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HERR SCHMIDT SUCHT DAS GLÜCK
Herr Schmidt
SUCHT DAS GLÜCK
Wenn die deutsche Late-Night-Ikone Harald Schmidt durch Oberösterreich reist, dann ist klar: Er wandelt auf den Spuren von Thomas Bernhard. Schmidt hat sich dem legendären Schriftsteller kulinarisch angenähert – von Wirtshaus zu Wirtshaus. Nachzulesen im Buch „In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe“. Wir haben mit dem Entertainer über Wurstsalat, den gepfl egten Herrenwitz und die oberösterreichische Wirtshauskultur geplaudert.
Text: Christina Tropper (Oberösterreich Tourismus) Fotos: Brandstätter Verlag/Christopher Mavric
Harald Schmidt machte sich für sein Buch auf einen Roadtrip quer durch die Lieblingsgasthäuser von Thomas Bernhard.
Ob an Brandteigkrapfen gewürgt wird oder es um den Fettgehalt der Frittatensuppe geht, Thomas Bernhard ließ in fast allen seinen Werken die Menschen ausgiebig speisen und war selbst ein regelmäßiger Besucher von Wirtshäusern. Wie inspirierend es ist, sich Thomas Bernhards Werk und seiner Persönlichkeit über den Esstisch hinweg anzunähern, zeigt Harald Schmidt in seinem Buch „In der Fritattensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe“. Wir haben den deutschen Entertainer auf einem Roadtrip durch oberösterreichische Wirtshäuser begleitet.
Herr Schmidt, wie viele Bierdeckel haben Sie während Ihrer Oberösterreichreise signiert? Viele. Ich signiere ja alles. Auch Kleinkinder, wenn man sie mir entgegenhält. Ich bin da gar nicht wählerisch. Mich interessiert ja, was mir die Leute erzählen und ich bin da sofort mit den Menschen ins Gespräch gekommen. Die meisten haben von Thomas Bernhard geredet wie von einem großen Fußballstar: Sie haben mir erzählt, dass sie ihn wirklich gekannt haben, was er im Wirtshaus bestellt hat und dass er meistens still in der Ecke saß und die Leute beobachtete.
Ausgesprochen gut. Ich war zum ersten Mal da und hatte auch keine konkrete Vorstellung, wo Oberösterreich ist. Bei so einer Recherche lernt man ja auch viel. Ich wusste vorher gar nicht, dass das Salzkammergut zu großen Teilen in Oberösterreich liegt. Die Landschaft hat mich begeistert und die Küche sowieso. Außerdem seid ihr ein sehr zuvorkommender und offener Menschenschlag. So habe ich das zumindest empfunden. das auch für mich okay und ich denke mir: „Schade, da ist dir was entgangen ... “ Es müssen ja Leute sein, die ins Wirtshaus reinpassen. Wenn da jemand kommt und mit der Serviette das Messer nachpoliert, dann weiß ich schon: Das wird nichts. Das sind auch so Menschen, die im Speisewagen in der Bahn fragen, ob die Sauce fettig ist. Speisewagen schmeckt wie Speisewagen. Da ärgere ich mich, wenn ich etwas frisch Gekochtes bekomme.
Sie haben einmal gesagt: „Interrail ist eine Erfindung für Leute, die fürs Au- Man hat das Gefühl, Sie haben bei Ihtostoppen zu hässlich sind.“ rem Roadtrip durch OberösSie fahren trotzdem gerne mit terreich hauptsächlich gegesder Bahn? sen … Klar, da gehöre ich ja auch Ja, das stimmt. Ich habe ja mit dazu. Ich bin begeister- teilweise drei Mal zu Mittag ter Bahnfahrer und ihr Ös- gegessen, wegen der Fotos terreicher macht das richtig fürs Buch. Also dieser Wurstgut. Bei meinem Oberöster- salat beim Kirchenwirt in reich-Roadtrip bin ich mit Ohlsdorf. Hervorragend! dem Zug bis nach Lambach Oder der Tafelspitz im Hotel gefahren. Und dort dann Schwan in Gmunden war ein mit meinem Koffer an ei- echter Genuss und völlig neu nem heißen Sonntag über für mich. Rindfleisch in der den Hauptplatz gerollert. Ich Brühe! Grandios! Im Gasthabe natürlich die irritierten hof Klinger hab ich von der Blicke der Leute gesehen, Frittatensuppe freiwillig drei die sich gefragt haben: Was Portionen gegessen. Ein Kilo macht der Irre da mit einem habe ich zugenommen, aber Rollkoffer mittags in Lam- ich habe da Glück mit den bach? Genen ...
