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Fragen an

Was würden Sie vorschlagen, um die zu befürchtende Spaltung der Gesellschaft zwischen Impfwilligen und Impfverweigerern zu verhindern?

Rainer Gopp, FBP

Die Spaltung ist zum Teil leider schon Tatsache. In Familien, unter Freunden oder auch am Arbeitsplatz finden vielerorts unschöne Diskussionen statt, die nicht selten in einem Streit enden. Diese aktuelle Situation macht mich besorgt und betroffen! Meines Erachtens würde es «reichen», wenn sich die beiden Seiten mit Respekt und Toleranz begegneten. Beide, Impfgegner und Impfbefürworter, treten sich aber leider häufig nicht mehr angemessen gegenüber. Persönlich bin ich gegen eine Impfpflicht – das gilt auch für jene Variante, die mit maximalem Druck indirekt erzwungen wird. Ich kann die Ängste oder Unsicherheiten auf beiden Seiten verstehen – sowohl in puncto Impfung als auch bezüglich der Krankheit. So gilt es meines Erachtens, die Haltung des Gegenübers einfach zu akzeptieren. Denn wir alle haben schon festgestellt, dass es in diesem Thema kaum mehr möglich ist, die von jemandem bereits gefasste Meinung zu beeinflussen. Laut Umfrage des Liechtenstein-Instituts sind aktuell vermutlich zirka 10 Prozent der Menschen in Liechtenstein bereit, sich allenfalls noch impfen zu lassen. Es wird daher eher schwierig werden, die angestrebte Durchimpfungsrate zu erreichen. Somit wird die Politik schon bald eine Exitstrategie benötigen.

Ich finde, gerade die politischen Entscheidungsträger müssen jetzt verstärkt in den Dialog treten. Persönlich begrüsste ich es darum sehr, dass sich Gesundheitsminister Manuel Frick und Werner Stocker bei Radio L für eine kontroverse Diskussion getroffen haben.

Um zu meinem Eingangssatz zurückzukommen: Um die Spaltung abzuschwächen, müssen viele konstruktive Gespräche geführt werden. Wie erwähnt, sollten wir uns dabei mit Respekt und Toleranz begegnen, nämlich: So wie ich möchte, dass das Gegenüber meine Entscheidung akzeptiert, sollte ich seine Entscheidung akzeptieren.

Walter Frick, VU

Wir müssen damit leben, dass sich ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung – aus welchen Gründen auch immer – nicht impfen lassen will. Mit dem Vektorimpfstoff von Johnson&Johnson kam ab 25. Oktober ein Mittel auf den Markt, das denen, die gegenüber den mRNA-Impfstoffen kritisch sind, einen Weg zur Impfung ebnet.

Niemand kann eine Gesellschaft spalten, die nicht willens ist, eine solche Spaltung zu akzeptieren. Die aktuelle Ausnahmelage wird gerade von extremistischen Kreisen für Spaltungsaktionen genützt, um Anhänger für ihr Gedankengut und ihre radikalen Ansätze zu gewinnen sowie um Sponsoren zu finden. Diesbezüglich seien die «Reichsbürger» erwähnt, die offenbar auch hierzulande schon Anhänger gefunden haben.

Für den Erhalt des sozialen Friedens sind wir alle gefordert. In dieser Krise heisst es, vernünftig zu bleiben, von Gewalt und Beleidigungen Abstand zu nehmen und weiterhin in alle Richtungen kritisch zu bleiben – und zwar in alle Richtungen. Das kritische Hinterfragen von staatlichen Massnahmen ist gut. Mit mindestens denselben kritischen Massstäben müssen aber auch die Parolen und Theorien von Schwurblern und Extremisten hinterfragt werden. So schaffen wir alle gemeinsam den gesellschaftlichen Ausgleich.

«Charakter zeigt sich in der Krise», hat der deutsche Alt-Kanzler Helmut Schmidt einst gesagt. Diese Verstärkung der Charakterzüge sehen wir in der aktuellen Krise in allen Lebenslagen sehr gut. Und zum Glück, so erlebe ich das, werden auch die positiven Charaktereigenschaften verstärkt!

Katrin Hasler-Dobratz, FL

Die einen befürworten einen Impfzwang, die anderen halten Covid-19 für eine Erfindung: So verhärtet werden die Fronten oft wahrgenommen. In Wirklichkeit ist die Grenze zwischen Impfwilligen und Impfverweigerern aber nicht so klar. Und die Gruppen sind alles andere als homogen. Einige lassen sich aus Solidarität mit ihren Mitmenschen impfen, andere fürchten eine schwere Erkrankung und Langzeitfolgen. Einige haben Bedenken in Bezug auf die Sicherheit der Impfstoffe, andere fühlen sich von Corona einfach nicht betroffen. Und dann gibt es jene, die glauben, Bill Gates setze uns allen einen Chip ein.

Der Druck durch staatliche Massnahmen wie die 3G-Regelung führt bei vielen dazu, dass sie sich für eine Impfung entscheiden. Bei anderen aber löst er Reaktanz aus: Der empfundene Zwang und Freiheitsentzug führen dazu, dass man sich aus Prinzip gegen die Massnahmen wehrt.

