SAILING JOURNAL 69

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Lichtbild- & Geschichtenmagazin

AMMERSEE. SEE UNPLUGGED WO LIEGT HAPPY ISLAND? R Ü M H A R T, K L A A R K I M I N G

# 69 | 03/2016 | D 6,90 € | A 6,90 € CH 12 SFR | Benelux/E/I 8,90 €

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HERODYNAMIK. Der neue R8 Spyder mit V10 - FSI- Motor und 397 k W (54 0 P S). * In nur 3,6 Sek unden von 0 auf 10 0 k m / h. Join the #LeagueofPerformance

/ Audi Deutschland

Kraftstoffverbrauch in l/100 km: innerorts 17; außerorts 8,7; kombiniert 11,7; CO2-Emissionen in g/km: kombiniert 277.

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Die musikalische Begleitung rollt von rechts nach links, von links nach rechts, brandet heran, zieht sich zurück, brandet erneut. Skurrile Bilder und absurde Reime schwappen über den Nordseestrand und werden gleich wieder fortgespült. Eine monotone, schwankende Wellenbewegung, üppig orchestriert, lullt uns ein. Brel (...) entzieht sich unseren Blicken; er ist schon weit abgetrieben. Ein Pünktchen am Horizont. Ein Mann in der Ferne. Der Ozean ist sein neues Zuhause.

JENS ROSTECK. AUS: BREL. DER MANN, DER EINE INSEL WAR. MAREVERLAG.


EDITORIAL

TAKE BACK CONTROL

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en Slogan der Brexitbefürworter bekommt nach dem Referendum eine neue Bedeutung. Eigentlich aber auch nicht, vielleicht eine eher noch grundsätzlichere. Take back Control scheint wichtiger als vorher. Vorher spielten nahezu alle Beteiligten mit dem Feuer, was auch schon einem Kontrollverlust gleichkam, den die Laiendarsteller auf der Politikbühne ignorierten. Bei den Ausmaßen eines Referendums hat niemand etwas unter Kontrolle. Zu unkalkulierbar sind die Wahlentscheidungen eines 20-Jährigen, ebenso die einer 80-Jährigen und allem, was dazwischen liegt. Glücklicherweise dürfen Haustiere nicht auch noch wählen. Wie demokratisch sind solche Ergebnisse? Wenn die ältere Generation, die alle Vorteile der EU er- und ausgelebt hat, den Jüngeren genau das vorenthält, aus Angst, Federn lassen zu müssen, erinnert mich das an die Flüchtlingsdiskussion in unserem, wieder geteilten, Lande. Tatsächlich waren Flüchtlinge auch der Kernpunkt der Befürworter, und der zog. Alle weiterführenden Konsequenzen wurden entweder heruntergespielt oder ignoriert. Noch schlimmer, es wurde schlichtweg gelogen, wie Nigel Farage nach dem Entscheid kleinlaut zugab. Wie sinnvoll sind Referenden eigentlich? Da könnte man auch die verbrämte Frage nach der Demokratie stellen. Nie sind alle zufrieden. Das ist zwar eine Binsenwahrheit, bleibt aber wahr. Das gehört ebenso zur Demokratie wie das Verhältniswahlrecht in Deutschland und das Mehrheitswahlrecht in Großbritannien. Wieviel Engländer muss man sein, um Engländer zu verstehen? Verstehen Engländer eigentlich Engländer? Verstehen die Jüngeren die Älteren, die in zehn Jahren das Zeitliche gesegnet haben werden, während die Jüngeren aber für deren Entscheidung leiden müssen? Verstehen die Älteren, dass sie den Jüngeren deren Zukunft erheblich erschwerten? Müssten die Jüngeren nicht verstehen, dass die Älteren selbst Kinder haben und für ebendiese den Ausstieg wählten? Mehrheiten akzeptieren, auch wenn es nicht die eigene ist, das nennt sich Demokratie. Und ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit bei solch entscheidenden Wahlen bitte. Das gilt allerdings für alle. Steht zu befürchten, dass die jüngere Generation England verlässt, um in der EU zu studieren und zu leben? Was spräche dagegen? Nationalstolz höchstens und der prahlerische Glaube an ein längst untergegangenes Weltreich. Die vergangenen 150 Jahre steten Niedergangs waren für England das, was im 17. und 18. Jahrhundert mit Spanien geschah. Der Zerfall eines Weltreiches in ein EU-Mitgliedsland

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mit einer jämmerlichen Regierung. Damals wollte das in Spanien niemand wahrhaben. Der jetzige „Austritt“ erinnert an die Weigerung, den Tatsachen ins Auge zu blicken. Bis heute leben die meist älteren Engländer tief in der Vergangenheit. Dazu passt, dass bis heute behauptet wird, England hätte den Zweiten Weltkrieg gewonnen, was natürlich nicht der Fall ist, aber das Trauma vom Absturz einer Seemacht in eine perfide Altherren-Klassenkampf-Soap verdeutlicht. Zur Wahrheit gehört aber ebenso, dass die Millennials am Wahltag erst mal ausschlafen und sodann ihre „tätowierten Vollbärte“ pflegen mussten. 36 Prozent Wahlbeteiligung, weil viele die Möglichkeit eines möglichen Austritts nicht ernst nahmen. Erschrocken, weil die Welt außerhalb des eigenen Viertels, des Chatrooms viel elementarer ist, sehr viel sogar. Mit gepflegtem Engagement, das nur auf Netzwerke verteilt ist, erhält man keine Demokratie aufrecht. Und das ist vielleicht auch der entscheidende Punkt: Leben ist das, was an dir vorbeizieht, wenn du vom Bildschirm hochguckst. Die reale Demokratie ist eine andere als die digitale Demokratie im Netz. Mal sehen, ob wenigstens wir (älteren) Deutschen davon lernen. Und da nützt Sigmar Gabriels Vorschlag herzlich wenig, jungen Briten deutsche Pässe anzudienen. Wenn er das für demokratisch hält, dann gute Nacht, Deutschland. Kohl wusste es besser, dass man bei schicksalshaften Fragen lieber nicht fragt, sondern entscheidet. Wusste Kohl, was Cameron nicht wusste? Dass ein Volksentscheid in die Hose gehen kann? Gut, Deutschland hat seit dem Dritten Reich ein Problem mit Volksentscheiden und wendet sie kurzerhand nicht an. Oder anders ausgedrückt: Es herrscht ein tiefes Misstrauen dem eigenen Volk gegenüber. Immer noch. Vielleicht sogar zu Recht. Wenn ich mir Pegida und AFD so anschaue, kann selbst ich die Politiker verstehen. Schon die „alten Griechen“ schufen eine – sagen wir – eher elitäre Form der Demokratie. Die überwiegende Mehrheit, die aus Frauen, Sklaven, Kindern und Zuwanderern bestand, war selbstredend von Wahlen ausgeschossen. Nur freie Bürger, die „Kaloikagathoi“ durften wählen. Was wir heute Demokratie nennen, in der jeder vom Arzt bis zum Anti wählen darf, hätten die alten Griechen als Ochlokratie abgetan. Als Pöbelherrschaft. Bei alledem dürfen wir nicht vergessen, dass wir erst seit dem Zweiten Weltkrieg demokratische Strukturen aufweisen. Wir hätten also noch einiges zu lernen.


Spür die Freiheit 360° Wassersport erleben.

Michael Walther,

Regatta-Segler

Die Naturgewalten erleben, das Salz auf der Zunge schmecken, sportliche Herausforderungen im Team meistern oder Ruhe und Ausgleich finden – alles rund ums Segeln erleben Sie auf der boot Düsseldorf vom 21. bis 29. Januar 2017.


EDITORIAL Ein Phänomen ist ein grundsätzliches. In vielen Ländern entscheiden – vorwiegend – Männer und Frauen im eher fortgeschrittenen Alter über die Zukunft der kommenden beiden Generationen. Wie sinnvoll ist das? Darf das sein? Dürfte es anders sein? Sind jüngere Politiker automatisch klüger? Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen jüngere Politiker Entscheidungen (mit) treffen. Ansonsten herrschen von Luxemburg über Japan bis Neuseeland politische Senioren. In Spanien schimpfen vor allem die Jüngeren, die die Podemos-Partei wählten, auf die EU – aufgrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit ist das auch kein Wunder. In England dagegen votierten vor allem die Älteren für einen Austritt. Sind Fehlentscheidungen nicht schon vorprogrammiert? Aber für wen? Politiker entscheiden entweder für ihr eigens Wohl oder für das der Lobbyisten. Selten für das, was wirklich gut ist für ihr Land. Das komplette System ist darauf ausgerichtet. So wie die EU nie wirklich eine EU für die Bürger war, sondern immer eine EU für Konzerne. Warum wurde dann das W aus der EWG (Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) entfernt und diese zur EU gestutzt? Damit es bürgernäher klingt? Doch wir Bürger haben die Schnauze gestrichen voll. Der eigentliche Grund für die Radikalisierung rechter Gruppen ist die Politikverdrossenheit der Bürger. Kaum ein Land kann sich davon ausnehmen. Bürger, die sich nicht ernst genommen fühlen, die glauben, dass ihre Politiker in einer anderen Welt leben und sie selbst nur verlieren können, sind verführbar. Sehr leicht sogar. Es braucht jemanden, der sie (vermeintlich) versteht, der ihnen aus der Seele spricht beziehungsweise das ausspricht, was sie selbst sich nicht trauen. Diejenigen, die sich den arrivierten Parteien verweigern, merken erst spät, zu spät, dass sie auf ebensolche Versprechen reingefallen sind, wie früher auch. Wie groß ist der Frust – über die eigene Dummheit, über die Dreistigkeit der Demagogen, über die Ohnmacht gegenüber dem System. Egal, wen sie wählen, es ändert sich nichts. Letztendlich wählt man das Ego des jeweiligen Politikers, die rechten Verführer wie Le Pen oder Hofer machen da keinen Unterschied. Interessant ist, dass diese polemischen Einzeller Konjunktur haben und sich tatsächlich ähneln. Nehmen wir mal Boris Johnson und Donald Trump. Blonde Haare, die wie eine Perücke auf dem Schädel hängen, eine fast schon beeindruckende Kindlichkeit und eine polemische Steigerungsfähigkeit, die sie den Kopf kosten wird. Beide sind das Ergebnis innenpolitischer Machtkämpfe, die das jeweilige Land an den Rand des Abgrundes bringen. Aber bitte mit einem flotten Spruch. Egos sind wichtiger als das Wohl des Landes. Was sollte das Volk also von ihren Abgeordneten halten, die sich so verhalten? Sie weiterhin wählen? Ihnen gar glauben? Jahrzehntelang ging das auf. Politiker hatten gar keinen Grund, ihr verderbliches Verhalten zu ändern – solange es funktioniert ... Denn es ist verständlich. Die älteren Kumpel verstehen es, es sind auf sie maßgeschneiderte Probleme. Moscheen, Schwarze, Flüchtlinge, Homoehen und so weiter. Das ist einfach. Schwarz gegen Weiß.

Schubladendenken. Wie immer. Busladungen voller Ballonseide und Polyesterjacketts werden zu den AFD-Parteitagen gekarrt. Kaffeefahrten ohne Heizdeckenverkauf. Oder doch? Viel schlimmer eigentlich. Während man sich mit einer Heizdecke höchstens selbst verbrennt, werden ihnen hier von „hyperjungen Frauen“ wie Petry oder Storch Lügen aufgetischt. Great Britain, das nicht mehr great ist – beziehungsweise ein Vereinigtes Königreich, das kein vereintes mehr sein wird. Egal, was nun passieren wird. Der entweder bauernschlaue, egomanische, zumindest aber unappetitliche Cameron, der das ganze Land samt seiner Einwohner in Geiselhaft für seine Unfähigkeit brachte. Das bringen noch nicht einmal deutsche Politiker zustande. Weil Camerons Wahlsieg auf der Kippe stand, versprach er dem erzkonservativen Flügel seiner Tories ein Referendum zur EU. Er wurde wiedergewählt und hat – Wort gehalten. Völlig unseriös für einen Politiker. Und nun will er den amtlichen Austritt seinem Nachfolger überlassen, der erst im Oktober gewählt wird. Falls er vorher wenig Freunde in Brüssel hatte, jetzt hat er gar keine mehr. Alle weg. Nur das verbale Politparkett verhindert Schlimmeres. Zur Wahrheit gehört auch, dass England den Zeitpunkt seines Austritts selbst bestimmen darf. Denn der Austritt beginnt erst mit der Anwendung des Artikels 50. Vorher nicht. Geschieht nichts, geschieht auch nichts. Natürlich geschieht dennoch was. Vor allem unter dem Radar der Öffentlichkeit. Mal wieder sind es die Konzerne, die europäischer sind als die Bürger, die nach vorn schauen. Bevor der Ausritt Englands überhaupt offiziell ist, arbeiten sie an einem Austritt light mit freiem Handel, einheitlichen Standards und, und, und.... Ähnlich wie Norwegen. Die Sprachrohre der Rest-EU spielen hingegen beleidigte Leberwurst, wobei das bei Camerons Verhalten durchaus nachvollziehbar ist. Allerdings wird ihr harter Verhandlungskurs ihren eigenen Ländern schaden, allen voran Deutschland. Alle wären klug beraten, die Zeit bis Oktober so rational wie möglich zu nutzen. Egos hin und her, es wäre an der Zeit, dass Politiker endlich eine Gemeinschaft aufbauen, die ihre Bürger einbezieht, und nicht ständig irgendwelchen Schwachsinn als sinnvoll verkauft, siehe Glühbirnenverordnung. Dieses Referendum könnte der ultimative Test für die EU gewesen sein. Wir haben verstanden, könnte die wohl wichtigste Erkenntnis auf beiden Seiten sein. Weniger Bevormundung aus Brüssel, mehr Interesse bei den Wählern, mehr Verantwortung auf beiden Seiten. Vielleicht sollten endlich verantwortungslose Politiker für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden. Das würde die Kluft zwischen Wählern und „Eliten“ ein klitzekleines Bisschen verkleinern. Dann könnte man gleich mit Nigel Farage beginnen. Teeren und Federn wäre da mein Vorschlag.

Tom Körber. Chefredakteur.

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Supplier of Champions. Design. Technology. Passion.

Photo: Lloyd Images

marinepool.com


INHALT

LANG 16

Nord Stream Race

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See unplugged

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The Search of Whales

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Rüm Hart, klaar Kiming.

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Wo liegt Happy Island?

KURZ

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EDITORIAL

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FOKUS Ausblicke in diese Ausgabe

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KURZ. KNAPP. KOLOSSAL

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TECHNIK, TAKTIK & TAKTVOLL

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DA, DA & DA

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EXTREME SAILING SERIES

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TECHNIK Die größte Segelmacherei der Welt

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KOLUMNE Öko

100 110

LESEN Buchvorstellung Das Wetter-Experiment" " KOLUMNE Art

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WISSEN TO GO

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KOLUMNE Leben

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KOLUMNE Recht

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ABO

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IMPRESSUM


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AUTOREN DIESER AUSGABE

Jochen Müssig war als Chefredakteur für diverse touristische Magazine verantwortlich und ist Autor für Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Die Welt. Mittlerweile hat er 84 Länder bereist und 37 Bücher geschrieben. In dieser Ausgabe berichtet er von den Grenadinen. Anuar Patjane Der 1981 in Mexiko geboren Anthropologe arbeitet als freiberuflicher Fotograf. In dieser Ausgabe beschreibt er seine Erfahrungen, als er das erste Mal mit Walen tauchte und Glück wie auch Schwermut gleichermaßen erlebte. Vor Kurzem gewann er den National Geographic Traveler Phozo Contest 2015 und belegte den zweiten Platz beim World Press 2016.

TEAM SAILING JOURNAL

Tom Körber Er sieht die Welt nur noch in Bildausschnitten und Perspektiven. Das kann mitunter sehr belastend sein – für die Augen und das Gehirn. Ob analog oder digital ist dabei völlig egal. Über Tellerränder und in Magazine zu schauen, ist seine zweite große Leidenschaft. Das Sailing Journal basiert auf seiner Idee.

Jan Weisner Bei seiner Leidenschaft für anspruchsvolles und schönes Layout kam 2007 das Sailing Journal gerade zum richtigen Zeitpunkt. Er ist seither für die grafische Umsetzung und Druckvorstufe zuständig. Mit seiner Firma Outline-Graphix gestaltet er noch weitere erstklassige Special-Interest-Magazine.

