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Ein Praxisbeispiel für Willensstärke und Lebensmut

Aus jeder Situation das Beste machen

Was bedeutet Erfolg in der Arbeit mit Patienten? Bei dem einen sind es Balancehaltungen, die wieder möglich werden, beim anderen sich schmerzfrei zu bewegen und bei manchen bereits die Tatsache, wieder allein zu stehen oder die Finger um Millimeter weiterbewegen zu können. Welche Wirkung das auf Patienten hat, zeigt ein Beispiel einer Rollstuhlpatientin, die sich entschlossen hat, ihren Bewegungsradius zu erweitern.

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Egal, was es für jeden Einzelnen ist: Erfolg ist, wenn wir es schaffen, wieder Spaß an Bewegung zu erzeugen, ein Lächeln ins Gesicht der Nutzer zu zaubern und vor allem, ihnen zeigen zu können, was möglich sein kann und ihnen damit das Wichtigste überhaupt zurückgeben: Lebensmut, Freude und den Glauben an sich selbst und die Kraft, die in ihnen steckt. Sabine, Trainerin und Yogalehrerin, leitet bei CoreStix die gleichnamige Academy. Im Rahmen ihrer Trainertätigkeit erhielt sie eine Anfrage, ob das Training mit CoreStix auch für halbseitig gelähmte Rollstuhlpatienten möglich sei. So lernte sie Dagmar kennen. Bei ihr war ein Gehirntumor diagnostiziert worden. Nach zwei Operationen und der dritten Chemotherapie wurde sie vor etwa zwei Jahren auf die Palliativstation entlassen. Aber Dagmar wollte sich damit nicht abfinden, sie wollte leben.

Das Kennenlernen

Ihr Mann fand einen Arzt in Heidelberg, von dem sie seitdem im VierWochen-Rhythmus eine auf ihr Immunsystem abgestimmte Infusion zur Immunstärkung erhält. Bereits nach der ersten Infusion kehrten

„Wachheit“ , die Fähigkeit zur Aufmerksamkeit und dann relativ schnell die Lust auf „etwas tun“ zurück. In dieser Situation hat Sabine sie kennengelernt. Dagmar sitzt im Rollstuhl, ihre rechte Körperhälfte ist nach Medizindefinition gelähmt. Wobei der Begriff „gelähmt“ es nicht ganz trifft. Im rechten Bein und Fuß hat sie Gefühl, kann diese leicht anheben. Abgesehen vom Daumen sind alle Finger der rechten Hand gefühllos, auch in Unter- und Oberarm spürt sie wenig.

Als Sabine das erste Mal Dagmar traf, fragte sie diese, was ihr größter Wunsch sei. Dagmar antwortete: Gehen können. Und genau dies ist das Ziel, das die beiden nun immer wieder beim Training visualisieren. Es ist das Ziel, das Dagmar Kraft gibt, das sie Muskelkater und auch Schmerzen ertragen lässt.

Das erste Training

Die beiden starten mit CoreStix im Sitzen. Sabine möchte ihr die Bewegungen zeigen, die sie trotz Lähmungserscheinungen ausführen kann. Es geht darum, ihr zu verdeutlichen, wie viel möglich ist. Ihr soll ein Bewusstsein dafür vermittelt werden, welche Optionen sie hat, obwohl sie durch den Rollstuhl eingeschränkt ist. In dem Moment, in dem sie spüren kann, wie vielfältig und weit ihr Bewegungsradius ist, kann auch Weite im Kopf, im Herzen entstehen.

Ein weißer Stix steckt in Position E3, Dagmar umfasst ihn mit der linken Hand, sie richtet sich im Rollstuhl auf, der Rücken wird gerade, ihr Brustkorb weitet sich und sie spürt seit Langem das erste Mal wieder Länge in der Wirbelsäule. Ganz leicht bewegt sie den Stix nach links und rechts. In Kombination mit der Ein- und Ausatmung üben sie zu Beginn nur das Aufrichten, um Länge bzw. Größe zu erzeugen.

Dann unterstützt sie Sabine, die recht steifen Finger der rechten Hand um einen Stab, einen Stix zu legen, ihre linke Hand hilft beim Halten. Und ganz sanft zieht sie den Fiberglas-Stix ein wenig zum Körper und schiebt ihn nach vorn. Alles mit geradem Rücken, erhobenem Kopf und in Kombination mit der Atmung. Später wechseln sie zum elastischeren lila Stix. Da ihre rechte Hand nun gelernt hat, auch diesen zu greifen, kann Dagmar im Sitzen ganz wunderbar Bewegungen zur Rotation der Wirbelsäule ausführen. Dank dieser Vorübungen wird es später möglich, Rotationsbewegungen frei mit einer Kleinhantel auszuführen. Anfangs ist es mit diesem Gerät ideal, Bewegungsführung und das aufrechte Sitzen zu erlernen.

