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ZWEI VÄTER UND IHRE TOCHTER
„ES WAR WIE EIN DURCHATMEN“
Wenn Mia von ihren Eltern erzählt, glauben ihr nicht immer alle. Wie Michael und Sebastian Hilscher Väter wurden und warum sie den großen Schritt in die Öffentlichkeit taten.
Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Vanessa Hartmann, Laura Ullrich/My Morawa, Michael und Sebastian Hilscher
Das, was sie haben, ist nichts Exotisches, aber etwas Besonderes. Es ist das, was sich viele wünschen: eine spürbar glückliche Familie. – mit einer siebenjährigen Tochter, die an einem heißen Augusttag lieber mit ihren Vätern in den Pool springen mag, anstatt für ein Familienfoto für uns zu posen. Wir alle hätten locker ein nein akzeptiert, aber unsere Fotografin hat den Dreh raus, zauberhafte Mädchen in regenbogenfarbenen Kleidern zu bezirzen. Also hüpft Mia mit Papa und Papi auf die Couch, mit Sportmops Bruno an ihrer Seite – Kasperleinlage inklusive.
Bis vor gut einem Jahr stand das Trio kaum auf Öffentlichkeit. „Rund zehn
Fotos in drei Jahren auf Facebook“, lacht
Michael Hilscher. „Mit Instagram kannte ich mich gar nicht aus.“ Es war ein sehr durchdachter Schritt, den das homosexuelle Paar „hinaus“ machte. Sehr, sehr viele Menschen feiern sie dafür. Ich auch.
NIEDERÖSTERREICHERIN: Michael, du hast einen nervenaufreibenden Prozess auf dich genommen, um Vater zu werden. Wie kam es dazu?
Michael: Als ich mich outete, gehörte zu den ersten Aussagen: Es tut uns leid, dass du nie eine Familie haben wirst. Mit 30 habe ich mein Leben reflektiert: Wie sehe ich mich mit 60? Für mich hatte Familie immer einen hohen Stellenwert, da wurde mein Kinderwunsch sehr stark. Die einzige Option war für mich eine Leihmutterschaft im Ausland (in Österreich nicht möglich, Anm.).
Sebastian: Damit das gelingen konnte, war es fast eine Grundvoraussetzung, dass Michi Jurist ist. Es war eine Challenge, sich in einer Fremdsprache durch die vielen Paragraphen zu kämpfen.
Michi, du warst Single, als du den Entschluss gefasst hast. Schon mutig …
Michael: Meine Mutter sagte: „Wenn du den Weg gehen willst, unterstütze ich dich.“ Sie gab mir viel Sicherheit, ohne
EDUARD GEHT UM DIE WELT.
Um Tochter Mia das Prinzip der Leihmutterschaft kindgerecht zu erklären, schrieb Michael Hilscher ein Kinderbuch. Vergangenen Sommer veröffentlichte er „Eduard Erpel und das zauberhafte Ei“ (My Morawa) auf Deutsch und Englisch und stürmte damit sogar die USAmazon-Bestsellerliste („Blake the Drake and the Enchanting Egg“).
Michael und Sebastian Hilscher sind verheiratet und leben mit ihrer gemeinsamen Tochter Mia, 7, im Bezirk Baden. Michael alias Papa ist der leibliche Vater, Sebastian alias Papi adoptierte sie. Michael wuchs in Maria Lanzendorf auf, ist Jurist mit Anwaltsprüfung, kaufte vor Jahren ein Facility Management Unternehmen, sanierte es und verkaufte es vor knapp zwei Jahren wieder. Er macht aktuell die Ausbildung zum Verhaltenstherapeuten. Sebastian kommt aus Laab im Walde, studierte Wirtschaftsingenieurswesen und wurde Geschäftsführer im auf Baufertigteile spezialisierten Familienbetrieb. Via Social Media engagiert sich das Paar gegen Diskriminierung und für Toleranz und Offenheit für alle Arten von Familienkonzepten.
YouTube: Mike & Sebastian – Two Dad Family Instagram: @mikeandsebastian_2dads www.mikeandsebastian.com
sie wäre es nicht gegangen. Ich wollte meinem Kind Stabilität geben und damals bewusst niemanden kennenlernen.
