SAILING JOURNAL 70

Page 1

Lichtbild- & Geschichtenmagazin

NOMADEN DER MEERE VENDÉE GLOBE AZOREN

# 70 | 04/2016 | D 6,90 € | A 6,90 € CH 12 SFR | Benelux/E/I 8,90 €

4 196362 806006

70


Kurven sind nur Straßen, die sich nach ihm umdrehen. Das neue Audi S5 Coupé.

/ Audi Deutschland

Kraftstoff verbrauch Audi S5 Coupé in l/100 km: innerorts 9,9–9,8; außerorts 6,0–5,8; kombiniert 7,4–7,3; CO2-Emissionen in g/km: kombiniert 170–166. Angaben zu Kraftstoff verbrauch und CO2-Emissionen bei Spannbreiten in Abhängigkeit vom verwendeten Reifen-/Rädersatz.


3

Zwischen Schottland und Island liegt ein rätselhaftes Eiland namens Tile samt Siedlungen, einem Schloss, Wäldern und Seen. Vor Tile schwimmt ein Wal, der gerade von einem Orka gebissen wird. Die Karte stützt sich auf eine alte Sammlung von geographischen Daten, die mehr als 1.200 Jahre zuvor von dem griechischen Gelehrten Ptolemäus angelegt wurde. .... Seine Daten stammen vorwiegend von den militärischen Messtrupps der Römer und Alexander des Großen. Mithilfe des Sonnenstandes könne die Koordinaten bereits bis auf zehn Kilometer genau berechnet werden.

DIRK LIESEMER. AUS: LEXIKON DER PHANTOM INSELN. MAREVERLAG.


EDITORIAL

KEIN BOCK, ABER GÄSTELISTE*

D

Die Zeit der Nobelpreise macht es deutlich. Die Leisen stellen Altbekanntes und Bequemliches infrage. Bestens. Man kann Dinge anders betrachten und hinterher erstaunt sein, dass das Neugedachte tatsächlich funktioniert. Dies geschah in der Physik und der Chemie. Oder dachten Sie schon mal an einen Quantencomputer oder Autophagie? Ebenso in der Medizin: Hier geht es um die fundamentale Frage, warum Zellen nicht sofort sterben? Wenn das einige mal täten, ist der Schreiber geneigt zu denken ... Die Zelle ist ein Ort der hohen Ordnung und gehorcht ausnahmslos einem Grundgesetz der Physik, der Thermodynamik. Dieses vorlaute Gesetz schreibt vor, dass Systeme nur in eine Richtung streben. In die Unordnung. In das Chaos. Mit anderen Worten: Die Zelle strebt ihrem Tod entgegen. Das ist weder glamourös, edel noch praktikabel. Denn so eine Zelle könnte viel länger leben. Das kann sie aber nur, indem sie ständig neue Energie aufnimmt. Sprich: sich verändert. Ganz nebenbei hat der Japaner Ohsumi (Nobelpreis Medizin) das Rätsel gelöst, wie das Leben dem Tod durch Thermodynamik entkommt. Nachdem meistens widersinnige Menschen den Stein des Weisen in Steinen suchten, muss man einfach nur in zelluläres Leben abtauchen und schon klappt’s auch mit dem Stein. Sehen Sie? Moment, kurz nachgedacht: Waren da nicht freie Radikale? Diese nichtsnutzigen Dinger in unserem Körper, die danach streben, gesunde Zellen zu töten? Wo ist da die hohe Ordnung? Oshumi, bitte Rätsel lösen! Den brauchen wir dafür gar nicht. Das kann jeder selbst. Äh, gerade vergessen, wie? Aber Sie wissen es schon? Schon klar. Sie denken just in diesem Moment bestimmt auch an ungesättigte Fettsäuren und Schlaf. Gegen diese „Radikalinskies“, ob frei oder nicht, können wir unsere ureigene Dynamik entwickeln. Einfacher ausgedrückt: unseren Hintern hochkriegen. Einen klitzekleinen Haken hat die Schlaferei dann doch parat: Zellen erneuern sich erst nach sechs Stunden Schlaf. Also, früh ins Bett. Sich gesund schlafen bekommt eine neue Bedeutung. So neu nun auch wieder nicht, aber in der digitalen Welt muss man ja hin und wieder betonen, dass es auch mal ein Offline-Leben gab, und damit nahezu alles schon mal dagewesen ist, auch wenn es uns anders verkauft wird. Herr und Frau Laut, übernehmen Sie .... Mich erinnert die Thermodynamik an die momentane inländische Situation. Abschotten. Betonieren. Ängstigen. Warum können wir uns nicht wie unsere Zellen verhalten? Stopp: Wir sind unsere Zellen. Verdammt, warum zerstören wir uns selbst? Jetzt kommen die Lauten wieder ins Spiel. Die sagen, wovor wir uns ängstigen, was wir denken und wie wir uns verhalten sollen. Und? Wir machen das. Nicht wir schaffen das. Wir sind daran gewöhnt, die Verantwortung über unser eigenes Leben abzugeben. Unser Geld geben wir auf eine Bank. Unsere Nahrung vertrauen wir der Lebensmittelindustrie an. Unsere Gesundheit vertrauen wir Ärzten an. Unsere Meinungen vertrauen wir Schreihälsen an.

4

*Überschriften von Jennifer Rostock. Nach Wolf Biermann und Josef Degenhardt gilt die Rostocker Band um Sängerin Jennifer Weist als legitimer Nachfolger der beiden politischen Liedermacher.

Wir haben fertig, würde ich sagen. Es wird Zeit, dass wir mal wieder eigenverantwortlich denken, leben, handeln. Nee? Sie haben Wichtigeres zu tun? Haus sichern? Job sichern? Überleben sichern? Sicher, so ist das. Oder eher, so weit ist es gekommen. Wenn man es genau nimmt, liefern wir ein jämmerliches Bild ab. Ein weiterführendes Problem tut sich gerade auf: Wer braucht heute noch Banken? Doch das soll an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden. Ich seh‘ so viele Männer – und so wenig Eier Aber wie geht Eigenverantwortlichkeit? Lauthals mitschreien, unerkannt in einer meuternden Menge? Oder doch lieber schnell auf Facebook verbal onanieren? Beides hat nichts mit Eigenverantwortung zu tun. Ob diese vielleicht schon damit beginnt, sich an Absprachen zu halten? Geht es Ihnen auch so? Erst wird monatelang an einem Projekt rumpalavert, plötzlich werden Entscheidungen getroffen, die mit dem bis dato besprochenen nicht mehr zu tun haben. Oder es wird so getan, als ob man nie miteinander sprach. Das geschah mir in den vergangenen Wochen einige Male. Ja, ich stehe zu meiner Naivität, mich an das zu halten, was mein Gegenüber mir mitteilt. Kein schlechter Gedanke – zumindest früher nicht. Hat das mit Online-Offline zu tun? Natürlich. Hat. Es. Das. In der Regel versuchte ich das Verhalten der jüngeren Generation (und mittlerweile auch von der nicht mehr ganz so jungen) nicht überzubewerten, es aus deren Sichtweise zu sehen. Oft dachte ich: Ist das der Generationskonflikt, den jede Generation mit der folgenden ausficht? Früher wurde der Untergang des Abendlandes durch den Rock’n‘Roll prophezeit oder lange Haare mit terroristischen Gruppen gleichgestellt (heute sind es Bärte und Kopftücher). So langsam sollte ich, nach vielen Erfahrungen, vielleicht mal umdenken und nicht jedes (Fehl-)Verhalten darauf zurückführen zu wollen, sondern einfach mal das Kind beim Namen nennen: Unerzogeneegoistischeunverantwortlicheunverbindlichehabenwoller. Eigentlich kotzt mich deren Verhalten an. Ich muss es mal so deutlich sagen und das Schlimme ist, dass ich nicht nur von 25-Jährigen, sondern auch schon von Mittvierzigern spreche, deren Verhalten sich immer weiter annähert. Und die auf Facebook graue Theorien in Form von Sprüche(-sammlungen) posten, die mit dem eigenen Verhalten rein gar nichts zu tun haben. Außer, dass es sich gut liest, auch wenn man keine Likes bekommt. Wenn ich ehrlich bin, müsste ich mein Verhalten dann aber auch ändern. Ich müsste mal auf den Tisch hauen, verbal gesehen. Lasse ich mir zu viel gefallen? Bin ich als Leiser zu leise? Das kann ich auch, ohne laut zu werden. Ich kann meine Meinung sagen. Leise, aber bestimmt. Das habe ich mein Leben lang geübt und kann es heute im 50+-Bereich immer noch nicht immer, aber immer öfter anwenden. Auch das ist ein Stück Eigenverantwortung. Zu sich selbst stehen, auch wenn man immer wieder Gefahr läuft, das ein oder andere Mal abgehängt zu werden, vor allem als Freiberufler.



EDITORIAL

Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber Heute ist man ja schon ein Held, wenn man seine eigene Meinung hat. Zu sich selbst stehen, während andere ein fremdes Leben leben? Erinnert ein bisschen an Platons Höhlengleichnis. Es verdeutlicht den Sinn und die Notwendigkeit des philosophischen Bildungswegs, der als Befreiungsprozess dargestellt wird. Das Ziel ist der Aufstieg aus der sinnlich wahrnehmbaren Welt der vergänglichen Dinge, die mit einer unterirdischen Höhle verglichen wird, in die rein geistige Welt des unwandelbaren Seins. Schon vor circa 1.500 Jahren erkannten leise Menschen die Notwendigkeit, ans Licht zu streben, also nach Neuem, während die Masse lieber im Schatten bleibt, dem Bekannten. Was hat die Menschheit gelernt, außer Kriege führen, die Ressourcen vernichten und Macht ausüben? Wahrscheinlich hätte die Menschheit diese 1.500 Jahre sinnvoller nutzen können, quatsch, sollen. Leider sind es nicht die intelligenten, leisen Menschen, die unser Schicksal bestimmen. Da steht ja, ja, ja. Aber nein, nicht mit mir. Es sind die Lauten. Die Schreihälse, die sich an ihr Ego und ihre Macht klammern, die in die ersten Reihen drängen. Das ist schlimm genug. Noch schlimmer indes ist es, dass sie damit Erfolg haben. So viele Menschen verunsichern. Mit Parolen. Mit Stereotypen. In jedem Jahrhundert ziehen dieselben Parolen und treffen auf immer denselben nährbaren Boden. Nichts hat sich geändert, noch nicht einmal das Vokabular. Was müssen uns die Lauten für blöd halten. Uns „wurde vergessen gemacht“, dass auch Deutschland ein Einwanderungsland ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten 12 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene (20 Nationalitäten, 35 verschiedene Sprachen) integriert werden, in den 1950er-Jahren kamen Gastarbeiter aus Italien, Türkei, Griechenland, Portugal, Tunesien, Marokko, Spanien sowie Jugoslawien und nun die Flüchtlinge. Damit allerdings kann die Af D oder jede andere geifernde Gruppierung schlecht auf Stimmenfang gehen. Die ach so etablierten Parteien könnten sich sehr wohl an unser Land erinnern, müssten dann aber wieder ihre komplett gescheiterte Einwanderungspolitik (wenn man das so nennen kann) gestehen. Doch kleinbürgerliches Denken beherrscht nicht nur unser, sondern auch das politische Dasein nach wie vor. Bis zum Filter gerauchtes Leben Noch in den 1970er-Jahren lebten drei Milliarden Menschen weniger auf der Erde. Weltweit waren nur 250 Millionen Autos unterwegs, keine 1,2 Milliarden wie heute. Auf einer Fläche von Argentinien und Brasilien zusammen erstreckten sich Urwälder, die heute nicht mehr existieren. Es strömten „nur“ 18 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre, nicht 36 Milliarden wie heute. War vor 40 Jahren die Welt besser? Wer erinnert sich noch an 1976, an Sevoso? Es war die Zeit der ersten Umweltbewegungen. Atomkraftgegner traten in Brokdorf gegen die Industrie an. Das junge Greenpeace versuchte das Abschlachten junger Robben zu unterbinden. In der 1980er-Jahren prägten Waldsterben, Tschernobyl und Ozonloch unseren Alltag. War vor 30 Jahren unsere Welt eine bessere? Forscher begannen sich zu vernetzen. Sie gründeten das Internationale Geosphären-Biosphären-Programm. Die „Brundtland-

Kommission“, Vorreiterin von allem, was heute unter nachhaltige Entwicklung firmiert, brachte den ersten Bericht zur weltweiten Verschmutzung heraus. In den 1990er-Jahren explodierten die letzten Atombomben im Mururoa-Atoll. Es waren die letzten Umweltverbrechen dieser Art – so groß waren die weltweiten Proteste. 1996, im selben Jahr, wurde die erste Klimaschutzkonferenz in Berlin abgehalten. Die 2000er-Jahre waren maßgeblich vom Abholzen der Regenwälder in Südostasien geprägt. Unter anderem war es Al Gore, der eine weltweite Klimaschutzbewegung formierte, die tatsächlich die Wirtschaftspolitik prägte. Copy, paste und gut – doch wie es scheint, nicht gut genug Und die 2010er-Jahre, also heute? Nationalismus, Fremdenhass (sollten wir aus den 1920er-und 1930er-Jahren eigentlich kennen – weltweit) und Kriege. Selbst die katholische Kirche greift mittlerweile ein. Die Umweltzyklika wäre in ihrer Radikalität von 40 Jahren undenkbar gewesen. Waren in den 1970er-Jahren nur fünf Millionen Quadratmeter Landschaften unter Schutz gestellt, so sind es heute 21 Millionen, im Meer mehr als 17 Millionen Quadratmeter. Bis 2020 sollen die geschützten Flächen noch auf 17 Prozent der Erdoberfläche wachsen. Was noch? Flüsse werden denaturiert, Staudämme werden beseitigt (und neue geplant). Vor 40 Jahren waren viele Flüsse (Rhein, Wupper) reine Kloaken, Einwohner litten unter schlechter Luftqualität, in den Städten verschwanden Alleen, um Platz für Autos zu machen. Heute entstehen Fahrrad-Highways, leben wieder Lachse im Rhein und die Ozonschicht regeneriert sich allmählich. Früher war jeder vierte Mensch unterernährt, heute „nur noch“ jeder neunte. Aber immer noch 800.000.000 Menschen weltweit. Ein täglicher Routineskandal. Mit einem Finger am Abzug und den Kopf im Genick behalten wir den Himmel über uns im Blick Allerding ist die Entwicklung der vergangenen Jahre auch recht paradox. Einerseits sind Konsum und Umweltzerstörung auf bedrohliche Weise gewachsen. Klimawandel, Ausrottung zahlreicher Pflanzen- und Tierarten. Wurde der Himmel über dem Ruhrgebiet nur so sauber, weil wir den Dreck in die Dritte Welt abgeschoben haben? Andererseits ist unser Wissen gewachsen, Zusammenhänge besser zu verstehen. Umweltorganisationen werden nicht mehr nur als kleine Randgruppen wahrgenommen, sondern mischen sich aktiv in das weltpolitische Geschehen ein. Ehemalige Truppenübungsplätze und Grenzanlagen werden zur „Wildnis“. Was nützen sparsame Motoren, wenn die Autos immer größer werden? Dient so mancher „Aktionismus“ nur dazu, sich nicht mit tieferliegenden Problemen beschäftigen zu müssen? Was soll hier das Fragezeichen? Natürlich ist es so. Denn die alte Umweltbewegung des Westens hat bis dato keine Antworten gefunden. Die neue Umweltbewegung wird vermutlich aus China kommen, das eine ökologische Zivilisation als Doktrin ausgerufen hat. Und dennoch Smog zulässt. Paradox eben.

Tom Körber. Chefredakteur.

6


Supplier of Champions. Design. Technology. Passion.

Photo: Lloyd Images

marinepool.com


INHALT

LANG 16

Azoren

50

Nomaden der Meere

64

Vendée Globe

86

Super Sail Tour 2016

112

Gardasee

KURZ

8

4

EDITORIAL

10

FOKUS Einblicke in diese Ausgabe

36

TECHNIK, TAKTIK & TAKTVOLL

38

DA, DA & DA

40

LESEN

42

KURZ. KNAPP. KOLOSSAL. Faltrad-Akkuantrieb

46

KOLUMNE Leben

45

KOLUMNE Recht

48

KURZ. KNAPP. KOLOSSAL. Wein im Tetrapack

62

KOLUMNE Öko

63

KOLUMNE Art

82

MADE BY HAND Medima

108

Road to Rio

132

ABO

133

IMPRESSUM


9

AUTOREN DIESER AUSGABE

Jochen Müssig war als Chefredakteur für diverse touristische Magazine verantwortlich und ist Autor für FAZ, Süddeutsche Zeitung und Die Welt. In dieser Ausgabe berichtet er vom Dolce Vita am Gardasee. Steffi Schulz arbeitet und lebt in München. Sie hat an der Prager Fotoschule angewandte und künstlerische Fotografie studiert und im September 2015 abgeschlossen. Nebenbei segelt sie beim DHH. In der Geschichte „Sea you soon – Peter Café Sport“ verbindet sie die zahlreichen Traditionen des Ortes und des Segelsportes, sprich Walfang und Walfangboote.

TEAM SAILING JOURNAL

Tom Körber Er sieht die Welt nur noch in Bildausschnitten und Perspektiven. Das kann mitunter sehr belastend sein – für die Augen und das Gehirn. Ob analog oder digital ist dabei völlig egal. Über Tellerränder und in Magazine zu schauen, ist seine zweite große Leidenschaft. Das Sailing Journal basiert auf seiner Idee.