das Wirtshaus zum Lebensstil der Leute gehört. Die Gasthäuser, in denen wir waren, sind schon in mehreren Generationen in einer Familie und das ist sofort spürbar. Da gibt‘s Stammgäste mit Stammplätzen. Und die Wirtsstuben versuchen auch nicht, sich krampfhaft dem Zeitgeschmack anzupassen. Die Leute sind echt und nicht angezogen wie im Musikantenstadl. Die sind, wie sie sind. Und die müssen auch so sein, das wollen die Gäste ja auch: Ein Wirtshaus, das aussieht wie in der Zeit, als man noch rauchen durfte. WUSSTEN SIE, DASS ... ... Thomas Bernhard (1931 – 1989) einer der bedeutendsten österreichischen Schriftsteller der Nachkriegszeit ist? Sein Werk ist neben dem virtuosen Sprachgebrauch von einem stets grantelnden, oft misanthropen Blick auf die Welt und Österreich im Besonderen gekennzeichnet. Markant ist die häufige Charakterisierung von Personen und deren kulinarische Vorlieben. ... Thomas Bernhard 1965 einen Vierkanthof in Obernathal in der Gemeinde Ohlsdorf kaufte? Später folgten Häuser in Altmünster und Ottnang. Damit wurde das oberösterreichische Salzkammergut zu einem seiner Lebensmittelpunkte. ... Oberösterreich im Werk Thomas Bernhards immer wieder zum Schauplatz wird? Etwa Wolfsegg am Hausruck im Roman „Auslöschung. Ein Zerfall“. Ein Roman heißt nach dem gleichnamigen Ort „Ungenach“.
Wie geht es Ihnen mit dem oberösterreichischen Dialekt? Sehr gut. Die Menschen haben ja nicht den breitesten Dialekt mir gegenüber gesprochen, sondern eher so Hochdeutsch mit Akzent. Das höre ich ja wahnsinnig gerne. Als Süddeutscher bin ich da sprachlich auch nicht so weit entfernt. Oberösterreichisch kann ich nicht wirklich. Mindestens zwei Wirte haben sich aufgeregt, dass die Deutschen das Wort „Frittatensuppe“ falsch aussprechen. Die sagten dann Sätze wie: „Waun i des scho her: F-R-I-T-TA-T-E-N-S-U-P-P-E ...”
Hat Oberösterreich eine besondere Wirtshauskultur? Ja, finde ich schon. Man merkt, dass Essen ist Distinktion – das ist öfter in Ihrem Buch zu lesen: Was sagt es über Thomas Bernhard aus, wenn ihn eine „Knacker“ glücklich machte? Dass er die Qualität des perfekt gemachten Einfachen zu schätzen wusste. Das ist bei mir auch so. Ich brauche keine Tomaten im Dialog. Mich macht Wurstsalat mit Bauernbrot glücklich.
Ist das Wirtshaus die letzte Bastion des gepflegten Herrenwitzes? Nein, das sehe ich nicht so. Ich bin ja eine wandelnde Bastion des Herrenwitzes. Aber natürlich immer mit einer Trigger-Warnung: „Achtung, folgender Witz könnte Ihre Gefühle verletzen!“ Und wenn dann jemand sagt: „Nein. Den will ich aber nicht hören“, dann ist Ist Essen der Sex des Alters? Bei mir ist es so: Ich kombiniere das. Ich esse beim Sex.
Thomas Bernhard war ein Genussmensch und Genüsse sind vielschichtig. Was genießen Sie? Alles, was mit Sprache zusammenhängt. Etwa wenn ein Ehepaar im Zug streitet und sich dabei flüsternd anschreit. Herrlich! Oder auch wenn Menschen so Verblödungswörter wie „Tschüssikovski“ säuseln. Oder Neologismen wie „tipitopi“, „oh, das Essen war aber tipitopi.“ So etwas genieße ich sehr. Egal ob im Wirtshaus, im Zug oder am Flughafen. Wenn mir beim Spazierengehen Frauengruppen in meinem Alter entgegenkommen, höre ich schon am Tonfall
Bei seinem Roadtrip hat der Entertainer hauptsächlich gegessen und trotzdem nur ein Kilo zugenommen.
