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No Show
NO-SHOW WAS TUN?
Gäste, die trotz Reservierung nicht erscheinen. Für immer mehr Gastronomie-Betriebe werden No-Shows zu einem existenziellen Problem: Denn wer schon eingeplant ist, aber nicht kommt, verursacht Personal- und Warenkosten, die oft zu „sunk costs“ werden, wenn der Tisch nicht anders belegt werden kann. Nun macht die Branche mobil –mit Stornogebühren, aber auch mit Aufklärung. Text: Jan-Peter Wulf
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Im Podcast „Fiete Gastro“ von und mit Tim Mälzer redet dessen Hamburger Kollege Fabio Haebel Klartext, als man auf das ema No-Shows zu sprechen kommt: Die Verbindlichkeit, auch wirklich zu kommen, die eine telefonische Reservierung einst gewährleiste, sei mit den Online-Reservierungen öten gegangen. Besonders perde: Oft würden Reservierungen im geschäftlichen Bereich parallel in gleich mehreren Restaurants vorgenommen, damit man beispielsweise den Gästen aus dem Ausland am Abend mehrere kulinarische Optionen bieten könne. Entschieden, wo es hingeht, werde dann quasi erst im Taxi. Haebel hat daher zusammen mit einigen anderen kleinen Hamburger Restaurants eine Blacklist erstellt – auf dieser stehen die Namen von Personen, die häuger parallele Reservierungen im Auftrag von Firmen vornehmen. Tauche bei Abgleich – Anruf beim Kollegen – ein Name mehrfach auf, dann sei man vorgewarnt.
Keine schöne, aber eine anscheinend notwendige Maßnahme, die die Hamburger Gastronomen treen mussten – für relativ kleine Restaurants wie das „hæbel“ kann ein Umsatzverlust durch ein No-Show einer Drei- oder Vierpersonengruppe, aber auch schon eines Pärchens schnell zu einem relevanten Problem werden. Der Umsatzausfall durch Gäste, die weniger als drei Stunden vor dem Essen oder gar nicht abgesagt hätten, habe 25.000 Euro betragen, so Haebel. Bei ihm werden nun 60 Euro pro reserviertem Platz fällig, wenn nicht fristgerecht abgesagt wird und der Platz nicht weitergegeben werden kann (für‘s Wochenende gibt es eine Warteliste, die man abtelefoniert). ILLU: ISTOCKPHOTO.COM
24 Stunden vor dem Essenstermin schickt das vom Restaurant genutzte Reservierungssystem eine Erinnerungsmail raus, wer sich darauf nicht meldet, wird telefonisch kontaktiert. Und selbst bei sehr kurzfristigen Absagen besteht noch die Chance, dass die Gebühr nicht bezahlt werden muss – wenn der Platz durch Walk-ins aufgefüllt werden kann. Mittlerweile ist die Quote der No-Shows auf 0,1 Prozent oder ganze sechs Gäste im Jahr gefallen – und das mit der schwarzen Liste hat sich laut Haebel fast erledigt. Er rät dazu, die Kreditkarte als Sicherheit zu nehmen: „Hat jeder! Und wer sich sträubt, hat eh nicht wirklich den Plan zu kommen.“
DAS MITEINANDER GESCHMEIDIGER MACHEN
Dass im geschäftlichen Bereich in verschiedenen Restaurants zeitgleich reserviert wird, kennt James Ardinast auch aus Frankfurt nur zu gut. Der Multi-Gastronom, der zusammen mit seinem Bruder David die Gastronomieszene Mainhattans maßgeblich prägt (s. FIZZZ 7/2019), ist auch zweiter Vorsitzender der „Initiative Gastronomie Frankfurt e.V.“. Der 2015 gegründete Zusammenschluss namhafter Betriebe möchte zu einer verbesserten und positiven öentlichen Wahrnehmung der Gastronomieszene beitragen und in diesem Sinne das Gewerbe attraktiver, gerechter und sicherer für nationale und internationale Gäste sowie Arbeitgeber und Arbeitnehmer machen, wie es auf der Webseite heißt (www.initiative-gastronomie.de). No-Show-Bekämpfung ist hier eines der aktuellen Reizthemen. „Das mit den No-Shows ist in den letzten ein bis zwei Jahren immer heftiger geworden“, so Ardinast. Als Gründe sieht er dafür zum einen die steigende Anonymität durch digitale Systeme, das wachsende gastronomische Angebot und die mitunter noch fehlende Wertschätzung für die Branche: „Gastronomie hat für manche immer noch etwas Halbschattiges, nach dem Motto: ,Die verdienen doch eh genug Geld‘.“ Doch die Realität sieht anders aus: Weil der gastronomische Kostenapparat immer größer wird, sei man auf eine optimale Auslastung angewiesen, um wirtschaftlich arbeiten zu können, so Ardinast. Einen hohen Sitzplatzumschlag zu erreichen, jeden Tisch pro Abend möglichst mehrfach zu belegen und ergo Reservierungen mit einem begrenztem Zeitfenster zu versehen, wird somit zunehmend zur „Default-Einstellung“, und ebenso: Stornogebühren bei Nichterscheinen.
