Sailing Journal 64

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M e n o rca D er

U n be k a n n t es t e S t y r

# 64 | 03/2015 | D 6,00 € | A 6,00 € | CH 10 SFR | Benelux/E/I 7,20 €

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M a x i a l l er

M e n sche n

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64


: e k r ä t S e . Sein e ß ö r G e r inne

t mkonzep u a r n e n m In n. elligente Persone t n in e b it ie m s zu q7 Audi Q7 z für bis audi.de/ Der neue und Plat


Light Line

Die älteren Familienmitglieder unterwiesen die ” jüngeren. Sie liefen mit ihrem Boot auf Sandbänke und kollidierten mindestens ein Mal mit einer Tonne. Sie waren bereit, ins Wasser zu springen, um das Boot etwas leichter und damit auch schneller zu machen. Je stärker der Wind vor Cape Cod war, je mehr Schaumkronen auf den Wellen tanzten, desto besser.“ icon-legende

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James Graham. Der Kurs der Kennedys. mareverlag.

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red run

E D ITORIA L Der Letzte räumt die Erde auf. So könnte man den Satz von Stephen Hawking übersetzen, der sagte: „Ich glaube, dass wir keine 1.000 Jahre mehr überleben

dung. Finanzierung? Nicht daran zu denken. Nach Jahren der Stagnation, des Einmottens und der Abkehr herrscht eine neue Aufbruchsstimmung. Chinewerden, wenn wir zuvor nicht von diesem zerbrechlichen Planeten flüchten.“ sen, Russen, Inder, Amerikaner, Europäer, alle wollen hoch hinaus. Allerdings fliegen nur des Menschen Gerätschaften durchs All, nicht er selbst. Dafür reichen Erfahrung und technische Möglichkeiten anscheinend nicht (Geld schon mal gar nicht). Gerade mal 40 Jahre nach der Mondlandung können sechs Menschen auf der ISS zeitweise leben. Forscher träumten dagegen Etwas radikaler formuliert: Nachdem wir die Erde zerstört haben, suchen wir uns ein neuandere Träume. In den 60ern war von bis zu 100 Menschen die Rede, die auf dem es Opfer. Anstatt dass sich die Weltenlenker ändern und nach ewigen, teuren, mitleidMond leben sollten und Mitte der 80er sollten sich die ersten Erdlinge auf dem Weg erregenden Umweltschutzkonferenzen endlich den Konsens finden, den wir dringend zum Mars machen. Doch Richard Nixon („Das All interessiert mich einen Dreck.“) gab brauchen und tatsächlich auch umsetzen. Denn schon jeder Fünftklässler mit durchden Auftrag für den Bau des Spaceshuttles, dem Milliardengrab der NASA. Damals, als schnittlichem klaren Verstand versteht: Es ist 30 Sekunden vor zwölf. Ja, ich weiß, die der Kalte Krieg herrschte, war es ein Zweikampf mit den Russen, heute sieht es anders Politiker wissen sehr wohl, was los ist. Es geht mal wieder um Egos, um Macht und um aus. Die Chinesen wollen in zehn Jahren zum Mond fliegen. Die USA ziehen mit. Die Dickköpfe. Jede Kindergärtnerin kann ein Lied davon singen. Denn dort streitet sich die „Orion“, eine unbemannte Kapsel, wurde in knapp 6.000 Kilometer gebracht. So weit kommende Generation im Sandkasten. Das dürfen sie, es sind Kinder. Erwachsene Politiweg war seit den 70er-Jahren keine bemannte Raumsonde mehr im Weltraum. Die ker dürfen das auch. Nur Konsequenz und Weitsicht sollten andere sein. ESA schickt 2016 eine Sonde zum Mars, 2019 soll Rover durch die rote Wüste rollen. Für weitere Vorhaben reichen weder Pläne noch finanzielle Mittel. Der Run auf den Weltraum begann schon in den 1960er-Jahren, genauer gesagt 1961. Frank Drake (Astrophysiker) ist heute 84. Berühmt wurde er, als er mit der Drake-ForMit SpaceX ist in den USA ein privates Unternehmen wie Phönix aus der Asche in mel zu errechnen versuchte, wie viele außerirdische Zivilisationen es geben könnte. den Weltraum aufgestiegen. Der südafrikanische Milliardär Elon Musk, der sein UnN=R x fp x ne x fl x fi x fc x L Die Lösung N besagt, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, mit außerirdischen Intelligenzen Kontakt aufnehmen zu können. Ausgangsfaktor ist die Häufigkeit, mit der sonnenähnliche Sterne in der Milchstraße entstehen (R). Diese Zahl multipliziert man mit dem Anteil von Sternen, die ein Planetensystem besitzen (fp) und dieses Ergebnis mit der Anzahl der Planeten in einer lebensfreundlichen Zone (ne) – also mit der Zahl der Planeten, die ungefähr so groß sind wie die Erde und die ihren Stern in einer Entfernung umkreisen, die Leben möglich macht. Den neuen Wert multipliziert man mit dem Anteil der Planeten, auf denen wirklich Leben entsteht (fl), und den wiederum mit dem Anteil der Planeten, auf denen sich Intelligenz entwickelt (fi). Im vorletzten Schritt multipliziert man das Zwischenergebnis mit dem Anteil von Planeten, auf denen eine Technologie entstanden ist, die das Versenden von Funksignalen ermöglicht, die wir empfangen können (fc). Fehlt noch ein Faktor: die Lebensdauer einer solchen funkfähigen Zivilisation (L). „Die Gleichung war völlig plausibel. Sie hatte nur einen Haken: Man kannte nur die erste Variable: die Häufigkeit, mit der sich sonnenähnliche Sterne bilden. Alles Weitere war Spekulation (National Geographic, 2014).“ Da es mit der Kontaktaufnahme nur – sagen wir – schleppend vorangeht, sieht man sich daher nach erdähnlichen Gestirnen um. Erst in den 1990er-Jahren wurde der erste Planet entdeckt, der passen würde. Aufgrund seiner engen Umlaufbahn zu „seiner Sonne“ ist es dort allerdings 1.000 Grad warm. Das Jahr dauert vier Tage. Kurz danach fand man einen weiteren und noch weitere. Heute kennen die Wissenschaftler fast 2.000 dieser Exoplaneten. Und keiner ist genau wie die Erde. Neue Schätzungen sagen voraus, dass jeder fünfte sonnenähnliche Stern lebensfreundliche Bedingungen aufweist. Mit anderen Worten: Heute weiß man und schätzt nicht, dass es mehr lebensfreundliche Planeten gibt, als Frank Drake 1961 geschätzt hatte und damit die Astrobiologie begründete. Während man früher nur Licht und Funkwellen suchte, sprich natürliches Licht, sucht man heute nach nicht natürlichem Licht, nach Biosignaturen und nach Leben, das nicht auf Wasserstoff basiert, sondern auf Schwefelverbindungen. Auf der Erde gibt es diese Lebenswesen, die Snottiten. Sie finden sich in Höhlen und in Wüsten. Die Wissenschaft weiß, dass Leben ohne Wasser nicht denkbar ist, also sucht sie danach und findet es. Auf dem Saturnmonden Enceladus und Titan, auf dem Jupitermond Europa oder auf dem aktuellen Liebling Mars, dem roten Planeten. Obama äußerte den Wunsch, dass bis Mitte der 2030er-Jahre eine Umrundung möglich sei. Keine Lan-

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ternehmen erst 2002 gründete, bringt schon jetzt Fracht zur ISS, ab 2017 die ersten Astronauten. Solche Privatunternehmen sparen der NASA viel Geld und Manpower, denn die Forschungsarbeit bleibt beim jeweiligen Unternehmen hängen. Nicht immer verlaufen die Arbeiten positiv. So geschehen vor einigen Wochen, als sich eine (unbemannte) Rakete kurz nach Start in Rauch auflöste. Hier arbeiten sie mit wiederverwertbaren Raketen, die direkt zur Erde zurückfliegen und nach wenigen Tagen wieder starten können. Das reduziert die Kosten für einen Flug ins All auf etwa ein Hundertstel. Der Traum von Reisen ins All, den Richard Branson träumt, wird anscheinend Wirklichkeit. Aber leider nicht von ihm. Seit Ende 2014 sein ­SpaceShipTwo bei einem Testflug abstürzte und einen der beiden Piloten das Leben kostete. Eine Abkehr fulminanter Pläne ist nicht in Sicht. Kein Wunder, ist Bransons Virgin Galactic doch praktisch die Keimzelle für weltweit zahlreiche Projekte im Weltraumtourismus. Auch für Dennis Tito, den ersten Weltraumtourist aus dem Jahr 2001. Er plant seine erste Mars-Mission 2018. Das ist in drei Jahren. Die Reise soll durch private Spenden komplett finanziert werden. Die NASA begrüßt die Pläne. Natürlich. Alle für Amerika und gegen die anderen. Da nehmen sich die europäischen Pläne SpacePlane von Airbus zunehmend bescheiden aus. Aber warum wollen alle nur auf den Mars? Neugier? Überleben? Weil der Mensch es kann. Elon Musk, der schon mit dem Tesla seinen Einfallsreichtum unter Beweis stellte, will noch in diesem Jahr konkrete Pläne für sein privates Raumschiff präsentieren, das Menschen zum Mars bringen soll. In elf oder zwölf Jahren. Kühne Pläne für eine Menschheit, die momentan noch nicht einmal in der Lage ist, zum Mond zu fliegen. Höchstens zur ISS in 400 Kilometer Entfernung. „Die Menschheit hat nur eine Chance, wenn sie den Weltraum erobert“, sagt Hawking. Eher Philanthrop geht er nicht so sehr von der Zerstörung der Erde durch den Menschen aus, sondern von der Gefahr durch Asteroideneinschläge. Zugegeben, auch von (menschgemachten) Atomkriegen. Eine grundsätzliche Abkehr vom Weltraumtourismus ist wohl nicht zu erwarten, heißt es in der Branche. Der Mensch strebe in den Weltraum. Selbst zur Mission „Mars One“, bei der im Jahr 2025 Menschen zum Mars ohne Rückkehr zur Erde fliegen sollen, gab es über 200.000 Interessenten. Wie sie dort überleben wollen? Terraforming heißt das Zauberwort. Damit wir dort dauerhaft leben können, muss es deutlich wärmer werden. Dazu bedient sich der Mensch dem, was er am besten kann: Treibhausgase entwickeln. Ein künstlicher Treibhauseffekt soll die Temperatur (momentan um minus 50 Grad) um 50 bis 70 Grad steigen lassen. Mit der Zeit würden Meere entstehen, Pflanzen würden wachsen und die Marsmenschen hätten ein bisschen Luft zum (Durch-) Atmen. Der Wermutstropfen: Es würde 1.000 Jahre dauern.

Tom Körber. Chefredakteur.



inhalt

V o lv o O c e a n Rac e

8

T h e G r ac e o f Rac e .

H e imat

Reise

74

36

R e gatta

52

Jules Vernes Reisen.

V o il e s d ’ A n tib e s .

96

R e gatta

T e c h n ik

104

X40.

B lac k B o s s .

126

reise

GC32.

Menorca Maxi.

Editorial 4 Inhalt 6 shorttracks 32, 92 Da, da & da 48 Technik, Taktik & Taktvoll 50 Kolumnen 68, 70, 72 Wissen to go 71 Lesen 122 Test 124 Ausblicke 150 Abo 151 ROBERTISSIMA III. im Landeanflug auf der Menorca Maxi. Bild // Jesus Renedo/Consell Insular de Menorca

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illustration // Pierre Hervé

SA IL ING JOURN A L T E A M

Tom Körber  Er sieht die Welt nur noch in Bildausschnitten und Perspektiven. Das kann mitunter sehr belastend sein – für die Augen und das Gehirn. Ob analog oder digital ist dabei völlig egal. Über Tellerränder und in Magazine zu schauen, ist seine zweite große Leidenschaft. Das Sailing Journal basiert auf seiner Idee.

Jan Weisner  Bei seiner Leidenschaft für anspruchsvolles und schönes Layout kam 2007 das Sailing Journal gerade zum richtigen Zeitpunkt. Er ist seither für die grafische Umsetzung und Druckvorstufe zuständig. Mit seiner Firma Outline-­Graphix gestaltet er noch weitere erstklassige Special-Interest-Magazine.

Michael Walther  Wenn er nicht segelt, denkt er übers Segeln nach. Und wenn er nicht übers Segeln nachdenkt, redet er darüber. Mehr Segeln geht kaum. Der fertige Jurist liebt Mehrrümpfer. Egal ob auf einem F18 bei der Archipelago Raid, auf einem Extreme 40 mit Roland Gäbler oder, oder, oder …

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Volvo Ocean Race 2014/2015 Was war? Was wird?

TheGraceofRace

Volvo Ocean Race

8 text // michael walther


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Die Sieger bei der wohlverdienten und langersehnten Siegerehrung. Allerdings: Alle Segler, die ankamen, sind Sieger. Foto // Ian Roman/ABU DHABI RACING

Hier Video abspielen Es ist die wohl wichtigste Offshoreregatta der Welt. In neun Monaten über sechs Kontinente um die Erde. Viele Legenden ranken sich um diese Regatta. Bilder und Videos gehen um die Welt wie bei keinem anderen Rennen. Yachten im Surf, als wenn es Jollen wären. Gischt und Wasser an Bord, dass die Crew sich panisch am Grinder festklammert. Sonnenverbrannte Gesichter, die Fertignahrung in sich hineinlöffeln oder mit absurden Masken eine Äquatortaufe zelebrieren.


OneDesign.

Volvo Ocean Race Für die Spannung im Rennen hat sich dieser gravierende Schritt dennoch ausgezahlt. Nie gab es so enge Zieleinläufe. Nie zuvor konnten die Zuschauer nach Hunderten von Seemeilen die Teams in Sichtweite segeln sehen. Für die Spannung und damit die Zuschauer war dieser Schritt sicher der richtige. Natürlich macht es Seglern auch mehr Spaß, mit identischen Waffen gegeneinander zu kämpfen. Zumindest denjenigen, die sonst unterlegenes Material gehabt hätten. Dennoch frisst es unglaublich viel Kraft, wenn man Tage und Nächte neben den direkten Konkurrenten segelt und weiß, dass derjenige nachher die Nase vorn haben wird, der weniger Fehler macht. Hinzu kommt, dass die Yachten nun mit identischer Elektronik ausgestattet sind. So haben alle Yachten AIS an Bord. Dieses Automatic Identification System überträgt die Schiffsdaten in Echtzeit. So na-

Hier Video abspielen

türlich auch an die Konkurrenten. Jedes Team wusste somit jederzeit, wie schnell die Konkurrenz in welche Richtung segelt. Konnte man in den vorherigen Auflagen die anderen

Was aber waren die Besonderheiten dieser Auflage? Die

rumpeln und mit extremen Schlägen versuchen, die Füh-

Saison 2011/2012 war von brechender Kohlefaser und

rung zu ergattern, ist diese Möglichkeit jetzt nahezu entfal-

delaminierten Rümpfen geprägt. Es gab Etappen, die von

len. Laut Tom Touber, Chief Operating Officer (COO) des

demjenigen gewonnen wurden, der als Einziger heil ins Ziel

Volvo Ocean Race, soll an diesem Umstand für die nächste

kam. Der dritte Platz konnte teilweise noch mit Notrigg er-

Ausgabe gearbeitet werden. Zwar sollen die Yachten aus

gattert werden. Es musste sich etwas ändern, insbeson-

Sicherheitsgründen natürlich AIS behalten – die Konkur-

dere im Sinne des sicherheitsbewussten Hauptsponsors.

renten sollen jedoch wenn möglich davon ausgenommen

One Design war Knut Forstads Zauberwort. Alle Yach-

werden. So wären weiterhin fremde Yachten und Contai-

ten sollten von jetzt an identisch sein. Bis auf die letzte

nerschiffe sichtbar, die Teams hätten jedoch wieder mehr

Schraube oder das letzte Stück Tauwerk. Reparaturen

taktische Möglichkeiten.

müssen angekündigt werden, um nicht unter dem Deckmantel einer unnötigen Reparatur eine Verbesserung an der Yacht durchzuführen. Dies wurde dem spanischen Team ­MAFPRE in der fünften Etappe zum Verhängnis. Wertvolle zwei Punkte kostete eine Reparatur, die nicht ordnungsgemäß angekündigt war – letztlich kosteten diese zwei Punkte den Bronzerang.

medien.

Alleswirdbesser?

Teams zum Teil noch mit taktischen Entscheidungen über-

Kommen wir zurück zu der Frage, was dieses Volvo Ocean Race von den vorherigen unterschied. Das Rennen war schon immer eines der bestdokumentierten. Bereits 2011/ 2012 gab es hervorragende Bilder und Videos. Dies wurde nun jedoch noch um Längen überboten. Nie hat eine Regatta die Medien derartig mit perfekten Bildern „überfordert“. Freut man sich bei anderen Regatten über das eine oder andere Foto, so erreichen uns von den Volvo-65-Yachten täglich hochauflösende, emotionale Bilder. Die Auswahl ist zu einer echten Herausforderung geworden. Zum einen hat sich die Technik merklich weiterentwickelt, zum anderen aber auch die Herangehensweise. Versuchte man bisher, einen Segler zum Medienfachmann auszubilden, wurden bei dieser Ausgabe Kameraleute und Fotografen einem „SegelSchnellkurs“ unterzogen und an Bord gebracht. Eingreifen dürfen diese eh nicht, sie sollen sich ausschließlich auf die Dokumentation konzentrieren. Und dies haben die sechs Männer und eine Frau hervorragend erledigt.

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Geschafft! Nach neun Monaten und 38.000 Seemeilen auf See (abgesehen der Stopp Over) läuft die ABU DHABI RACING in Göteborg ein. Foto // Carlo Borlenghi/VOR


Volvo Ocean Race

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Nun soll es ja in allen Bereichen immer spannender, spektakulärer und aufregender werden. Die Zuschauer verlangen angeblich immer nach Steigerungen. Wie aber sollte man diese perfekte Dokumentation noch steigern? Auch hierzu gibt es bereits Pläne. Die Fitnessdaten der Segler an Bord könnten mit eingebunden werden. So könnten die Zuschauer an Land erkennen, welche Yacht in Führung liegt und welches Team bereits wie übermüdet ist. Das Rennen und die Segler werden also immer gläserner. Dass die Segler teilweise an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen sind, zeigte sich auch während dieses Rennens. So führte die Kombination aus einer Vielzahl von unglücklichen Umständen wohl zu dem einschneidendsten Moment dieses Rennens: „At 1510 UTC, Saturday, November 29, Team Vestas Wind informed Race Control that their boat was grounded on the Cargados Carajos Shoals, Mauritius,

„Früher verbrachten wir sehr viel Zeit damit, herauszufinden, wo wir waren, heutzutage wissen wir es auf den Meter genau, und das rund um die Uhr.“ Ian Walker

Steigerung

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in the Indian Ocean. Fortunately, no one has been injured.“ TEAM VESTAS WIND lief am 29. November 2014 auf ein Riff in der Nähe von Mauritius auf – zum Glück wurde niemand ernsthaft verletzt. Zu diesem Unfall haben verschiedene Aspekte beigetragen. Unter anderem auch die Müdigkeit, welche die Teams zu diesem Zeitpunkt belastete. Die Tage vor dem Unfall waren von einem tropischen Sturm geprägt, sodass die Mannschaften an der Belastungsgrenze waren. Wohl nur so lässt sich erklären, dass ein erfahrener Skipper und ein ebenso erfahrener Navigator nicht merken, dass ihr Schiff auf ein Riff aufläuft. Hinzu kam die kurzfristige Verschiebung einer Sperrzone, auf die die Teams nur noch teilweise reagieren konnten. Die Unglücksstelle lag innerhalb der Sperrzone, die das Race Management ursprünglich zum Schutz vor Piraterie eingerichtet hatte. Diese Sperrzone wurde kurz vor dem Start der Etappe verkleinert. Den Navigatoren blieb jedoch nicht mehr ausreichend Zeit, um den neuen Bereich ausführlich zu studieren. Diese Verkettung unglücklicher Umstände in Kombination mit Müdigkeit führte zu dem Moment, der das Volvo Ocean Race 2014/2015 prägte. TEAM SCA beendete das Rennen auf dem vorletzten Platz, nur TEAM VESTAS liegt hinter ihnen. Foto // TEAM SCA


Volvo Ocean Race

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Inshore Race in der Bucht vor Göteborg am nördlichen Rand der Hafeneinfahrt. Vorn im Bild liegt die Festung Nya Elfsborg, die 1645 im Kampf gegen die Dänen errichtet wurde. Foto // Carlo Borlenghi/VOR


Volvo Ocean Race

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MAPFRE und DONGFENG RACE TEAM befinden sich schon kurz vor der schwedischen K체ste. Auf der neunten und letzten Etappe belegten sie die Pl채tze drei und vier. Foto // Carlo Borlenghi/VOR


Styr&Ställ

Volvo Ocean Race

text & Bild // tom körber

IWC prangt in großen leuchtenden Lettern am Himmel. Imaginär versteht sich. Ian Walker Club. Hat eine seiner Töchter erfunden. Unrecht hat sie nicht, obwohl das Kind natürlich stark beeinflusst ist. Wer will dagegen etwas sagen? Vier Preise gab es innerhalb der Hatz um die Welt zu gewinnen. Wer gewann sie? Eben. IW. Gesamtsieg ist klar. Dann kommen noch der 24-Stunden-Rekord, der Sieg in der Kategorie Inshore Race und zu guter Letzt holte sich Matt Knighton den ersten Platz für den besten Onboardreporter.

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Auf diese banalen Gegebenheiten des keineswegs banalen Lebens eines Profiseglers ließe sich der Tagesablauf reduzieren. Wenn der nicht hin und wieder durch solch banale Dinge wie Probleme mit der Wasserpumpe, hakelnde Canting Keels, fehlende Internetverbindungen oder ­„Riffaufläufe“ jäh unterbrochen worden wäre. Zum Glück gibt es da vier Stunden off, so zumindest der Wachrhythmus des ABU DHABI

Smart&Clever.

Cooking&Cleaning.