Michael Walther Wenn er nicht segelt, denkt er übers Segeln nach. Und wenn er nicht übers Segeln nachdenkt, redet er darüber. Mehr Segeln geht kaum. Der fertige Jurist liebt Mehrrümpfer. Egal ob auf einem F18 bei der Archipelago Raid, auf einem Extreme 40 mit Roland Gäbler oder, oder, oder …

Südwind, Segeln, Spaß. Ammersee. Johanna Beichl, Franz Graf und Klaus Richter auf ihren H-Boot können das bestätigen. Foto // Tom Körber


BILD // TOM KÖRBER

FOKUS

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Na, sieht ein bisschen wie Italien aus, oder? Eine maritime Stegparty an einem lauen Sommerabend am See. Am Ammersee in unserem Fall. Ein Fleckchen Erde, mit dem sich der liebe Gott wohl besonders viel Mühe gab. Prädikat: Hinfahren. Unbedingt. Ab Seite 28 lesen Sie, wer hier sonst noch seine Finger im Spiel hat.


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BILD // ANUAR PATJANE

FOKUS

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Wale gehören zu den phänomenalsten Lebewesen auf unserem Planeten, keine Frage. Aber was fühlen sie, wenn sie uns Menschen ameisengleich um sich herumwuseln sehen? Und nicht viel unwichtiger: Was fühlt die Ameise? Annuar Patjane fand es heraus. Was, lesen Sie auf Seite 58.


FOKUS

BILD // LLOYD IMAGES

Nun auch die Extreme 40. In diesem Jahr segeln die Jungs nicht mehr auf 40-Fuß-Cats, sondern foilen auf GC 32 Cats. Größer, schneller, aber nicht einfacher zu foilen. Etappe Nummer 4 fand im Hamburger Hafen statt.

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RACE

ZUM INHALT

NORD STREAM RACE

Schrift // Michael Walther Bild // Blondsign by Eike Schurr

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1989 WURDE DER KALTE KRIEG FÜR BEENDET ERKLÄRT. ALS KRIEG DES KAPITALISMUS GEGEN DEN KOMMUNISMUS IST DIESER KONFLIKT IN ERINNERUNG GEBLIEBEN, DEN DIE USA MIT IHREN VERBÜNDETEN DAMALS GEGEN DIE SOWJETUNION GEFÜHRT HABEN.

Der Start in St. Petersburg erfordert höchste Konzentration. Ulrike Schümann behält den Überblick und so überqueren wir als zweite Swan 60 die Linie.


RACE

HIER VIDEO ABSPIELEN

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reimal kam es beinahe zur Eskalation. 25 Jahre später marschieren russische Truppen auf der Krim ein und die NATO spricht von Provokation, führt aber selbst Manöver in unmittelbarer Sichtweite zur russischen Grenze durch und errichtet den National Missile Defense (NMD) in den Nachbarländern Russlands. Was also hat sich verändert? Es ist zwölf Uhr am 5. Juni 2016. Fünf Yachten vom Typ Swan 60 liegen an der Startlinie des Nord Stream Race. Die Zollstation bei Kronstadt haben wir hinter uns gelassen und aus Russland ausklariert. Es ist die fünfte Auflage dieses Rennens, das von St. Petersburg über Helsinki nach Warnemünde führen wird. Als Crewmitglied des TEAM EUROPE bin ich Teil dieses Rennens. Tim Kröger, unser Skipper, hat alle Auflagen mitgesegelt und das Rennen letztes Jahr gewonnen. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen – dementsprechend hoch ist der Druck. Die Bedingungen an der Startlinie sind wechselhaft. Böen bis zu 15 Knoten, dazwischen aber Windlöcher mit gerade einmal zwei bis drei Knoten. Unsere Steuerfrau Ulrike Schümann hat alle Hände voll zu tun, um die schwere Yacht auch in den Windlöchern in Fahrt zu halten. Der Startschuss

Team SPIRIT OF EUROPE Tim Kröger Claes Harald Nylöf Eberhard Magg Ulrike Schümann Andreas König Gunnar Bahr Julian Hampe Emil Vartiainen Michael Walther

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fällt und wir kommen gut als Zweite weg. Also ab auf die Kante und sehen, dass wir diese Position aus der Bucht von St. Petersburg heraus halten können. Die erste Etappe führt nach Helsinki und obwohl dieses Teilstück nur 150 Seemeilen kurz ist, spielt es in der Gesamtwertung eine beträchtliche Rolle. Im Ziel in Warnemünde werden die beiden Etappen nämlich einfach zusammengerechnet und derjenige mit der geringsten Punktzahl gewinnt – lediglich bei Punktgleichheit gilt das bessere Ergebnis auf der langen Etappe von Helsinki nach Warnemünde. Es versteht sich also von selbst, dass auf dieser Etappe niemand schlafen wird. Das Gewicht wird auf der Kante gebraucht und jede Hand bei den Manövern. Die ersten zehn Seemeilen sind von drehenden und wechselnden Bedingungen geprägt. In jeder Regenfront nimmt der Wind zu, um hinterher direkt wieder abzuflauen. Langsam stabilisiert sich jedoch ein kräftiger Nordwind, sodass wir gegen Abend mit zehn Knoten Bootsspeed die russischen Gewässer verlassen. Freuen wir uns gerade noch, dass es in diesen nördlichen Breiten ja um diese Jahreszeit nicht mehr wirklich dunkel wird, so stellen wir beinahe zeitgleich fest, dass es in dieser Region aber auch im Juni noch richtig kalt wird. Gegen Mitternacht kommt Helsinki in Sicht.


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Ulrike Schümann, Olympia Vierte in Peking, steuert auch die Swan 60 perfekt durch die aufgewühlte Ostsee.


RACE

Es versteht sich also von selbst, dass auf dieser Etappe niemand schlafen wird.

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RACE

Erst perfekte Segelbedingungen, dann besorgte Blicke. Der Wind wird immer weniger und schläft zuletzt komplett ein.

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Kälte und Müdigkeit zehren langsam an der Crew und ich kann mit Entschiedenheit sagen, dass ich mir bei dem kurzen Zwischenstopp auf jeden Fall noch Handschuhe besorgen werde. Team BRONENOSEC verteidigt die Führung erfolgreich, sodass uns nur der zweite Platz bleibt. Damit haben wir aber noch alle Chancen auf den Gesamtsieg in der Hand und legen uns gegen fünf Uhr für ein paar Stunden zufrieden in die Koje!

geht es Richtung Gotland. Das Feld der fünf Yachten liegt in Sichtweite und so wird den ganzen Tag hart um jede Seemeile gekämpft. Wir haben Gotland gerade passiert, da erwischen wir zusammen mit den Finnen einen Winddreher und können uns vom Rest des Feldes absetzen. Mit bis zu 21 Knoten surfen wir die Ostseewellen herunter und segeln so in die Nacht. Als wir im Morgengrauen Bornholm passieren, können wir das finnische Team etwa eine halbe Seemeile voraus ausmachen, das deutsche Team SGM liegt etwa fünf Seemeilen zurück. Noch weiter achteraus dann die Russen und das britische Team. Wenn wir in dieser Konstellation das Ziel erreichen würden, hätten wir das Rennen gewonnen.

Mit bis zu 21 Knoten surfen wir die Ostsee-wellen herunter und segeln so in die Nacht.

Der Tag in Helsinki ist mit Pressekonferenzen und BBQ verplant. Nach dem ausgiebigen Essen steigt auch langsam die Anspannung vor der langen Etappe. Die Bedingungen sind sehr schwierig. Wechselnde Hoch- und Tiefdruckgebiete machen es den Navigatoren schwer, sich vorher auf eine Route festzulegen. Zunächst geht es jedoch gegen Abend bei wenig Wind aus dem Hafen von Helsinki. Wir lassen uns am Start überlaufen und segeln so als dritte Yacht aus der finnischen Inselwelt. Das russische Team BRONENOSEC führt erneut und das finnische Team liegt auf dem zweiten Platz. Die ersten Seemeilen werden gekreuzt, aber es zeichnet sich ab, dass der Wind über Nacht drehen wird. Und genauso kommt es auch. Der Wind schläft ein und kommt dann langsam aus Westen wieder. Am Wind

Es kommt aber alles anders. Kurz vor dem Kap Arkona auf Rügen erwischt uns zusammen mit den Finnen eine absolute Flaute. Über acht Stunden liegen wir in Sichtweite des Kaps, können es aber nicht passieren. Erst gegen Abend soll der Wind wieder einsetzen. Das deutsche Team SGM nutzt seine dritte Position zum Angriff und wählt die längere, aber windstabilere Route. In etwa zehn Seemeilen Entfernung überholt uns das Team in der Außenkurve auf der dänischen Seite und liegt so am Abend, als auch bei uns wieder der Wind einsetzt, uneinholbar vorn.


RACE

Kälte, Regen, viel Wind und Flaute. Dieses Rennen durchquert die Ostsee und ist damit insgesamt sehr abwechslungsreich!

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Raumwind kann die Crew teilweise unter Deck, ansonsten bleiben wir beinahe die ganze Zeit auf der Kante. Egal mit welcher Yacht, bei einem Rennen zählt jeder Meter.


RACE

Die finnische Yacht liegt einen Großteil des Rennens in Schlagdistanz – ein Überholmanöver gelingt leider trotzdem nicht.

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ZUM INHALT

Und nachdem wir den ganzen Tag bei Flaute in der Hitze vor Rügen gelegen haben, zeigt uns die Ostsee kurz vor dem Ziel noch einmal ihre wechselhafte Seite. Bei bis zu 30 Knoten Wind und einer kräftigen, kurzen Welle aus Westen laufen wir gegen vier Uhr morgens ins Ziel ein. SGM gewinnt die zweite Etappe und damit auch die Gesamtwertung. Der dritte Platz in der ersten Etappe reicht dazu. Wir werden insgesamt Zweite, BRONENOSEC Dritte, das finnische Team Vierte und die Briten erreichen das Ziel als letzte Yacht. Und was hat dieses Rennen nun mit dem Kalten Krieg und den genannten, aufflammenden Konflikten zu tun? Dieses Rennen verdeutlicht die Diskrepanz zwischen wirtschaftlichem Interesse und den aktuellen Konflikten sehr deutlich. Auf der einen Seite beziehen wir einen Großteil unserer Energie aus Russland – dank der Nord-StreamPipeline vorbei an den baltischen Staaten. Auf der anderen Seite finden aufgeheizte Konflikte statt. Der NMD Richtung Russland wird installiert und das Manöver „Anakonda“ mit mehr als 31.000 NATO-Soldaten wird in Polen nahe der russischen Grenze durchgeführt. Auf der einen Seite also die globalisierte Wirtschaft, auf der anderen Seite Drohgebärden von Seiten der NATO und Säbelrasseln der Russen. Als Segler sitzt man da manchmal zwischen den Stühlen. Und wenn die Frage in der Pressekonferenz aufkommt, ob wir als TEAM EUROPE das russische Team schlagen wollen, bleibt einem nicht viel anderes als festzustellen, als dass wir gemeinsam eine faire und spannende Regatta segeln wollen – nicht mehr und nicht weniger!


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AUSGABEN & EINE PHOTO ISSUE IM ABONNEMENT FÃœR 27 EURO

W W W. S A I L I N G - J O U R N A L . D E


REISE

ZUM INHALT

UNPLUGGED.

Auf dem Wasser: Schulboote der ältesten Binnensee-Segelschule Deutschlands. Die Segelschule Diessen wurde 1928 von Heinrich Seidl gegründet, heute ist sie seit 2001 im Besitz von Stefan Marx.

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Schrift & Bild // Tom Körber

ALS AMMERSEE HAT MAN ES WAHRLICH NICHT LEICHT. ALS BAUERNSEE MÖCHTE SCHLIESSLICH NIEMAND BETITELT WERDEN. WEDER FUHREN KÖNIGE ÜBERN SEE NOCH ZIERTEN SCHLÖSSER DIE UFERSÄUME. WEDER ANNO DAZUMAL NOCH HEUTZUTAGE. STÄDTE WIE DIESSEN, INNING ODER HERRSCHING WAREN LANGE ZEIT KLEINE HINGEWORFENE DÖRFER, DEREN EINWOHNER VON FISCH- ODER LANDWIRTSCHAFT LEBTEN.


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ie Einzigen, die hier thronten, waren und sind die Klöster Dießen und Andechs, deren Molkereiprodukte mittlerweile selbst in „Ostsee-Anreiner-Supermärkten“ auffindbar sind. Im Gegensatz zum Starnberger See sind hier viel mehr Uferbereiche frei zugänglich. Im Vergleich zum Chiemsee verläuft das Leben – auch das eines „Touristen“, wie ich es bin – gleichsam ruhiger. Frei von Schuldgefühlen schlendere ich durch die kommende Woche, frühstücke auf sonnenbeschienenen privaten Terrassen, esse Fisch bei Mato, vertrödele Zeit mit sonntagvormittaglichem ZEITunglesen in aufgeräumten Bistros, sehe Wochenendtouristen in Freizeitklamotten samt Freizeittaschen samt Freizeitgedanken Richtung Promenade promenieren, dazwischen die üblichen Wochenend-Harley-Fahrer plus der obligatorische GolfGTI-Lenker, den es überall zu geben scheint, esse Eis in italienischen, von tatsächlichen Italienern geführten, direkt am Wasser gelegenen Eiscafés, esse die größte Portion Pasta, an die ich mich in den vergangenen 20 Jahren erinnern kann, im Uttinger Biergarten, genieße den See per Motorboot und SUPBoard. Kurzum: So was von sauwohl fühlte ich mich selten.

Oben: Die O-Jolle wurde für die Olympiade 1936 entwickelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor sie ihren olympischen Status. Dennoch blieben viele gute Segler der O-Jolle treu, mit Glück einer Original-O-Jolle aus Holz. Unten: Sonnenuntergang in der Herrschinger Bucht. Ablagerungen der Zuflüsse, besonders der Ammer und der Windach, führen zur Verlandung des Sees, die aber erst in etwas 20.000 Jahre abgeschlossen sein soll. Der Wasserspiegel des Sees lag entgegen verbreiteter Darstellung nie signifikant höher als heute.

Kaum angekommen am frühen Abend zieht es mich magisch ans Wasser. Pünktlich zum Sonnenuntergang sitze ich, keine fünf fußläufige Minuten von meinem Appartement entfernt, auf einer Bank am See. Gemoorte Segelboote hängen in der seichten Bucht herum, treiben mit leichten Strömungen mal hier-, mal dahin. Leichtes Stimmengewirr von links entlarvt eine lustig feiernde Gesellschaft. Es ist Freitagabend. Der Zigarillo qualmt, der See atmet, die Sonne fällt aus allen Wolken, der Autor genießt. Die Croisette des Ammersees Nächster Tag. Plötzlich klingelt das Telefon. Hä, doch nicht das grüne samt Brokatüberzieher und Wählscheibe? Tatsächlich, nicht nur der Klingelton ist retro, sondern gleich der komplette Apparat auf dem Stehhocker mitten auf dem Gehweg. Ich hielt es für eine touristische Attrappe. Nun klingelt die Attrappe und der Typ in Boardshorts, mit freiem Oberkörper, Sonnenbrille und Gummistiefeln geht ran. Das nenne ich Stil. Peter Neuner, Spitzname Goro, ist einer von 20 hauptamtlichen Fischern. Tagsüber betreibt er hier an der „Croisette vom Ammersee“ einen Bootsverleih. Gleich nebenan steht Mato in seinem Fischladen. Keine Frage, hier dreht sich fast alles um Fisch. Anständig lecker. Alles bio. Vorwiegend Renken, Saiblinge mit und ohne Brötchen. Hier isst, sitzt, sieht man.


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Das ist Stil. Mit einem Retrorigg auf einem SUP-Board windsurfen. Hut ab. Das passt zu den ausgeprägten CharakterkÜpfen am Ammersee und in die Szenerie.

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Die WAGGIE, der erste 45er-Nationalkreuzer aus den 1920er-Jahren. Die Bootsklasse wurde ein voller Erfolg. Hier, auf der Steinlechner Weft, wurde 1920 der erste 35er-Nationalkreuzer SĂźddeutschlands gebaut.

