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Fragen an
Soll Liechtenstein dem IWF beitreten?
Die Regierung will laut Regierungsprogramm 2021 – 2025 den Beitritt Liechtensteins zum Internationalen Währungsfonds (IWF) einer Entscheidung zuführen. Sie selbst spricht sich für einen Beitritt aus. Auch S.D. der Erbprinz steht einem solchen Schritt positiv gegenüber. 190 Mitgliedsstaaten zählt der IWF. Die direkten Kosten für einen IWF-Beitritt dürften sich gemäss Berechnungen der Regierung auf jährlich ca. eine halbe Million Franken belaufen. Ferner wird für jedes Mitgliedsland eine Quote ermittelt, wovon ein Teil beim IWF hinterlegt wird. Es ist kein Mitgliedsbeitrag, sondern ist als verzinsliche Währungsreserve zu verstehen, die im Krisenfall vom jeweiligen Land jederzeit abgerufen werden kann. Im Fall von Liechtenstein würde die hinterlegte Summe zwischen 25 und 37,5 Millionen Franken liegen.
Wie stehen Sie zu einem Beitritt Liechtensteins zum Internationalen Währungsfonds und welche Vorteile ergeben sich Ihrer Meinung nach für uns Land?
Wendelin Lampert, FBP
Eine abschliessende Meinung zum Beitritt Liechtensteins zum Internationalen Währungsfonds IWF werde ich mir bilden, nachdem die Regierung das Ergebnis der Beitrittsverhandlungen präsentiert hat und somit die Details bekannt sind.
Eine IWF-Mitgliedschaft ist für Liechtenstein eine Versicherung für den Krisenfall. Eine Kreditlinie durch den IWF stärkt das Investorenvertrauen und reduziert damit in einer Krisensituation das Risiko eines massiven Liquiditätsabflusses, der in Liechtenstein im schlimmsten Fall zu Verlusten unter den Sparern, einer Destabilisierung des Hypothekar- und Immobilienmarktes sowie zu hohen Kosten für die Realwirtschaft führen könnte. Eine IWF-Mitgliedschaft ist vor diesem Hintergrund für Liechtenstein vor allem aus einer Finanzstabilitätsperspektive zentral. Liechtenstein ist Teil des schweizerischen Währungsraumes und hat keine eigenständige Zentralbank, wodurch dem Land ein Kreditgeber letzter Instanz fehlt. Ein schneller Zugang zu Finanzmitteln wäre für Liechtenstein beispielsweise bei einer Naturkatastrophe (z.B. einem Erdbeben), die das ganze Land betrifft, oder auch in einer Finanzkrise sehr wichtig. Die Erfahrungen aus vergangenen Krisen zeigen, dass schnelle Liquidität absolut entscheidend sein kann, um Schaden vom Finanzsektor und in der Folge von der Realwirtschaft abzuwenden und dass Länder mit funktionierenden Institutionen überproportional von IWF-Hilfen profitieren, wie dies beispielsweise in Island oder Irland im Kontext der globalen Finanzkrise der Fall war. In einem solchen Szenario können durch die Stabilisierung des Finanz- und Banksystems und die Beschaffung von Liquidität die Verluste beschränkt und die wesentlichsten staatlichen Aufgaben wie z.B. Gesundheitsversorgung, Bildungssystem, Sicherheit etc. jederzeit sichergestellt werden.
Walter Frick, VU
Es geht hier um eine seriöse Versicherungslösung im Krisen- und Katastrophenfall. So hätte Liechtenstein in einer Finanzkrise oder einer Naturkatastrophe, die das gesamte Land betreffen würde, einen schnellen Zugang zu den benötigten finanziellen Mitteln, was mir absolut wichtig erscheint. Wir haben zwar hohe Reserven in den Staatskasse. Bei einem schweren Ereignis werden diese Mittel aber schnell aufgebraucht sein.
Island und Irland konnten dank der IWF-Mitgliedschaft im Kontext der globalen Finanzkrise innert weniger Tage vor einem Staatsbankrott gerettet werden.
Ziel ist es, Liechtensteins Stabilität und den Wohlstand der liechtensteinischen Volkswirtschaft langfristig abzusichern. Wichtig erscheint mir, dass auch ein regelmässiger Austausch mit international ausgewiesenen Finanzexperten stattfinden wird. Da Liechtenstein keine eigene Zentralbank hat, fehlt unserem Land im Krisenfall ein Zugang zu rascher Liquidität. Der IWF soll dabei die Rolle eines sogenannten Kreditgebers letzter Instanz übernehmen.
Die Gesamtkosten einer Mitgliedschaft belaufen sich auf eine halbe Million Franken jährlich. Es stehen dem hohen Nutzen einer Mitgliedschaft also verhältnismässig niedrige Kosten gegenüber. Die IWF-Mitgliedschaft erfordert eine effektive Hinterlegung in der Grössenordnung von rund 30 Millionen Franken. Dabei handelt es sich allerdings um eine verzinste Anlage beim IWF. Sie kann als Währungsreserve für Liechtenstein definiert werden, die im Krisenfall jederzeit auch ohne Zustimmung des IWF abgerufen werden kann. Dieser hinterlegte Teil wird verzinst und stellt eine sinnvolle Anlage des Landes dar. Ich habe den Bericht und Antrag intensiv studiert und kann die Überlegungen der Regierung vollkommen nachvollziehen und unterstützen.