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20 Meter, die sich wie ein Zehn-Meter-Boot segeln lassen. Die VOR 65 ist mittlerweile eine Einheitsklasse, die eine gewisse „Waffengleichheit“ bieten soll. Für leidgeprüfte Skipper wie Ian Walker (ABU DHABI RACING) ein Segen. War er doch im vergangenen Volvo auf einem alten Boot technisch weit unterlegen. Aber wer hat schon Bock, sich ständig auf alte Gerätschaften rauszureden? Diesmal ist alles anders. Nach zwei fünften Plätzen nun der Sieg, als erster Engländer in der Geschichte des Rennens. „I’m also counting on us having the most cohensive team on the water. We’re international, experienced, and we’re friends“, sagte Ian vor dem Rennen. Und er sollte recht behalten. Mehr als die Hälfte des Teams ist

RACING TEAMs, noch mehr Glück verheißen zwei Stunden

mit ihm schon um die Welt gesegelt, Justin Slattery nun schon das

Schlaf. Glück? In einer heißen Nomex-Karbonfaserhülle

dritte Mal. Ebenso oft segelte Ian das Volvo. Ian hat Gespür und

in den Tropen? Das soll Glück sein? Läge das nicht eher in

Näschen für das richtige Team. Seiner Erfahrung ist es vor allem

einem saftigen Steak? Irgendwie müssen die rund 4.500

zu verdanken, dass die Kampagne erfolgreich endete. Und es ist

Kalorien (bis zu 6.500) ja in den ausgemergelten Körper.

keineswegs so, dass nur auf dem Wasser gekämpft wird. Erfah-

Was hilft es, Tütennahrung mit satten Dickmachern steht

rungen zählen auch für die Sponsoren beziehungsweise bei deren

auf dem Speiseplan. Trotz der Kalorienbomben verliert ein

Gewinnung. Manche behaupten, dass das das härtere von beiden

Segler auf den langen Hammeretappen bis zu zehn Prozent

Rennen sei. Um die zwölf Millionen Euro sollen dem Team zur Ver-

seines Gewichts. Die Crew wird quasi kleiner. Auch die jun-

fügung gestanden haben. Jedes Syndikat verpflichtet sich auch mit

gen 30-jährigen Heißsporne, die 24/7 Vollgasgeben wollen.

dem Boot am nächsten Rennen teilzunehmen. Will es das nicht, muss das Boot entweder an Volvo oder an einen anderen Teilneh-

FreedomofFocus.

mer verkauft werden. Die Segler segeln mit absolut identischem Wer um die 50 Lenze zählt, gehört zu einer anderen Ge-

Material oder wie es Ian mit feinsinnigen englischen Humor aus-

neration an. Segler wie Ian Walker (ABU DHABI RACING),

drückt: „Es ist noch nicht einmal erlaubt, das Ende eines Taus abzu-

Bouwe Bekking (TEAM BRUNEL) oder Will Oxley (TEAM

schneiden, denn alle Taue müssen auf jedem Boot identisch sein.“

ALVIMEDICA), alle um die 50, mussten lernen, ihre innere Geschwindigkeit dem monatelangen Rennen anzupassen,

Dennoch kann Geld nicht alles regeln. Wenn die Segler selbst kei-

das gelingt nur durch Erfahrung. Da hilft es, wenn man mehr

ne Verantwortung übernehmen, schafft man als Team noch nicht

als 200.000 Seemeilen auf dem alten Buckel hat. Nicht den

mal eine Etappe. Jeder an Bord ist für seinen ­Einsatz­bereich

Fokus aus den Augen verlieren heißt auch, dass Smartpho-

und sich selbst verantwortlich, ganz egal ob es sich um die

nes auf den Booten verboten sind. Knapp 38.000 Seemei-

Verpflegung, Elektrik, Navigation oder die Segel handelt. Stel-

len auf neun Etappen hinterlassen ihre Spuren, auch und

len Sie sich vor, Sie gehen auf einen drei Wochen langen Törn

vor allem in den Gesichtern. Zermürbend die Flautenlöcher,

und vergessen ihre Sonnenbrille oder Ihre ­Schuhe. Okay, das

zerbrechend die Stürme, zerfressend der Druck. Alle wol-

war einfach, aber stellen Sie sich vor, Sie lassen unter Deck

len was. Enge. Nässe. Schlafmangel, treibende Container,

ständig das Licht brennen oder verbrauchen alle Naselang li-

lauernde Piraten, Tanker, Routenplanungen, Wetterlesen,

terweise Wasser – das gibt Stress mit dem Skipper. Checklis-

Sponsoren oder andere Teams. Ein immerwährender Ritt

ten sind ein ­unbedingtes ­Muss – einfach, aber wirksam. Jeder

auf der Rasierklinge in Gegenden, in die man ohne das Vol-

Segler kann für seinen persönlichen Gebrauch mitnehmen, was

vo gar nicht gekommen wäre. Und das kann jeder sehen.

er will (außer ein Smartphone) – vorausgesetzt, es passt in die

Viele Fans kennen die Lage an Bord ihres Lieblingsbootes

Tasche, die jeder mitnehmen darf. Die dortigen vakuumver-

besser als die Freunde ihrer Kinder. Auch das ist das Volvo:

packten Klamotten können den Himmel auf Erden bedeuten.

eine multimediale Nonstopüberwachung. Zwei Kameras

Ähnliches gilt für das Essen. Bei ­wochenlangen Pasta- und

zeichnen rund um die Uhr auf, was an Bord los ist. Und so

Reisgerichten aus Fertigtüten und heißem Wasser werden so

kann die halbe Welt zusehen, wie die VESTAS aufs Riff se-

unscheinbare Dinge wie Olivenöl, Tabasco oder Parmesan

gelt und dass niemand unter Deck vor dem Bildschirm sitzt.

zu wahren Gourmetwunderwerken. Was so ein kleiner Tee-

Dumm gelaufen.

löffel voll bewirken kann ... Eine der wichtigsten Erfahrungen während solcher Rennen ist das Wertschätzen kleiner Dinge.


so etwas wie eine Konkurrentin zur Hauptstadt Stockholm. Bei uns in Schleswig-Holstein fällt mir da – ganz ­spontan – der Vergleich zwischen Kiel und Lübeck ein. Zurück ins nördliche Nachbarland: Im Freihafen gleich gegenüber der Oper und der stolzen Viermastbark VIKING ist das temporäre (Festival-)Gelände entstanden. In Sichtund Hörweite zur Stadt, getrennt nur durch eine Fähre. Das Hemdsärmlige der internationalen Seglergemeinde passt zur Stadt. Leute, die ihren Kaffee mit gespreizten Fingern trinken, wird der Besucher hier vergebens suchen. Vielmehr findet man hier hippe Cafés, in denen die Besucher, immer an der Wand, zwischen den Autos sitzen, coole Klamottenläden, kleine Designershops, Antiquitäten und die scheinbar allgegenwärtigen Konditoreien samt Kalorienfängern. Vor allem zur Mittagszeit essen

IanWalkerimGespräch.

ComingHome.

Göteborg ist die zweitgrößte Stadt Schwedens und damit

„Nicht Technologie hat das Volvo gewonnen, sondern die Segler. Beim vergangenen Rennen war das noch anders, dort gewannen Segler und Technik gemeinsam. Einer unser Hauptpunkte war, unser Risiko zu minimieren. Von Beginn an wussten wir, dass wir das Rennen gewinnen können, wenn wir uns an unseren Plan halten. Das betraf die Präparation des Boots als auch die Segler gleichermaßen. Ebenso betraf es unsere Taktik und Strategie während des Rennens. In den vergangenen 18 Monaten war ich 53 Tage zu Hause. Mit zwei Kindern verpasse ich da sehr viel. Wenn ich am nächsten Rennen noch teilnehmen sollte, würde ich sie wahrscheinlich erst dann zu Gesicht bekommen, wenn sie auf die Uni kommen. Man darf auch nicht vergessen, dass solch ein Rennen sehr viel Energie kostet. Jeden Morgen aufwachen bedeutet, das Volvo in dir zu haben. Es ist gar nicht so sehr das Rennen

die Schweden anscheinend nirgends lieber als an fahrba-

selbst, es ist das ganze Training drumherum, jeden Mor-

ren Foodtrucks. Geduldig warten sie in langen Schlangen,

gen um sechs ins Gym, Sicherheitstraining, Teamführung,

bis sie ihre Burger, Tacos, Veganes oder Indonesisches

Technik und, und, und. Klar, ich bin ein recht passabler

bestellen können. Der Sommer ist kurz, da will auch die

Segler, aber ich bin bestimmt nicht der beste Segler auf

kurze Mittagspause optimal genutzt werden. Ein Trend,

dem Boot. Muss ich auch gar nicht sein. Mein Job ist, die

der auch bei uns – wie immer später als anderswo – ins

besten Segler für die jeweilige Position zu finden und das

Rollen kommt. Kein Wunder, dass Göteborg 2012 zur ku-

Beste aus ihnen herauszuholen. Der wichtigste Punkt ist

linarischen Hauptstadt gewählt wurde. Welchen Stellen-

wohl, das Team zu führen. Selbst wenn ich der beste Seg-

wert zum Beispiel hier der Fisch besitzt, sieht man in der

ler der Welt wäre, würde das Team nicht als Team funkti-

Fischmarkthalle. Nicht nur ihr Aussehen erinnert an eine

onieren, wenn ich es nicht führen und motivieren könnte.

gotische Kirche, auch ihr Name symbolisiert das Standing:

Man kann das nicht wie einen x-beliebigen Nine-to-five-

Fischkirche. Nicht verwunderlich, dass hier fünf Restau-

Job abspulen, dafür ist es zu aufwendig, aufreibend und

rants mit Michelinsternen um Kundschaft buhlen.

vor allem zu emotional. Wenn man mich jetzt direkt nach dem Zieleinlauf fragen würde, würde ich wohl Nein sa-

Trotz kreativem Reichtum ist man hier bodenständig ge-

gen, aber wer weiß, wie es in ein paar Monaten aussieht.

blieben. Geschuldet vielleicht der Tradition als Hafen- und

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Industriestadt. Auf beiden Seiten des Hafens (der größte

Die Jungs müssen verstehen, dass sie nicht wegen des

Skandinaviens) liegen entweder (mittlerweile restaurierte)

Geldes ins Team kommen, sondern um hinter mir und

Werften oder noch in Betrieb befindliche Terminals der

den anderen zu stehen. Wenn sie das nicht können oder

Stena Line. Hier legten schon die Ostindienfahrer ab und

wollen, finde ich jemand anderen. Das ist okay, ich bin da-

an, brachten nicht nur Exotisches, sondern auch monetären

rüber nicht böse, wenn jemand absagt. Nach einem Sieg

Reichtum. Die Strände rund um Göteborg werben mit Na-

wie diesem hört sich alles so an, als ob ich viel richtig ge-

men wie „schwedische Riviera“. Lange Sandstrände entlang

macht hätte. Das Team stand hinter mir, alles gut also. Tat-

der Küste sind das Markenzeichen der Gegend. Der Histo-

sächlich ist es echte Herausforderung, ein harmonisches

rie als Handelsstadt und der Wassernähe sei Dank – Segeln

Team zusammenzustellen, vor allem wenn das Rennen

steht hier hoch im Kurs. Meistens zeigt sich das Meer von

über solch einen langen Zeitraum geht. Jeder hat seine ei-

seiner freundlichen Seite, so wie in diesen Tagen, als das

gene Motivation, jeder verhält sich ein bisschen anders un-

Volvo Ocean Race hier endet. Und das nach 2006 bereits

ter Druck. Es gilt, verschiedene Charaktere unter einen Hut

zum zweiten Mal. Damals gewann Paul Cayard auf der

zu bringen. Der schwerste Part in meinem Job ist, Nein zu

­PIRATES OF THE CARIBBEAN. Für Volvo ist es fast schon

sagen. Ich bekomme so viele E-Mails von jungen Seglern,

Ehrensache, das Renen um die Welt in der Heimatstadt Vol-

die mitmachen wollen. Oft ist es auch eine Frage des Alters,

vos enden zu lassen. Rund 500.000 Besucher und Bewun-

wir haben zwei Jungs an Bord, die unter 30 sind. Insgesamt

derer sprechen eine eindeutige Sprache.

sind jetzt 56 Segler in den Teams um die Welt gesegelt.


”Some of my best memories of this race have been just getting back to shore in one piece“ Chris Nicholson

Volvo Ocean Race

Schon die Kleinen riskieren nebenbei mal ein Auge auf einem der Begleitschiffe, wenn im Göteborger Hafen die Volvo's segeln.

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Volvo Ocean Race

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Oben: Göteborgs Oper. Gegenüber im Freihafen liegt das Volvo Ocean Race Village. Unten: Selbst der kleinste Platz wird für Tische und Stühle genutzt. Hauptsache draußen sitzen, vor allem in Haga.


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Oben: Boutiquen, Antiquitäten, Cafés – so lebt man in Haga, einer der angesagtesten Stadtteile Göteborgs. Unten: Blick von der alten Festungsanlage auf das hafennahe Umfeld, das von der Industrie geprägt war. Fotos // Tom Körber


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Volvo Ocean Race

Oben: Am Roselundskanalen liegt der Fischmarkt. Die gotische Markthalle wird im Volksmund Fischkirche genannt. Unten: Die Victoriapassagen, eine der vielen kleinen Passagen in der Innenstadt. Wie immer: mit CafĂŠ.

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29 Oben: Die sp채teren Sieger auf der sechsten Etappe. Justin Slattery beim Aufr채umen nach einem Segelwechsel. Foto: Matt Knigthon/ABU DHABI RACING Unten links: Ian Walker. Skipper der ABU DHABI RACING. Foto // Matt Knigthon/ABU DHABI RACING Unten rechts: Knut Frostad. CEO Volvo Ocean Race. Foto // Carlo Borlenghi/VOR


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Oben: Das Große Theater aus dem Jahr 1859, direkt an der Hauptstraße Göteborgs, der Kungsportsavenyn gelegen. Foto // Tom Körber Unten: Blick von Bord der ALVIMEDICA kurz nach dem Start des Rennens in Alicante. TEAM VESTAS und DONGFENG liegen noch in unmittelbarer Nähe. Foto // Amory Ross/TEAM ALVIMEDICA

it s all about being prepared to take the risks.“ IWC

Volvo Ocean Race


31 persönlich schockiert: Es war noch nie so schlimm wie in

können diese Segler auf ihre jetzigen Erfahrungen zu-

diesem Rennen. Es war teilweise so schlimm, dass die Seg-

rückgreifen. Das ist wichtig, denn ich brauche jemand mit

ler regelmäßig die Schwerter und das Unterwasserschiff

Erfahrung, wenn mitten in der Nacht im Südpolarmeer et-

sauber machen mussten, weil das Plastik ständig irgendwo

was geschieht. Da muss er richtig reagieren können. Na-

hängen blieb. Ein Horror. Dagegen müssen wir etwas tun.

türlich können Fehler passieren, aber Erfahrung ist durch

Gerade hier in Göteborg haben wir einen Ocean Summit

nichts zu ersetzen. Ich hatte das Glück, mir das Team mit

(ebenso in den USA) abgehalten, in

der meisten Erfahrung zusammenstellen zu können, das

dem wir mit Ozeanografen, Regie-

hat sich ausgezahlt. Teams mit weniger Budget müssen auf weniger erfahrene Segler zurückgreifen. Die können aber auch wieder mit Enthusiasmus glänzen. Mittlerweile ist das Rennen so eng geworden, dass wir nur Minuten voneinander entfernt ins Ziel kommen, nachdem wir bis zu 20 Tagen auf See waren. Das ist sehr intensiv und bedeutet oft puren Stress. Anhand der Computerdaten wissen wir genau, wer wo wann ist und wie schnell er ist. Das gilt auch für Containerschiffe oder Tanker, bei denen bekommen wir sogar noch ihren Namen auf den Bildschirm. Es wird exakt vorausberechnet, wann er unseren Kurs kreuzen wird und wann es – theoretisch – zur einer Kollision kommen könnte. Wir können mit ihnen in Kontakt treten und sie bitten, ihre Geschwindigkeit zu drosseln, damit wir Vollgas geben können. Wenn wir Frachtschiffe weit draußen auf dem Ozean trafen, hat jeder

CEOdesVolvoOceanRace, KnutFrostad,imGespräch.

seinen Kurs um ein paar Grad geändert, um uns zu helfen.“ „Ich bin ein Freund von Veränderungen. Die Welt, in der wir leben, verändert sich andauernd und – gefühlt – immer schneller. Beim Volvo versuchen wir die Messlatte möglichst weit oben zu haben. So planen wir zum Beispiel, beim nächsten Rennen zusätzliche biometrische Daten der Segler anbieten zu können. Wir sprechen sehr viel darüber, wie schnell die Boote sind, wie gut die Technik funktioniert hat. Wir sprechen zu wenig über die Menschen. Das wollen wir damit ändern. Auf einem Boot haben wir testweise biometrische Daten ausgelesen. So

”We have to shake the world about the plastic polution in our oceans.“ Knut Frostad

Wenn es an die Teamauswahl für das nächste Volvo geht,

rungen und NGOs zusammensitzen. Es stellt sich heraus, dass wir immer noch zu wenig über die Ozeane wissen, und da das Plastik mitten auf den Ozeanen schwimmt und nicht in Sichtweite von Land, sehen nur die wenigen Schiffe, die auf den Ozeanen unterwegs sind, diese Sauerei. Wir wollen diese Verschmutzung dokumentieren und die Welt wachrütteln. Gerade heute Morgen lief eine Präsentation über den Grad der Verschmutzung. Was soll ich sagen, als ich der Dame zuhörte, hätte ich heulen können. Es geht gar nicht mehr darum, die Verschmutzung zu stoppen, sondern nur noch, wie wir sie verlangsamen können. Das finde ich sehr deprimierend. 2020 wird das Verhältnis von einer Tonne Fisch zu acht Tonnen Plastik liegen. Das muss man sich einmal vorstellen. Mittlerweile finden Wissenschaftler Plastikpartikel in 90 Prozent aller Meeresschildkröten. Jeder ist genervt, wenn Plastikmüll in seinem Garten rumliegt, aber im Meer interessiert es niemanden. Das meiste Plastik befindet sich

machten wir die Erfahrung, dass Herzfrequenzraten relativ

unterhalb der Wasseroberfläche.

langweilig sind, zumindest auf Dauer. Interessanter dage-

Nur die Straße von Malakka (Meerenge zwischen der

gen ist, wer gerade (wie lange) schläft und wer wach ist.

Malaiischen Halbinsel und Sumatra) ist noch schlimmer.

Das ist auch ein Sicherheitsaspekt, da wir sehen können,

Es vergeht nicht ein Tag, an dem man nicht mit etwas

wer genug Schlaf bekommt und wer nicht. Das wieder-

Großem wie Baumstämmen, Paletten etc. zusammen-

rum bietet Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand. So

stößt oder es sich in den Rumpf bohrt.

könnte man vermutlich aufgrund von Schlafmangel falsche Entscheidungen öfter fallen. Natürlich können und

Aber zurück zu den Veränderungen. Ebenso wollen wir die

wollen wir nicht neun Monate über Schlafen reden, aber

Energiegewinnung durch Solar und Hydroenergie umwelt-

das wäre ein neuer Aspekt. Umweltverschmutzung wird

freundlicher gestalten. Wir denken auch an Mixed Teams.

ein weiterer sein. Was wir beobachten: Die Meeresver-

Das könnte ganz interessant werden. Aber da sind wir noch

schmutzung nimmt von Rennen zu Rennen zu. Was mich

in der Phase des Nachdenkens.“


Volvo Ocean Race

SAIL in Festival

E

in neues, weltweit einzigartiges Festival hat im vergangenen Jahr das Licht der

Jolokia, discover the history of the Vendée Globe, revive sailing around the world

Segelwelt erblickt. Im September 2014 erfüllten vor allem Segel und Salzge-

with the Volvo Ocean Race and the Barcelona World Race, sailing in search of the

ruch die Stadt Bilbao, als die erste Ausgabe des „SAIL in Festival“ stattfand.

best waves for surfing, thrill with children of Santander’s Sailing School, meet the

Die Veranstalter wollten Segelinteressierte Menschen, ob Segler oder Nichtsegler,

problem of plastics in the oceans or reach remote islands in the Arctic with the na-

zusammenbringen. Da einer der Veranstalter ein Abonnent des Sailing Journal ist, ist

vigator Albert Bargués. In summery, a great festival, unique in the world, where we

es für uns eine Selbstverständlichkeit, das Festival auch bei uns bekannt zu machen.

could see an audience of all ages from all over Spain. An almost must for everyone who loves sailing and for those who want to discover it.

Der Veranstalter „SAIL in Festival“ was created in order to transmit the values of sailing, revealing

4 Days – 9 Talks – 3 Exhibitions – 11 International Guests

the stories and their protagonists, regatta sailors or adventurers, who represent different ways to live sailing. In this first edition we could have many of them:

In diesem Jahr findet das Festival vom 3. bis 6. September wieder in Bilbao statt.

Michel Desjoyeaux, Iker Martinez, Anna Corbella, Pepe Ribes, Unai Basurko.

Wer in der Nähe sein sollte – unbedingt vorbeischauen. Hauptthemen werden unter anderem Sir Peter Blake, America’s Cup, Mini Transat, Route du Rhum und

We started with the presence at the inauguration of two big sailors and adven-

Trophée Jules Verne sein. Auf folgende Gäste dürfen Sie sich unter anderem freu-

turers: Capucine Trochet and Laura Dekker. We hear from them incredible ad-

en: Peter Blake Family, TEAM ORACLE USA und viele andere.

ventures and stories full of emotion and hope. Over the next few days we could enjoy the tribute to Eric Tabarly, knowing the history of overcoming from Team

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Meer Infos unter www.sailinfestival.com


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Wissenschaft als atemberaubendes 360-Grad-Erlebnis

U

nsere Ozeane und die großen Meeresströmungen werden durch die

Mobile Medienkuppel

Kraft unzähliger kleiner Wirbel im Wasser beeinflusst. Vergleichbar mit

Zusätzlich hat das Helmholtz-Zentrum Geesthacht einen ganz besonderen Ort

den Zahnrädern eines Uhrwerks greifen diese Wirbel ineinander und

geschaffen: In einer circa 70 Quadratmeter großen aufblasbaren Medienkuppel

bestimmen das weltweite Klima, das Auftreten von Algenblüten und auch die

werden „Uhrwerk Ozean“ und weitere Fulldome-Produktionen gezeigt. Die mobi-

Wanderungen von Fischen.

le Medienkuppel ist vom 10. bis 14. September 2015 zu Gast in Eckernförde. Dort findet Europas größtes Naturfilmfestival „GreenScreen“ statt. Neben der mobilen

Küstenforscher des Helmholtz-Zentrums Geesthacht untersuchen diese nahe-

Kuppel lädt dort auch die LUDWIG PRANDTL zum „Open Ship“ ein. Anschlie-

zu unerforschten Wirbel und stellen in dem einzigartigen crossmedialen Projekt

ßend geht es weiter nach Frankfurt. Gemeinsam mit dem Land Schleswig-Holstein

„Uhrwerk Ozean“ ihre Arbeit vor. In einer neunminütigen animierten 360-Grad-

präsentiert das HZG dort vom 2. bis 4. Oktober im Rahmen der Feierlichkeiten

Fulldome-Produktion taucht der Betrachter an Fischen und Quallen vorbei, erlebt

zum Tag der Deutschen Einheit die mobile Kuppel und stellt das Projekt „Uhrwerk

den Einsatz eines Forschungszeppelins und verfolgt Wissenschaftler bei ihrer

Ozean“ vor. Der Eintritt zur mobilen Medienkuppel ist frei.

Jagd nach den Wirbeln. In Kombination mit dreidimensionalem Sound wird die Welt der Forscher so erlebbar und leicht verständlich vorgestellt.

Kreativer Kopf hinter diesem ambitionierten und weltweit einzigartigen Projekt ist der Kieler Filmemacher Daniel Opitz mit seinem Unternehmen OCEAN MIND, das

Begleitend zum Film erklärt eine besondere Webseite (www.uhrwerk-ozean.de) die

sich auf die Entwicklung und Produktion sogenannter „immersiver“ Medien und

verschiedenen Elemente des Films. Man kann in Filmsequenzen eintauchen und

Erlebniswelten spezialisiert hat.

selbst zum Entdecker werden. 360-Grad- Sequenzen können kostenlos heruntergeladen und auf Virtual-Reality-Brillen und mit Smartphone-Tools betrachtet werden.

Meer Infos unter www.ocean-mind.com.


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aus g abe n & ei n e p h o t o issue im ab o n n eme n t f 端 r 2 2 E ur o

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p r i n tA B O

w w w . sai l i n g - j o ur n a l . de


regatta

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Ks, kurze Kurse & kochendes Wasser.

Dichter gehts kaum. Eine Handbreit Wasser – nein, nicht unterm Kiel, sondern zwischen Rumpf und Mauer. So dicht segeln die 40-Füßer unter Land. Extrem, könnte man meinen. Kein Wunder, die Dinger heißen ja auch so. Extreme 40 macht seinem Namen alle Ehre. Extreme Regattabahn. Extreme Kurse. Extremes Reagieren. Extreme Manöver.

Hier Video abspielen

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foto // JENS HOYER

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Paul Kohlhoff an der Pinne des Team Extreme Germany. Mit nur wenig Trainingszeit ersegelte sich die Crew dennoch einige Achtungserfolge.


foto // Jesus Renedo

S text // Tom Körber

Schwer zu segeln, hier in der Hamburger Hafen City, in Sichtweite der Elbphilharmo-

nie. Bei so vielen Extremen (inklusive Konzerthaus) wird einem als Zuschauer ganz schwindelig. Vielleicht ist genau das das Konzept der Macher. Enge Räume für alle. Die

Segler können sich nicht verstecken, geschweige denn nach einem Manöver auf einem längeren Schenkel durchatmen. So geschehen in Cardiff, Porto, Istanbul und Venedig. Jetzt Hamburg. Ende August St. Petersburg. Hamburg setzt aber Maßstäbe mit seinem Kurs, der von Kaimauern begrenzt ist, die aufgrund des ablaufenden Wassers immer

höher wurden. Nicht nur optisch. Keine 300 Meter breit ist dieser Kurs, wird sich aufgrund des Tidenhubs stark verändern, ebenso die Winde, die stark drehen.

Spektakuläre Segelszenen und Action pur. Die Extreme 40 sind gerade bei den starken und böigen Bedingungen sehr schwer zu kontrollieren. Familie Kohlhoff gelingt dies trotz geringer Trainingszeit.

Wer hier auf den Booten rumturnt, will es nicht anders. Womit wir beim deutschen Team wären. Die vier Ks, das wären Vater Peter Kohlhoff und Söhne Paul, Max, Johann. Roland Gäbler, der eigentliche Skipper, fiel wegen einer Mittelohrentzündung aus, so musste Paul ans Ruder und mit Phillip Kasüske (STG Lasersegler) ein weiteres K an Bord.

