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DIE 12 TIROLER
Skisprung-Olympiasieger Toni Innauer war als Sportdirektor im ÖSV für die Erfolgsserie der österreichischen „Superadler“ verantwortlich. Er lebt in Tirol und ist Autor mehrerer Bücher. „DIE 12 TIROLER“ rangieren auf den Bestsellerlisten ganz oben.
„AM PARKPLATZ MACHE ICH DEN ROTHIRSCH“
Vom Adler über die Grille bis hin zur Bachforelle – zwölf Tiere helfen Skisprung-Olympiasieger Toni Innauer wieder gut schlafen zu können und die Menschen zu mehr Bewegung zu animieren.
Text: Ulli Wright Foto: Manfred Weis Illustrationen: Andreas Posselt
Manche kennen die Situation: Um Mitternacht erschöpft ins Bett fallen, nach vier Stunden Schlaf aufs Klo gehen, dann hellwach im Bett liegen, obwohl man sich richtig erschlagen fühlt. Toni Innauer ging es in seiner stressigen Zeit als ÖSV-Sportdirektor nicht anders. Bis zu jener Nacht, in der er aus dem Bett aufgestanden ist und auf dem Teppich mit Dehnungsübungen begonnen hat. Nach 20 Minuten ging es ihm eindeutig besser und er fühlte sich wieder wohl in seiner Haut. Demzufolge hat er gemeinsam mit Sportwissenschafter Patrick Koller zwölf Übungen für Körper und Seele entwickelt, die er von unseren nächsten Nachbarn, den Tieren, abgeschaut hat. „Die 12 Tiroler“ erblickten das Licht der Welt und wurden nach jahrelanger Erprobung nun in Buchform auf den Markt gebracht. Das Positive daran: Steinadler, Dachs & Co. lassen sich ganz einfach in den Alltag integrieren.
OBERÖSTERREICHERIN: Herr Innauer, können Sie der Aussage „Sitzen ist das neue Rauchen“ etwas abgewinnen?
Toni Innauer: Auf jeden Fall, denn die Realität vieler Menschen findet zusehends im Sitzen statt: am Schreibtisch, im Auto, vor Bildschirmen. Die Bewegungsverarmung und der Verlust des natürlichen Körpergefühls beeinträchtigen die Selbstwahrnehmung und Lebenslust – was zu gravierenden gesundheitlichen Problemen führt. Wir Menschen haben aber nicht nur einen Bewegungsdrang, sondern leider auch einen sehr stark ausgeprägten Hang zur Bequemlichkeit und dieser wird mit allen Schmähs bedient. Wir fahren kurze Strecken mit dem Auto und benützen im Alltag meistens den Lift.
Was hat Sie dazu motiviert, dieses Buch zu schreiben bzw. überhaupt die zwölf Übungen zu entwickeln?
Das hat mit der gesellschaftlichen Entwicklung und mit mir persönlich zu tun, mit meinen Erfahrungen als Mensch, der über 60 Jahre alt ist, keinen Leistungssport mehr macht und auch nicht so viel überschüssige Energie hat. Mit all diesen Gegebenheiten versuche ich klug umzugehen und die Natur in mir zu leben. Da gehören Bewegung, Körpergefühl und Körperbewusstsein ganz stark dazu. Aus meiner aktiven Zeit als Profisportler habe ich ein paar Wehwehchen mitgenommen, die es täglich zu pflegen gilt, und wenn ich das umsetze, geht es mir gut. Gemeinsam mit Sportwissenschafter Patrick Koller habe ich die Übungen über Jahre perfektioniert und wir haben sie in den PletzerRessorts in Tirol mit Gästen jeder Altersklasse auf Herz und Nieren getestet.
Warum ausgerechnet die „12 Tiroler“?
Die Idee der „12 Tiroler“ habe ich schon vor Jahren schützen lassen. Ich bin zwar ein gebürtiger Vorarlberger, Tirol ist aber seit fast 45 Jahren mein Lebensmittelpunkt und auch meine sportliche Entwicklung hat viel mit Tirol zu tun.
Warum zwölf Tiere?