Doch es kam anders …
Michael: Nur wenige Tage bevor ich ins Ausland flog, um Mia abzuholen, war ich auf einer Pre-Party vor dem Lifeball, zu der ich eigentlich gar nicht hinwollte. Noch dazu dachte ich, wird es dort bunt wie beim Lifeball und tauchte mit Glitzerhose und Bodypainting auf, alle anderen trugen Smoking. Eine sehr unangenehme Situation (lacht).
Sebastian: Michi ist nicht nur deswegen aus der Masse herausgestochen. Unser Gespräch begann holprig, aber …
Michael: … beim Verabschieden kamen wir richtig ins Plaudern und haben
Ich bin der Leihmutter unendlich dankbar. Sie hat uns das größte Geschenk gemacht.
Michael Hilscher
damit bis heute nicht aufgehört. Das ist sieben Jahre her.
Michi, Mia ist deine leibliche Tochter, wie wurde das möglich?
Michael: In ein paar Ländern auf der Welt ist die Leihmutterschaft gesetzlich geregelt: Es gibt im Vorfeld eine gerichtliche Entscheidung darüber, dass die Frau das Kind nach der Geburt abgibt, aber es darf nicht ihr leibliches Kind
MIT SCHMÄH, CHARME UND SCHÖN. Urlaubsfoto mit Michael, Mia und Sebastian von ihrem Instagram-Kanal @mikeandsebastian_2dads. Oben: daheim in Niederösterreich.
sein (Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation, Anm.).
Wie hast du die Schwangerschaft erlebt?
Michael: Es war aufregend, aber leider auch zu weit weg. Die zweite Schwangerschaft möchten wir näher begleiten, wir werden dafür für eine längere Zeit nach Amerika gehen.
Mia bekommt also ein Geschwisterchen?! Wie schön!
Michael: Wir warten auf den Start der Schwangerschaft. Das ist diesmal ein längerer Prozess, aber es ist eben noch immer die Natur. Wir sind da relaxed, Mia wird schon ungeduldig (lacht).
Welche Gedanken hattest du, bevor sie geboren wurde?
Michael: Ich wusste, es wird schön. Aber ich hätte dieses Gefühl, diese bedingungslose Liebe, die ich heute als Vater empfinde, nie erahnen können. Das kann man im Vorfeld nicht erklären.
Kam sie nach der Geburt sofort zu dir?
Ich war sogar dabei und bin kurz in Ohnmacht gefallen (lacht). Ich habe sie dann die ersten Tage gar nicht losgelassen. Die Leihmutter hat mir das größte Geschenk gemacht, das man mir je hätte machen können. Wir sind bis heute in Kontakt. Sie ist eine tolle Frau: eine alleinerziehende Mutter, die ihren Kindern Universitätsstudien ermöglichen will.
Abgesehen vom Stillen: Hattest du je das Gefühl, das könnte eine Frau besser?
Michael: Nein, alles kam mit der Zeit ganz natürlich.
Du hast dieses besondere Lebenskapitel aufgeschlagen, gleichzeitig habt ihr euch frisch kennengelernt. Wie hat das funktioniert?
Sebastian: Michi ist für die ersten Wochen nach Mias Geburt wieder bei seinen Eltern eingezogen.
Michael: … das waren de facto auch unsere ersten Wochen. Das war alles andere als klassisch (beide lachen).
Sebastian: Das Gute ist: Ich reagiere auf viele Ereignisse emotional mit großer Zeitverzögerung. Ich hab‘ verstanden, dass Michi Vater wird, aber ich wusste nicht, was das bedeutet. Ich wusste aber, dass ich mich in seiner Gegenwart wahnsinnig wohlfühle und ich war von Mia fasziniert. Ich wollte auch eines Tages Familie, so gesehen hab‘ ich den einfachsten Weg von allen hingelegt (lacht).
Wenn ihr noch so verliebt wart: Die erste Zeit mit Baby ist kein Spaziergang …
Michael: Aber so haben wir uns gleich am Anfang intensiv kennengelernt – inklusive unserer schlechtesten
INTERVIEW. Mit Redakteurin V. Kery-Erdélyi
Seiten, wenn wir übermüdet und gereizt waren. Wäre ich nicht Vater geworden, wären wir zunächst essen und ins Kino gegangen, aber so haben wir in den ersten Monaten sehr viel geredet.
