Lebensräume 2050 - Architektenkammer Baden Württemberg (2010)

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Bericht vom

Symposium Lebensräume 2050 24. September 2010 Hochschule für Technik HFT, Stuttgart

Architektenkammer Baden-Württemberg


Inhalt

Wie werden wir Leben: Kongress "Lebensräume 2050"

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Programmablauf

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Zusammenfassung

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Lebensräume 2050

Motivation In den letzten zehn Jahren hat sich unser Leben stärker verändert, als wir es in einer ersten Reflexion vielleicht wahrnehmen. Am Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts wollen wir daher einen Blick wagen in die Was wer Mitte unseres Jahrhunderts. Wie werden wir wohnen, arbeiten und unsere (Frei-)Zeit verbringen? erhal den wir unter Mobilität verstehen und wie wichtig wird sie sein? Welche Bedeutung wird Gesundheit ten, wenn die Lebenserwartung weiter steigt und gleichzeitig die Wirksamkeit der bestehenden- Sicherungssy steme zunehmend nachlässt? Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner beschäftigen sich in ihrer täglichen - heute getrof Arbeit mit der Planung und Gestaltung unserer Lebensräume. Dabei wirken Entscheidungen, die fen werden, mehr oder weniger weit in eine Zukunft hinein, die wir zwar nicht vorhersehen können, die aber durch unser heutiges Handeln determiniert wird. Der bekannte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Volker Hauff, Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung, betont, dass es beim Blick in die Zukunft nicht um das präzise Vorhersagen von Entwicklungen geht, sondern darum, mögliche Konstellationen zu definieren und sich dann Gedanken zu - für Entschei machen, was man tun muss, damit die wünschenswerten eintreten. Schon heute gilt es deshalb - „Es gibt Din dungen, die sich erst in mittlerer oder ferner Zukunft auswirken, Verantwortung zu übernehmen. Infrastruk ge, die brauchen 10, 20 oder 30 Jahre, und wenn wir über Stadtgestaltung und große technische turen nachdenken, dann müssen wir auch an Entwicklungen denken, die bis zu 100 Jahre dauern – und wir sollten wirklich lernen in solchen Zeithorizonten zu denken“.

und Auf Mit diesen für eine breite Öffentlichkeit ebenso wie für unseren Berufsstand spannenden Fragen gaben befasste sich das Zukunfts-Symposium „Lebensräume 2050“. Vertreter aller vier Fachrichtungen der Fortbil Architektenkammer Baden-Württemberg (AKBW) sowie ihrer Geschäftsführung und des Instituts dung Bau haben das Symposium „Lebensräume 2050“ vorbereitet, welches am 24. September 2010 in der Hochschule für Technik in 70174 Stuttgart, Schellingstraße 24 stattfand. Dabei standen insbesondere vier fachliche und berufspolitische Motive im Vordergrund: ? Der Blick sollte weit in eine gesellschaftliche und planerische Zukunft gerichtet werden, auf die wir uns rechtzeitig vorbereiten. ? Im Fokus standen die gesellschaftlichen (technischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen, ethischen) Herausforderungen und Aufgabenstellungen für Architektur und Stadtplanung. ? Wir suchten Zukunftstrends, Rahmenbedingungen und (inhaltliche wie strategische) Leitlinien, welche für alle vier Fachrichtungen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung in unserer Kammer gleichermaßen Bedeutung haben. ? Es sollten ausdrücklich die fachlichen Wechselwirkungen und Synergien sowie engere Kooperationen der vier Fachrichtungen thematisiert werden.


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Man muss nicht darauf sehen, woher die Dinge kommen, sondern wohin sie gehen. Lucius Annaeus Seneca

Programm Moderation: Matthias Böttger, raumtaktik, Berlin 10:00 Uhr Begrüßung Rektor Hochschule für Technik Prof. Rainer Franke Wolfgang Riehle Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg 10:15 Uhr Impulse Andreas Reiter ZTB Zukunftsbüro in Wien Aus der Zukunft lernen – wie wir morgen leben werden

Prof. Jutta Rump Institut für Beschäftigung und Employability IBE in Ludwigshafen Zukunft der Arbeit – Arbeit der Zukunft

Prof. Dr. Harald Welzer Kulturwissenschaftliches Institut in Essen Zu spät für Pessimismus. Die zukunftsfähige Zivilgesellschaft