Innerhalb der Frankfurter Initiative hat man mittlerweile für sich festgelegt, wie man gegen No-Shows vorgehen will (unverbindlich für die Mitglieder): Die Kreditkarten-Details werden abgefragt, und bis der Abendservice startet, kann der Gast ohne Kosten absagen. Danach wird eine Stornogebühr von – moderaten – 25 Euro pro reserviertem Platz fällig. In dieser Höhe kann man freilich nicht von einer Kostenübernahme sprechen, es ist maximal ein kleiner Deckungs
5 TIPPS ZUR REDUKTION VON NO-SHOWS
1. Analysieren: Wie groß ist das Problem in meinem Betrieb?
2. Handeln: Kreditkartendaten abfragen, ggf. Stornogebühr einführen
3. Informieren: Gäste auf die Notwendigkeit der Maßnahme aufmerksam machen (Webseite, Reservierungssystem, persönlich)
4. Telefonieren: Vor dem Termin Wünsche abfragen (Service- statt Kontrollanruf)
5. Auffüllen: Bei kurzfristigen Absagen freie Tische mit Walk-Ins oder Warteliste besetzen
Der DEHOGA hat das (für Nichtmitglieder kostenpflichtige) „Merkblatt No-Shows in der Gastronomie“ veröffentlicht. Es schildert auch den rechtlichen Hintergrund und hält Muster-Stornierungsbedingungen bereit. Zu finden unter:
www.dehoga-shop.de
beitrag. Aber der Betrag sei bewusst gewählt, so Ardinast: „Wir wollen eine Sensibilität schaffen: No-Shows bedeuten Kosten für uns. Und wir wollen das Miteinander von Gastgeber und Gast geschmeidiger machen. Bisher stoßen wir auf viel Verständnis.“
„MENSCHLICHE STIMME IST WICHTIG“
Seine No-Show-Rate auf nach eigenen Angaben null Prozent heruntergedrückt hat der Berliner Koch und Gastronom Gal Ben Moshe vom „Prism“ – im zweiten Anlauf. Anfangs hatte er mit einer Vorab-Gebühr von 15 Euro, quasi einer Anzahlung, versucht, Verbindlichkeit in die nahezu ausschließlich digital erfolgenden Buchungen zu bekommen. Diese Gebühr erhob er aber nur fürs Wochenende. Eekt: Weniger Reservierungen am Wochenende, kontraproduktiv. Auch er ist jetzt auf eine Stornogebühr umgestiegen, sie beträgt 80 Euro und liegt damit fast auf der Höhe des Sechsgangmenüs des Levante-Restaurants – die Gebühr im Berliner Restaurant „Nobelhart & Schmutzig“ beträgt sogar 95 Euro bzw. 120 Euro am Wochenende, das entspricht dem vollen Menüpreis. Damit dieser Betrag gar nicht erst erhoben werden muss – denn Gästeverbundenheit schat er freilich nicht – setzt Gal Ben Moshe auf persönliche Kommunikation: Neben der E-Mail-Erinnerung, die an die Reservierenden rausgeht, greift das Restaurantteam kurz vor dem Termin auch persönlich zum Hörer und fragt dabei ab, ob die Gäste bestimmte Wünsche haben, ob es sich um einen besonderen Anlass wie einen Geburtstag handelt und ob man gegebenenfalls etwas Besonderes vorbereiten darf. So wird aus dem Kontrollanruf eine Serviceleistung für den Gast. „Das macht Arbeit, aber die ist es denitiv wert“, so der Chef, „und es ist wichtig, dass die Leute eine menschliche Stimme hören: Dann merken sie, es geht hier nicht um ein Buchungssystem, sondern ein Restaurant, mein Restaurant.“
DIGITALE INTELLIGENZ GEGEN KURZFRISTIGE ABSAGEN
Während sich, wie die Beispiele zeigen, das No-Show-Problem mit Stornogebühren einigermaßen in den Gri bekommen lässt, ist ein anderes Problem weiterhin virulent: das der kurzfristigen Absagen. Vivien Richter ist Gründerin des Berliner Startups Seatris, das eine digitale Lösung für OnlineReservierung, Tischverwaltung und Umsatzsteigerung entwickelt hat. Sie schätzt, dass die durchschnittlichen kurzfristigen Stornierungsraten in der deutschen Gastronomie bei 10 bis 20 Prozent liegen. „Das bedeutet, dass zum Teil etwa 20 bis 30 Prozent des Geschäfts wieder umgeplant wird und stets unsicher bleibt in der Kalkulation“, so Richter, die zuvor u.a. Restaurantleiterin im ehemaligen Restaurant „Reinsto“ gewesen ist.
Mit Seatris lassen sich nicht nur Reservierungs- und Bezahlvorgänge digitalisieren. Auch eine profunde Datenanalyse ist möglich, mit der sich das Gästeverhalten pro Outlet beleuchten lässt – z.B. wie viele Tage im Voraus Buchungen durchschnittlich getätigt werden, wann die Gäste im Durchschnitt wieder absagen etc. „So können wir dem Gastronomen die Chance geben, seine Marketingaktivitäten in Zukunft besser und zielgerichteter auszusteuern“, so Richter. Das datengetriebene Revenue Management, wie man es aus der Hotellerie kennt, wird ihrer Meinung nach auch die Gastro-Branche in Zukunft stärker beschäftigen: „Da geht die Reise hin.“ Und gleichzeitig lässt sich so manch kostspieliges Nichterscheinen – und vielleicht auch Spätabsagen – unterbinden, indem beherzt zum Hörer gegrien wird. W