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EINS MIT DEM KLAVIER
Es war (k)ein ZUFALL
Mit dem Album „No Love Without Justice“ spielt sie sich ins Herz, kürzlich wird Verena Zeiner mit dem Kulturpreis ausgezeichnet. Wie alles begann, wohin es geht.
Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Ina Aydogan, Stefan Sappert
Es passiert nicht nur im Kopf, nicht nur im Herzen. Es ist auch etwas Körperliches. Wenn sie sich ans Klavier setzt, kommt sie in einen anderen Modus, sagt sie. „Ich spüre, wie die Bewegung meiner Finger, meiner Hände, meines Körpers eine
Wohltat ist, wie ich mich entspanne“, beschreibt Verena Zeiner. „Gleichzeitig werde ich fokussiert. Das macht mich präsent, gibt mir einen Boden und nährt mich.“
Sie spielte Klavier, als in Israel kriegerische Auseinandersetzungen nur wenige
Kilometer von ihr die Sirenen heulen ließen. An diese Erfahrung knüpft sie heute an, wird sie später im Gespräch erzählen.
Sie hilft in Krisen, in der Pandemie. „Musik ist meine Insel.“
NIEDERÖSTERREICHERIN: Wieso
UNZERTRENNLICH. Mit acht Jahren beginnt die Mostviertlerin, Klavier zu spielen. Die musikalische Erfüllung findet sie in Jazz und Improvisation.
Klavier?
Verena Zeiner: Das war ein Zufall. Ich komme aus einem kleinen Ort im Mostviertel. Als ich acht Jahre alt war, zog eine Pianistin und Klavierlehrerin dorthin und es hieß: „Verena, magst nicht?!“ – Ich habe in den ersten Stunden gemerkt: Das tut mir gut. Ich wollte bald selbst Klavierlehrerin werden, dass man auch Musikerin werden kann, wusste ich damals nicht (lacht). Ursula Kropfreiter war ganz wichtig für mich, bis zur Matura durfte ich Privatstunden bei ihr nehmen. Wie bist du aufgewachsen?
Meine Mutter kommt aus der Elementarpädagogik, mein Vater aus dem Gesundheitsbereich; er war viele Jahre Krankenpfleger in der Psychiatrie. Sie waren selbst nicht künstlerisch tätig, hatten aber immer eine große Aufgeschlossenheit für unsere Wege. Sie waren sehr aufmerksam, wo wir Kinder unsere Interessen hatten und ermöglichten uns alles, wo sie wussten, wie – und immerhin habe ich vier Geschwister (lacht).
Wieso bist du in Richtung Jazz und
Verena Zeiner, Pianistin und Komponistin improvisierte Musik gegangen?
Ich hab‘ schon früh improvisiert: Wenn mir Popsongs gefallen haben, hab‘ ich die am Klavier ausgecheckt, das fiel mir leicht. Was es bedeutet, Musikerin werden zu wollen, die richtigen Lehrer zu finden, musste ich später hart lernen. Selbst wenn man weiß, wohin man möchte, ist es keine g‘mahte Wies‘n. Es hieß für viele Jahre: Üben und das Leben komplett danach ausrichten. Erst in Belgien hab‘ ich den Lehrer gefunden, der mich ernst genommen hat in meinem Wunsch, Musikerin werden zu wollen, der mir klar gesagt hat, was ich tun muss, um dorthin zu kommen, wohin ich will.
Wohin wolltest du?
