Die Niederösterreicherin Februar 2022

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Genuss

DAS FENSTER IN SEINE KOCHSEELE „Tisch 14 bitte!“ ist mehr als ein Kochbuch, sagt Haubenkoch Johannes Jungwirth aus Göttlesbrunn. Einblicke in das Werk, dessen Produktion ohne Stecknadeln auskam. Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Sajovic & Scherr Fotografie, www.dieabbilderei.at

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enn ein kulinarischer Bildband den Titel „Tisch 14 bitte!“ trägt und der Herr des Hauses denselben bereits in seinem Vorwort feiert, dann will man natürlich wissen, wie dieser Tisch aussieht. Man wird aber kein Foto im Buchinneren finden und das ist trotzdem gut so. Sie haben sicher schon einmal versucht, einen Sonnenaufgang am Meer oder einen pinken Winterhimmel zu fotografieren. Selbst wenn das Bild noch so schön ist, die Realität, das Gefühl, den Duft kann ein Foto nicht wiedergeben. Am besten man besucht das Lokal „DERjungWIRT“ in Göttlesbrunn und reserviert im Vorfeld Tisch 14. Wenn er nicht mehr frei ist, fragen Sie zumindest vor Ort, wo er ist, damit Sie ihn sehen. Er ist wirklich speziell, mit seiner Nähe zu den im Kamin tänzelnden Flammen, aber jeder Platz ist dort fein. Und besonders fein sind die für Augen, Nase und Gaumen komponierten Spektakel am Teller, für die Johannes Jungwirth die Hauptverantwortung trägt. Mit „Tisch 14 bitte!“ verwirklichte der Haubenkoch

TUT GUT. „Es gibt kaum einen anderen Beruf, in dem du so schnell Rückmeldung bekommst und die ist in 99,9 Prozent positiv.“

eine lang gehegte Vision vom eigenen Buch; auf knapp 300 Seiten verrät er nach Themen geordnete Rezepte: Wirtshausküche, Fine Dining, Alles Trüffel und Süße Versuchung. Im Anschluss stellt er seine liebsten Winzerinnen und Winzer, Produzentinnen und Produzenten sowie sein Team vor, das – so schreibt er explizit – großartig neben ihm steht, „dem ich großen Respekt zolle, weil es genauso begeistert von der Sache ist und tatsächlich bereit, vieles hintanzustellen, um jeden Tag mit mir meinen Traum Realität werden zu lassen“. Den hatte Johannes Jungwirth, aufgewachsen im vierten Wiener Gemeindebezirk, schon früh klar vor Augen: Mit 14 beginnt er eine Kochausbildung, lernt später von Großen, wie dem vielfach ausgezeichneten Jaroslav Müller, aber auch von bodenständig Versierten wie „Herr Krenn“, dem Chef des Waldviertlerhofs, 64

einem gelernten Fleischhauer und Jäger, der ihm das „Nose-to-tail“-Konzept beibrachte, lange bevor es so hieß. Im selben Jahr als er geboren wurde, nämlich 1969, eröffnete die Großkellerei Winzerhof Paul einen großen Heurigen; die Wiener kamen in Scharen auf ihrem Weg zum Neusiedler See. Mit der Errichtung der Ost-Autobahn verwaiste das Lokal, Johannes Jungwirth übernahm und führte es ab Mitte der 1990er in eine neue Ära. Als er nach Göttlesbrunn kam, war gerade eine neue Generation an Winzern am Start, ihre Weine waren die erste Inspiration für seine Interpretation der „Carnuntiner Küche“. Gemeinsam brachten sie frischen Wind nach Göttles­ brunn, den selbst eine Pandemie nicht zum Stillstand zwingen konnte. Die Lockdowns nutzte Jungwirth, um am Buch zu arbeiten; das Lokal war zu, der Herd glühte. „Ich habe jedes Ge-


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