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LIEBE & LEBEN NACH DER EURO 22
Die krass große Liebe
Nach der Fußball-EM ist vor der Hochzeit: Österreichs Torhüterin Manuela Zinsberger und ihre Verlobte Madeleine im Interview. Außerdem: ein dringlicher Herzensappell.
Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Anne Affeldt-Luters/Zauberblitz, Laura Westermann, Kunja Malde, privat
Den Erfolg einer Torfrau liest man in Zahlen ab, die man quasi suchen muss. Elf Paraden in vier Spielen steht da in der Statistik der Fußball-Europameisterschaft 2022 bei Manuela Zinsberger. Das bedeutet: Hätte sie ihren Job nicht gut gemacht, hätte
Österreich elf Tore kassiert. Jedes einzelne
Gegentor schmerzt, es waren in diesem
Turnier insgesamt drei – oder provokant:
Es waren NUR drei. Das zweite Gegentor im Viertelfinale gegen Deutschland war unglücklich. Ein
Abstoß von Manuela Zinsberger, er sollte weit gehen, doch der Ball traf Alexandra
Popps Bein und sie kickte ihn reflexartig ins Tor. „Ich hab‘ gewusst, dass in meiner
Karriere auch mal so ein Fehler passieren wird“, sagt Manuela Zinsberger heute. Die
Niederlage bedeutete das Turnierende für die heimische Nationalelf.
Enttäuschung, Trauer, Wut – all die-
Wir wollen Mut machen, zu sich selbst zu stehen und das Leben mit mehr Humor zu nehmen.
Manuela und Madeleine
se Emotionen waren am 21. Juli im Gesichtsausdruck der Torhüterin abzulesen. Trotzdem absolvierte sie danach professionell acht (!) Interviews. Mit Tränen in den Augen, aber sogar mit dem einen oder anderen Schmäh auf den Lippen.
Dass die Menschen den Fokus generell mehr auf einzelne Fehler richten, als sich das Gute bewusst zu machen, findet sie schade. „Obwohl das Positive krass überwiegt“, ist sie überzeugt. Sie will mit einem positiven Mindset durchs Leben gehen: „Ich habe auch nach der EM versucht, mich auf die guten Dinge zu konzentrieren. Welche Pässe habe ich gespielt, welche Bälle gehalten, damit wir dort stehen konnten?“, sagt sie. „Uns ist als kleine Nation wieder ein Meilenstein gelungen. Wir sind im Viertelfinale gestanden – gegen Deutschland!“
Um die EM zu reflektieren, zog sie sich danach für eine Zeit bei ihren Eltern in Niederfellabrunn zurück, danach ging es zu ihrer Verlobten nach Deutschland. Dort trafen wir im August Manuela Zinsberger und Madeleine Hemming – sie arbeitet in einem Zahnlabor und macht ebenso gerne Sport – via Zoom für ein Gespräch: über emotionale Achterbahnfahrten, Liebe und Zukunftsvisionen.
NIEDERÖSTERREICHERIN: Ihr verbringt Manuelas letzte freie Tage bei Madeleine, wie geht es für euch weiter?
Manuela: Ich werde in London sein (spielt bei Arsenal, Anm.), Madeleine bleibt hier und wir planen wieder, wann und wo wir uns sehen können.
Madeleine: Der Alltag geht weiter (lächelt traurig). Ich werde zwischendurch nach London fliegen und wir kriegen das auch mit Facetime ganz gut hin.
Manuela: Wir wissen ja, dass die Fernbeziehung nicht für die Ewigkeit ist.
Wie habt ihr euch kennengelernt?
Manuela: Auf eine Art, wie ich mir das nie vorstellen hätte können: über TikTok (lacht). Ich interessiere mich für Kochen und Fotografie, irgendwann kam ein Video von Madeleine und ich dachte mir sofort: Wow, was für eine krasse Frau! Ich habe sie dann auf Instagram kontaktiert, das war am 8. April 2021 – danach nahm alles seinen Lauf.
Madeleine: Seither facetimen wir täglich bis zu vier Stunden. Ich weiß nicht, ob man so viel und intensiv kommuniziert, wenn man zusammen wohnt.
Manuela: Ich bin im Mai darauf das erste Mal zu ihr geflogen und gleich fast zwei Wochen dageblieben, es schlug ein wie eine Bombe. Sogar als sie mir ihre Familie vorgestellt hat, fühlte es sich an, als würden wir uns schon lange kennen.
Wenige Monate später hast du ihr bereits einen Heiratsantrag gemacht …
Manuela: Man spürt es, wenn man die Richtige findet. Ich hab‘ den Antrag
VIA INSTAGRAM GEOUTET. „It‘s love“ stand unter dem Foto im Oktober 2021.
DIE TORFRAU
Manuela Zinsberger wurde 1995 geboren und wuchs in Niederfellabrunn, Bezirk Korneuburg, mit einer älteren Schwester auf, mit der sie bis heute eng verbunden ist. Ihr Vater war ebenso Torwart, ermuntert durch ihre Mutter, beginnt sie mit sechs Fußball zu spielen; sie war später eine der ersten Schülerinnen des Nationalen Zentrums für Frauenfußball in St. Pölten. Mit 15 spielt sie ihr erstes Bundesligaspiel, mit 17 ihr erstes Ländermatch. 2014 unterschreibt sie beim FC Bayern München, seit der Saison 2019/20 spielt sie beim WFC Arsenal in England. 2017 wurde Manu Zinsberger als Österreicherin des Jahres in der Kategorie „Erfolg international“ ausgezeichnet, 2020 war sie Österreichs Fußballerin des Jahres.
