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Ersatzklemme aus dem 3D-Drucker
from 50,2 - 6/2020
by sig-media
Der schweizerische Versorger und Netzbetreiber Axpo Grid AG hat in einem Pilotprojekt eine Anschlussklemme für ein 50-kV-Leiterseil additiv gefertigt. Mechanisch und elektrisch ist sie gleichwertig zum Original. Mit dieser Technologie können Ersatzteile bei Bedarf schnell hergestellt werden.
Das überregionale Verteilnetz der Axpo AG auf 50- und 110-kV-Ebene besteht aus 2.200 Kilometer Leitungen und 50 Unterwerken in der Nordostschweiz. Es wird nach dem n-1-Prinzip betrieben: Wenn ein Element im Netz ausfällt, übertragen redundante Leitungen den
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Strom.
Das Netz ist dann natürlich gegen weitere Ausfälle ungeschützt – manchmal wird eine ganze Region nur noch über ein einzelnes Element gespeist. Würde dieses ebenfalls ausfallen, käme es zu einem regionalen Stromausfall. Das defekte Element muss deshalb so rasch wie möglich repariert oder ersetzt werden. Dies ist kein Problem, wenn es an Lager ist. Wenn aber ein
Ersatzteil bei einem Hersteller nachbestellt werden muss, wird es schwierig, denn die
Installationen sind oft 30 oder 40 Jahre alt.
Lieferzeiten von einigen Wochen bis zu Monaten sind daher
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Für die Ersatzklemme wurde dieselbe Aluminiumlegierung AlSi10Mg genutzt, die auch für Gussteile eingesetzt wird. (Foto: Guido Santner)
nicht ungewöhnlich, wenn der Lieferant beispielsweise ein Gussteil nachbauen muss. Hinzu kommt, dass Axpo aus historischen Gründen in den Unterstationen Anschlussbolzen mit einem unüblichen Durchmesser einsetzt, an den beispielsweise Leiterseile mittels Klemmen angeschlossen werden. Abgangsklemmen müssen deshalb speziell für Axpo hergestellt werden.
ADDITIVE FERTIGUNG IN ZWEI TAGEN In einem Pilotprojekt wurde daher untersucht, ob es möglich ist, Ersatzteile additiv zu fertigen – einfach gesagt mit einem 3DDrucker für Metall. Abgangsklemmen wurden früher aus Bronze gegossen. Heute wird mit AlSiMg meist eine Legierung auf Aluminium-Basis verwendet. Sie ist leichter als Bronze und eignet sich für additive Verfahren wie das Lasersintern. Hier wird das Bauteil in einem Pulverbett hergestellt: Ein Laser schmilzt das Metallpulver dort auf, wo das Bauteil wachsen soll. Schicht für Schicht wird nun Pulver hinzugefügt und mit dem Laser selektiv aufgeschmolzen. „Auf den ersten Blick scheint es keinen Nutzen zu bringen, ein massives Metallstück wie eine Ersatzklemme additiv zu fertigen“, sagt Timo Stiefel, Projektingenieur für Primärtechnik bei der Axpo Grid AG. „Wenn aber wie im Unterhalt von Schaltanlagen rasch Einzelstücke benötigt werden, bietet die additive Fertigung einen großen Vorteil: Das Ersatzteil steht schon nach wenigen Tagen zur Verfügung.“
Der eigentliche 3D-Druck dauerte zwei Tage. Inklusive Vorbereitung der Daten und Nachbearbeitung des Werkstücks dauerte die Herstellung der Klemme rund eine Arbeitswoche. Bereits mit der heutigen Technologie kann ein Ersatzteil bei einem Störfall damit innerhalb weniger Tage gefertigt und eingebaut werden.
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KOOPERATION MIT SPEZIALISTEN Im Projekt arbeitete Axpo mit der Forschungsgesellschaft Inspire zusammen, die im Bereich der Produktionswissenschaften auf den Know-how-Transfer von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in die Industrie spezialisiert ist und in der additiven Fertigung viel Erfahrung hat. Inspire erstellte zuerst einen 3D-Scan der Anschlussklemme, die in der Unterstation Grynau bei Uznach in der Schweiz getestet werden sollte. Die Originalklemme war für ein Leiterseil mit 17,5 mm Durchmesser ausgelegt. Da die Klemme im Unterwerk für ein Seil mit 26 mm Durchmesser eingesetzt werden sollte, passte Inspire die
Die Messung des Übergangwiderstands zeigt, dass die additiv gefertigte Abgangsklemme genau gleich wie konventionell gefertigte Klemmen eingesetzt werden kann. (Foto: Albert Raymann) Die Leiteranschlussklemme aus dem 3D-Drucker wurde in der Unterstation Grynau eingebaut. (Foto: Albert Raymann)
CAD-Daten der Klemme nach dem Scan an den größeren Durchmesser an. Weitere geometrische Anpassungen wurden vorgenommen, um die Struktur besser an die Anforderungen des 3D-Drucks anzupassen.