Die Arche Noah der Bewegung ist in diesen Übungen. Sie sollen uns daran erinnern, dass wir Lebewesen sind, die von Säugetieren abstammen. Wenn wir uns nur noch in der virtuellen Welt bewegen, wird uns unser biologisches Erbe einholen. Außerdem kann man sich die Tiere gut merken und spricht damit auch Kinder an. Ich wollte etwas herausbringen, das die Neugier bei den Menschen weckt.
Sind die Übungen für jede Frau, jeden Mann in jeder Altersgruppe geeignet?
Bei 95 Prozent der Übungen gibt es drei Schwierigkeitsgruppen, die dritte Gruppe kann nicht jeder, das haben wir bewusst so gemacht. Aber im Prinzip sollen die Übungen für möglichst viele Menschen, ohne Geräteaufwand, ohne Infrastruktur, zu zweit, in einer Gruppe oder auch alleine möglich sein.
Was passiert, wenn man die Übungen regelmäßig macht?
Bereits nach dem zehnten Mal beginnen sich die Übungen im Gehirn zu etablieren und entfalten ihre unterschiedlichen Wirkungen. Sie bringen als Ritual Struktur ins Leben. Sobald man die zwölf Übungen zwei bis dreimal in der Woche, zwanzig Minuten lang macht, wird es sich lohnen. Ich bin überzeugt davon, dass gutes Leben viel damit zu tun hat, dass man gute Gewohnheiten entwickelt.
Kann man die Übungen im Alltag auch zwischendurch machen?
Ja, wenn ich zum Beispiel zwei Stunden mit dem Auto fahre und merke, dass ich schlaff und müde werde, dann mache ich am Parkplatz den Rothirsch oder die Kreuzspinne. Bei diesen Übungen dehnt man, das Gleichgewicht ist gefordert, man richtet sich auf und sie kurbeln die Durchblutung an. Wenn man eine Matte zur Verfügung hat, kann man auch die Ringelnatter oder den Dachs machen. Im Büro mache ich gerne die Ringelnatter.
Ihr Ziel mit dem Buch?
Wir wissen schon lange, dass sich der Durchschnitt unserer Gesellschaft viel zu wenig bewegt, aber jetzt ist es massiv geworden. Das merken wir sogar im Spitzensport. Die jungen Talente, die heutzutage die Aufnahmeprüfung am Schigymnasium Stams machen, liefern schlechtere Testwerte als Sportler vor 40 Jahren. Ein deutlicher „Sog der Gesellschaft“ ist messbar und ein Alarmzeichen. Bald wird Bewegung und Sport, wie Rechnen und Lesen, als Kulturgut vermittelt werden müssen. „Die 12 Tiroler“ sollen Bewusstsein und gleichzeitig niederschwellige und augenzwinkernde Abhilfe dafür schaffen.
Bevor man mit den Übungen beginnt, sollte man Folgendes beachten:
Zeit lassen: Am Beginn langsam und kontrolliert an die Übungen herangehen. Weniger ist mehr: Vor allem am Anfang sollte man sich nicht übernehmen und mit den Basics und Einsteiger-Übungen beginnen. Aufwärmen schadet nie: zehn Minuten am Ergometer oder eine kleine Laufrunde reichen. Kein Stress: Langzeitziel ist es, die zwölf Übungen zu beherrschen und zwölf Wiederholungen zu schaffen. Aber kein Stress, immerhin hat das Jahr zwölf Monate. Manche werden es schneller intus haben, andere werden länger brauchen. Nur nicht lockerlassen! Quick-six: Zum Hochfahren des Energiepotenzials eignen sich auch die Lieblingsübungen mit je sechs Wiederholungen. Zu zweit geht vieles leichter: nicht nur körperlich, auch von der Motivation her. Achtung: Wenn eine Übung unangenehm erscheint oder Schmerzen verursacht, ist das ein Zeichen der körpereigenen Intelligenz. Entweder eine leichtere Version wählen oder das betreffende Tierchen vorübergehend auslassen. Breath: Von Anfang an auf die Atmung achten – ruhig, tief und kontrolliert sollte sie fließen.
Die 12 Tiroler Bewegung von den Tieren lernen, Toni Innauer, Christian Seiler Verlag, ISBN 978-3-9502868-9-2, 19,80 €. Erhältlich auf www.csv.at, Videos zu den Übungen auf www.toni-innauer.at
BUCHTIPP
„AUS ANGST VERMEIDEN WIR NEUES“
Das Leben ist Veränderung – und doch tun sich viele Menschen schwer damit. Helga Gumplmaier erklärt, wie man leichter mit Veränderungen umgehen kann und warum sie für unsere Entwicklung unerlässlich sind.
