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NIEDERÖSTERREICH

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GEGEN TABUS.

Ihre prophylaktische Mastektomie macht die Korneuburgerin auch auf ihrem Insta-Kanal zum Thema.

„BYE-BYE B    BIES!“

Patricia Katsulis‘ junges Leben war voll schmerzhafter Hürden, den Humor verlor sie nicht. Als eine Genmutation bei ihr entdeckt wird, lässt sie sich die Brüste entfernen.

Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Viktória Kery-Erdélyi, Patricia Katsulis, Lissy Bozovic

„E in bisschen schwerer sind‘s“, lacht sie. „Dafür brauche ich keinen BH mehr“, sagt Patricia Katsulis und richtet sich in ihrem Sessel gerade. Sie wollte ihre Brüste nicht kleiner, nicht größer haben. Mit dem Silikon sollte die gleiche natürliche Tropfenform erreicht werden, wie sie sie zuvor hatte. Nicht etwa, weil sie ihre Operation verheimlichen will. Im Gegenteil: Sie engagiert sich – auch etwa als (Mit)Initiatorin von Pink Ribbon-Events – für mehr Offenheit im Umgang mit Brustkrebs und gegen Tabus.

Ihre Brustentfernung, eine sogenannte prophylaktische Mastektomie (siehe medizinisches Interview ab S. 19), macht sie auch auf ihrem Instagram-Kanal zum Thema – manchmal sogar mit einem Augenzwinkern; als wir sie um ein Interview baten, sagte sie sofort zu.

Der Papa. Patricia Katsulis hat viel zu erzählen und mitunter stockt der Atem beim Zuhören. Sie erlebte viel mehr, als man in 31 Jahren erleben sollte. Die Power, mit der sie durch das Leben schreitet, ist umso mehr bemerkenswert. Aufgewachsen in Korneuburg, macht sie eine Lehre zur Verwaltungsassistentin bei der Stadt Wien; sie liebt die Veränderung, nützt viele Chancen zur Jobrotation. Heute ist sie parlamentarische Mitarbeiterin der Nationalratsabgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, parallel dazu begann sie dieses Semester ein lang ersehntes Studium am FH Campus Wien für Public Management.

Das „Ticket“ dafür, also die Matura, hatte sie eigentlich schon mit Anfang 20 in Angriff genommen. Sie besuchte gerade eine Abendschule, als ihr Papa schwer erkrankte. Der Krebs schlich sich mit irritierenden Schritten heran. „Das erste, das sich veränderte, war seine Stimmung; viele dachten, er hätte ein Burnout“, beschreibt sie. Sein Bauchgefühl prophezeit ihm noch Schlimmeres und er behält leider recht: Er hat einen Hirntumor, später wächst ein Tumor im Magen; einige Monate nach der Diagnose stirbt der 51-Jährige. Patricia ist damals erst 23, ihre Schwester 21. Gemeinsam mit ihrer Tante – ihre Eltern waren bereits zuvor geschieden – pflegen und begleiten sie ihn bis zu seinem Abschied. „Danach bin ich in ein Loch gefallen“, erzählt sie. raus, fasst neuen Mut, „aber schon im Jahr darauf kommt die Brustkrebsdiagnose meiner Mutter“. Der Hiobsbotschaften nicht genug: Diverse Merkmale deuten darauf hin, dass es sich um „familiären“ Brustkrebs handelt. Ein Rundruf in der (griechischen) Familie lassen den Verdacht erhärten, nach einer Blutuntersuchung ist es Gewissheit: Eine erbliche Genmutation ist verantwortlich für das Mammakarzinom der Mutter.

Daraufhin wird die therapeutische Strategie abgeändert, die damals 48-Jährige entschließt sich bald für eine Mastektomie. „Meine Schwester und ich wollten uns auch sofort testen lassen. Wir haben einen Pakt geschlossen: Wenn herauskommt, dass wir Trägerinnen des mutierten Gens sind, lassen wir uns auch die Brüste entfernen“, erinnert sie sich.

Das öffentliche Bekenntnis von Angelina Jolie zu diesem Schritt war gerade einmal zwei Jahre her; die Methode war damals hierzulande für die breite Masse wenig bekannt. Der Hollywoodstar soll damit die bei ihr auf über 80 Prozent festgestellte Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken, auf fünf Prozent minimiert haben.

NEUES LEBEN.

„Ich habe meine Entscheidung nie bereut“, sagt Patricia Katsulis, die ihre Operation auch via Instagram zum Thema macht. Dafür sind ihr viele Frauen sehr dankbar, das zeigen die Kommentare.