12:30 Uhr Mittagspause mit Gelegenheit zum Austausch und zur Besichtigung der Ausstellung Visionen 2050 der Studierenden 14:00 Uhr Workshops Wohnen

Arbeiten

Freizeit/Gesundheit

Mobilität

Moderation Moderation Moderation Dr. Wulf Rüskamp Susanne Kaufmann Sabine Lenk

Moderation Roland Stimpel

Badische Zeitung

Deutsches Architektenblatt

SWR 2

Design-Center Stgt

16:00 Uhr Kaffeepause – weiter diskutieren, Kontakte knüpfen, Ausstellung Visionen 2050 der Studierenden betrachten 17:00 Uhr Podiumsdiskussion

18:30 Uhr Spätsommerfest mit Unterhaltung und kulinarischen Überraschungen im Haus der Architekten


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Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben. Albert Einstein

"Wie werden wir leben?" oder "Wie wollen wir leben?" Bericht vom Symposium am 24. September 2010

Vor einem Auditorium mit bemerkenswert hohem Anteil an jungen Zuhörern eröffnete der Rektor der Hochschule für Technik Professor Rainer Franke den Zukunftskongress "Lebensräume 2050". Aus den differenzierten Blickwinkeln der vier Fachrichtungen Architektur, Innenarchitektur, Gartenund Landschaftsarchitektur sowie Stadtplanung galt es hier Fragen zu erörtern, wie man im Jahr 2050 wohnen, arbeiten, die Freizeit gestalten, die Gesundheit pflegen und mobil sein wird. Franke erinnerte sich amüsiert an seine Jugend mit der Kult-Zeitschrift "Hobby", die 1955 Weltraumplattformen und Atomautos prognostizierte und damit die Visionen der Vergangenheit dokumentierte. Präsident Wolfgang Riehle dankte in seiner Begrüßung den Landesvorständen Brigitte Banzhaf, Dr. Bernd Fahle und Jürgen Lehnhoff, die mit der Initiative zu diesem Symposium - gewissermaßen als Vermächtnis zum Ende ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit für die Architektenkammer – eine Zukunftsprojektion aus ihren jeweiligen Erfahrungen heraus anboten. Obwohl die Zukunft selbst auf 40 Jahre hin nicht vorhersehbar sei, wirkten die heutigen Entscheidungen weit voraus. Deshalb müsse man Konstellationen definieren, damit möglichst die wünschenswerten Prognosen eintreten, so Riehle. Um zu erfahren, wie insbesondere junge Menschen in die Zukunft blicken und wie sie ihre Ideen präsentieren, sei bewusst die HfT als Ort einer offenen Diskussionswerkstatt gewählt worden. Vor dem Start der drei Impulsvorträge stimmte der Moderator des Symposiums Matthias Böttger vom Berliner Büro raumtaktik in das Spektrum der nach seiner Sicht individuellenSpekulationen ein, die die Suche nach den Lebensräumen von morgen mit sich bringt: Welche Dinge wollen wir noch tun, solange wir leben, in einer besseren Welt? Oder ist unsere eigene Lebenswelt gut und wird vielleicht gar nicht besser? Böttger warnte auch vor der autoritativen Falle, vorschreiben zu wollen, wie zu leben sein wird.


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Impulse

IAndreas Reiter vom ZTB Zukunftsbüro in Wien entwickelte unter seinem Vortragstitel "Aus der Zukunft lernen – wie wir morgen leben werden" vier Leitlinien der Zukunft, die von der alternden, schrumpfenden und interkulturellen Gesellschaft geprägt sein würde, von fragmentierten Biographien langsamer pubertierenden, länger lernenden und bis 75 Jahren arbeitenden Individuen. So sollen die in fließenden, intelligenten Wohnlandschaften lebenden, aber E-Arbeitsplätze auf dem Land ablehnenden Ausländer die immer dümmer werdende einheimische Bevölkerung bis zum Jahr 2050 integriert haben, um dann vor der Frage zu stehen, wer denn die Ex-Schwiegermütter pflege und wie die Spielplätze für die infantilisierten Alten zu gestalten seien. In Reiters Modell führt eine fragile ökonomische Tektonik zu sinkender Wirtschaftsleistung bei Verdoppelung des Energiebedarfs, sodass sich die Wohlstandsindikatoren jenseits des BIP verorten werden. Die ökonomischen Perspektiven des zum historischen Themenpark degenerierten Europas fänden sich nur im Wissensmarkt oder im Tourismus. Ansonsten prognostizierte Reiter unsere Zukunft als geprägt von silver consumern, worklife-balance, co-housing, elf-organized communities, boom of life sciences, brain drain, asian shift, information-flow, personal fabrication, corporate healthcare, individual mood management, eco-living nach dem cradle-tocradle-Prinzip, strategic hubs, balancity und greenwashing. Technikgläubig – und relativ unkritisch – visionierte er die verrücktesten Ideen angeblich smarter, intelligenter Systeme weiter. Anything goes – es scheint alles zu gehen, doch der Mensch wird dabei vom Subjekt zum Objekt.