Text: Nicole Madlmayr Fotos: Shutterstock, privat
Die Pandemie hat viele Veränderungen mit sich gebracht. Bisher gering bewertete Tätigkeiten waren plötzlich systemrelevant, man konnte nicht mehr raus, wann man wollte und auch nicht mehr treffen, wen man wollte.
Dazu Arbeiten im Homeoffice und die
Kinder im Distance Learning. Was lange für unmöglich gehalten wurde, war Realität geworden. „Das Virus wirkte wie ein
Brennglas und hat die Schwachstellen unseres bisherigen Lebens wie unter dem
Mikroskop gezeigt“, sagt Helga Gumplmaier, psychologische Beraterin aus
Zell am Moos. „Corona hat uns täglich gefordert, Neues zu lernen. Wir wurden zur Veränderung gezwungen.“
OBERÖSTERREICHERIN: Welche Menschen haben es besser geschafft, sich auf die Veränderungen durch die Pandemie einzustellen?
Helga Gumplmaier: Wirtschaftlich abgesicherte Menschen haben sich in der Pandemiezeit sicher leichter getan, weil zumindest Existenzängste weggefallen sind. Grundsätzlich schaffen es jene Menschen leichter, mit den Veränderungen in der Krise umzugehen, die auch im normalen Leben flexibel und spontan sein können. Veränderungen gehören zum Leben. Die Krise hat auch unglaublich viel Kreativität freigesetzt. In der Leere und der Not kann Kreativität entstehen. Wer es schafft, aus dem Jammern herauszukommen und seinen Fokus auf die nützlichen Aspekte der Krise zu lenken, der nimmt auch die Möglichkeiten leichter wahr. Viele erzählen, dass sie plötzlich ihre nächste Umgebung mit ganz anderen Augen betrachten konnten, Neues entdeckten. Es wurde noch nie so viel entrümpelt – Loslassen von Altem ist eine ganz wichtige Fähigkeit, mit Veränderungen umzugehen.
Warum tun sich viele Menschen mit Veränderungen dennoch so schwer?
Der Mensch ist ein Sicherheitswesen. Der Wunsch nach Beständigkeit, klaren Regeln und Strukturen ist groß, weil sie das Leben in gehörigem Ausmaß erleichtern. Wir wissen, wie es geht, es bedarf keiner langen Überlegungen! Daher
auch das große Aufatmen am Anfang des ersten Lockdowns. Die Menschen waren froh, in der Phase nach dem ersten Schock, der großen Verunsicherung, klare strenge Regeln von den Regierungen vorgegeben zu bekommen. Diese strengen Regeln haben viele noch als Erleichterung betrachtet. Doch mit dem Versuch, Selbstverantwortung zurückzugeben, kam dann die große Verunsicherung und auch der Widerstand. Denn Regeln von außen haben in Veränderungsprozessen etwas Zwiespältiges. Einerseits nehmen sie einem die anstrengende Eigenbewertung ab, ich muss nicht nachdenken! Andererseits stehen sie aber unserem Streben nach Freiheit entgegen. Widerstand tut sich auf. Das sehen wir auch derzeit an der Spaltung der Gesellschaft.
Warum sind Veränderungen im Leben wichtig? Warum tut es sogar gut, wenn nicht immer alles so bleibt, wie es war? Ohne Veränderung gäbe es schließlich keine Weiterentwicklung, oder?
