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«1. impfen, 2. impfen und 3. impfen»
Ärztekammerpräsidentin Ruth Kranz sieht erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wirklich Licht am Ende des Tunnels. Der Grund dafür, ist, dass es mittlerweile erwiesen ist, dass die mRNA-Impfung tatsächlich einen wirksamen Schutz bietet. Einen Beitrag leistet auch die 3G-Regel, für deren konsequente Umsetzung sie plädiert.
Interview: Heribert Beck
Frau Dr. Kranz, wie hat sich die Einführung der 3G-Regel bewährt? Ruth Kranz: Das ist eine Frage, die nicht leicht zu beantworten ist. Zum einen wird die Massnahme wohl nicht überall gleich konsequent umgesetzt, zum anderen ist die Zeit etwas kurz, um einen Effekt auf die Pandemie festzustellen, insbesondere, da ja noch sehr viel mehr andere Faktoren das Verhalten der Pandemie beeinflussen.
Meiner Meinung nach ist allerdings eine konsequent durchgesetzte 3G-Regel ein wahrscheinlich sehr sinnvolles und potentes Instrument, um weitere Ansteckungen zu verhindern und die Pandemie einzudämmen. Die 3G-Regel zeigt vor allem bei der Testung Schwachstellen: Antigen-Schnelltests sind bei Personen ohne Symptome mässig genau, seit geraumer Zeit sind sogar Schnelltests, welche nur im vorderen Nasenbereich Probenmaterial entnehmen, zugelassen. Diese Tests sind für die zu testende Person zwar deutlich angenehmer als der Nasen-Rachen-Abstrich, aber die Zuverlässigkeit dieser Probeentnahme ist signifikant schlechter. Dadurch steigt das Risiko, dass in einem 3G-Setting Ansteckungen stattfinden, massiv an. Dort wäre sicherlich Regulierungsbedarf vorhanden. Es muss darüber hinaus klar sein, dass diese Regel einen Teil der Bevölkerung, nämlich den Teil, der sich aus verschiedensten Gründen nicht impfen lassen kann oder meist will, sehr hart treffen kann und es so zu grossen sozialen Spannungen kommen kann, die man nicht ausser Acht lassen sollte. Die Corona-Fallzahlen scheinen einigermassen im Griff zu sein. In Sachen Covid könnte der Winter 21/22 entspannter werden als der vergangene. Hingegen haben Sie kürzlich vor einer möglichen heftigen Grippewelle gewarnt. Woran liegt das? Aktuell beobachten wir zwar gerade wieder einen Anstieg der Fallzahlen und auch einen leichten Anstieg der Hospitalisations- und Todeszahlen bei uns und in den umliegenden Ländern, die Hoffnung bleibt aber, dass doch genügend viele Mitbürger durch die Impfung so geschützt sind, dass sie nicht mehr oder nur noch leicht an Covid erkranken und somit das Gesundheitssystem nicht überlastet wird, wie das leider letzten Winter der Fall war. Aber das ist vorerst nur eine Hoffnung, die Zukunft wird zeigen, was die Realität uns bringt.
Hinsichtlich der Grippewelle befürchtet man ganz allgemein eine etwas bis viel heftigere Grippesaison, da diese letztes Jahr durch die noch sehr strikt eingehaltenen Coronamassnahmen wie Social Distancing oder konsequentes Maskentragen praktisch ausfiel. Auch Erkältungserkrankungen sahen wir und auch die Kinderärzte in den Praxen praktisch nicht. Jetzt sind wir an einem Punkt der Pandemie angelangt, an dem Lockerungen möglich sind und die noch geltenden Regeln von vielen auch nicht mehr so genau und streng umgesetzt werden, da nachvollziehbar eine gewisse Coronamüdigkeit herrscht. In der Zeit der strikten Massnahmen haben wir unser Immunsystem mit dem Tragen der Masken und dem Fernhalten von anderen Leuten aber viel weniger Viren und Bakterien ausgesetzt, es also sozusagen verwöhnt. Wenn nun die heftige Grippe, die in unserem Sommer auf der Südhalbkugel zu finden war, auch uns trifft, könnte das zu einer verstärkten Grippewelle mit mehr und schwereren Fällen führen. Was sind Ihre Empfehlungen, um für die Grippe gewappnet zu sein? Neben einer gesunden Lebensweise immer wieder das Gleiche: die Grippeimpfung. Wie beurteilen Sie die Notwendigkeit einer baldigen dritten Covid-Impfung? Der Impfschutz nach den üblichen zwei Dosen mRNA-Impfung scheint länger anzuhalten, als man vorerst annahm. Trotzdem sinkt die Zahl der schützenden Antikörper langsam, aber stetig. Allen voran verschwinden zuerst leider ausgerechnet die IgA-Antikörper, die die Schleimhäute schützen, welche ja dem Virus als Eintrittspforte dienen. Ausserdem sind die Antikörper-Titer bei älteren oder schwerkranken Patienten wegen des nicht mehr so starken Immunsystems von Anfang an nicht so hoch wie bei jungen und gesunden Leuten. Es ist mittlerweile Common Sense, dass die vulnerablen Gruppen jetzt drittgeimpft werden sollten. Umliegende Staaten haben bereits damit begonnen. Auch
hochexponierte Personen wie medizinisches Personal sollten noch einmal geboostert werden. Für alle anderen wird die dritte Impfung wahrRuth Kranz, scheinlich im Präsidentin der Ärztekammer Frühjahr ein Thema. Schon häufiger war Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Besteht die Chance, dass die Pandemie bald überstanden ist? Um ehrlich zu sein, habe ich sehr lange kein Licht am Ende des Tunnels gesehen. Das hat sich geändert mit der Erfahrung und der mittlerweile bestehenden Sicherheit, dass vor allem die mRNA-Impfungen potent vor Corona schützen. Wenn noch mehr Leute von einer Impfung zu überzeugen sind, kann die Pandemie zumindest in unseren Breitengraden in vertretbar kurzer Zeit zur Epidemie werden. Sollte das nicht der Fall sein, wird das Virus die Impflücken schliessen. Das würde die Pandemie nur verlängern und vor allem mit mehr menschlichem Leid wie schweren Erkrankungen, bleibenden Schäden und Tod einhergehen. Wie lauten bis dahin Ihre Empfehlungen? 1. impfen, 2. impfen, 3. impfen! Und vor allem auch Respekt und Verständnis für die Haltung und Meinung Andersdenkender zu haben und den sozialen Frieden zu wahren.