HARALD SCHMIDT IM WORDRAP
Hauben- oder Wirtshausküche?
Wirtshausküche
Bier oder Most?
Bier
Du oder Sie?
Sie. Ich duze, werde aber gesiezt im Sinne von „Sir“ oder „Euer Gnaden“.
Gardasee oder Traunsee?
TrauMsee – für das Wortspiel komme ich gleich noch eine Woche länger her!
Gmunden oder Genua?
Gmunden
Apfelstrudel oder Brandteigkrapferl?
Apfelstrudel, weil die Brandteigkrapferl zu sehr den Thomas-Bernhard-Kenner raushängen lassen.
Schweinsbraten oder Leberschädel?
Leberschädel, weil ich das nicht so oft kriegen kann.
Glutenfrei oder vegan?
(lacht) Da nehme ich doch lieber ein Weizenbier bitte.
Harald oder Franz?
Ich heiße ja im zweiten Vornamen Franz. Ich nenne mich teilweise „Francois“, wenn ich mir einen Kaff ee in Frankreich bestelle und da dann mein Name aufgerufen wird. Harald können die Franzosen einfach nicht aussprechen. Aber bis die mich dann aufrufen, habe ich vergessen, dass ich mich „Francois“ genannt hatte und dann gibt’s wieder keinen Kaff ee. Vielleicht sollte ich mich generell Franz nennen – das könnte mich näher an das Volk bringen. André Heller macht das ja auch. Da reden alle vom „Heller Franzi“.
BUCHTIPP
Harald Schmidt „In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe“ Thomas Bernhard. Eine kulinarische Spurensuche Mit Beiträgen von Margarete Affenzeller, Vincent Klink, Claus Peymann, Alexander Rabl, David Schalko, Stefan Schlögl, Katharina Seiser, Willi Winkler ISBN: 978-3-7106-0533-8, Brandstätter Verlag, Hardcover, 176 Seiten, € 36, E-Book € 29,99
Harald Schmidt im Gastgarten des Kirchenwirts in Ohlsdorf beim Plaudern mit dem Wirt und einem Gast. und an den Wortfetzen, ob die gerade auf die Scheidung zusteuern. „Diesmal wird das Arschloch richtig bluten ...” Da weiß ich schon: Ahhh, da kann sich die Scheidungsanwältin schon ein größeres Auto bestellen …
Sie sind aber nicht nur ein aufmerksamer Zuhörer, sondern auch ein aufmerksamer Reisender … Das Reiseziel ist natürlich interessant, aber am meisten interessiert mich die Reise als solche. Wenn ich dann mal am Urlaubsort bin, zelebriere ich den Müßiggang. Ich brauche da auch keinen Sport oder große Action. Lange Wanderungen gerne, aber nur wenn mich ein Wanderführer zu einer Berghütte leitet, wo der Wirt ein ausgeflippter Hund ist.
Als Traumschiff-Darsteller sind Sie fest mit dem Wasser verbunden – haben Sie einen Segelschein oder einen Tauchschein? Weder noch. Bis ich in so einem Tauchanzug drinnen bin, habe ich auch schon keine Lust mehr. Segeln finde ich toll, aber ich lasse segeln. Wie Onassis. Ich mag die Kombination von Wasser und Bergen aber sehr gerne. Ihr habt ja in Oberösterreich diese wunderbaren Seen – auch der Attersee – da kommen die Schauspieler alle gerne. Traumhaft! Ich kann mir gut vorstellen, beim nächsten Urlaub noch mal nach ein paar Tagen an einem See im Salzkammergut mit der Bahn zu fahren und dann weiter nach Frankreich. Das steht auf meiner Liste.
Wie beschreiben Sie jemandem Oberösterreich, der es noch nicht kennt? Fantastische Landschaft, hervorragende Gastronomie und tolle Hotels. Ein sehr sympathischer Menschenschlag. Und: Ich finde Oberösterreich nicht so touristisch überlaufen wie vielleicht Wien oder Salzburg. Ich bin jetzt beruflich öfter in (Ober-)Österreich und für mich ist das in Wahrheit Urlaub mit ein bisschen Bühne am Abend. Toll!
INFO
Echte Begegnungen, wie jene mit Harald Schmidt finden Sie im Onlinemagazin von Oberösterreich Tourismus. Dort können Sie das schönste Bundesland Österreichs in allen seinen Facetten kennenlernen. Schauen Sie sich um auf