Hier Video abspielen

Nicht einfach in dem kochendem Wasser, mit seinen „unvorhersehbaren elbischen Böen“, philharmonischen Fallwinden und fiesen Strömungen aufgrund von ablaufen-

dem Wasser (ja, hier gibt es Ebbe und Flut) sowie kreuzenden Judge-Dingis, die gern

foto // Jesus Renedo

mal im Weg rumliegen. So geschehen am letzten Tag, als die GAC bei einem riskanten Startmanöver die Wahl hatte, entweder in ein Schlauchboot der Wettfahrtleitung zu fahren oder aber ihren Leeschwimmer unter den (angehobenen) Rumpf der dänischen SAP zu schieben. Sie entschieden sich für Zweiteres. Das Ergebnis: Die Briten mussten mit gebrochenem Vorstag aufgeben, die Dänen verloren wertvolle Zeit, das Schlauboot überlebte beziehungsweise deren Insassen wischten sich den Schweiß von der Stirn. Bereits einen Tag vorher schoss die SAP schon in die Sonne, was bekanntermaßen bei Katamaranen gern mal geschieht. Bei 40 Fuß sieht es aber spektakulärer aus. Und ja, es kommt seltener vor als bei den kleineren Brüdern. „Die können schon umkippen, die haben halt keinen Kiel drunter“, so Stevie Morrisson, Skipper OMAN AIR. „Der Überschlag der SAP hat uns aber daran erinnert, wie viel Druck auf den Booten herrscht und wie viel Respekt wir immer wieder haben sollten.“ Auch Sarah Ayton, als einzige Frau im männlich dominierten Extreme-Zirkus auf der THE WAVE, MUSCAT für Taktik und Stratege zuständig, zeigt sich beeindruckt vom Hamburger Wetter: „Das hatte irgendwann rein nichts mehr mit meinen Aufgaben zu tun. Auch wir wollten dann nur noch überleben und kämpften darum, heil ins Ziel zu kommen.“

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regatta

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Ebenso wie viele ihrer Mitsegler (unter anderem Stevie Morrisson) der Extreme Sailing Series segelte sie schon zweimal bei den Olympischen Spielen um Edelmetall mit. Auch für den deutschen Nachwuchs-Segelstar Paul Kohlhoff (20). Gerade gewann er auf dem Nacra 17 mit Carolina Werner die Kieler Woche. Auf der anschließenden WM holten sie sich ihr Ticket für die Olympischen Spiele 2016 ab. Wunder durfte man nach nur einem Tag Training von den fünf K's nicht erwarten. Während bei den großen Regatten wie dem Volvo Ocean Race oder dem America’s Cup die Boote in der Regel jwd (janz weit draußen) ihr Heil suchen und für den Zuschauer die seglerischen Leistungen kaum bis gar nicht nachvollziehbar sind, sitzt er hier in der ersten Reihe, wie bei der Sportschau. Er sieht die Anspannung, hört das Schreien der Skipper, riecht das kochende Wasser und erlebt Segeln pur. Selbst für die Segler sind die Extreme 40 herausfordernd zu handeln. Innerhalb von 30 Sekunden müssen sie ihre Boote stoppen, wenden, beschleunigen, stoppen, wenden, beschleunigen. Mit anderen Worten: sicher über die Ziellinie bringen. Und das achtmal pro Renntag. Während der 15-minüten Rennen kann zu jeder Zeit alles geschehen und bei der Rundung an einer anderen Stelle. Während einige zum Beispiel am Südufer der Elbe einparkten, ging direkt vor der Tribüne plötzlich die Post ab beziehungsweise die Winddüse an. Wer an der richtigen Stelle war, hatte schlichtweg Glück. Konnte das aber keine 100 Meter an der Luvtonne sofort wieder verlieren. Dicht gedrängt sind hier eben nicht nur die Zuschauer.

die Sommermonate seltenes – Orkantief, dessen Ausläufer das Wasser zum Kochen brachten. Dunkle Regenfronten wechselten sich mit extrem böigen Südwinden ab, die allerdings anzeigten, dass das Tiefdruckgebiet durchzieht und mit folgenden Südostwinden anzeigt, dass es sich entfernt. Wie schon bei den anderen Events zuvor besaß Leigh McMillan, Skipper der THE WAVE, MUSCAT, die besten Nerven, um die eher an eine Rallyestrecke erinnernde Race Area zu bewältigen. Er und sein fünfköpfiges Team gewannen nach vier windigen Renntagen den Hamburger Event und bauten damit gleichzeitig ihre Führung in der Gesamtwertung aus. Dabei verloren sie noch am zweiten Tag ihre Hamburger Führungsposition nach sieben wechselhaften Rennen an die Russen auf der GAZPROM und die OMAN AIR. Erst am dritten und vorletzten Regattatag fand der Engländer das richtige Rezept und arbeitete sich mit einem dritten Tagesplatz wieder auf den zweiten Platz vor. Einen Tag später holte sich die Crew um Skipper McMillan den Gesamtsieg in Hamburg. Entspannung? Fehlanzeige. Bereits vier Tage später segelt er schon wieder in Kiel beim GC 32 Cup auf der SULTANAT VON OMAN. Diesmal auf Foils. Genau das könnte den Extreme 40 „drohen“. Ob es allerdings eine sinnvolle Strategie ist, jedes Boot mit Foils auszustatten, nur weil die momentan angesagt sind, sei mal dahingestellt. Die Action, die die Besucher so anzieht, wird damit flöten gehen.

Teilweise konnten die zahlreich angereisten Zuschauer die Boote bei ihren Manövern an der Spundwand beinahe berühren. So lässt sich sicher Interesse für den Sport schaffen, der sonst weit draußen stattfindet.

RANKING • The Wave, Muscat • Gazprom Team Russia • SAP Extreme Sailing Team • Red Bull Sailing Team • Oman Air • Team Turx • Lino Sonego • GAC Pindar • Extreme Team Germany foto // tom körber

Mächtig Druck auf den Teich oder vielmehr die Elbe brachte ein durchziehendes – für


regatta

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foto // Jesus Renedo

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Die X40 Yachten kamen der Kaimauer in Hamburg teilweise bedrohlich nahe. Aber gerade dies machte den besonderen Reiz in der Hansestadt f端r die Zuschauer aus.


regatta

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regatta

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interview // michael walther

Paul Kohlhoff hat sich in den vergangenen Monaten zu einer echten Olympiahoffnung für Rio 2016 entwickelt. Zusammen mit Carolina Werner hat er sich dieses Jahr im Nacra 17 unter die ganz großen Namen gesegelt. Mitte Juli kam dann der kurzzeitige Umstieg, als ihm für ein Wochenende ein Extreme 40 für die Veranstaltung in Hamburg angeboten wurde. Herzlichen Glückwunsch zu eurer Leistung bei der Nacra-WM. Ihr habt dieses Jahr einen Riesenschritt nach vorn gemacht, woran liegt das? In den olympischen Klassen reicht es nicht aus, einfach nur mehr zu segeln als andere. Zwar haben wir sehr viel trainiert, doch war vor allem die Qualität des Trainings in diesem Jahr sehr gut, da wir mit dem zweiten deutschen Team eine starke Trainingspartnerschaft entwickeln konnten. Wir haben uns gegenseitig stark gemacht und so kennen wir unser Boot einfach viel besser. Wissen, wann wir pushen können und wann lieber ein Gang zurückgeschaltet werden sollte. Dazu kommt ein sehr solides Bootshandling und Speed bei fast allen Bedingungen. Nach der WM bist du X40 in Hamburg gesegelt. Wie war der Umstieg für dich? Der Extreme-40-Event war vor allem lehrreich! Wir sind als Crew in dieser Konstellation noch nie zuvor gesegelt. Zu dieser Unerfahrenheit kommt dann noch, dass der X40 ein ganz besonderes Boot ist, vor allem auf solch unheimlich kurzen Kursen, mit anderen Wettfahrtregeln und sehr speziellen Fluss-Bedingungen. All diese besonderen Komponenten haben natürlich nicht unbedingt zu einem schön aussehenden Gesamtergebnis geführt, jedoch konnten wir alle unser persönliches Ziel für den Event erreichen: Wir sind hinterher als bessere Segler nach Hause gefahren. Wie unterscheidet sich das X40-Segeln von einem Nacra 17? Durch die eben genannten Begebenheiten und dadurch, dass das Design des X40 heute vergleichsweise altmodisch und sehr träge ist. Mir ist an den ersten Trainingstagen hier in Rio erst mal wieder aufgefallen, was für ein unglaublich cooles, wendiges, rasantes, aber auch kleines Boot der Nacra 17 ist! SJ Wie war es, als Team Kohlhoff anzutreten, und wie war die Kommunikation an Bord? Das war natürlich etwas ganz Besonderes. So eine Chance werden wir nicht wieder bekommen und wir sind sehr dankbar, dass man uns die Teilnahme zugetraut hat. Dennoch ist es auf dem Wasser nicht viel anders als bei „normalen“ Teams. Wir sind alle gewohnt, vorn zu segeln, und haben sehr wenig Erfahrung mit dieser Art Wettkampf und sind sehr, sehr ehrgeizig. Daher war es auch ab und zu laut an Bord, jedoch nimmt das keiner persönlich und wir haben uns hinterher trotzdem wieder lieb. Plant ihr eine Kampagne in der Extreme Sailing Series oder wie sehen eure weiteren Pläne aus? Momentan ist daran überhaupt nicht zu denken. Wir sind alle in unsere eigenen olympischen und Big-Boat-Projekte eingebunden und bringen allein deshalb schon nicht die nötige Zeit mit. Wir wollen unheimlich gern wieder alle zusammen Regatten segeln und werden das auch tun. Auf welchem Boot und durch wen finanziert, wird man dann sehen, geplant ist jedoch nichts.

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Peter Kohlhoff, Phillip Kasüske, Max, Johann und Paul Kohlhoff foto // JENS HOYER

PAUL KOHLHOFF IM INTERVIEW


regatta

mit dem deutschen All In Racing Team Erfahrung auf

eines der vielversprechendsten deutschen Segel­

großen und extrem schnellen Katamaranen gesammelt.

talente. Kohlhoffs erklärtes Ziel ist ein Start bei den

Peter Kohlhoff (47) ist ein bekannter und international

olympischen Spielen 2016 in Rio. Die Teilnahme seines

erfolgreicher Bigboat-Segler. Er wird das Großsegel

Bruders Max Kohlhoff (Kiel) und seines Vaters Peter

trimmen. Paul sitzt am Ruder, Johann fährt die Fock

Kohlhoff (Strande) machen das Team Extreme Germany

und das fünfte K, Phillip Kasüske, der für Roland Gäbler

zu einer echten Familienangelegenheit. Bugmann Max

einspringt, übernimmt wie Max den Gennakertrimm

(22) hat beim Red Bull Youth America’s Cup 2013

und bearbeitet das Vorschiff. foto // JENS HOYER

Paul Kohlhoff, der in Strande bei Kiel wohnt, gilt als

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Spektakuläre Segelszenen und Action pur. Die Extreme 40 sind gerade bei den starken und böigen Bedingungen sehr schwer zu kontrollieren. Familie Kohlhoff gelingt dies trotz geringer Trainingszeit.


da, da & da

The+Radio, UKW Perfekter Klang dank High-Performance-Breitbandlautsprecher mit Bassreflexsystem, integrierter Bluetooth-4.0-Empfänger, UKW- und MWRadio mit eingebauter Antenne und Kopfhörerausgang an der Front und all dies verbaut in ein edles Äußeres. Vornehm in weißem, zurückhaltend in grauem, modern in anthrazitfarbenem Mattlack oder klassisch in WalnussEchtholzfunier gekleidet – The+Radio passt perfekt in jedes Ambiente. Erhältlich ab 289 Euro. INFO www.plusaudio.de

my Boo, my Tano Ein Fahrrad mit natürlicher Federung. Der Rahmen aus Bambus führt in Kombination mit der hochwertigen Kettenschaltung und den Scheibenbremsen zu einem sicheren und sehr komfortablen Fahrgefühl! Und bei all diesen Highlights wiegt das my Tano nur 14 Kilogramm und der Kauf unterstütztv einen guten Zweck. Erhältlich ab 1.980 Euro. INFO www.my-boo.de

SAFEMAN-T . Kabelschloss ®

Technik trifft Design: Safeman-T®, das neue Kabelschloss mit der patentierten Schließ- und Fixierfunktion, punktet mit stufenlos verstellbarem Stahlkabel mit einer Gesamtlänge von 1,85 Meter und einem Durchmesser von 10 mm. Damit wird das Sichern von Sportgeräten in der freien Wildbahn zum Kinderspiel. Schloss und Stahlkabel sind mit Kunststoff ummantelt und damit rostfrei. Safeman verriegelt automatisch: einstecken, festzurren, fertig! Der Schließzylinder funktioniert mit bedienerfreundlichem Wendeschlüssel. Im Lieferumfang sind zwei Schlüssel enthalten. Erhältlich ab 39,90 Euro. INFO www.safeman.de

sperry. A/O 2-Eye und A/O 3-Eye Neue, hochwertige Materialien und Farben für die klassischen Bootsschuhe A/O 2-Eye und A/O 3-Eye. Als Obermaterial bringt Sperry erstmals meliertes, extra leichtes und atmungsfähiges Canvas zum Einsatz. Die sogenannte Wave-Siping-Gummilaufsohle sorgt neben dem lässigen Look auch noch für perfekten Halt auf nahezu jedem Bootsdeck! Erhältlich ab 110 Euro. INFO www.sperrytopsider.de

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Sonos, Play:1 Klarer Sound und dabei sehr kompakt. Die beiden Verstärker der Klasse D liefern ein perfektes Klangerlebnis. Mit dieser Box lässt sich die Lieblingsmusik einfach in jeden Raum streamen. Notwendig sind lediglich ein WLAN-Netz und ein Smartphone oder Tablet. Erhältlich in Schwarz und Weiß ab 199 Euro. INFO www.sonos.com

Tampen Kiel. Armbänder Die Marke Tampen Kiel entstand 2012 aus einer ganz persönlichen Leidenschaft fürs Segeln und Surfen heraus in der Ostseestadt Kiel. Die Armbänder von Tampen Kiel bestehen ausschließlich aus robusten Tauen aus dem Wassersport, sogenannten „Tampen“. Sie werden in echter Handarbeit in Norddeutschland geknotet. Durch einen speziellen Verschluss aus einem Knoten und einer Öse sind die Armbänder jederzeit leicht an- und abzulegen. Farblich erfüllt Tampen Kiel jeden Wunsch. Erhältlich ab 15,95 Euro. INFO www.tampen-kiel.de

Marinepool. Tec Stretch Jacket Warm und gleichzeitig modisch für den Landgang oder an Bord. Diese Jacke kombiniert den Tragekomfort einer Softshell- mit den Vorzügen einer Hardshell-Jacke. Atmungsaktiv, wasserdicht und mit komplett getapten Nähten ist diese ein treuer Begleiter! Erhältlich als Damen- und Herren-Version ab 299,90 Euro. INFO www.marinepool.de

Kuyichi Jeans, Lewis Das klare Blau und der leichte Denim machen diese Fünf-Taschen-Jeans zum absoluten Lieblingsteil! Durch den lässigen Schnitt ist sie perfekt für den entspannten Hafentag geeignet. Abgesehen davon bietet diese Hose einen Tracking-Code, über den man auf der Kuyichi-Homepage den Produktionsweg nachverfolgen kann. Erhältlich ab 129 Euro. INFO www.kuyichi-jeans.com


T e c h n i k , T a k t i k & T a k t v o ll

Slam. Force 9 Jacket Modischer Schnitt, moderne Optik und technisch auf höchstem Niveau. So präsentiert Slam sein neustes Ölzeug. Die dreilagige Membran überzeugt mit hoher Wasserdichte und gleichzeitig hoher Atmungsaktivität. Viele Details überzeugen bei dieser Jacke – Taschenanordnung, länger geschnittener Rücken und ein sehr gemütlicher Kragen! Erhältlich ab 789,95 Euro. INFO www.slam.com

Crewsaver. ErgoFit 190N Perfekt vorgeformt für sehr hohen Tragekomfort und absolute Bewegungsfreiheit. Die Crewsaver ErgoFit trägt sich besonders angenehm und bietet natürlich dennoch die komplette Sicherheit, die eine entsprechende Automatikweste bieten muss. Die Schnallen aus rostfreiem Edelstahl und ein strapazierfähiges Außenmaterial sorgen dafür, dass die Weste auch nach mehreren Jahren noch immer perfekt funktioniert! Erhältlich ab 279 Euro. INFO www.crewsaver.co.uk

Gill. atmungsaktiver Leistungsstiefel Stiefel sind an Bord eine echte Vertrauenssache. Nasse und kalte Füße gehören jetzt der Vergangenheit an. Die neuen Gill-Stiefel sind hochwertig verarbeitet, an allen notwendigen Stellen verstärkt und natürlich wasserdicht und atmungsaktiv. Die Sohle ist rutschfest und gewährleistet so einen festen Stand. Erhältlich ab 295 Euro. INFO www.gillmarine.com

Spot. Trace Punktgenaues Tracking für alle Einsatzbereiche bietet dieses handliche Gerät. Einmal eingeschaltet, liefert der Trace in festgelegten Intervallen alle zweieinhalb, fünf, zehn, 30 oder 60 Minuten die Position der Yacht. Einfach montiert, robust und wasserfest! Erhältlich ab 119 Euro. INFO www.wespot.de

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Ronstan. RF7 Nicht immer muss man das Rad neu erfinden. Ronstan hat die Drehbasis weiter verbessert. Die Winkelverstellung lässt sich nun besser erreichen und die Basis selbst wurde deutlich verstärkt. Preislich hat sich bei der RF7 hingegen nichts verändert. Erhältlich ab 144,90 Euro. INFO www.kohlhoff-online.de

TBS, Fibcot Hervorragender Tragekomfort an Bord und an Land. Die TBS-Hose ist wasserabweisend und damit perfekt für einen kühlen Segeltag mit Spritzwasser geeignet. Die Vielzahl an logisch angeordneten Taschen und die Verstärkungen an allen relevanten Stellen zeigen, dass TBS weiß, worauf es echten Seglern ankommt. Erhältlich ab 99,90 Euro. INFO www.tbs.fr

Gaastra. Jacke Newport Die 2-lagige GORE-TEX® Membran schützt perfekt vor Nässe, ist 1­ 00 % winddicht aber dabei auch atmungsaktiv. Diese Jacke ist für den kurzen Törn vor der Küste genauso geeignet wie für einen längeren Trip! Erhältlich ist die Newport Jacke in creme, gelb, blau, grau oder schwarz ab 349,95 Euro. INFO www.gaastraproshop.com

Ocean Signal, rescueME AIS MOB1 Die kompakteste AIS-Einheit auf dem Markt, die sich außerdem perfekt in die bestehende Rettungsweste integrieren lässt. Die rescueME-Einheit löst direkt das AIS-Signal und ein Blitzlicht aus, wenn sich die Schwimmweste auslöst. Die integrierte Batterie hält sieben Jahre und im Falle eines Einsatzes mindestens 24 Stunden. Erhältlich ab 299 Euro. INFO www.oceansignal.com


heimat

Der unbekannteste Die SAINT MICHEL II war, wenn wundert es, die zweite Yacht Jules Vernes. Im Jahr 2014 machte sich eine französische Crew auf, auf einem Originalnachbau der SAINT MICHEL II Jules Vernes Reise aus dem Jahr 1881 von Nantes über die Nordsee, durch die Eider und den Nord-Ostsee Kanal nach Kopenhagen nachzusegeln. Jules Verne, der gern reiste, vor allem mit seinem Bruder Paul, verarbeitete seine Eindrücke oft in seinen Werken. Bereits 1860 erschien das Buch „Reise mit Hindernissen“, in dem er von seiner Reise nach England und Schottland berichtet. Die folgende Reise durch Norddeutschland aus dem Jahre 1881 war bereits seine zweite touristische Unternehmung. Auch diesmal begleitete ihn sein Bruder Paul.

aller Menschen

text & Bild // tom körber

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Anmerkungen zum Text: Übersetzung von Dr. Prose. Bis zu seiner Übersetzung ging man davon aus, dass Jules und nicht Paul Verne den Bericht schrieb. Die Logbucheintragungen tauchten erst vor einigen Jahren auf und sind in dieser Form nur in den Mitteilungen des Kieler Canal-Vereins Nr. 29/30 (Herausgeber Jürgen Rohweder) integriert. Weiterhin angemerkt sei, dass Paul und Jules Verne die damalige Reise auf der SAINT MICHEL III unternahmen. Für einen Nachbau allerdings wäre dieses Schiff zu groß und durch den Originalbau aus Eisen zu teuer geworden. Daher unternahmen die Franzosen des Vereins „La Cale 2 I’IIe“ ihre Reise auf der SAINT MICHEL II. Der vorliegende Bericht stammt von Jules Vernes zweiter Schleswig-Holstein-Rundreise. Schon 1861 fuhr er durch das Herzogtum Lauenburg, dann über Schweden, Norwegen und Dänemark und über Kiel nach Hamburg-Altona, die bereits mit einer direkten Straßen- beziehungsweise Bahnverbindung miteinander verbunden waren. 1881 dann die zweite Reise bis nach Kopenhagen.

Quellenhinweis: Mitteilungen des Canal-Vereins Nr. 29/30, Rendsburg 2013. Autor und Herausgeber des Textes „Jules Vernes Reise zum Mittelpunkt des Nordens 1881“ ist Friedemann Prose, ohne dessen Hilfe der Artikel kaum zustande gekommen wäre.


heimat

Hier Video abspielen

Oben: Die Routen, die Jules Verne auf seinen drei SAINT MICHEL zur端cklegte. Unten: Zeichnung der SAINT MICHEL II.

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Mer du Nord

Die Reise

Jules Verne in Schleswig-Holstein. Ende des 19. Jahr-

Von Boulogne über Deal zur Maas

hunderts befindet sich „die alte Dame Europa“ in einer

Nach einer raschen Überfahrt von der englischen Küste

Zeit des politischen Umbruchs. Große Teile Schleswig-

nach der Maas waren wir am 5. Juni von Deal in Rotter-

Holsteins gehören noch zu Dänemark und der Deutsch-

dam angekommen. Am 10. Juni lagen wir dort, durch das

Französische Krieg ist noch im Gedächtnis der Menschen.

stürmische Wetter aufgehalten, immer noch. Der Nord-

Was viele nicht wissen: Jules Verne unternahm zwei Rei-

westwind blies, rannte gegen die holländische Küste und

sen an die Küste. Rund einen Monat waren er und sein

die See war absolut unfahrbar für uns. Trotz ihrer hervor-

Bruder Paul unterwegs, bis sie am 3. Juli 1881 wieder in

ragenden nautischen Eigenschaften und der Perfektion

St. Malo festmachten. Im August desselben Jahres er-

ihrer Maschine wäre es in der Tat äußerst unbesonnen

schien dann im Feuilleton der Zeitung „L’Union bretonne“

gewesen, mit unser Dampf-Yacht Saint-Michel dem Wü-

in loser Folge ein Reisebricht. Allerdings schrieb nicht

ten der Nordsee in diesen furchterregenden Gewässern

Jules den Bericht, sondern sein Bruder Paul Verne. Auf

die Stirn bieten zu wollen.

Drängen von Jules’ Verleger ergänzte der Reisebericht das Buch „Die Jangada“. Allerdings wurde aus Rücksicht

Durch die Kanäle von Zeeland

auf die deutsch-französischen Beziehungen rund 30 Pro-

Mittlerweile drängt die Zeit. Wir hatten schon den 11.

zent des ursprünglichen Textes letztlich doch von Jules

Juni. Es war unmöglich, die Abreise aufzuschieben, ohne

umgeschrieben. Vielleicht ein Grund, warum Paul Verne

unsere gesamte Kreuzfahrt zu gefährden. Wir haben also

als ursprünglicher Autor etwas in den Hintergrund und

dies beschlossen: nach Antwerpen zu reisen. Es ist, ohne

damit fast in Vergessenheit geriet. Die Logbucheinträ-

den Weg übers Meer zu nehmen, möglich, sich auf den

ge stammen aber allesamt von Jules Verne. Der war zu

Kanälen, die die Maas mit der Scheide verbinden, nach

diesem Zeitpunkt schon weltberühmt: „Reise zum Mittel-

Antwerpen zu begeben. Eine solche Schifffahrt, die völ-

punkt der Erde“ erschien bereits 1864 und „20.000 Mei-

lig neu war, versprach ein wahres Vergnügen, und eine

len unter den Meeren“ im Jahr 1869 sowie 1873 „Reise in

solche Gelegenheit verlockt einen zum Verweilen. Es

80 Tagen um die Welt“. So war es nicht verwunderlich,

braucht zwölf Stunden, um dieses sehenswerte Land zu

dass vor allem die regionale Presse reges Interesse an

durchkreuzen und am rechten Ufer der Schelde anzukom-

dem Reisenden hatte. Ob die vermuteten spionageähn-

men. Nachdem wir zu einem fruchtbaren – es gibt kein

lichen Beobachtungen der eigentliche Hintergrund der

anderes Wort dafür – Preis Kohle gebunkert haben, legte

Reise waren, lässt sich nicht belegen. Natürlich erregte

unsere Yacht in Vlissingen wieder ab und nun sind wir un-

eine derartige Reise circa zehn Jahre nach dem Deutsch-

terwegs nach Hamburg. Wir waren übereingekommen,

Französischen Krieg einiges Aufsehen. Besonders in Wil-

dass die Saint-Michel unterwegs in Wilhelmshaven den

helmshaven und Kiel gewannen die Brüder Verne Einbli-

großen deutschen Militärhafen anlaufen sollte, der sich

cke in die wiedererstarkte deutsche Marine. Auch waren

im Jadebusen, nahe der Einfahrt in die Weser, befindet.

beiden die Pläne bekannt, den romantischen Eiderkanal (1784) durch einen modernen Kanal (1895 Nord-Ostsee-Kanal, dann Kaiser- Wilhelm-Kanal, später wieder in Nord-Ostsee-Kanal rückbenannt) zu ersetzen, um dessen Größe den neuen deutschen Kriegsschiffen anzupassen.

