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UNVERGESSLICHE NÄCHTE

Festivalmania

Süßer Kultursommer, der Abschied fällt schwer: Was wir unter freiem Himmel erlebten, worauf wir uns 2023 freuen.

Text: Viktória Kery-Erdélyi

UNZERSTÖRBAR

Frequency St. Pölten. Drei Tage lang jeweils 50.000 Menschen – und die kleine Bella mittendrinnen. Wie es war, wollten wir von der viereinhalb Jahre jungen Frau wissen. „Mama, ich darf das nicht sagen, oder?“ – „Sag schon!“ – „Voll geil war das Frequency!“ Sie muss es wissen: Ihre Mama Seren van Zinnen, die temperamentvolle Medienberaterin der NIEDERÖSTERREICHERIN (im Bild mit Maske, Tochter und Ehemann Daniel), verpasste kaum je einmal das Frequency, Bella war 2017 quasi schon im Bauch mit. Seren fand: „Heuer, nach der coronabedingten Durststrecke, war sie überall spürbar: die unzerstörbare Festivalleidenschaft.“ Eine schlaue Strategie gegen steigende Preise: Veranstalter Harry Jenner empfiehlt schon jetzt das Early Bird Ticket für 2023 (17. bis 19. August). Und bevor Beschwerden kommen: Bella durfte am Festival einen altersadäquaten Kurzbesuch abstatten und trug während der Konzerte Kopfhörer.

Redakteurin V. Kery-Erdélyi mit ihrem Mann Alex

© Aron Millok

TOP GESTARTET

Paradies Garten Bruck an der Leitha. Wie es der Zufall so will, lebe ich einen Steinwurf von Schloss Prugg entfernt. Es ist das Zuhause einer Familie, die – und das ist nur verständlich – gerne ihre Privatsphäre hat; das unmittelbare Areal um das malerische Gebäude ist vom öffentlich zugängigen Schlosspark durch einen Zaun getrennt. Eben dieser exquisite Ort wurde zur Location für das erste Electronic Music Festival Paradies Garten. Die Veranstalter Felix Mayr-Melnhof und Elisa Accarain machten dem Titel alle Ehre: Es war paradiesisch! Es gab Insider, die das rund 50 nationale und internationale Acts zählende Line-up zu schätzen wussten, und Leute, die einfach das als Österreichs grünstes Festival beworbene Event erleben wollten. Getanzt haben wir alle, die Stimmung war entspannt ekstatisch. Machen wir 2023 wieder: vom 4. bis zum 6. August (www.paradiesgartenfestival.at).

© Polly Rola/Polly Graphy

HERAUSRAGEND GESPIELT. Martin Hemmer, Rina Juniku und Johanna Hainz

KLUG & CRAZY

Loess is more Großriedenthal. Am Anfang war der Lösshof in Großriedenthal. Er rief die Schauspielerin Anna Eva Köck und den Architekten Gregor Schindler, das charismatische Ehepaar verfiel dem arg renovierungsbedürftigen Gebäude auf den ersten Blick. Sie schliefen (und duschten) monatelang kaum, arbeiteten unermüdlich und schenkten dem Hof ein neues Gesicht und das Festival „LOESS IS MORE“. Herzstück dessen war auch im zweiten Sommer eine Eigenproduktion. Klara Rabl gelang mit ihrem Stückfilm „Löss“ (Kombi aus Theater und Kino) ein bemerkenswerter Spagat: Er war gespickt mit Insiderwissen, das liebten die Menschen aus der Region und riss gleichzeitig die „Weitgereisten“ mit. Köstliche Pointen und eine wiehernde Überraschung gab es ebenso. To be (hoffentlich!) continued: loesshof.com.