Jan Weisner Bei seiner Leidenschaft für anspruchsvolles und schönes Layout kam 2007 das Sailing Journal gerade zum richtigen Zeitpunkt. Er ist seither für die grafische Umsetzung und Druckvorstufe zuständig. Mit seiner Firma Outline-Graphix gestaltet er noch weitere erstklassige Special-Interest-Magazine.

Michael Walther Wenn er nicht segelt, denkt er übers Segeln nach. Und wenn er nicht übers Segeln nachdenkt, redet er darüber. Mehr Segeln geht kaum. Der fertige Jurist liebt Mehrrümpfer. Egal ob auf einem F18 bei der Archipelago Raid, auf einem Extreme 40 mit Roland Gäbler oder, oder, oder …

Lichtbild- & Geschichtenmagazin

NOMADEN DER MEERE VENDÉE GLOBE AZOREN

# 70 | 04/2016 | D 6,90 € | A 6,90 € CH 12 SFR | Benelux/E/I 8,90 €

4 196362 806006

70

GC32 Marseille Bild // Sander van der Borch/GC32 Racing Tour


ABO

Lichtbild- & Geschichtenmagazin

NOMADEN DER MEERE VENDÉE GLOBE AZOREN

# 70 | 04/2016 | D 6,90 € | A 6,90 € CH 12 SFR | Benelux/E/I 8,90 €

4 196362 806006

70


ABO

4

AUSGABEN & EINE PHOTO ISSUE IM ABONNEMENT FÃœR 27 EURO

W W W. S A I L I N G - J O U R N A L . D E


BILD // STEFFI SCHULZ

FOKUS

10

Mehr als einmal wurde über das berühmte Peter Café Sport auf den Azoren berichtet. Letzte Station vor der allgegenwärtigen Weite des Atlantiks. Das hier aber auch Regatten (Atlantis Cup) auf traditionellen Booten ausgetragen werden, darüber weiß Steffi Schulz ab Seite 16 zu berichten.


11


BILD // ELAINE LE FLOCH, GOB

FOKUS

12

Hightech als Heilsbringer? Mitnichten. Wie auf der Straße gibt es auch auf dem Wasser Enthusiasten, die lieber auf Lowtech setzen. Was wohl die Hühner darüber denken beziehungsweise ob die seekrank werden? Mehr dazu ab Seite 48 von Andreas Ryll.


13


BILD // JOCHEN MÜSSIG

FOKUS

14


15

Wer kennt ihn nicht, den Gardasee? Nur zum Wassersport ist die Gegend fast zu schade. Lesen Sie ab Seite 98 wie Dolcefarniente und Dolce Vita zusammenpassen – auf dem Wasser und an Land.


REISE

SEA YOU SOON PETER CAFÉ SPORT Schrift & Bild // Steffi Schulz

16


17

ICH HALTE EIN GÄSTEALBUM AUS JOSÉ HENRIQUES AZEVEDOS HISTORISCHEM ARCHIV IN DEN HÄNDEN. DIE SEITEN SIND GELB-BRAUN FLECKIG GEFÄRBT. ES STAMMT AUS DEM JAHR 1966. ICH ENTDECKE EINEN EINTRAG DES FRANZOSEN ERIC TABARLY. „JA, GENAU DER“, LÄCHELT JOSÉ. EINER DER BEDEUTENDSTEN HOCHSEESEGLER DES 20. JAHRHUNDERTS HAT HIER EIN FOTO SEINES BOOTES UND EINE WIDMUNG HINTERLASSEN. SO IST ES DER BRAUCH ALLER SEGLER, DIE DEN ATLANTIK ÜBERQUEREN.


REISE

J

osé Henrique und ich sind im zweiten Stockwerk des Peter Café Sport, im sogenannten ScrimshawMuseum. Es befindet sich in einem Haus im Hafen von Horta auf der Azoreninsel Faial. Der Raum ist so groß wie ein Klassenzimmer, mit vielen Schrankvitrinen und Austellungskästen an den Wänden. Am Ende liegt ein gewaltiger Walunterkiefer am Boden. Die leeren Einbuchtungen lassen die Größe der Zähne erkennen. Warmes Licht fällt auf die mannshohen Glasvitrinen, die mitten im Raum alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie enthalten die wohl wertvollsten Walzahnkunstwerke unserer Zeit. Kurz darauf sehe ich in einer der Vitrinen einen Riesenzahn mit dem Porträt von Tabarly. Das ist der Startschuss für José Henrique, er beginnt zu erzählen. Wenn die Mannschaft an Bord kein Wind hatte und für mehrere Wochen nicht segeln konnte, dann war es nötig, Langeweile und Monotonie zu überstehen. Es sollte einer künstlerischen Tätigkeit nachgegangen werden. Vereinfacht gesagt zeichneten sie auf Pottwalzähnen. Aber einfach ist das Prozedere auf keinen Fall. Es gleicht eher der Anfertigung einer Lithografie und verlangt somit echtes zeichnerisches Talent und Geschick. Oftmals wurde dieses Kunsthandwerk nicht nur an Bord, sondern auch im

Hafen angefertigt. Der Begriff Scrimshaw kommt aus dem Niederländischen und bedeutet so viel wie Faulenzer. Dieser Eindruck entstand, wenn man die Segler im Hafen sitzen sah. Josés Vater hat die Kunstwerke in seinem Laden zum Verkauf angeboten und schon zeitig angefangen, die besten Stücke aufzubewahren. 1984 wurde auf Faial der Walfang eingestellt, niemand wollte dieser Tätigkeit mehr nachgehen. Der Nachschub an Walzähnen war somit gestoppt. 1986 wurde dann das Museum gegründet und zeigt eine der beeindruckendsten Sammlungen weltweit. Durch J.F. Kennedys Sammlerleidenschaft wurde sie bis nach Amerika bekannt. Unter Seglern sagt man, wenn du nach Horta segelst und warst nicht bei Peters, dann warst du nicht wirklich in Horta. Das Peter Café Sport inmitten einer Häuserfront in der Hafenstraße empfängt vorwiegend Segler, aber auch andere Inselbesucher. José Henrique ist mit seinen Angestellten fast täglich und rund um die Uhr das ganze Jahr für seine Gäste da. Er versorgt die Segler mit Wetterprognosen, unterstützt, wenn sie Werkstätten für Reparaturen benötigen, Geld und Travelerchecks gewechselt werden müssen, eine Bootsflagge benötigt wird oder jemand nach dem legendären Seglerschokokuchen fragt. Und außerdem werden in Peter Café Sport vorzügliche Mahlzeiten serviert.

José Henrique ist täglich und rund um die Uhr das ganze Jahr für seine Gäste da. Er versorgt die Segler mit allem, was sie brauchen. Oben: Generationen von Seglern haben sich auf den Molen verewigt. Ob die Malereien Glück für die weitere Überfahrt bringen? Wer weiß. Schaden kann es schließlich nicht. Unten: José Henrique, der Sohn des Gründers, führt das fort, was Henrique Lourenco Avila Azevedo im Jahre 1918 begann. Damals unter dem Namen Café Sport. Der Zusatz kam erst durch einen englischen Offizier, der eine eklatante Ähnlichkeit des Besitzers mit seinem Sohn erkannte. Fortan heißt es: Peter Café Sport.

18


19


REISE

Ich schaue mich um: Ein Raum wie ein weiteres Museum, denn er ist von allen nur denkbaren Länderflaggen und historischen Bildern umhüllt. An der Theke hängen Anzeigen: „Need your boat delivered or crew?”, „Skipper available, contact ...”, „Crew wanted from Horta -> UK“. José Henrique erklärt mir, was es mit den Flaggen auf sich hat. Das ist nämlich der zweite von drei unausgesprochenen Bräuchen unter den Atlantiküberquerern. Jede Crew, die den Atlantik überquert hat, bringt eine Flagge im Peter Café Sport an. Schon als die Segler in früheren Zeiten in Horta ankamen, mussten sie oft lang im Hafen warten, bis sie an Land gehen konnten und sich registrieren durften. Immigration und ärtztliche Untersuchungen an Bord verursachten Verzögerungen. Josés Vater half den Seglern. Er fuhr mit einem kleinen Boot hinaus, regelte Dinge mit den Ausweispapieren oder half mit dem Nötigsten. „Man muss sich das so vorstellen“, sagt José, „früher gab es noch keine Geschäfte, die neben Lebensmitteln auch noch Bootsersatzteile oder Seekarten verkauften. Der eine Laden war am Anfang vom Ort, der andere am Ende.“ Sein Vater notierte alles und ließ es an die Segelboote ausliefern. Auch die Post wurde ausgeliefert. Peter Café Sport war und ist eine offizielle Postadresse. Denn wohin sollte man etwas zustellen? Aber heute ist Café Sport WiFi-Zone und das Kommunikationsproblem hat sich damit gelöst. Habe ich gedacht. Nein, es gibt sie immer noch. Die Postbox. Ich traue meinen Augen nicht. Wahnsinn. Alles ist akribisch nach dem Alphabet sortiert. Und: Es gibt sogar schon Post für einen Atlantiksegler, der 2018 oder 2019 ankommen soll. Jeder Empfang wird in einem kleinen Büchlein vermerkt. Alles hat hier seine Ordnung. Ja, und es gibt auch Post, die noch nicht abgeholt wurde. „Aber eigentlich fing alles so an“, holt José aus: Sein Ururgroßvater Ernesto Lourenco Azevedo eröffnete einen kleinen Laden in Horta und verkaufte handwerkliche Dinge von den Inseln. 1888 nahm er mit seinen Produkten an einer internationalen Industrieausstellung in Lissabon teil und gewann eine Auszeichnung für die Qualität und Vielfalt. Natürlich fällt mir die eingerahmte Urkunde im Museum sofort auf.

20

Um 1900 hatte die Unterseeverkabelung von Europa nach Amerika seine Anfänge und die Azoren waren dabei ein wichtiger Knotenpunkt. Firmen aus England und Deutschland, wie beispielsweise die Deutsch-Atlantische Telegraphengesellschaft, eröffneten Niederlassungen auf Faial. Die Neuankömmlinge hatten sehr viele sportliche Interessen und nahmen entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung. 1918 übernahm Josés Urgroßvater Henrique Azevedo das Geschäft. Aus seiner Sportleidenschaft entstand die Idee, das Café Sport im Nebengebäude zu eröffnen. 1928 weitete er sein Geschäft aus und bot jetzt auch Getränke und den legendären Gin Tonic zum Verkauf an.


21

Der Atlantis Cup/Regata da Autonomia verbindet jährlich die drei historischen Städte der Azoren: Ponta Delgada, Angra do Heroísmo und Horta.

Am Ende liegt ein gewaltiger Walunterkiefer am Boden. Die leeren Einbuchtungen lassen die Größe der Zähne erkennen.


22


23 REISE

Das Café ist für seine Geschichte, für Gin Tonics und seinen Schokoladenkuchen bekannt und gilt als Standard-Zwischenstopp für Weltumsegler. Das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek listete das Lokal unter den besten Bars der Welt.


24


25


REISE

Blick auf Porto Pim. Der ehemalige Walfanghafen mit der Walfangfabrik im Vordergrund – heute ein Museum.

26


27


REISE

Das traditionelle Walfangboot der Azoren ist circa 11,5 Meter lang, zwei Meter breit und nur 0,80 Meter tief. Nach dem Ende des Walfangs wurden hier noch Thunfische gefangen. Die alten Walfänger sitzen noch immer mit ihren Ferngläsern in ihren Ausgucken und schauen nach Walen – diesmal für Walbeobachter.

28


29

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass dies ein so traditionsreicher Ort ist, dass ich noch tagelang zuhören könnte. Aber ich möchte unbedingt den dritten Brauch der Segler erfahren. Jeder Segler, der den Atlantik überquert hat, muss seine Ankunft auf der Hafenmole dokumentieren. Das sollte man möglichst nicht versäumen, denn ansonsten würde es bei der Weiterfahrt nicht zum Besten stehen. Zwei Hafenmolen umrahmen die Marina, eine 440 Meter lange und eine kleinere Anlegestelle. 200 Liegeplätze mit Tiefen von zwei und sechs Meter und an Fingern mit Längen von sechs bis 20 Meter stehen für 300 Yachten zur Verfügung. Der Hafen von Horta ist von allen Seiten geschützt. Er liegt eingebettet zwischen dem Vulkankegel Monte da Guia zur einen Seite, dem Espalamaca Hügel zur anderen und Pico, der größte Berg Portugals, ist praktisch vor der Haustür der Marina. Die alte Kaimauer des Hafens ist aus Vulkangestein und war die erste Stelle, wo sich die ankommenden Segler in den 1970ern verewigten. Sie mussten in der Bucht ankern, denn die Marina wurde erst 1986 gegründet. Wieder ein Platz mit historischen Wurzeln. Der Weg zur alten Hafenmauer ist nicht ohne Weiteres möglich. Ein Anruf vom Chef der Marina Armando Castro macht es aber möglich. Ich entdecke einige der ganz alten Zeichnungen aus den 70ern und 80ern, geprägt von der salzigen Luft und den Stürmen erscheinen sie wie hingehaucht. Ein vollständiges Bild ist nicht mehr zu erkennen.

Dagegen sind die neuen Hafenmolen ein farbiges Wandgemälde in Übergröße. Ich treffe den deutschen Segler Guido und seine Familie an der Hafenmauer. Sie dokumentieren gerade ihre Ankunft, den westlichsten Punkt 28° 37' W ihrer Reise. Sie sind vom niederländischen Ijsselmeer über die Biscaya, an der Küste Galiciens entlang nach Lissabon und von dort nochmal 800 Seemeilen bis zu den Azoren mit ihrer Spirit-41-Yacht WAY OF LIFE gesegelt, unter dem Motto It’s another Way of Life. Eine französische Seglerfamilien mit drei Generationen an Bord, gerade frisch von den Kanaren angekommen, sucht ihr Gemälde von vor einigen Jahren, kann es aber nicht finden. Es wird sofort ein neuer Platz ausfindig gemacht und die dritte Generation malt fröhlich drauflos. Einmal an dieser bunten Hafenmole entlanggeschlendert, wird mir bewusst, dass Horta ein internationaler Hafen ist. Im Durchschnitt machen hier 1.025 Yachten aus 45 Nationen pro Jahr fest. Die Franzosen, Briten und Amerikaner sind darunter an den Spitzenpositionen. An vierter Stelle sind die deutschen Segler, gefolgt von den Niederländern. Die meisten nutzen die beständigen Passatwinde zur Atlantiküberquerung von Ost nach West, über die Kanaren oder Madeira in die Karibik und auf dem Rückweg von West nach Ost im Westwindgürtel. Die Azoren sind Zwischenstopp. Die Marina von Horta ist die viertbestbesuchte der Welt und Armando Castro lässt da keine Zweifel aufkommen. Stolz erzählt er, dass es in Horta zwei professionelle Segelrennen gibt.

Der Begriff Scrimshaw kommt aus dem Niederländischen und bedeutet so viel wie Faulenzer. Dieser Eindruck entstand, wenn man die Segler im Hafen sitzen sah.


REISE

Der Atlantis Cup wird auf den traditionellen Walfangbooten der Azoren gesegelt.

30


31

Der Hafen von Horta.


REISE

32


33


ZUM INHALT

REISE

Zum einen ist da der Atlantis Cup, eine lokale AutonomieRegatta, die die historischen Städte von drei Azoreninseln verbindet. Der lokale Yachtclub Naval veranstaltet dieses Rennen seit 1988 und es findet jedes Jahr Ende Juli statt. Das zweite, der ARC Europe, der seit 1987 jährlich im Mai stattfindet, ist mit 30 Booten von den Azoren vertreten. Die Flotte startet in Bermuda und endet in Horta mit den Azores Cruises. Les Sables–Les Azores–Les Sables ist wohl eine der bedeutendsten Regatten auf den Azoren. Es ist das 6.5-Minirennen, das 2006 zum ersten Mal stattfand und nun alle zwei Jahre durchgeführt wird. Nur um einige der bedeutenden Regatten zu erwähnen. Ein weiterer Höhepunkt im Jahr 2016 wird sein, dass die HASPA HAMBURG gerade ihren Weg von Rio de Janeiro zu den Azoren genommen hat. Sie ist jetzt auf der Höhe Venezuelas. Die Regatta

Zum Café gehört seit 1986 mit dem Museu de Scrimshaw ein historisches Museum für Kunsthandwerk aus Walfischknochen. Bis 1983 wurde auf den Azoren Walfang betrieben.

