8 minute read
Lockdown-Lektüre
Für die Lesereise zuhause Foto: Melk Hagelslag/Pixabay
Lesestoff & Hörgeschichten für den Herbst
Advertisement
Urlaubsreisen sind durch den aktuellen Lockdown nur schwer möglich und das oft nasskalte Herbstwetter vermiest auch schnell die Naherholung in der Natur. Daheim zu bleiben muss aber nichts Schlechtes sein - wenn man sich mit guter Lektüre beschäftigen kann. Wir haben hier eine Bücherauswahl mit regionalem Bezug zusammengestellt, die sich mit alten Sagen, einem historischen Mord oder auch Marburgs Bedeutung für die Pharmaziegeschichte beschäftigt. Wer die heimische Wirtschaft in der Corona-Krise unterstützen will, kauft lokal. Eine Auflistung heimischer Buchhänder sowie weitere Adressen stehen auf der Website www.marburgliefert.de
Hinkels Mord
Mit Hinkels Mord hat die lange in Marburg und inzwischen in Köln beheimatete Autorin Christina Bacher nach einigen erfolgreichen Jugendbüchern und Kurzgeschichten ihren ersten Kriminalroman für Erwachsene vorgelegt. Sie beschäftigt sich mit einem historischen Mordfall, der sich 1861 am oberen Dammelsberg in Marburg ereignete. Im September 1861 würde dort die verweste Leiche der Tagelöhnerin Dorothea Wiegand gefunden. Die 24-jährige war von dem Schuhmacher Ludwig Hilberg schwanger gewesen. Da dieser aber bereits mit einer anderen Frau verlobt war, hatte er sie unter einer großen Eiche grau-
sam ermordet.
Christina Bacher Hinkels Mord KBV Verlag, 12 Euro ISBN: 978-3-95441-522-9
Nach einem sich lange hinziehenden Mordprozess wurde Hilberg an der Richtstätte am Rabenstein als letzter Mensch in Hessen öffentlich mit dem Schwert hingerichtet. Dieser historische Kriminalfall ist die Vorlage für Bachers Geschichte: Als in ihrem Marburger Elternhaus eingebrochen und ihre Mutter schwer verletzt wird, muss Bachers Protagonistin Liva Lohrey gegen ihren Willen aus Köln in ihre alte Heimat zurückkehren. Alles hier erinnert sie an ihren Bruder Alex, der drei Jahre zuvor unter rätselhaften Umständen verschwand. Wie sich herausstellt, hat sich der Geschichtsstudent kurz zuvor mit dem historischen Mordfall beschäftigt. Zwar scheint der Fall wurde restlos aufgeklärt, der Mörder wurde verurteilt und hingerichtet. Und doch scheint Alex etwas herausgefunden zu haben, das ihn veranlasste, die Nachfahren aller damals Beteiligten aufzusuchen. Nicht nur Livas schwesterliche Fürsorge, sondern auch ihre journalistische Neugier ist geweckt, und sie rollt die Ermittlungen um das Verschwinden ihres Bruders neu auf. Die Spur führt sie in die eigene dunkle Familiengeschichte
Die große Sagenreise
Zu einer akustischen Reise durch Deutschland und seine Nachbarländer lädt „Die große Sagenreise“ ein, die neu im Hörverlag erschienen ist. In der Anthologie versammelt sich der Sagen-, Märchen-, und Liederschatz von Deutschland, Österreich und der Schweiz, gelesen von bekannten Stimmen wie Schauspielerin Katharina Thalbach oder ihren Kollegen Ulrich Noethen, Rolf Boysen, Axel Milberg oder auch Schriftsteller und Hörbuchsprecher Gert Heidenreich. Jede vorgestellte Region hütet ihren eigenen Märchen- und Sagenschatz. An den Küsten stehen Klabautermänner den Seeleuten bei, auf dem Brocken im Harz treffen sich die Hexen in der Walpurgisnacht, der Teufel hat beim Bau zahlreicher Brücken und Kirchen seine Finger mit im Spiel, und im Untersberg schläft König Barbarossa, bis sein Bart dreimal um den Tisch gewachsen ist. Es gibt viele Rätsel und Geheimnisse zu entdecken auf dieser akustischen Reise von Friesland bis zu den Alpen, vom Rhein bis in den Bayerischen Wald. Hessen ist mit sechs
Die große Sagenreise Hörbuch, 6 CDs, 8 Std. 16 Min. Der Hörverlag, 26 Euro ISBN: 978-3-8445-4014-7
Geschichten vertreten und es geht auch nach Marburg, in den Ortsteil Wehrda: Die Sage vom Weißenstein in Versen von Georg Thomas Dithmar (1810–1901) handelt davon, wie es den schlauen Bauern von Wehrda mit einer List gelingt, sich ihres Peinigers, dem Raubritter der Burg Weißenstein, zu entledigen. Die Bauern organisierten ein Fest mit Spiel und Tanz, bei dem sie den Ritter als Frauen verkleidet und unter ihren Gewändern mit Schwerten bewaffnet, ermordeten. Die CD-Box enthält eine große Landkarte, auf der alle Sagen, Märchen und Lieder der Antho- logie samt umfangreichen Hintergrundinformationen verortet sind.