Wie die Umfrage des Liechtenstein-Instituts zu den Gründen für und gegen eine Covid-19-Impfung zeigt, ist vor allem das Umfeld entscheidend für die eigene Haltung. Das heisst im Umkehrschluss, dass viele Menschen für Informationen und Argumente im privaten Umfeld empfänglich sind. Wir müssen als Gesellschaft den Diskurs also weiterführen, auch wenn wir am liebsten nichts mehr darüber hören möchten. Eine Demokratie muss auch kritische Stimmen zulassen. Und wenn Argumente nicht überzeugen, müssen wir als Gesellschaft den fehlenden Konsens aushalten. Die Coronakrise ist nicht das erste Ereignis, das die Liechtensteiner Bevölkerung spaltet. Und trotzdem ist unser Land nicht daran zerbrochen.

Es ist wichtig, einen Konsens anzustreben. Aber es gibt auch Grenzen: Fake News und rechtsextremes Gedankengut dürfen wir nicht ergebnisoffen diskutieren.

Pio Schurti, DU

De facto schrumpft die Zahl der Verweigerer und die Zahl der Geimpften (nicht nur der Impfwilligen) steigt täglich an – von einer Spaltung der Gesellschaft zu sprechen, ist also übertrieben.

Andersrum formuliert: Die angebliche Spaltung wird herbeigeredet. Beide Seiten – die Masken- und Impfgegner und die Befürworter der Massnahmen gegen Corona – tragen dazu bei: Einerseits lassen sich Impfskeptiker von den rabiatesten Impfgegnern instrumentalisieren, die vor allem laut, aber mit unguten «Meinungen» (Stichworten wie Freiheitsberaubung, Diskriminierung, Vergleiche mit dem Nazi-Regime ...) und persönlichen Angriffen «argumentieren», und die Massnahmen-Befürworter schenken diesen Kesseltreibern zu viel Aufmerksamkeit, anstatt sich auf berechtigte Anliegen und Bedenken der Impfskeptiker einzulassen.

Impfskeptiker gibt es wohl, seit es Impfungen gibt. Sie sind ein Teil der Gesellschaft. Impfskeptikern geht es in erster Linie um Selbstbestimmung, was ihren eigenen Körper, ihre Gesundheit anbelangt.

Bedenklich ist allerdings das (auch bei uns wachsende) Misstrauen gegen Politik und Wissenschaft – nicht nur unter Impfskeptikern, sondern auch in anderen Teilen der Gesellschaft. Solches Misstrauen entsteht vor verschiedenen Hintergründen, nicht zuletzt zum Beispiel aufgrund von Fehlern, die unweigerlich auch in Politik und Wissenschaft gemacht werden.

Eine liberale, tolerante Gesellschaft und Demokratie erfordert deshalb nicht nur Kompromiss- und Konsensbereitschaft von allen, auch der Grundsatz «Wir sind uns einig, dass wir uns wohl nicht einig werden» («We agree to disagree») trägt dazu bei, tatsächliche Spaltungen zu vermeiden.

Thomas Rehak, DPL

Nur ein wissenschaftlich fundierter Dialog, Information, Geduld und Toleranz können helfen. Dazu braucht es vor allem gegenseitigen Respekt. Leider gibt es Einzelne, welche Demos oder die Sozialen Medien dazu nutzen, ihre abstrusen Ideologien und Weltanschauungen kundzutun. In diesem Zusammenhang gab es Beiträge und Reden, die Grenzen überschritten. Das verurteilen wir in der DpL klar. Die freie Meinung öffentlich äussern zu dürfen, ist ein wertvolles Gut und sollte nicht dazu genutzt werden, um die Spaltung voranzutreiben. Auch eine Gegendemonstration trägt kaum zur Lösungsfindung bei, so eine Gegenveranstaltung treibt den Spaltkeil eher noch tiefer zwischen die Fronten. Es gibt keinen schnellen Weg zum Ausstieg aus dieser Pandemie. Dass Massnahmen zur Bekämpfung dieser Erkrankung nötig waren und auch in Zukunft nötig sein werden, ist klar. Die zukünftigen Massnahmen sollten aber nach über anderthalb Jahren Pandemie viel breiter abgestützt werden. Dies könnte damit erreicht werden, dass der Landtag bei Entscheidungen über zukünftige Massnahmen miteinbezogen wird. Damit könnten anstehende Massnahmen vorab diskutiert und die Akzeptanz gesteigert werden, was einer Spaltung entgegenwirkt. Geimpfte haben in der Regel einen milderen Verlauf, oft symptomlos, sie können das Virus aber gleich wie Ungeimpfte übertragen. Wer geimpft ist, wird seltener angesteckt, hat einen guten Schutz vor einer schweren Erkrankung und trägt zur Entschärfung der Pandemie bei. Für eine Eindämmung der Virenübertragung sind Abstand, Hygiene, und gut durchlüftete Räume von grosser Bedeutung. Kann der Abstand nicht eingehalten werden, schützen Masken. Das Coronavirus wird von Infizierten mit der Atemluft in Form von unsichtbaren Aerosolen ausgeatmet. Diese bleiben über längere Zeit aktiv, besonders, wenn die Luftfeuchtigkeit tief ist. In Räumen, in denen sich mehrere Personen aufhalten, vor allem bei schlechter Lüftung, steigt das Risiko einer Infizierung an, auch unter Geimpften.

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