34

Rio–Hamburg ist die letzte Etappe auf der Southern Ocean Challenge des Hamburgischen Verein Seefahrt, die am 26. Dezember 2015 in Sydney startete. Club Naval de Horta, der größte Segelclub der Azoren, ist Partner. José Henrique hat es mir ans Herz gelegt: Ich solle unbedingt an einer Walbootregatta teilnehmen, das sei ein unvergessliches Erlebnis. Und ich habe Glück. Club Naval nimmt mich mit zur Landesmeisterschaft der Walfangboote in Feteira. 21. August 2016: Botes Baleeiros – Regata de Feteira so lautet die offizielle Bezeichnung. Walfangboote sind der einzige materielle Beweis des Walfanges auf den Azoren und zählen somit zum kulturellen Erbe der Inseln. Sie kommen heute nur noch bei lokalen Segel- und Ruderregatten zum Einsatz. Unsere Boote liegen schon im Hafen bereit. Aber es ist nicht wie bei


35

Es sollte einer künstlerischen Tätigkeit nachgegangen werden. Vereinfacht gesagt zeichneten sie auf Pottwalzähnen. einer normalen Regatta. Wir müssen unsere Boote erst an der langen Leine hinaus nach Feteira ziehen und dann werden sie im Baukastensystem zusammengesteckt. Ich staune, alles geht von geübter Hand. Erst werden die Mastbäume aufgestellt, die Ruder eingesetzt, das Segeltuch mit den Ringen zurechtgelegt, und dann wird sich in einer Reihe aufgestellt. Von unserem Beiboot gibt jemand einen Startschuss ab. Mit einem Satz schießen die Segel den hölzernen Mastbaum hinauf und das Rennen geht los. Fast jedes Mal beim Umrunden der Bojen

fliegen alle Arme der vermeintlichen „Baleeriros“ hoch. Dann wird wieder im weiten Bogen Anlauf für die nächste Runde genommen. Das Wetter ändert sich mindestens viermal in diesen drei Stunden. Am Schluss muss wieder eingepackt werden. Mastbäume runter, an die Leine ran und es geht zurück in den Heimathafen. Einige wenige Boote segeln zurück, denn der Wind hat aufgefrischt. Die anderen werden von langer Leine gezogen. Auf der Heimfahrt haben wir das Licht im Rücken und die beigefarbenen Segeltücher und azorenblauen Wellen werden vorteilhaft davon angestrahlt. Ganz inspiriert von diesem Regattaerlebnis und dem ganzen Geschehen dieses traditionsreichen Ortes, dem Peter Café Sport ganz besonders, habe ich mir vorgenommen, in nicht allzu langer Zeit eine Atlantiküberquerung zu planen, um mich unbedingt ins Gästealbum von José Henrique einzutragen, stolz eine Flagge im Café anzubringen und ein Gemälde mit meiner Crew an der neuen Hafenmole zu hinterlassen.


ABO

Lichtbild- & Geschichtenmagazin

NOMADEN DER MEERE VENDÉE GLOBE AZOREN

# 70 | 04/2016 | D 6,90 € | A 6,90 € CH 12 SFR | Benelux/E/I 8,90 €

4 196362 806006

70


ABO

4

AUSGABEN & EINE PHOTO ISSUE IM ABONNEMENT FÃœR 27 EURO

W W W. S A I L I N G - J O U R N A L . D E


TECHNIK, TAKTIK & TAKTVOLL

YETI 150 GENERATOR Elektrizität an Bord ist häufig eine unzuverlässige Sache. Damit ist jetzt Schluss. Ob Smartphone, Kühlbox oder Fernseher, dieses Powerpack versorgt beinahe alles mit Energie. Einfach den integrierten 168-Wattstunden-Akku zu Hause an der Steckdose aufladen und schon kann es losgehen! Erhältlich ab 249,99 Euro. INFO www.goalzero.com

BIOLITE CAMPSTOVE

HIER VIDEO ABSPIELEN

Kochen, Lagerfeueratmosphäre und nebenbei das Smartphone aufladen?! Kein Problem mit dem CampStove. In erster Linie ein Kocher, der mit Geäst, Tannenzapfen und Kleinholz befeuert wird und einen Liter Wasser binnen 4,5 Minuten zum Kochen bringt. Aber dank des thermo-elektrischen Generators eben auch eine Möglichkeit, elektrische Energie zu erzeugen! Erhältlich ab 149 Euro. INFO www.bioliteenergy.com

YETI RHONGA Optimaler Schutz bei Sturm, Regen und Kälte und dank der „bionic finish eco“-Beschichtung dennoch frei von Fluorcarbonen! Die Füllung dieser Hardshelljacke ist aus qualitativ hochwertigen Daunen, die durch die DWR-Behandlung kein Wasser aufnehmen. Details wie der mit Kinnschutz ausgestattete Zwei-Wege-Frontreißverschluss und die gefütterten Taschen runden den perfekten Gesamteindruck ab. Erhältlich ab 349,95 Euro. INFO www.yeti-exner-design.de

NIKON KEYMISSION 360 Zwei RGB-CMOS-SENSOREN mit 23,9 Megapixel bannen bei dieser kleinen Kamera die 360-Grad-Aufnahmen auf die Speicherkarte. Die Keymission ist dazu mit zwei UltraweitwinkelNikkor-Objektiven mit je 8,7 Millimeter Brennweite ausgestattet. Erhältlich ist die mit iOS und Android kompatible Kamera ab 499 Euro. INFO www.nikon.de

HIER VIDEO ABSPIELEN 36


37

MISTRAL NAUTIQUE 11’5 Perfekt für den Bordalltag geeignet. Als Beibootersatz oder einfach nur als Funsportgerät für Flautentage. Um den Bug läuft eine Griffleine, welche das Handling auf und neben der Yacht stark vereinfacht. Das Gepäcknetz nimmt Trinkflasche und Snacks auf, sodass es zu einem gemütlichen Picknick an Land gehen kann. Schnell aufpumpen und schon ist dieses Board einsatzbereit! Erhältlich ab 1.299 Euro. INFO www.sport-vibrations.com

HIER VIDEO ABSPIELEN

SPOT GEN3 TRACKER Dieser wasserdichte Tracker erhöht die Sicherheit an Bord. Dank der konfigurierbaren Message-Taste können Nachrichten an Freunde oder Bekannte versendet oder mithilfe der SOS-Taste im schlimmsten Fall auch ein Notruf abgesetzt werden – weltweit, weit entfernt von der Küste, natürlich ohne Mobilfunknetz. Erhältlich ist der Spot Gen3 Tracker ab 169,00 Euro. INFO www.wespot.de

HIER VIDEO ABSPIELEN

ZHIK ZKG Rutschfest, leicht und schnell trocknend. Die ZKGs von Zhik sind perfekt für all diejenigen, die an Bord, auf dem Board oder an Land einen lässig-sportlichen Schuh suchen, der auch mal nass werden darf und viel Halt auf nassem Untergrund bietet. Erhältlich in sechs verschiedenen Farbkombinationen ab 89 Euro. INFO www.frisch.de

SONOS SUB Einfach in das bestehende WLAN integrieren und schon gibt es ordentliche Bässe zu den vorhandenen Sonos-Speakern. Zwei digitale Verstärker der Klasse D kommen hier zum Einsatz und bringen einen tiefen, satten Sound in jeden Raum. Sonos-typisch funktioniert alles einfach und selbsterklärend. So erkennen bestehende Boxen den SUB und stimmen die eigene Leistung darauf ab. Erhältlich ab sofort auch in Weiß ab 799 Euro. INFO www.sonos.com


DA, DA & DA

VA-Q-TEC VA-Q-BOX Eisgekühlte Getränke nach Stunden und Tagen auf See … ein Wunschtraum ist jetzt Realität. Durch Hightech-Isolierung kann die Box eine konstante Temperatur über 72 Stunden halten – ohne externe Energiezufuhr. Die Kühlleistung wird durch Verwendung der kostenlos mitgelieferten Akkus oder mit Eis nochmals deutlich verbessert. Ebenso lässt sich die Box leicht reinigen und auswaschen. Die Außenmaße sind: 46 x 46 x 36 Zentimeter. Box inklusive Akkus für 419 Euro. INFO www.va-Q-world.com

ECO TIFFIN SWING Umweltfreundlich, aus Edelstahl und dabei praktisch, edel und stabil! Die Brotbox Tiffin Swing ist perfekt für den Bordalltag geeignet. So lassen sich Speisen darin nicht nur aufbewahren, natürlich auslaufsicher, sondern auch erhitzen. Erhältlich ab 34,95 Euro. INFOwww.va-Q-world.com

ANKER SEIFE Dank Sheabutter und Vitamin E pflegt diese Seife besonders gut und ist außerdem noch umwelt- und hautschonend. Keine Konservierungsstoffe, keine Parabene und keine Komplexbildner. Stattdessen nur ein unverwechselbarer und frischer Duft. Hergestellt in der ältesten Seifenmanufaktur Österreichs! Erhältlich ab 14,95 Euro. INFO www.dearsoap.com

HUBLOT BIGBANG MECA 10 Diese neue Uhr aus dem Hause Hublot bietet nicht nur ein neues, eigenständiges Design, sondern auch ein neues Handaufzugswerk, das HUB1201. Dieses skelettierte Werk speichert dank zwei paralleler Federhäuser Kraft für zehn Tage Gangreserve. Das 45 Millimeter große Gehäuse der Uhr besteht aus Titan oder in der limitierten Ausgabe „All Black“ aus schwarzer Keramik. Erhältlich ab 19.600 Euro. INFO www.hublot.com

38


39

SWISS MILITARY HANOWA NAVALUS MULTIFUNCTION Der perfekte Begleiter im Alltag, im Büro und in der Natur. Das Edelstahlgehäuse dieser Uhr bietet als Herrenversion einen Durchmesser von 44 Millimeter und als Damenversion 36 Millimeter. Unabhängig davon beherbergt das Gehäuse ein Schweizer Präzisionsuhrwerk, welches dank der drei Totalisatoren die Wochentage, das Datum und die 24 Stunden anzeigt. Erhältlich ab 299 Euro. INFO www.swissmilitary.ch

HELLY HANSEN STOCKHOLM Starker Halt im Winter dank der besonderen Sohle, wasserdicht – auch an den Nähten – und außerdem auch richtig schick! Das Nubukleder auf der Außenseite schützt die Füße vor sämtlichen Wettereinflüssen, auch dank des wärmenden Innenfutters. Erhältlich ab 129,95 Euro. INFO www.hellyhansen.com

MARINEPOOL DRYBAG 9 LARGE Diese sehr robuste, wasserdichte 50-Liter-Tasche lässt sich als Rucksack tragen und eignet sich damit trotz eines geringen Eigengewichts von nur 0,44 Kilogramm auch für etwas schwerere Lasten. Dank des Rollverschlusses bleibt der Inhalt trocken und die Tragegriffe und Schultergurte sind stabil und gut verstärkt in das Drybag eingearbeitet. Erhältlich in Weiß und Schwarz ab 49,90 Euro. INFO www.marinepool.de

B&G VULCAN9 Perfekt für Küstengewässer und Club-Regatten geeignet. Dieser Kartenplotter ist dank des Multitouchdisplays und der einfachen Menüführung intuitiv bedienbar und lässt sich jederzeit mit Radar, Sonar und WLAN kombinieren. Standardfunktionen wie Setzen des Kurses, die Windgeschwindigkeit, die Wassertiefe und natürlich die Positionsbestimmung gehen so einfacher und schneller von der Hand. Erhältlich ist der Vulcan9 ab Dezember für 1.367 Euro. INFO www.bandG.com

HIER VIDEO ABSPIELEN


ZUM INHALT

LESEN

PHILOSOPHIE DES MEERES VO N G U N T E R SCH O LT Z

S

eit über 2.500 Jahren hat das Meer die Philosophie beschäftigt: Schon Thales, der erste Philosoph der griechischen Antike, betrachtete das Wasser als Quell allen Seins; Kant glaubte, die Ozeane würden nach und nach die Rotation der Erde ausbremsen und darum unweigerlich den Weltuntergang herbeiführen; Edmund Burke wählte den Anblick des Meeres, um den Begriff des Erhabenen zu definieren, und Hegel wiederum warnte seine Studenten, der Akt des Philosophierens selbst ähnele dem Sprung in einen uferlosen Ozean. Nicht uferlos, aber tiefgründig und einmalig ist die Philosophie des Meeres: Indem sie uns das Meer aus den Blickwinkeln bedeutender Denker und verschiedener philosophischer Disziplinen betrachten lässt, bietet sie zugleich einen perfekten und verständlichen Einstieg in die Philosophie generell – von der Antike bis zur Moderne. Denn wer der Mensch ist, das hat sich seit jeher an seinem Verhältnis zum Meer gezeigt.

ISBN: 978-3-86648-249-4, 26 Euro, 288 Seiten, gebunden, Leineneinband mit Lesebändchen, mare Verlag

40


41

natßrlich aktiv & gesund Medima Kniewärmer mit Angora

Medima_AZ_Sportkniewaermer_100x125mm.indd 1

07.08.15 11:46


K U R Z . K N A P P. K O L O S S A L .

FLAUTENSCHIEBER FÜR HAFENTAGE Bild // Tom Körber Schrift // Michael Walther

ZU BEGINN EINES JEDEN TESTS FRAGE ICH MICH, WAS ICH VON DEM AUSZUPROBIERENDEN PRODUKT ERWARTE. WELCHE ASPEKTE SOLLTEN ALSO MINDESTENS ERFÜLLT SEIN, DAMIT ICH ÜBERZEUGT BIN. BEI DEM NEUEN ELEKTROANTRIEB VON PENDIX WAR DIES NICHT EINFACH. DENN WAS ERWARTET MAN VON EINEM NACHGERÜSTETEN ANTRIEB EINES KLAPPRADES?

42


43

K

lappräder sind an Bord vieler Fahrtenyachten zu finden. Nicht ohne Grund. Erleichtern sie die kurzen bis mittleren Strecken in den Zielorten doch ungemein. Der Weg zum Bäcker, Supermarkt oder je nach Hafen auch nur zu den Waschräumen wird so deutlich unanstrengender. Für längere Distanzen sind die kleinen Räder nicht unbedingt gedacht. Ähnlich wie auf dem Wasser soll es aber auch an Land ruhig, entspannt und mit einem Mindestmaß an Bequemlichkeit von A nach B gehen. Und genau hier setzt der Pendix an. Schon der Erstkontakt mit dem Antrieb verläuft positiv. Zum Testen ist dieser an einem Brompton-Faltrad montiert. Und schon auf den ersten Blick fällt auf, dass der Antrieb sich gut in das Erscheinungsbild des Rades einfügt – es fällt quasi auf, dass er kaum auffällt. Das vordere Tretlager verliert seine filigrane Erscheinung etwas, der Akku wirkt wie eine kleine, edle Thermoskanne, ansonsten ändert sich wenig. Also schnell aufgesessen und schon geht es los. Ich trete kurz in die Pedale und der Schub des Antriebes unterstützt direkt. Ein kurzer Blick auf die Flaggen im Umkreis reicht aus, um festzustellen, dass gerade absolute Flaute herrscht – also kein Rückenwind. Das fühlt sich auf den ersten Metern allerdings anders an. Unauffällig schiebt der Antrieb mit und vermittelt damit das Gefühl, vom

Klappräder sind an Bord vieler Fahrtenyachten zu finden. Nicht ohne Grund.

Wind geschoben zu werden oder leicht bergab zu radeln. Die Unterstützung ist dabei so unauffällig, dass man binnen weniger Minuten vergisst, auf einem Elektrofahrrad zu sitzen. Lediglich der erhöhte Spaßfaktor, weil man trotz kleiner Reifen ordentlich Wegstrecke zurücklegt, bleibt übrig. Dieser Effekt verstärkt sich überraschenderweise noch einmal, wenn man in den Sportmodus schaltet. Einfach am Deckel der Thermoskanne, also am Akku, eine Stufe weiter stellen und schon unterstützt der Antrieb noch etwas mehr. Dies ist deshalb überraschend, weil man die Beschriftung im Grunde genommen auch entgegengesetzt interpretieren könnte.


K U R Z . K N A P P. K O L O S S A L .

Mit dem Akku gewinnt auch ein Faltrad an Langstreckentauglichkeit.

Als Fazit könnte ich in diesem Fall tatsächlich festhalten, dass ich mir von einem Elektroantrieb bei einem Klapprad relativ wenig versprochen habe, aber sehr positiv überrascht worden bin. Groß waren erst die Bedenken, dass das Rad dadurch sehr schwer und klobig werden könnte, die elektrische Unterstützung aber keinen wirklichen Unterschied macht. Wider Erwarten stört das Mehrgewicht von 6,5 Kilogramm im Alltag kaum. Der Antrieb, gespeist von dem edel anmutenden Akku mit 300 Wattstunden, verrichtet dann jedoch seine Arbeit derartig effizient und angenehm, dass auch ein Faltrad an Langstreckentauglichkeit gewinnt. Bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h unterstützt der Elektromotor, bei höheren Geschwindigkeiten ist der Fahrer dann auf sich allein gestellt. Ich könnte mir auch den Einsatz an einem normalen Fahrrad sehr gut vorstellen. Dank der einfachen Nachrüstung ist dies kein Problem – laut Pendix lassen sich beinahe alle Fahrräder mit einem Antrieb ausrüsten. Es bleibt dann lediglich ein Haken, nämlich der Preis. Mit 1.490 Euro zuzüglich Montage ist der Pendix-Antrieb kein Schnäppchen. Möchte ich allerdings mein liebgewonnenes Rad mit einem Elektroantrieb nachrüsten, so bietet das Gesamtpaket von Pendix alles, was man von einem hochwertigen und modernen Antrieb erwarten kann.

Eco, Smart, Sport. Direkt am Akku lässt sich der Modus einstellen, mit dem der Elektromotor den Fahrer unterstützt.

