lie:zeit Ausgabe 100

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polit:zeit

11/2021

Fragen an …

W

as würden Sie vorschlagen, um die zu befürchtende Spaltung der Gesellschaft zwischen Impfwilligen und Impfverweigerern zu verhindern?

Rainer Gopp, FBP

Walter Frick, VU

Die Spaltung ist zum Teil leider schon Tatsache. In Familien, unter Freunden oder auch am Arbeitsplatz finden vielerorts unschöne Diskussionen statt, die nicht selten in einem Streit enden. Diese aktuelle Situation macht mich besorgt und betroffen! Meines Erachtens würde es «reichen», wenn sich die beiden Seiten mit Respekt und Toleranz begegneten. Beide, Impfgegner und Impfbefürworter, treten sich aber leider häufig nicht mehr angemessen gegenüber. Persönlich bin ich gegen eine Impfpflicht – das gilt auch für jene Variante, die mit maximalem Druck indirekt erzwungen wird. Ich kann die Ängste oder Unsicherheiten auf beiden Seiten verstehen – sowohl in puncto Impfung als auch bezüglich der Krankheit. So gilt es meines Erachtens, die Haltung des Gegenübers einfach zu akzeptieren. Denn wir alle haben schon festgestellt, dass es in diesem Thema kaum mehr möglich ist, die von jemandem bereits gefasste Meinung zu beeinflussen. Laut Umfrage des Liechtenstein-Instituts sind aktuell vermutlich zirka 10 Prozent der Menschen in Liechtenstein bereit, sich allenfalls noch impfen zu lassen. Es wird daher eher schwierig werden, die angestrebte Durchimpfungsrate zu erreichen. Somit wird die Politik schon bald eine Exitstrategie benötigen.

Wir müssen damit leben, dass sich ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung – aus welchen Gründen auch immer – nicht impfen lassen will. Mit dem Vektorimpfstoff von Johnson&Johnson kam ab 25. Oktober ein Mittel auf den Markt, das denen, die gegenüber den mRNA-Impfstoffen kritisch sind, einen Weg zur Impfung ebnet.

Ich finde, gerade die politischen Entscheidungsträger müssen jetzt verstärkt in den Dialog treten. Persönlich begrüsste ich es darum sehr, dass sich Gesundheitsminister Manuel Frick und Werner Stocker bei Radio L für eine kontroverse Diskussion getroffen haben. Um zu meinem Eingangssatz zurückzukommen: Um die Spaltung abzuschwächen, müssen viele konstruktive Gespräche geführt werden. Wie erwähnt, sollten wir uns dabei mit Respekt und Toleranz begegnen, nämlich: So wie ich möchte, dass das Gegenüber meine Entscheidung akzeptiert, sollte ich seine Entscheidung akzeptieren.

Niemand kann eine Gesellschaft spalten, die nicht willens ist, eine solche Spaltung zu akzeptieren. Die aktuelle Ausnahmelage wird gerade von extremistischen Kreisen für Spaltungsaktionen genützt, um Anhänger für ihr Gedankengut und ihre radikalen Ansätze zu gewinnen sowie um Sponsoren zu finden. Diesbezüglich seien die «Reichsbürger» erwähnt, die offenbar auch hierzulande schon Anhänger gefunden haben. Für den Erhalt des sozialen Friedens sind wir alle gefordert. In dieser Krise heisst es, vernünftig zu bleiben, von Gewalt und Beleidigungen Abstand zu nehmen und weiterhin in alle Richtungen kritisch zu bleiben – und zwar in alle Richtungen. Das kritische Hinterfragen von staatlichen Massnahmen ist gut. Mit mindestens denselben kritischen Massstäben müssen aber auch die Parolen und Theorien von Schwurblern und Extremisten hinterfragt werden. So schaffen wir alle gemeinsam den gesellschaftlichen Ausgleich. «Charakter zeigt sich in der Krise», hat der deutsche Alt-Kanzler Helmut Schmidt einst gesagt. Diese Verstärkung der Charakterzüge sehen wir in der aktuellen Krise in allen Lebenslagen sehr gut. Und zum Glück, so erlebe ich das, werden auch die positiven Charaktereigenschaften verstärkt!


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