HÄNDE-GLÜH-APPLAUS. Für das Ensemble der Eigenproduktion „Löss“

FEST FÜR AUG’ & OHR

Sommerspiele Perchtoldsdorf. Michou Friesz hatte schon im Vorfeld eine diebische Freude besonders an einer ihrer mehreren Rollen: In Michael Bulgakows „Molière oder Der Heiligenschein der Scheinheiligen“ spielte sie König Ludwig XIV. und sie tat das mit spürbarem Genuss. Überhaupt gelang Regisseur Michael Sturminger und dem Ensemble – u. a. mit Wojo van Brouwer (herrlich), Hannah Rang (ganz groß), Milena Arne Schedle (genial frech; Bild links) – eine fantastische Produktion: im Ursinn politisch und pointenreich. Skurrile Wendungen unterstrich Marie Sturminger mit extravaganten bis weirden Kostümen, ein Fest fürs Auge. Eines fürs Ohr wurde es außerdem: Mehrere Schauspielerinnen und Schauspieler spielten ihr Instrument, Christina Maria Sutter kam sogar mit Harfe. Wundervoll!

© Sophia Wiegele © Sophia Wiegele

ERSCHÜTTERND GUT

Festspiele Reichenau. Das ganz Große liegt manchmal in wortlosen Momenten: Wenn Sandra Cervik nach einem lauten Knall die Luft stoßweise aus ihrem Mund presst, weil sie in ihrer Rolle als Mutter das Schlimmste zu befürchten hat, fürchtet man sich im Publikum in der Sekunde mit ihr mit. Die neue künstlerische Leiterin Maria Happel versprach, renommierte Kolleginnen und Kollegen gemeinsam mit jungen Talenten auf der Bühne zusammenzubringen – und tat das auch: In Tschechows „Möwe“ brillierten u. a. Nils Arztmann, Paula Nocker und Johanna Mahaffy. Es war das Eröffnungsstück – Regie führte Torsten Fischer – der ersten Saison in dieser neuen Ära, die nicht besser hätte starten können.

© Lalo Jodlbauer

DIE MÖWE. Dunja Sowinetz, Paula Nocker, AntoN Widauer, Martin Schwab, Sandra Cervik

SO WITZIG!

Festspiele Berndorf. Ausschließlich mit ihnen beiden wollte Intendantin Kristina Sprenger den Neil Simon-Klassiker „Ein seltsames Paar“ bringen – und wer‘s erlebt hat, verstand warum: Gregor Seberg und Alexander Jagsch gaben ein so überzeugendes Duo, dass man meinte, sie teilten sich auch privat Tisch und Bett. Kristina Sprenger und Doris Hindinger setzten dem Spektakel gekonnt die Krone auf. Köstlich komisch! Im Stadttheater Berndorf geht es schon am 6. Oktober weiter: mit „Die Tanzstunde“ (mit David Oberkogler und Kristina Sprenger). Info: www.buehnen-berndorf.at

© Andreas Tischler

EIN SELTAMES PAAR. Gregor Seberg, Kristina Sprenger, Doris Hindinger, Alexander Jagsch

FABELHAFTE MIMI

Operklosterneuburg. Für Sommerfestivals braucht es stabile Nerven, seit Ausbruch der Pandemie noch mehr. Nur wenige Tage vor der Premiere von „La Bohème“ muss ausgerechnet die Hauptrolle in Quarantäne, aus Frankreich reist quasi last minute Camille Schnoor an, um die Rolle der Mimì zu übernehmen. Und dann verfinstert sich der Himmel nach einem sonnigen Tag über Klosterneuburg und man muss vom malerischen Kaiserhof des Stifts in die Babenbergerhalle ausweichen. Dort rascheln zunächst dicke Jacken, auch die Autorin dieser Zeilen trägt einen langen Strickrock in ursprünglicher Erwartung einer kühlen Nacht unter Sternen. All das tut der Produktion keinen Abbruch: sowohl musikalisch als auch gesanglich großartig und präzise inszeniert. Camille Schnoors Österreich-Debüt feiert das Publikum mit tosendem Applaus. Mitreißend!

© Andreas Tischler

© Roland Ferrigato Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager gratulieren „ihrem“ Vollblut-Intendanten Michael Garschall (re.).