ZUM INHALT 44


Sailing Journal Online

MEHR SEITEN MEHR BILDER MEHR VIDEOS MEHR INFOS

kostenlos online Blättern unter: issuu.com/meeresleuchten-verlag


KOLUMNE LEBEN

STOP BOATING

D

ie aktuelle Kampagne Start Boating hat das Ziel, Menschen für den Wassersport zu gewinnen. Mit plakativen Slogans und kostenlosen Probefahrten soll Begeisterung für Boote hervorgelockt werden. Ein eigenes Magazin flankiert unterstützend. Dort findet man emotionale Bilder, werbende Texte und alles rund ums Bootfahren. Etwas holprig wird es nur, wenn die Frage nach den Führerscheinen beantwortet werden soll. Denn bei diesem Thema gibt es an manchen Stellen keine Antworten, Scheinregelungen in Deutschland sind unlogisch und verwirrend. An der Küste braucht man unter 15 PS gar keinen Schein. Der dann erforderliche SBF See ist zwar amtlich, beinhaltet allerdings nicht das Segeln, sondern ist nichts anderes als eine Motorerlaubnis. Segeln lernt man beispielsweise beim SKS, der nicht amtlich ist, aber amtlich anerkannt wird. Das ist alles eigentlich sehr überschaubar. Kommen wir ins Binnenland, wird es kapriziös. In manchen Bundesländern, wie Brandenburg oder MecklenburgVorpommern, benötigt man keinen Schein, wenn man segeln gehen will. Über 15 PS den SBF Binnen unter Motor. In Berlin darf man nicht mal einen Opti segeln, wenn man keinen Schein beziehungsweise nicht den richtigen besitzt. Denn über drei Quadratmeter Segelfläche erfordert den SBF Binnen unter Segeln, begründet wird das durch das hohe Verkehrsaufkommen und die Berufsschifffahrt. Das allerdings scheint Motorboote nicht zu betreffen, denn die brauchen hier bis 15 PS auch nichts. Und so gondeln überall Menschen auf Hausbooten, Sauf-… äh.. Grillbooten, Schlauchbooten und Aluminiumbooten herum. Ohne Schein und ohne Ahnung.

Und Surfer brauchen seit 2012 auch keinen Schein mehr. Noch drolliger: Fahre ich mit der S-Bahn in Berlin von meinem Bahnhof zehn Stationen, darf ich nicht segeln. Fahre ich eine Station weiter, darf ich. Gleiches Gewässer – gleicher Verkehr – anderes Bundesland. Nun mag man denken, man macht einfach den Schein und gut ist es. Und dann fährt man zum Bodensee in den Urlaub und darf wieder nicht. Denn dort ist das „Bodensee Schifferpatent“ Pflicht. Laut offiziellen Stellen erfordert das “schwäbische Meer” besondere Kenntnisse, da der See seine speziellen Eigenarten hat und sich ihn drei Staaten teilen. Klingt plausibel. Weniger plausibel ist es, dass man jedoch gegen die Zahlung von 25 Euro für ein vier Wochen gültiges „Ferienpatent“ diese speziellen Kenntnisse nicht zu brauchen scheint. Denn das Ferienpatent bekommt man einfach so gegen Vorlage seines SBF Binnen. Vielleicht ist das so, weil es gerade in der Ferienzeit sehr voll auf dem See ist und man andere dann ja gut fragen kann, welche Eigenarten der See hat? Ich habe keine andere Erklärung. Ach ja, auf dem Bodensee darf man ohne Schein nicht wie sonst überall (außer auf dem Rhein) mit bis zu 15 PS rumgurken, sondern da ist mit sechs PS Schluss. Letztens saßen wir in einer Runde zusammen, von der drei Leute für den America’s Cup gearbeitet haben. Keiner von denen darf in Berlin segeln. Nicht mal auf dem Steinhuder Meer eine Jolle ausleihen. Denn mir schrieb ein Leser, dass er mit SBF See und SKS keine Jolle auf diesem See bekam. Auf einem See, auf dem man bei Problemen durchaus nach Hause laufen kann. Vielleicht fangen wir erst mal bei diesem Thema an und bereinigen das, bevor wir beim Probefahren in Floskeln verfallen müssen oder gar Erklärungsnotstand haben.

Stephan Boden, Buchautor, Filmemacher und Initiator der Bente24. Stephan, aka DiggerHamburg, verbringt seit 2012 jeden Sommer auf dem Boot.

46


47 KOLUMNE RECHT

BEI ARGLIST HELFEN KEINE KLAUSELN

H

einrich hatte schon lange versucht, sein Boot zu verkaufen. Jedes Jahr brachte er es wieder zu Wasser und schaltete neue Anzeigen in der Hoffnung, dass sich endlich ein Käufer finden würde. Dann war er da: der Familienvater, verliebt in das alte Schiff. Es wurde zusammen gesegelt, Geschichten erzählt, Bier getrunken. Inzwischen duzte man sich. Alles kein Problem, dachte man. Den Preis hatte man dann auch irgendwann ausgehandelt. Einen Musterkaufvertrag heruntergeladen und lässig ausgefüllt. Schließlich vertraute man sich doch. Das Schiff wechselte den Eigentümer. Alle waren zufrieden. Doch dann in der zweiten Saison hatte der neue Eigentümer eine kleine Havarie. Die Versicherung schickte einen Gutachter. Der Gutachter stellte erhebliche Vorschäden fest, die schlecht repariert waren. Was nun? Von Vorschäden und Reparaturen hatte der Verkäufer nichts erzählt! Nun wurde er zur Rede gestellt: „Ja, stimmt“, sagt er, „vor zehn Jahren war da mal ein Problem. Eine Kleinigkeit, harmlose Risse, aber die waren gut repariert.“ Warum er davon beim Verkauf nichts gesagt habe, fragt der Käufer. „Das ist doch schon so lange her …“, sagt der Verkäufer. Die Vergesslichkeit wird dem Verkäufer zum Verhängnis! Das Versäumen der Angabe von Vorschäden muss juristisch als sogenannte „arglistige Täuschung“ gewertet werden. Da helfen dem Verkäufer keine Klauseln. Die übliche Formulierung „Der Käufer hat die Yacht besichtigt und probegesegelt und übernimmt sie im gegenwärtigen

Zustand ohne Anspruch auf Gewährleistung“ umfasst nicht den Verzicht auf Mängelrechte für verheimlichte Vorschäden. Der Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag und sonstige Zusicherungen sind obsolet. Der Verkäufer riskiert nun Minderung des Kaufpreises oder sogar einen Rücktritt des Käufers. Fazit: Als Verkäufer unbedingt über alle Vorschäden und Mängel aufklären, jedenfalls dann, wenn sie nicht sofort ins Augen fallen. Hinweise im Kaufvertrag dokumentieren. Denken Sie besonders an Schäden, die über Versicherungen und Werften dokumentiert und abgewickelt wurden. Die Yachtszene ist zu klein, um zu glauben, es käme nicht an den Tag. Bei erkennbaren Mängeln kann dem Kaufinteressenten allerdings zugemutet werden, Untersuchungen selbst anzustellen oder einen Fachmann hinzuzuziehen. Als Käufer auch bei „gutem Gefühl“ gründlich prüfen und ausprobieren. Im Zweifel besser einen Sachverständigen beauftragen, besonders wenn Osmoseverdacht besteht. Yachten nach Möglichkeit an Land und im Wasser inspizieren. Möglichst die Unfallfreiheit schriftlich zusichern lassen. Eine „Zusicherung“ hat juristisch einen besonderen Stellenwert, der über schlichte technische Angaben hinausgeht. Die Übergabe am besten segelfertig im Wasser mit Geduld und detaillierter Checkliste durchführen. Kein Zeitdruck! Die Gebrauchsanweisungen, Papiere einschließlich Umsatzsteuernachweis müssen vorliegen. Erst dann den (Rest-)Kaufpreis zahlen und den Erhalt des Geldes quittieren lassen. Rechtsanwalt Eckhard von der Mosel, Kiel www.vondermosel.de

Rechtsanwalt Eckhard „Ecki“ von der Mosel berät viele Betriebe in der Wassersportbranche und hilft Eignern bei Stress mit Werften und Versicherungen. In seiner Freizeit engagiert er sich für die Seeregatten des Kieler Yacht-Club, darunter MAIOR, BlueRibbonCup und die Kieler Woche. www.vondermosel.de


K U R Z . K N A P P. K O L O S S A L .

IN VINO VERITAS! Schrift & Bild // Michael Walther

E

s gibt wenige Bereiche des Lebens, in denen sich Russen, Griechen, Iraner, Iraker und Chinesen einig sind. Sieht man sich diese Nationen einmal an, so fallen einem eher die vielen Konflikte ein, die aktuell und in der jüngeren Vergangenheit das Weltgeschehen beeinflussten. Es mag ein Zeichen dafür sein, dass es manchmal hilfreich ist, sich auf seine Wurzeln zu besinnen und dem Wissen der Vorfahren Glauben zu schenken. Denn diese waren sich zumindest in einem Bereich offensichtlich einig: „Nach dem Wein folgt die wahre Rede“ (China), „Rein kommt der Wein, raus das Geheimnis“ (Babylon), „Was der Nüchterne denkt, plaudert der Betrunkene aus“ (Russland) und „Bist du Betrunken, so sagst du die Wahrheit“ (Persien). Schlussendlich waren sich auch die Griechen sicher, dass der Wein die Wahrheit ans Tageslicht befördern würde.

48

Offensichtlich spielt dieses Thema bei unseren Vorfahren eine große Rolle. Und auch in unseren Häfen geht es nicht immer ganz alkoholfrei zu. Natürlich sollte nur dann etwas getrunken werden, wenn die Yacht sicher vertäut im Hafen liegt, auf der freien See hat ein alkoholisierter Steuermann genauso wenig zu suchen wie auf unseren Straßen. Dennoch spricht wohl wenig dagegen, es sich nach einem schönen Segeltag bei einem guten Glas Wein im Hafen gemütlich zu machen. Ich habe mir deshalb einmal einen Château de Bonhoste als Weißwein genauer angesehen. Bietet er als Tetrapack doch gegenüber einem verkorkten Flaschenwein einige Vorteile. Es beginnt bereits mit der Lagerung: Während Flaschen regelmäßig durch die Backskiste rollen und bei jeder Wende nerven, lässt sich dieses Fünf-Liter-Paket einfach und unkompliziert lagern.


49

Und schreitet man dann zur Tat, so entfällt die lange, meist erfolglose Suche nach einem Korkenzieher. Dieser verbleibt nach dem letzten Großreinemachen häufig in irgendeiner Schublade zu Hause und fehlt dann in den richtigen Momenten. Natürlich kann man sich mit Schraube und Zange irgendwie helfen – die Entspannung ist dann aber erst einmal dahin.

in aller Ruhe bei einem vorzüglichen Gläschen Weiß-, Rotoder Roséwein die Beine ins Wasser und die Seele baumeln lassen kann. Je nachdem für welchen Weinschlauch man sich gerade entschieden hat.

Und schreitet man zur Tat, so entfällt die lange, meist erfolglose Suche nach einem Korkenzieher.

Da lobe ich mir das einfache Handling des Weinschlauchs. Lasche eindrücken, Hahn herausziehen und ein gepflegtes Gläschen einschenken. Und auch wenn die Stegnachbarn ihre Ruhe haben wollen, bietet sich das Paket an. Einfach am Griff gepackt und schon geht es an das Stegende, an dem man

Als Fazit bleibt mir da eigentlich nur, unseren Vorfahren für die Weisheit und den Weitblick zu danken. Vielleicht sollten wir einfach mehr Wein trinken, die Ruhe genießen und schon würden sich einige Konflikte ganz von allein lösen! Dieser Bordeaux ist auf jeden Fall perfekt für die Saison an Bord geeignet und mit einem Preis zwischen 24 und 30 Euro für fünf Liter auch erschwinglich. Die unterschiedlichen Sorten bieten für viele Weingeschmäcker das Richtige.

ZUM INHALT


ABO

Lichtbild- & Geschichtenmagazin

NOMADEN DER MEERE VENDÉE GLOBE AZOREN

# 70 | 04/2016 | D 6,90 € | A 6,90 € CH 12 SFR | Benelux/E/I 8,90 €

4 196362 806006

70


ABO

4

AUSGABEN & EINE PHOTO ISSUE IM ABONNEMENT FÃœR 27 EURO

W W W. S A I L I N G - J O U R N A L . D E


ABENTEUER

DIE

NEUEN NOMADEN

DER

MEERE Bild// Elaine le Floch, GOB Schrift// Andreas Ryll

SEINE LEIDENSCHAFT IST DAS MEER. SEINE BEGEISTERUNG GILT DEM LOWTECH. SEINE MOTIVATION? SELBSTVERSORGUNG. SEIN NEUES PROJEKT: RUND UM DIE WELT SEGELN. IN DREI JAHREN, AN BORD EINES SPEZIELLEN KATAMARANS NAMENS NOMADE DES MERS.

50


51


D ABENTEUER

Der 33-jährige charismatische Ingenieur Corentin de Chatelperron aus der Bretagne lebt mit ungehemmter Leidenschaft seine teils ziemlich seltsam anmutenden Ideen aus. Er bringt Menschen unterschiedlichster Kulturen zusammen und begeistert jeden, dem er begegnet, für seine gar nicht mal so eigenartigen Projekte. Alles begann nach seinem Studium mit dem Bau von traditionellen Fischerbooten aus natürlichen Werkstoffen in Bangladesch. Mit einem von ihnen segelte er, die meiste Zeit allein, nach Frankreich zurück. Zurück in der Heimat baute er schließlich gemeinsam mit anderen Ingenieuren die GOLD OF BENGAL – fast ausschließlich aus dem Werkstoff Jute. Mit ihr segelte De Chatelperron in zwei Expeditionen 16.000 Kilometer im Golf von Bengalen und begeisterte dabei Millionen Menschen über soziale Netzwerke. Dank seiner geposteten Filme über Lowtech-Ideen erreichte er hohe Medienaufmerksamkeit und konnte über 50 technische und finanzielle Partner von seinem aktuellen Projekt überzeugen.

DIE REISE So machten der Franzose und sein „Low Tech Team” nach langer Vorbereitungszeit die Leinen auf der NOMADE DES MERS – die bereits in den 1980er-Jahren von dem berühmten VPLP-Designbüro als eine Studie entworfen wurde – los und legten am 23. Februar 2016 im bretonischen Concarneau zur Weltumseglung ab. Mit an Bord waren die beiden französischen Offshoresegler Roland Jourdain und Gwénolé Gahinet, Crewmitglied im Team IDEC SPORT und an Bord des gleichnamigen Maxitrimarans beim Rekordversuch einer Nonstop-Weltumseglung im vergangenen Jahr.

Mit der NOMADE DES MERS werden De Chatelperron und seine wechselnden Mitstreiter, wie Elaine Le Loch, Camille Duband, Amandine Garnier, Clément Chabot, Louis-Marie De Certaines, Marvin Le Roux und Pierre-Alain Levéque, die Idee verfolgen, die im Team mittlerweile zu einer Weltanschauung wurde: Lowtech-Segeln. Bei jedem Etappenstopp der Nomaden der Meere erhalten Einheimische, die von Nah und Fern anreisen, vor Ort die Gelegenheit, ihre eigenen Projekte der Crew vorzustellen.

52

Am ersten Etappenziel in Agadir wurde ein SolarWasseraufbereiter gebaut. Weiter ging die Reise in den Senegal. In Dakar wurden DIY-Windturbinen, also 1.000-Watt-Windräder der Marke Eigenbau, realisiert und in Toubacouta wurde mit einem Anbausystem von „grüner“ Kohle hochwertiger Brennstoff aus Bioabfällen gewonnen. Anschließend segelte das Team weiter über den Atlantik nach Santiago auf den Kapverden für den Bau eines hydroponischen Systems, bevor dann die Atlantiküberquerung mit Ziel Recife angegangen wurde. Nach drei Wochen Navigation erreichten die selbsternannten Nomaden die brasilianische Hafenstadt, die als Lowtech-Paradies gilt. Gemeinsam mit Abdalaziz de Moura, Antonio Roberto Fereira und Sebastião Alves dos Santos von SERTA, einer Organisation für alternative Technologien, besuchten sie die halbwüstenartige Landschaft von Sertao, wo die Methoden von Ökosystemen, die sich an der Balance der Natur inspirieren, erfolgreich in Dörfern und auf Farmen umgesetzt werden. Eine anschließende Fahrt zur Kleinstadt Gloria do Goita im Mata Atlântica, der Region des Atlantischen Regenwaldes an der Ostküste des Landes, ermöglichte den Besuch eines Ausbildungszentrum für AgroÖkosysteme und Permakultur, das von SERTA betrieben wird.


53

„Wir werden von Experten begleitet, darunter ein Ethnobotaniker und ein Ernährungsberater, die unseren Gesundheitszustand überwachen werden und unsere Ernährung zu optimieren versuchen.“ Corentin de Chatelperron


54


55


ABENTEUER

56


57

Mittlerweile ist es zu einer Weltanschauung geworden: Lowtech-Segeln.

Und wieder wurden die Segel gesetzt, um weiter nach Rio zu segeln. Auf Einladung des Projectos Grael der weltbekannten Segler Torben und Lars Schmidt Grael legten die Nomaden der Meere in Niteroì an. In deren Segelschule wird nachhaltige Entwicklung in der Metropole am Zuckerhut und ein Projekt zur Identifikation und Umsetzung von Lowtech-Innovationen in den Favelas unterstützt. Insbesondere geht es hierbei auch um Wiederverwertung von Plastik. Gemeinsam mit einem Boot des Projectos Grael, das regelmäßig Plastikmüll in der Guanabara-Bucht sammelt, fuhren Catelperron und seine Crew raus, um auch eine eigens entwickelte Software des Projektes zu testen. Diese kann auf Basis der Berechnungen von Strömungen, Gezeiten und Winden prognostizieren, wo Plastikmüll hintreibt. Die Nomaden trafen auch die öffentliche Organisation CLIN, die fast ausschließlich Plastikmüll sammelt und interessante Strategien der Produktion und Vermarktung von Souvenirs entwickelt, beispielsweise eine Replika der berühmten Christusstatue. Ende September ging die Reise weiter nach Kapstadt, wo das Thema Aluminium mit praktischen Lösungen behandelt wird. In der südafrikanischen Hafenstadt begrüßten die Teammitglieder das Lowtech-Team ENGIE, das an Bord der NOMADE DES MERS den Prototyp einer Wasserkraftturbine aus recyceltem Aluminium installiert hat.