Logbuch: 12. Juni: Während unser gestrigen Durchfahrt durch die Kanäle hatten wir den Anblick der sehr gepflegten Landschaft. Schöne Drehbrücken. Im Laufe des Tages knallt es. Die Marktflecken an der Schelde sind ruhig.


heimat

Über die Nordsee zur Jademündung Der Wind nahm nach und nach zu und es war zu befürch-

erwiderte der Ingenieur, „übrigens ist es leicht, sich des-

ten, dass er bei Sonnenaufgang stark auffrischen wür-

wegen zu vergewissern. Welche Länge hat Ihre Yacht?“

de. In diesen wenig tiefen Küstengewässern, höchstens

„Sechsunddreißig Meter mit dem Klüverbaum.“ „Das ist in

fünfzehn bis zwanzig Faden Wasser, geht die See schnell

der Tat etwas lang, meine Herren. Nichtsdestotrotz muss

hoch, sie wird kurz und grob und kann ein Schiff, das so

man sehen. Kommen Sie mit mir zum Hafenamt, wo man

flach im Wasser liegt wie die Saint-Michel, in Bedrängnis

uns sehr genaue Auskünfte geben wird.“

bringen. Mit seitlichem Wind erreichte die Saint-Michel, unterstützt durch ihr Großsegel, ihr Vorgaffsegel, durch

Logbuch: 15. Juni: Die St. Michel ist nun von Bug bis Heck 32 Meter lang und misst 36,50 Meter zusammen mit dem Klüverbaum.

die Stagfock und ihr Klüverfock bald eine Geschwindigkeit von zehn Knoten. Überdies verbesserte sich die Wetterlage im Laufe des Abends und gegen neun Uhr erreichten wir die Öffnung des Jadebusens. Dort heuerten wir einen Bremer Lotsen an, dessen kleine Goelette die See

Eine Stunde später stach die Saint-Michel nach Tönning,

am Eingang der Bucht stampfte, und der es übernahm,

einem kleinen holsteinischen Hafen, der an der Mün-

uns nach Wilhelmshaven zu leiten, wo unsere Yacht ge-

dung der Eider liegt, in See.

gen Mitternacht ankam. Über die Nordsee zur Eidermündung

Logbuch: Montag, 13. Juni: Wir haben gutes Wetter. Die Küste ist in Sichtweite. Die Feuer der Lotsentürme sind zu sehen. Die Fahrt bietet Schwierigkeiten, die Leuchtfeuer, das enge Fahrwasser.

Am Abend des 15. Juni kamen wir im kleinen Hafen von Tönning an, der sich malerisch vom rechten Ufer der Eider abhebt, und am nächsten Morgen, nachdem wir Kohle gefasst hatten, forderten wir einen Lotsen nach Rendsburg an, an dem Ort, wo der Kanal eigentlich erst beginnt. Aber es gab eine schwere Enttäuschung.

Zwei Tage später stand die Saint-Michel unter Dampf, be-

Ein Brief des Kanaldirektors, die Antwort auf unser

reit aus dem Hafen auszulaufen und auf offener See sofort

Telegramm aus Wilhelmshaven, besagte, dass wir die

Hamburg anzusteuern, dem Endpunkt unserer Reise. Wir

Schleusen nicht passieren können. Die Yacht war drei

trafen schon letzte Vorbereitungen, als ein Schiff-Ingenieur

Meter zu lang. „Dann los“, rief mein Bruder, „es soll nicht

an Bord kam, um die Yacht zu besichtigen; er fragte uns,

gesagt werden können, dass Bretonen gegenüber einem

wohin wir gehen wollten. „Nach Hamburg“, antwortete

Hindernis keinen Dickkopf haben! Die Saint-Michel ist

mein Bruder, „wir sind viel zu spät dran, um noch ins Bal-

zu lang? Dann trennen wir doch einfach die Nase, das

tische Meer hineinzufahren, und es wäre nicht klug, es mit

heißt ihren Klüverbaum ab und wenn es sein muss, ent-

der Küste Jütlands aufzunehmen, die ja nicht sicher ist.“

fernen wir auch noch das Namensschild an ihrem Bug.“

„Nun, warum fahren Sie nicht durch den Eiderkanal hinü-

„Einverstanden“, antwortete ich, „aber lasst uns damit

ber, der in die Reede der Bucht von Kiel mündet?“, fuhr der

warten, bis die Yacht an der ersten Schleuse ankommt.“

Ingenieur fort. „Sie können es so vermeiden, die Reise um

Sobald man wusste, dass wir den Eiderkanal passieren

Dänemark herum zu machen und werden, nachdem sie eine

wollten, begannen die Diskussionen unter den Landleu-

hinreißende Landschaft durchquert haben, übermorgen im

ten, Händlern oder Zulieferern, die die Ankunft einer

Baltischen Meer sein.“ „Aber“, sage ich, „Besseres erwar-

französischen Yacht angezogen hatte. Die Mehrheit be-

ten wir nicht. Nur, gibt es in diesem Kanal nicht mehrere

hauptete, dass die Durchfahrt unmöglich sei. Wir ließen

Schleusen und ist die Saint-Michel nicht einen Tick zu lang,

sie reden und reisten nach Rendsburg ab, wo wir gegen

um dort hineinpassen zu können!“ „Das glaube ich nicht“,

sechs Uhr abends anlangten.

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Oben: Die Rathmannsdorfer Schleuse am alten Eiderkanal. Unten: Die Eider bei Achterwehr.


heimat

Logbuch: 16. Juni: Wir fahren ab. Der See, der Fluss. Die Schleifen des Flusses. Die Ländereien sind nicht als Äcker kultiviert. Überall Wiesen, Kühe, Pferde. Die Störche.

der Verkehr von Küstenschiffen aller Art ist dort sehr dich. In Rendsburg, wo wir ankommen, befindet sich die erste Schleuse. Können wir durch? Auf den ersten Blick sind Zweifel daran erlaubt. Die Schleusenkammer ist so kurz! Unsere Beunruhigung dauerte nicht lange: nach zwei Minuten ist die Yacht durchgeschleust, aber so knapp, dass

Die Eider hinauf nach Rendsburg

wir, um die folgenden Schleusen, die etwas kürzer sind,

Im ersten Teil der Fahrt geht es diesen bezaubernden

überwinden zu können, notgedrungen den Klüverbaum

Fluss der Eider hinauf, der sicherlich der windungsreichs-

abbauen mussten. Fünfundzwanzig Zentimeter mehr und

te ist, den man sich vorstellen kann. Seine Mäander sind

die Saint-Michel hätte nicht passieren können. Rends-

dermaßen launenhaft, dass man oft beinahe eine Kehrt-

burg, vor der Annektion eine der bedeutenden Städte

wende macht, und ich schätze, man muss, um von Tön-

Dänemarks, ist durch seine Lage ein wichtiger Ort. Schon

ning nach Rendsburg zu kommen, mindestens hundert-

im Altertum konnte es an eines seiner Tore schreiben: Ei-

fünfzig Kilometer durchreisen, während es Luftlinie nicht

dora Romani terminus imperii. In der Tat ist die Eider eine

mehr als achtzig sind. Die Gegend ist flach, aber sehr

der Grenzen gewesen, die die römische Eroberung nicht

grün. Sie ist mit vielen Weiden bedeckt, auf denen sich

überwinden konnte.

zu Hunderten verstreut Pferde, Schafe und Kühe hingebungsvoll einen satten Bauch fressen. Hin und wieder ei-

Auf dem Eiderkanal nach Kiel zur Ostsee

nige bewaldete Hügel, Fabriken und Bauernhöfe, die mit

Von Rendsburg bis zur ausgedehnten Bucht von Kiel

gewaltigen Strohdächern bedeckt sind. Dann ein oder

durchfährt man einen wahren Park, eine Art von Saint-

zwei Städtchen, Friedrichsstadt, Erfte, Wittenbergen, die

Cloud (Schloss Saint-Cloud bei Paris), dessen Bäume

versteckt hinter Bäumen liegen. Der Fluss ist tief einge-

zweihundert Fuß hoch sind. Hier verbreitert sich die Ei-

schnitten, aber das Fahrwasser ist nicht immer frei, denn

der zu aufeinanderfolgenden weiten Becken mit tiefen

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Der Obereiderhafen in Rendsburg. Links im Bild am Steg des ehemaligen Schiffausrüsters (heute ACO Severin Ahlmann) lag auch die SAINT MICHEL II. Im Hintergrund die Durchfahrt zum heutigen Nord-Ostsee-Kanal bei der Lürssen Werft.

und ruhigen Wasserflächen, die das Bild ihrer malerischen

Hübsche ­Gasthäuser, die am Rande des Treidelpfades

Ufer unverzerrt widerspiegeln. Die Yacht fährt sachte glei-

erbaut wurden, laden dich an ihre angestrichenen Holz-

tend unter dem geheimnisvollen schattigen Laubwerk,

tische, auf denen ein vorzügliches Bier schäumt. Das alles

zwischen mächtigen hölzernen Baken und den gefloch-

ist fröhlich, munter, adrett, bezaubernd. Die Regierung

tenen Befestigungen der steilen Ufer, vorbei. Sie scheint

sinnt denn auch darauf, einen geraden Kanal mit großen

ins Unbekannte zu reisen. Um sie herum ist alles nur Blatt-

Querschnitt zu schaffen, der Schiffbauten aller Abmessun-

werk, und der Fluss verschwindet in einem Wirrwarr von

gen aufnehmen könnte, die Kriegsschiffe inbegriffen.

grünem Laub. Das Schilfrohr verneigt sich vor unserer unerwarteten Erscheinung; Wasserpflanzen mit großflächigen ruhigen Blättern schwanken eine Augenblick auf und ab und verschwinden, wie von einem jähen Schrecken gepackt, in den Wellentälern. In Rendsburg haben wir am 17. Juni um acht Uhr abends abgelegt und nachdem wir vor der großen Gefängnisanstalt vorbeigefahren waren, die stromaufwärts der Stadt errichtet worden ist, kamen wir auf der Reede von Kiel um fünf Uhr des Abends an. Wir hatten vorschriftsmäßig sechs Schleusen, zwei Eisenbahn-Drehbrücken und vier oder fünf gewöhnliche Klappbrücken hinter uns zu lassen. Diese sind von bemerkenswerter Einfachheit: zwei Männer, einer auf jedem Ufer, reichen aus, um sie mit Hilfe eines ausgeklügelten Systems von Gegengewichten in wenige Sekunden zu ­bedienen.

Logbuch: 17. Juni: Für uns ist es eine bewundernswerte Durchreise. Die Landschaft ist grün. Ein wahrer Park. Die prächtigen Bäume. Die Enge des Flussbettes. Ein mit Menschen vollbeladener kleiner Dampfer taucht auf. Schliesslich sind wir an der vorletzten Schleuse angelangt. Unsere Befürchtung, diese Schleuse sei zu kurz für die St. Michel. Die Wirtshäuser an den Schleusen sind mit ihren roten Dächern unter dem dichten Grün der Bäume bezaubernd. Das Wetter ist wunderbar.


heimat

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Oben: Die Eider in Nordfriesland. Unten: Die Schleuse Kluvensiek am alten Eiderkanal.


Die Kieler Förde Logbuch: 17. Juni ( Fortsetzung): Wir sind in der Kieler Bucht angekommen und übernehmen einen anderen Lotsen. Die Bucht ist herrlich. Um 5 Uhr gehen wir vor Anker. Wir machen einen Stadtspaziergang. Die Gartenanlage und die Musik. Um 10 Uhr gehe ich schlafen.

zuletzt Wilhelmshaven und Tönning angelaufen. Es führt nur einige Vergnügungsreisende mit sich. Herr Jules Verne gibt als Zweck seiner Reise eine Vergnügungstour nach Dänemark, Schweden und Norwegen an. Das scharfgebaute Schiff, mit zwei Masten und hohem Schornstein, liegt auf dem Gaardener Ufer rechts von Wilhelminenhöhe, wird aber wahrscheinlich heute Abend wieder unseren

Die Bucht von Kiel, auf deren Grund unsere Yacht, der Klü-

Hafen verlassen. Jules Verne hätte den Kieler Hafen übri-

verbaum saß wieder an seiner Stelle, gegen sechs Uhr am

gens kaum schöner sehen können, als an diesen letzten

Abend den Anker warf, ist unstreitig eine der schönsten

Sonnentagen, und in dem nächsten naturwissenschaftli-

und eine der sichersten, die es in Europa gibt. In diesem

chen Roman des geistvollen französischen Schriftstellers

geräumigen Hafenbecken könnten alle Flotten der Erde vor

dürfen wir sicher eine glänzende Schilderung dieser Perle

Anker gehen und bequem manövrieren. Kiel liegt am äu-

aller deutschen Häfen erwarten.

ßersten Ende der Reede, von dort gesehen ein wenig nach rechts, mit einem Hintergrund von grünenden Gehölzen. Unmittelbar nach beendigter Kanaldurchfahrt schrieb die Kieler Zeitung vom 18. Juni 1881: Jules Verne ist hier gestern Nachmittag an Bord der kleinen französischen Dampflustyacht „St. Michel“ eingetroffen. Das Schiff kommt aus der Heimat des bekannten Schriftstellers, aus der Departementhauptstadt Nantes an der unteren Loire, und war

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Logbuch: 18. Juni: Ein erneuter Besuch Kiels. Die Strassen. Der grosse Park. Paul und Gaston haben sich auf das andere Ufer begeben. Robert (Godefroy) und ich streifen in der Stadt umher.


heimat

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Links befindet sich, vollständig getrennt von der Stadt,

tiger, bewaldeter ist als jenes an der englischen Küste,

das Arsenal, das von einer sehr hohen Mauer umgeben

welches sich, vom Meer aus gesehen, vor allem durch ein

ist. Wir beschlossen, nur das vom Arsenal zu besichtigen,

bedauernswerte Dürre unterscheidet. Die Stadt ist frei

was jedermann davon von außen wahrnehmen darf. Aber

zugänglich, aber es wird überlegt, sie mit einzeln stehen-

wenn man die Anhöhen hinaufsteigt, die es in der nächs-

den Forts zu umgürten. Ich glaube sogar, dass die Planun-

ten Nähe überragen, dann kann man bequem einen völlig

gen auf dem Gelände bereits begonnen haben und die

ausreichenden Gesamtüberblick erhalten. Wir hatten sehr

Arbeiten sehr schnell durchgeführt werden.

gehofft, bei Ankunft in Kiel auf der Reede die gepanzerte

Das Eidertal bei Flintbek kurz vor Kiel.

deutsche Flotte anzutreffen; aber diese Hoffnung wurde

Nachdem wir uns vierundzwanzig Stunden in Kiel auf-

unglücklicherweise enttäuscht. Es befand sich dort nur

gehalten hatten, segelten wir am Abend des 18. Juni ab,

ein hölzerne Dampffregatte, die ARCONA, die die Flagge

aber ohne einen Lotsen zu übernehmen, um nach Nor-

eines Vize-Admirals trug. Kiel, eine alte dänische Stadt,

den bis nach Kopenhagen hinaufzufahren. Die Seefahrt

früher recht blühend, hat seit der Annektion, die sie zu

von Kiel nach Kopenhagen bietet keinerlei Schwierig-

einer anderen Stadt machte, viel von seiner Bedeutung

keit, verlangt aber in jedem Augenblick die volle Wach-

als Handelsort verloren. Die Bucht von Kiel ist in einen

samkeit; die dänischen Lande, ob Inseln oder Festland,

Rahmen prächtiger Bäume eingefasst. Die Ulmen, die Bu-

sind in der Tat sehr niedrig gelegen und die Fahrrinne ist

chen, die Kastanienbäume, die Eichen erreichen hier eine

in bestimmten Abschnitten ziemlich schmal. Am folgen-

wahrhaft erstaunliche Höhe, und die See kommt zu ihren

den Morgen, den 19. Juni um sieben Uhr, kam die Saint

Füßen zur Ruhe. Zahlreiche Landhäuser erheben sich auf

Michel an der Einfahrt zum Sund an. Es herrschte völli-

den Hügeln, die diese wunderbare Bucht umsäumen, de-

ge Windstille. Kein Windhauch, kein einziges Kräuseln

ren verschiedenen Orte durch einen wohlverstandenen

auf der Oberfläche des Meeres. Hunderte von Möwen

Dienst kleiner Dampfschiffe in Verbindung gesetzt sind.

stießen im Tiefflug über das ruhige daliegende Wasser

In naher Zukunft wird, ohne Zweifel, dieser begünstigte

frohe Schreie aus. Gegen zehn Uhr beginnt Kopenha-

Landstrich zum Treffpunkt der vornehmen deutschen

gen aus dem dichten Nebel aufzutauchen, mit seinen

Gesellschaft werden. Es wird das Brighton Norddeutsch-

Kirchtürmen, seinen Parks und den Mastbäumen der

lands sein, aber ein Brighton, das unendlich grüner, schat-

Schiffe, die in seinem Hafen vor Anker gegangen sind.


heimat Links oben: Der Originaltitel des Buches „Die Jangada”, in der die Geschichte „Reise zum Mittelpunkt des Nordens 1881” als Anhang veröffentlicht wurde. Unten: Tagebuch Jules Vernes. Rechts: Jules Verne auf der SAINT MICHEL III.

„Ich sehe das Meer nur zweimal am Tag, aber ich liebe den Himmel.“ Vom ersten Geld/Tantiemen ließ Jules Verne die SAINT MICHEL I bauen. Vergleichbar mit einem Fischkutter, die in Frankreich „bourcet malet“ genannt werden, ein Gaffelkutter mit Besanmast (Yawl). Reich wurde Jules Verne nicht durch den Verkauf der Bücher, sondern durch Tantiemen seiner Theaterstücke. „20.000 Meilen“ lief 30 Jahre – ununterbrochen. Mehr Geld – größere Boote. Dafür kaufte er keine Häuser, was in der damaligen Zeit eher verbreitet war. Allerdings musste er seine Yacht aufgrund der Schulden seines Sohnes verkaufen. Jules Verne starb 1905. Bis zu seinem Tod schrieb er 62 Romane, ­18 Novellen und 184 Lieder. Die SAINT MICHEL war ein, wie man damals sagte, ­Vergnügungsboot, das zwar klein war, aber ausreichend Raum für die Besatzung, dennoch einen Salon und eine eigene Kabine hatte. Es war Tradition zu dieser Zeit, die Boote nach seinen Kindern zu benennen und so hieß die SAINT MICHEL anfänglich MARIE FARNAUD. Der heutige Nachbau gehört dem Verein „La Cale 2 I’IIe“ in Nantes. Es hat eine Länge über alles von 13,27 Meter, ist 3,52 ­Meter breit, hat einen Tiefgang von guten zwei Meter und verdrängt 19 Tonnen. Mit einer Besatzung von sechs bis sieben begeisterten Seglern und „Jules Vernern“ lief sie am 24. Mai 2014 in Nantes aus und kam am 14. Juni in Kiel am Tiessenkai an. Eines der Crewmitglieder ist der in Kiel geborene Hartwig Reimann, der seit 2008 an Loiremündung in Frankreich lebt.

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heimat Von Nantes nach Nantes. Rund sieben Wochen dauerte die Reise. Die Gesellschaft „La Calle 2 l’lle“ ist im Besitz der Originalpläne. Da Jules Verne in Nantes geboren wurde, sollte zu seinem 100. Geburtstag die SAINT MICHEL noch einmal gebaut werden. Der Verein bemüht sich um das maritime Erbe der See- als auch der Flussschifffahrt. Momentan wird an mehreren alten Booten restauriert. Seit 1989 existiert „La Calle 2 l’Ile“ (Slipanlage).

Am Tiessenkai in Kiel-Holtenau. Die Crew von links nach rechts: Daniel Croze (1. Skipper), Dominique Challon (verdeckt), Michel Pepin (2. Skipper, hinten mit Sonnenbrille), Alain Doare (Präsident „La Cale 2 I'lle“, weißes Polo), Jean Pierre Bourgeois (mit Sonnenbrille, weißes Polo), Hartwig Reimann (blaues Polo) und Patrick Legonades (grünes Polo).