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Kult auch keine 20 Meter weiter. Aber nur bei gutem Wetter. Der Kiosk von Mine Gruber ist so was wie der Szenetreffpunkt. Kurz vor dem Herrschinger Segel-Club noch das TreibGut, der einzige Laden am See, der keine Sperrstunde hat. Keine Nachbarn = keine Beschwerden. Herrschings Uferpromenade zieht sich über zehn Kilometer vom Seespitz über Kurpark und Dampferanlegestelle bis kurz vor Lochschwab. Nun eine vorsichtige Ergänzung: Ein Schlösschen gibt es tatsächlich doch. Eigentlich mehr eine Villa im italienischen Stil, was der Maler Ludwig Gustav Wilhelm Scheuermann da errichten ließ. Hier traf sich im Sommer die Münchner Künstlerszene. Mitte der 1930erJahre ging die Villa an die Gemeinde über, seitdem wird sie als Kulturzentrum genutzt. Während Herrsching auf der Ostseite vor allem durch den S-Bahnhof (direkte Verbindung nach München) jede Menge Besucher anzieht, geht es am Westufer weitaus ruhiger, um nicht zu sagen idyllischer zu. Es sei denn, Christoph knattert mit seiner Ape durchs Dorf. Mit italienischer Grandezza sitzt der fast zwei Meter große Mann hinterm Steuer und steuert, flüssig den Schlaglöchern auf drei Rädern ausweichend, zielsicher an sein Ziel – natürlich der beste Italiener Uttings. Eher amüsiert denn sauer erzählt er, wie er vor einigen Tagen

pikanterweise ein Ticket bekam, weil er unangeschnallt fuhr. Eher unpraktikabel für einen, der ein „Schiebedach“ einbaute, damit er besser in das Nichts der Fahrerkabine passt. Warum erwähne ich Christoph Hagenmeyer? Weil er mit Dominik Entzminger einer der beiden Besitzer der Steinlechner Werft ist, so was wie ein bootsbauliche Institution in der voralpländischen Gegend. Seit etwas mehr als 100 Jahren existiert die historische Werft in Utting. Nebenbei betreiben die beiden noch die Firma Boat Solutions und eines der professionellsten SUP-Center im Lande. Unter anderem trainiert hier das erfolgreichste Damen-Race-Team Deutschlands (Carol Scheunemann, Dagmar Taylor, Sina Entzminger und Erna Stangl), mit Carol sogar eine der Top5-SUPlerin weltweit und mit Anna eine Deutsche Meisterin. Seit 2010 sind sie hier am „SUPpen“. „Ich spürte sofort, dass es gut für meinen Rücken ist, es ging quasi direkt in den Kopf. Beine, Po, Rücken, Schulter und noch das Gleichgewicht halten, für mich ist das SUP-Board die optimale Kombination aus Sport, Ausdauer, Erholung und Entspannen – ohne Telefon den See genießen“, resümiert Christoph. Da die drei (Race-) Damen hier auch als Trainerinnern arbeiten, können sie selbst gleichzeitig zwei bis drei Mal die Woche trainieren. Das ist wohl auch der hauptsächliche Grund, dass es hier mehr weibliche Einsteiger als anderswo gibt. Die Quote liegt so bei 70 Prozent.


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Der Herrschinger Segelclub ist der bĂźrgerliche Gegenentwurf zu den anderen Clubs hier am See. Mit moderat sportlichem Ehrgeiz und moderaten Preisen. Hier wird noch viel von den Mitgliedern in Eigenregie Ăźbernommen.


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Durch die Beziehung zum internationalen Rennsport paddelt hier geballte SUP-Kompetenz auf dem See. Denkt man sich dann noch ein fortschrittliches Vermietungssystem dazu, macht man wohl viel richtig. „Einfach vorbeikommen und losfahren geht bei uns nicht“, sagt Dominik. „Das ist nicht nur den engen Platzverhältnissen hier vor Ort geschuldet, sondern auch den Umweltschutzzonen, der Dampferanlegestelle und der Motorbootschule. Bei uns können daher nur Leute Boards ausleihen, die hier auch einen Kurs absolviert haben, das dann aber 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Wir haben alles mit Zahlenschlössern versehen, so kann jeder kommen und gehen, wann er will, und ist nicht auf Öffnungszeiten angewiesen, weil niemand von uns da sein muss. Den aktuellen Code für die Schlösser gibt es dann bei der jeweiligen Buchung. Den Vogel schießen aber die Schweizer ab, die haben sogar einen SUP-Automat.“ Tradition & Moderne Die Steinlechner Werft ist beinahe ebenso alt wie die Geschichte des Segelsports auf dem Ammersee, um nicht zu sagen: eine regelrechte Institution. Die Gründung fällt in eine Zeit, in der im Segelsport die „Kleinsegelei“

erst entstand. Bis dato war der Segelsport vor allem eine adlige Angelegenheit auf noch sehr großen Yachten, allein organisiert in den damaligen „Herrenclubs“. Die ursprünglichen Segelboote am Ammersee waren Rahsegler für den Transport von Waren – mit Sport hatte das nichts zu tun. Erst mit der Entstehung von Vereinen und Clubs wuchs auch die Flotte der Segelboote. Der erste Verein, der sich hier gründete, war 1901 der Akademische Seglerverein in Herrsching. 1903 folgte der Augsburger Segler-Club in Utting, 1906 dann der Ammersee Yacht-Club in Riederau, der Herrschinger Segelclub gründete sich 1929. So lag die Gründung einer Werft für den Bau und die Reparatur von Segelbooten auf der Hand. Die Segelclubs, allen voran der Uttinger Augsburger Segler-Club, suchten einen Bootsbauer vor Ort. So gründeten Georg Steinlechner und Josef Pettinger in direkter Nachbarschaft zum ASC die Werft. Alsbald hatten sie sich etabliert und mit der MARION III einen echten Hit gebaut. Kein Geringerer als Charles Curry (Erfinder der gleichnamigen Klemme) ließ sie bauen. Der Erfolg der MARION wurde auch der Erfolg der Werft. Bis zum Ersten Weltkrieg segelten hier vor allem Längenboote, Sonderklassen und Nationale Jollen.

Schon am Dialekt merkt man, dass am Westufer ein anderer Menschenschlag zu Hause ist. Ganz deutlich ist hier ein schwäbischer Einschlag zu hören. Ähnlich wie am Starnberger See besteht auch am Ammersee ein über Jahrhunderte gepflegtes Misstrauen zwischen beiden Ufern.

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Das Damen-Race-Team der Steinlechner Werft: Carol Scheunemann, Dagmar Taylor und Sina Entzminger (es fehlt: Erna Stangl). Alle Damen gehรถren zu den besten SUPlerinnen Europas, Carol sogar weltweit zu den Top 5. Toptrainingsrevier: der Ammersee.


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Der Typ in Boardshorts, mit freiem OberkĂśrper, Sonnenbrille und Gummistiefeln geht an das klingende Telefon, das ich fĂźr eine Attrappe hielt.

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Oben: Peter Neuner, Spitzname Goro, ist einer von 20 hauptamtlichen Fischern. Der Typ in Boardshorts mit freiem Oberkörper, Sonnenbrille und Gummistiefeln betreibt tagsüber an der „Croisette vom Ammersee“ einen Bootsverleih. Unten: Chiringuito, Kiosk, Bar, Imbissstand, Treffpunkt, Hangout, Sportsbar … Ganz egal, als was man das TreibGut bezeichnet: Es ist in jedem Fall einzigartig. Hier gibt es unglaublich guten Kaffee, erfrischende Drinks und leckere Snacks. Hier kann man vor oder nach dem Training entspannen, Leute treffen oder die schönsten Sonnenuntergänge über dem Ammersee bewundern.


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Aus den Nationalen Jollen entwickelte sich noch vor dem Ersten Weltkrieg die 15er- (Segelzeichen M) und die 22erJollen (Segelzeichen J). Diese kleineren Jollen (zwei Mann Besatzung, keine bezahlten Segler) bildeten die Gegenbewegung zum Herrensegeln auf den großen Yachten. Grund war vor allem die Isolation Deutschlands in den Nachkriegsjahren. Ausgeschlossen von den internationalen Regatten erlebten die nationalen Klassen einen regelrechten Boom. 1920 baute man bei Steinlechner den ersten 35er-Nationalkreuzer in Süddeutschland. Genauer gesagt wurden zwei Stück gebaut. Einmal die UHU IV und die ANNEMARIE II, deren Verbleib bis heute nicht mehr nachvollziehbar sind. Dagegen segelt der erste 45er, die WAGGI, bis heute, allerdings auf dem Bodensee. 2008 wurde das Boot aber auf der Werft restauriert. Die Schärenkreuzer waren in ganz Deutschland so beliebt, weil der DSV engere Kontakte in eine internationale Klasse suchte. Durch die Kriegswehen war das Land weitestgehend isoliert, fand aber mit Schweden ein neutrales Land, um nach dem Ersten Weltkrieg miteinander internationale Regatten zu vereinbaren. Äußerst beliebt waren Lugger. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg schätzten die Ammerseer Segler das kleine Dinghi, zwölf Fuß lang, vorn breit und liebevoll „Schufterl“ genannt. Im Augsburger Segler-Club waren die kleinen Dinger so beliebt, dass es gar zu einer eigenen Lugger-Vereinigung reichte. 1940 wurde dann bei Steinlechner der letzte Lugger gebaut, er segelt aber bis heute auf dem See. In den 1950er- und 1960er-Jahren waren die Piraten das Jugendboot schlechthin auf dem Ammersee. Legendär waren die dreimaligen Siege bei

Oben: Eine 40er-Schäre. Die 1920er-Jahre waren die Blütezeit der Nationalen Kreuzer. Vor allem, weil Deutschland nach der Isolation in Folge des Ersten Weltkriegs internationale Parter für Regatten suchte. Fündig wurde man beim schwedischen Verband. Die Schärenkreuzer wurden 1924 als gemeinsames Regattaboot gewählt. Unten: Heute sind moderne Segelboote wie die H-Boote ein selbstverständliches Bild auf dem See. 1850 prägten noch riesige Holzflöße das Bild auf dem Wasser. Sie brachten das Holz, das auf der Ammer getriftet wurden, nach Stegen.

den Jugendmeisterschaften durch Klaus und Horst Nebel. Zum Beginn der 1960er-Jahre wurden auch immer mehr Finn-Dinghis gesegelt, so auch von Wolfgang Eberle, der mit zehn Jahren in den HSC eintrat. „Segelboote waren damals teuer und so gab es nach dem Krieg vorwiegend kleinere Boote aus verschiedenen Klassen, nur die GUDRUN (Neun-Meter-Kreuzer), ein sogenannter Ausgleicher, war größer. Unser damaliger Jugendleiter regte an, ein Holzkreuz für die im Krieg gefallenen Segler zu errichten“, erzählt der 81-Jährige auf der Terrasse seines Sohnes Stefan, einem der Gründer/Geschäftsführer von Marinepool. Dieses Kreuz steht bis heute am Eingang der Herrschinger Bucht. Erst vor sechs Jahren wurde ein neues Kreuz auf der Sandbank aufgestellt, wieder aus Eichenholz, das Herrschinger Kreuz. Gleichzeitig warnt es auch vor einer Untiefe. Denn genau hier, bedingt durch den Düseneffekt, liegt einer der besten Spots für Kiter, Windsurfer und Segler. Jeder Winkel schöner Erde Das ist nur eine der regional-geografischen Spitzfindigkeiten. Eine andere ist offensichtlicher: das Westufer. Es liegt im Gegensatz zum Ostufer in einer anderen Welt. Während sich in Herrsching die Tages- und Wochenendbesucher „pickepackedicht“ auf der längsten Seepromenade nördlich der Alpen vor und zurück bewegen, treiben Dörfer wie Dießen, Riederau oder Utting am Westufer ein bisschen aus der Zeit. Utting ist so was wie eine große Künstlerkommune, zwischendrin grantelnde ältere Einwohner, die der jüngeren Generation ihre Spleens zugestehen, die im Grunde keine sind. Einfach gesagt: Hier ist Kreativität zu Hause.


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51 Bei optimalen Windbedingungen wird es an der Herrschinger DĂźse schnell voll. Als einziger noch fahrender Veteran ist die DIESSEN von 1908 noch auf dem See unterwegs.


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Pittoresk wirken die alten Villen, die ökologischen Häuschen, das Dorf durchzogen von engen Straßen. Hier ließen sich schon früher Maler, Bildhauer und sonstige Lebenskünstler nieder. Kreative spüren bis heute die hier herrschende Energie, so wie Thomas Mann. Drei Jahre, nachdem er „Die Buddenbrooks“ veröffentlich hatte, blieb er einige Zeit in einer kleinen Pension in der Bahnhofstraße. Zäh voran ging es mit „Fiorenza“, ein Drama, das fast zu seinem eigenen wurde. Verliebt war er nämlich. Während seine Angebetete Katja Pringsheim an der Ostsee weilte, suchte der Schriftsteller hier Zerstreuung. Abspannung und Zufriedenheit empfand Thomas Mann, als er in Utting weilte. Für ihn also eine durchaus kreative Atmosphäre. Nicht alle Besucher spüren sie, fühlen sich aber dennoch wohl. Alle allerdings treibt es vor allem in den Kultbiergarten von Utting. Mit „Kult“ muss man vorsichtig sein, doch hier trifft es zu. Der hölzerne Sprungturm ist fast so etwas wie das Wahrzeichen Uttings geworden, zumindest aber eines der meistfotografierten Sujets am Ammersee. Kein Wunder, ist doch der zehn Meter hölzerne hohe Turm einer der letzten seiner Art. Gut 16 Kilometer ist der See lang, fast drei Kilometer breit und zwischen Herrsching und Riederau circa 82 Meter tief. Vor allem nahezu das gesamte Ostufer bietet öffentlichen Zutritt zum See. Der mit einer Fläche von 47 Quadratkilometer der drittgrößte bayerische See ist. Sehr fix ist der Ammersee mit der Erneuerung seines Wassers. Nur durchschnittlich 2,7 Jahre es, während zum Beispiel der Starnberger See mit ???? Jahren deutlich länger braucht. Hauptzufluss ist die Ammer, Hauptabfluss dagegen die Amper. Die Verlandungsflächen im Süden als auch das Ampermoos im Norden sollen nach neuesten Forschungen Schmelzwasserbecken gewesen sein. Das ist nicht unwichtig, denn der Ammersee schrumpft, nicht zuletzt durch den Schotter, den die Ammer hineinschwemmt.

Linke Spalte: Oben: Stefan Eberle und seine Tochter Fabiana kommen vom abendlichen SUP-Training. Mitte: An der Croisette von Herrsching. Unten: Während der Römerzeit führte die wichtige Via Raetia an Utting vorbei. Der Name leitet sich ab vom germanischen Personennamen Uto, Utto oder Outo; das Suffix „-ing“ bedeutet „zugehörig zu“. Utting bedeutet also: „Siedlung der Leute des Utto“.

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Die Neugier treibt mich in die Gegend von Dießen. Viele kennen die landschaftliche Kapriziose, ohne zu wissen, wo sie liegt, die Satelliten-Funkstation bei Raisting. 1964 von der damaligen Bundespost errichtet, dann zu T-Systems gehörend, wurde die Anlage 2006 an das USTelekommunikationsunternehmen Emerging Markets verkauft. Die Bilder der ersten Mondlandung gingen über Raistings Riesenohren. Heute sind die vor allem ein ähnlich beliebtes Fotoobjekt wie Neuschwanstein. Mittlerweile sind noch sieben der 18 Ohren in Betrieb, die restlichen Schüsseln werden in ein Industriemuseum umgewandelt. Von ebensolcher internationalen Bedeutung ist die Ammermündung samt Ampermoos. Nein, nicht gähnen, sondern hinfahren, wenn man in der Gegend ist. Seit 1971 ist es ein Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung. Also bitte nicht erschrecken, wenn hier und da grün gekleidete Menschen rumstehen und so tun, als ob sie nicht da wären. Nein, nicht Sie, sondern sie selbst. Als Birdwatcher hat man es wirklich nicht leicht, denkt sich der Autor, als er den Bohlenweg durchs Schilf von „zwei, drei Mücken“ malträtiert wird. Angekommen am Aussichtsturm, hochgestiegen auf die Plattform – schon schweift mein „internationaler Blick“ übers feuchte Gebiet, das, und das ist wirklich interessant, durchaus mit den Everglades in Florida verglichen wird. Über 25.000 geschützte Arten, mehr als 300 Vogelarten, deren Bestand sich im Winter um das Zehnfache erhöht. Was also der Frankfurter Flughafen für Flugzeuge ist, ist die Vogelfreistätte AmmersseSüdufer für Wasservögel. Ein überlebenswichtiger Rastplatz auf ihren interkontinentalen Langstreckenflügen. Wassersort ist im Winter verboten, wobei das den meisten Wassersportenthusiasten eh nie in den Sinn käme. Apropos, gleich neben dem europäischen Vogelschutzgebiet liegt Deutschlands älteste Segelschule.