Dieser Aufenthalt soll bis Ende Oktober dauern, bevor es für die Nomaden der Meere über Durban dann weiter nach Madagaskar geht. Ziel ist der Norden der Insel im Indischen Ozean, um dort mit der lokalen Nichtregierungsorganisation Jardin du Monde die Kultivierung von Spirulina, auch im Handel unter der Bezeichnung „Mikroalgen“ bekannt, voranzubringen. Daraus sollen Vorteile für die lokale Bevölkerung bei der autonomen Nahrungsmittelproduktion entstehen. Zum Jahresende wird die Route zu den Malediven gewählt, wo aus einer Insel des Archipels, eine riesige Müllhalde entstanden ist. DAS „LOW-TECH LAB“ Im von De Chatelperron gegründeten „Low-tech Lab“ kommen junge Menschen und eine lange Liste unterstützender Firmen und Gesellschaften zusammen. Hier realisieren sie Ideen, die sich allesamt auf einfache Systeme konzentrieren, die eine Versorgung mit Wasser, alternative Energieproduktionen, die Verwendung natürlicher Materialien als Werkstoff und vieles mehr beinhalten. Mit dem Low-tech Lab werden derzeit Projekte aus Afrika, Indien und Asien unterstützt und gefördert. So wurde beispielsweise eine solarbetriebene Mini-Wasserentsalzungsanlage vorgestellt, die durchaus auch für Langfahrtsegler spannend sein könnte. Auch die NOMADE DES MERS ist im Lowtech-Sinne für ein autarkes Leben auf den Meeren ausgerüstet. Zum Beispiel dank alternativer Ernährungsformen auf See, die in gewisser Weise rekultiviert wurden – denn manche Maßnahmen nutzten schon die alten Langstreckenseefahrer.


ABENTEUER

58


59

DAS INTERVIEW Vor seiner Reise berichtete Corentin de Chatelperron dem Sailing Journal von seinen Plänen, seinen Träumen, seinen Überzeugungen. Das Projekt sieht vor, dass die gesamte Bordverpflegung auf Selbstversorgung ausgerichtet ist. Ist das richtig oder wird zusätzliche Verpflegung eingeschifft? Das ist korrekt, aber bis das Ökosystem an Bord die einzige Verpflegungsgrundlage garantieren kann, bedarf es etwas Zeit. Daher müssen wir für die erste Zeit Reis und andere Keimlinge an Bord haben, damit wir einen Teil unserer Ernährung sicherstellen können. Wie würdest du das Energieversorgungssystem und das Lowtech-System an Bord beschreiben? Das Boot ist mit Photovoltaik und Windkraftturbinen ausgestattet. All dieses Equipment stammt aus der neusten Generation. In unserem Low-tech Lab haben wir einen Generator gebaut, der gleichzeitig mit Sonnen-, Wind- und Wasserkraftenergie funktioniert und dabei in der Lage ist, 12.000 Kilowattstunden zu produzieren. Und um zusätzliche elektrische Energie zu produzieren, tritt unsere Besatzung außerdem begeistert in unser entwickeltes Pedalsystem. Neben dem Aspekt, der ausschließlich die Energieversorgung betrifft, werden wir mehr als 15 Lowtech-Anlagen wie Pilze, Insekten, ein Aquaponik-System, Hydrokultur und Aeroponik, Wasseralgen, beispielsweise die Spirulina, und einen Hühnerstall an Bord haben. Und dann wird es ein Entsalzungssystem, ein Multifunktionspedal, einen Solarofen und sogar Solartrockner geben. Alle diese Lowtech-Ressourcen bilden ein ausgewogenes Ökosystem an Bord und lassen uns völlig autark leben.

„Es ist zwingend notwendig, Wissen und Lösungen zu teilen!“

Welche Route habt ihr gewählt und welche Zwischenstopps sind vorgesehen? Was passiert während dieser Aufenthalte? Diese Expedition soll drei Jahre dauern. Im ersten Jahr sind Aufenthalte in Marokko, Senegal, Kapverden, Brasilien, Südafrika, Mosambik, Madagaskar, Indien, Sri Lanka, Indonesien, auf den Seychellen und den Malediven geplant. In jedem Hafen planen wir rund 20 Tage ein. Während dieser Zeit konzentrieren wir uns auf lokale Probleme wie Abholzung, Zugang zu Trinkwasser, Unterernährung. Zudem arbeiten wir mit lokalen Forschern und Erfindern zusammen, die ihre technologischen Ideen an Bord installiert werden. Das wird ihr innovativer Beitrag zu unserem Ökosystem sein. Ein Beitrag, der uns während der gesamten Reise begleiten wird. Somit übernehmen diese Personen eine aktive Rolle in der Verwirklichung dieses globalen Projekts.


„Während der Aufenthalte konzentrieren wir uns auf lokale Probleme wie Abholzung, Zugang zu Trinkwasser, Unterernährung.“ Wer ist Teil des Projektes und welche wissenschaftlichen Daten werden erhoben? Während der Expedition werden wir Daten über die Effizienz der Low-Technologie und auch über die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Körpers sammeln. Wir werden dabei von Experten begleitet, darunter ein Ethnobotaniker und ein Ernährungsberater, die unseren Gesundheitszustand überwachen werden und unsere Ernährung zu optimieren versuchen. An Land zählt außerdem die Explore Foundation des berühmten Seglers Roland Jourdain zu unseren Partnern. ARTE wird uns begleiten, um eine Miniserie in 15 Episoden zu produzieren, die im Jahr 2017 ausgestrahlt wird.

60

Welches sind deiner Meinung nach die kurzfristigen Maßnahmen, die am dringendsten ergriffen werden müssen, um den Prozess der Erderwärmung zu verlangsamen? Und wie könnt ihr dazu beitragen? Aus technischer Sicht sollte das Recht auf die Grundbedürfnisse, wie der Zugang zu Energie, Nahrung und Wasser, lokal verwaltet werden. Auf diese Weise können wir das Bewusstsein der Bevölkerung in Bezug auf ihre sozialen Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen und die Biodiversität erhöhen. Kurzfristig, um eine Politik der Sensibilisierung vorantreiben zu können, ist ein Mehrbedarf an Ressourcen für Forschung, Entwicklung und Verbreitung von technischen Lösungen notwendig, die die Notwendigkeiten der lokalen Grundbedürfnisse verfolgen. Dann müssen wir unserem „Wettlauf zum Wohlstand“ eine andere Richtungsweise geben. Hinsichtlich der Gründe, die Menschen antreibt, ein besseres Leben zu erstreben, sollte es mehr Platz für Ideale gegeben werden. Damit meine ich Einfühlungsvermögen und Respekt für und mit der Natur, Respekt unserem eigenen Körper gegenüber, Einfachheit, Selbstlosigkeit und Spiritualität. Ich bin davon überzeugt, dass das Verständnis des persönlichen Nutzens einer anderen Lebensweise eine positive Veränderung in der Haltung der Menschheit erzeugen kann. Und genau auf der Grundlage von diesen Überlegungen haben wir das Projekt Low-tech Lab gegründet.


61 ABENTEUER

ZUM INHALT

Wer und was hat dich in deinem persönlichen Leben dazu inspiriert und motiviert, das Projekt Low-tech Lab ins Leben zu rufen? In den sechs Monaten der „Gold of Bengal“-Expedition habe ich versucht, autark zu arbeiten. Leider vergeblich, trotz meines „MacGyver-Temperaments“. Es ist mir wichtig, respektvoll mit Menschen und der Umwelt umzugehen. Ich habe festgestellt, dass es für Millionen von Menschen, die abgeschieden leben, sehr schwierig ist, einfach nur ihre Grundbedürfnisse zu decken. Unabhängig von Bildung oder Kreativität. Und ich erkannte, dass all dies nicht genug ist. Es ist zwingend notwendig, Wissen und Lösungen zu teilen! Was bedeutet Abenteuer für dich? Abenteuer heißt, meine Komfortzone verlassen, auch wenn ich die darauf folgenden Ereignisse nicht vorhersagen kann.

Von Mark Twain stammt das Zitat: “They did not know it was impossible, so they did it.” Funktioniert diese Aussage auch für dich oder hast du ein anderes Motto? Dieses Zitat gefällt mir sehr … Und etwas „naiv“ zu bleiben und nicht auf die Personen hören, die mir sagten „Das kann nicht funktionieren”, hat sicher viele meiner Projekte gerettet. Und außerdem erzeugt Optimismus wirklich unglaubliche Motivation. Ich glaube, falls Kolumbus gewusst hätte, wie schwierig seine Reise sein würde, wäre er möglicherweise niemals in See gestochen. Was wäre dein persönlicher Erfolg dieser Mission? Wenn meine Hühner Eier an Bord legen, dann werde ich sehr stolz sein. www.lowtechlab.org/nomade-des-mers


KOLUMNE ÖKO

SURVIVAL OF THE FITTEST (IM SINNE DER DARWIN’SCHEN EVOLUTIONSTHERORIE) – PART 2

F

ür das Fortbestehen der eigenen Art kann natürlich nur gesorgt werden, wenn man einen guten Ernährungsplan besitzt und selbst nicht gefressen wird.

Der Fisch der Hochsee trägt Schwarz-Weiß. Auch hier geht es um die Anpassung an die jeweilige Umgebung. Auf offener See hat sich daher ein Trend durchgesetzt: Die Freischwimmer tragen meist Schwarz-Weiß. Sie sind oben dunkel und unten hell. Die Tarnung ist hier eine Frage der Perspektive. Schaut man von der Wasseroberfläche hinab ins tiefe Blau, ziehen oft unentdeckt Hochseefische in der Wassersäule unter einem vorüber, bestens getarnt durch ihre dunkel gefärbte Körperoberseite. Ist ein Räuber auf der Jagt und späht hinauf, lässt hingegen die helle Bauchseite der potenziellen Beute ihre Silhouette mit der lichtdurchfluteten Wasseroberfläche verschmelzen. Sie wird somit unsichtbar. Es sei denn, es ist ein rundum dunkler Seehund, der – wenn nicht schnell genug – als Mittagshäppchen eines Orcas oder Hochseehais sein Leben lässt. Die schwarz-weiße Färbung ermöglicht nämlich auch ein unbemerktes Heranpirschen. Das Leben im Schwarm. Für Verwirrung stiften die Kleinen und Gejagten. Sie bewegen sich oft in Schwärmen mit einer Eigenart, die die Verfolgung eines Einzelnen fast unmöglich macht. Für das olympiareife Synchronschwimmen sorgt unter anderem das hochentwickelte Seitenlinienorgan, das kleinste Druckunterschiede im umgebenden Wasser wahrnehmen und eine blitzschnelle Reaktion des Tieres auslösen kann. Ein beeindruckender Tanz und eine hochevolvierte Taktik! Der Schwarmfisch an sich sieht sich als Teil eines engmaschigen Filters für Kleinstlebewesen der Wassersäule. Dieser wird von Tausenden hungrigen Mäulern nach „Plankton to go“ durchsiebt. Einmalige Verhaltensmuster von Schwärmen werfen immer noch viele Fragen auf und sind Bestandteil aktueller Forschungsprojekte.

An den Küsten wird es bunt. Kommt man an die Küstenregionen, wird das Leben und somit die Überlebensstrategien vielfältiger. In der Defensive und in der Offensive. Es wird sich getarnt und nachgeahmt, gewarnt und verteidigt. Für uns als Besucher im Ökosystem Meer heißt es am besten Sicherheitsabstand einhalten. Denn viele marine Bodenbewohner wie der Steinfisch oder der Skorpionsfisch sind auch mit Tauchermaske schwer von einem Stein oder Korallenblock zu unterscheiden. Sie haben ihr Äußeres so weit an ihre natürliche Umgebung angepasst, dass sie mit dem Hintergrund verschmelzen und als Lauerjäger ihre vorbeischwimmende Beute mit einem plötzlichen Aufreißen des Mauls im Hochgeschwindigkeitsmodus einsaugen. Neben der Tarnung sorgen ihre Rückenflossenstacheln für ihre Verteidigung und machen einige Arten des Steinfischs zu den giftigsten Fischen überhaupt. Die Kleptomanen unter den Schnecken. Die Meeresnacktschnecken haben durch den Verlust der schützenden Schale ganz spezielle Features entwickelt. Tiere der Gattung Phyllodesmium leben auf Weichkorallen, sind von ihrer Futterkoralle nicht zu unterscheiden und klauen ihrem Wirt während des Fressens kleine einzellige Algen. Diese werden unverdaut im durchsichtigen Körper der Schecke eingelagert, als „Solarzellen“ benutzt und dienen als Energiequelle für längere Spaziergänge oder während einer Nahrungsknappheit. Nahe Verwandte wiederum klauen ihrem Futtertier Nesselkapseln, die, ohne ausgelöst zu werden, in federartige Anhängsel eingelagert werden und zur Verteidigung genutzt werden. Feinde bekommen die Hochdruckgeschosse bei der kleinsten Berührung schmerzhaft zu spüren und lassen die grell gefärbten Meeresschnecken demnächst besser links liegen. Schließlich geht es ums nackte Überleben und die nächste Neonschnecke hat vielleicht auch noch einen gemeinen Chemiecocktail auf Lager, den sie natürlich auch beim Verzehr eines giftigen Schwamms stibitzt und für ihren eigenen Schutz bereithält.

Kristina Stemmer ist promovierte Meeresbiologin, Tauchlehrerin und Unterwasserfotografin. Während ihrer Promotion zum Einfluss der Meeresversauerung auf schalenbildende Meerestiere forschte sie in einer Kooperation zwischen dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung und dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. Expeditionen führten sie in die Tropen, das Mittelmeer und auch an deutsche Küsten.

62


63 KOLUMNE ART

RENATA POLJAK PARTENZ A

D

ie Fotografie Partenza von der MultimediaKünstlerin Renata Poljak bezieht sich auf die europäische Migrationsbewegung im frühen 20. Jahrhundert. Inspiriert wurde die Künstlerin von der Geschichte ihrer Urgroßeltern – während der Urgroßvater mit vielen anderen nach Chile segelte, um Arbeit für die hungernde Familie zu suchen, blieb die Urgroßmutter zurück, ohne zu wissen, ob sie ihn je wiedersehen würde. Eine große Palette an Gefühlen wie Trauer, Schmerz, Hoffnung, Sehnsucht und Verzweiflung werden mit einer auf schwarz-weiß reduzierten Ästhetik und minimaler Bildstruktur vermittelt: Die Weite der leeren Meereslandschaft, das Profil einer schwarz gekleideten

jungen Frau, die der Horizontalen von Sand, Meer und Himmel folgend auf ein überdimensionales schwarzes Loch zusteuert. Die Familiengeschichte wird zu einer Metapher für die Fragilität der menschlichen Existenz, die vom Sog der gesellschaftlichen Kräfte und Naturgewalten abhängig ist. Neben Fotografien nutzt Poljak auch Medien wie Zeichnungen, Collagen, Videos, um dieses auch heutzutage brisante Thema zu behandeln. In ihren Kunstwerken setzt sich Renata Poljak mit Mechanismen des Erinnerns und des Vergessens, mit der Entwicklung und Verbreitung von Ideologien, historischen und politischen Prozessen auseinander. www.renatapoljak.com

PARTENZA | 50 x 33 Zentimeter | Edition 25 | Digitale Fotocollage auf Aluminum-Dibond | 400 Euro | Kontakt: ana.karaminova@art-objective.com

Dr. Ana Karaminova und Katja Vedder präsentieren für das Sailing Journal regelmäßig Werke zeitgenössischer Kunst, die neue Perspektiven zum Thema Wasser und Ozean eröffnen. www.art-objective.com


ABO

Lichtbild- & Geschichtenmagazin

NOMADEN DER MEERE VENDÉE GLOBE AZOREN

# 70 | 04/2016 | D 6,90 € | A 6,90 € CH 12 SFR | Benelux/E/I 8,90 €

4 196362 806006

70


ABO

4

AUSGABEN & EINE PHOTO ISSUE IM ABONNEMENT FÃœR 27 EURO

W W W. S A I L I N G - J O U R N A L . D E


RACE

DAS

HÄRTESTE RENNEN

DER WELT

Text // Michael Walther Alle Bilder HUGO BOSS

80 TAGE ALLEIN AUF EINER 20 METER LANGEN KOHLEFASERYACHT. UNMENSCHLICHE BEDINGUNGEN IM SOUTHERN OCEAN, QUÄLENDE HITZE UND FLAUTE IN DEN DOLDRUMS – DIE VENDÉE GLOBE VERLANGT DEN TEILNEHMERN ALLES AB.