Im Bereich des Jazz und der Improvisation bedeutet das: meine Musik zu finden und auf einem guten Level umzusetzen. Dazu gehören viele Bausteine. Es braucht technisches Handwerk, Fingerfertigkeit, viel Wissen über die Musik und das Verständnis dafür, wie Musik funktioniert – aber auch eine künstlerische Entwicklung. Wie kann ich als Verena aus dem, was ich mitbringe, meine Musik formen? Das spielt sich auf vielen Ebenen ab: auf einer intellektuellen, emotionalen und körperlichen Ebene. Es war ein wichtiges Jahr für mich in Belgien; ich hab‘ dort nur geübt und großen Spaß daran gehabt. Dort hab‘ ich gemerkt, was alles in mir steckt. … dann bist du wieder nach Wien, um dein Studium abzuschließen … … und es zog mich wieder raus (lacht). Für mich war es schon ein großer Schritt, vom Land nach Wien zu gehen, dann war ich ein Jahr in Brüssel und dann bin ich nach New York. Ich habe drei intensive Wochen erlebt und mir für das Jahr darauf gleich ein Stipendium für sechs Monate organisiert. Ich habe dort so viele Konzerte gehört und so viele Musikerinnen und Musiker kennengelernt, das hat mein Leben nachhaltig verändert. Zu ihnen gehört der Schlagzeuger Ziv Ravitz. Er hat mein zweites Soloalbum „No Love Without Justice“ gemischt und vor Kurzem haben wir ein Duo-Album aufgenommen. Die Idee ist fast aus einem Scherz entstanden, wir haben zuvor noch nie miteinander gespielt. … und ihr seid trotzdem gleich ins Studio?
Spielen können wir, wir sind beide Profis. Viel wichtiger ist: Wir sind beide nicht vom Ego getrieben, da kann man schnell zusammenkommen. Wir wissen beide, dass, wenn wir uns auf einer persönlichen Ebene Treffen, wir uns emotional gut verbinden, die Musik besser wird. Der Großteil der Stücke war von mir. Das sind meistens komponierte Rahmen, indem dann frei improvisiert wird. Wir haben das einen Nachmittag durchbesprochen und losgelegt – und ganz viel ausprobiert.
Ist dieser Prozess für dich auch mit Überraschungen verbunden?
KONZERTE. Live erlebt man Verena Zeiner demnächst unter anderem im Kunsthistorischen Museum Wien bei „Ganymed in Power“, beim Kultursommer Wien sowie beim „Waldlesungsviertel“ in Zwettl. Infos und Termine:
www.verenazeiner.at
Das wünsche ich mir! Dafür bin ich immer total offen und es taugt mir am meisten, wenn ich meine Musik mitbringe und jemand etwas dazugibt, das ich mir gar nicht überlegt hab‘.
Das Album kommt im Herbst oder Winter. Du hast aber noch ein weiteres in der Pipeline, das ebenfalls demnächst erscheint?
Genau: „Magic Wall“. Auch dieses Projekt ist ganz überraschend entstanden. Ich hatte noch viel Material von meinem Soloalbum, das nicht veröffentlicht ist. Ich bin auf Wolfgang Schlögl – sein Künstlername ist I-Wolf (früheres Bandmitglied der Sofa Surfers, Anm.) – zugegangen und hab‘ ihn einfach gefragt: Hast du Lust, dass wir da in einen Dialog gehen? Er ist ein großartiger, elektronischer Musiker; er ist mit seinen Elementen dazugekommen, ich habe neue Spuren eingespielt, wir haben viel mit Effekten gearbeitet und teilweise Stücke komplett zerlegt. In zwei Monaten hatten wir ein ganzes Album fertig (wir durften vorab hören: sehr empfehlenswert, Anm.). ***
Wie hast du deinen Start in deine künstlerische Laufbahn finanziert?