Birthe zur Nieden Alma Mater Verlag der Francke-Buchhandlung 15,95 Euro ISBN: 978-3-96362-157-4
Alma Mater
Marburg in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges: Georg Kammann hätte sich nie träumen lassen, dass ausgerechnet er einmal Theologie studieren würde. Doch ein Überfall auf sein Heimatdorf, ein erhörtes Gebet und die Großzügigkeit seiner adeligen Patentante führen ihn in die Universitätsstadt Marburg. Hier eröffnen sich dem einfachen Lehrerssohn ungeahnte Möglichkeiten. Doch dann wird Marburg immer mehr zum Spielball der Mächtigen. Der Streit zwischen den Hessen-Kasselischen und den Hessen-Darmstädtischen entflammt neu und wird schonungslos auf dem Rü- cken der einfachen Bevölkerung ausgetragen. Während die Kanonen donnern, muss Georg plötzlich selbst kämpfen: um seine Zukunft, seine Berufung, seinen Glauben und um die junge Frau, die er liebt. Die Autorin Birthe zur Nieden, Jahrgang 1979, hat in Marburg Geschichte studiert, weil sie die Geschichten hinter den Jahreszahlen faszinieren. Danach blieb sie einfach dort und lebt und arbeitet bis heute in ihrer Wahlheimat. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit Schreiben, Lesen, Träumen oder im Pferdestall.
Warum Klimaschutz bisher verpufft und wie er gelingt
Seit Jahrzehnten reden wir vom Klimaschutz, doch die Treibhausgase nehmen beharrlich zu. Sind die Politiker daran schuld? Viele Menschen bemühen sich um Umweltschutz, doch die Erfolge bleiben aus. Weshalb ist das so? Seit 2004 wurden sagenhafte 3.500 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien investiert, doch noch immer decken Wind- und Solaranlagen weniger als zwei Prozent des weltweiten Primärenergiebedarfs. Wie kann das möglich sein? Klaus Simon gibt Antworten auf all diese Fragen. Er beginnt mit einer fundierten Übersicht zu Klima, Klimawandel und Handlungsmöglichkeiten. Es folgt eine Darstellung heutiger technischer Möglichkeiten zur Energieerzeugung, denn wir sind gewohnt, die Lösung unserer Probleme von technologischen Innovationen zu erwarten. Was können sie leisten und vor allem: was nicht? Am Ende spannt Simon den Bogen vom Klima über den Menschen bis hin zur Gesellschaft und nimmt den entscheidenden Zusammenhang in den Blick, der in der Klimadis- kussion so oft übersehen wird. Dabei ist es dem Autor gelungen, eine komplexe Materie auf den Punkt zu bringen: in verständlicher Sprache, locker und mit über hundert Abbildungen ergänzt. Klaus Simon, Jahrgang 1948, ist Informatiker und als Autor mit
Klaus Simon Warum Klimaschutz bisher verpufft und wie er gelingt Büchner Verlag, 20 Euro ISBN 978-3-96317-217-5
wichtigen gesellschaftlichen Fragen befasst. Er ist Mitglied der Akademie Solidarische Ökonomie – eine 2008 gegründete Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Stiftung Ökumene, die der angeblichen Alternativlosigkeit heutigen Wirtschaftens etwas entgegensetzen möchte: die Vision einer solidarischen, gemeinwohlorientierten und lebensdienlichen Gesellschaft.