64


65

HIER VIDEO ABSPIELEN


2

24.000 Seemeilen allein nonstop um die Erde! Das wird hart, mitunter sehr hart. Und dennoch ist die Teilnahme für viele ein lang gehegter Traum. 29 Skipper sind bisher registriert. Einige werden es am 6. November jedoch aus finanziellen Gründen wahrscheinlich nicht an die Startlinie vor Les Sables d’Olonne schaffen. Und selbst wenn, hat nur ein kleiner Teil des Feldes realistische Siegchancen. Die Unterschiede zwischen den teilnehmenden Yachten sind bei der achten Vendée Globe so groß wie schon lange nicht mehr. Die Masten und Kielkonstruktionen der hochgezüchteten IMOCA-60-Yachten, stellten bei den vergangenen Rennen die neuralgischen Punkte dar. Mehr als 80 Prozent der Ausfälle gingen zulasten dieser Bauteile. Um die Stabilität sicherzustellen und die Kosten zu reduzieren, wurden diese direkt nach der vergangenen Auflage des Rennens vereinheitlicht. Und dennoch unterscheiden sich die registrierten Yachten stark voneinander. Auf der einen Seite FAMILLE MARY – ETAMINE DU LYS, eine Konstruktion von 1998 mit feststehendem Kiel, auf der anderen Seite mit der HUGO BOSS eine der wohl spektakulärsten Neukonstruktionen. Und direkt daneben auch Veteranen wie die ONE PLANET ONE OCEAN, die bereits mit Ellen MacArthur unter dem Namen KINGFISHER teilnahm. IMOCA-Yachten aus den Jahren 1998 und 2000 starten neben neu entwickelten Yachten, in die natürlich Erfahrungen aus den vergangenen Rennen eingeflossen sind. Der wohl offensichtlichste Unterschied sind die modernen Hydrofoils. Also gebogene Schwerter, die seitlich aus dem Rumpf ausgefahren werden können und damit auf der Leeseite Auftrieb schaffen. Bei Einrumpfyachten wird dieses

66

System auch DSS (Dynamic Stability System) genannt, da die Hydrofoils anders als bei Mehrrumpfbooten die Yacht nicht komplett aus dem Wasser heben, sondern lediglich den Bug entlasten und mehr Auftrieb schaffen sollen. Mit MAITRE COQ, SAFRAN, BANQUE POPULAIRE, ST MICHELVIBRAC, EDMOND DE ROTHSCHILD, NO WAY BACK und HUGO BOSS sind sieben der 29 Yachten mit diesem DSS ausgerüstet. Insbesondere bei stärkerem Wind und RaumschotsBedingungen soll dieses System den neuen Konstruktionen einen deutlichen Vorteil verschaffen. Und genau diese Bedingungen überwiegen bei dem Rennen um die Welt. Es birgt aber auch Risiken, die sich bei den vergangenen Testrennen deutlich niedergeschlagen haben. So fielen beim vergangenen Transat Jaques Vabre 2015 – quasi die Generalprobe der Vendée Globe – fünf der sechs mit DSS gestarteten Yachten aus. Das Rennen über den Atlantik gewann PRB ohne Hydrofoils vor BANQUE POPULAIRE, der einzigen IMOCA-Yacht im Ziel mit DSS. Natürlich wirkt diese Quote auf den ersten Blick erschreckend. Der Startschuss des Transat Jaques Vabre fiel jedoch für viele der Neukonstruktionen so kurz nach deren Stapellauf, dass vorher keine Zeit mehr für Tests blieb. Diese wurden nun in den vergangenen Monaten absolviert, sodass die Hydrofoils und die Aufnahme dieser Foils in den Rümpfen auf vielen Seemeilen getestet worden ist. So nahm die HUGO BOSS am sogenannten IMOCA Ocean Masters New York to Barcelona teil und gewann dieses direkt! Die Skipper an der Startlinie in Les Sables d’Olonne werden also mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in das Rennen gehen. Es gilt jedoch für alle, dass schon die Teilnahme und natürlich das Erreichen des Ziels einen Höhepunkt für jeden Offshoresegler darstellt.


67 RACE

Die Unterschiede zwischen den teilnehmenden Yachten sind bei der achten Vendée Globe so groß wie schon lange nicht mehr.

HIER VIDEO ABSPIELEN


RACE

“We did not want to compromise our foils by trying to go upwind!“ Alex Thomson

68


69

HIER VIDEO ABSPIELEN


RACE

70


71


RACE

72


73

Gespräch mit Alex Thomson, der zum vierten Mal an der Vendée Globe teilnehmen wird. This will be your fourth participation in the Vendée Globe – how do you feel looking ahead to the race in comparison with previous years? Having finished third in the 2012/13 race, I want to build on that success this year. The boat is performing well and I have a great team around me so I feel we have a very good shot at winning this time around. But of course, anything can happen in this race. The new IMOCA yachts are using foils for the first time in the Vendée Globe. Which differences between the old boats without foils and the new boats do you expect? I expect the new boats to be much faster. The difference between the boats with foils is bigger than between boats with canting keel or waterballast. In flat-water conditions, we will have a speed difference up to 6 knots! The difference will be smaller in wavy conditions and the new boats are not as good as the old ones upwind. Apart from that, the new boats are heavier because of the whole foil system but they will be much faster.

“The difference between the boats with foils is bigger than between boats with canting keel or waterballast.”

Foils are one aspect. Which are the most important changes between the old HUGO BOSS and your new one? We are narrower, have less wetted surface and a lower center of gravity. Apart from that, we’ve got a wing mast instead of a classic one on the old boat. The new HUGO BOSS is the only boat without a sister. When we started to design this boat, nobody really knew if the foils are working or not. So most of the new boats are designed like normal IMOCA yacht, just with some extra foils. In contrast to these boats, the new HUGO BOSS is completely designed as a yacht with foils! Every sailor knows his own boat best. The new HUGO BOSS is a strong and great yacht. But what do you think is the weakes point? That’s upwind, of course! But when you have a look at the average time you sail upwind on a Vendée Globe, it is round about 7 %. Some years more, some years less, but you can only design to averages. We did not want to compromise our foils by trying to go upwind! We just designed the whole boat and especially the foils for fast downwind reaching. That’s why our foils are 30 % (1 m) longer and have a flater angel than on the other boats. So our foils start to work at very low angles of heel. And if you compare our foils to the other boats, there are a lot of differences. The other boats only use the tip and the elbow; the new HUGO BOSS uses the whole foil!

Alex Thomson

HIER VIDEO ABSPIELEN


RACE

74


75


RACE

76


77


RACE

78


79


ZUM INHALT

RACE

“It takes every moment in your life and you cannot really think beyond.” Alex Thomson

29 skippers are registered for the upcoming race. Who do you expect as the strongest competitor? Amel le Cléac’h with BANQUE POPULAIRE. But there are also 7 other boats who can win this race, I think. MAITRE COQ, SAFRAN, ST MICHEL-VIBRAC, EDMOND DE ROTHSCHILD, SMA and QUÉGUINER –LEUCÉMIE ESPOIR. So including HUGO BOSS the 6 boats with foils and three older ones. What’s the camaraderie like among the participants before an event like the Vendée Globe – do you spend much time with each other, or is each team totally focused on its own preparations? The relationship between the competitors is very unique it is a very competitive and professional sport. Whilst we prepare for the race we do not spend much time with each other and each team prepares for their own race. However, there is a different side to the initial competition. When you are in the Southern ocean there are no shipping lanes, no rescue services, no helicopters the only people there who can help you in an emergency are your competitors. So yes there is camaraderie.

80

Do you have sometimes the feeling to miss a part of the life at home? Yes, it becomes harder to spend less time at home, especially when you have children. My wife is very understanding and together, we work pretty hard to try to make it work. But the year of the Vendée is the hardest, of course. And to be honest, the race is stressful for the skippers, but it is also super-stressful for the people at home who love you. Whom do you admire most, in sports in general, in sailing and outside of the field of sports? My often repeated motto is that ‘to finish first, first you have to finish’, which couldn’t be more apt in an unpredictable sport like offshore sailing. These words of wisdom were given to me by Sir Robin Knox-Johnston, who over the years has become my mentor and great friend. Sir Robin was the first person ever to sail single-handedly non-stop around the world, and this was back in 1969, before much of the technology we use on today’s racing yacht was in use. It was an incredible achievement and one that I admire hugely. Do you have a special dream, which you like to fulfil apart from winning the Vendée Globe? No, not really. It takes every moment in your life and you cannot really think beyond.


81


MADE BY HAND

MEDIMA. S L O W FA S H I O N Schrift & Bild// Tom Kรถrber

82


83


MADE BY HAND

84


85

E

s gibt sie noch, die schönen Dinge: Hochwertige Textilien, aus natürlichen Rohstoffen nachhaltig in Deutschland hergestellt … Echte Lieblingsstücke, die länger halten und nicht aus der Mode kommen – in der heutigen Wegwerf-Gesellschaft schon fast revolutionär. Bei Medima gelten für alle Kollektionen besonders strenge Qualitätsprämissen. Von der Rohstoffbeschaffung, der Verarbeitung und Ausrüstung bis zur Verpackung und dem Versand achtet das traditionsreiche Familienunternehmen auf hohe Qualitätsstandards. Und die Familienmitglieder tragen, was sie produzieren: hochwertige Wäsche. Mit Leidenschaft, höchster Sorgfalt und Liebe zu den Produkten leben die Familienmitglieder seit Generationen für ihre schöne Wäsche. Das Unternehmen achtet auf Nachhaltigkeit im Umgang mit der Umwelt, aber auch mit der Ressource Mensch. Deshalb produziert der traditionsreiche Textilhersteller zu 100 Prozent in Deutschland. Geschäftsführerin Dr. Ulrike Katz richtet das Unternehmen dabei ganzheitlich auf Nachhaltigkeit aus und will wirtschaftliche Ziele mit der Verantwortung für Mensch und Natur vereinbaren. „Wir sind verantwortlich für echte Menschen, für die Qualität unserer Rohstoffe und haben die gesamte Wertschöpfungskette im eigenen Haus“, so Dr. Katz. Alle Materialien sind bewusst gewählt. So stammt die AngoraRohwolle beispielsweise aus kontrollierten und zertifizierten

Zuchten und ist mit dem Caregora-Gütesiegel ausgezeichnet. Der Textilhersteller achtet auf natürliche, abbaubare Rohstoffe. So sind Medima-Produkte fast ausschließlich in ungefärbten Naturtönen erhältlich. Durch die rein deutsche Produktion sichert Medima wichtige Arbeitsplätze im Inland. Außerdem kann der Textilhersteller so sicher sein, nicht für Kinderarbeit oder soziale Missstände in ausländischen Produktionsstätten verantwortlich zu sein. Nicht der kurzfristige Gewinn steht im Vordergrund, sondern nachhaltiges Wirtschaften. „Für mich bedeutet Nachhaltigkeit, so zu wirtschaften, dass ich mit Mensch und Natur im Einklang bin“, betont Dr. Ulrike Katz. „Das bezieht sich nicht nur auf unsere Produktion in Deutschland, sondern auf das gesamte unternehmerische Handeln. Auch der lange Lebenszyklus aller Medima-Produkte ist für uns ein wichtiger Faktor.“ Seit Generationen liegt der Familie das Thema Gesundheit am Herzen. Basis ist die langjährige Erfahrung und das Know-how aller Mitarbeiter. Als mittelständisches Familienunternehmen in der heute hart umkämpften Textilbranche zu bestehen, ist täglich eine große Herausforderung. Wichtig ist es für Medima deshalb, die traditionellen Stärken herauszuarbeiten. Neben der hohen Qualität, Produktion in Deutschland und langfristigen Ausrichtung ist Vertrauen eine wesentliche Grundlage. In einer gelebten Vertrauenskultur können die Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten. Weitere Infos: www.medima.de

ZUM INHALT


ABO

Lichtbild- & Geschichtenmagazin

NOMADEN DER MEERE VENDÉE GLOBE AZOREN

# 70 | 04/2016 | D 6,90 € | A 6,90 € CH 12 SFR | Benelux/E/I 8,90 €

4 196362 806006

70


ABO

4

AUSGABEN & EINE PHOTO ISSUE IM ABONNEMENT FÃœR 27 EURO

W W W. S A I L I N G - J O U R N A L . D E


REGATTA

Schrift // Jens Hannemann Bild // Tom Kรถrber & Jens Hannemann

DER SOMMER GEHT ZU ENDE UND MIT IHM DIE SAISON DER SUPER SAIL TOUR 2016. EIN Rร CKBLICK AUF ZWEI KUFEN.

86


87


FOTOS // JENS HANNEMANN

REGATTA

88


89

GRÖMITZ Ein erstklassiger Saisonauftakt der Super Sail Tour im Ostseebad Grömitz mit mehr als 90 Booten, Sonne, Hagel, viel Wind und bester Stimmung unter den Seglern. Der schöne Kurort war schon in den vergangenen Jahren Ausrichter der ersten von vier Stationen Deutschlands größter Segel-Eventtour. Sportlich ging es auf dem Wasser hoch her. Insgesamt wurden auf zwei Regattabahnen 23 Wettfahrten in drei Klassen absolviert. Die Jugendklasse O‘pen Bic segelte auf ihrer eigenen Bahn und bewies wie auch schon bei ihrer SuperSail-Premiere im letzten Jahr, dass sogar die Kleinsten ihre Rennjollen gut im Griff haben. Der Hobie 14, die zahlenmäßig kleinste Klasse, aber immer fester Bestandteil der Super Sail Tour, hatte mit Markus Merten einen herausragenden Sieger. Wer kann schon von sich behaupten, einen ersten Platz als Streichergebnis in der Liste zu haben.

Bei den schnellen Hobie 16 dominierten einmal mehr die „Alten“. Schon am ersten Tag bei ablandigem Wind, heftigen Böen und Winddrehern spielten sie ihre Erfahrung aus. Der Sonntag ließ dann nur zwei Rennen zu, bevor die Segler aus Sicherheitsgründen vom stets aufmerksamen Wettfahrtleiter Hans-Herbert Hoffmann an Land geschickt wurden. Auf dem Weg zum Strand erwischte die Flotte dann ein Hagelschauer, der es in sich hatte. Da die Wetterlage am Sonntag unsicher blieb, entschied man von Veranstalterseite aus, an diesem Tag keine weiteren Wettfahrten zu starten. Am Montag versprachen die Zwischenergebnisse noch jede Menge Spannung. Die Spitze lag eng zusammen und der Wind nahm stetig zu. Viele Kenterungen machten den Besuchern auf dem Brückenkopf deutlich, dass Segeln echter Sport ist. Am Ende gewann Detlef Mohr mit seiner langjährigen Vorschoterin Karen Wichardt vor Ingo Delius und Sabine Delius-Wenig.


REGATTA

90


91


REGATTA

SCHARBEUTZ Bei genauem Hinsehen stellten die Besucher fest, dass es sich nicht um ein rein deutsches Teilnehmerfeld handelt, sondern auch die Topsegler der Klasse aus Dänemark mit mehreren Booten angereist waren. Unter anderem auch Josephine Frederiksen, die aktuelle Weltmeisterin. Leider musste Steuermann Daniel Björnholt, mit dem Josephine die Weltmeisterschaft in China gewonnen hatte, aus gesundheitlichen Gründen absagen. Kurzerhand organisierte sie sich die Australierin Meagan Bursa als Vorschoterin und übernahm selbst das Ruder. Am Samstag konnten alle vier geplanten Rennen durchgeführt werden. Die Wetterlage machte es den Seglern aber nicht gerade einfach. Windstärken von 14 Knoten und Böen bis über 20 Knoten, dazu Winddreher, die ein Boot auch schnell einmal von den vorderen Plätzen nach ganz hinten versetzen konnten. Immer besser in Fahrt in diesem Jahr kommt Jens Reimers mit seiner Tochter Nina, die nach dem ersten Tag nur einen Punkt hinter den führenden Detlef Mohr/Karen Wichard auf Platz zwei segelten. Am Sonntag war der Wind war noch schwieriger einzuschätzen, die Böen fielen noch plötzlicher ein, sodass es immer wieder Kenterungen gab. Der Sonntag war jedoch der Tag von Lauritz Bockelmann mit Vorschoterin Kim Liedtke. Am Ende verbuchten sie drei Tagessiege – besser konnte man nicht segeln. Dennoch reichte es in der Gesamtwertung nicht für einen der vorderen Plätze, hatte man doch am Samstag gleich zweimal einen Fehlstart zu Buche stehen. So standen am Ende dann doch wieder die Altmeister auf dem Treppchen. Deutliche Sieger wurden die für den SCKE Kellenhusen startenden Detlef Mohr/Karen Wichard mit acht Punkten Vorsprung vor Stefan Wiese-Dohse, der wieder mit seiner langjährigen Vorschoterin Susanne Gehrmann auf den zweiten Platz vor Jens und Nina Reimers segelte.

92


93


REGATTA

94


95


REGATTA

KELLENHUSEN In drei Klassen wurden auf einer Bahn insgesamt 18 Wettfahrten an zwei Tagen gesegelt. Den gut 100 Aktiven aus Deutschland, Dänemark, Schweden und Polen wurde auf dem Wasser viel abverlangt. Hatten doch einige Teams am Samstag bei Windstärken bis zu 20 Knoten am Ende leichte Konditionsprobleme, so waren es am Sonntag die drehenden und viel schwächeren Winde, die das Feld durcheinanderwürfelten. Altmeister Detlef Mohr und seine erfahrenen Vorschoterin Karen Wichard – beide aus dem Segelclub Kellenhusen – lagen am Samstag noch in Führung, konnten diese am Sonntag nach einem Frühstart und einem weiteren schlechten Start aber nicht halten. Auch nicht viel besser erging es den vom Samstag Zweitplatzierten Lauritz Bockelmann/Kim Liedke, die aber aufgrund der besseren Ergebnisse vom Samstag einen 25. Platz am Sonntag streichen konnten. Der dritte Platz im letzten Rennen reichte den beiden Youngstern dann zum Gesamtsieg.