Ich bin echt gesegnet mit meinen Eltern, die meinen Entscheidungen vertrauen, mir keine Steine in den Weg legen;
dass ich studieren konnte, verdanke ich ihnen. Ich hab‘ immer Sommerjobs gemacht, mein erster führte mich auf eine Hühnerfarm (lacht). Und ich hab‘ früh begonnen, Klavier zu unterrichten. Heute unterrichte ich an der MDW (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Anm.) in dem Bereich, den ich – neben Klavier – auch studiert habe: Instrumentalimprovisation in der MuIch hatte nie einen sik- und Bewegungspädagogik. Ich hab‘
Plan B. Vielleicht auch an Musikschulen funktionierte es unterrichtet und gebe bis heute gerne Workdeswegen, weil ich shops; was ich mir erspare, stecke ich in eine andere Option meine Projekte. Hattest du je einen gar nicht sehe. Plan B? Nein. Vielleicht Verena Zeiner, Pianistin und Komponistin hat es auch deswegen funktioniert, weil ich eine andere Option gar nicht sehe. Zweifel an mir selbst hatte ich hingegen schon. Ich habe sehr hohe Ansprüche an mich und musste mir auch selbst viel beweisen. Mit Erfolg. Irgendwann wusste ich: Verena, so viel Zeit, wie du mit deinem Instrument verbringst, darfst du anfangen, dir und deinen Fähigkeiten zu vertrauen. Du darfst eine gültige Stimme sein in dieser Welt – mit deiner Musik. Wie ist deine Beziehung zu deinem Klavier? Musik hilft mir, mein Leben zu schaffen, gerade wenn‘s turbulent wird – wie mit Corona. Ich gehe zum Klavier und stärke mich. Das ist es, warum Kunst für die Menschen so wichtig ist. Als ich in Israel war, gab es in der Nähe kriegerische Auseinandersetzungen. Die Familie, bei der ich wohnte, hat gesagt: Entweder du fliegst heim oder du bleibst da und lernst, wie es ist, damit zu leben. Ich habe den Alarm wenige Kilometer entfernt gehört, trotzdem: Ich durfte Klavier spielen. Das gibt mir die Stabilität, die ich ausstrahle, von der andere auch profitieren. Jeder Einzelne, der mit sich in einem Zustand von Balance ist, hilft der Gesellschaft.
Wie wird es für dich weitergehen?
Es passiert gerade viel; wenn du mich das fragst, spüre ich Vorfreude (lacht). Das betrifft vieles. Ich bleibe in Wien, aber ich strecke meine Fühler gerade ein bisschen in Richtung Land aus. Und: Es schaut so aus, dass ich auch in die Filmmusik einsteige; mehr kann ich dazu noch nicht verraten.
TOLLE KRITIKEN. Wir mögen es auch sehr: das zweite Soloalbum „No Love Without Justice“ (2020). 2021/22 erscheinen Kollaborationen mit Ziv Ravitz und I-Wolf sowie die Compilation „Fraufeld Vol. 3“ (www.fraufeld.at)
Heidi Niederer mit ihrer Enkeltochter
Premiere: Die 10 Gebote
20 Jahre A. Hauer bei Sommerspiele Melk
wiewirlebenwollen lautet der
Untertitel der heurigen Produktion der Sommerspiele Melk. So wie in den Monaten davor, also ohne Kultur, jedenfalls nicht; überbordend war die Freude über die Premiere. Ein herausragendes Ensemble spielt zehn Dramoletten von zehn Autoren, inspiriert von den zehn Geboten. Aufwühlend, pointiert, bewegend.
Fotos: Daniela Matejschek Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Künstlerischer Leiter Alexander Hauer, Bürgermeister Patrick Strobl
Herbert Grüner (Rektor NDU St. Pölten), Wiebke Leithner (Geschäftsführerin Wachau Kultur Melk)
Pater Ludwig Wenzl (Stift Melk), Simone Bamberg (Geschäftsführung Wachau Kultur Melk ab 1. Juli), Alexander Hauer (Künstlerischer Leiter Sommerspiele Melk), Bürgermeister Patrick Strobl, Abt Georg Wilfinger (Stift Melk), Peter Fritz (Geschäftsführung Schallaburg)
NÖKU-Geschäftsführer Paul Gessl
Gaby und Alfred Heindl, Stefanie Steinwendtner, Wiebke Leithner, Alexander Hauer Dee Schade-McKee und Michael Schade
Keine vierte Wand
„Kultur. Sommerfrische. Puchberg am Schneeberg“
Für die Bretter, die die Welt bedeuten, braucht der Schauspieler und Intendant Lukas Johne keine Bretter. Er bespielt die Burgruine und den Musikpavillon mit „Die Orestie“ mit Eva Herzig und Miriam Hie – und mit viel Pu-
Marlies und Martin Grüneis