Wer dachte, eine Steigerung an Anglizismen sei nicht mehr zu erreichen, der sah sich beim Vortrag von Professor Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung und Employability IBE in Ludwigshafen eines besseren belehrt. Ihr Thema "Zukunft der Arbeit – Arbeit der Zukunft" geriet schon fast zur Karrikatur eines Motivationsseminars für Führungskräfte des mittleren Managements. Alles wächst: die Technologie, das Wissen, die Speicherkapazität, die Geschwindigkeit (!), die Angst der Eliten vor dem Abstieg, die Sehnsucht nach Orientierung, die Frequenz der Arbeitsplatzwechsel, Krisen und Boomphasen alternieren immer schneller. Unsere Arbeitswelt wird laut Rump qualifizierter, vielfältiger, wechselhafter und weiblicher, weshalb die Wissensarbeiter immer höhere Ansprüche an ihre Arbeitgeber stellen werden. Na klar, angesichts der Konkurrenz von Regionen und Metropolen müssten wir JETZT in unsere "goldene Oase Süddeutschland" investieren!


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Impulse

Den aufrüttelnden Kontrapunkt setzte Professor Dr. Harald Welzer vom Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen wie ein Donnerschlag: Er hielt die Modelle seiner Vorredner schlicht und ergreifend für Quatsch. Es sei unvernünftig, über die vermeintlich bessere Zukunft zu spekulieren, denn die Welt werde sich vollkommen anders entwickeln. Die Kurven verliefen eben nicht linear, sondern exponentiell, weshalb die Systeme zusammenbrechen würden. Welzer stützt sich auf das nach seiner Wahrnehmung meist nicht gelesene Buch „Die neuen Grenzen des Wachstums“ von Donella und Dennis Meadows und kritisierte, dass Prognosen wie der Klimawandel nur isoliert von Naturwissenschaftlern dargestellt, jedoch nicht in einer Gesamtschau von GesellschaftsKulturwissenschaftlern interpretiert würden. Auch hinsichtlich Böden, Meeren, Wasser, Nahrungsmittel oder Wirtschaftskreisläufen sei unsere landläufige Vorstellung von Krise, dass das System immer wieder der Stabilität zustrebe, hinterher alles besser würde und man gebetsmühlenhaft "gestärkt aus der Krise" hervorgehe. Tatsächlich seien die Funktionsgrenzen jedoch erreicht, die Ressourcen stünden nicht unbegrenzt zur Verfügung und so gebe es kein unendliches Wachstum. Über lange Zeit habe die Ressourcenzufuhr von der Dritten in die Erste Welt als unglaublich effektive Zivilisationsmaschine funktioniert und uns eine Komfortzone mit Demokratie und Freiheit beschert. Doch die so genannte globalisierte Welt habe einerseits kein Außen mehr, von wo Güter schadlos eingeführt werden könnten und sei andererseits eine Illusion, denn es würden nur Teilglobalisierungen verwirklicht, die zu einer radikalen Aufteilung in Gewinner und Verlierer führten. Die Energieausbeutung werde zukünftig durch Zeitausbeutung ersetzt, wobei die Betroffenen dramatischer Weise jetzt schon lebten. Welzer beobachtet, dass Gesellschaften in der Krise ihre Anstrengungen immer intensivierten, um die gleichen alten Ziele zu erreichen. Doch das business as usual müsse nun unterbrochen werden, sonst habe unser Gesellschaftstypus keine Zukunftsfähigkeit. Dazu gehöre auch zu erkennen, dass Veränderung nicht automatisch Verzicht bedeute, wie die Apologeten behaupteten. In der auf den Alltag konzentrierten Perspektive habe jeder in unserer privilegierten Gesellschaft einen Handlungsspielraum. Zum Beispiel seien herkömmliche, unverhältnismäßige Infrastrukturprojekte wie "Stuttgart 21" kontraproduktiv. Welzer weitete den Fokus schließlich wieder auf und nahm die Perspektive eines Betrachters aus der Zukunft ein, indem er die rückblickende Frage stellte: "Wer wollen wir gewesen sein?" Technische Utopien würden permanent rauf und runter gebetet, doch wir benötigten eine kulturelle Utopie. Die Geschichte unserer Gegenwart erzähle allenfalls: "Wir können viel kaufen!". Dabei wolle doch niemand ein Protagonist des age of stupid gewesen sein. Deshalb dürfe man nicht weiter interessensgelenkt spekulieren: "Wie werden wir leben?", sondern müsse endlich selbstkritisch fragen "Wie wollen wir leben?" » Marc Hirschfell