Trainingsverlauf und Fortschritte

Stix in der Farbe Lila stecken in Position A2, Dagmars Blick geht gen Boardende. Sie sitzt – wiederum mit geradem Rücken und aufgerichtet –im Rollstuhl und führt die Stix erst in großen und später in kleineren Bewegungsradien zum Körper und wieder weg. Dabei bleibt der Arm die ganze Zeit unter Spannung, was einen zusätzlichen Trainingseffekt bewirkt. Schließlich sind ihr linker Arm und ihre linke Hand nun das, was sie im Alltag kraftvoll, mit viel Geschick und Gefühl einsetzen muss. Das trainiert sie mit CoreStix.

Ihr größter Wunsch ist es, wieder gehen zu können. Aber davor benötigt Dagmar Kraft in den Beinen, muss lernen, aufrecht zu stehen. Als wohl größte Herausforderung erweist es sich, den Fuß anzuheben und abzurollen. Der stabilste und am schwersten zu bewegende, dadurch am meisten Sicherheit vermittelnde rote Stix steckt in Position E3. Dagmars linke Hand umfasst den Stix und mit aller Kraft und Willensstärke zieht sie sich aus dem Rollstuhl in den Stand. Sie zittert und atmet schwer. Zu Beginn steht sie nur Sekunden, dann fällt sie sacht zurück in den Rollstuhl. Es kostet sie sehr viel Energie, aber Dagmar hat eine Vision und gibt nicht auf.

Nach etwa sechs Trainingseinheiten ist sie in der Lage, sich kontrolliert abzusetzen. Nach acht Einheiten kann sie kurz vorm Absetzen in Kniebeugeposition für ein paar Momente verharren. Sie hat Muskelkater, aber sie kämpft. Das Gefühl, aufrecht zu stehen, verleiht ihr Flügel. Sukzessive lässt sie für Sekunden den roten Stix los, vertraut ihren Beinen und steht.

Dann üben Dagmar und ihre Trainerin Sabine im Stand mit dem rotem Stix erst das linke Knie vorschieben, dann das rechte, die linke Ferse leicht anheben, dann die rechte usw. Da die Stix aus Fiberglas bestehen, findet immer eine sanfte Rückkopplung statt und sie muss diese mit ihrer Tiefenmuskulatur ausgleichen.

Trainingswirkung

Gleichzeitig stärkt sie durch dieses Training das Wichtigste in ihrer Rollstuhlposition: ihren Core. Die Bewegungsenergie wird nie abgebremst, der Trainingseffekt ist enorm. Parallel zur Wiedererlangung körperlicher Fähigkeiten wird auch ihre Sprache sukzessive klarer, ihre Konzentrationsfähigkeit besser. Während Dagmar stabil und aufrecht am Gerät steht, beginnt sie mit ihrer Trainerin Sabine, Übungen zu kombinieren. Sie löst Rechenaufgaben oder zählt auf Englisch. Dies lenkt sie vom starren „Halten“ am Stix ab, sie lacht oft und ist erstaunt, was sie kann. Diese Übungen sind nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was möglich ist.

YouTube-Links

Dagmar fährt aufs Board und sie trainiert unter Spannung Armkraft, Schultergürtel, Rücken und Core https://youtu.be/XhMwWmtWPl8 Dagmar lernt aufzustehen und sich wieder zu setzen mit CoreStix https://youtu.be/P-Iwy3k6g1Q Fazit

Genau das ist es, was das Team von CoreStix erreichen will: Lebenslust, Lebensenergien wecken und zeigen, was an Bewegung und Leistungssteigerung möglich ist. Egal, ob im Rollstuhl sitzend oder sportlich aktiv.

Für jedes Alter und jedes Leistungsniveau finden sich Übungen. Übungen, mit denen Bewegungsmuster wiedererlernt und gefestigt werden, die Beweglichkeit verbessert sowie Kraft, Koordination und Balance aufgebaut werden. Im Mittelpunkt jeder Übung steht automatisch die Kräftigung des Cores zur Förderung der Alltagskraft.

Heinz Haas

Dagmar trainiert ihren linken Arm, Schultergürtel usw. unter Spannung https://youtu.be/R1t3 _ ehd3B0

Autor Heinz Haas, Inhaber von Heinz Haas e.K. CoreStix, CoreStix Academy Europe. E-Mail: info@corestix.biz

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