Das stimmt zu hundert Prozent! Das Leben an sich ist Veränderung. Wir verändern uns ständig – von der Geburt bis zum Verlassen dieser Erde. Jedes Lernen ist Veränderung. Wer sich schwertut, sollte Kinder beobachten, mit welcher Neugier sie die Welt entdecken und immer wieder sich und ihre Kompetenzen ausreizen. Als Erwachsene glauben wir dann auf einmal, uns nicht mehr verändern zu müssen, und richten es uns in der Komfortzone möglichst bequem ein. Wir umgeben uns mit Menschen derselben Meinung und bewegen uns in der Blase, die uns unsere Meinung immer wieder bestätigt. Wir tun das, was wir ohnehin schon können, aus Angst vermeiden wir Neues. Aber wir wachsen an Herausforderungen, die das Leben für uns bereithält. Wer sein Leben ein bisschen im Rückspiegel betrachtet – vielleicht mit Hilfe psychologischer Beratung – und sich fragt, in welchen Lebensphasen die größten Entwicklungsschritte passiert sind, wird vielleicht erkennen, dass es die Krisenphasen waren, die uns stark gemacht haben. Wir mussten uns verändern, mussten ins eiskalte Wasser springen und schwimmen lernen. So haben wir uns zu einzigartigen Individuen entwickelt, wir sind gewachsen.
Mag. Helga Gumplmaier
Krisen sind immer mit Veränderung verbunden. Wie kann man gut damit umgehen?
Pan·ta rhei – alles fließt! Eine Aussage, deren Kern gerade in dieser Pandemiekrise besonders spürbar wurde. Niemand wusste, alle waren Lernende, Entscheidungsträger, Wissenschafter, wir alle! Wer es schafft, in der Krise mitzufließen, sich immer wieder neu auszurichten, tut sich leichter. Wer die Chancen und Möglichkeiten wahrnehmen kann, schafft für sich selbst neue Perspektiven und Hoffnung. Nicht jeder Mensch kann das. Es ist keine Schande, auch einmal dabei zu scheitern. Manchmal macht sich einfach Verzweiflung breit. Das ist nur zu verständlich, wenn ich monatelang keine Arbeit habe, als Selbstständiger mein Betrieb gesperrt ist, das Kurzarbeitseinkommen nicht für das Leben reicht, ich einsam in meiner Wohnung verkomme, ich meinem Kind beim Homeschooling und seiner Verzweiflung nicht helfen kann. In solchen
Fachgruppe OÖ Personenberatung und Personenbetreuung Berufsgruppe Lebens- und Sozialberater Hessenplatz 3, 4020 Linz, Tel.: 05-90909-4145/4146, Fax: 05/90909 4179 E-Mail: pb@wkooe.at Internet: www.lebensberater.at Phasen ist es auch keine Schande, sich Unterstützung zu holen, sich von Menschen ein Stück des Veränderungsweges begleiten zu lassen. Ich wäre heute nicht psychologische Beraterin, wäre ich nicht auch durch meine Lebenskrisen gegangen. Die Unterstützung, die ich mir damals in Supervision und Coaching geholt habe, hat mich auf meinen Weg gebracht.
Wie kann man es schaffen, Veränderungen positiv und somit auch als Chance zu sehen?
In dem ich mich auf meine kreativen Potenziale besinne und Neugier walten lasse. Stellen Sie sich einfach die Frage „Was wollte ich schon immer? Welche zusätzlichen Optionen gewinne ich durch diese Veränderung? Was lerne ich dadurch in meinem Leben dazu? Was will ich noch lernen? Welche Stärken möchte ich in Zukunft vermehrt einsetzen? Wozu gibt mir die Krise jetzt die Möglichkeit?“ Ich habe im vergangenen Jahr immer wieder Gespräche angeregt, in Onlinegruppen, manchmal auch in Präsenz, sich mit dem Positiven auseinanderzusetzen, das uns die Pandemie aufzeigt, dankbar dem nachzuspüren, wo es einem gut geht. Nach solchen Dialogrunden war die Stimmung jedes Mal wesentlich positiver und optimistischer als zu Beginn.
Warum lohnt es sich sogar, mutig zu sein und Veränderungen zuzulassen?
Wer Veränderung zulässt, lernt neue Welten kennen, und das führt zu mehr Selbstbewusstsein. Es gibt viele Beispiele von mutigen Menschen, die mitten in der Pandemie, am Höhepunkt der wirtschaftlichen Krise, durchgestartet sind. Jede Krise hat bisher zu einem Innovationsschub geführt, sowohl gesellschaftlich als auch persönlich. Welche Ideen schlummern also in Ihnen und wollen umgesetzt werden?
KONTAKT
MAG. HELGA GUMPLMAIER Psychologische Beratung
Ahornweg 8 4893 Zell am Moos
Tel.: 0664/2106624
E-Mail: h.gumplmaier@lebenundraum.at