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SCHÖN SCHRÄG
SC SC HÖN HÖN
schräg
Text: Angelica Pral-Haidbauer
„Wien ist keine Großstadt, sondern eine große Stadt“, sagte einst Lotte Tobisch-Labotýn. Dieses Wien in einem globalisierten Umfeld ist der Hintergrund für die ersten dreißig Jahre „Bekleidungsentwicklungshilfe“ einer Wiener Modeschöpferin seit 1990. Wider eine glattgebügelte, internationalisierte Ästhetik formuliert Susanne Bisovsky tiefgreifende, aber auch spielerische und letztlich selbstbestimmte Wege zu Mode und Gewandung. Die Couturière nimmt uns in diesem Prachtband mit auf eine Reise in die Höhen und Tiefen einer textilen Realität, die kaum Vergangenheit und nur Momentchen der Gegenwart kennt. Sie öffnet den realen und imaginären Fundus der Bekleidung einer Stadt, deren Schätze man nur zu heben bräuchte. Unbeirrt von Trends führt sie uns ein scheinbar aus der Zeit gefallenes Bild der „Schönen Wienerin“ vor Augen, Couture und Prêt-à-porter für die Wiener Dame, das Wiener Mädel.
CHIC SLAVIQUE
„Eine Kollektion zu kreieren, die scheinbar offensichtliche Kennzeichen der Gewandsprache einer bekannten mexikanischen Malerin aufweist, birgt die Gefahr des medialen Ritts auf der Quote. Von selbst hätte die Modemacherin dieses Pferd nicht gesattelt, was nachträglich nur auf dem Papier behauptet werden kann. Nachweisbar hingegen ist die immense Aufmerksamkeit, die damit erzielt wurde.“ Susanne Bisovsky
SISTER OF FASHION
Die Haube als weibliche Kopfbedeckung hat sich aus Kapuze und Gugel entwickelt und kommt in den verschiedensten Formen vor wie Goldhauben, Linzer Hauben oder Flügelhauben, die man trefflich auch Heiliggeist-Hauben nennt. Aus magischen Gründen ist es Sitte, dass das Weib den Kopf bedeckt. Die Verhüllung des weiblichen Kopfes ist vor allem beim ersten Beilager, bei der Hochzeit, notwendig und Zeichen der verheirateten, unfreien Frau. Lange, frei herabfallende Haare hingegen waren jahrhundertelang das Zeichen eines freien Mädchens. (Volksglaube)
ILLUMINANT
„Segenbringend und heilkräftig sind in Kirchen und Wallfahrtsorten aufbewahrte Kleider heiliger Personen sowie Taufkleider, Patenkleider, beim Abendmahl getragene Kleider, besonders das Brautkleid, die Totenkleider und das Priestergewand.“ (Volksglaube)
BLAUDRUCK
„Susanne Bisovsky denkt nicht daran, die Trachten hinter sich zu lassen. Unübersehbar schräg zieht sie sie uns auf den Leib. Mit diesen Kleidern tragen wir Zeit: Votivmotive, die im 19. Jahrhundert die erste Popkunst waren. Kleider speichern aber nicht nur Motive; sie bewahren längst vergessene Textiltechniken, etwa den Blaudruck, wie ein Archiv. In der Form von Palimpsesten arbeitet Bisovsky kostbare alte Stoffe aus ritueller Kleidung, geduldig und kenntnisreich überall zusammengesucht, in die Kleider ein. Up-cycling und nachhaltig – das hat Susanne Bisovsky lange gemacht, bevor es in aller Munde war.“ Barbara Vinken
GEN OSTEN
„Susanne Bisovsky ist da zu Hause, wo Fantasie in Wirklichkeit übergeht, Vergangenheit in Gegenwart, Gegenwart in Zukunft und umgekehrt. Es ist der Bereich, in dem Tradition auf Fantasie trifft. Susanne hat ein untrügliches Gespür für die Durchlässigkeit kultureller Grenzen und modischer Zwänge. Handwerkliches Erbgut, bereichert und angereichert mit dem Geist des Fantastischen und Visionären, zieht sich durch ihr Schaffen. Bisovsky bezaubert und verzaubert unsere Welt mit Kreationen, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen und doch, oder gerade deshalb, voller Geschichten und Erinnerungen sind.“ Hubert Achleitner (Hubert von Goisern)
Susanne Bisovsky (Hg.) WIENER CHIC
Mode für eine große Stadt ISBN 978-3-7025-1039-8 www.pustet.at, € 45
TRACHTENPUNK
Eine schnell erzeugbare Oberfläche hat die Modeschöpferin nie begeistern, geschweige denn hundertprozentig überzeugen können. Je mehr sie sich mit Überschichtungen und Lagen beschäftigte, desto symbolhaftere Inhalte kamen zum Vorschein. Totenköpfe und Religiöses traten bei ihr dann erstmals in der Mode auf und vermischten sich in einer erfrischenden Allianz von Unschuld und Sünde.
© Udo Titz
KURZBIO
Susanne Bisovsky studierte Modedesign bei JeanCharles de Castelbajac, der sie 1989 nach Paris engagierte, Vivienne Westwood, Marc Bohan und Helmut Lang (für den sie das „Dress of the Year 1995“ produziert). Für ihre Diplomkollektion „Be tracht ung“ erhielt sie das erstmalig verliehene Fred-Adlmüller-Stipendium. Neben ihrem eigenen Label hat Susanne Bisovsky für nationale und internationale Modehäuser wie u. a. Kathleen Madden designt. Parallel zu Modedesign entwirft sie Kostüme für die Salzburger Festspiele sowie das Teatro alla Scala bis zur Staatsoper Wien. Seit 2020 widmet sie sich verstärkt ihren eigenen „Everlasting Collections“ und dem Bekleidungsbild einer imaginierten Stadt.