Gespräch mit Hartwig Reimann, der als einziger Deutscher an Bord der SAINT ­MICHEL II war, nach seiner Ankunft 2014 in Kiel „Es war Liebe auf den ersten Blick.“ Ich hatte das Schiff schon einmal in Nantes gesehen, als es noch in der Bauphase, aber schon fast fertig war – so um 2010 herum. Damals wohnte ich in St. Nazaire. Dort lag auch das Schiff – vor dem großen U-Bootbunker. Ich sah es und dachte, dass ich darauf segeln müsse. Es war Liebe auf den ersten Blick. Einer der Segler steckte den Kopf aus der Luke und bat mich hinunter. Kaum unten, hatte ich schon einen Scheck für die Mitgliedschaft für die „La Cale 2 I’lle“ ausgefüllt. Seitdem bin ich dabei. Am Bau selbst habe ich nicht mitgearbeitet. 2005 begannen die Arbeiten dafür und zogen sich bis ins Jahr 2010. Die ersten beiden Jahre gingen fast nur für die Finanzierung drauf. Es ist von sehr vielen ehrenamtlichen Mitgliedern gebaut worden unter Aufsicht des Schiffsarchitekten

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Philippe Waltout. Ein Lotse aus Le Havre, der nebenbei

„Die Jüngsten sind wir nicht

als Historiker und Jules-Verne-Forscher seinen Hobbys

mehr, dafür aber sehr erfahren.“

nachgeht, stand wiederrum in Kontakt mit einem Lotsen

Die SAINT MICHEL ist der Riss eines alten Lotsenkutters.

in Bremerhaven, dem Präsidenten des deutschen Jules-

Abel Marchand, ein Bootsbauer aus Le Havre baute Jules

Verne-Vereins. Er kannte uns und fragte uns, ob wir nicht

Verne dieses Schiff. Der Innenausbau wurde natürlich

mit ihm die Tour von Jules Verne nachsegeln wollten, die

auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. Der Bootstyp: eine

er 1881 nach Schleswig-Holstein unternahm. Am 24. Mai

sogenannte Kanalschwalbe: La Hirondelle de la Manche.

legten wir ab und (zufälligerweise) startete auch Jules´

Es gibt kein schützendes Cockpit. Da braucht man gute

Tour am 24. Mai 1881. Das war wirklich nicht geplant. Wir

Kleidung, sonst ist die Lust am Segeln schnell weg. Es

segelten quasi in seinem Kielwasser. Seinen ersten Stopp

legt sich sehr schnell auf die Seite, liegt dabei aber er-

in Deutschland legte er in Wilhelmshaven ein. Der Krieg

staunlich stabil. Allein wenn wir den Baum (ohne Segel)

1870/71 war gerade erst zehn Jahre vorbei. Jules Vernes

umlegen, geht das Schiff schon auf die Seite. So müssen

Interesse war groß, wie denn die deutsche Marine zum

wir frühzeitig reffen, damit der Ruderdruck nicht zu groß

damaligen Zeitpunkt aussehen würde. Eine Spionage-

wird. Wir könnten uns gefahrlos in jedes Wetter bege-

tour ist dennoch weit übertrieben. Die Deutschen waren

ben, wenn wir wollten. Das Boot segelt mit über neun

sehr freizügig, darüber hat er sich gewundert. Er durfte

Knoten recht schnell. Der Durchschnitt über die vergan-

zwar nicht ins Arsenal, aber auf verschiedene Schiffe.

genen 6.500 Meilen lag bei mehr als fünf Knoten, das ist

Eigentlich wollte er eher wissen, wie er mit seiner SAINT

sportlich. Bei mehr als fünf bis sechs Windstärken gehen

MICHEL von der Nordsee in die Ostsee kommt. Damals

wir nicht mehr raus. Wenn wir draußen überrascht wer-

existierte der Nord-Ostsee-Kanal ja noch nicht. Es gab

den, ist das was anderes. Da segeln wir dann durch, aber

die Eider (ohne Sperrwerk). Wo heute der Giselaukanal

wenn wir es vermeiden können, vermeiden wir es lieber.

beginnt, kurz hinter Lexfähre, machte die Eider einen

Unsere Crew ist zwischen Anfang 60 und Anfang 70. Das

Bogen und lief nach Rendsburg. Bis Kiel war die Eider

heißt: Viel Erfahrung, aber körperlich nicht mehr ganz

dann schon kanalisiert. Für uns wurde, dafür können

auf der Höhe der Zeit wie ein 30-Jähriger. Allerdings ha-

wir uns gar nicht genug bedanken, ein roter Teppich

ben wir uns gut vorbereitet. Es war eine Riesenüberra-

ausgerollt. Die Eider wurde am Sperrwerk eigens auf-

schung, als man mich fragte, ob ich mitsegeln wolle. Ich

gestaut, sodass wir mit unserem relativ tiefen Tiefgang

bin 1946 in Kiel geboren und war lange nicht mehr hier.

ungefährlich in die Eider segeln konnten. Dann waren

Dass ich eines Tages als Deutscher auf einem französi-

wir in Rendsburg, durften am Steg von Ahlmann/ACO

schen Schiff in meine Geburtsstadt zurückkomme, hätte

am Obereiderhafen liegen. Wohl nahezu an derselben

ich auch nie gedacht. So etwas hätte sich selbst Jules

Stelle, an der 1881 Jules Verne lag, denn dort lag eine

Verne nicht ausdenken können. Seit 2008 lebe ich nun in

Treidelstation. Hier wurden die Pferde ausgetauscht,

Frankreich, bin Pensionär. Früher bin ich in Kiel viel ge-

die man für das Treideln der Schiffe brauchte. Auch

segelt, kenne die dänische Südsee, die Ost- und Nord-

hier am Kieler Tiessenkai machte er damals Station.

seeküste. Das Segeln war denn auch einer der Gründe,

Dann werden wir die Classic Week mitsegeln, kurz in

warum ich nach Frankreich ging. Als Mitglied in der „La

die Kieler Woche reinschnuppern und dann aber los,

Cale 2 I’lle“ bekam ich so viele Möglichkeiten zum Se-

da wir am 23. Juli in Frankreich zurück sein müssen.

geln, dass ich meine Entscheidung nie bereut habe.


kolumne technik

Komplizierte Zusammenhänge

einfach veranschaulicht

D

er Arbeitstag eines Segeltrainers oder einer Segeltrainerin ist nicht

Anhand weniger Parameter kann dieses Modell in die Zu-

nur lang und anstrengend, die zu erfüllenden Aufgaben über den

kunft schauen und Strömungsverhältnisse prognostizie-

Trainingstag sind zusätzlich auch noch sehr umfangreich und

ren. Die Genauigkeit dieser Prognosen wird am Regattatag

anspruchsvoll. Aus einer Vielzahl von Informationen müssen sie sich ent-

durch zusätzliche kurze Kontrollmessungen erhöht. Bei

scheiden, welche davon für die Segler wirklich relevant sind.

vielen internationalen Regatten sind auf den Trainerbooten allerdings keine Geräte erlaubt, die Daten versenden.

An Regatta- und Trainingstagen auf Revieren mit Strömung muss diese

Aus diesem Grund gibt es modifizierte Strömungsmessbo-

genau analysiert und aus den Daten gewonnene Erkenntnisse für den

jen. Ein Display zeigt dem Trainer nach einer Messung die

Sportler aufbereitet werden. Dafür sind klare Aussagen erforderlich. Denn

Strömungsrichtung und Geschwindigkeit an, sodass er die

letztendlich wollen die Segler nicht alle Einzelheiten wissen, sondern sich

Vorhersage noch einmal überprüfen und anpassen kann.

nur auf die wichtigsten Dinge fokussieren. Für die Segler ist die Strömungssituation damit einfach verUm solche Aussagen treffen zu können, beginnt die Analyse eines Revieres

anschaulicht und sie können sich voll auf die Umsetzung

mit Strömungsmessungen. Bojen, ausgestattet mit GPS-Trackern, zeich-

ihrer Regattataktik konzentrieren.

nen ihren Weg durch das Wasser auf und speichern die Wegpunkte. Aus mehr als 1.000 Messungen wird dann ein Strömungsmodell errechnet, das immer wiederkehrende Strömungsrichtungen- und stärken erkennt. Dabei werden die Trainer von Experten unterstützt.

Marcus Baur Der Diplom-Ingenieur und zweifache Olympiateilnehmer im 49er entwickelte die erfolgreiche Zielmanagementsoftware Goalscape und ist Leiter der technischen Projekte beim Sailing Team Germany (STG).

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69 kolumne recht

Bei Ebbe in der Bordkasse

… einfach mal verchartern?

Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, wird das Bootszeugnis ausgestellt. Es empfiehlt sich also, sich rechtzeitig vor dem Charterbeginn um diese Dinge zu kümmern. Die Vorschriften finden sich sehr übersichtlich auf der amtlichen Website

D

der WSA unter www.elwis.de. Diese Abkürzung steht für as eigene Boot wird häufig zu wenig genutzt. Wer wäre da nicht

den „Elektronischen Wasserstraßen Informationsservice“.

schon mal auf die Idee gekommen, einfach mal zu verchartern. Im ersten Moment könnte man denken, dass das doch genauso

einfach sei wie gelegentlich ein Gästezimmer an Urlauber zu vermieten.

Beachten Sie auch, dass Verchartern in den üblichen Bootsversicherungen nicht gedeckt ist. Wegen der Erhöhung des Schadensrisikos durch wechselde Crews werden Sie meist

Doch da irrt der Laie. Auch bei privater Vercharterung gelten die Vorschrif-

den Versicherungsschutz erweitern müssen. Rechnen Sie

ten, die professionelle Charterunternehmen kennen und beachten müs-

mit einer deutlich höheren Prämie. Übrigens kann schon

sen. Die bürokratischen Hürden sind nicht zu hoch, aber sie müssen ge-

die Überführung Ihrer Yacht durch Ihre Segelfreunde als

nommen werden. Das gilt für alle Boote/Yachten unter deutscher Flagge,

Vercharterung angesehen werden. Auch in diesen Fällen

meist auch dann, wenn im Ausland verchartert wird.

sollte Ihr Versicherer gefragt werden.

Zunächst muss ein sogenanntes Bootszeugnis beantragt werden. Das stel-

Was wir hier erläutern, bezieht sich auf die Vercharterung

len die örtlichen Wasser- und Schifffahrtsämter aus. Zuvor muss das Schiff

auf Seerevieren im sogenannten bare-boat-modus, also

auf seine Eignung und Ausrüstung für das entsprechende Fahrtgebiet un-

bei Vermietung des Bootes ohne Schiffsführer. Bei ge-

tersucht werden. Das macht nicht das WSA, sondern zugelassene Klassifi-

werblicher Nutzung einer Yacht (Boot mit Schiffsführer,

kationsgesellschaften wie beispielsweise die DNV-GL in Hamburg. DNL-GL

Segellehrer) gelten schärfere Regeln und es bedarf eines

ist der Zusammenschluss der Norske Veritas mit dem Germanischen Lloyd.

Sicherheitszeugnisses.

Die Prüfer richten sich nach einer Anlage der Seesportboot-Verordnung,

Bleibt noch die Frage nach einem brauchbaren Charter-

die eine grobe Liste der Prüfmerkmale enthält. Für die Details werden dann

vertrag, dem Übergabeprotokoll, finanzieller Absicherung

die Sicherheitsrichtlinien der Kreuzerabteilung des Deutschen Segler-Ver-

(Kaution) und steuerlicher Einordnung der Einnahmen. Am

bandes herangezogen. Diese entsprechen weitestgehend den Vorschrif-

Ende überlassen Sie das Verchartern vielleicht doch besser

ten des ORC (Offshore Racing Congress). See-Regattasegler kennen diese

den Profis und freuen sich über die spontane Möglichkeit,

Ausrüstungsvorschriften meist gut, weil weltweit die Veranstalter von See-

Ihr Schiff selbst zu nutzen?

regatten eine Ausstattung des Schiffes nach den dort festgelegten Kategorien verlangen. Die Kategorien gehen von null bis vier, wobei null die

RA von der Mosel, Kiel

höchsten Anforderungen stellt und vier eher auf küstennahe Fahrt abstellt.

www.vondermosel.de

Nicht überraschend dürfte sein, dass die Sicherheitsausrüstung in Ordnung sein muss. Rettungsmittel müssen gewartet, Seekarten und Handbücher aktuell sein. Falls eine Gasanlage an Bord betrieben wird, muss sie abgenommen sein.

Ecki von der Mosel Rechtsanwalt Eckhard „Ecki“ von der Mosel berät viele Betriebe in der Wassersportbranche und hilft Eignern bei Stress mit Werften und Versicherungen. In seiner Freizeit leitet er die Seeregatten des Kieler Yacht-Club, darunter MAIOR, BlueRibbonCup und die Kieler Woche.


kolumne regeln boot. Es hat obendrein Anspruch auf Bahnmarken-Raum nach WR 18.2(b) 2.Satz und kann dadurch seinen Kurs ändern, so schnell und so hart, wie es

Berührung vermeiden

das möchte. Denn wenn es die Regel 16.1 verletzt, wird es durch die Regel

D

gestellt. BLAU behält sein Wegerecht, nun nach WR 11 (Lee vor Luv) und

21(a) entlastet und es wird nicht bestraft. Darüber hinaus ist GELB auch noch durch WR 14 verpflichtet, eine Berührung mit BLAU zu vermeiden. Später, in der Position 2, hat GELB eine innere Überlappung zu BLAU her-

ie Regel 14 der Wettfahrtregeln bestimmt ganz einfach, dass beim

GELB muss weiterhin Bahnmarken-Raum geben, WR 18.2(c)(1). Die Rech-

Regattasegeln alles zu tun ist, um Berührungen zwischen Booten

te von BLAU gehen sogar noch weiter, denn GELB muss nun auch den

(und Seglern!) zu vermeiden. „Wenn es vernünftigerweise mög-

Raum für BLAU geben, den dieses benötigt, um seinen richtigen Kurs zu

lich ist, muss ein Boot eine Berührung mit einem anderen Boot vermeiden.

segeln, siehe WR 18.2(c)(2).

“Man könnte sogar sagen, dass alle anderen Wegerechtsregeln nur dem Ziel dienen, diesen ersten Satz der Regel 14 zu erfüllen.

GELB kann es vermeiden, fünf Regeln gleichzeitig zu verletzen, indem es einfach luvt, die Bahnmarke an der falschen Seite passiert und danach erneut

Ein paar zusätzliche Klarstellungen enthält die Regel 14 jedoch: Ein Wege-

versucht, sie richtig zu runden. Aber GELB entscheidet sich anders. Als es

rechtsboot oder ein Boot, das Anspruch auf Raum hat, muss zur Kollisions-

nah an der Bahnmarke ist, wird klar, dass es sich weder freihält noch Bahn-

verhütung so lange nichts tun, bis klar ist, dass das ausweichpflichtige Boot

marken-Raum gewährt noch den Raum für BLAU gibt, damit dieses seinen

seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, WR 14a. Ein weiterer Schutz für

richtigen Kurs segeln kann. In diesem Moment kommt Regel 14 für BLAU

„bevorrechtigte Boote“ wurde in die Regel eingefügt. Wenn es zu einer

ins Spiel, genauer WR 14a, wie wir schon oben erwähnt haben. WR 14 ver-

Berührung ohne Schaden oder Verletzung kommt, ist das Wegerechtsboot

langt von BLAU, eine Berührung zu vermeiden, wenn dies vernünftigerwei-

oder das Boot, das einen Anspruch auf Raum hat, zu entlasten, das heißt,

se möglich ist. Und es ist möglich, sogar ganz einfach. Alles, was BLAU tun

es wird nicht bestraft, obwohl es eine Regel verletzt hat. Kommt es jedoch

muss, ist Kurs halten. Tut es das, wird es keine Berührung geben. Aber wie

zu einem Schaden oder einer Verletzung, auch wenn es sich nur um Krat-

wir sehen, vielleicht auch im Überschwang der Freude über so viele Regeln,

zer handelt, ist auch das bevorrechtigte Boot zu bestrafen. Dabei spielt es

die BLAU bevorzugen, luvt es und es kommt zu einer Kollision mit Schaden

keine Rolle, an welchem Boot der Schaden ist oder wer sich verletzt hat.

an beiden Booten. BLAU protestiert gegen GELB. Das Schiedsgericht disqualifiziert natürlich GELB wegen des Verstoßes gegen die Regeln 11, 14,

Es gibt einen Grundsatz in den Regeln, der die Bedeutung von WR 14 ein we-

18.2(b), 18.2(c)(1), 18.2(c)(2). Das Schiedsgericht entscheidet weiter, dass

nig verschleiert. Wenn man in einer Situation mehrere Regeln verletzt, wird

das Luven von BLAU so schnell kam, dass GELB sich nicht freihalten konn-

man dennoch nur mit einer Strafe belegt. Hat man zum Beispiel gegen die Re-

te, WR 16.1, aber – kein Problem – durch WR 21a wird BLAU von dieser

gel 10 verstoßen – Boot mit Wind von Steuerbord hat Wegerecht gegenüber

Regelverletzung entlastet. Jedoch – keine Regel entlastet BLAU von seinem

einem Boot mit Wind von Backbord – und es kommt dabei zu einer Berüh-

Verstoß gegen Regel 14. Es wird ebenfalls disqualifiziert. GELB verstieß ge-

rung, wird man dennoch nur einmal bestraft, es gibt also keine Verschärfung

gen fünf Regeln, BLAU nur gegen eine, aber das Ergebnis ist gleich: DSQ!

der Strafe, die ohnehin wegen des Verstoßes gegen Regel 10 fällig war. Denken wir also daran: Auch wenn viele Regeln für ein Boot sprechen, Man mag nun denken, dass die Regel 14 ja dann doch nicht so wichtig

Regel 14 gilt immer!

sei, da durch die anderen Regeln Fehlverhalten ja schon sanktioniert wird. Das ist ganz einfach falsch. Schauen wir uns deshalb einmal eine Grafik an.

Wind

Sie wurden hier mit vielen Regeln und Regelnummern konfrontiert! Zu viele? Ich hoffe doch, dass der geneigte Leser der Regelkolumne im Sailing Journal das Regelbuch zur Hand hat, vielleicht sogar das Buch „Wettfahrtregeln in der Praxis“ von Bryan Willis und mir. Viel Freude und Erkenntnis damit.

Eine Bahnmarke ist an Steuerbord zu lassen. Als BLAU die Zone erreicht, ist es klar voraus von GELB. Die Regel 12 – bei Wind von gleicher Seite, ist das Boot klar voraus das Wegerechtsboot – macht BLAU zum Wegerechts-

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Willii Gohl ist langjähriger internationaler Schiedsrichter des Weltseglerverbandes ISAF. Bei den 8mR-Yachten ist er genauso zu Hause wie bei den J 24 und den 420/470ern sowie im ISAF Sailing World Cup. Er ist Mitinhaber von Sailing Media, einem Unternehmen, das Seminare im Bereich Wettfahrtregeln und Taktik anbietet. Die deutschsprachige Ausgabe des Standardwerks „Wettfahrtregeln in der Praxis“ von Bryan Willis wurde von ihm bearbeitet, ebenso der „Regelbegleiter 2013-2016“!


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foto // Wikipedia

wissen to go

Die neue Cruise Generation

Jetzt noch er st u b o r

01 Die Freiheitsstatue diente anfangs als Leuchtturm. 02 Hamburg hat mehr Brücken als Venedig und Amsterdam zusammen.

03 Das Rote Meer verdankt seinen Namen einem Schreibfehler, in dem aus „Reed Sea“ (Schilfmeer) Red Sea wurde.

Elektromobilität – kompromisslos widerstandsfähig

04 Eine Krake besitzt drei Herzen. 05 Die TITANIC wurde von drei Millionen Nieten zusammengehalten.

06 Ein gewisser Gunpei Yokoi fing im Jahr 1965 an, bei Nintendo zu arbeiten. Allerdings war er nicht als genialer Tüftler und Erfinder, sondern als Hausmeister und Mechaniker angestellt. Was ihn nicht davon abhielt, später den Gameboy zu entwickeln.

07 Die 100 reichsten Menschen der Welt haben im letzten Jahr so viel verdient, dass sie die weltweite Armut viermal bekämpfen könnten.

08 Fußballer Wayne Rooney kann ohne das Geräusch eines Staubsaugers nicht einschlafen.

09 1672 töteten und aßen die Holländer ihren Premierminister Johan de Witt.

10 Das erste Video, das jemals bei Youtube hochgeladen wurde, hieß »Me at the zoo« und ist bis heute abrufbar.

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kolumne R2R

Europameisterschaft 2015

Die erste Entscheidung für Rio

Hochmotiviert sind wir dann in den vorletzten Regattatag gestartet. Leider schafften wir es trotzdem nicht, unsere vollen Stärken in allen Tageswettfahrten auszuspielen, und beendeten den Tag auf dem elften Platz im Gesamtklassement. Am Tag des Medal Race sollten zuvor noch drei

V

Gruppenwettfahrten durchgeführt werden. Mit einem ersten, einem vieror ein paar Tagen haben wir unsere erste Ausscheidungsregat-

ten und einem zehnten Platz schafften wir es noch auf den achten Gesam-

ta für die Olympischen Spiele 2016 beendet. Mit einem achten

trang. Das ersehnte Medal Race fiel jedoch leider aus, sodass wir unsere

Platz in der Gesamtwertung und als sechstes europäisches Team

Aufholjagd an dieser Stelle leider beenden mussten.

ersegelten wir in Porto zwar ein gutes Ergebnis, für unsere Qualifikation für Rio 2016 ist es jedoch noch nicht ausreichend. Daher haben wir unse-

Rückblickend können wir sagen, dass wir nicht gänzlich unzufrieden sind.

ren Urlaub erst einmal auf uns zukommen lassen, einiges verarbeitet und

Um aber eine Qualifikation zu den Spielen 2016 einzufahren, müssen wir

möchten euch nun von der Regatta berichten.

wieder an unsere alte Form anknüpfen. Unsere Trainingspartner Justus

Schmidt und Max Boehme haben mit ihrem Europameistertitel 2015 die

Jetzt sind wir schon so lange dabei und immer wieder stehen wir vor neu-

Latte sehr hoch gelegt. An dieser Stelle möchten wir ihnen auch herzlich

en Herausforderungen. Routine und Erfahrungen sind so wichtig, aber

dazu gratulieren. Der Druck wird stärker und wir sind zuversichtlich, dass

man darf nie seine Flexibilität für neue Situationen verlieren. Bereits der

es für unsere Entwicklung einen positiven Effekt geben wird.

erste Regattatag lehrte uns das, denn wechselhafte Bedingungen und Geschwindigkeitsprobleme erschwerten es uns, unsere Stärken gezielt aus-

In ein paar Tagen geht es zu den Pre-Olympics, bei denen wir auf dem

zuspielen. Wir starteten mit vier nicht zufriedenstellenden Ergebnissen in

Olympischen Revier gegen die besten Teams aller potenziell teilnehmen-

die Regatta. Am zweiten Tag erkämpften wir uns dann zwar drei sehr gute

den Nationen antreten werden. Wir freuen uns darauf und hoffen euch

Ergebnisse, aber die Top Ten blieben noch in weiter Ferne. Unsere Speed-

bald Neues, Positives berichten zu können.

probleme hatten wir mittlerweile in den Griff bekommen, aber die schwie-

rigen Bedingungen ließen uns einfach nicht richtig in Tritt kommen. Wir

verbesserten uns zwar ständig, aber den schlechten Einstieg konnten wir

Wir bleiben dran, ihr auch (hoffentlich)

bis zum Schluss nicht vollständig ausbügeln.

Tomi & Eric

Hinzu kam am Abend des vierten Tages noch ein nervlich stark belastender Protest durch die Wettfahrtleitung gegen uns und das 49er-FX-Team Victoria Jurczok und Anika Lorenz. Unsere Gennakerbäume wurden aufgrund einer falschen Lackierung als regelwidrig eingestuft. Uns fiel ein großer Stein vom Herzen, als wir erfuhren, dass es bei einer Verwarnung blieb. Eine Disqualifikation hätte uns in der Olympiaqualifikation sehr weit zurückgeworfen.

Erik Heil (Steuermann aus Hamburg) und Thomas Plößel (Vorschoter aus Kiel) schreiben in ihrem Blog Road to " Rio", was sie als professionelle Segler erleben. Gutes und Schlechtes. www.rio.sailing-team-germany.de

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Antipolis

Panerai Voiles d’Antibes Was die Griechen mit Antibes zu tun haben? Ganz einfach, sie haben es gegründet, und zwar schon um 340 vor Christus. Damit ist die kleine Hafenstadt eine der ältesten Städte an der Côte d’Azur. Als eine der wenigen französischen Mittelmeerstädte, deren Stadttor erhalten blieb.

D

text & Bild // tom körber

ie stattliche Stadtmauer samt Stadttor am Port of Vauban zeugen von alter heroischer Herrschaft und glanzvollem Reichtum. Benannt nach dem Stadtplaner und Baumeister Vauban, der gleich am Hafen das Fort Carré erweiterte und ausgebaute. 1553 wurde die damals kleine Festung hinter dem Hafen gebaut, um Stadt und Hafen gleichermaßen zu verteidigen. Von da an wurde sie immer wieder ausgebaut und vergrößert. Heutzutage gehört das Fort zum alltäglichen Hafenbild. Die hohen Festungsmauern werden wie selbstverständlich von Besuchern und Einheimischen genutzt, denn der Blick von hier oben weit übers Meer ist sagenhaft. Das mag sich auch Panerai gedacht haben, als sie – schon vor vielen Jahren – be-

gannen, die Voiles d’Antibes auszurichten. Hier, hoch oben in der Festung, regt sich zumindest noch eine kühlende Brise, während unten in der Stadt die Glut glüht. Fast 40 Grad um diese Jahreszeit, Anfang Juni, hauen selbst die hartgesottensten HitzeHüter fast um. Man muss sich schon weit bis in die kleinsten und schattigsten Winkel der Altstadt zurückziehen, um der wallenden Wärme zu entkommen. Auf dem Wasser klappt das nur bedingt. Wenig Wind und schleppende Thermik machen den Crews zu schaffen. Wer keinen Schatten abbekommen hat, brennt. Die anderen schützen sich mit großen Hüten, schattenspenden Segeln und der hehren Hoffnung nach ein bisschen Wind. Der dann auch am frühen Nachmittag so langsam in die Gänge kommt. Aber bitte nicht zu schnell, laissez faire gilt auch für windige Gesellen vom Meer.

Hier Video abspielen 74


75 reise

Im Hintergrund die NY49: ROWDY, eine Bermuda Sloop aus dem Jahr 1918. Eine Bootsl盲nge voraus im Vordergrund die TIGRIS, eine C么tre aurique (Cutter) aus dem Jahr 1899, gezeichent von Alfred Mylne.


reise

Oben: Die Bermuda Ketch ADRIA aus dem Jahr 1934. Gezeichnet wurde sie von Arthur Tiller. Unten links: Die Penéde Gould. Hier findet in der zweiten Julihälfte das berühmte Jazzfestival Jazz à Juan statt. Standesgemäß unter Pinien und freiem Himmel, nur wenige Meter vom Meer entfernt. Rechts: Der Markt (Le Marché Provencal) auf der Place Masséna, der täglich, außer montags stattfindet.

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Der Stadtstrand „Plage de la Gravette”. Im Grunde ist es der einzige Strand der Stadt. Wohl nur ein Grund, warum Antibes mit Juan-les-Pins zusammengelegt wurde.