96


FOTO // JENS HANNEMANN

97


REGATTA

SYLT Überzeugender kann man eine Regatta nicht segeln, wenn nach zwölf Rennen (zwei Streicher) am Ende nur erste Plätze in der Wertung stehen. So ging gestern der fünfte Hobie 16 World Cat vor Westerland auf der Nordseeinsel Sylt zu Ende. Der amtierende Weltmeister Daniel Bjørnholt beherrschte mit seinem Bruder Nicolai die Brandung auf Sylt wie kein zweites Team. Jedoch war in diesem Jahr alles anders. „Ich habe es noch nie erlebt, dass wir im Sommer auf Sylt eine Woche lang solchen Wind hatten“, so Willy Trautmann, Organisator und Sylter Urgestein. Trotz aller Versuche der Wettfahrtleitung, am ersten Tag Rennen zu starten, mussten diese am frühen Nachmittag abgesagt

98

werden. Die DLRG konnte die Sicherheit für Mensch und Material nicht gewährleisten. Wind bis zu 30 Knoten und eine Welle von gut drei Metern war einfach zu viel, selbst für die Besten der Besten. Der Donnerstag war dann wetterbedingt grenzwertig, aber segelbar. Wieder auflandige Winde um 25 Knoten, eine Brandung, bei der keiner mehr freiwillig schwimmen gehen würde, und Hobie-16-Segler, die sechs Wettfahrten segeln. Getragen von der Euphorie eines tollen Segeltages planten die Organisatoren dann am Freitag nach zwei weiteren Fleet Races eine Weltpremiere.


99

HIER VIDEO ABSPIELEN


REGATTA

100


101


REGATTA

102


103


REGATTA

104


105

ZUM INHALT

Ein Speedrennen parallel zum Strand, in unmittelbarer Nähe zu den Besuchern. Eine 380 Meter lange Strecke musste in der Brandung vor Westerland und bei Windgeschwindigkeiten von etwa 20 Knoten so schnell wie möglich durchsegelt werden. Jedes Team konnte in einem Zeitfenster mehrere Versuche starten. „Wir haben dieses Rennen schon vor einigen Jahren im Kopf entwickelt, aber bisher nie umgesetzt. Dieses Jahr hatten wir dann alles zusammen, eine perfekte Wettfahrtleitung, das richtige Wetter, sehr gute Segler und auch an Land ein Team, welches die Zeitnahme perfekt durchführen konnte“, so Detlef Mohr, Organisator und selbst zwölffacher Europameister in der Hobie-16-Klasse. „Uns ist es wichtig, dass wir den gleichen Kurs auch in den nächsten Jahren exakt so wieder reproduzieren können.“ Auch den Preis für das schnellste Boot holten sich die Dänen mit einem perfekten Run. Die Brüder Bjørnholt absolvierten die gesamte Strecke stehend im Doppeltrapez und benötigten gerade mal 38,6 Sekunden, das bedeutet umgerechnet 19,14 Knoten. Nachher meinten sie selbstbewusst: „Da geht noch mehr, wir hatten den Traveller nicht einmal ganz dicht.“ Samstag mussten dann alle Segler pausieren, der Wind nahm wieder zu und ließ keine Rennen zu. Am abschließenden Sonntag war es da: das Kaiserwetter. Wind aus West, auflandig, Sonnenschein und wieder mit guten 20 Knoten. Der Strand war voll mit Besuchern, die schon am frühen Morgen auf die Promenade kamen, um nichts zu verpassen. Apropos Dänen ...


REGATTA

INTERVIEW

DANIEL BJØRNHOLT auf einem Hobie segelte. Auf unserer ersten Hobie-Regatta wurden wir gleich Zwölfter, sodass uns unsere Mutter einen sehr alten Hobie kaufte. 2011 begannen wir in Svendborg mit dem Hobie-Segeln. Heute kommen die vier besten dänischen Segler aus Svendborg. Mit einem Weltmeister, zwei Europameistern und noch drei weiteren Top-TenPlatzierungen ist der Verein gut aufgestellt.

Der aktuelle Weltmeister Daniel Björnholt, der ein wenig überraschend in China die Weltmeisterschaft gewann und auch beim Speedrennen vor Sylt dominierte, im Gespräch. Kannst du kurz etwas zu deiner Person und deinem Werdegang sagen? Ich bin Daniel Bjørnholt, 21 Jahre alt und in Svendborg geboren. Ich begann mit dem Segeln eher zufällig, weil mein Bruder wasserverrückt ist. Deswegen sagte ein Freund unserer Mutter, dass wir mal segeln gehen sollten. Damals waren wir acht Jahre alt. Wir segelten ein paar Jahre im Opti und probierten danach viele verschiedene Klassen aus. Eigentlich war es Nicolai, der als Erster von uns beiden

106

Wie sieht die Hobie-Szene in Dänemark aus? Die dänische Szene ist nicht sehr groß, es segeln nur zwischen 15 und 20 Boote. Daher kann man das mit Deutschland überhaupt nicht vergleichen. Auf der Super Sail Tour segeln mittlerweile aber immer die drei bis vier besten dänischen Hobie-Teams. Mein Bruder und ich segeln seit 2013 auf der Super Sail Tour. Leider ist es für uns schwierig, andere dänische Vereine für das Hobie-Segeln zu motivieren. Viele denken noch immer, dass Hobie-Segeln unseriös ist. Deswegen geht es mit der Klasse nur sehr langsam voran. Aber wie man im Youth AC sieht, bei dem auch auf Mehrrümpfern gesegelt wird, hat ein Hobie durchaus seine Vorteile. Schon vor dem Youth AC wussten viele, dass wir gut segeln können, aber danach wurde es noch deutlicher. Hoffentlich gibt das der Klasse einen Aufschwung.


107

Ein Däne als Weltmeister? Viele Stunden auf dem Wasser machen nicht unbedingt einen guten Segler, aber ein guter Segler hat viele Stunden gesegelt. Es kommt also darauf an, wie konzentriert und effektiv man seine Stunden auf dem Wasser nutzt. Mittlerweile habe ich so viele gute Stunden auf dem Wasser verbracht, dass es keinen Unterscheid zu den besten Seglern der Welt gibt. Allerdings braucht man während einer Weltmeisterschaft auch ein Quäntchen Glück. Und das hatte ich diesmal. Die Wetterbedingungen erinnerten mich an Dänemark. So mussten wir nur konzentriert segeln. Was ist das Spannende am Hobie-Segeln? Gegenüber viel teureren Booten ist Hobie-Segeln schnell, mit jeder Menge Konkurrenz – große Startfelder mit wenig Platz an den Tonnen. Und, wenn man ehrlich ist, alles für wenig Geld. Dazu kommt, dass die Hobie-Events immer gut organisiert sind und die Gemeinschaft zusammenhält. Daher habe ich jetzt auch Freunde auf der ganzen Welt, die ich nun besuchen

kann. So war ich schon bei Freunden in Australien und Guatemala, die ich durch Hobie-Segeln kennengelernt habe. Besser geht es doch nicht. Warum segelst du als Däne in Deutschland die Super Sail Tour? Die Super Sail Tour hat die besten Segelevents, vor allem das zuschauerfreundliche Set-up ist die Zukunft des Segelns. Deswegen versuchen wir auch jedes Jahr andere Dänen mitzubringen, sodass sie ebenfalls sehen, wie toll Hobie-Segeln sein kann. Ohne die ProSail-Events weiß ich nicht, ob ich überhaupt noch Hobie segeln würde, und Weltmeister wären wir bestimmt auch nicht geworden. In Dänemark haben wir nur die dänische Meisterschaft und ein oder zwei andere größere Events. Es ist zu wenig für eine so große Klasse, deswegen ist es für die dänische Klasse auch umso wichtiger, dass die deutsche Klasse so groß ist und viele gute Events organisiert. Wir Dänen können davon nur profitieren.


ROAD TO RIO

STRATEGIE ODER SPEED? BRONZEMEDAILLE IN RIO FÜR ERIK HEIL & THOMAS PLÖSSEL

Bild// Red Bull/Richard Walch Schrift// Henner Thies

DEN GEWINN DER BRONZEMEDAILLE FEIERTEN ERIK HEIL UND THOMAS PLÖSSEL NOCH AUF DEM WASSER MIT EINEM GUT GETIMTEN DOPPELTEN RÜCKWÄRTSSALTO. EINE EINLAGE, MIT DER SICH DIE ZWEI SEGEL-ASSE GLEICH FÜR DAS SYNCHRONSPRINGEN IN TOKIO 2020 QUALIFIZIERTEN – ERIK HEILS KUMPEL PATRICK HAUSDING, BRONZEMEDAILLEN-GEWINNER IM KUNSTSPRINGEN VOM DREI-METER-BRETT, WIRD DAS BESTÄTIGEN.

108


109

„M

it dem Gewinn der Bronzemedaille ist für uns ein Traum wahr geworden“, sagt Erik Heil, der Steuermann im Team HP Sailing. Der doppelte Rückwärtssalto? „Ein Freudenritual, das sich nach besonders erfolgreichen Rennen eingebürgert hat.“ Das Medal Race in Rio war ein solch erfolgreiches Rennen: Trotz eines vermasselten Starts ist es den beiden gelungen, Edelmetall zu gewinnen. Ein Erfolg, der auf Konstanz und nicht zuletzt Teamwork basiert. Zeit, den beiden einige wichtige, bisher unbeantwortete Fragen zu ihrem Aufenthalt in Rio zu stellen: Erik, Thomas, was ist anstrengender: die Renn-Action oder der Feiermarathon, der euch seit dem 19. August von Rio über Frankfurt bis nach Kiel geführt hat? Thomas: Definitiv der Feiermarathon! Wir sind seit fast einer Woche pausenlos am Feiern, das ging los in Rio mit der Red-Bull-Party und zieht sich bis jetzt durch. Erik: Ich kann mich kaum dran erinnern, wann ich das letzte Mal vor 6 Uhr früh im Bett war. Das ist ein Feiermarathon, den ich so noch nie erlebt habe. Für mich ist das besonders hart, weil ich sonst maximal zweimal im Monat feiern gehe. Aber was muss, das muss (lacht).

„Die Kunst beim Segeln im 49er ist es, im richtigen Moment zu wissen, worauf es ankommt, Strategie oder Speed – das war in Brasilien nicht anders.“ Thomas Plößel

Dann nennt mal drei Rezepte gegen Kater. Thomas: Red Bull und eine Aspirin – das hilft in der Regel sehr schnell und hält wach! Oder: Engov. Ein Anti-Kater-Mittel, das wir auch erst in Brasilien entdeckt haben. Das sind je zwei Tabletten, eine nimmst du vor dem Feiern und eine danach – am nächsten Tag bist du fit! Und manchmal reicht auch eine kalte Dusche. Drei Dinge, die man in Rio tun beziehungsweise lassen sollte? Erik: Man sollte in Rio nicht mit voll gebrandeter Sponsorenkleidung durch die Favelas laufen. Bei unserem Besuch in der größten Favela Rios, Rocinha, haben wir nie schlechte Erfahrungen gemacht, aber wir waren auch mit Guide unterwegs – und in Alltagsklamotten (lacht). Thomas: Was man auf jeden Fall tun sollte: sich ein paar Sehenswürdigkeiten angucken! Rio hat mit Abstand die krassesten Aussichten überhaupt: Du hast den Zuckerhut, die Christusstatue und vieles mehr ... Und surfen – das sollte man auf jeden Fall auch, vor allem am Ipanema Beach! Da kann man dank einer speziellen Beleuchtung auch bei Nacht surfen.

HIER VIDEO ABSPIELEN


ROAD TO RIO

Drei Momente, die euch von Rio besonders im Gedächtnis bleiben werden? Erik: Nummer eins ist die Siegerehrung. Die ist extrem emotional gewesen. Als alle ihre Medaillen hatten und sich die Dinger angeschaut haben, hat man gesehen, dass alle sechs Athleten einfach nur glücklich waren. Nummer zwei geht an den Moment im Stadiontunnel im Maracana, vor dem Einlauf mit dem deutschen Team bei der Eröffnungsfeier. Da waren alle 250 deutschen Athleten am Start. Irgendwann haben die Handballer und die Hockeyspieler irgendwelche Lieder angestimmt, die dann alle mitgesungen haben, sodass es abging wie im Fußballstadion – nur standen wir in einem Stadiontrakt neben den ganzen anderen Nationen (lacht). Die wussten überhaupt nicht mehr, was los ist. Das war legendär. Nummer drei ist der Zieldurchgang im letzten Rennen, wo die Partyfront am Strand total abgegangen ist. Inmitten der 10.000 Fans standen auch unsere Familien, Freunde und Partner und haben uns zugejubelt. Dieser Moment gefolgt von unserem klassischen Doppelsalto wird uns lange erhalten bleiben. Drei Dinge, die euch in Rio positiv beziehungsweise negativ überrascht haben? Erik: Positiv überrascht hat uns tatsächlich die Wasserqualität. Wie auch immer sie das geschafft haben – Fakt ist: am Ende waren unserer beiden Mütter in der Bucht

baden! Wenn das nichts heißt ... Thomas: Bei aller Kritik an den Spielen in Rio hat uns zudem überrascht, wie sehr die Locals das Event abgefeiert haben. Jeder Fischer, an dem wir auf dem Wasser vorbeigenagelt sind, hat gefeiert wie wild. Dasselbe Bild an Land. Das hatten wir so nicht erwartet. Negativ überrascht hat uns, dass wir im Vergleich zu den Tests, die wir in Rio in den Jahren zuvor absolviert haben, recht schlechtes Wetter erwischt haben: Es war windiger als sonst und es hat mehr geregnet. Das war überraschend, aber nicht weiter tragisch. Drei Dinge, die euch eure Zeit in Rio gelehrt hat? Thomas: Wir haben gesehen, welcher Rückhalt in unserem sozialen Umfeld herrscht und dass wir Leute an unserer Seite haben, auf die du jederzeit zählen kannst. Erik: Dann die Lehre, dass man manche Dinge, wie zum Beispiel ein Medal Race, einfach erlebt haben muss, um zu wissen, was einen dort erwartet. Wir haben in den letzten Jahren so viel Mentaltraining gemacht, dass wir dachten, wir sind auf alles vorbereitet. Vor dem Medal Race hast du dann trotzdem leicht zittrige Hände, obwohl du im Kopf ganz ruhig bist. Und drittens: Eine Medaille ist unendlich teilbar – nämlich durch alle, die an ihrem Gewinn beteiligt sind. Das sind nicht nur in unserem Fall eine ganze Menge ...

ZUM INHALT 110


Zielgerichtetes Controlling

Wir lenken Ihre Daten in die richtige Richtung. Mit der Corporate Planning-Software planen, analysieren und berichten Sie Ihre Unternehmenszahlen auf einer integrierten Plattform.

www.controlling-software.de


ABO

Lichtbild- & Geschichtenmagazin

NOMADEN DER MEERE VENDÉE GLOBE AZOREN

# 70 | 04/2016 | D 6,90 € | A 6,90 € CH 12 SFR | Benelux/E/I 8,90 €

4 196362 806006

70


ABO

4

AUSGABEN & EINE PHOTO ISSUE IM ABONNEMENT FÃœR 27 EURO

W W W. S A I L I N G - J O U R N A L . D E


REISE

BELLO

LAGO Schrift & Bild // Jochen Müssig

112


113

Blick von Zignago auf den Obersee. Der Gardasee ist der grĂśĂ&#x;te See Italiens. Sein antiker Name lautete Lacus benacus. Der Name soll von der alten Gottheit Benacus abgeleitet worden sein.


REISE

„CHE BELLA!“ ZWEI BAUARBEITER STÜTZEN SICH AN DER PROMENADE VON VAL DI SOGNO AUF IHRE SCHAUFELN UND SPENDIEREN BEWUNDERNDE BLICKE. DIE VORBEISCHLENDERNDE BLONDINE SCHAUT VERWIRRT. DIE JUNGS GLOTZEN DOCH TATSÄCHLICH NICHT IHR, SONDERN DIESER SIEBEN-METERKIELYACHT NACH, DIE GERADE DIE BUCHT VERLÄSST. ALS SEI NICHTS PASSIERT, STÖCKELT SIE WEITER – DIE BLONDINE NATÜRLICH.