Pfl ege und Betreuung –Quo vadis?
Die Pandemie hat noch einmal sehr deutlich gemacht, welch grosse Bedeutung dem Pfl egepersonal zukommt und dessen hohe Systemrelevanz klar aufgezeigt. Die Pandemie rückt aber auch ganz deutlich die Probleme rund um das Thema Pfl ege in den
Vordergrund. Text: Liechtensteiner Seniorenbund - Vorstand
So ist es auch nicht verwunderlich, dass das politische Interesse sehr gross ist. In der Schweiz wird im November über die Pfl egeinitiative abgestimmt, in Liechtenstein wurde das Thema im Rahmen eines Postulats aufgegriff en, und der Landtag beschäftigte sich in seiner November-Sitzung in einer aktuellen Stunde damit, wie die künftige Pfl ege im Alter in Liechtenstein ausschauen soll.
Das Thema Pfl ege und Betreuung ist ein sehr vielschichtiges. Pfl ege und Betreuung wird nicht nur in Akutspitälern, Reha-Kliniken und Pfl egeheimen geleistet, sondern auch im ambulanten Bereich, daheim, von der Spitex bzw. der Familienhilfe, von sogenannten Care-Migrantinnen, aber auch von pfl egenden Angehörigen, und zwar für Alt wie Jung.
Das Thema Pfl ege und Betreuung rückte spätestens rund um in die Diskussion um die demografi sche Entwicklung, d.h. die zunehmende Lebenserwartung, Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter und niedrige Geburtenrate in den Mittelpunkt des politischen Interesses. Dahinter steckt die Sorge, wie künftig die Pfl ege und Betreuung einer massiv ansteigenden Anzahl von Senioren bewerkstelligt werden könnte, wie der steigende Bedarf an Pfl egepersonal gedeckt wird, vor allem aber, wie – und von wem – dies alles zu fi nanzieren sei.
Liechtenstein hat mit dem alterspolitischen Leitbild schon vor Jahren die Rahmenbedingungen defi niert: Ambulant vor stationär heisst, dass jeder Einwohner sein Leben so lange wie möglich – und gewünscht – selbstbestimmt daheim verbringen können sollte. Dazu wurde die häusliche Pfl ege mit der Einführung des Betreuungs- und Pfl egegeldes (BPG) massiv gestärkt. Mit dem BPG können, je nach Bedarf, Leistungen der Familienhilfe, aber auch von pfl egenden Angehörigen bezahlt werden. Letzteres ist von grosser Wichtigkeit, da ein Grossteil der häuslichen Pfl ege – rund 70 Prozent – von diesen übernommen wird. Mit dem BPG soll dieses Potenzial auch zukünftig erhalten bleiben. Strukturelle Verbesserungen wurden ebenfalls durch die Reorganisation der Familienhilfe erzielt, die nun in der Lage ist, Pfl egefachpersonal auszubilden. Auch in der Schweiz wird derzeit intensiv über eine Stärkung der häuslichen Pfl ege diskutiert, was mit einer grösseren fi nanziellen Unterstützung verbunden ist.
Aufgrund des viel diskutierten demografi schen Wandels wurden auch in Liechtenstein schon verschiedene Vorschläge bzw. Studien zur künftigen Finanzierung der Pfl ege und Betreuung von Senioren präsentiert. Genannt sei an dieser Stelle nur etwa die Einführung einer Pfl egeversicherung, in deren Rahmen jeder zusätzlich zu AHV und Pensionskasse für seine Pfl ege und Betreuung im Alter selber vorsorgen muss. Das würde zwar den Staatshaushalt entlasten, dafür aber die Bürger in höherem Mass als bisher fi nanziell belasten. Heute wird die stationäre wie auch die ambulante Pfl ege und Betreuung stark durch Steuergelder von Land und Gemeinden gestützt. Trotzdem hat auch der Betroff ene im Anlassfall einen guten Teil der Kosten zu tragen.
Der Liechtensteiner Seniorenbund vertritt die Meinung, dass die heutige, steuerbasierte Finanzierung der Pfl ege und Betreuung beibehalten werden sollte. Es ist zwar richtig, dass die Lebenserwartung in den letzten Jahren zugenommen hat (mit Ausnahme, bedingt durch die Pandemie, des Vorjahres). Aber auch der Eintritt einer etwaigen Pfl egebedürftigkeit hat sich nach hinten verschoben, was das Schreckgespenst des demografi schen Wandels doch etwas relativiert. Auch nimmt die Anzahl der über 80-Jährigen (und potenziell Pfl egebedürftigen) weniger stark zu als in den Bevölkerungsszenarien, auf deren Grundlage die bisherigen Studien zu Pfl egeversicherungen etc. erstellt worden sind, prognostiziert. Mindestens das gleiche Interesse wie der Finanzierung der Pfl ege und Betreuung sollte aber der Ausbildung von genügend Pfl ege- und Betreuungspersonal entgegengebracht werden.