Antipolis: Die Stadt gegenüber, das bezog sich wohl auf

Nachtleben auf den Straßen der Altstadt beziehungsweise

die Stadt Nizza. Sicher sind sich die Experten aber nicht. Im

des Hafens. Nur einige Menschen verharren hier, die meis-

vierten Jahrhundert bauten die Griechen ­Antipolis als kleine

ten gehen am Meer entlang Richtung Stadt oder in die ande-

Handelsstation aus. Größer und bedeutender wurde sie erst

re Richtung nach Juan-les-Pins. Die wenigsten bleiben hier

durch den Ausbau der Römer, wurde sogar Bischofssitz.

stehen. Der Geruch des auch nachts warmen Meeres und

Ihr Name änderte sich in Antibes. Im zwölften Jahrhundert

der abklingenden Hitze aus den Altstadtstraßen vermischt

fiel die Stadt in den Besitz der Grimaldis, die sie rund 300

sich mit leisen Gesängen des Chores, der heute Abend in der

Jahre später, im 16. Jahrhundert, an Frankreich verkauften.

Kathedrale singt.

Die Zeiten waren einfach zu unruhig, immer wieder überfielen Sarazenen die Stadt. Der französische König baute

Weiter in Richtung Juan-les-Pins nimmt der Trubel wieder

die Stadt sodann zu einer Festung aus, nachdem Nizza, an

zu. Die Strandstraße mit seinen Strandkiosken und Strand­

Savoyen fiel. 1815 landete der von Elba geflohene Napole-

restaurants (mit und ohne Piratenflagge), Cafèhaus-Reihen

on vor den Toren. Es folgte seine Herrschaft der 100 Tage.

sowie Geschäften für Schwimm- und Badeutensilien erinnert

Seitdem ging es friedlicher in Antibes zu. Fast möchte man

an Strandstraßen, die es überall am Mittelmeer gibt. Die ge-

sagen, musischer. Nach der Gründung des Seebads Juan-

schlossenen Jalousien erinnern mich daran, dass noch Vor-

les-Pins eine Bucht weiter ließen sich vor allem Schriftsteller,

saison ist. Dennoch ist der Strand voll, Schatten selten und

Maler und allerlei Künstler hier nieder. Picasso mag wohl ei-

wenn, dann besetzt. Zwischen den Appartementhäusern

ner der bedeutendsten gewesen sein. Das Picasso-Museum

verliert sich hin und wieder eine schöne ältere Architektur

zeugt noch davon, soll es doch eines der schönsten sein.

aus den 1960er-Jahren, als noch elegante Damen mit eben-

Auf einem Felsvorsprung, kurz vor der Altstadt, erhebt sich

so eleganten Herren flanierten und noch eleganter ihren

wuchtig das alte Château der Grimaldis aus dem 17. Jahr-

kleinen Hunden hinterherriefen. Eine Zeit, in der auch das

hundert, in dessen Räumen seit 1966 das Picasso-Museum

Jazzfestival „Jazz à Juan“ gegründet wurde. Sidney Bechet

untergebracht ist. An der Place Marieljo, gleich neben dem

verbrachte hier im warmen Klima der Côte seinen Lebens-

Museum, steht die Kathedrale. Ihre Barockfassade geht auf

abend. Am 7. Juli 1960 fand in Sichtnähe des Strandes, auf

das 17. Jahrhundert zurück, während das Querschiff und der

der Lichtung Pinède Gould, das erste Konzert mit Charles

Chor noch aus dem zwölften Jahrhundert stammen. Abends

Mingus, Albert Mangelsdorff, Bud Powell und Dizzy Gille-

ist diese Ecke Antibes eine ruhige Alternative zum quirligen

spie statt. Seitdem wurde das Festival zu einer Institution.


reise

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Antibes ist nach Nizza mit 80.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Region. Und eine der wenigen Städte am Mittelmeer mit einer derart gut erhaltenen Stadtmauer.


reise

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Links: Moderne Kunst in Antibes. Hier oben auf der Festung über dem Port Vauban hat man einen guten Überblick. Rechte Seite unten: Ein harter Tag für die Jungs der IL MORO DI VENEZIA. An diesem Abend verlor Mailand gegen Barcelona das Champions-League-Finale.


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Hier Video abspielen


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Hier Video abspielen


reise Neu in dieser Segelsaison ist die vom Geist der historischen

der neuen Saison. Die IL MORO DI VENEZIA will nach

Gentlemen’s Races inspirierte Challenge of Challenges. Als

ihrem Sieg in der Kategorie Classic 2013 in dieser Sai-

Veranstaltung innerhalb der Hauptveranstaltung ermöglicht

son ebenfalls wieder einmal ganz oben auf dem Podium

sie es zwei Yachten aus der gleichen Kategorie, ohne Han-

stehen. Ein vielversprechendes Debut bei den Big Boats

dicaps (Zeitkorrektur) oder Zulassung von Protesten gegen-

gab die MARISKA, eine von nur noch vier seetüchtigen

einander zu segeln. Kurzum: Wer zuerst die Ziellinie über-

Yachten der internationalen 15-Meter-Klasse. Sie wird in

quert, gewinnt. Die erste Challenge of Challenges wurde in

den nächsten Runden versuchen, sich von ihrer härtesten

Antibes zwischen den beiden über 100 Jahre alten Yachten

Rivalin in dieser Kategorie, der MOONBEAM IV (1914),

LULU und EVA ausgetragen. Beide sind Gaffelkutter und

abzusetzen. Alle drei Wettfahrten in der Kategorie Spirit

segeln in der Kategorie Vintage. LULU wurde 1897 in Frank-

of Tradition gewann die Bermuda-Slup FREYA. Sie ließ da-

reich nach Plänen des Architekten Thomas Rabot gebaut.

bei so regelmäßige Teilnehmerinnen der Panerai Classic

Da sie als Sportboot von nationalem historischen Rang gilt,

Yachts Challenge wie SAVANNAH, ILHABELA II, KIS und

unterstützt der französische Staat ihre Instandhaltung. Die

NAZGUL OF FORDELL hinter sich.

1906 auf der legendären Fife-Werft vom Stapel gelaufene EVA hingegen stammt aus der Feder von William Fife III.

Die Voiles d‘Antibes, die erste Runde des Mediterranean

EVA gewann die Challenge und durfte die von Officine Pa-

Circuit der Panerai Classic Yachts Challenge 2015, endete

nerai gestiftete Goldmedaille mit nach Hause nehmen. Zum

mit Siegen der CHINOOK (1916) in der Kategorie Vintage,

Spaß überreichte die Siegercrew anschließend der Crew

der IL MORO DI VENEZIA (1976) in der Kategorie Classic,

der LULU T-Shirts mit der Aufschrift EVA, die diese als faire

der MARISKA (1908) in der Kategorie Big Boats und der

Verlierer auch überzogen. Sportsgeist, Loyalität und gegen-

FREYA (2003) in der Kategorie Spirit of Tradition.

seitiger Respekt machen diesen Wettbewerb aus. Einen kleinen Wermutstropfen musste die Crew von der IL Sehr zur Freude seines neuen Eigners dominierte der

MORO DI VENEZIA dennoch hinnehmen. Das Champions-

Gaffelkutter CHINOOK nach seinem Gesamtsieg 2014

League-Finale verloren die Italiener aus Turin gegen die Spa-

in der Kategorie Vintage auch die Auftaktveranstaltung

nier aus Barcelona. Was solls, zumindest keine Griechen …

1947 werden im Schloss der Grimaldi die ersten Bilder von Picasso gezeigt. 1966 wurde hier das Picasso-Museum eingerichtet. Neben Paris die wichtigste Ausstellungsstätte.

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Oben: Juan-les-Pins. Blick vom Hotelzimmer des Fotografen. So ruhig, wie es den Anschein hat, war es mitnichten. Eine Beachparty bis in den Morgengrauen verhalf zu dieser Nachtaufnahme. Unten: 7C, die LULU gewann die erste Challenge of Challenges.


ShortTrack

Segel-Bundesliga Warnemünde

Hier Video abspielen

fotos // DSBL/Lars Wehrmann

Das zweite gemeinsame Wochenende der laufenden Saison verlangte

einem souveränen Auftritt am letzten Tag in Warnemünde den Sieg

den 36 besten Segelclubs Deutschlands der 1. und 2. Segel-

der dritten Station der 1. Bundesliga gesichert. „Meine Mannschaft

Bundesliga ihr ganzes Können ab. Die besten Allrounder setzten

ist einfach sensationell gesegelt. Der heutige Tag war der perfekte

sich in Warnemünde am Ende eines hochspannenden Wochenendes

Abschluss und es hat tierisch Spaß gemacht – bei dem Wind und der

durch. In der 1. Bundesliga gewinnt der Deutsche Meister, der

Welle“, resümiert Steuermann Johannes Polgar, der mit Niklas von

Norddeutsche Regatta Verein aus Hamburg, in der 2. Bundesliga

Meyerinck, Florian Weser und Miklas Meyer den Meister wieder aufs

dominiert der Bayerische Yacht-Club. Tabellenführer der 1. Bundesliga

Podium geführt hat. Auf Rang zwei folgen der Württembergische

bleibt der Deutsche Touring Yacht-Club vom Starnberger See, in der 2.

Yacht-Club und der Tabellenführer Deutscher Touring Yacht-Club

Bundesliga übernimmt der Lindauer Segler-Club den Top-Platz.

(DTYC) als Dritter. In der Tabelle verbessert sich der NRV mit dem Sieg auf den dritten Platz. Zwischen dem DTYC und dem NRV liegt der

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1. Segel-Bundesliga

Flensburger Segel-Club auf dem zweiten Tabellenplatz. Der bisherige

Nach einem mittelmäßigen Auftakt hat sich der amtierende Deutsche

Tabellenführer vom Chiemsee Yacht Club findet sich nach einem 17.

Meister aus Hamburg, der Norddeutsche Regatta Verein (NRV), mit

Platz in Warnemünde nur auf dem fünften Tabellenplatz wieder.


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2. Segel-Bundesliga Dass der abgestiegene Bayerische Yacht-Club dieses Jahr den direkten Wiederaufstieg ins Oberhaus des deutschen Segelsports schaffen möchte, hat die Crew mit Steuermann Philipp Hibler, Andreas Plettner, Andreas Achterberg und Leopold Lindner an der Ostsee beeindruckend bewiesen. Mit sieben Siegen in neun Rennen und zwei zweiten Plätzen bleibt die Weste fast weiß. „Ein besseres Ergebnis hätten wir uns natürlich nicht wünschen können. Wir waren als Team perfekt aufeinander abgestimmt, und das hat am Ende vielleicht den Ausschlag gegeben“, so Andreas Plettner. Damit verbessert sich der BYC auf den siebten Tabellenplatz. Zweiter in Warnemünde wird die Entdecker- und Seefahrerfördervereinigung aus Hamburg vor dem neuen Tabellenführer der 2. Bundesliga, dem Lindauer Segler-Club.


ShortTrack

Travemünde

Hier Video abspielen

fotos // DSBL/Oliver Maier

1. Segel-Bundesliga

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Im Juli sorgten die 36 Clubs der 1. und 2. Segel-Bundesliga

Mit dem knappen, aber verdienten Sieg des Kieler Yacht-Clubs (KYC) vor dem

beim dritten Auftritt für einen spannenden Auftakt der

Flensburger Segel-Club (FSC) und dem Wassersport-Verein Hemelingen aus

Travemünder Woche. Mit starken Leistungen fahren der

Bremen ist das Rennen um den Deutschen Meistertitel offen wie nie zuvor.

Kieler Yacht-Club in der 1. Bundesliga und der Lindauer

Der KYC fuhr die konstanteste Serie der 18 Erstligisten. „Der Sieg kommt für

Segler-Club in der 2. Bundesliga als verdiente Sieger nach

uns unerwartet. Wir wollten hohe Platzierungen und große Fehler vermeiden“,

Hause. Im Kampf um den Titel des besten deutschen

erklärte Steuermann Julian Ramm mit seiner Crew Oliver Lewin, Malte Päsler

Segelclubs ist das Rennen so offen wie noch nie, der

und Florian von Wieding. Mit dem Sieg schiebt sich der KYC auf den dritten

Deutsche Touring Yacht-Club aus Tutzing verteidigte seine

Tabellenplatz vor. Die Tabellenführer vom Deutschen Touring Yacht-Club aus

Führung auch in Travemünde. In der 2. Bundesliga bleibt der

Tutzing haben nach dem siebten Platz in Travemünde nur noch zwei Punkte

Lindauer Segler-Club vom Bodensee an der Tabellenspitze.

Vorsprung auf ihre ersten Verfolger, den Flensburger Segel-Club.


95

2. Segel-Bundesliga Auch in der 2. Bundesliga ging es in Travemünde eng zu. Der Bayerische Yacht-Club, Sieger aus Warnemünde, führte zwei Tage lang souverän, musste am Ende doch noch die Tabellenführer vom Lindauer Segler-Club (LSC) vorbeiziehen lassen. Nach dem zweiten Platz in Tutzing und dem dritten Platz in Warnemünde fährt der Club vom Bodensee mit Veit Hemmeter, Teresa Hemmeter, Martin Holstenkamp und Fabian Gielen den dritten Top-Drei-Platz ein. In der Tabelle baut der LSC damit seine Führung auf acht Punkte zum Zweiten, dem Klub am Rupenhorn

Photo: Lloyd Images

aus Berlin, aus. Dritter ist der Bayerische Yacht-Club.

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regatta

Fliegen&Siegen text & Bild // tom körber

Die knapp zehn Meter langen und rund 950 Kilogramm schweren Katamarane erreichen Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 40 Knoten (circa 70 km/h). Dank ausgereifter Konstrukteurstechnik und der Foils vermögen sie regelrecht über dem Wasser zu fliegen. Gesegelt wird in Fleetraces. Das heißt, alle Teilnehmer sind gleichzeitig auf dem Race Course. Pro Tag werden sechs bis acht Wettfahrten absolviert. So viel zur Theorie.

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foto // Sander van der Borch

E

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Hier Video abspielen

Schrecksekunde auf der ALINGHI. In einer schweren Schauerböe kenterte der Cat. Aufgrund weiterer starker Böen bis Stärke sieben wurde das Rennen aus Sicherheitsgründen für den Tag beendet.

ine Szene wie in einem Marketinglehrbuch: Keine zehn

sogenannten Foils, wieder die Fahrtrichtung wechselten, um im nächsten Moment erneut die

Meter von den voll besetzten Brücken und der Kaimauer

Tonnen zu runden. Die fachkundigen Kommentatoren auf einem Brückenkopf erklärten den

an der Kiellinie entfernt setzen die Teams ihre Wenden

Ablauf präzise.“ Auf den Vorwindstrecken Richtung Ostufer der Kieler Förde hoben die Renn-

und Halsen. Das Kreischen der Schoten auf den Winsch-

maschinen auf ihren L-förmigen Flügeln immer wieder ab und erreichten atemberaubende

trommeln und das Surren der Tragflächen beim Abheben

Geschwindigkeiten. „Für wenige Hundert Meter hat es zum Foilen gereicht, das war manches

scheinen zum Greifen nah. Das fachkundige Publikum

Mal schon ausschlaggebend“, berichtete McMillan (SULTANATE OF OMAN), der mit seiner

hielt ebenso mehrfach den Atem an wie Zaungäste, alle

Leistung allerdings weniger zufrieden war. Als Gesamtführender der GC32 Racing Tour habe

spendeten ehrlichen Applaus – für jede der augenschein-

er höhere Ansprüche als im Mittelfeld zu landen. Der Steuermann vermisste vor allem seinen

lich hart kämpfenden Mannschaften, die alle Hände voll

langjährigen Weggefährten Pete Greenhalgh schmerzlich. Der Segeltrimmer und Mitdenker ist

zu tun haben, ihre „Rennziegen“ schnell, aber heil über

kurzfristig erkrankt und wird beim Event in Kiel von Paul Campell-James ersetzt, der extra aus

die Bahn zu bringen. „Das ist richtig cool“, sagte Ralf

England eingeflogen wurde. „Die enge Regattabahn war eine große Herausforderung für alle

Scherzer und traf es auf den Punkt. Der Chef der fünf-

fünf Teams“, sagte McMillan zurück an Land. Der westliche Wind schwankte zwischen Stärke

teiligen Bullitt GC32 Racing Tour war hochzufrieden mit

zwei und gut fünf Beaufort in den Böen. Hinzu kamen Winddrehungen von bis zu 30 Grad, die

der Performance seines dritten Events. Strahlender Son-

eine hohe Flexibilität und schnelle Reaktionen bei den taktischen Entscheidungen verlangten.

nenschein hatte nicht nur Kielerinnen und Kieler an die

„Oft war es eine Frage von wenigen Sekunden, ob du vorn mitfährst oder das Feld von hinten

Schokoladenseite ihrer Landeshauptstadt gelockt.

aufrollen musst“, so der Skipper.

Die Segelenthusiasten hatten an den drei Regattatagen je-

Auch am zweiten Tag sah es auf dem Wasser zunächst wieder nach einem Alleingang der ALIN-

den Grund, mehr als einmal mit der Zunge zu schnalzen.

GHI aus, die schon am ersten Regattatag überragte. Doch im weiteren Verlauf nahm die SPIN-

Am Donnerstag, dem Trainings- und Medientag, schoss

DRIFT immer besser Fahrt auf. „Wir sind wie ein Diesel, kommen nur langsam in Gang, aber

ALINGHI in die Sonne und fabrizierte einen filmreifen Sal-

laufen dann wie am Schnürchen“, sagte Skipper Yann Guichard, der mit gesamten Crew bei

to. Niemand verletzt, weiter ging es dennoch nicht. Kno-

der Tagessiegerehrung eine echte, geräucherte Kieler Sprotte stilecht verzehrte und bei den

chen zählen und Rigg checken war statt Segeln angesagt.

Zuschauern weitere Pluspunkte sammelte. Kurz zuvor hatte der smarte Franzose von einem

Allerdings war die Crew von dem Punkt an hellwach, kein

knüppelharten Zweikampf der ALINGHI mit der SULTANATE OF OMAN profitiert, in dem Mor-

Wunder bei 16 Grad Wassertemperatur. Am folgenden Tag

gan Larson sein Pendant auf dem arabischen Boot, Leigh McMillan, an der allerletzten Wende-

konnte die Crew um Morgan Larson gleich sechs Läufe ge-

marke so aggressiv „abklemmte“, dass er zwar vor dem Briten blieb, aber nur als Vorletzter die

winnen. Enge Kurse haben ihre Tücken, das ist in Kiel nicht

Ziellinie überquerte. Das war das schlechteste Rennen der ALINGHI überhaupt in Kiel.

anders als in anderen Städten. „Die Taktik war ausschlaggebend“, erklärte Larson seine Siegsträhne, „meine ganze

„Danke, Kiel!“, sagte Larson, „der Austragungsort hat uns alles gegeben, was wir für dieses

Mannschaft ist taktisch versiert und hält alle Augen offen.“

Regattaformat brauchen, von packenden Manövern bis zum frenetischen Beifall. Das war

Auch während der zahlreichen, kräftezehrenden Manöver

eine glatte Eins.“ Einen rabenschwarzen Schlusstag erwischte dagegen GC32-Klassenprä-

auf der engen Regattabahn habe immer einer den Über-

sident Flavio Marazzi aus der Schweiz, der mit seinem ARMIN STROM SAILING TEAM auf

blick, wo der nächste Böenstrich einfällt. Oft vergingen

den letzten Platz hinter das Team ENGIE von Sebastien Rogues zurückfiel und in der Tour-

zwischen zwei Wenden oder Halsen nur wenige Sekunden,

wertung von zwei auf vier abrutschte. „Kiel war großartig für die GC32-Klasse, aber ein

bis die zehn Meter langen Katamarane mit Tragflächen, den

Desaster für meine Mannschaft“, so Marazzi.


regatta

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Obwohl ALINGHI in Kiel siegte, bleibt die SULTANATE OF OMAN Führender der Gesamtwertung. Rund 15.000 kamen an den drei Renntagen an die Kieler Förde.


regatta

GC32. Great-Cup-Klasse. Einmal mehr wird bei dieser Klasse der Vergleich zur

Hier Video abspielen

­­Formel 1 bemüht. Auch wenn dieser Vergleich seit dem America’s Cup als Slogan für schnelle Bootsklassen (nahezu) zu Tode geritten ist, bietet er doch eine bildhafte Vergleich-

„Wir haben die außergewöhnlich spannenden Rennen auf einem anspruchsvollen Revier ge-

barkeit. Der AC war es denn auch, der die Foil-Manie ins

nossen“, meinte ALINGHI-Skipper Larson nach 17 Wettfahrten, von denen er neun gewann

seglerische Leben brachte. Was im Surfen und Kiten schon

und als Einziger nie Letzter wurde. „Der Szenenapplaus der vielen Tausend Zuschauer hat uns

seit Jahren bekannt ist und sich nicht durchsetzen konnte,

zusätzlich motiviert“, so Larson, der teilweise nur wenige Meter vor der Kaimauer und den

soll hier endlich Fuß fassen. Die Chancen dafür stehen nicht

Brücken der Kiellinie wendete oder halste. Das Raunen der begeisterten Besucher hallte über

so schlecht, wie der Mit-Konstrukteur des GC32 Martin Fi-

die Innenförde und spornte die Verfolger entsprechend an. „Kiel hat seine Ziele selbst hoch

scher im Gespräch berichtet. Manche reden schon von einer

gesteckt und sogar noch übertroffen“, freute sich Tourchef Ralf Scherzer über einen Event der

Revolution im Segelsport. Die in die Jahre gekommene Ext-

Extraklasse. Von Schwachwind bis zu stürmischen Böen, die den späteren Sieger ALINGHI

reme-40-Klasse soll schon ab 2016 auf neuen Cats mit Foils

vor dem Auftakt sogar zum Kentern brachten, bot der Windgott alles auf, was Segler mal lie-

durch die Welt touren. Nun auch noch die etwas kleineren

ben und mal hassen. An allen Tagen kamen die GC32-Katamarane auf ihren Tragflächen zum

32-Füßer. Während bei den Mehrrümpfern tatsächlich so

Foilen, das heißt, sie hoben mit beiden Rümpfen übers Wasser ab. Waren es am Finaltag nur

etwas wie eine kleine Revolution stattfindet, halten sich die

Momente, hielt selbst die Fachwelt an den Vortagen den Atem an, als die „Rennziegen“ mit

Konstrukteure der Einrümpfer noch merklich zurück. Aller-

mehr als 30 Knoten (fast 60 km/h) über den Kurs „flogen“.

dings laufen schon erste Testphasen auf IMOCA-60-Yachten, die aber noch eher unbefriedigend ausfallen.

Am zweitbesten gelang das vor Kiel der französischen SPINDRIFT von Yann Guichard, die sich dadurch in Gesamtranking mit zehn Punkten auf Platz drei vorschob, hinter ALINGHI und der SULTANATE OF OMAN mit sechs Zählern. „Wir sind schon froh, die Spitze gehalten zu haben, aber unsere Leistung war unbefriedigend“, resümierte Leigh McMillan seine eher durchschnittlichen Platzierungen. Ein Tagessieg zum Abschluss, der ihm zugleich das „Tagesgold“ einbrachte, versöhnte den Briten etwas. Bei den verbleibenden Events in der italienischen Hauptstadt Rom und im französischen Marseille Ende September wird er die Verfolger im Nacken spüren.

Ranking GC32 Sailing Cup Kiel • ALINGHI (SUI) • SPINDRIFT (FRA) • SULTANATE OF OMAN • ENGIE (FRA) • ARMIN STROM (SUI)

Ranking der gesamten Tour • SULTANATE OF OMAN • ALINGHI (SUI) • SPINDRIFT (FRA) • ARMIN STROM (SUI) • ENGIE (FRA)

Kiel ist der einzige Austragunsort der Tour, in dem das Regattagebiet so schmal ist. An der schmalsten Stelle sind es gerade einmal 300 Meter.

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Wir trafen Martin Fischer, den Konstrukteur der GC32. Zur

Wo ist der Unterschied zum Extreme 40 in der Rumpfform? Der Extreme 40 hat wieder-

Person: Er kommt aus der Nähe von Bremen, lebt seit circa

rum einen ganz anderen Rumpf. Das kommt daher, weil er im Grunde zwei Generationen alt ist.

15 Jahren in Frankreich und beschäftigt sich ebenso lange

Der Rumpf hat einen sehr ausgeprägten V-Spant, fast wie bei einem Tornado. Damals war das

mit Bootsdesign, seit fünf Jahren hauptberuflich. Neben dem

noch eine aktuelle Rumpfform, aber das Design ist ja mittlerweile auch rund zwölf Jahre alt.