I

talien und Erotik gehören zusammen wie Italien und Autos, eine Riva oder eben ein schmuckes Segelboot. Und gerade der Gardasee verkörpert immer noch das Italien aus der Zeit, als Italien für die Deutschen noch ein Traum war und nicht ein Reiseziel wie viele andere. Da saßen die „deutschen Fräuleins“ romantisch am Ufer bei strahlender Sonne und wurden besungen von einem liebeshungrigen Italiener mit schwarzem Haar und Ringel-T-Shirt. Klischees, die in den 1950erund 1960er-Jahren der Bundesrepublik in Form einer fast abgöttischen Italien-Sehnsucht ihren Höhepunkt erreichten. Die Sehnsucht nach Arkadien gipfelte dabei stets in Rot: roter Wein und rote Lippen – ein mondäner Lebensgenuss, üppig wie Zuckerguss und Schlagsahne, abgehoben wie „La Dolce Vita“, Fellinis zeitloses cineastisches Meisterstück. Das Leben war heiter und unbeschwert, kein Wölkchen trübte den Himmel. So ein Tag ist heute: Die Yacht gleitet parallel zur Gardesana orientale entlang, mit leichtem Nordwind und Malcesine mit seiner mittelalterlichen Scaliger-Burg, vielleicht die schönste am ganzen See, im Rücken – genüsslich, ohne Eile. Gut 30 Kilometer Luftlinie sind es von Malcesine zur Punta San Vigilio, dem heutigen Ziel. Die Isola di Sogno und später auch die Isola Trimelone ziehen vorüber, ebenso wie traumhafte

Villen, fast durchweg ockerfarbene oder rotbraune Häuschen und immer wieder mal ein Campingplatz, bis Cassone mit seinem alten Zolltürmchen auftaucht, wo der Aril in den See mündet. Das Besondere an diesem Flüsschen ist, dass er sofort nach der Quelle mehrere Meter breit wird, unter einigen Häusern, drei Brücken, einem kleinen See und einem Wasserfall hindurchfließt – und das alles auf einer Länge von nur 175 Meter … Damit gilt er als einer der kürzesten Flüsse der Welt. Die Yacht kreuzt Richtung Westufer zu einer der schönsten Stellen am See, die man nur mit dem Boot erleben kann. Bis zu 400 Meter fallen die Steilwände dort in den See. Und ganz oben schwärmt ein Monsignore von seiner Kirche: Don Guiseppe Mattanza. Sein Nachname ist furchterregend – Mattanza bedeutet im Dialekt Schlächter –, doch sein Wirkungskreis darf als atemberaubend bezeichnet werden: Als Pfarrer von Tignale gehört die Wallfahrtskirche Madonna di Montecastello auf knapp 700 Metern Höhe zu seiner Gemeinde. Sie schwebt dort mit ihrem herrschaftlichen Aufgang über zwei Flügel wie ein Balkon am Berg über dem See – mit Blick in den Süden und auf das Monte-Baldo-Massiv. Don Guiseppe bedankt sich jeden Tag im Gebet, dass er „das Privileg hat, an einem der schönsten Kirchenplätze Europas wirken zu dürfen“.

Oben: Isola Trimelone bei Assenza. Diese lang gestreckte Insel liegt dem Strand von Assenza vorgelagert. Im Ersten Weltkrieg wurde von hier aus das damals noch österreichische Riva bombadiert. Bis heute sind Reste der massiv betonierten Festung erhalten. Unten: Die Ruderregatta Lega Bisse bei Garda. Die Wurzeln reichen bis in die Epoche der venezianischen Republik zurück. Gerudert wird „alla Veneta“, das heißt im Stehen. Und „Bisse“ bedeutet Nattern. Nattern deswegen, weil der flache Boden der historischen Boote beim Rudern eine Zick-Zack-Bewegung auslöst, die an eine Schlange erinnert.

114


115


REISE

Hafen von Castelletto, der im historischen Stadtteil am Hang des Berges Monte Baldo liegt.

116


117


REISE

118


119


REISE

Der See bei Navene, einem der beiden Ortsteile Malcesines. Der alte Ort ist um den Burgfelsen entstanden. Ein erster Burgbau fand hier circa 568 unter den Langobarden statt.

120


121

Rund sieben Kilometer ist der See an der Stelle breit, wo Montecastello erhaben das auf der anderen Seeseite liegende Brenzone grüßt. Die Gemeine Brenzone sul Garda besteht eigentlich aus 16 winzigen Orten. Und diese Dörfer haben zuweilen noch den Charme von gestern, strahlen Ruhe aus, selbst im Hochsommer. Betritt man einen der kleinen Alimentari, dann riecht man das Aroma der 60er-Jahre: eine Mischung aus Salume und Putzmittel. Die Regale quellen über, die Mortadella in der Theke wird im beinahe reifengroßen Format angeboten und der Chef selbst packt die gekauften Waren fein säuberlich in Papiertüten. Alles wirkt wie das Italien von früher, als Papa auf der Urlaubsreise den großen Schritt ankündigte: „Wenn wir erst mal überm Brenner sind ...!“ Als die Kinder im engen VW Käfer anfingen zu quengeln. Überm Brenner, ja, dann beginnt Italien! Und das war gleichbedeutend mit dem Lieblingsgericht: Spaghetti mit Tomatensoße. Also war schnell Ruhe im Fond. Nach der nächsten Wende wird Gargnano ins Visier genommen. Das Westufer des Gardasees hat nur wenig Raum. Nach Osten breitet sich der See aus und nach Westen streben fast überall

Geblieben ist die Grandezza der südlichen Westküste mit den Palazzi zwischen Bogliaco und Salò sowie den alten Grand Hotels von Fasano und Gardone.

Steilwände gen Himmel. Trotzdem haben sich an den wenigen Nischen entlang der Gardesana occidentale liebenswerte Dörfchen eingenistet und Gargnano ist das hübscheste und eines der beschaulichsten. Es hat die zwei besten Hotels am Lago, die Villa Feltrinelli direkt am See und das Le Fay in Panoramalage über dem Dorf und mit dem besten Spa am Gardasee. Der südlich gelegene Ortsteil Bogliaco protzt dazu mit der spektakulären Villa Bettoni aus dem 18. Jahrhundert, dem italienischen Garten und den Limonaie. Das Schönbrunn des Gardasees ist in Privatbesitz und seine ganze Schönheit sieht man nur vom Wasser aus. Bogliaco? War da nicht noch was? Genau, die Centomiglia gehört zu den wichtigsten internationalen Segelregatten auf Binnengewässern. Die 67. Ausgabe des Klassikers startet, wie immer im September, ab Bogliaco. Mehr als 1.000 Teilnehmer und noch mehr Zuschauer sind beim Startschuss dabei. Es geht nach Torbole im Norden, weiter nach Desenzano im Süden und zurück nach Bogliaco. „Der Gardasee ist in Seglerkreisen weltbekannt wegen seiner perfekten Windbedingungen“, sagt einer, der es wissen muss: Heinz Stickl, mehrfacher Deutscher Meister und Europameister im Segeln sowie mehrfacher Deutscher Meister und zweifacher Weltmeister im Windsurfen. „Denn die Winde sind thermisch: Sobald die Sonne scheint, gibt es auch Wind, und wenn das Wetter mal schlechter ist, bläst es meist noch mehr. Man kann sich auf den Pelér und die Ora verlassen und seine Segelzeit gut planen.“ Stickl ist seit 40 Jahren am Lago und betreibt eine Segel-, Surf- und Kiteschule in Malcesine.


REISE

Blaue und goldene Stunde bei Torbole. Die Stadt liegt am nÜrdlichen Teil des Sees. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Naturpark des Monte Baldo.

122


123


REISE

124


125


REISE

126


127


REISE

Mittags machen Pelér und Ora Pause. Dann ist der See glatt wie ein Babypopo. Die Segel hängen schlaff im Sommerdunst.

Es soll Gardaseeliebhaber geben, die immer noch über die Vorzüge zwischen dem sogenannten italienischen West- und dem sogenannten deutschen Ostufer diskutieren. Im 21. Jahrhundert hat sich jedoch längst alles vermengt. Italienisches Flair gibt es in Gargnano genauso wie in Malcesine. Die Zeiten von Wurstel con Krauti sind vorbei. Und umgekehrt weiß inzwischen jeder Deutsche, dass italienische Küche nicht nur aus Pasta und Pizza besteht. Gesprochen wird, hier wie dort, Italienisch und Deutsch. Geblieben ist lediglich die Grandezza der südlichen Westküste mit den Palazzi zwischen Bogliaco und Salò sowie den alten Grand Hotels von Fasano und Gardone. Es gibt aber auch Leute, die meinen, besonders in Maderno und Gardone sei einfach nur die Zeit stehen geblieben, als ob gegen Ende der 1960er-Jahre einer Stopp gesagt hätte. Zeit auch für einen Badestopp: Der Wind regelt schließlich den Tagesablauf. Vormittags bläst der Pelér vom Norden, nachmittags die Ora vom Süden. Als ob man seine Uhr danach stellen könnte. Früher kamen die Lastschiffe mit der Ora, um anderntags am Morgen mit dem Pelèr zurück in den Süden zu segeln. Kein Ort. Nirgends. Mittags machen Pelér und Ora Pause. Dann ist der See glatt wie ein Babypopo. Die Segel hängen schlaff im Sommerdunst. Und außer dem Knarzen und dem Segeltuch, wenn sich ein bisschen Wind darin verfängt, ist kein Geräusch zu hören.

128

Als ob der See ein Meer sei, ist am dickbauchigen Untersee bei typischem Gardaseewetter manchmal kein Dorf am Ufer zu sehen. Das sind die Badeorte, wo Familien eine Woche oder 14 Tage grillen, baden und wieder grillen. Dort wird der See zu Tode geliebt. Kein Zentimeter bleibt ohne Handtuch, Liegestuhl oder Sonnenschirm. Zu sehen ist davon glücklicherweise gerade nichts. Denn der See heizt sich auf, es wird von Tag zu Tag dunstiger, bis binnen 14 Tagen ein Gewitter alles reinwäscht. So einfach kann Wetter sein. Und nach Bad und kleinem Picknick geht es Punkt 14 Uhr weiter: Die Ora setzt ein. Eine Uhr braucht man eigentlich gar nicht dabeizuhaben ... Unsere Yacht kreuzt an der traumhaften Isola del Garda mit ihrem immer noch von Adel bewohnten venezianischen Palazzo vorbei nach Osten. Dann kommt Land in Sicht. Zypressen, das ans Wasser gebaute Kirchlein, die Locanda mit ihren roten runden Markisen und schließlich der kleinen Porto: ecco la Punta San Vigilio! Aufregende Riva-Boote, bei denen man das Mahagoni riechen kann, haben angelegt. Die grau melierten Besitzer und passenden Schönheiten im Bikini genießen ihren Auftritt mit praller Lebenslust. Diverser europäischer Hochadel logierte in dieser Locanda. Auch drei unserer Bundespräsidenten, Walter Scheel, Richard von Weizsäcker und Horst Köhler, besuchten San Vigilio.


129

Riva. Porto. Malcesine. Der Gardasee wurde durch den Rhätischen Gletscher in der vergangenen Eiszeit geformt, dessen Spuren man noch heute verfolgen kann, insbesondere durch die Endmoränen um das Südufer. Erste Besiedlungen des Seeufers datieren um das Jahr 2000 vor Christus.


ZUM INHALT

REISE

Die MS ITALIA schaufelt in voller Fahrt vorbei. Der Schaufelraddampfer ist eine Zierde für den See, 1908 gebaut, 50 Meter lang. Seit 1975 treibt ein neuer Dieselmotor die Schaufelräder an, mit gewaltigen 750 PS. Auch die SAN NICOLÒ begleitet die Heimfahrt gen Norden kurzzeitig. Das Schiff ist eine Augenweide und das letzte Vollholzboot auf dem Gardasee, das dem Schutzheiligen von Bardolino gewidmet ist und dort 1926 ursprünglich als Handelsschiff gebaut wurde. Der Gardasee hatte aber auch einen der unglaublichsten Schiffstransporte aller Zeiten: 1437 lagen die Venezianer mit den Visconti von Mailand im Krieg. Die Mailänder hielten die Wasserwege zum Gardasee besetzt. Aber die Venezianer überraschten ihren Gegner, indem sie ihre Schiffe vom Norden über das Gebirge zum See brachten. 2.000 Ochsen zogen die Boote von der Adria über die Etsch bis Mori und dann durch die Wildnis der Berge hinunter nach Torbole: sechs Galeeren, zwei Galeonen und 26 Barken. Einige Schiffe wurden zwar versenkt, doch die Entscheidungsschlacht ging an Venedig. Die Dogenstadt hatte das Unmögliche möglich gemacht und ohne direkten Wasserzugang zum See die Herrschaft über den Gardasee gewonnen. Die Frage, wie Schiffe über Berge kommen, beantwortete demnach nicht erst Werner Herzog mit „Fitzcarraldo“ ...

130

Der Gardasee wird hauptsächlich durch den Fluss Sarca gespeist. Dieser fließt am Nordende bei Torbole in den See. Als Mincio verlässt der Fluss bei Peschiera des Garda den Gardasee und fließt später in den Po.

Informationen Hoteltipps www.lefayresorts.com, www.villafeltrinelli.com, www.locanda-sanvigilio.it mit Hafen und Anlegemöglichkeit, www.hotelbrenzone.eu, auch dort kann man auch am Hafen anlegen, an der hoteleigenen Boje festmachen und genüsslich zu Mittag speisen, etwa die Fischplatte mit sechserlei Fisch. Wasserqualität Jedes Jahr werden an 65 Stränden Wasserproben vom Regionalamt für Umweltschutz entnommen. Der See ist überall zum Baden freigegeben. Genaue Ergebnisse unter www.arpaveneto.it und www.aslbrescia.it. Segelinfos www.gardasee.de/windprognose, www.stickl.com, www.centomiglia.it


FORM FOL LO W S MUSIC. Highest Fidelity – eine neue Ära beginnt: Erleben Sie die neuen High-End Produkte von Technics.

Stereo-Vollverstärker SU-C700

Klangerlebnisse wie nie zuvor. Entdecken Sie das neue Technics Sortiment.

R1 T700

OT TAVA™

C700

G30

technics.com


ABO

UNTER ALLEN NEUEN SAILING-JOURNALABONNENTEN VERLOSEN WIR:

Wir verlosen einen SPOT Gen3! Da dieser Tracker kein Mobilfunknetz benötigt, lässt er sich auch auf hoher See nutzen und sorgt so für ein Plus an Sicherheit!

Wir verlosen drei Jacken und drei Polo-Hemden von Marinepool mit dem Sailing-Journal-Logo, damit Sie auch bei stürmischem Wetter gut durch den Tag kommen.

Eine Produktion von:

#myEOFT R: ER AUF TOU AB OK TOB TDOOR- UND

Da id Lama, Photo: Dav to: © Mar Martin tin Hanslmayr/Red Bul Bu l Cont o ent Poool o

OU DIE BESTENFILME DES JAHRES! ABENTEUER S SICHERN! JETZT TICKET

www.eoft.eu

132

Wir verlosen 2x2 Eintrittskarten für die 2016/17 European Outdoor Film Tour. Jedes Jahr im Herbst fällt mit der Premiere in München der Startschuss für Europas größtes Outdoorfilmfestival. Von Oktober bis Februar tourt die E.O.F.T. durch 15 europäische Länder und erhellt mit dem neuen Programm den grauen Herbst und Winter. In diesem Jahr werden sieben Filme gezeigt, vom Big-Wall-Klettern über Steep Skiing bis zu alpinen Expeditionen. Ohne Skript, ohne Schauspieler, ohne Special Effects. Alle Infos zu den Filmen und Terminen finden Sie unter www.eoft.eu.


133

IHRE ABOVORTEILE. 1. Jederzeit kündbar

Nach Ablauf des ersten Jahres

2. Bequem

Portofreie Lieferung nach Hause

Lichtbild- & Geschichtenmagazin

3. Mehrwert

Newsletter & interaktiver E-Reader inkl. Videos

NOMADEN DER MEERE VENDÉE GLOBE AZOREN

4. Verschenken

Geschenkabo für Freunde & Familie nutzen

5. Geschenkt # 70 | 04/2016 | D 6,90 € | A 6,90 € CH 12 SFR | Benelux/E/I 8,90 €

4 196362 806006

Für die Erteilung einer Lastschrift schenken wir Ihnen eine Jacke oder ein Polohemd von Marinepool (siehe linke Seite).

70

Abo für NUR 27 Euro innerhalb Deutschlands Bequem bestellen unter: www.sailing-journal.de info@sailing-journal.de, Tel. +49 (0) 431-888 67 79

I

Meeresleuchten Verlag UG 100198 03 Art-Director/Produktion 24118

Erscheinungsweise 43

M

P

R

E

S

S

U

M

24105 +49 431-888 67 BLZ 210 501 70 Herausgeber 24148 +49 +49 177-622 84 67 Lektorat Fotografen Illustrator Ständige Mitarbeiter

Abonnements SAILING JOURNAL

SAILING JOURNAL

Bankverbindung Chefredakteur 431-64 73 173 Technische Redaktion Autoren

27 (5


Die Mitte der Insel Thule verortet auf die Breite von 63 Grad. Es heißt außerdem, dass römische Expeditionen die Insel erblickt hätten, als sie Britannien umsegelten. Thule liegt den antiken Naturforschern zufolge eine sechstägige Seereise irgendwo nördlich von Britannien. Was wie eine grobe Schätzung klingt, könnte eine präzise Entfernungsangabe sein. Im Mittelmeer war eine Tagesstrecke 56,6 Kilometer lang. Sechs Tage ergäben demnach eine Strecke von 940 Kilometern – unabhängig von der Windstärke. Von den Britischen Inseln aus könnte Pytheas folglich Island erreicht haben.

DIRK LIESEMER. AUS: LEXIKON DER PHANTOM INSELN. MAREVERLAG.

134


© OUTLINE-GRAPHIX.DE

135

t .&3*/080--& t ";0'"3#450'''3&* (&'­3#5

MADE IN GERMANY

t */ %3&* '"3#&/ &3)­-5-*$) t &''&,5*7& 8­3.&41&*$)&36/( t 7&3%&$,5&3 ;*11&3 t %011&-5& #Ã/%$)&/ t */,- 3&'3&4)*/(ÉŒ4&37*$&

ORIGINAL TROYER

t .*5 *//&/'655&3 &3)­-5-*$) t /6..&3*&35 6/% ;&35*'*;*&35

EXKLUSIVE QUALITÄT AB WERK NICHT IM HANDEL ERHÄLTLICH!

UNSER BESTSELLER RYMHARD-TROYER AUS 100% MERINOWOLLE

E xc lu si v i m O n l ines hop auf www. r y m h ar t . de



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.