Das nächste Mal mitfiebern:
3. September, WMQualifikationsrunde Österreich gegen England
IN AKTION. Nationalteam-Torhüterin Manu Zinsberger beim Match gegen Deutschland. Rechts: privat mit ihrer Verlobten Madeleine
genau geplant: Ihre Familie hat mich heimlich vom Flughafen abgeholt, ich hatte schon in London mit Viki Schnaderbecks Hilfe (Teamkollegin, Anm.) einen Ring gekauft – und sie sagte ja!
Laut Posting im März 2022, richtig?
Manuela: Da hab‘ ich‘s erst veröffentlicht (schmunzelt). Wir lassen gerne andere daran Teil haben, aber es muss nicht jedes Detail sofort raus. Wir wollten unsere Verlobung zuerst für uns genießen.
Dein Outing hast du davor ebenso mit einem wunderschönen Foto (S. 13) geteilt. Wie hat sich das für euch angefühlt?
Manuela: Ich war nervös – bei mir wusste nur die engste Familie Bescheid – und gleichzeitig fiel eine Last von mir ab. Ich wollte bewusst ein Signal setzen und auch andere bestärken: Sei wie du bist.
Madeleine: Mein Outing war schon länger her, ich hatte eher Respekt davor, dass Manu doch mehr in der Öffentlichkeit steht. Aber ich war positiv überrascht: Es kam sehr viel Schönes.
Manuela: Und negative Kommentare können uns schnurzegal sein.
Wie blickt ihr in die Zukunft?
Manuela: Wir werden im Sommer heiraten und wünschen uns irgendwann eine eigene Familie. Wo wir leben werden, wird sich erst zeigen. ***
Wie habt ihr die EM erlebt?
Madeleine: Wir waren beim Eröffnungsspiel in Manchester eine Riesenrunde: mit meiner und Manus Familie. Es war aufregend und verrückt! Danach konnte ich leider nur vorm Fernseher dabei sein, aber wir waren rund um die Uhr in Kontakt. Wir haben mitgefiebert und mitgefühlt, ich merkte Manu die Anspannung an, gleichzeitig hatte sie so viel Coolness. Die EM hat überhaupt hohe Wellen geschlagen. Schön, dass es in die richtige Richtung und es mal nicht um die Männer geht.
Wie geht es dir, wenn du zuschaust?
Madeleine: Ich habe Gänsehaut, Tränen in den Augen, bin stolz auf sie und
Manuela Zinsberger, Nationalteam
auch angespannt. Es rennen alle Emotionen durch den Körper. Ich freu‘ mich, wenn ich sie danach umarmen kann.
Manuela: Ein kleiner Rollercoaster (lacht). Es war mir so wichtig, dass Madeleine und unsere Familien beim ersten Spiel dabei sind: ein Match im Old Trafford gegen England, den Gastgeber, dort wo der Frauenfußball entstanden ist. Ich hab‘ mir gedacht: Bitte saug das alles in dir auf. Das war mein fußballerischer Dank an meine Familie, dass ich da unten stehen durfte: Sie haben viel für mich geopfert, viel in mich investiert, finanziell und seelisch – ich wollte dieses Match mit ihnen allen genießen.
Wenn du auf die EM zurückblickst … … fehlen mir noch immer die Worte. Ich bin stolz auf unsere Mannschaft und wie jede Einzelne performt hat. Ich hab‘ danach meinen Safe Place daheim und bei Madeleine gebraucht, um runterzukommen. Ich war überfordert mit meinen Emotionen, musste auch weinen, aber das zeigt nur, dass ich einen weichen Kern habe. Ich habe viel geredet und konnte alles gut verarbeiten.
Und jetzt mein Appell: Wir müssen diesen Schwung von der Euro 22 mitnehmen und was daraus machen. Wir brauchen eine Bundesliga mit Spielerinnen, die nicht nebenbei arbeiten müssen. Männervereine gehören in die Pflicht genommen, Frauenfußball adäquat aufzustellen. Es braucht jetzt eine Dynamik, damit sich was weiterentwickelt, damit wir Leute begeistern und Stadien füllen. Man darf nicht so zögerlich sein, auch wir mussten Risiken in Kauf nehmen.
Das klingt dringend …
Genau, nicht wieder auf die nächste EM oder WM warten, wir müssen das jetzt in die Hand nehmen. Auch wir als Nationalteam überlegen, wie wir noch nahbarer werden und den Frauenfußball fördern können, um mehr Mädchen dafür zu gewinnen. Wir haben ein großes Defizit in Österreich. Das Wichtigste bleibt für uns als Spielerinnen natürlich, dass wir am Platz Leistung bringen. Dass wir zeigen, dass das Mädchen aus dem 350-Einwohner-Dorf es auf die große Bühne schafft, wenn es hart arbeitet.