GC32 zeichnete er drei Formula-18-Katamarane (Capricorn, Phantom und Hobie Wild Cat), arbeitete jahrelang im Team

Aber dieses Boot (GC32) wurde von Beginn an mit Foils geplant oder? Stimmt. Aller-

von GROUPAMA, designte dort vor allem Schwerter und Ru-

dings hatten wir am Anfang Foils, die nicht so gut funktionierten. Das Boot kam 2012 auf den

der. Bei der GROUPAMA II, einem ORMA-60-Trimaran, war

Markt, sodass wir in der ersten Saison mit den Foils segelten. 2013 aber haben wir die Foils ver-

er auch an der Rumpfentwicklung beteiligt. Leider war der Tri

ändert. Die Foils funktionierten zwar, aber deutlich schlechter, weil die Abhebegeschwindigkeit

so schnell, dass er im Grunde die Klasse zerstört hat. Danach

deutlich später ist. Mit anderen Worten: Sie brauchten erheblich mehr Wind, um zu fliegen.

sind alle anderen nur noch um Platz zwei gesegelt, sodass die Klasse tatsächlich aufgelöst wurde. An der GROUPAMA III,

Welchen Einfluss haben die Foils auf die Beschleunigungsphase? Grundsätzlich ist ein

die erst die Jules Verne Trophy und dann mit Frank Gammas

Boot mit Foils schneller als ein Boot ohne Foils. Auch in der Beschleunigungsphase.

die Route du Rhum gewann, war er ebenso beteiligt. Danach arbeitete er an dem GROUPMA Volvo 70. Daneben design-

Wie muss ein Foil-Rumpf aussehen? Es werden viele verschiedene Simulationen durchge-

te er für BANQUE POPULAIRE und für SODEBO. Von Ende

führt, es werden verschiedene Rumpfkandidaten getestet, die werden dann im Rechner getestet

2013 bis April 2015 stieg er ins Team von LUNA ROSSA im

und die Abhebephase wird mathematisch simuliert. Dementsprechend werden die unterschied-

America’s Cup ein. Nach dem Ausstieg des Teams aus dem

lichen Rümpfe mit verschiedenen Foilkandidaten getestet. Dann nimmt man natürlich denjeni-

AC (aufgrund der ständigen Regeländerungen) wird er wohl

gen, der am besten abschneidet.

für TEAM FRANCE arbeiten. Nicht zu vergessen die AC 45, bei denen er die Foils und Ruder designte.

Wie viele unterschiedliche Foil-Designs gibt es? Oder anders gefragt: Gibt es unendlich viele Foil-Formen oder sind die begrenzt? Die Anzahl ist seeehr groß, weil man immer

Welchem Einfluss haben die Foils auf die Form der

verschiedene Parameter hat. Im Grunde muss man sich das wie ein großes V vorstellen. Wir kön-

Rümpfe? Als ich den GC32 gezeichnet habe, war von

nen den Winkel von dem V verändern und wir können die Länge des horizontalen Teils (Tip)

Anfang geplant, das Boot mit Foils auszustatten. Nicht un-

variieren. Ebenso können wir die Länge und den Winkel des vertikalen Teils verändern, und das

bedingt mit genau diesen Foils, da wir noch nicht wussten,

natürlich stufenlos. Das heißt, allein bei diesen Teilen haben wir schon extrem viele Möglichkei-

wie die tatsächlich aussehen würden. Dennoch wurde die

ten. Weiterhin können wir den Foil verwinden, wie einen Twist im Segel. In der Regel ist der Foil

Rumpfform teilweise darauf abgestimmt. Das heißt, wir ha-

nie gerade, sondern hat immer einen leichten Twist. Wir machen das aus Festigkeitsgründen,

ben eine Rumpfform gewählt, die so designt ist, dass wenn

sonst brechen sie. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Stabilisierung der Flughöhe beziehungs-

das Boot noch nicht komplett fliegt, aber schon teilweise

weise der Foil muss so designt sein, dass sich die Flughöhe selbst stabilisiert. Das heißt, dass

angehoben wird, sich die benetzte Fläche relativ schnell

wenn das Boot aus dem Wasser kommt, es auch irgendwann nicht weiter herauskommt und ab

verkleinert. Im Gegensatz zu Rümpfen mit einem sehr ausge-

einem bestimmten Punkt zu weit heraus ist und dann aufs Wasser kracht. Theoretisch könnte er

prägten U-Spant. Da kommt das Boot höher aus dem Wasser

das, macht er aber aufgrund des speziellen Designs nicht. Genau das ist der Knackpunkt: Das

heraus, aber die benetzte Fläche ändert sich kaum.

Design so zu optimieren, dass er genau das nicht macht.


regatta

Unter eine Hallberg Rassy würde ein Foil wohl nicht passen.

Tragflächen. Obwohl der Phantom ein schneller Formula 18 ist und mit 23 bis 24 Knoten (mit guten Crews) fährt, beim Flying Phantom sind wir bei 32 Knoten. Das ist ungefähr der Unterschied zwischen einem 470er und einem Formula 18. Speziell vor dem Wind ist der Unterschied enorm. Ich habe früher für GROUPAMA gearbeitet. Da haben wir an einem C-Cat entwickelt und starteten dann ein Foilprogramm. Dieser Cat gewann dann die C-Cat-Meisterschaft mit einem Geschwindigkeitsüberschuss von 20 Prozent gegenüber dem Zweiten. Das war ein deutlicher Vorsprung. Welche Parameter bestimmen genau das? Im Wesentlichen ist das der Winkel des horizon-

Kann man unter jedes Boot ein Foil kleben beziehungs-

talen Teils. Je steiler der Winkel, desto höher ist die Flughöhenstabilisierung. Aber das erzeugt

weise hat bald jede Klotür einen Foil? Na ja, unter eine

auch mehr Widerstand. Wir müssen da einen Kompromiss finden zwischen Stabilität und Wi-

Hallberg Rassy würde das wohl nicht passen. Im Prinzip wür-

derstand. Die Flughöhenstabilisierung hängt von der Größe des Boots ab. Grundsätzlich gilt: Je

de es aber unter jedes Regattaboot passen. Selbst eine X-99

größer das Boot, desto stabiler ist es. Je stabiler ein Boot, desto aggressiver können wir den Foil

wäre nicht schnell genug, vielleicht aber eine X-79, die ich

gestalten. Je kleiner das Boot, desto mehr Toleranz müssen wir „einbauen“.

für schneller halte. Ich denke aber nicht, dass diese Entwicklung sehr schnell gehen wird, da die Kosten sehr hoch sind.

Gibt es eine rechnerische „Optimalflughöhe“? Ja, die hängt von der Geschwindigkeit ab.

Ebenso spielen der Zeitfaktor und das Know-how große Rol-

Für jede Geschwindigkeit und für jede Windstärke gibt es für den Foil eine optimale Einstellung.

len. Das wird erst in großen Booten, die mit großen Budgets

Der Widerstand kann sich dramatisch ändern, wenn sich die Flughöhe stark ändert. So ergeben

ausgestattet sind, ausprobiert, ähnlich wie in der ­­Formel 1. Es

sich Widerstandsunterschiede zwischen 20 und 25 Prozent, was enorm viel ist.

geht allerdings auch eine Nummer kleiner, denn es gibt eine Q23, vergleichbar mit einer Melges 23 – nur mit Foils.

Die eigentliche Herausforderung besteht also darin, für jede einzelne Rumpfgeschwindigkeit in den verschiedenen Gleitphasen die optimale Flughöhenphase zu fin-

Auch unter einem – sagen wir – Open 60? Das wäre

den? Wenn das Boot noch nicht fliegt, muss man den Winkel der Foils verstellen, das können die

vorstellbar. Die Boote sind schnell. Das muss man einfach

Segler an Bord machen. In Abhängigkeit der Geschwindigkeit muss der Winkel der Foils ange-

durchexerzieren. Es gibt schon Open 60 mit Foils. Wobei, so

passt werden. Wenn man dann fliegt, muss wieder der Winkel angepasst werden, um die richtige

wie ich das gehört habe, funktioniert das noch nicht so, wie

Flughöhe zu halten.

die Jungs sich das vorgestellt haben. Das war aber auch erst der erste Versuch. Ich denke schon, dass es da einen Weg

Woher weiß ich, wann die richtige Flughöhe erreicht ist? Spürt das der Skipper? Nee,

geben wird und solche Boote auch auftauchen werden.

das ist ganz schwer zu merken. Das ist ein langwieriger Prozess. Wir haben theoretische Berechnungen durchgeführt und den Skippern Tabellen gegeben, wie sie den Foil einstellen müssen. Die Berechnungen sind nicht immer 100 Prozent, sodass die Teams dann in die Feinarbeit gehen und selbst probieren und die Tabellen ergänzen. Ist das Foilen die Zukunft – fast schon eine Revolution – im Segelsport? Ich würde es eine neue Art von Booten bezeichnen. Der Geschwindigkeitsunterschied zwischen einem herkömmlichen Katamaran und einem Katamaran auf Tragflächen ist genauso groß wie der Unterschied zwischen einem Kat und einer Jolle. Nehmen wir zum Beispiel einen Formula 18, den Phantom, den ich auch gezeichnet habe. Mittlerweile existiert das Boot auch als Flying Phantom, sprich mit

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In Kiel konnten die Zuschauer mit engen Manövern und engen Zieleinläufen richtiges Stadionsegeln erleben. Für das Team, das gewinnen will, heißt das: Immer unter den Top 3 ins Ziel kommen.


technik

Black boss der Bau der neuen hugo boss von alex thomson

Schrift // Michael Walther Refitbilder // Cleo Barnham

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Der unbearbeitete Rumpf der neuen IMOCA 60 HUGO BOSS. Vorangegangen sind unzählige Schritte. Ein Jahr Entwicklung und Design, dann der Bau der Formen und später der Aufbau der Kohlefaser-Waben-Kohlefaser-Schichten. Einige Bereiche des neuen Rumpfs hingegen bestehen lediglich aus einer 2,6 Millimeter dicken Kohlefaser-Schicht. Diese Bereiche sind dann durch kleine Querstreben verstärkt, was eine noch leichtere Alternative zu der herkömmlichen Sandwichbauweise ist.


Aus Sicherheitsgründen verbietet das Reglement der IMOCA-Klasse die eigene Entwicklung von Kiel und Mast.

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Beim Vendée Globe 2012/2013 kamen von 19 gestarteten Yachten gerade einmal elf ins Ziel. Viele der Ausfälle waren durch defekte Kielhydrauliken oder verlorene Kielbomben zu beklagen. Aus Sicherheitsgründen verbietet das Reglement der IMOCA-Klasse die eigene Entwicklung von Kiel und Mast – es müssen an diesen Stellen einheitliche Bauteile montiert werden. Dies widerspricht zwar der Entwicklungsfreiheit, die die Klasse sonst gern den Designern bietet, soll aber dafür sorgen, dass bei den anstehenden Rennen die Ausfallzahlen sinken. Bei der neuen HUGO BOSS wird hier vor dem Zwischenschott der exakte Einbau der Kielbox kontrolliert.


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Während des Baus der neuen Yacht ist Alex Thomson als Skipper von Beginn an bei jedem Schritt mit dabei. Die langjährige Erfahrung der Designer und der Yachtwerft Green Marine in England helfen bei dem Bau einer so speziellen Regattayacht. Dennoch werden Modelle und Formen aus Holz gefertigt, um die perfekte Positionierung einzelner Elemente zu finden. Die hier modellweise aus Holz gefertigte Plicht muss später perfekt auf die Bedienung der Yacht mit nur einer Person ausgelegt sein – Alex wird die neue HUGO BOSS bereits 2016 beim Vendée Globe 24.000 Seemeilen allein um die Welt segeln. Nicht ohne Grund verschlang die Planung der neuen Yacht ein Jahr und der Bauprozess weitere elf Monate.


technik

Die Nomex-Wabenstruktur findet sich in den Bauteilen und als Designelement auf der sp채teren Yacht wieder.

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Die Nomex-Wabenstruktur findet sich in den Bauteilen und als Designelement auf der späteren Yacht wieder. Mit gerade einmal 7,5 Tonnen ist die 18,23 Meter lange Yacht dank der Kombination aus Kohlefaser, Wabenstrukturen und Schaum ein echtes Leichtgewicht. Im Vergleich zu der bisherigen HUGO BOSS wurde damit das Gewicht um fünf Prozent reduziert. Umso beeindruckender ist dies, weil die neue Yacht mit sogenannten „lifting daggerboards“ ausgestattet sein wird, was die Verstärkung einiger Bereichen erst notwendig macht! Diese Schwerter verhindern nicht nur die Abdrift der Yacht, sondern sollen auf bestimmten Kursen für Auftrieb und damit eine höhere Bootsgeschwindigkeit sorgen.


technik

Neben hochwertigen Rohstoffen und maschinengestützter Bearbeitung ist der Bau einer Hightech-Rennyacht nach wie vor zum größten Teil Handarbeit. Beim Laminieren der einzelnen Schichten muss peinlich genau darauf geachtet werden, dass keine Lufteinschlüsse entstehen, und bei der Montage verschiedener kleiner Bauteile muss die Ausrichtung exakt eingehalten werden. Und auch wenn hinterher eine sensible Rennyacht entsteht, muss beim Bauprozess oft mit harten Bandagen gekämpft werden. So muss das Deck mit Hammer, Keilen und Kranunterstützung aus der Form gehoben, gedreht und anschließend auf den Rumpf gesetzt werden.

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Die Kombination der unterschiedlichen Werkstoffe und ihrer unterschiedlichen Eigenschaften ist hierbei die Lösung.

Die neue HUGO BOSS soll bis zu 35 Knoten erreichen. Bis zu 633 Quadratmeter Segelfläche wird der neue Lorima-Flügelmast dann tragen, 2,5 Kilometer Tauwerk werden zur Bedienung der Yacht unter und über Deck verlegt. Und dennoch soll dieses technische Meisterstück so leicht und dabei so steif sein wie nur möglich. Die Kombination der unterschiedlichen Werkstoffe und ihrer unterschiedlichen Eigenschaften ist hierbei die Lösung. Ebenso wie die Kombination unterschiedlicher menschlicher Stärken. 30 Leute arbeiten an der neuen HUGO BOSS, unter anderem die Designikone Konstantin Grcic, den Alex Thomson extra für den Bau der neuen Yacht ins Team holte.


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technik

Alex Thomson INTERVIEW // MICHAEL WALTHER

What do you expect from the new boat and what are the main differences compared to the old one? The main differences are the foils. We hope as a team we have created the fastest IMOCA 60 yet. But we won’t know if we are the fastest until we start racing against other competitors in the IMOCA Ocean Masters World Championship. The design of the new HUGO BOSS racing yacht is unique to us as a racing team. As it is an Open class there are elements of the design we have focused on to make her lighter; which in turn should make HUGO BOSS one of the fastest racing yachts in the fleet. What is your plan for the next month regarding the preparation for the Vendee Globe? We will put the boat into the water at the end of August and start sailing in the first few weeks of September. Once HUGO BOSS is in the water it becomes a problem solving exercise. We sail, things break and we repair or find solutions to improve the reliability before I go racing offshore. We will figure out the weak points during the first test sailing sessions and work hard to improve reliability as a team, as we prepare for the Vendee Globe 2016. Which part of your new boat will you use for a "walking" scene (after the keel and the mast walk)? We do not really now yet. You have to watch the new boat and maybe we will have a creative idea.

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foto // HUGO BOSS

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lesen

Wirklich wissenschaftliche Antworten auf absurde hypothetische Fragen

Nehmen wir an, Sie hätten die Ozean wirklich entwässert und das Wasser genau über dem Marsrover Curiositiy abgelassen – wie würde sich der Mars verändern, wenn sich das ganze Wasser auf ihm ansammelt?

In der vergangenen Ausgabe haben wir auf dem Grund des

(Berg am Gale-Krater) zu einer Insel. Bevor sein Gipfel aber

Marianengrabens ein Abflussrohr installiert und die Ozeane

vollständig abtauchen kann, schwappt das Wasser über den

auslaufen lassen. Dabei zerbrachen wir uns nicht groß den

nördlichen Kraterrand und beginnt sich über den Sandboden

Kopf darüber, wo die Ozeane eigentlich hinfließen würden.

auszubreiten. Es gibt Belege dafür, dass durch manchmal

Ich hatte mir den Mars ausgesucht;

auftretende Hitzewellen das Eis

der Curiosity-Rover strengt sich

auf der Marsoberfläche schmilzt

so an, Wasser zu finden, dass ich

und flüssig wird. Das für den Mars

dachte, wir könnten es ihm ein

bestimmte Wasser haben wir aber

bisschen leichter machen.

noch lange nicht verbraucht. Aber der Mars ist viel kleiner als die

Eigentlich gibt es auf dem Mars

Erde, sodass das gleiche Wasser-

eine Menge Wasser. Das Problem

volumen auf ihm ein tieferes Meer

ist nur, dass es gefroren ist. Wenn

bildet. Das Wasser erreicht und

man eine Tasse warmes Wasser auf

verschlingt jetzt die Raumsonden

den Mars stellt, wird es versuchen

Spirit und Opportunity. Schließlich

zu kochen, zu gefrieren und zu su-

strömt es in den Hellas-Impaktkra-

blimieren – praktisch alles auf ein-

ter, das Becken mit dem tiefstgele-

mal. Offenbar liebt das Wasser auf

genen Punkt auf dem Mars.

dem Mars jeden Aggregatzustand mit Ausnahmen des flüssigen.

Und dann kommt die Flut schließ-

Allerdings schütten wir sehr schnell

lich zum Stillstand; die Ozeane

eine große Menge Wasser aus,

auf der Erde sind entwässert. Die

und es hätte nicht viel Zeit zum Ge-

Ozeane auf dem Mars würden

frieren, Kochen oder Sublimieren.

nicht lange bleiben, wie sie sind.

Wenn unsere Röhre (von der Erde zum Mars) groß genug

Es könnte zwar vorübergehend eine Erwärmung durch den

ist, wird das Wasser den Gale-Krater allmählich in einen See

Treibhauseffekt geben, aber am Ende ist der Mars einfach

verwandeln – genau wie es auf der Erde passieren würde.

zu kalt. Die Ozeane werden zufrieren, von einer Staubschicht bedeckt werden und nach und nach zum Dauer-

Die Raumsonde Curiosity liegt im Gale-Krater und würde

frost an den Polen abwandern. Allerdings würde das eine

allmählich unter einer Wasserdecke von mehreren Hun-

ganze Weile dauern, und bis dahin wäre der Mars ein viel

dert Meter begraben werden. Am Ende wird Mount Sharp

interessanterer Ort als heute.

Aus: What if? Was wäre wenn? Von Randall Munroe. Erschienen im Albrecht Knaus Verlag.

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Der Kurs der Kennedys

von James Graham

Um das Wirken und den Zauber der Kennedys zu verstehen, muss man ihre Leidenschaft für das Segeln und das Meer verstehen.

Aus der Menge der Seglerfamilien an der Ostküste der USA sticht die enge Beziehung der Kennedys zu ihrer Yacht VICTURA heraus. Joe jr., John F. und Bobby jagten das noch nicht einmal acht Meter lange Boot, das 1932 in den Familienbesitz gelangte, endlose Male über das Meer; wenn einer der Söhne bei einem Rennen nicht alles gab, sprühte ihr Vater vor Zorn. Hochglanzbilder des späteren Präsidenten und seiner Frau Jackie auf dem sonnigen Deck der Yacht verliehen dem Kult den letzten Schliff. Aber auch Ted navigierte an allerlei Untiefen vorbei, ehe er sich als „Löwe des Senats“ einen Ruf machte; und die Kinder und Kindeskinder seiner früh verstorbenen Brüder trieben die VICTURA noch Jahrzehnte später über die Wellen. In seinem Buch zeichnet James W. Graham die Lebenslinien einer amerikanischen Dynastie nach, die wie keine zweite Mythos und Lifestyle verkörpert und deren Schicksal oft Nährboden für Verschwörungstheorien war. Seine kenntnisreiche und anschauliche Geschichte rund um ein kleines Boot, das Zeuge großer Ereignisse der Weltgeschichte war und seit jeher für den Kampfgeist seiner Besitzer steht, wirft ein neues Licht auf eine mächtige Familie.

ISBN 978-3-86648-195-4, Preis: 24 Euro, 329 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, mareverlag


Kurz, knapp & kolossal

Strike Amp Semidry 4,5 DL Schrift & Bild // Michael Walther

Der Segelsport ist extrem vielfältig. Ob mit der Charteryacht an der türkischen Küste, mit einem Piraten auf dem Tegernsee, mit einem GC32 über die Kieler Förde oder einer Elliott 52 SuperSport über den Atlantik, jeder an Bord wird sich als Segler bezeichnen. Und nun soll irgendjemand für all diese Ansprüche Segelbekleidung herstellen?! Da merkt man schnell, dass es die richtige Segelbekleidung ebenso wenig geben kann wie die einzig richtige Art zu segeln.

E

ser Stelle nicht eh durch die selbstverständlich getragene Schwimmweste schon geschützt wäre. So erfreue ich mich vielmehr an den kleinen Details, die zeigen, dass ION diesen Klassiker schon lange baut und viele gute Idee von Profisurfern hat einfließen lassen. Natürlich schließen die Arme und Beine gut ab, wie es sich für einen Semidry-Anzug gehört. Allerdings passiert es auf meinem Boot ähnlich wie beim Windsurfen dennoch hin und wieder, dass einem eine Welle von unten in die Beine schießt und kein Bündchen diesem Wasserdruck standhalten kann. Logische Konsequenz: Das Wasser schießt in den Unterschenkel, kommt aber durch die

inige Bereiche des Segelsports dienen der körper-

guten Bündchen nicht wieder heraus. ION spendiert diesem

lichen und seelischen Entspannung, andere liegen

Anzug einfach ein paar kleine Ablauflöcher, durch die das

deutlich näher an extremeren Sportarten wie dem

Wasser binnen Sekunden den Anzug wieder verlässt.

Kite- und Windsurfen. Und ebenso verhält es sich mit der passenden Bekleidung. Um mit einem foilenden A-Cat die

Neben diesen logischen Entwicklungen finden sich an

ersten Flugversuche auf der Förde zu absolvieren, kam mir

dem Anzug aber auch Details, die vielleicht größtenteils

der klassische Neoprenanzug der Marke ION mit dem kryp-

für Surfer sinnvoll erscheinen, bei Seglern aber auch nicht

tischen Namen Strike Amp Semidry 4,5 DL gerade recht.

stören würden und teilweise echt hilfreich sind. Eine kleine Schlüsseltasche ist in den Anzug integriert. Dort kann man

Nun mag man meinen, dass Neoprenanzüge doch alle recht

seinen Schlüssel reinstecken und an einem kleinen Gummi

ähnlich sein müssten. Und natürlich ist das ­Grundmaterial

anbinden, damit er auf keinen Fall verloren geht. Surfer, die

bei den Anzügen nahezu identisch. Mir geht es jedoch

ihren Sport aus dem Auto betreiben, wissen diese Tasche

um die kleinen Unterschiede und um die Frage, ob so ein

sicher zu schätzen. Segler, die nicht wissen, wohin mit dem

zweckentfremdeter Anzug auch auf einem Segelboot funk-

Clubhausschlüssel, wenn es aufs Wasser geht, freuen sich

tioniert oder ob es da größere Schwierigkeiten gibt. Einmal

bestimmt auch darüber.

in den Neo geschlüpft fällt mir direkt auf, dass die Passform keine direkten Unterschiede zwischen Surfer und Segler

Als Fazit nach drei Stunden auf dem Wasser stelle ich fest,

offenbart. Das Teil sitzt wie angegossen. Mir fallen jedoch

dass meine Art des Segelns sehr nah am Windsurfen ist und

die Verstärkungen im Schritt und Rippenbereich auf. Da ich

sich dies auch in der Bekleidungswahl niederschlägt. Der ION-

den Anzug direkt mit meiner Trapezhose kombiniere, die

Anzug ist hervorragend für meinen Sport geeignet und bietet

mit ihren Beingurten im Schrittbereich scheuert, erscheint

pfiffige Details, die ich bisher bei keinem anderen Neopren-

diese Verstärkung auf jeden Fall sinnvoll.

anzug so gesehen habe. Da die Verarbeitung außerdem aller Ehren wert ist, halte ich den Preis von 319 Euro für diesen sehr

Ich sprach eingangs von ersten Flugversuchen mit dem foi-

hochwertigen Anzug auch für vollkommen angemessen.

lenden A-Cat. Dabei stelle ich relativ schnell fest, dass auch der Rippenschutz sicher angebracht wäre, wenn ich an die-

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Weitere Infos: www.boards-and-more.com



REISE

Mit den Zügeln in der Hand. Auf Menorca trifft #Modernelegant auf #Raketenpeng.