Rechte Spalte: Oben: Mato's Fischladen. Seine Fischsemmeln sind legendär, ebenso wie sein vorheriges Leben, als der gebürtige Hagener mit Rockbands um die Welt zog. Mitte: Das Erbe eines Malers, das Kurparkschlösschen in Herrsching. Ludwig Scheuermann zog es, wie viele seiner Kollegen im Sommer, an die Seen. Im Gegesatz zu vielen seiner Kollegen zog er den ländlichen Ammersee den anderen Adels-Seen vor. Er wurde nicht nur gemalt und gefeiert. Angeblich sorgte Scheuermann dafür, dass die Bahn bis nach Herrsching gebaut wurde. Unten: Angeln in Utting. Der Ammersee ist einer der am besten untersuchten Seen Bayerns. Seine Wasserqualität wird vor allem vom aus den Kalkalpen kommenden Hauptzufluss Ammer bestimmt.


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Der Augsburger Segler-Club wurde 1903 gegründet und gehört zusammen mit dem zwei Jahre älteren Akademischen Seglerverein in München, sesshaft in der Herrschinger Bucht am Ammersee, zu den ältesten Segelclubs am Ammersee.


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59 Im Strandbad Utting steht einer der letzten, wenn nicht sogar der letzte hölzerne Zehn-MeterSprungturm nördlich der Alpen. Ebenso einzigartig: Die riesigen Portionen auf dem Teller. Absoluter Wahnsinn – auch als Abenteuerspielplatz.


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Bayrisch-blau Noch einmal zurück zum Bootsbau. Das Glück aus Holz heißt „Die Holzbootbauer“ in Breitbrunn. Kleiner Laden, großes Glück. Hier bedeutet Holz noch Handwerk. Christian Gallasch hat sich auf Umbauten und Renovierungen spezialisiert. Und was hängt unterm Dach? Ein Tornado aus Holz, einer von wenigen verbliebenen Exemplaren. Gebaut von Tornado-Papst Herbert Glas, der unter anderen auch die Trampolinbespannung bei Katamaranen erfand und „Die Holzbootbauer“ dereinst gründete. Zwischen 20 und 25 Segelclubs liegen am Ammersee. Relevant sind derer vielleicht 14, die vielen kleineren werden kaum gezählt. Schon weit vor der Clubgründung trafen sich die damaligen Gründungsmitglieder des HSC zum Segeln, damals noch scherzhaft als „Kienbachsegler“ betitelt. Bis heute steht das Regattasegeln im Vordergrund. Einer der Höhepunkte stellte wohl die Teilnahme von Rudolf Meissner an den Olympischen Spielen 1936 in Kiel dar. Heute sind rund 1.500 zulassungspflichtige Segelschiffe und circa 1.500 kleinere Boote zugelassen plus 150 Motorboote. Bei gutem Wetter wird es aber dennoch nie eng auf dem See. Selbst wenn zwischendrin noch die Dampfer herumfahren, die eine noch längere Tradition als der Segelsport aufweisen. 1879 fuhr die OMNIBUS als erster Dampfer auf dem Ammersee, damals noch in privater Regie. 1906 übernahm der bayrische Staat die Aufgabe. Die RMS DIESSEN (1908),

Oben: Die Holzbootbauer in Breitbrunn: Christian Gallasch. „Hier geht nix raus, was nicht funktioniert", so sein Credo. Unten: Die Düse in der Herrschinger Bucht. Bei einer Südwindlage baut sich Thermik bis weit in den Nachmittag auf. Hier treffen sich Segler, Windsurfer und Kiter.

RMS HERRSCHING (2002), die MS AUGSBURG und das Museumsschiff ANDECHS fahren heute mehr Besucher übers Wasser als am Starnberger See. Bayrisch-blau auch das Wetter, vor allem bei Südwind. Der ist was für Frühaufsteher. Gegen sechs Uhr in der Früh bis in den Vormittag hinein baut sich eine Thermik auf, die leider nicht bis in den Nachmittag hält. Es sei denn, der ambitionierte Wassersportler hält sich an der Herrschinger Bucht auf. Dann wird der auf Nord gedrehte Wind durch die sichelförmige Bucht gepresst und erzeugt einen Düseneffekt. Anders allerdings ist es bei einer Schlechtwetterlage. „Starkwind haben wir hier schon, so ist es nicht“, sagt Vater Eberle. „Vor allem bei einer Westwindlage (Schlechtwetter), dann kann man das Segeln hier mit dem Segeln auf der Kieler Bucht vergleichen. Da geht schon eine Welle von einem guten Meter. Gut, in Kiel oder am Ijsselmeer (kurze Dauerwelle) ist die Welle kürzer, hier etwas länger, vor allem, wenn sie in die Herrschinger Bucht dreht. Bei Westwind bauen sich die Wellen von Utting kommend schräg über den See Richtung Herrsching auf.“ Aber nicht heute. Die Thermik stabilisiert sich, es herrscht Südwind. Es wird unruhig auf der Terrasse. Alle wollen aufs Wasser. Der Kreis schließt sich am vortäglichen Abend meiner Abreise. Ein weiterer Zigarillo glüht, der Sonnenuntergang nimmt die Farbe der qualmenden Glut an, Windstille wabert über dem Wasser, der Autor genießt. Noch immer. Der Ammersee, eine Idylle, eine Ruhe, eine Unaufgeregtheit, die man erfinden müsste, wenn es all das nicht schon längst gäbe.

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K U R Z . K N A P P. K O L O S S A L .

ZHIK SUPERWARM SKIFF SUITE WENIGER IST MEHR

Bild // Tom Körber Schrift // Michael Walther

ES IST SOMMER IN DEUTSCHLAND. NORD- UND OSTSEE HABEN MITTLERWEILE MEHR ALS 18 GRAD UND AUCH DIE BADETEMPERATUREN IN DEN SEEN UNSERES LANDES SIND ERTRÄGLICH. WAS GIBT ES DA PASSENDERES, ALS EINMAL DEN RICHTIGEN NEOPRENANZUG FÜR DIE JAHRESZEIT GENAUER UNTER DIE LUPE ZU NEHMEN?!

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in langarmiger Anzug scheidet aus, weil mir darin einfach viel zu warm ist. Shortys nutze ich nicht mehr gern, weil die Knie doch häufig aufgescheuert werden. Und eh ich mir nun Knieschoner dazu anziehe, die dann drücken und kneifen, greife ich lieber zu einem klassischen Long John. In der aktuellen Marketingsprache heißt dieser dann Skiff Suite, am Schnitt hat sich aber nicht wirklich viel geändert. Die Schultern und Arme sind frei und damit bietet so ein Anzug perfekte Bewegungsfreiheit – zum Skiffsegeln beispielsweise. Vielleicht ist an diesen Marketingweisheiten doch was dran?!

Mangels Skiff setze ich mich auf meinen A-Cat und teste den Neoprenanzug mal auf seine Praxistauglichkeit. Schon beim Einstellen der Schwerter merke ich, dass die verstärkten Knie hervorragende Arbeit leisen. Aber nicht nur diese: Bei der sehr aktiven Segelei auf so einem kleinen Katamaran wird mir trotz des Spritzwassers in dem Anzug beinahe etwas zu warm. Über dieses Luxusproblem müssen wir uns in Norddeutschland aber zum Glück ja selten ärgern. Sehr positiv fallen mir die Gummidichtungen an den Beinen auf. Diese verengen den Anzug auf den letzten Zentimetern ein wenig und verhindern so, dass gerade beim Trapezsegeln Wasser von unten in die Beine eindringt.

Der Zhik Superwarm verdient seinen Namen!

Also einfach und schnell durch den relativ großen, offenen Halsbereich in den Anzug geschlüpft und los geht es. Einen Reißverschluss auf dem Rücken oder einen Klettverschluss am Schulterträger braucht man nicht. Im Gegenteil: Wo nichts ist, kann auch nichts drücken. Hinzu kommt, dass Reiß- und Klettverschlüsse nicht sonderlich flexibel sind und daher zwangsläufig die Bewegungsfreiheit einschränken. Umso mehr freut es mich, dass Zhik auf solche Spielerein verzichtet hat. Außerdem wurde die Anzahl der Nähte auf ein Minimum reduziert. Optisch besonders cool abgesetzte Bereiche sucht man bis auf die verstärkten Knie und den verstärkten Hintern zwar vergebens, dem Tragekomfort kommt es aber zugute. Natürlich wollen wir alle bei unserem Sport auch gut aussehen, aber mit Trapez und Schwimmweste ist von dem Anzug eh nicht mehr viel zu sehen.

Nach etwa zwei Stunden auf der Kieler Förde habe ich ausreichend Eindrücke für ein Fazit sammeln können. Der Zhik Superwarm verdient seinen Namen. Denn trotz der fehlenden Arme eignet sich dieser Anzug an vielen Sommertagen in unseren Breitengraden. Das lediglich drei Millimeter dicke Neopren ermöglicht eine hervorragende Bewegungsfreiheit bei einer sehr guten Wärmeleistung. Die hervorragende Verarbeitung und die durchdachten Details wie die Beinabschlüsse und der Eingriff kommen als große Pluspunkte hinzu. Einzig und allein der Kaufpreis in Höhe von 329,90 Euro wird sicher den einen oder anderen abschrecken auch wenn er bei der gebotenen Leistung gerechtfertigt erscheint.


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Schrift & Bild // Anuar Patjane

FAR OUT IN THE PACIFIC OCEAN, MY DREAM TO DIVE WITH THE MAGNIFICENT HUMPBACK WHALES COMES TRUE. YET WHILE WE ARE OUT THERE, A DARKER SIDE OF THE OCEAN IS REVEALED. IT IS ONE THAT MAKES LIFE SEEM ALL THE MORE PRECIOUS AND FULL OF BEAUTY. DIVING FROM AN EARLY AGE, OVER THE YEARS I HAVE EMBARKED ON MANY EXPEDITIONS WHICH FOCUSED ON THIS VERY UNLIKELY AND PRIVILEGED EVENT. IN THIS STORY I SHARE A SHORT ACCOUNT OF THE LAST TWO ATTEMPTS WE MADE OUT IN THE PACIFIC OCEAN, AND THE MOMENTS WHEN THIS DREAM FINALLY CAME TRUE.

Expedition I Revillagigedo Islands and Clipperton Island, January 2014 The town of Cabo San Lucas, Mexico, was where I embarked on the small Lucia Celeste ship, a once sunken and recovered fishing ship transformed into a diving boat for no more than 12 people. We navigated for four days to reach Clipperton Island, which lies more than 1,000 km from land, and on the way there, after day and a half of rough waves, we stopped at the Revillagigedo Islands. Four tiny volcanic islands in the Pacific Ocean, from Revillagigedo we heard many whales and glimpsed them breaching in the far distance, but we were never lucky enough to see them while diving. It is a strange sensation, to hear them while below the surface, as sometimes you hear them so close and so loud, that you feel as if they were just below you. However, as any diver will know, sound is very tricky underwater. Things can be far away, but curiously sound as if they are a few feet away. Sometimes whales will be shy and

stay away, but they will let you know they are around with their haunting and unusual calls. Despite not encountering any whales on these dives, we swum with giant Manta Rays and explored a number of caverns on the islands of Socorro and San Benedicto that have never even been named or mapped. After two and a half days of sailing in very rough weather, we finally saw a few palm trees on the horizon — it was Clipperton Island. We were hoping to discover a coral reef full of life, sharks, and many species of fish. Excitingly, it was a mystery as to what would we find, because the places we were going had never been recorded as having been dived before. It is a truly amazing feeling, to jump right into the unknown. We found a beautiful purple reef, and discovered that the whole of Clipperton Island was surrounded by it. And yes, we saw many, many fish, and hundreds of beautiful silky sharks. We were surrounded by the sharks on almost every dive, and the most curious of the young sharks would swim very close, some of them even tasting our fins.

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I learned that the ocean gives all—the most beautiful moments full of life and joy, but that it can also take everything away in just a few short seconds, replacing life and beauty with violence and death.

We were surprised to find that most of the fishes and sharks were very young, and this can probably only mean one thing, which is that overfishing is taking place in the area. Right now there is no vigilance and there are no government patrols in the area, so big tuna fishing ships come and go freely, damaging the reef with their nets, and taking all the fish they can. This was terrible and sad to see, in a place that could be so full of life, but where human practices are devastating the ecosystem. After five incredible days of diving at Clipperton Island we navigated back to San José del Cabo over four days, in very calm seas, with the whales breaching and singing near by, but again no sign of them while diving. Expedition II Revillagigedo Islands, January 2015 The following year, towards the end of January 2015, we embarked on another expedition to the Revillagigedo Islands on another ship, called the SOLMAR V, specially designed for diving operations. This time around I had a strong feeling that we would find the whales. I was right, and from the first day we moored at Socorro Island, we could hear them so close that my whole thoracic cage resonated with the vibration and intensity of their calls. However, the visibility was not good, and so although we knew they were near, we still couldn’t see them. However,

once we arrived at Roca Partida, a small piece of volcanic rock in the middle of the ocean, we saw so many whales breaching in the small area surrounding the rock that we knew we would be lucky. That first day, at the end of our first dive, and with not much air left, I saw an enormous silhouette approaching in the distance. And there it was, finally, a big, beautiful adult humpback, just meters away. As I approached, the scene began to unfold. I realised then that it was a mother whale, her newborn calf, an escort male whale, and a group of dolphins, all of them interacting. The dolphins where playfully imitating the newborn calf, surfacing at the same time and swimming around the whales. I stayed with the whale and her calf for more than five minutes, just a few centimeters away from them. Whales will look directly into your eyes and you can feel a connection as with other mammals. After a while the mother started to move towards the rest of divers, which is when the photograph below came to life. Dive after dive we kept encountering these whales, sometimes just the mother and calf, other times all three of the whales, and occasionally, both the whales and dolphins interacting. We kept our distance and the whales didn’t seem to feel threatened. On the contrary, the second night, the mother and her calf spent most of the night right next to the stern of our ship, as if they felt protected there, accompanied by us.


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Under the surface it felt like a battlefield. 74


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I had always dreamed of the day I could dive with humpback whales. On the third day at Roca Partida, during the end of our second dive, we were diving next to the whales when the group of dolphins suddenly passed by us at an unusual speed, so fast that it was hard to photograph them or to get them in focus, even though the light was plenty and my camera setup was as fast as it could possibly be in the conditions. After this uncommon scene with the dolphins, we sensed that something was happening and decided to return to the surface. And indeed, as soon as we had climbed into the zodiac, we saw two huge black dorsal fins approaching. They were going in the opposite direction to the dolphins and heading exactly towards the place where the whales were. Immediately, we were sure it was orcas, two male orcas, and that they were after the newborn calf, one of an orca’s favorite meals. The mother and the escort whale fought the orcas with impressive force and determination, swinging their huge lateral fins trying to hit them. We saw the whole battle from the relative safety of our zodiac, but as it increased in frenzied intensity we found ourselves a little too close to the battle and had to move a short distance away. There was so much adrenaline in the atmosphere, and we were all in absolute shock. The captain gave instructions that no one should enter the water for safety, and so we could only watch from the zodiac, filming and photographing by feeling — simply submerging our cameras, trying to capture some of what was going on. The final strategy of the orcas turned out to be very intelligent. One of them approached the whales on their front side, while the other stayed far away, out of sight. When the two humpbacks saw the first orca approaching from the front they covered the calf by swimming towards this orca, but by doing so, they left the calf vulnerable to being attacked from behind, and that was when the second orca approached, seizing hold of the young calf and dragging it away from the mother and escort, while the other orca kept distracting them from the other side. Whether this was planned or pure improvisation by the orcas, I shall leave the final verdict to the marine biologists, but to me it looked very much like a meticulously planned attack, and I don’t doubt that it was.