Bevor das Bauteil in der Unterstation Grynau eingebaut wurde, maß die Interstaatliche Hochschule für Technik (NTB) in Buchs die Leitfähigkeit des additiv gefertigten Aluminiums. Dazu wurden rechteckige Stifte als Materialproben gleichzeitig mit der Hauptklemme gefertigt. Da beim 3D-Druck das Material in Schichten aufgetragen wird, wurden sowohl liegende als auch stehende Stifte als Materialproben hergestellt. Die Leitfähigkeit der liegenden Stifte ist mit 19.0 · 10 6 S/m nur geringfügig kleiner als die 22.1 · 10 6 S/m der stehenden Materialproben, womit diese Werte gut mit denjenigen von gegossenem AlSi10Mg vergleichbar sind (18.0 · 10 6 S/m bis 23.5 · 10 6 S/m). Übliche Bronze weist eine vergleichsweise schlechte Leitfähigkeit von unter 10 · 10 6 S/m auf. Durch eine Wärmebehandlung konnte Inspire die Leitfähigkeit der Klemme nochmals verbessern: Sowohl die liegenden als auch die stehenden Proben erreichen nun eine Leitfähigkeit von 31.7 · 10 6 S/m.
Die Projektverantwortlichen verweisen auf einen weiteren wichtigen Aspekt, die vergleichsweise grobe Oberfläche des Materials nach dem Lasersintern. Oft müssen Oberflächen nach dem 3D-Druck nachbearbeitet und geschliffen werden. Bei dieser Anwendung hat die raue Oberfläche sogar einen Vorteil: In herkömmlichen Klemmen werden Rillen in die Kontaktoberflächen eingefräst, damit es klare Punkte mit erhöhter Kontaktkraft gibt, die die Korrosionsschicht durchstoßen. Durch die raue Oberfläche beim 3D-Druck erübrigt sich dies. Hier gibt es bereits die nötigen Kontaktpunkte.
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PROBLEMLOSER EINBAU Nach den Tests wurde die Klemme schließlich im Unterwerk Grynau in die 50-kV-Doppelleitung nach Niederurnen eingebaut. Das Pilotprojekt wurde ohne Zeitdruck ausgeführt und die Klemme an einer Leitung getestet, deren Ausfall keine Auswirkung aufs Netz hätte. Der Einbau lief problemlos. Die Messung vom Übergangswiderstand der eingebauten Klemme zeigt vergleichbare Werte zu klassisch gefertigten Klemmen.
IN ZUKUNFT DIGITALES LAGER? Jörg Kottmann, Leiter Asset Management bei der Axpo Grid AG, zieht ein positives Fazit: „Das Pilotprojekt beweist, dass es möglich ist, Netzelemente im additiven Verfahren herzustellen und einzusetzen.“ Von kritischen Betriebsteilen wie den Klemmen will Axpo nun die 3D-Daten erfassen – vor allem dann, wenn keine Ersatzteile verfügbar sind. So kann im Bedarfsfall schneller reagiert werden. „Für einen flächendeckenden Einsatz, um etwa die Lagerkosten zu reduzieren, ist die Technologie momentan noch zu teuer“, so Kottmann weiter. Da sie sich jedoch weiterentwickelt, beabsichtigt Axpo, bei künftigen Beschaffungen 3DDaten von Betriebsmitteln einzufordern und strukturiert abzulegen. (pq)
Axpo Grid AG, CH-5041 Baden, Albert Raymann,albert.raymann@axpo.com, Jörg Kottmann,joerg.kottmann@axpo.com, Timo Stiefel,timo.stiefel@axpo.com INSPIRE AG/icams, CH-9014 St. Gallen, Adriaan Spierings,spierings@inspire.ethz.ch, Rico Weber, weber@inspire.ethz.ch