Die Marburger Nachtwächter
Sie wachten, wenn andere schliefen und waren übermüdet, wenn andere wach waren. Kein Wunder, dass die Nachtwächter allgemein
Wilhelm Stehling, Die Marburger Nachtwächter Büchner Verlag, 22 Euro ISBN 978-3-96317-213-7
als schlafmützig und etwas trottelig galten. Gerade in Marburg wurden sie wegen ihres vermeintlich schlichten Geistes verspottet und mussten unter manch derben Neckereien der akademischen Jugend leiden. Umso erstaunlicher ist es, auf welche Weise die alten „Nachträte“, die fast schon in Vergessenheit geraten waren, sich zu einem Symbol der „guten alten Zeit“ gewandelt haben und zu einem nostalgisch verklärten Marburger Wahrzeichen geworden sind. Erzählt wird in diesem Buch von der tatsächlich eher rauen Lebenswelt der Nachtwächter, von ihrem strapaziösen Dienst, ihrem Rufen und Singen sowie den Anekdoten, die sich um sie ranken. Man erfährt vieles bisher Unbekanntes über eine Sicherheitseinrichtung, die immer ein Schattendasein führte und dennoch eine nicht unwichtige Rolle in der weit zurückreichenden Geschichte Marburgs spielte. Autor Wilhelm Stehling, geboren 1948, war Gymnasiallehrer an einer Marburger Privatschule, hat mehrere historische Veröffentlichungen über Fulda und die Rhön geschrieben und ist Gästeführer der Stadt Marburg.
Emil von Behring in Marburg
Marburg gehört seit langem zur „Apotheke der Welt“, was sich aktuell bestens bestätigt, soll ein möglicher Impfstoff gegen das Corona-Virus doch auch hier produziert werden. Einem der berühmtesten Vertreter dieser „Apotheke“ widmet sich die Stadtschrift „Emil von Behring in Marburg“. Geschrieben hat sie die Medizinhistorikerin Dr. Kornelia Grundmann. Die Pharmaziegeschichte Marburgs reicht bis in das 17. Jahrhundert zurück, als ein neuer Lehrstuhl für „Chemyatrie“ besetzt wurde. Mit Emil von Behring kam circa 330 Jahre später einer der bekanntesten Mediziner und Forscher seiner Zeit in die Universitätsstadt. Mit seiner Entwicklung der Serumtherapie gegen Diphterie und Tetanus erhielt er 1901 den Friedensnobelpreis und prägte den Marburger Standort für Pharmazie maßgeblich. Die Marburger Medizinhistorikerin Grundmann hat das „Lesebuch“ über Behring nach langwieriger Recherchearbeit fertiggestellt. Das Besondere ist, dass die Autorin ein Augenmerk auf Emil von Behrings Zeit in Marburg ab 1895 legt, die in Veröffentlichungen bisher weniger im Vordergrund stand. Dabei macht Behring selbst in vielen seiner Briefe deutlich, dass Marburg zu seiner zweiten Heimat wurde. So schrieb er zum Beispiel in einem Brief an seinen Freund und Weggefährten Friedrich Althoff über Marburg als: „[…] eine zum Naturgenuß einladende Stadt, wie’s kaum eine zweite gibt unter unseren Universitätsstädten“ (S. 142). Zudem wurden Behrings Söhne in Marburg geboren und er leistete wichtige wissenschaftliche Arbeiten in der Stadt – wenngleich seine nobelpreiswürdige Entdeckung der Serumtherapie in die Zeit am Berliner Hygiene-Institut Robert
Kornelia Grundmann Emil von Behring in Marburg – ein Lesebuch Rathaus-Verlag, 12 Euro ISBN 978-3-942487-14-6
Kochs fällt. Die Berliner Zeit, wie auch die zweite Lebenshälfte Behrings in Marburg sind laut der Stadtschrift-Autorin Grundmann nicht separat voneinander zu trennen. Sie behandelt beide Lebensstationen im Buch. kro/pe