Sebastian: Unsere Beziehung war von Tag eins serious und nie oberflächlich. Im Jahr darauf haben wir ein Haus in Niederösterreich gekauft.
Wie nahm deine Familie all das auf?
Sebastian: Als ich mich geoutet habe, hat meine Familie sehr positiv reagiert, gleichzeitig war da viel Verunsicherung, ich tat ihnen leid, weil ich keine Familie haben werde. Ich selbst hatte damals kein Role Model für meine Zukunft, da waren viele Fragezeichen. Meine Mutter ist Kindergartenpädagogin, gerade für sie war es eine riesige Freude, als Michi mit Mia in mein Leben trat. ***
Michi, dein Buch „Eduard Erpel“ setzte viel in Bewegung – wie kam das?
Michael: Ich habe kein Buch gefunden, das Mia kindgerecht hätte erklären können, wie sie auf unsere Welt kam. Also habe ich Eduards Geschichte erfunden: Eine Ente schenkt ihm ein Ei, eine andere brütet es für ihn aus. Es war eine der Lieblingsgeschichten von Mia.
DER ERSTE SCHRITT. Vor gut einem Jahr veröffentlichten die beiden ihr Hochzeitsvideo auf ihrem YouTube-Kanal. „Mike & Sebastian – Two Dad Family“.
Hohe Entlastung für Alleinerzieherinnen
Ob bei Lebensmitteln, beim Wohnen oder Heizen – Familien mit Kindern treffen die aktuellen Preissteigerungen besonders. Der Familienbonus Plus hilft.
Das Leben ist spürbar teurer geworden. Vor allem Familien – und insbesondere alleinerziehende Frauen – sind von den gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen. Um dem entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung die ökosoziale Steuerreform umgesetzt. Ein Teil dieser tiefgreifenden Reform ist der Familienbonus Plus, der von 1.500Euro auf 2.000Euro pro Kind und Jahr erhöht wurde. Zusätzlich gibt es weitere Senkungen von Steuertarifen und Erhöhungen von Absetzbeträgen.
Wie hoch die Entlastung
konkret sein kann? Ein Beispiel: Alin Petschka lebt mit ihrer siebenjährigen Tochter im Burgenland und arbeitet als kaufmännische Angestellte. Bei einem monatlichen Nettogehalt von 2.300Euro kann sie bis Jahresende mit 1.575Euro mehr rechnen: • Familienbonus Plus: € 500 • Senkung des Steuertarifs/Erhöhung von Absetzbeträgen: € 325 • Regionaler Klimabonus: € 250 • Anti-Teuerungsbonus: € 250 • Kinderzuschlag Klimabonus/
Anti-Teuerungsbonus: € 250 Getrennt lebende Elternteile können den Familienbonus Plus untereinander aufsplitten. Die Berücksichtigung des Familienbonus Plus erfolgt unkompliziert in der Lohnverrechnung durch den Arbeitgeber oder in der Arbeitnehmerveranlagung. Mit dem Entlastungsrechner des BMF können Sie Ihre individuelle Entlastung selbst berechnen: bmf.gv.at/entlastungsrechner.
Sowohl Kinder als auch Erwachsene sind oft irritiert, wenn sie uns begegnen. Es kam auch vor, dass Kinder Mia gesagt haben, sie lügt, sie kann nicht zwei Väter haben. Sie hat immer selbstbewusst reagiert, aber uns auch gefragt: Warum wissen die das nicht?
Irgendwann kamen wir zum Schluss: Nur wenn die Leute etwas immer wieder sehen, kann es Normalität werden. Dann kam die große Frage: Machen wir das? Wollen wir in die Öffentlichkeit?
Ihr lässt auf YouTube in euer Leben blicken, euer Insta-Account zählt Zigtausende Follower. Wie geht es euch damit?
Michael: Wir selbst gehen offener mit dem Thema um, das tut uns allen gut. Es gibt Alleinerziehende, zwei Väter und zwei Mütter oder Kinder, die bei den Großeltern aufwachsen und viele andere Familienkonzepte. Wir wünschen uns sehr, dass alles normal wird.