Da sprudelt‘s wieder

Gar nicht grau: Highlights aus dem Herbstprogramm in der Bühne im Hof

Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Florian Schulte, Ingo Pertramer, Markus Wache

Wenn Daniela Wandl, die künstlerische Leiterin, und Dieter Regenfelder, verantwortlich für Produktion und Presse, die Programmpräsentation für die Bühne im Hof in St. Pölten machen, fühlt es sich immer ein bisschen an, wie eine Party. Das kann mitten am Vormittag sein und bei einem Mineralwasser, das Duo feiert seine Arbeit eben mit einer

Magnumflasche Euphorie. Dass man sich am liebsten gleich einmieten möchte, liegt auch daran, was Daniela Wandl da Saison für Saison programmiert. Und weil es für die Kulturmanagerin die letzten beiden in der „Bühne“ sein werden, scheint da eine Überdosis Herzblut zu brodeln.

Hin und her. In gewohnt pointierter Manier trägt auch das Herbstprogramm einen Namen: Es hört auf „Ping-Pong“. Daniela Wandl erklärt das so: „In der Kultur funktioniert nichts einseitig, es braucht immer das Hin und Her. Das Publikum kauft Karten, kommt ins Haus, die Künstlerinnen und Künstler schenken Talent, Können und Wissen her und die Menschen schenken ihnen Applaus und Begeisterung.“ Es sei eben ein ständiges Geben und Nehmen, das durch Corona bedauerlicherweise etwas gebremst wurde. „Aber dieses Ping-Pong ist wichtig, dadurch entsteht die Magie“, sagt Daniela Wandl.

Dann wollen wir mal den Zauberkasten öffnen. Besonders hart trafen spielfreie Zeiten die Newcomer, umso mehr Werbung verdient das Bühne im Hof-Special „Jung & saugut“. „Ich freue mich sehr auf Shootingstar Malarina, eine wahnsinnig begabte Frau mit bissigem Humor, als männliches Pendant kommt schon vorher Berni Wagner, ein gescheiter und extrem lustiger Kabarettist, der sich in seinem ,Galápagos‘ mit dem Klimawandel beschäftigt (Österreichischer Kabarettpreis 2022, Anm.)“, beschreibt Daniela Wandl. Christoph Fritz präsentiert sein neues Programm „Zärtlichkeit“ und

50 JAHRE AUSTROPOP. Mit Katharina Straßer und Band

ER WILL ZÄRTLICHKEIT.

Christoph Fritz kommt mit neuem Programm.

KÜNSTLERISCHE LEITUNG.

Daniela Wandl

„Simsa Fünf“ sind „eine super Partie, die Jazz mit verschiedenen Stilen kombiniert“. Auch Kabarettistinnen und Kabarettisten, die man länger kennt, beehren die „Bühne“, mit dabei sind Nadja Maleh, Josef Hader und Alfred Dorfer.

Musikalische Highlights kommen etwa von und mit Erika Pluhar, das ukrainisch-russische Duo Aliosha Biz & Sasha Shevchenko macht laut Eigenbeschreibung „russisch-jüdisches Kabarett mit a bissele Muzi“ und Katharina Straßer und Band musizieren sich durch 50 Jahre Austropop. Das erste Mal in Niederösterreich ist der Singer-Songwriter Raul Midón, über den die New York Times schreibt: „Eine One-Man-Band, der eine Gitarre in ein Orchester und seine Stimme in einen Chor verwandelt.“

Ein Teaser aus dem Kinderprogramm: Gemeinsam mit „Jeunesse“ lädt man die musizierenden „Schurken“ ein. Bei „Vergissmeinnicht“ begegnet das Publikum ab sechs vier Männern im Altersheim, „ein umjubeltes Programm und eine sehr fröhliche Art mit dem Thema Vergessen umzugehen“, findet Daniela Wandl.

Einzelne Namen herauspicken, das macht eine künstlerische Leitung nie gerne. Also hatten wir ein Deal: Sie zählt auf, ich wähle aus. Aber schauen Sie am besten auch auf die Website, dort finden Sie dann das komplette Programm. www.buehneimhof.at

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