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When the whale mother realized that she had lost her young calf, she surfaced to take a breath, and made one of the saddest sounds I have ever heard in my life. A few minutes later she surfaced again, making exactly that same long and very sad sound, full of sorrow. We followed the orcas, to where they dragged the baby a few kilometers away from the mother and the escort. I’m sure I was not the only one hoping that somehow the mother and the escort whale would come to the rescue for the still alive but very hurt calf. Sadly this didn’t happen, the orcas were too smart and too strong. They ate the calf immediately, devouring the richest organs, and left the rest to other sharks and fish. After that some of the divers decided this was enough and the expedition had come to an end for them, some cried, while others were just stunned and amazed at what we had just witnessed. That evening, I decided to dive once again in that place, before we left Roca Partida. Under the surface it felt like a battlefield — you could still smell the blubber, and the water was full of small particles left by the fight. The mother was in great distress, still there, swimming around and around Roca Partida with a very different look in those big eyes of hers. Some of the crew, who had been sailing in those waters for more than seventeen years, told us they had never seen orcas here before. We guessed the orcas had perhaps been following the pregnant mother even before her baby was born. And we believe that next year, the mother will come back to these waters, with a new calf, and with another chance. For me, after the shock had passed and my mind had cleared, it was a strong lesson, a reminder. Before, I had looked only at the beautiful and peaceful side of the ocean, but that day I got a broader view. One of the most important things to remember is that there was no evil at work that day at Roca Partida. Devastating though it was to watch, and as deeply as we felt empathy and sorrow for the whale mother’s loss, it is just the way of the ocean, and it is the way our universe works — this is life. Maybe, experiencing pure beauty can only arise from accepting the knowledge of this futile struggle, and by letting go.


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VA-Q-TEC VA-Q-BOX Eisgekühlte Getränke nach Stunden und Tagen auf See… ein Wunschtraum ist jetzt Realität. Durch Hightech-Isolierung kann die Box eine konstante Temperatur über 72 Stunden halten – ohne externe Energiezufuhr. Die Kühlleistung wird durch Verwendung der kostenlos mitgelieferten Akkus oder mit Eis nochmals deutlich verbessert. Ebenso lässt sich die Box leicht reinigen und auswaschen. Die Außenmaße sind: 46 x 46 x 36 Zentimeter. Box inklusive Akkus für 419 Euro. INFO www.va-Q-world.com

NINEBOT ONE E+ Unter 15 Kilogramm leicht, schnell zu lernen und bis zu 22 km/h schnell. Dieses elektrische Einrad ist perfekt für die schnelle Besorgungsfahrt im fremden Hafen gedacht und lässt sich einfach an Bord verstauen. Die Reichweite beträgt bis zu 30 Kilometer! Erhältlich ab 1.199 Euro. INFO www.ninebot-deutschland.de

LAMPUGA AIR Dieses Jetboard ist perfekt für den schnellen Spaß in der nächsten Ankerbucht geeignet. Schnell ausgepackt, aufgepumpt und schon kann es losgehen. Bis zu 40 Minuten und bis zu 47 km/h hält der Spaß, dann muss das Board wieder für 60 Minuten an die Steckdose. Erhältlich ab 9.900 Euro. INFO www.lampuga.de

TEUFEL ROCKSTER Perfekter Sound – der Rockster bringt Leben in die Bude oder in den Garten oder an den Strand, den Hafen, den Park oder wohin auch immer. Dies ist der weltweit stärkste portable Lautsprecher. Schnell das Smartphone per Bluetooth angeschlossen, schon geht es los. Erhältlich ab 999 Euro. INFO www.teufel.de

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KLEAN KANTEEN GROWLER Ein kühles Bier am Abend oder ein warmer Kaffee am Morgen? Mit dieser hochwertigen Edelstahlflasche kein Problem. Die hochwertige doppelwandige Vakuumisolierung hält die Temperatur und der Swing-Lok-Verschluss hält die Flüssigkeit zuverlässig in der Flasche. Erhältlich ab 55 Euro. INFO www.kleankanteen.com

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CASIO G-SHOCK MRG-G1000 Dank des Titangehäuses ist die neuen G-SHOCK noch robuster als ihre Vorgänger und trägt sich dabei noch angenehmer. Dank der Hybridtechnologie, einer Kombination aus GPS- und Funksignalen, bestimmt diese Uhr die Uhrzeit noch exakter überall auf der Welt – dank der Weltzeitfunktion sogar für zwei verschiedene Orte auf der Erde. Die neue MRG-G1000 ist in silber und einer schwarz ionisierten Version ab 2.500,00 Euro erhältlich. Weitere Infos unter INFO www.g-shock.de

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PARROT BEBOP 2 Parrot hat die Bebop überarbeitet. Die neue Version nimmt noch bessere Videos auf, hat eine etwas längere Akkuleistung und bietet damit noch mehr Spaß. Bis zu 25 Minuten lässt sich die neue Drone nun per WLAN durch die Luft steuern. Erhältlich ab 549 Euro. INFO www.parrot.com


Schrift // Eugenia Manzanas Bild // Lloyd Images

EXTREMESAILINGSERIES

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NACH DREI ACTS VOLLER SEGELACTION IN OMAN, CHINA UND WALES NÄHERT SICH DIE EXTREME SAILING SERIES 2016 NUN IHRER HALBZEIT IM HAMBURGER HAFEN. UM DEN NEUEN, EXTREM SCHNELLEN GC32-KATMARANEN IHRE MANÖVER ZU ERMÖGLICHEN, WURDE DIE RENNBAHN GEGENÜBER DEM VORJAHR ETWAS VERGRÖSSERT.


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Die Kaimauern des Hafens setzen dem Renngeschehen aber weiterhin äußerst enge Grenzen. „Die GC32 haben sich vorigen Monat in Cardiff auf ebenfalls engstem Raum bewährt. In Hamburg kommen nun noch die starken Gezeitenströme hinzu. Für die Mannschaften bedeutet das große Herausforderungen. Ich erwarte daher sehr enge Rennen und möglicherweise die eine oder andere Überraschung bei den Ergebnissen“, sagte Race Director Phil Lawrence vorab. Rechtzeitig zum vierten von insgesamt acht Acts der Saison 2016 scheinen die Teams die neue Bootsklasse GC32 immer besser in den Griff zu bekommen. An der Spitze des Leaderboards haben sich allerdings zwei dominierende Mannschaften abgesetzt. OMAN AIR und das RED BULL SAILING TEAM waren in diesem Jahr bislang bei jedem Act unter den Top 3. Vor Hamburg liegt OMAN AIR mit Morgan Larson in der Saisonwertung vorn, dicht gefolgt vom RED BULL SAILING TEAM mit dem Doppelolympiasieger Roman Hagara als Skipper, der im vergangenen Jahr aufgrund einer Verletzung nicht in Hamburg starten konnte. Für einen kurzen Augenblick durfte das Schweizer Team ALINGHI mit Skipper Arnaud Psarofaghis am Sonntagnachmittag vom Gesamtsieg in Hamburg träumen. Die Mannschaft beendete das einzige Rennen des Tages auf Platz drei. Als die Schweizer über die Ziellinie gingen, lag Larson am

Ende des Feldes – damit wäre ALINGHI bei Act 4 auf Platz eins gewesen. Doch das Team aus Oman lieferte sich auf der Zielgeraden ein dramatisches Duell mit der vor ihm liegenden jungen Mannschaft von LAND ROVER BAR ACADEMY. Ganz knapp vor den Briten schob Larson sich schließlich über die Ziellinie – und sicherte sich damit doch noch hauchdünn den Gesamtsieg in Hamburg. „Wir waren vor allem sehr erleichtert, nachdem der Druck, der während des Rennens auf uns lastete, riesig war. Und es war nicht die Art von Druck, die man sich wünscht. Glücklicherweise ist es dann noch gut gegangen und wir konnten erst einmal durchatmen“, kommentierte Larson anschließend. „Hamburg war sehr anspruchsvoll, wir wurden hier wirklich auf die Probe gestellt. Aber ich denke, alle Teams haben dazugelernt. Jetzt reisen wir erst einmal ab, lassen dann das Geschehen in Ruhe noch einmal Revue passieren und ziehen für das nächste Mal unsere Schlüsse, um noch besser zu werden.“ Psarofaghis nahm Larsons Kampfansage an: „Wir haben noch vier Acts vor uns. Wir werden noch besser segeln müssen, um OMAN AIR ein paar Punkte abzunehmen. Wir waren heute ein bisschen enttäuscht, aber wir haben alles gegeben. OMAN AIR ist ein starkes Team. Sie sind am Ende noch einmal zurückgekommen und haben es daher verdient, hier zu gewinnen. Die haben das wirklich gut gemacht.“

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„Ich erwarte sehr enge Rennen und möglicherweise die eine oder andere Überraschung bei den Ergebnissen.“

Der Kampf um Platz drei zwischen dem SAP EXTREME Race Director Phil Lawrence SAILING TEAM und dem RED BULL SAILING TEAM war ähnlich spannend. Ersteres war mit einem kleinen Vorsprung in den letzten Tag gegangen. Mit ihrem zweiten Platz im letzten Rennen zogen die Österreicher mit den Dänen dann nach Punkten gleich. Die besseren Platzierungen führte schließlich die Entscheidung zugunsten der Österreicher herbei, die sich damit Platz drei sicherten. „Erst das letzte Rennen gab den Ausschlag“, sagte der Skipper Roman Hagara hinterher: „Wir hatten einen guten Start und mussten verhindern, dass ALINGHI uns überholt. Damit war ein Boot zwischen uns und dem SAP EXTREME SAILING TEAM, was am Ende reichte.“ In der Saisonwertung liegen Hagara und seine Mannschaft damit mit einem Punkt Vorsprung vor ALINGHI auf Platz zwei. „Die größte Herausforderung bestand für uns darin, gut zu starten. Unsere Starts waren leider nicht gerade großartig. Wir mussten immer auf Aufholjagd gehen, um die nötigen Punkte zu holen. Wenn man mit ALINGHI und OMAN AIR auf Augenhöhe segeln will, muss man besser starten“, räumte Hagara selbstkritisch ein. Die talentierten, jungen Match Racer von CHINA ONE segelten mit einer Reihe guter Ergebnisse auf den fünften Rang der Gesamtwertung. Das Potenzial der Mannschaft, die sich im Saisonverlauf immer mehr den Podiumsplätzen genähert hat, ist erkennbar. Einige brillante Momente hatte während der vier Tage in Hamburg auch das Team SAIL PORTUGAL – VISIT MADEIRA. Zur Begeisterung des Publikums gewannen die Portugiesen das wichtige letzte Rennen und wurden dafür mit doppelten Punkten belohnt.

Extreme Sailing Series™ Act 4 1. OMAN AIR (OMA), Morgan Larson 2. ALINGHI (SUI), Arnaud Psarofaghis 3. RED BULL SAILING TEAM (AUT), Roman Hagara 4. SAP EXTREME SAILING TEAM (DEN) Jes Gram-Hansen 5. CHINA ONE (CHN), Taylor Canfield 6. SAIL PORTUGAL – VISTI MADEIRA (POR), Diogo Cayolla 7. LAND ROVER BAR ACADEMY (GBR), Neil Hunter

Extreme Sailing Series™ 2016 Overall Standings 1. OMAN AIR (OMA) 47 Punkte. 2. RED BULL SAILING TEAM (AUT) 3. ALINGHI (SUI) 4. SAP EXTREME SAILING TEAM (DEN) 5. LAND ROVER BAR ACADEMY (GBR) 6. CHINA ONE (CHN) 7. SAIL PORTUGAL – VISTI MADEIRA (POR) 8. TEAM TURX (TUR)


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DIE GRÖSSTE

SEGELMACHEREI DER WELT Schrift // Michael Walther Bild // Ian Roman

MIT MEHR ALS 30 KNOTEN SURFEN DIE 65-FUSS-YACHTEN DIE WELLENBERGE DES SOUTHERN OCEAN HERUNTER. DAS GROSSSEGEL IST GEREFFT UND NUR DER KLEINE GENNAKER KOMMT ZUM EINSATZ. 37 KNOTEN WIND AUS WEST. SECHS METER HOHE WELLE. DER BUG DER YACHT BOHRT SICH IN DIE WELLE. BINNEN WENIGER SEKUNDEN SCHIESSEN HUNDERTE VON LITERN EISKALTEN WASSERS ÜBER DAS DECK!

Eine eingelassene, drehbare Nähmaschine und ein großes, gut gefülltes Lager. Alles ist hier auf Effizienz getrimmt.

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uf der anderen Seite der Erde auf dem Starnberger See. Das Feld der Drachen liegt bei fünf Knoten Wind an der Startlinie. Langsam baut sich eine konstante Brise aus Südosten auf. Noch ist es in der Mitte des Sees spiegelglatt, aber an den Rändern kräuselt es sich schon leicht. Da ertönt das erste Vorbereitungssignal des Tages. Noch fünf Minuten bis zum Start der Wettfahrt. Die Segel werden dichtgenommen – die Anspannung steigt.

Segelmacher. Jeder Kunde hat seine eigenen Ansprüche und besonderen Wünsche. Ein robustes, aber schnelles Fahrtensegel unterscheidet sich schon bei dem verwendeten Material deutlich von einem leichten Regattasegel. Während das eine Segel aus dem bekannten, weißen Dacron-Material genäht wird, werden moderne Regattasegel laminiert und so in die perfekte Form gebracht. Und obwohl die Anforderungen sehr unterschiedlich sind, gibt es auch Gemeinsamkeiten. Das eigene Segel ist wohl für jeden Segler das wichtigste.

Von Anspannung ist hingegen an der Schlei nichts zu spüren. Die Rhapsody 34 schleicht sich mit einer leichten Brise aus dem Hafen von Maasholm. Kurs 180 Grad ins Fahrwasser und dann an den Untiefen vorbei auf den Leuchtturm Schleimünde zu. Nur unter Fock, mit einem frischen Kaffee in der Hand geht es Richtung Osten auf die freie Ostsee hinaus.

Viele Segelmacher haben sich aufgrund dieser vielfältigen Anforderungen auf einen Bereich spezialisiert. Robuste Fahrtensegel, günstige Jollensegel oder Hightech-Regattasegel. Die weltgrößte Segelmacherei North Sails ist hingegen in allen Bereichen vertreten. Das beginnt bei der Produktion der Segel für die weltgrößte Einheitsklasse, den Laser. Technisch ist dieses Segel sicher nicht besonders anspruchsvoll. Es handelt sich lediglich um ein dreieckiges Dacron-Tuch, welches sich seit vielen Jahren kaum verändert hat. Wichtig ist hier jedoch, dass der Schnitt dieses Segels gleich bleibt. In dieser Klasse soll es ausschließlich um die Qualität der Segler gehen. Um dies zu gewährleisten, muss das genutzte Material möglichst identisch sein – so auch die Segel.

Diese Momentaufnahmen zeigen die vielen Facetten des Segelsports. Vom Regattasegeln unter den härtesten Bedingungen bis hin zum Fahrtensegeln in entspannter Atmosphäre. Und genau in dieser Bandbreite arbeiten


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Auf der anderen Seite produziert North Sails auch die etwa 700 Quadratmeter großen Segel der beeindruckenden J-Klasse-Yachten. Und da gerade bei den großen Yachten der Bedarf immer weiter steigt, hat North Sails im britischen Gosport ein neues Loft eröffnet. John Welch, COO von North Sails Europa, begründet diesen Schritt: „North Sails Gosport is a response to the ever-increasing size and demand for superyacht sails, and represents a positive consolidation of our many departments. We are excited about the space we now have and the opportunity to serve our customers with greater speed and efficiency. North Sails’ continued commitment to design and development is at the forefront, enabling us to keep pushing forward in all areas of sail manufacturing.“

Dank der erhöhten Effizienz können in der neuen Loft etwa 45 Segel pro Woche fertiggestellt werden.

Es ist einfach sehr hilfreich, mehr Platz zu haben, wenn man ein 700-Quadratmeter-Segel produzieren möchte.

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Mit einer gemütlichen Segelmacherei hat dieses neue Loft jedoch nichts mehr gemeinsam. Die 87 Mitarbeiter produzieren hier auf mehr als 20.000 Quadratmeter neue Segel. Allein der Bereich für die Superyacht-Segel hat eine Fläche von 101 mal 30 Meter. Damit also ausreichend Platz, um die Vorsegel von zwei J-Klasse-Yachten auszubreiten und ein komplettes Großsegel dazu. Die Größe dieser Segelmacherei dient vor allem dazu, die Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten. Ein großes Segel, welches mehrfach neu vor einer Nähmaschine ausgerichtet werden muss, um daran arbeiten zu können, kostet einfach Zeit. Um

also bei den unhandlicheren Tuchgrößen schneller und effizienter arbeiten zu können, lassen sich die Nähmaschinen bewegen. Fünf Nähmaschinen sind in die Arbeitsfläche drehbar eingelassen und lassen sich damit optimal zum Segel ausrichten oder auch im Arbeitsboden versenken, um die freie Fläche zu vergrößern. Zwei weitere Nähmaschinen sind auf Bändern montiert, die sich über die gesamte Länge des Lofts bewegen können. So kann das Segel teilweise liegen bleiben, während der Segelmacher seine Nähmaschine einfach weiter bewegt. Außerdem ist die gesamte Fläche teilbar und bietet damit mehr Kantenfläche, an der dann in perfekter Arbeitshöhe an einem Segel genäht werden kann.