Sebastian: Selbstständig in der Baubranche, am Land, ich dachte lange, wenn ich über meine Sexualität rede, schadet mir das. Heute empfinde ich das als eine schöne Lebensaufgabe: auf charmante Art Menschen mit unserem Familienkonzept in Berührung zu bringen – so viele, die es braucht, damit sich die Idee in der Gesellschaft fortsetzt.
Ihr bekommt viel schönes Feedback …
Michael: Die Leute schreiben uns, dass sie Dank uns an eine eigene Familie glauben, dass wir ihnen Kraft geben. Das geht uns sehr nahe.
Ich hatte immer die Vorstellung, Vater werden zu wollen. Ich kannte nur den Weg nicht dorthin.
Sebastian Hilscher
Welche Gedanken gingen dem Schritt, euch öffentlich zu engagieren, voran?
Michael: Das ist bis heute Thema: Können wir es verantworten, unser Kind öffentlich zu machen? Mia ist nur dabei, wenn sie will. Wir reden viel darüber.
Sebastian: Das erste, das wir veröffentlichten, war unser Wedding Video.
Michael: Das war wie ein Durchatmen. Wir mussten nicht mehr überlegen, welcher Geschäftspartner weiß es, welcher nicht. Obwohl wir selbstbewusste, im Leben stehende, schwule Männer sind, hatten wir Angst vor Nachteilen.
Sebastian: Endlich geht‘s leicht über die Lippen: Ich bin mit einem Mann verheiratet. Die Reaktionen sind positiv, nur vereinzelt negativ über Social Media.
Michael: Am Anfang nahm ich mir das zu Herzen, wenn da stand: „go and die“ oder wie arm das Kind sei, dass Gott das nicht vorgesehen hat. Kritik lassen wir stehen, Hasskommentare löschen wir.
Es ist großartig und mutig, dass ihr als Vorbilder gerade für junge Menschen auf Social Media aktiv seid.
Michael: Früher war „schwul“ ein Schimpfwort. Aber heute ist alles „schwul“, sogar die Matheschularbeit. Es wurde ein Saying für alles negativ Assoziierte. Denk dir, du bist ein unsicherer Teenager und alle werfen mit deiner Sexualität im negativen Kontext herum, das ist eine schlimme Entwicklung.
Sebastian: But we‘re here to change.
VORFREUDE. Mia, 7, wartet schon voller Ungeduld auf ein Geschwisterchen. Fortsetzung folgt …
MODE
„Eleganz ist das Gleichgewicht von Proportion, Emotion und Überraschung.“
Valentino Garavani, italienischer Modeschöpfer
© GOESSL
Leuchtender Blaudruck
Das etwas andere Dirndl
Neues von der Trachtenmarke Goessl: Das „Kräuter-Dirndl“ besticht mit kunstvoller Kräuter-Flachstich-Stickerei; florale Stickerei ziert das Dirndl „Facettenreich“, das Dirndl „Blütenzauber“ ist aus blumenbedruckter Baumwolle mit Kontrastpaspel und einem Bindegürtel aus Leinen gefertigt. Besonders extravagant präsentiert sich das EDITIONSDIRNDL (am Foto) mit einem Leib aus Samt, im Blaudruckbad gefärbt, mit Metallknöpfen und einem schwingenden Rock aus Dupionseide. Besonders chic: der Ausschnitt mit kunstvoller Henndorfer Rüsche sowie der kuscheligweiche Dirndlpullover aus Merinowolle mit traditionellem Modelmuster als herbstliche Variante der Bluse. Die Schürze wird mit einem Band aus Baumwollsatin gebunden, der Schal aus locker verwobener Wolle nimmt diese Ornamente auf. Erhältlich ab September bei www.goessl.com
DIVAS‘ DREAM
Die kontrastreichen Farben des römischen Juweliers sind seit den 1950er-Jahren das Markenzeichen von BVLGARI. Gespielt wird mit verschiedenen Formen, Größen und Fassungen, um faszinierende Kompositionen zu schaffen, die wie prickelnde Cocktails am Handgelenk getragen werden können. Nun bringt BVLGARI sieben neue, farbenfrohe Designs. Am Foto: Divas‘ Dream aus Roségold, besetzt mit runden Brillanten, die Lünette mit 76 Diamanten im Brillantschliff sowie mit jeweils acht handgeschliffenen Hartsteinen aus Malachit und rosa Turmalinen.