent positiv.“
eine lang gehegte Vision vom eigenen Buch; auf knapp 300 Seiten verrät er nach Themen geordnete Rezepte: Wirtshausküche, Fine Dining, Alles Trüffel und Süße Versuchung. Im Anschluss stellt er seine liebsten Winzerinnen und Winzer, Produzentinnen und Produzenten sowie sein Team vor, das – so schreibt er explizit – großartig neben ihm steht, „dem ich großen Respekt zolle, weil es genauso begeistert von der Sache ist und tatsächlich bereit, vieles hintanzustellen, um jeden Tag mit mir meinen Traum Realität werden zu lassen“.
Den hatte Johannes Jungwirth, aufgewachsen im vierten Wiener Gemeindebezirk, schon früh klar vor Augen: Mit 14 beginnt er eine Kochausbildung, lernt später von Großen, wie dem vielfach ausgezeichneten Jaroslav Müller, aber auch von bodenständig Versierten wie „Herr Krenn“, dem Chef des Waldviertlerhofs, einem gelernten Fleischhauer und Jäger, der ihm das „Nose-to-tail“-Konzept beibrachte, lange bevor es so hieß.
Im selben Jahr als er geboren wurde, nämlich 1969, eröffnete die Großkellerei Winzerhof Paul einen großen Heurigen; die Wiener kamen in Scharen auf ihrem Weg zum Neusiedler See. Mit der Errichtung der Ost-Autobahn verwaiste das Lokal, Johannes Jungwirth übernahm und führte es ab Mitte der 1990er in eine neue Ära. Als er nach Göttlesbrunn kam, war gerade eine neue Generation an Winzern am Start, ihre Weine waren die erste Inspiration für seine Interpretation der „Carnuntiner Küche“. Gemeinsam brachten sie frischen Wind nach Göttlesbrunn, den selbst eine Pandemie nicht zum Stillstand zwingen konnte.
Die Lockdowns nutzte Jungwirth, um am Buch zu arbeiten; das Lokal war zu, der Herd glühte. „Ich habe jedes Ge-
Erdäpfelschaumsuppe mit Speck und Pilzen
ZUTATEN für 4 Personen
Suppe: • 200 ml Gemüsefond • 200 ml Vollmilch • 100 ml Obers • 1 MS Curcuma • 200 g speckige Erdäpfel (Siglinde oder Ditta), gekocht • 1 MS Muskatnuss, gemahlen • 2 EL braune Butter • Salz, Pfeffer Einlage: • 2 halbierte, ausgehöhlte Erdäpfel • Sonnenblumenöl zum Ausbacken • 100 g Speck • Pilze nach Gusto und Saison Schnittlauch
Gerätschaft: Thermomix , ersatzweise Stabmixer
richt für den Fotografen frisch gekocht, danach haben wir es gegessen und es hat gut geschmeckt. Wir haben weder Stecknadeln noch andere Tricks für die schöne Optik gebraucht“, lacht er, der die österreichische Wirtshausküche huldigt, sie mal neu interpretiert, mal bloß als Ausgangspunkt nimmt. „Drei Zutaten stecken in jedem meiner Gerichte: Kreativität, Handwerk und Leidenschaft. Von Trüffel bis Schwein, von Karpfen bis Kürbis – inspiriert von den Schätzen, die das Land bietet, entstehen bei uns kulinarische Seelenwärmer.“ Und manchmal wahre Explosionen, finden wir.
ZUBEREITUNG
Für die Suppe Gemüsefond, Obers und Milch mit Curcuma aufkochen, die Erdäpfel dazugeben, mit Muskat, Salz und Pfeffer abschmecken und im Thermomix sehr fein aufmixen und dabei die braune Butter einlaufen lassen. Für die Einlage die ausgehöhlten Erdäpfel in Sonnenblumenöl knusprig ausbacken. Speck klein würfeln, in einer Pfanne knusprig anrösten, die blättrig geschnittenen Pilze dazugeben und kurz mitrösten, mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Anrichten:
Die Suppe mit dem Stabmixer schaumig aufmixen. Die knusprigen Erdäpfel mit dem Speck-Pilz-Gemisch füllen und in die Mitte setzen, mit fein geschnittenem Schnittlauch bestreuen. PS: Um kostbare Lebensmittel nicht zu verschwenden, kann man übrig gebliebene Erdäpfel vom Vortag verwenden.