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Dank der erhöhten Effizienz können in der neuen Loft etwa 45 Segel pro Woche fertiggestellt werden. 30 bis 35 davon sind im Durchschnitt OneDesign-Segel. Einige dieser Segel werden jedoch weiterhin größtenteils in den USA oder auf Sri Lanka vorgefertigt. So lässt North Sails an diesen beiden Standorten weiterhin die Rohlinge für die laminierten Hightech-3Di-Segel fertigen. Diese werden dann in Gosport angeliefert und hier vollendet. Das heißt, die Lieken werden noch abgenäht und Kopf, Schothorn und Hals verstärkt und vernäht. Neben der optimierten Fertigung von Segeln bietet der neue Stützpunkt der Segelmacherei auch eine optimierte Logistik.

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So ist an die Fertigungshallen ein modernes Lager direkt angeschlossen, in dem mehr als 47.000 Quadratmeter der verschiedenen Tücher auf die Verarbeitung warten. Verschiedene Tücher für die bereits benannten, unterschiedlichen Ansprüche. Und obwohl das neue Loft die wohl modernste Segelmacherei der Welt ist, werden die unterschiedlichen Segel hier nach wie vor händisch zusammengenäht. Dabei gilt es wie bei jedem anderen Segelmacher auch, zunächst einmal festzustellen, welche Ansprüche der Kunde denn überhaupt an seine Segel stellt. Neben dem Einsatzbereich der Segel ist es dabei sicher auch eine Typfrage, ob ich ein Segel aus der größten Segelmacherei bestelle oder eines von meinem Segelmacher nebenan!


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Neben dem Einsatzbereich der Segel ist es dabei sicher auch eine Typfrage, ob ich ein Segel aus der grĂśĂ&#x;ten Segelmacherei bestelle oder eines von meinem Segelmacher nebenan!

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KOLUMNE ÖKO

SURVIVAL OF THE FITTEST

(IM SINNE DER DARWIN’SCHEN EVOLUTIONSTHERORIE) PART 1

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itte passen Sie sich an und pflanzen sich fort!“ Denn nicht der Stärkere überlebt, sondern das Individuum, das sich am besten an seinen Lebensraum, also seine Umgebung angepasst hat. Es geht um erfolgreiche Vermehrung und somit der Sicherung der eigenen Art. Von Mond gesteuerte Massenorgien. Während ihr über die Wasseroberfläche gleitet, findet unter euch vielleicht die größte Massenorgie der Welt statt. Kommt darauf an, wann und wo ihr segelt. Denn jedes Jahr nach einem Vollmond entlassen Korallentiere am Great Barrier Reef in Australien gleichzeitig Milliarden von Eizellen und Spermien ins Wasser, nutzen die Meeresströmungen für die Verbreitung ihrer Art und sorgen so für ihre Reproduktion. Sex unter Wasser, mal ganz anders. Vor allem bei den wirbellosen Tieren wie den Korallen, Schnecken und Krebsen. Viele dieser Meeresbewohner sind festgewachsen, um der ständigen Wasserbewegung standzuhalten. Warum sich fortbewegen, wenn doch das Tagesmenü, zum Beispiel Plankton und kleine Fischchen, direkt an einem vorbeidriftet und man sich nur mit Tentakelkränzen, Schleimnetzen oder kleinen Greifern bedienen muss. Damit es jedoch zu einer Befruchtung kommen kann, müssen entweder die Geschlechtsprodukte ins Wasser abgegeben werden oder die Partner finden sich anderweitig. Die gemeine Seepocke zum Beispiel hat das ganz einfach gelöst, sie hat den im Tierreich längsten Penis im Verhältnis zu seinem Körper. Das kleine Krebstierchen, bekannt von Hafendohlen und

Schiffsrümpfen, ist mit seiner kalkigen Schale an seinem Standort festgewachsen und ertastet mit dem langen Organ den nächstgelegenen Artgenossen, um diesen zu begatten. Die befruchteten Eier werden daraufhin ins Wasser entlassen. Die Hermaphroditen und ein regelrechter „Mind-Fuck!“ Zwitter. Also Individuen, die gleichzeitig ein männliches und ein weibliches Geschlechtsorgan in einem gemeinsamen Genitalapparat besitzen. Gerade wenn man nur selten einem Mitglied dieser Spezies begegnet, ist es sehr vorteilhaft, wenn das Geschlecht keine Rolle mehr spielt. Oft kommt es zu einer gegenseitigen Befruchtung und manchmal auch zu einem flotten Dreier. Forscher haben erst kürzlich eine bestimmte Art von Meeresschnecke (Siphopteron sp. 1) bei einem außergewöhnlichen Paarungsakt beobachtet. Erst ist noch alles wie gehabt, beide Tiere schlängeln erst langsam umeinander herum und docken, unter zaghaften Bissen, mit dem jeweiligen Penis in die Vaginalöffnung des anderen an. Dann kommt das Überraschende: Mit einem weiteren penisartigen Führungsstab, wird der Kopulationspartner mitten in die Stirn gestochen und ein chemischer Cocktail wird injiziert. Vermutlich, um das Verhalten des anderen für eine gewisse Zeit zu kontrollieren und das Abstoßen der Spermien zu verhindern. Eine andere Art der Meeresschnecken ist da ganz pragmatisch und lässt ihr bestes Stück einfach nach der Befruchtung in der weiblichen Öffnung zurück, um das Verweilen der Samen, und nur seiner Samen zu sichern. Bei der gleichzeitigen Paarung sind Zwitter nämlich immer nur auf eines aus – ihre eigenen Spermien loszuwerden.

Kristina Stemmer ist promovierte Meeresbiologin, Tauchlehrerin und Unterwasserfotografin. Während ihrer Promotion zum Einfluss der Meeresversauerung auf schalenbildende Meerestiere forschte sie in einer Kooperation zwischen dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung und dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. Expeditionen führten sie in die Tropen, das Mittelmeer und auch an deutsche Küsten.

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DAS WETTER-EXPERIMENT VON PETER MOORE

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nfang des 19. Jahrhunderts galt ein Sturm noch als Strafgericht Gottes und wer wissen wollte, wie das Wetter wird, hielt sich gern Frösche im Glas. Aberglaube und religiöse Dogmen standen dem Fortschritt der Meteorologie im Weg. Doch mit der unerschrockenen Neugier aufgeklärter Geister machte sich eine Generation von Wissenschaftspionieren daran, die Geheimnisse der Atmosphäre zu lüften. Sie klassifizierten Wolken, beschrieben die Stärke des Windes, erforschten eisige Höhen im Heißluftballon, entdeckten, wie sich Elektrizität zur Übermittlung von Wetterwarnungen einsetzen ließ, und entschlüsselten die rätselhaften Wirbel der Luftströme. Mancher zahlte einen hohen Preis dafür – Existenzen wurden ruiniert, Reputationen zerstört, Konkurrenten aus dem Weg geräumt. Lebendig und kenntnisreich erzählt Peter Moore die wechselhafte Geschichte von den stürmischen Anfängen eines der selbstverständlichsten Dinge auf der Welt: der Wetterprognose. ISBN 978-3-86648-237-1, Preis 26 Euro, mareverlag

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RÜM HART, KLAAR KIMING JAN HAMESTER Schrift // Tom Körber Bild // Team Ocean 60

ER REDET SCHNELL, SO WIE IHM DER MUND GEWACHSEN IST. DENNOCH IST JEDES WORT WOHLÜBERLEGT. MIT DICKEM HAMBURGER AKZENT. GERADER RÜCKEN – GERADES WORT, DAMIT MACHT MAN SICH NICHT ÜBERALL FREUNDE. OKAY, MANCHMAL SCHIESST JAN HAMESTER AUCH ÜBER DAS ZIEL HINAUS, ABER WIE DAS SO IST BEI MENSCHEN, DIE IHR HERZ AUF DER ZUNGE TRAGEN: SIE SIND SENSIBELCHEN MIT EINEM GROSSEN HERZEN. RÜM HART, KLAAR KIMING ODER AUF HOCHDEUTSCH: WEITES HERZ – KLARER HORIZONT. WIR SPRACHEN MIT DEM LEIDENSCHAFTLICHEN SEGLER ÜBER SEIN NEUES BOOT UND SEINE GEPLANTE WELTUMSEGLUNG.

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ie kamt ihr an das Boot? Das Angebot, eine Class 40 zu segeln, gibt’s in Frankreich, in England und noch in den USA, in Deutschland nicht so richtig. Wir hatten einen finanziellen Rahmen zwischen 100.000 und 150.000 Euro. Irgendwann stießen wir auf die Konstrukteure Owen Clarke. So kamen wir auf dieses Boot. Im ersten Moment mochte ich es gar nicht so gern leiden, jetzt finde ich es nur noch super. Ich merkte schnell, dass das Boot in einem Topzustand war. Es wurde zwar schon 2006 gebaut, wurde aber quasi nur einmal von Kapstadt nach Südengland gesegelt. Da hatte es nur wenige Meilen auf dem Tacho. Dann kaufte es ein Apotheker, der es gerade schaffte, damit Round Britain zu segeln. So hatte die ROARING FORTY ungefähr 12.000 Meilen auf dem Tacho, als wir sie kauften. Es ist zwar eine FirstGeneration-Class-40, wurde aber schon von vornherein für eine Weltumseglung konzipiert. Das merkt man an allen Ecken und Kanten – ein sehr guter Konstrukteur. Ich bin von Owen Clark total begeistert. Offiziell nennt es sich Jazz 40. Die bauen in Kapstadt vorwiegend Offshore-Katamarane. Wie auch immer, die haben bei dem Boot einen sehr guten Job gemacht.

habe noch einen gusseisernen. Bei den heutigen Booten ist Delamination ein großes Thema und dass man schnell seine Ballastbombe verliert – beides sehe ich hier nicht. Auch beim Thema Mastbruch sehe ich relativ gut aus, weil die neuen aus Gewichtsgründen nur noch mit einem Zwei-Saling-Rigg fahren, bei mir ist noch ein Drei-Saling-Rigg drauf. Mittlerweile habe ich das Boot bei bis zu 40 Knoten getestet und das Ding bewegt sich, auch ohne Backtagen, keinen Millimeter, unglaublich. Kein Wunder, die neuen Boote werden am Gewichtslimit gebaut und sind dementsprechend empfindlicher. Weißt du, wie dick die HUGO BOSS in der Bodengruppe ist? 2,7 Millimeter, das ist Wahnsinn. Ich verbrachte ja nun viel Zeit in Les Sables d’Olonne, kenne Alex gut und bin viel mit ihm gesegelt. Schon bei dem 2008/09er-Rennen fiel mir auf, dass nur 50 Prozent der Boote überhaupt noch ins Ziel kamen. 70 Prozent der neuen Schiffe fielen aus, aber 70 Prozent der alten Schiffe kamen ins Ziel. Die Jungs gehen heutzutage so sehr an die Grenzen und ich denke, dass zu sehr in den Grenzbereichen gebaut wird. Das Problem aller Open-Class-Boote ist, dass sie wahnsinnig schnell sind. So schnell, dass du, vor allem auf Amwindkurs, bremsen musst. Das Geheimnis, so ein Boot heute um die Welt zu segeln, liegt nicht im Gasgeben, das können letztlich alle. Im richtigen Moment bremsen ist das Entscheidende. Steht bei mir sogar im Logbuch.

„Ich bin von Haus aus ein Labertyp.“

Heavy Duty also? Das Boot ist insofern so sicher, weil es fünf abgeteilte Kammern hat, die du alle einzeln wasserdicht abschotten kannst. Wie bei einem U-Boot. Dann ist es komplett ausgeschäumt. Der nächste Sicherheitsfaktor ist der Kiel. Die neuen Boote haben alle einen Kompositkiel, ich

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LEBEN

„Ich habe kein Minus auf dem Konto, und das ohne Sponsoren. Ich segle nur. Wie geil ist das denn bitte?“

Wie verhalten sich die neuen Third-Generation-Boote? Die kleben so auf dem Wasser. Die haben eine so hohe benetzte Fläche, was Downwind zwar toll ist, aber auf Amwind eben richtig scheiße. Generell kann man sagen, die First-Generation-Boote sind auf Amwindkursen circa zehn Prozent schneller, aber auf Downwindkursen wieder zehn Prozent langsamer. Das gleicht sich also aus. Es sei denn, du fährst ein reines Transatlantikrennen, bei dem du nur Highspeed-Downwind fährst. Wie bereitest du dich vor? Für mich ist mein Boot auch mein Zuhause. Ich lebe mit so einem Boot, das ist meine Philosophie. Ich segle jetzt knapp über sechs Monate mit der Kiste, bin über 3.000 Meilen damit gesegelt. Bin jeden Tag am Boot. Du kannst sagen: 50 Prozent segeln, 50 Prozent schrauben. Das liegt an der Power, mit der das Boot segelt. Die Winschen musst du alle zwei Wochen auseinanderbauen. Am Anfang war meine To-do-Liste circa 1.000 Punkte lang, fast alles Kleinigkeiten. Jetzt sind es vielleicht noch 300 Punkte. Die Summe der Kleinigkeiten macht es aus. Dafür musst du so viel wie möglich mit dem Boot segeln. Ich habe nun wirklich keinen Bock, wegen einer Kleinigkeit zu scheitern. Wenn du scheiterst, scheiterst du an mangelnden Erfahrungen und schlechter Vorbereitung. Es kommt auf die Erfahrungen an, die ich mit jeder gesegelten Meile sammle, und dabei kommt es nicht nur darauf an, wie schnell du bist. Man muss ein Gefühl für den Rhythmus des Bootes bekommen – wann ich reffe, welches Segel ich nehme. Die denken immer alle, sie müssten Gewicht sparen. Ich habe ein zweites Groß, zwei Code Zero, ein A2 und ein A3. Wenn ich

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ein leichtes Boot fahre und wenn ich weiß, dass es im vorderen Bereich sehr dünn ist, heißt das, dass ich auf Amwind extrem vorsichtig sein muss. Denn wenn du nur fünf Grad zu tief fährst, dann rast du mit guten zehn Knoten über eine vier, fünf Meter hohe Welle. Da muss ja fast schon was kaputt gehen. Die Jungs sollten höher und damit langsamer fahren. Wenn ich mit einer 2.7 Millimeter starken HUGO BOSS durch die Gegend fahre, muss ich genau da ganz vorsichtig fahren. Raumschots kann ich wieder Gas geben. Wenn ein Kiel ab- oder ein Mast einfach so umfällt, kann keiner was dafür. Aber wenn man sich zerlegt, weil man zu viel Gas gibt, ist das eigentlich doof. Wie scheiße ist das denn, wenn du in der ersten Nacht beim Kreuzen in der Biskaya dein Boot verlierst? Wie läuft die Finanzierung eurer Kampagne? Nur aus Eigenmitteln. Ehrlich gesagt haben wir erst gar nicht nach Sponsoren gesucht. In erster Linie war das Boot für unsere Regattaschule (Team Ocean 60) gedacht, die ich mit Mirjam habe. Insofern lag es genau in dem Bugdet, das wir hatten. Wenn jetzt einer gekommen wäre und uns 100.000 Euro auf den Tisch gelegt, hätten wir sie natürlich genommen, das ist klar. Auf der anderen Seite sind wir wirklich stolz drauf, dass wir das so hinbekommen haben. Wir finanzieren uns über Geschäftspartner, sieht man ja an den ganzen Flaggen. Im Grunde läuft das so, dass wir die Sachen, die wir nutzen, auch verkaufen. Und wir verchartern das Boot in unserer Regattaschule, sodass auch dort Geld reinkommt. Die Weltumseglung ist aber nur ein Etappenziel. Hauptziel ist und bleibt die Vendée Globe. Die ist in greifbarer Nähe.