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Workshops

Durch die verschiedenen Vorträge mit reichlich Anregungen versehen, trafen sich die Teilnehmer am Nachmittag in vier Workshops. In den Gesprächsrunden diskutierten Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, auch das Publikum beteiligte sich rege.

Zum Thema "Wohnen" fasste Moderator Dr. Wulf Rüskamp, Badische Zeitung, die Eckpunkte des Gesprächs wie folgt zusammen: Deutlich zu erkennen sei der allgegenwärtige Trend zur fragmentierten Biographie. Entsprechend gehöre die Zukunft den flexiblen Räumen; über Baugruppen und Baugenossen- schaften ließen sich auch Antworten auf die schwelende und stetig wachsende Pflegeproblematik finden. Insgesamt nehme langfristig die Bindung an Wohneigentum ab. "Der Wohnungsbau ist sehr konservativ geprägt und stellt gleichzeitig in ökologischer, sozialer und demographischer Sicht eine enorme Herausforderung dar." Auf eine einheitliche Formulierung habe man sich in seiner Runde nicht verständigen können, mit Sicherheit käme aber im Jahr 2050 dem Architekten als Dienstleister eine grundsätzliche gesellschaftliche Verantwortung zu.

Als Moderatorin des Workshops "Arbeiten" verwies SWR-Redakteurin Dr. Susanne Kaufmann in ihrer Zusammenfassung auf den "Wohlfühlfaktor", für den die Architektur zu sorgen habe – eine große Mehrheit wünsche sich den eigenen Schreibtisch im eigenen Büro. Vermeintlich fortschrittlichen Konzepten, wie der mobile Arbeitsplatz oder die täglich freie Platzwahl, werde dadurch eine klare Absage erteilt. Auch Telearbeit erscheine nur in Ergänzung zum eigenen Arbeitsplatz wünschenswert. Wenn das Betriebsumfeld stimme, wozu beispielsweise auch ein Garten mit Liegen zähle, könne sich die Leistung um bis zu 50 Prozent steigern und "ohnehin kommen die besten Ideen in der Raucherecke". Gemäß dem Prinzip der europäischen Stadt sehe man die Arbeitsstätten der Zukunft vor allem in der Innenstadt. Insgesamt seien es immer wieder soziologische Aspekte gewesen, die den Verlauf der Diskussion bestimmt hätten.

Sabine Lenk vom Design-Center Stuttgart berichtete vom Thema "Freizeit/Gesundheit". Zwischen diesen beiden Begriffen sei in ihrer Gesprächsrunde nicht klar unterschieden worden, die Bereiche gingen an vielen Stellen ineinander über. Letztlich ergäben sich daraus natürlich auch Konsequenzen für das gestalterische Umfeld. "Es ist schwierig wirkliche Prognosen zu stellen", so die Workshop-Moderatorin, "doch herrschte unter den Teilnehmern Konsens, dass es künftig mehr Grünflächen geben soll – zur Erholung, Entspannung, Bewegung und für den Sport." Es gelte den Menschen mehr Freiräume zuzugestehen, weg von den Betreten-verboten-Schildern hin zur Nutzung gemäß den individuellen Vorstellungen. Um für die komplexen Anforderungen angemessene Lösungen zu finden, sei ein interdisziplinärer Austausch schon an der Hochschule dringend notwendig.