Die Schwester. Ende August 2015 rückt näher, die Katsulis-Frauen haben zwei wichtige Termine im Kalender eingetragen: die Mastektomie der Mutter und fünf Tage später die Befundbesprechung der Blutuntersuchungen der Schwestern. „Wir haben diesem Termin richtig entgegengefiebert. Als ich gesehen habe, wie dick das Packerl mit den Unterlagen in der Hand des Arztes ist, wusste ich, dass das nichts Gutes bedeutet“, sagt die 31-Jährige, die schließlich tatsächlich vom Gendefekt betroffen ist. Wie sie das aufnahm? „Das Einzige, woran ich denken konnte, war: Zum Glück bin‘s ich und nicht meine kleine Schwester.“

Was sie tun will, ist für sie klar. Sie ist damals Mitte 20, nach dem 30. Geburtstag sollte der Eingriff stattfinden. „Dann lernte ich aber bei einer Selbsthilfegruppe eine 27-Jährige kennen, die bereits erkrankt war und hab‘ sofort entschieden: Ich warte nicht mehr.“

Die Boobies. Patricia Katsulis wollte nicht nur den Arzt finden, bei dem sie sich wohl fühlt. Sie spürte, dass dieser große Schritt in ihrem Leben eines speziellen Rituals bedarf. So bewältigten sie und ihre Schwester gemeinsam mit ihrer Mutter schon in der Vergangenheit schwierige Tage und Lebensphasen. „Wir haben für Mama Chemopakete gemacht, sie zur Therapie-Halbzeit mit einer Torte überrascht und das Finale mit einer großen Pink Ribbon-Bretzel zelebriert“, schmunzelt sie. Als ihrer Mutter während der Therapie die schönen lange dunklen Haare ausfielen, wollte sie solidarisch auch ihren Kopf rasieren. „Mama war aber so dagegen, dass meine Schwester und ich uns von einer Visagistin Glatzen machen ließen; so haben wir einen ,Goodbye Hairday‘ veranstaltet und uns gemeinsam fotografieren lassen.“

Für ihren persönlichen Abschied ließen sich Patricia Katsulis und ihre Freundinnen von Insta und Co. inspirieren: Sie feierten eine „Bye, bye, Boobies!“-Party, bei der Spiele gespielt, viel geredet und gelacht wurde und ihre Brüste verewigt wurden; der Gipsabdruck ziert nun das Vorzimmer ihrer Wohnung in Korneuburg.

Bis heute erfährt die junge Frau viel Bestärkung für ihre Entscheidung, nur eine Kollegin äußerte einmal Bedenken: „Sie fragte mich: ,Willst du nicht warten, bis du ein Kind hast, damit du stillen kannst?‘ Aber für mich war klar: Das Kind – wenn ich eines Tages eines haben will – soll vor allem eine Mutter haben, die nicht jung stirbt.“

Patricia. Am 21. November 2016 findet Patricia Katsulis‘ Mastektomie wie geplant statt. Den Eingriff hatte sie herbeigesehnt. „Ich hab‘ quasi bis zur Operation gelebt und mich davor kaum damit beschäftigt, wie ich mich danach fühlen werde“, erinnert sie sich zurück. In den ersten Wochen hat sie Schmerzen, braucht Hilfe beim Duschen, alles fühlt sich taub an. „Es war in all den Jahren davor so viel los, bei dem ich funktionieren wollte. Da war zuerst Papas Tod, dann Mamas Diagnose und unsere Untersuchungen … Nach der Operation kam dann das Tief, das wohl kommen muss-

Ich bin te.“ Eine Zeitlang dankbar, dass braucht sie Unterstützung und Antidepresich von meiner siva, aber sie findet ihr Lächeln wieder. „Ich Genmutation habe diesen Schritt weiß und will niemals bereut“, betont Patricia Katsulis, dem Krebs kein die sich heute wieder in ihrem Körper gut Zuhause geben. aufgehoben fühlt. „Ich bin im Reinen mit mir und dankbar, dass ich Patricia Katsulis Bescheid weiß.“ Als die erbliche Vorbelastung bei ihr bestätigt wurde, habe sie bewusst schnell gehandelt. „Ein Brustkrebs kann klein sein und bereits streuen, das Risiko wollte ich nicht eingehen.“ Sie geht regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung, in einem zweiten Schritt – hier lauert bei ihrem Gendefekt die zweite große Gefahr – will sie sich auch die Eierstöcke entfernen lassen; das wird zumeist ab dem 40. Lebensjahr durchgeführt. Ihr Credo: „Ich will dem Krebs kein Zuhause geben.“

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