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Für 2020 sieht’s also gut aus. Mithilfe einer Werbeagentur vermeide ich einfach die Fehler, die ich früher gemacht habe. Ich habe jeden Tag fünf gute Ideen und ich setzte sie auch noch gleich um, das unterscheidet mich wahrscheinlich von anderen. Ich spreche jeden Menschen an, nach der alten Verkäuferweisheit: Mehr als ein Nein kannst du nicht kriegen. Entweder er ist interessiert oder nicht. Zum Beispiel waren in den vergangenen zwei Wochen rund 200 Leute hier am Boot und haben es sich angeschaut. Lediglich zwei Frauen fanden es wohl unangenehm, dass ich sie ansprach. Aber die anderen 198 Leute sind neue Fans und jetzt kommen wahrscheinlich nicht 250.000 Menschen zu meiner Abfahrt im Hamburger Hafen, sondern 250.198. Passt. Setzt dich das unter Druck? 14 Jahre arbeite ich nun an meinem Traum. Zwischendurch gab es in meinem Leben extreme Höhen und Tiefen. Ich erlitt einen Schiffsverlust, kam bei einem Motorradunfall fast ums Leben, lag anderthalb Jahre flach und ging fast pleite. Dann lernte ich vor vier Jahren die tollste Frau der Welt kennen. Da denkst du, so langsam müsstest du deine Depressionen ja auch mal los sein. Was bekam ich im ersten Winter? Eine Depression. Und im zweiten auch. Die Ärzte stellten mich als manisch-depressiv in die Ecke, haben mir ordentlich Drogen in die Hand gedrückt und gesagt: Wird schon wieder, Junge. Na ja, so ungefähr zumindest. 2002/03 war zum Beispiel eines meiner schlimmsten Jahre, als mein Vater

ziemlich unschön an Krebs starb. Darum widmete ich ihm die Atlantiküberquerung, stellte den vermeintlichen Rekord auf der Christopher-Columbus-Route auf ... und versenke mein Boot. Dass ich da eine Depression bekam, war fast klar. So abrupt abgebremst zu werden plus das Trauma des Untergangs, das bekam ich nur schwer in den Griff. Ich weiß jetzt aber, warum es mir in den vergangenen Monaten oft so schlecht ging, obwohl ich so gut drauf war. In meinem Unterbewusstsein trug ich ständig die Vendée-Globe-Weltumseglungskiste mit mir herum. Und da ich oft genug fünf vor zwölf noch eins auf die Fresse bekam, sodass es letztlich doch nicht klappte, hatte mich diese Erfahrung eher demotiviert. In der Saison war ich mit meinen Jobs voll ausgefüllt, im Winter fiel ich regelmäßig in ein tiefes Loch. Kurz nach der hanseboot. Bäämm. Schluss. Ulla Meinicke wird bei deinem Start in Hamburg spielen. Wie bist du an sie geraten? Ooch, ich schrieb auch Marius (Müller-Westernhagen) an, aber der Sack hat sich nicht gemeldet. Über fünf Ecken hatte ich eine gute Freundin von Udo Lindenberg kennengelernt und da wollte ich schon Udo anhauen. Aber irgendwie bekam ich dann Ulla in den Kopf. Ich weiß auch nicht, warum, das war wie eine Eingebung. Nachts um 2.45 Uhr hatte ich die Idee, um 3 Uhr hatte ich die Mail verschickt und morgens um 8 Uhr rief ihr Manager an. Ist das toll oder ist das toll? Nun spielt sie bei meiner Abreise in Hamburg.

„Das Boot sah aus wie ein guter gepflegter englischer Rasen. Vier Tage mussten wir das Deck freikärchern.“

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Mal zurück zum Thema: Du hast jetzt aber kein Wintertrauma, oder? Ein Wintertrauma? Nee, nee, das habe ich ganz bestimmt nicht. Alles gut, ich bin topfit. Musst du auch sein, nicht wahr? Das Schiff ist total harmlos. Da kannst du dich dreimal mit überschlagen, da passiert nichts. Du kannst 100 Halsen mit festem oder losem Backstag fahren – passiert nichts. Verlierst vielleicht ein Segel oder eine Segellatte. Du kannst bei 70 Grad auf die Fresse kriegen, die ROARING FORTY schießt nicht in den Wind. Was Einfacheres gibt es einfach nicht. Es ist physisch sehr anstrengend. Du siehst ja, dass meine Muskeln nicht gerade weniger geworden sind. Bei der Class 40 fährst du nahezu alles mit sehr hoher Power. Das kommt unter anderem daher, weil das Boot eine Amwindsegelfläche von 115 Quadratmeter hat im Verhältnis zu 4,8 Tonnen Gewicht bei drei Meter Tiefgang und 750 Kilo Wasserballast in Luv. Was da für Kräfte auftreten, ist Wahnsinn. Gutes Beispiel ist vielleicht folgendes: Ich segle bei 25 bis 30 Knoten die Kieler Förde raus – mit einfach gerefftem Groß, die anderen mit Sturmfock und zweifach gerefftem Groß. Dann geht der Wind auf 20 runter und plötzlich hämmert eine 30er-Böe rein und du merkst, äh, das Schiff krängt überhaupt nicht. Es knackt nur höllisch im Gebälk und fährt einfach los. Und beschleunigt. Da merkst du, was da für Kräfte walten. Da müssen die Backstagen einiges entgegensetzen. Der Mast wird

mit zehn Tonnen hochgepumpt, auf der Oberwanten liegt so viel Kraft, das ist unglaublich. Und diese Power kostet einfach Kraft. Jeder Segelwechsel kostet Kraft. Das Groß zu setzen, das sind 19 Meter Masthöhe mal zwei, das sind 38 Meter. Da weißt du, was du getan hast. Natürlich war es schwieriger, den Kiel einer Open 60 zu kanten. Händisch, wohlgemerkt, nicht hydraulisch. Oder du nimmst die Fock hoch und runter, ziehst den Code Zero hoch, da hast du wieder die 38 Meter vor dir. Oder du ziehst den Spie hoch, dann wieder runter, staust, trimmst, machst, tust. Du bist die ganze Zeit nur in Action. Stress beim Segeln? Wenn ich hier auf Revierfahrt auf der Elbe bin, habe ich keine Sekunde Ruhe. Okay, ich mache mir auch das Leben schwer. Ich denke dann, die Fock müsste eigentlich dichter. Ach, kannste auch so lassen. Natürlich muss sie dichter. Ich kann anders nicht segeln. Wenn der Holepunkt nicht zu 100 Prozent stimmt, macht mich das wahnsinnig. Wir haben ja nun die Querschienentechnik, das heißt, du bist immer am Machen und am Tun. Ein bisschen hoch und runter, weil ja dreidimensional verstellbar. Da bist du nur am Tricksen. Traveller ein bisschen rauf oder runter, Backstag ein bisschen dichter. Jedes Mal, wenn sich der Wind um zwei Knoten ändert, bist du am Trimmen. Wenn ich auf hoher See bin und längere Zeit geradeaus fahre, ist das natürlich entspannter, das ist keine Frage.


LEBEN

ZUM INHALT

Erfahrungen sind also alles? Man braucht sehr viel Kraft, Ausdauer und Kondition. Da Gute ist, dass ich das Boot jetzt schon fast 200 Tage gesegelt habe. Ich optimiere jeden einzelnen Bewegungsablauf. Ich gehe heute ganz anders von achtern nach vorn als in den ersten Tagen. Heute schwebe ich ja fast (grinst). Ich teile mir meine Kräfte anders ein. Auf den vielen Törns im englischen Kanal habe ich gelernt: Wann immer du schlafen kannst, schlafe. Wenn draußen das geilste Wetter ist, blauer Himmel und Sonne, genau dann musst du schlafen. In drei Stunden kann das Wetter ganz anders aussehen, dann brauchst du deine Kraft. Nach 200.000 Seemeilen auf dem Wasser, auch im Schneesturm mit dem Minitransat nach Les Sables D’olonne, um Samantha Davis zu küssen und noch anderen Schwachsinn. Das habe ich immer als Training für die Vendée Globe angesehen. Ein besseres Training kannst du gar nicht haben. Auf See erwarten dich ganz andere Geschichten. Das Haushalten mit deiner Kraft, physisch und psychisch, ist immens wichtig. Da muss ich aufpassen. Ich bin ja so ein Alleinunterhalter. Ich kann mit zehn Leuten an Bord Party machen, aber allein mache ich ebenso Party. Dann singe ich so laut bei Ulla Meinicke mit, dass der ganze Glückstädter Hafen mitklatscht.

Eher voller Emotionen also? Ich bin eher Ellen-MacArthurmäßig drauf. Sie hat ja auch in ihrer Kajüte getanzt und im nächsten Augenblick geheult. So bin ich auch. Ich habe gerade wieder in Wilfried Erdmanns Buch gelesen, ich treffe Erde auch noch ein paar Mal – eins steht unbedingt im Vordergrund: Ankommen. Und selbst wenn die ganze Elektronik auseinanderfällt. Das Boot steuert sich auf 75 Prozent aller Kurse selbst, wenn du es entsprechend trimmst. Du kannst dann natürlich nicht immer Vollgas fahren. Fährst dann aber immer noch schnell genug. Ich will auf gar keinen Fall aufgeben. Ich habe meine drei VHF-Handys mit, wie Erde auch, für jedes Kap eins. Ich habe meine Seekarten mit, meinen Sextanten, meinen Kompass, meine Erdmann-Petroleumlampen. Es kann alles zusammenbrechen und ich kann noch immer Bescheid sagen, dass ich noch lebe und weitersegle. Ich möchte nicht irgendwann schreiben müssen, mein Autopilot ist ausgefallen und deswegen muss ich aufgeben. Das ist einfach scheiße. Wie viele haben schon aufgegeben, weil ihr Autopilot ausfiel.

„Gas geben können letztlich alle. Im richtigen Moment bremsen ist das Entscheidende.“

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KOLUMNE ART

ULF SAUPE GARDEN EDEN

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as Element Wasser und seine sozial-, umweltpolitische und wirtschaftliche Bedeutung sind seit vielen Jahren das Thema von Ulf Saupes künstlerischer Arbeit.

Der weltweit größte Verbraucher von Süßwasser, mit ungefähr 70 Prozent, ist die Agrarindustrie. Sie sorgt mit dem Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden, die wiederum in die Grundwasserreservoirs versickern oder über angrenzende Flüsse in die Meere gelangen, für hohe Wachstumsraten und entsprechende Gewinnspannen. Das scheinbar positive Ergebnis sind die stets vollen Regale in den Supermärkten – unser moderner Garten Eden.

GARDEN EDEN 2.0 EDITION 2016 | Archival Pigment Print, Transportkarton, Holz Größe: 39,5 x 60,5 x 12 Zentimeter | Edition 10 Stück Preis 700 Euro Kontakt: Katja.Vedder@art-objective.com

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WISSEN TO GO

01 Die Farbe des Eiffelturms ist so aufgetragen, dass sie nach oben hin heller wird, damit der Turm größer wirkt. 02 Die meisten Elefanten wiegen weniger als die Zunge eines Blauwals. 03 Lady Gaga ist die Patentante von Elton Johns Sohn. 04 Jährlich scheiden wir unser eigenes Körpergewicht an Bakterien aus. Ulf Saupe gelingt es mit seiner Installation, die komplexen Zusammenhänge zwischen der Lebensmittelproduktion, der Transportwirtschaft sowie insbesondere dem Wasserkreislauf zu verbildlichen. Die Wasserleitungen, eingebettet in Transportkisten, sind als Labyrinth angelegt – ein Netz als Analogie für die globalisierten Warenströme. Es bleibt die Frage nach einem Ausweg – oder vielmehr, wie wir diese Herausforderung im Sinne einer regenerativen Kreislaufwirtschaft positiv gestalten können. www.ulfsaupe.net

05 Köln ist mit Abstand die Stadt mit den meisten Städtepartnerschaften in Deutschland. Es sind 24 Stück. 06 70 Prozent der weltweit veröffentlichten Literatur zum Thema Steuern wurde auf Deutsch veröffentlicht. 07 Angela Merkel jobbte während ihres Physikstudiums in einer Leipziger Disco als Bardame. 08 Die panische Angst vor schönen Frauen heißt Venustraphobie. 09 Das Gegenteil von Placeboeffekt ist der Noceboeffekt. Hierbei hat die wirkungslose Substanz negative Folgen.

Dr. Ana Karaminova und Katja Vedder präsentieren für das Sailing Journal regelmäßig Werke zeitgenössischer Kunst, die neue Perspektiven zum Thema Wasser und Ozean eröffnen. www.art-objective.com

10 Für Wale und Robben ist das Meer nicht blau. Die Meeressäuger können mit den Rezeptoren auf ihrer Netzhaut nur grünes Licht wahrnehmen und Farben somit nicht unterscheiden.


KOLUMNE LEBEN

„DIE WERDEN DOCH WOHL NICHT…“

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iele Weltumsegler und Atlantiküberquerer schreiben ihre Erlebnisse auf. Seit es Blogs und Facebook gibt noch viel mehr als früher. Und gefühlt gehen immer mehr Menschen organisiert und unorganisiert über den Teich. Allein die ARC platzt aus allen Nähten und bringt jedes Jahr rund 1.200 Menschen auf 200 Booten über den Teich. Jedes kleine Detail wird dabei beschrieben: Vor der Abfahrt die rauschenden Feste, die anstehenden Bootsarbeiten, die Vorbereitung. Besonders beliebt sind bei fast allen Langfahrtseglern Fotos von den Unmengen an Vorräten, die angeschafft werden. Da sind ganze Stege voller Konserven, Bierdosen, Gemüse, Wasserflaschen und und und. „Wie soll das nur alles verstaut werden?“ ist die wohl häugiste BU unter solchen Posts. Unterwegs liest man dann meistens weniger. Hier und dort mal eine Positionsangabe. Mehr kommt da nicht. Nach dem erfolgreichen Überqueren eines der Weltmeere wird die Postingflut dann wieder größer: Bilder von unterwegs, von gefangenen Fischen, von Sonnenauf- und untergängen, vom Land in Sicht und von den erneut rauschenden Festen nach dem Ankommen. Jedes Detail wird haarklein beschrieben. Nur eines nicht. Zwischen Ablegen und Ankunft sind die Vorräte immer kleiner geworden. Hunger und Durst leidet heute niemand mehr. Bilder von üppigen Mahlzeiten zum Bergfest nach zwei Wochen postet der stolze Smutje gern. Ich frage mich nur immer wieder: Wo ist eigentlich der ganze Müll gelandet? Klar, Lebensmittelreste gehen über Bord. Aber um diese

Lebensmittel war ja vor dem Verzehr was drum herum, auch Verpackung genannt. Wo bleiben all die Blechbüchsen, Plastikverpackungen, Einschweißfolien, Aluminiumdeckel? Darüber verliert irgendwie niemand ein Wort. Bei der allgemeinen Postingwut sollte man doch Bilder und Texte zu diesem Thema finden. Müll auf Langfahrt muss ein großes Problem darstellen. Konservendosen müssen ausgespült werden, sonst stinkt das Zeug nach Wochen wie die Pest. Auch eine Vakuumverpackung mit Resten muss sauber gemacht werden oder zumindest luftdicht verpackt werden, wenn sie nicht zur Last fallen soll. Glasflaschen fallen in Massen an. PET erst recht. Große Yachten jenseits der 50 bis 60 Fuß verfügen meistens über Müllpressen. Auf Segelyachten über zwölf Metern muss laut DSV ein Merkblatt über die MARPOL-Anlage V, die die Entsorgung von Müll regelt, ausgehängt werden. In diesem Merkblatt ist klar geregelt, dass sämtlicher Verpackungsmüll, auch Glasflaschen, nicht über Bord gehen darf. Wo bleibt das ganze Zeug also? Es ist nur schwer vorstellbar, dass Segler, die ja naturverbunden sind, ihre Abfälle ins Meer werfen. Denn jeder sieht bei ruhigen Bedingungen auch die ständigen Müllinseln draußen auf See, weiß also um die Folgen. Dennoch schwebt bei mir oftmals ein ungutes Gefühl mit, wenn ich Berichte lese und dieses Thema verschwiegen wird. Ich denke dann immer: „Die werden doch wohl nicht…“ Nee, sicher nicht ...

Stephan Boden, Buchautor, Filmemacher und Initiator der Bente24. Stephan, aka DiggerHamburg verbringt seit 2012 jeden Sommer auf dem Boot.