Hier Video abspielen

Die Menorca Maxi bringt dieses Jahr zwei sehr unterschiedliche Klassen zusammen. Auf der einen Seite die Wallys, erfunden von Luca Bassani, mit E-Winschen, Hydraulik und Teakdeck. Ihnen gegenüber stehen die Max 72, bepackt mit vier Grindern, voll mechanisch und geziert mit Anti-Rutsch. Gegensätze ziehen sich an, sagt man so. Aber jetzt mal halb lang, wir sprechen hier von Superyachten und nicht vom Flirten. Fünf Max 72 mit zwölf Wallys auf einem Regattafeld? Wie jetzt? Yep, richtig gelesen. Und es geht, ganz wunderbar sogar. Nein, geradezu hervorragend. text // Nikolas Noetzel bild // Jesus Renedo/Consell Insular de Menorca

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CAOL ILA R, eine Maxi 72 unter britischer Flagge

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129 REISE

D

ie zweite Ausgabe der Menorca Maxi

Als Hintergrund für die vertäuten Yachten präsentiert

macht es vor und zieht 17 Traum­

sich die Szenerie des traumhaft gelegenen Hafens von

yachten der modernen Spielart nach

Mahón, den schon Lord Nelson schätzte, weshalb er sich

Mahón. Yachten, die eigentlich un-

hier auch gleich eine Sommervilla hat bauen lassen. Denn

terschiedlicher nicht sein könnten.

mit fünfeinhalb Kilometer Länge kann man dort problem-

Aber dennoch: Groß, schnell und

los eine ganze Armada parken, er ist der längste natürli-

kostspielig sind sie alle. Und schön anzusehen auch, jede

che Hafen im Mittelmeer. Vor Nelsons’ Engländern waren

auf ihre Art und Weise. Die einen sind bärenstarke Renn-

schon die Phönizier, Griechen, Karthager, Römer, Byzanti-

boliden, deren Anblick von überbordender Energie strotzt,

ner, Araber, Türken und Franzosen hier mit ihren jeweili-

während sich die anderen zurücknehmen und schlichte

gen Kriegsschiffen in ihren jeweiligen Jahrhunderten – die

Linien Bände sprechen lassen. Bis zu 107 Fuß lange Bän-

maritime Geschichte der Insel hat es in sich.

de. Aber wer jetzt denkt, hier treffen Adrenalinjunkies auf Schampussegler, dem sei gesagt: Vorlaut ist, wer

Hervorzuheben sind auch die kleinen Restaurants an der

nichts weiß und es trotzdem kundtut. Die Topbesetzung

Hafenstraße, in denen am Abend Crews und Eigner ge-

der Crews in beiden Feldern zeigt, welch hohen Stellenwert die Regatta mit einer universalen Owner Driver Rule bei den Eignern dieser Millio-

Menorca lässt einen sofort den eigenen Alltag ausblenden, als ob man ihN im Flieger vergessen hat.

nen-Yachten einnimmt. America’s-

meinsam bei Essen und Trinken sitzen, ohne dass viele Touris ihnen auf den Teller gucken. Im Gegenteil, niemand beachtet die Eigner groß, sodass sie beim

Cup-Champions tummeln sich mit Olympiasiegern und

Abendspaziergang befreit durch die Straßen schlendern

­Volvo-Ocean-Race-Veteranen aus der ganzen Welt. Nur

können. Vielleicht Richtung Yachtclub, um die entspannte

am Lenker steht zwangsläufig immer der Chef selbst.

Atmosphäre im Club Maritimo Mahón zu genießen, auf dessen Veranda der Gin Tonic wie von selbst den Weg die

Und noch ein Parameter spielt eine wesentliche Rolle in

Kehle hinab findet. Natürlich erst am Sonntagabend. Aber

der Erfolgsformel dieser jungen Frühlingsregatta, es ist

hier fühlt sich auch der Mittwoch schon an wie ein Sonntag,

Menorca selbst. Die Unaufgeregtheit der Insel, die so

also kein Problem. Der Gin kommt von der Insel und wartet

anders ist als ihre schillernde und nach Aufmerksamkeit

mit einem individuellen Geschmack und einem hoffnungs-

heischende große Schwester Mallorca. Menorca lässt

los unaussprechlichen Namen auf: Xoriguer.

einen sofort den eigenen Alltag ausblenden, als ob man ihn irgendwie im Flieger vergessen hat. Windsicher ist

Diese Faktoren, gepaart mit einer gut organisierten Renn-

Menorca auch, versichert uns Nacho, der äußerst kompe-

leitung und fünf intensiven Wettkampftagen sorgen für die

tente Fahrer eines der Presseboote. Kompetent deshalb,

ausgesprochene Begeisterung bei den Erben großer Wirt-

weil er zügig von Schauplatz zu Schauplatz jagt, aber im

schaftsimperien, den Selfmade-Männern und wer sich

entscheidenden Moment das Boot für die Fotografen still-

noch so glücklich schätzen darf, eines dieser Schmuck-

hält. Das Revier wiederum ist aber auch herausfordernd,

stücke sein Eigen nennen zu dürfen. Nicht nur bei denen,

denn obwohl der Tramontana aus Nord vorherrscht, gibt

auch bei den Crews, den Journalisten und den Segelfans,

es genügend Abwechslung, ohne dass es je ganz abflaut.

die sich hier mehr oder weniger zufällig einfinden, ist die

Das Seglerherz schlägt höher.

Begeisterung über das ungewöhnliche Format spürbar.

Oben: MAGIC BLUE, vormals MAGIC CARPET II, ist eine 29 Meter lange Wally, die nach technischen Umbauten zu den Topfavoriten in dieser Saison zählt. Unten: LYRA, eine Wally aus dem Jahr 2000, vormals CARRERA. Sie war eine der ersten Yachten Rennyachten, die mit einen Schwenkkiel ausgestattet wurde.


REISE

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REISE Die Insel prägen zwei Regionen: Tramuntana, die Berge im Norden, ­ und Migjorn, das Hügelland im Süden.

Die Wettfahrten sind aufgeteilt in bis zu sechs Up-and-

setzen sich mit ihren breiten Hecks ab von den klassischen

Downs sowie zwei Coastal Races. Nachdem am Donners-

Linien der älteren Wallys und ähneln ein wenig den 35

tag Sir Peter Ogdens komplett schwarze Maxi 72 JETHOU

Fuß kürzeren Maxis. Zuerst geht es von einem Reacher

(2,1) und Thomas Bschers Wally 107 OPEN SEASON (1,1)

auf einen Vorwindkurs bis zur Wendemarke bei Porter im

erste Ausrufezeichen auf der Kurzstrecke in ihren Klassen

Süden der Insel. Immer wieder lasse ich mich von den sich

setzen konnten, ist am Freitag die über 30,5 Meilen west-

füllenden Gennakern in den Bann reißen, wenn diese sich

wärts gesteckte Langstrecke angesetzt. Der Geschäftsmann

besonders klar von der zerklüfteten Küste absetzen. Auf

Ogden, dessen Schiff nach einer kleinen, von ihm bewohn-

der Kreuz zurück nach Mahón entwickelt sich dieses Duell

ten Insel neben Guernsey benannt ist, wird vom neuseelän-

zu einem intensiven Match Race und liefert dem Fotogra-

dischen dreimaligen Cupsieger Brad Butterworth und vom

fen Jesus Renedo im Helikopter einmalige Motive der sich

Offshore-Veteranen und Wetterexperten Mike Broughton

kreuzenden Yachten vor dem Hintergrund der pittoresken

unterstützt, während der ehemalige Bugatti-Präsident,

Küste des UNESCO Biospährenreservats Menorca. Auf-

Rennfahrer und Bankier Bscher sich Jochen Schümann und

grund eines taktischen Fehlers an der letzten Ablauftonne

Rolf Vrolijk an Bord geholt hat. Aus seiner eigenen Feder

zum Ziel hin muss Lindsay Owen-Jones’ MAGIC CARPET 3

stammend hatte Vrolijk die OPEN SEASON im vergangenen

sich der OPEN SEASON für die Honours geschlagen geben.

Jahr um sieben Fuß verlängert und den Tiefgang von 6,20

Am Ende des Tages liegt allerdings die 1997 gebaute J ONE

auf 7,0 Meter erhöht, um die Performance zu steigern – mit

berechnet auf Platz eins, als Taktiker lenkt der North-Sails-

Erfolg, wie es scheint. Auch die Eleganz der Yacht profitiert

Europa-Präsident und sympathische Däne Jens Christensen

zweifellos vom gestreckten Heck.

an Bord die Geschicke. Bscher muss den neunten Platz in

Der zunächst schwache Wind nimmt noch vor dem Start auf eine konstante leichte Brise zu, sodass alle Boote schon an der Startlinie mit genügend Power spielen können. Beide Klassen werden nach

An Bord der deutschen MOMO sind zwei Bekannte aus der deutschen ­Segelszene; der Münchner Markus Wieser als Taktiker und am Mast der Kieler Michi Müller.

Kauf nehmen, Owen-Jones landet auf Platz sieben. Dies kann später sehr wichtig sein, denn die Langstrecken dürfen nicht gestrichen werden.Y3K ist eine weitere deutsche Yacht in der Wally-Flotte und ihr Eigner Claus-Peter Offen zeigt

IRC berechnet, diese Vermessung ist nicht so genau wie

mit zwei dritten Plätzen auf den Langstrecken ihr weiterhin

ORC und mehr als einmal hört man im Gespräch die Diskus-

vorhandenes Potenzial. Von 2009 bis 2011 entschied Offen

sion um die Rennwerte der Yachten. Bei den Maxi 72 sollen

den Maxi Yacht Rolex Cup für sich. Insgesamt schafft Y3K,

nach 3:15 Stunden keine zwei Minuten zwischen dem ers-

bei der auch der Hamburger Jens Jungblut mitfährt, es bei

ten und dem letzten Platz liegen. Auch wenn die Boote fast

der Menorca Maxi auf Platz sechs.

identisch sind, gibt es doch noch alters- und technologiebedingte Unterschiede zu berechnen. Bei den Wallys sind die

Bei der aus der Mini Maxi entstandenen Maxi-72-Klasse hat

Abstände aufgrund der Größen- und Gewichtsdifferenzen

die Crew der Ende 2014 getauften MOMO des Deutschen

markanter und die leichtgebaute 50 Tonnen schwere OPEN

Dieter Schön sich ein klares Ziel gesetzt: „Wir wollen das

SEASON überquert als erste Yacht die Linie nach 2:36 Stun-

hier natürlich gewinnen, dafür sind wir gekommen.“ Mit an

den, genau 55 Minuten vor der gleich langen, aber 25 Ton-

Bord sind insbesondere zwei Bekannte aus der deutschen

nen schwereren Teilnehmerin KENORA. Nur fürs Verhält-

Seglerszene, Markus Wieser als Taktiker und am Mast der

nis: Die Maxi 72 wiegen im Schnitt 16,6 Tonnen!

Kieler Michi Müller, der mit 32 Jahren bereits zwei Volvos unter der Haube hat. MOMO konnte mit einem Sieg bei der

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Gleich nach dem Start wird klar, dass sich in der Wally

Palma Vela einige Wochen zuvor erstmals ihre Ambitionen

Class die OPEN SEASON ein scharfes Duell mit der ­MAGIC

unter Beweis stellen. Doch die anderen Teilnehmer wer-

­CARPET 3 um die Line Honours liefern wird. Die beiden

den ihr den Sieg keineswegs überlassen. So geht MOMO


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zwar als erste Maxi über die Linie der Langstrecke, jedoch

Tabarly, die zweifach Teilnahme an der Route du Rhum und

gewinnt nach Berechnung die US-amerikanische SHOCK-

unzählige weitere Einhandregatten hat er zu verbuchen.

WAVE von George Sakellaris mit einer ebenso Allstar-

Am Ende des Tages bin ich hin- und hergerissen zwischen

verdächtigen Crew an Bord. Stu Bannatyne, der neusee-

dem Geschehen vor unseren Augen und den Anekdoten

ländische Segelveteran, welcher jüngst das Rookie-Team

und auch ernst gemeinten Ratschläge des lebenserfahre-

ALVIMEDICA im Volvo Ocean Race als erstes um Cap Horn

nen Franzosen, der sich sichtlich freut, sich mit jemandem

schiffte, steht später am Abend mit Ed Baird und Robbie

in seiner Sprache unterhalten zu können: „Oui, c’était plus

Doyle ins Gespräch vertieft an der Bar. Baird ist dreifacher

facile pour nous, moi personellement, j’ai pris mon retraite

Match-Race-Weltmeister und doppelter Cup-Triumphator

avant d’avoir commencer de travailler. Mon premier jour de

als Coach von Neuseeland 1995 und als Steuermann für

travail seriuex, j’avais déjà 40 ans et trios tours du monde

ALINGHI 2007, Doyle eine Segelmacher-Ikone aus Marb-

comme voilier, c’est plus possible ça, aujourd’hui.“ („Ja, es

lehead, Massachusetts.

war es für uns leichter damals, ich persönlich habe meinen Ruhestand vor der Arbeit erlebt. An meinem ersten ernst-

Vom Motorboot aus kann man die Duelle der stilvollen

haften Arbeitstag war ich schon 40 Jahre alt und hatte drei

Giganten gut verfolgen. Um 9.30 Uhr geht es mit einem

Weltumrundungen als Segler erlebt, das geht heute nicht

einheimischen Fotografen sowie einem englischen und

mehr so einfach ...“) Er sagt auch, dass wir jungen Segler

einem französischen Journalisten zusammen aufs Wasser,

uns trotz veränderter gesellschaftlicher Erwartungen trauen

gesteuert von Nacho, der viel über seine Heimat erzählt.

müssen, unseren Träumen zu folgen. Deutschland biete in

Blöd, dass er wenig Englisch und wir wenig Spanisch spre-

seinen Augen keine gute Plattform für junge Offshoreseg-

chen, schon gar nicht Menorcin, was dem Catalan ähneln

ler, weder als Teil einer Crew noch als Einhandsegler. Rich-

soll. Also übersetzt der Fotograf Emilio für uns hilfsbereit.

tig abstreiten kann ich das nicht, jedenfalls wenn man das

Nacho präferiert eigentlich One-Design-Regatten, aber die

professionelle Niveau der internationalen Offshoreszene als

Großen seien auch schick, sagt er. Das Gespräch, das ich

Messlatte nimmt, bei der man auch noch ohne große Geld-

mit Patrice Carpentier über die nächsten zwei Tage hinweg

börse, aber mit Talent teilnehmen kann. Schaut man auf die

führe, entwickelt sich in eine Erzählung seiner Lebensge-

Crewlisten der Menorca Maxi wird klar, dass die schlichte

schichte: „Lediglich“ drei Vendée Globes, die ersten bei-

Zahl der Segler, die ihren Lebensunterhalt so finanzieren

den Ausgaben des Whitbread Race an der Seite von Éric

können, aus anderen Nationen höher ist als in Deutschland.


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Menorca, das bedeutet die Kleinere". Die komplette "  Insel wurde 1983 zum UNESCO-Bioshärenreservat erklärt. Sie ist circa 50 Kilometer lang und in ­ Nord-Süd-Richtung etwa 16 Kilometer breit.


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MOMO, eine Maxi 72 mit knapp 22 Meter aus dem Jahr 2014, die von Rolf Vrolijk für Dieter Schön gezeichnet wurde. Der Rumpf ist identisch mit der RAN, von Niklas Zenntröm.

Am Samstag folgen die zwei letzten Up-and-Downs. Die

den vorangegangenen Abenden ist oft kein Ton zu verneh-

Wallys entscheiden heute noch nichts, OPEN SEASON

men, der nicht aus der Natur stammt, immer weht ein leich-

siegt fehlerfrei im ersten Lauf vor der Bucht von Mahón

ter Wind, der den Geruch des Meeres in die Nase trägt,

und kann den fünften Platz in der zweiten Wettfahrt strei-

während die Sonne sich am Horizont verabschiedet. Um zu

chen, aber MAGIC BLUE und MAGIC CARPET 3 bleiben

sehen, ob diese angenehmen Charakterzüge die gesamte

nah genug dran, um am Sonntag noch eine Chance auf den

Insel prägen, mache ich einen Tagesausflug an die rauere

Gesamtsieg zu haben. Bei den Maxis kristallisieren sich die

Nordküste. Man braucht etwa 45 Minuten, um die Insel zu

Sieger jedoch heraus. Die deutsche MOMO liegt abends mit zwei Tagessiegen nur noch rechnerisch einholbar auf Platz eins. Sichtlich

Die deutsche MOMO liegt mit zwei Tagessiegen nur noch rechnerisch einholbar auf Platz 1.

zufriedene Gesichter abends am

überqueren. Während der Fahrt ziehen zwischen den Feldern niedrige Steinwälle vorbei, welche die Bauern aus den zahllosen Feldsteinen errichtet haben, um ihre Äcker

Steg, eine lockere Stimmung an Land, man kann abends

bewirtschaften zu können. Bevor ich den wilderen Norden

doch schon mal ein Bierchen öffnen. Aber nur eins bitte,

erreiche, passiere ich noch den 357 Meter hohen El Toro,

morgen ist ja nochmal Ernst angesagt.

den höchsten Punkt der Insel. An der Westküste, Mallorca zugewandt, liegt Ciutadella, die ehemalige Hauptstadt der

Zum Abschluss der Regatta gibt eine Langstrecke entlang

Insel. Alte Herrenhäuser, das Teatro Principal und eine statt-

der Ostküste den Crews der Wallys und Maxis die Chance,

liche Kirche geben Aufschluss über die reiche Vergangen-

die finalen Platzierungen auszusegeln. Am Abend werden

heit der Stadt, denn erst die Engländer verlegten die Haupt-

die beiden deutschen Eigner der OPEN SEASON und der

stadt nach Mahón. Das Theater von 1829 ist älter als jene

MOMO die Siegerpokale in die Höhe strecken, grinsende

in Barcelona und Madrid, viele Patrizierfamilien hatten hier

Gesichter überall und wieder reichlich Xoriguer lassen die

ihre Residenzen. An der Nordküste eröffnen sich hervorra-

Regatta ausklingen – währenddessen packen die Shore-

gende Kite- und Windsurfstrände, welche mich besonders

crews schon das Equipment zusammen, viele der Yachten

reizen: Cap de Fornells, Platja de Ferragut, Cap de Caval-

sind in Palma beheimatet und sollen noch über Nacht die

leria oder Arenald’en Castell. In azurblaue Ankerbuchten

100 Meilen zurückgeführt werden.

liegen Fahrtenyachten, aber nie ist es voll und man findet sie rund um die Insel. In kleinen Orten wie Fornells reihen

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Statt aufs Wasser zu gehen, nutze ich den Sonntag, um

sich gute Fischrestaurants an der Hafenstraße auf. Ob für

Menorca zu erkunden. Insgesamt waren die vier Tage hier

die dritte Menorca Maxi 2016, einen Surftrip oder für einen

nicht mal ansatzweise lang genug, um die Insel wirklich

Törn auf einem gut gehüteten Schatz der Balearen, es lohnt

kennenzulernen, aber sie haben Lust auf mehr gemacht. An

sich, den Horizont über Mallorca hinaus zu erweitern.


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foto // Nikolas Noetzel

foto // Nikolas Noetzel

Von links nach rechts: ROBERTISSIMA III (Maxi 72), INTI (Wally), TANGO G (Wally) und J ONE (Wally).

Tourismus: Fundació Destí Menorca Camíd'es Castell, 28 07702 Maó

Restaurants: Zwangsläufig ist auf Menorca alles, was aus dem Meer kommt, frisch – hier trotzdem einige Optionen, wo es besonders schmeckt:

Infobüro am Flughafen und in Mahón: Plaça Constitució, 22 07701 Mahón +34 971 363790 infomenorcamao@menorca.es

Mahón: Cap Roig – Muscheln und Krebs sind gut und lokal gefangen. Blick über die Felsenküste, gleich außerhalb der Stadt, sehr faire Preise. Carrer Gran de sa Mesquida, 13, ­ Sa Mesquida +34 971 188383

Hotels & Apartements: www.visitmenorca.com C/Artrutx, 10, 2º-2ª 07714 Mahón +34 971 361003 info@visitmenorca.com Gin: Die Engländer brachten das Getränk mit, Menorca schuf seine eigene Variante. In Kupfer destilliert und in Eiche gereift. Mediterrane ­Kräuter geben ihm einen eigenen Geschmack. In Deutschland für 15 bis 20 Euro nur im ­Fachgeschäft erhältlich. Xoriquer-Hauptgeschäft Plaça del Carme, 16, Mahón +34 971 362611 www.xoriguergin.com

Fornells: Es Port – Fisch und Fleisch magisch gut, angemessene Preise. Gumersindo Riera, 5, Fornells +34 971 376403 Ciutadella: Cafe Balear – etwas teurer, aber vorzüglich. Für Hummerfreunde: Caldereta de Langosta bestellen. Es Pla de Sant Joan, 15, Ciutadella +34 971 380005 Abends: Cool zum Weggehen und für Sundowner-Drinks auf der Steilküste, da die Bar in den Felsen liegt: Covad’en Xoroi Urbanización Cala’n Porter Carrer de Sa Cova, 2 07712 Cala’n Porter www.covadenxoroi.com Charter & Anreise: In Palma findet man für einen Törn sicher eine größere Auswahl an Charterbooten, mit denen man die 100 Seemeilen zurücklegen kann, doch auch auf Menorca gibt es ein gutes Angebot an Chartermöglichkeiten, auf das die einschlägigen ­Mittelmeerseiten Zugriff haben. Direktflüge gibt es wenige, aber diese Airlines bieten gute Verbindungen ab deutschen Flughäfen an, meist ­­via Barcelona, Paris oder Palma de Mallorca.


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Sailing Journal 4/2015 erscheint ENDE OKTOBER. De groode Boot Zeesboote auf dem DarSSer Bodden Rowing over the Atlantic

Meeresleuchten Verlag UG (haftungsbeschränkt), Esmarchstraße 61, 24105 Kiel, Tel. +49 (0) 431-888 67 79, info@sailing-journal.de, www.sailing-journal.de Bankverbindung Förde Sparkasse, Kto.-Nr. 100198 03 49, BLZ 210 501 70 Herausgeber Tom Körber, Jan Weisner, Michael Walther Chefredakteur Tom Körber, t.koerber@sailing-journal.de Art-Director/Produktion Jan Weisner, Klausdorfer Weg 167, 24148 Kiel, j.weisner@sailing-journal.de, Tel. +49 (0) 431-64 73 173 Technische Redaktion Michael Walther, Frankestraße 5, 24118 Kiel, m.walther@sailing-journal.de, Tel. +49 (0) 177-622 84 67 Druck Impress Media GmbH, Heinz-Nixdorf-Str. 9, 41179 Mönchengladbach Lektorat (Kirsa Stoltenburg), Ina Krug, (engl.: Dörte Horn) Autoren Nikoals Noetzel, Dr. Friedemann Prose, Michael Walther, Tom Körber Fotografen Nikoals Noetzel, Carlo Borlenghi/VOR, Matt Knighton/Abu Dhabi Racing, Ian Roman/Abu Dhabi Racing, Jesus Renedo, Jens Hoyer, Team SCA, Amory Ross/Teram Alvimedica, Sander von der Borch, Oliver Maier, Lars Wehrmann Illustrator Pierre Hervé Ständige Mitarbeiter Ecki von der Mosel, Heinrich Hecht, Marcus Baur, Weert Kramer, Willii Gohl (williigo@gmx.net), Daniel Opitz, Eric Heil & Timo Plössel, Claus Langenhan (cl@sailing-journal.de), Christophe Sorenti

4.500 Kilometer Wasser Die Wiege der Menschheit die Geschichte der Hängematte

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Erscheinungsweise 5-mal jährlich Abonnements info@sailing-journal.de, Einzelheftpreis Deutschland 6 €, Jahresabonnement Deutschland 22 €, Jahresabonnement Ausland 38 €, jeweils inkl. Versandkosten. Das SAILING JOURNAL ist nach Ablauf des Mindestbestelljahres (5 Ausgaben) jederzeit kündbar. Diese Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes bedarf der Zustimmung des Verlags. Durch Annahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag das ausschließliche Recht zur Veröffentlichung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Das SAILING JOURNAL wird ganz oder in Teilen im Print und digital vertrieben.

foto // Tom Körber

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Die Familie besaSS mehrere Segelyachten, ” aber die VICTURA war die wichtigste davon. Mit fast fünfzig Jahren war sie am längsten im Besitz der Kennedys und wurde am meisten gesegelt. Sie war aus Holz, eher rank, 25 FuSS, also 7,62 Meter lang, spartanisch ausgestattet und gaffelgetakelt.“

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James Graham. Der Kurs der Kennedys. mareverlag.


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