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Workshops

Ein zunehmender Trend zur Individualität wurde auch beim Workshop "Mobilität" herausgearbeitet – ein Bereich, in dem sich der Berufsstand ebenfalls zu Wort melden sollte. Moderator Roland Stimpel vom Deutschen Architektenblatt berichtete über die Prognosen: freier und individueller würde man sich künftig bewegen, zunehmend seien die Verkehrsmittel solar betrieben – eine optimistische Vision, die im Kontrast zu den zahlreichen negativen Prognosen dieses Stuttgarter Symposiums stünden. "In unserem Workshop wurde Mobilität zunächst eher als Bedrohung beschrieben, etwas, das uns buchstäblich überrollt", erklärte Stimpel und fügte augenzwinkernd hinzu: "Ein hiesiges Projekt haben wir allerdings nicht identifiziert." Jeder müsse für sich persönlich entscheiden, wie mobil er sein wolle. Die Megatrends seien hilfreich, weil sie für Architektur und Stadtentwicklung neue Perspektiven eröffneten. Apologeten behaupteten. In der auf den Alltag konzentrierten Perspektive habe jeder in unserer privilegierten Gesellschaft einen Handlungsspielraum. Zum Beispiel seien herkömmliche, unverhältnismäßige Infrastrukturprojekte wie "Stuttgart 21" kontraproduktiv. Welzer weitete den Fokus schließlich wieder auf und nahm die Perspektive eines Betrachters aus der Zukunft ein, indem er die rückblickende Frage stellte: "Wer wollen wir gewesen sein?" Technische Utopien würden permanent rauf und runter gebetet, doch wir benötigten eine kulturelle Utopie. Die Geschichte unserer Gegenwart erzähle allenfalls: "Wir können viel kaufen!". Dabei wolle doch niemand ein Protagonist des age of stupid gewesen sein. Deshalb dürfe man nicht weiter interessensgelenkt spekulieren: "Wie werden wir leben?", sondern müsse endlich selbstkritisch fragen "Wie wollen wir leben?"


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Podiumsdiskussion zum Abschluss

Wie werden wir also in 40 Jahren leben, wohnen, arbeiten? Vor dem Hintergrund der Vorträge und Workshops wurde in der Abschlussdiskussion ein Resumée gezogen. Eindeutige Prognosen gab es nicht, sicherlich würden jedoch im Bereich der Erwerbstätigkeit Fortbildung, Projektarbeit und häufige Veränderungen zunehmende Bedeutung erlangen. Professorin Jutta Rump warnte davor, "dass es sich irgendwann überdreht. Es gilt sich Zeit und Raum zu nehmen, um über Arbeit nachzudenken. Man darf keinen festen Plan im Kopf haben, sondern sollte in Szenarien denken." Ähnlich argumentierte auch Dr. Bernd Fahle: Planung habe sich insofern geändert als Dialogprozesse zunehmend an Bedeutung gewännen, der Masterplan sei inzwischen vielleicht ein falsches Instrument. Der Stadtplaner müsse sich über die Bedürfnisse der Gesellschaft in 30 oder 40 Jahren das entsprechende Wissen aneignen. Statt eindeutiger Prognosen gilt es laut Professor Tobias Wallisser die richtigen Fragen zu stellen: "Was mache ich an der Schnittstelle? Was wäre, wenn Fassaden einen städtebaulichen Beitrag leisten würden? Wie können Gebäude vom Nutzerverhalten lernen?" Konkret stellte Wallisser den Vorschlag eines städtebaulichen Regelwerkes in den Raum, gemäß dem jeder nur so viel bauen darf wie er auch selbst Energie produziert. Professor Dr. Harald Welzer verwies auf die Kluft zwischen theoretischen Zukunftsanalysen und der Alltagspraxis, zwischen dem was man denkt und dem was man tut. Die Klimaforscher glaubten sich selbst gar nicht, wie anders sei es sonst zu erklären, dass sie Rentenversicherungen abschlössen und nach Cancun flögen? Es gelte Handlungsspielräume zu nutzen und ein verantwortungsvolles alltagstaugliches Leben zu führen. "Wir müssen davon Abstand nehmen, dass man langfristig vorausplanen kann." Stattdessen plädierte er für mehr allgemeine Aufmerksamkeit und weniger Reglements. Es ginge darum eine hohe Sensibilität für das Auftreten von Fehlern aufzubringen und Quellen für Reversibilität ausfindig zu machen. Ob das Symposium die gewünschten Ergebnisse gebracht habe? Dazu Dr. Fahle: "Als Berufsstand wollten wir darauf aufmerksam machen, dass wir uns bestimmte Fragen stellen. Beantworten können wir sie nicht allein, sondern nur gemeinsam mit professionellen Beratern." Ein weiteres Votum für Interdisziplinarität. Die Teilnehmer waren sich einig, dass es die Erkenntnisse aus dem Symposium in die Politik weiterzutragen gilt.


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