Sandra Fausch, FL
Oberstes Ziel des IWF ist die Gewährleistung der Stabilität des internationalen Finanz- und Währungssystems. Er dient den insgesamt 190 Mitgliedsändern als Kreditgeber letzter Instanz zur Bewältigung von Krisen im Finanzsektor und Naturkatastrophen.
Geht es nach dem Bericht und Antrag der Regierung, scheint ein Beitritt zum IWF vernünftig und sinnvoll. Angesichts des Risikopotenzials und der vorhandenen Möglichkeiten im Krisenfall stelle die Mitgliedschaft eine geeignete Vorsorge dar. Darüber hinaus sieht die Regierung weitere Vorteile, wie etwa den Zugang zur Expertise des IWF und die verstärkte Sichtbarkeit des kleinen Staates in der internationalen Gemeinschaft. Aufgrund der Anstrengungen der letzten zehn Jahre in Bezug auf Regulierungen und Einhaltung internationaler Standards erhofft sich die Regierung eine weitere Stärkung der Reputation. «Beitrittsverhandlungen könnten jetzt aus einer Haltung der Stärke geführt werden», heisst es.
Mit einem potenziellen Beitritt muss sich Liechtenstein vertieft mit den Zielen und Mechanismen sowie Erfahrungen anderer Beitrittsländer auseinandersetzen. Mit der Kreditvergabe des IWF muss sich ein Staat mit den vom IWF gestellten Bedingungen einverstanden erklären. Diese werden als Strukturanpassungsprogramme zusammengefasst und beinhalten im Wesentlichen Liberalisierung, Privatisierung, Deregulierung und die Stabilisierung, was letztlich zu Machtkonzentration führt. Aus meiner Sicht bringt dies nicht nur Vorteile.
Liechtenstein soll sich durchaus die Frage eines IWF Beitritts stellen. Es gilt jedoch, die Mechanismen des IWF genauestens zu verstehen und sich über die Konsequenzen eines Beitrittes oder Nicht-Beitritts vollumfänglich im Klaren zu sein. Dafür müssen wir die Risiken in Bezug auf Naturkatastrophen und den Finanzsektor in Liechtenstein kennen und sämtliche Antworten auf dessen mögliche Bewältigung prüfen.
Pio Schurti, DU
Wir haben parteiintern keine repräsentative Umfrage gemacht, es ist aber mein Eindruck, dass die meisten Anhänger der «du – die Unabhängigen» einem IWF-Beitritt skeptisch gegenüberstehen.
Die Regierung hat in ihrem Bericht und Antrag festgehalten, dass eine IWF-Mitgliedschaft für Liechtenstein eine Art Versicherung für den Krisenfall sei. Das ist sicher ein Vorteil. Eine gute Absicherung für den Krisenfall ist immer gut. Es fällt aber auf, dass mögliche Nachteile im Bericht und Antrag kaum oder gar nicht angesprochen werden.
Um über einen IWF-Beitritt entscheiden zu können, sollten Vor- und Nachteile gegenübergestellt und abgewogen werden. Die Regierung geht davon aus, dass die Kosten für eine Mitgliedschaft günstiger sein werden, als noch vor zehn Jahren angenommen wurde. Wenn die Regierung heute sagt, die Mitgliedschaft werde nicht so viel kosten, wie vor zehn Jahren angenommen, ist das auch eine Annahme?
In einem Bericht und Antrag müssen Vor- und Nachteile abgewogen werden und die Zahlen, die dem Landtag oder dem Volk vorgelegt werden, müssen «verheba». Annahmen genügen nicht.
Herbert Elkuch, DPL
Vorerst geht es noch nicht um einen Beitritt. Der Landtag entscheidet, ob die Regierung Beitrittsverhandlungen aufnehmen soll oder nicht. Ein Auftrag an die Regierung, Verhandlungen zu führen, ergibt vernünftigerweise nur Sinn, wenn ein Beitritt zum IWF angestrebt werden soll. Aus Sicht der Regierung handelt es sich um eine zusätzliche Art Versicherung. Sollte der Staat, ausgelöst durch eine Naturkatastrophe, grosse Verluste im Finanzsektor oder auf sonst eine Weise unverschuldet in eine finanzielle Krise kommen, könnten beim IWF Kredite beantragt werden. Als kleiner Staat haben wir bei so grossen Institutionen praktisch kein Mitspracherecht. Im Fall einer Kreditbeanspruchung gibt es dann auch Vorgaben, was zu tun und zu lassen ist. Ein Beitritt ist ausserdem mit Kosten verbunden. Anfangs zwar noch verträglich, aber meist steigern sich die Kosten im Lauf der Zeit. Liechtenstein als unverschuldeter Staat mit relativ hohem Staatsvermögen wäre diesbezügliche in keiner guten Verhandlungsposition. Zudem wären gemäss Regierung mindestens zwei Angestellte notwendig, um die administrative Aufgabe zu bewältigen. Dazu sollen noch jährlich zehn Flüge nach Washington und Unterkunftskosten vor Ort kommen. Alles in allem kommt dann doch einiges an Kosten zusammen und summiert sich im Lauf der Jahre. Naturkatastrophen sind nie auszuschliessen, aber die Gefahr und das Risiko sind eher klein. Für die Überwachung des Finanzsektors, zum Beispiel systemrelevante Banken, ist die FMA zuständig, die jährlich mehrere Million Franken zur Erfüllung ihrer Aufgabe zur Verfügung hat. Derzeit müssen aus meiner Sicht keine Beitrittsverhandlungen geführt werden. Sollte die Lage sich ändern, kann auch später ein Beitritt erwogen werden.