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113 KOLUMNE RECHT

GRUNDBERÜHRUNG

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as Wort Grundberührung klingt eigentlich harmlos. Sie kann harmlos sein, aber auch lebensgefährlich. Entsprechend unterschiedlich ist die juristische Sicht, wenn die berühmten drei Zoll Wasser unter dem Kiel fehlen. Wir müssen an dieser Stelle nicht darüber reden, was passiert, wenn eine Yacht im flachen Hafen mal im Schlamm oder Sand wühlt. Dem Wortsinn nach ist dies natürlich auch eine Grundberührung, sie löst aber keine juristischen Folgen aus. Dramatischer wird es, wenn der Anstoß heftiger war. Häufig sind es gerade die Fälle, bei denen es ohne Wassereintritt scheinbar noch einmal gut gegangen ist, die die Rechtsanwälte beschäftigen. Es ist unbedingt anzuraten, in solchen Fällen hohe Sensibilität walten zu lassen. Eine gründliche Kontrolle des Schadensbereiches sollte nicht mit einem flüchtigen Blick in die Bilge enden. Die Demontage von einigen Bodenbrettern und das Abtauchen des Kielbereiches sind in vielen Fällen anzuraten. Bei Segelyachten mit herkömmlichen Kielformen ist besonders der Bereich der Bodenwrangen beziehungsweise Strongback auch vor und hinter der Kielaufhängung gründlich zu untersuchen. Hinweise auf härtere Anstöße können sich auch aus feinen Rissen im Fußbereich der Einbauten ergeben. Schon geringe Veränderungen können Hinweise auf kostenträchtigen Reparaturbedarf darstellen. Bei den geringsten Zweifeln sollte die Kaskoversicherung zumindest vorbeugend informiert werden. Klug ist, das Schiff vielleicht doch in den nächstbesten Kran zu hängen oder einer Werftkontrolle zu unterziehen. Häufig werden derartige vorsorgliche Untersuchungen von der Versicherung getragen, die immer an einer Schadensminderung respektive -früherkennung interessiert ist. Lässigkeit bei dem Thema Grundberührung kann erhebliche finanzielle Folgen haben. Wenn der Umfang des Schadens erst klar wird, wenn das Schiff im Herbst ins Winterlager kommt, ist es häufig für eine Schadensmeldung an die Versicherung zu spät. Die Juristen sprechen dann von der Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, und die kann nach § 28 VVG genauso wie falsche Angaben über Zeit und Ort eines Unfalls

zur Verweigerung der Regulierung führen. Die Versicherung kann sich nach der sogenannten Relevanztheorie des Bundesgerichtshofes auf die Obliegenheitsverletzung jedoch nur berufen, wenn die verspätete Schadenanzeige typischerweise dazu führt, dass Ursache und Hergang des Schadensereignis schwerer aufklärbar sind. Dies dürfte in den meisten Grundberührungsfällen zutreffen. Ganz problematisch wird es, wenn der Kunde der Versicherung nicht mehr genau sagen kann, wann und wo der Aufsitzer stattfand. Ein Versicherungsfall setzt immer ein plötzliches, aber konkretes Ereignis voraus. Das sollte mit allen Begleitumständen wie Ort, Zeit, Wetter, Wind, Strömung, Kurs, Geschwindigkeit und Zeugen im Logbuch vermerkt sein. Das Fehlen solcher Informationen oder widersprüchliche Angaben würden auch eine Obligenheitsverletzung darstellen und können den Versicherer zur Ablehnung veranlassen. Doch selbst bei ordnungsgemäßer Schadenmeldung kann das weitere Benutzen des Bootes ohne ausreichende Kontrolle zu Problemen führen. Wird der Schaden erst im Winterlager festgestellt, ist ein breiter Diskussionsraum über die Ursache eröffnet. Hellseherische Fähigkeiten sind gefragt, wenn es darum geht, inwieweit der Schaden durch den Unfall und inwieweit er durch die Weiterbenutzung entstanden ist. Kein Sachverständiger wird dies wirklich genau sagen können. Die Folge ist ein Gefeilsche zwischen 20/80 und 80/20. Auch nur 20 Prozent Selbstbeteiligung wären ein teurer Preis für den lässigen Umgang mit der Grundberührung. Um solchen Stress zu vermeiden, untersuchen die professionellen Chartergesellschaften jede Yacht bei Rückgabe meist durch Taucher im Hafen. Das ist auch bei privater Gelegenheitsvercharterung unbedingt anzuraten. Noch dramatischer wird die Geschichte, wenn der Freund, dem die Yacht nur mal geliehen war, den Bums mitzuteilen vergisst. Verschweigt der Nutzer den Schaden und zahlt die Versicherung deswegen nicht, hat der Eigner einen Anspruch gegen den Nutzer. Eine harte Belastungsprobe für die Freundschaft.

Rechtsanwalt Eckhard „Ecki“ von der Mosel berät viele Betriebe in der Wassersportbranche und hilft Eignern bei Stress mit Werften und Versicherungen. In seiner Freizeit engagiert er sich für die Seeregatten des Kieler Yacht-Club, darunter MAIOR, BlueRibbonCup und die Kieler Woche. www.vondermosel.de


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REISE

ZUM INHALT

WO LIEGT HAPPY ISLAND?

Schrift & Bild // Jochen Müssig/cpm-muessig@t-online.de

SOGAR DER HUMMER WIRD GEGRILLT AN BORD GELIEFERT. EIN SEGELTÖRN IM INSELSTAAT ST. VINCENT UND DIE GRENADINEN, EINEM DER BESTEN REVIERE DER WELT. 114


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Im Wettlauf mit Portugal um den Seeweg nach Indien wollte Kolumbus den Weg im Westen erschließen. Das Ziel seiner ersten Entdeckungsreise war eine Hafenstadt in China, das im damaligen Sprachgebrauch zu „Indien“ gezählt wurde.


REISE

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ohann ist der Ankermann. Lilly und Charlotte holen Fender sowie Leinen ein und Andale hat das Kommando: „Leinen los!“ Schnell bläht der Wind die Segel auf und die 15-Meter-Yacht schneidet ihren Bug ins tiefblaue Wasser. Mit der Nase im Wind geht es die nächsten sieben Tage zu den südlichen Inseln von St. Vincent and the Grenadines. Die Regeln an Bord sind einfach: 1. Recht hat immer der Kapitän. 2. Sollte er nicht recht haben, tritt Regel eins in Kraft. 3. Die Tagesetappen und das Programm bestimmen aber die Passagiere: Wird gesegelt oder mit Motor gefahren? Mehr geankert und geschwommen oder weiter gefahren? Der Kapitän sagt dazu nur, ob die Pläne machbar sind, und gibt Ratschläge. Die kleine Gruppe zeigt sich flexibel. Petit St. Vincent bleibt steuerbord liegen: Am Horizont glitzert eine einsame Sandbank und weckt Begierden ... Mopion heißt das unbewachsene Sandgebilde. Ein einzelner, fest betonierter Palmstrohsonnenschirm zeigt an, wie sich der Sand verschiebt. „Mal steht der Schirm rechts, dann steht er wieder links“, erzählt Skipper Andale beim Picknick auf diesem 50 Meter langen Sandflecken im Karibischen Meer. Eine Filmcrew, die auf Mopion einen Werbespot drehte, hatte ihre liebe Müh’ und Not, denn der Dreh dauerte drei Tage und an jedem Tag sah die Sandbank in ihrer Form komplett anders aus.

Das eigentliche Ziel der in Deutschland gebauten, schneeweißen Bavaria-Segelyacht mit dem verführerischen Namen MY MISTRESS heißt Happy Island, eine von insgesamt 33 Inseln des seit 1979 unabhängigen Karibikstaats St. Vincent und die Grenadinen. Die meisten Yachties stechen wegen der guten Anbindung nach Frankfurt vom Nachbarstaat Grenada in See. Einige besuchen deshalb auch die zu Grenada gehörenden Inseln Carriacou und Petit Martinique, wo man am Strand zuschauen kann, wie aus feinem Zedernholz Boote und Schiffe handgefertigt werden. Aber alle wollen nach Happy Island ... „Kämpfe nicht mit der Yacht“, empfiehlt Andale nach Garnelensandwich mit Mango. „Gehe sanft und streng zugleich mit ihr um – wie mit einer Frau.“ Macho Andale spürt die strafenden Blicke von Lilly und Charlotte, lenkt also schnell und charmant ein: „Ich hab’ doch nur Spaß gemacht! – Aber ihr wisst jetzt, was ich meine, oder?“ Der Wind klatscht ins Segeltuch, die leichte Brise hat aufgefrischt und Andale deutet auf sein T-Shirt mit dem Motto: „Segle mehr, arbeite weniger.“ Palm Island, wo John Caldwell, den sie später Johnny Coconuts nannten, 1966 Hunderte von Palmen pflanzte, ehe er das erste Resort in den Grenadinen eröffnete, zieht vorüber und Union Island ist schon in Sicht.

Andale deutet auf sein T-Shirt mit dem Motto: „Segle mehr, arbeite weniger."

Schon Jahrhunderte, bevor Christoph Kolumbus im Jahr 1498 zum Sankt-Vinzenz-Tag die Insel St. Vincent erreicht hatte, war die Insel von den Arawak bewohnt. Die Arawak siedelten ab etwa 700 vor Christus hier, wurden aber um 800 nach Christus von den Kariben vertrieben. Kolumbus fand die Insel von Kariben beherrscht vor, die sie Hairoun, die „Heimat der Gesegneten“ nannten.

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REISE

Die Tobago Cays sind eine Gruppe von fünf kleinen Inseln östlich der bewohnten Insel Mayreau. Als Teil der Inselkette der Grenadinen gehören sie zum Staat St. Vincent. Geschützt werden die Inseln Petit Bateau, Baradel, Jamesby, die etwas südöstlich abgelegene Petit Tobac (Petit Tabac) und die rund sechs Hektar große Hauptinsel Petit Rameau durch ein Horse Shoe Reef.

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Dieses große Korallenriff umgibt vier der Inseln wie ein hufeisenförmiger Schutzwall und hält die Atlantikdünung weitgehend ab. Alle fünf Inseln sind unbewohnt, auch wenn hier aufgrund der Segeltouristen viele sogenannte Boatboys arbeiten.


REISE

Oben: Union Island ist eine der südlichsten Inseln der Grenadinen. Über den internationalen Flughafen wird nicht nur die Hauptinsel St. Vincent angeflogen, sondern auch Barbados und Martinique. Unten: Bequia ist die nördlichste Insel der Grenadinen. Sie ist rund 24 Kilometer von der Hauptinsel St. Vincent entfernt. Auf Bequia leben hauptsächlich Fischer und Bootsbauer, selbst der traditionelle Walfang wird auch heute noch betrieben.

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Union ist so etwas wie das Zentrum für Segler in dieser Ecke und trotzdem authentische Karibik: Im Dorf Clifton ersetzt der Tratsch die Zeitung, der Kirchgang ist obligatorisch und ein Gefängnis nicht vorhanden. Wer etwas vergessen hat, zu catern: Union hat alles! Baguette und Bier, sündhaft teures Gemüse, sogar einen für seine Handarbeit prämierten Schuster und vor allem das vorgelagerte Happy Island. Happy Island ist ein wortwörtlich anziehender Name. Vor sechs Jahren posierten auf der damaligen Sandbank vier Segler für ein Foto, freudestrahlend mit einem SOS-Schild, das sie in die Höhe hielten. Janti Ramagi wiederum, ein Rasta wie aus dem Bilderbuch und seines Zeichens damals Umweltbeauftragter von Union, hatte eine Aufgabe: Er sollte die Berge von gegessenen ConchMuscheln beseitigen, die sich an den Stränden der Insel auftürmten. Janti erinnerte sich an das Bild, dachte an eine SOS-Bar für Gestrandete wie die vier und baute aus den Muscheln Happy Island. Drei Tonnen Conchs brachte er dazu auf die Sandbank. Aus der ersten einfachen Hütte wurde langsam ein kleines Lokal, in dem heutzutage fast alle Yachties, die in der Gegend unterwegs sind, auf einen Rumpunsch oder einen Snack vorbeikommen. Rasta Janti lebt und liebt inzwischen auf seiner Glücksinsel, er raucht Marihuana wie andere Zigaretten und sagt: „Happy Island ist gebaut aus Muscheln, Muskeln und Intelligenz.“ Einer der Segler bot ihm mal eine Million US-Dollar für seine Insel, „aber wer verkauft schon sein eigenes Paradies?“

„Happy Island ist gebaut aus Muscheln, Muskeln und Intelligenz."

Auch die Salt Whistle Bay von Mayreau Island ist ein kleines Paradies, zumindest einer der besten Ankerplätze der Region. Sobald eine Yacht in das weite Rund der Bucht einläuft und die Ankerkette auf den Boden rasselt, taucht Mr. Bushman oder einer seiner Freunde auf: „Hummer gefällig? Klein oder groß?“ In jeder Hand zappelt ein Schalentier, im Rumpf des Kahns krabbeln weitere sechs Lobster. Lilly wählt sachkundig aus, Bushman bestätigt: „Okay, 30 Karibische Dollar pro Stück, gegrillt und mit Knoblauchbutter serviert. Ist acht Uhr okay?“ Bushmann verkauft seine Hummer nicht nur,


REISE

ZUM INHALT

wie in anderen Ankerbuchten üblich, sondern bereitet sie auch wunschgemäß zu. Das – so sagen sogar erfahrene Reisende – ist einmalig weltweit. Dazu ein kühler Weißer, das leichte Schaukeln des Bootes und die unzähligen Sterne am Himmel ... Während die Segler in Komfort und Romantik schwelgen, benötigen die Inselbewohner eben Ideen für ihr Auskommen. Die Felder der ehemaligen Baumwollinsel werfen nichts mehr ab. Dafür schenkt der Careenage Beach an der Ostküste tagtäglich aber so manches Wocheneinkommen. Dort treibt die immer gleiche Strömung jeden Tag kostbares Strandgut an: Dingis, Kanus oder Surfbretter und alles, was auf den Tobago Cays nicht richtig festgemacht wurde. So mancher Hobbysegler hat sein verlorenes Dingi in Mayreau wiedererstehen können. Ein Schelm, der glaubt, dass an so manchem Dingi nachts manchmal der Knoten etwas gelockert wird ... Der Sprung ins Meer am Morgen ist wie ein Eintauchen ins Glück. Und trotzdem gibt es noch eine Steigerung:

Anfang des 17. Jahrhunderts wurde die Inseln sowohl von Großbritannien als auch von Frankreich beansprucht. Die Herrschaft wechselte in den folgenden Jahrzehnten immer wieder zwischen den beiden Königreichen und den Kariben. Im Jahr 1783 trat Frankreich St. Vincent dann an Großbritannien ab.

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das Schwimmen mit Schildkröten in der unwirklich hellblauen Lagune der Tobago Cays. Sie ist das Wohnzimmer der Tiere und so mancher Strand das Kinderzimmer: Im warmen Sand vergraben die Schildkröten bis heute ihre Eier. Nicht nur deshalb sind die Tobago Cays ein Nationalpark und Must-see zugleich: Die Gruppe von vier kleinen, unbewohnten Inseln ist idealtypisch hufeisenförmig durch das Horse Shoe Reef geschützt und kommt der hautnahen Verwirklichung eines Tapetenposters gleich. Das in Sichtweite außerhalb des Riffs gelegene Petit Tabac hingegen könnte für jeden Inselwitz oder Piratenfilm die rechte Kulisse bieten: Bösewicht Barbossa setzt in „Fluch der Karibik“ den von Johnny Depp gespielten Captain Sparrow und die hübsche Elisabeth dann schließlich auch auf Petit Tabac aus. Es gibt ein paar Palmen, etwas Gestrüpp, eine weiße Sandbank, die sich wie eine Zunge ins Meer flätscht, und rundherum Wasserfarben von Hell- bis Tintenblau. Johann, Lilly und Charlotte sind sich einig: In den Grenadinen gibt es nicht nur ein Happy Island, sondern viele glückliche Inseln.


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Mayreau ist die kleinste bewohnte Insel der Grenadinen. Ihre Fläche beträgt gerade einmal rund vier Quadratkilometer. Die Insel hat nur eine Straße, die von der Saline Bay im Südwesten durch das Dorf Old Wall bis zur Salt Whistle Bay (im Bild) im Nordwesten führt.


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ZUM INHALT

Auf der Bühne ist er endlich wirklich frei, vollständig frei. Frei, zu tun, was er will. Und Filmemacher Lelouch, ungewöhnlich freimütig, überraschte Brels Nachwelt mit einem Bekenntnis voller Emphase: „Unter allen Männern, denen ich begegnet bin, ist Jaques Brel derjenige, der am meisten dem Mann gleicht, den ich Lust gehabt hätte zu heiraten, wenn ich eine Frau gewesen wäre.“ Eine fabelhafte Liebeserklärung, die Brels Gefährtinnen, allesamt gebrannte Kinder, wohl kaum nachvollziehen vermocht hätten.

JENS ROSTECK. AUS: BREL. DER MANN, DER EINE INSEL WAR. MAREVERLAG.

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