Gebackene Hühneraustern, orientalische Gewürzmayo, Linsen-Marillen-Chutney
ZUTATEN für 4 Personen
Chutney (Rezept für 5 kleine Einmachgläser): • 150 g Berg- oder Belugalinsen, 24 Std. in
Wasser eingeweicht • 1 kleine Zwiebel • 1 EL Öl zum Anbraten • 2 EL Balsamico • 1 EL Marillenschnaps • 3 EL Marillensaft • 50 g getrocknete Marillen • 3 EL Zucker • Salz, Pfeffer • 1 Stängel Zitronenthymian Gewürzmayo: • 1 KL Raz el Hanout-Gewürzmischung • 1 EL Sushi-Essig • 2 EL Mayonnaise • 1 KL Sesamöl • Salz, Pfeffer Hühneraustern: • 20 Hühneraustern (Sot-l‘y-laisse, auf Deutsch „Pfaffenstück“, beim Geflügelhändler vorbestellen) • Mehl, Ei und Panko (grobe Brösel) zum Panieren • Öl zum Ausbacken
ZUBEREITUNG
Linsen in Wasser (ohne Salz!) weichkochen, abseihen. Zwiebel sehr fein schneiden und in Öl glasig anschwitzen. Mit Balsamico und Marillenschnaps ablöschen, den Marillensaft dazugeben und einmal aufkochen lassen. Linsen, feinwürfelig geschnittene Marillen, Zucker, Blättchen vom Zitronenthymian dazugeben und solange einkochen, bis eine zähe Masse entstanden ist. Noch heiß in kleine Gläser füllen und sofort verschließen. Die verschlossenen Gläser im Wasserbad fünf Minuten leicht kochen, so sind sie ca. sechs Monate haltbar.
Gewürzmayonnaise:
In einer trockenen Pfanne die Raz el Hanout-Gewürzmischung kurz trocken anrösten und mit dem Sushi-Essig ablöschen. Mit den anderen Zutaten glattrühren, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Hühneraustern in Mehl, Ei und Panko wenden und in heißem Öl bei 170°C eine Minute knusprig herausbacken.
Anrichten:
Die Gewürzmayonnaise mit dem Dressiersack auf die Teller aufspritzen, die Hühneraustern halbieren, daraufsetzen, dazwischen das Linsen-Chutney in kleinen Häufchen platzieren. Mit kleinen Stücken getrockneter Marille, Zitronenthymianblättern und eventuell essbaren Blüten dekorieren.
Mohnguglhupf mit Trockenbeerenauslese-Zabaione
ZUTATEN für 4 Personen
Teig: • 250 g weiche Butter • 50 g Staubzucker • 6 Eier • 80 g feiner Kristallzucker • 1 KL echter Vanillezucker • 1 Prise Salz • geriebene Schale von 1 unbehandelten Zitrone • 300 g Waldviertler Graumohn • 100 g Haselnüsse, geröstet und gerieben • Butter zum Einfetten Rotweinapferl: • 4 kleine Äpfel • 500 ml Rotwein • Zimtstange • 3 Gewürznelken • 1 EL Zucker Zabaione: • 2 Eigelb • 50 g feiner Kristallzucker • 150 ml Trockenbeerenauslese
Gerätschaft: 4 kleine Guglhupf-Formen
ZUBEREITUNG
Butter mit Staubzucker schaumig schlagen, Eier trennen, Dotter nach und nach zugeben. Das Eiweiß mit dem Kristallzucker steif schlagen und unter die Eigelbmasse heben. Mohn und Nüsse vorsichtig unterheben. Die kleinen Guglhupf-Formen mit Butter gut einfetten und zu zwei Dritteln mit Teig befüllen. Bei 180°C etwa 25 Minuten backen (Backzeit variiert nach der Größe der Backform). Den Rotwein mit Zimt, Zucker und den Nelken aufkochen und die geschälten Äpfel darin weichkochen. Für die Zabaione die Dotter mit dem Zucker gut verrühren und mit etwas Süßwein über Dampf aufschlagen. Die restliche Trockenbeerenauslese langsam einlaufen lassen, weiter aufschlagen, bis eine schaumige Masse entstanden ist.
Anrichten:
Die lauwarmen Guglhupferln mit der Zabaione übergießen und sofort servieren.
TISCH 14 BITTE!
(ISBN 978-3-20007259-6) ist im Trauner Verlag um € 42 erhältlich. www.trauner.at
DERjungWIRT: www.derjungwirt.at