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Adolf Pöll: Vatikan in der Pfarre Witu-Kipini (Kenia)

Adolf Pöll, Missionshaus, Brixen

Vatikan in der Pfarre Witu-Kipini

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Wie oft haben wir die Bewohner von Siendemke wegen ihres Namens gehänselt! Welch ein Name! Übersetzt bedeutet Siendemke: „Für Frauen kein Zutritt.“

Oben:

Die Gemeinde versammelt sich zum Wortgottesdienst. Zurzeit meiner Versetzung an die Küste von Kenia vor 22 Jahren war das Gebiet um Witu, unserer jetzigen Pfarre und Missionsstationen, dichtes Buschland. Paviane und Affen aller Arten tanzten auf den wilden Palm- und Affenbrotbäumen umher. Tiefer drinnen im Wald, bis hinauf nach Somalia, weideten Herden von Büffel, Elefanten, Giraffen und Zebras. Eine Stelle dieser Wildnis heißt „Lango la simba“, übersetzt „Tor zu den Löwen“. Ungefähr 20 km weiter drinnen im Wald befindet sich die Siedlung der Waboni, einer Volksgruppe von Jägern. Sie leben hauptsächlich vom jetzt verbotenen Jagen und Honigsammeln. Ausgehöhlte Baumklötze hängen auf dicken Ästen, wo die Bienen ihre Honigwaben ausbauen. Ganz allein und mit einem Buschmesser in der Hand mache ich meinen ersten „mutigen“ Spaziergang in dieser Gegend. Das halbmeterlange Buschmesser hilft mir, durch den Wald zu dringen: recht zu widere Dornenäste muss ich wiederholt entfernen, um im Dickicht weiterzukommen. Plötzlich höre ich aus der Ferne Männerstimmen. Also bin ich nicht allein! Ich nähere mich. Da – ein Lagerfeuer und darauf eine wuchtige Keule Fleisch. Ein halbes Duzend Männer, kläglich bekleidet, sitzt im Gras. Laut und fröhlich ist ihre Unterhaltung. Jeder hält einen Becher in der Hand und schlürft vergnügt den soeben geernteten Palmwein.

Wie ich da so plötzlich vor ihnen stehe, schrecken sie auf und wollen davonlaufen. Einer aber spricht mich an: „Mzungu (= Weißer), was machst denn du hier?“ Ruhig setze ich mich ins Gras und beschwichtige sie: „Ich

bin nur der Pater von der Mission.“ Nun lachen alle erleichtert und laden mich ein, selbst aus einer Schale den noch frischen, ungegärten Palmensaft zu kosten. Dann schneiden sie für mich ein Stück gut gebratenes Fleisch herunter. „Lass es dir schmecken!“ Palmwein hatte ich schon des Öfteren getrunken, aber bei diesem Stück Pavian-Fleisch muss ich mich schon überwinden. Es schmeckt süßlich.

„Siendemke“ zu „Vatikan“

Wie kam es zu dieser Namensänderung? Einer der Männer, mit denen ich damals im einsamen Wald Bekanntschaft geschlossen hatte, ist unser heutiger Katechist Charles Kialo. Er hat sich mit vielen weiteren Bauern hier im Dickicht rund um Witu angesiedelt. Sie haben den Wald von Dornengestrüpp gerodet und mitten im Wald ein neues Zuhause gefunden. Diese Familien kommen aus allen Gegenden von Kenia. Viele von ihnen sind Flüchtlinge im eigenen Land. Stammeskämpfe und Familienfeindschaften haben sie genötigt, hier im noch immer schwach besiedelten, aber höchst unwirtlichen und vernachlässigten Gebiet ein neues Leben aufzubauen.

Auch unser Katechist Charles hat ein großes Stück Buschland gerodet. Aus den zähen Dornpfosten baute er sich sein Haus und gleich daneben eingezäunt das Lager seiner etwa 30 Ziegen. Bei der Feldarbeit – sprich: Ernte – hat er großes Pech. Wann immer er etwas pflanzt, kommen untertags die Paviane und des Nachts die Büffel. Das meiste wird von Wildtieren zerstört. Die magere Ernte reicht dann

Für die lebendige Teilnahme am Gottesdienst sorgt der Katechist Charles Kialo.

Bischof Willybard von Malindi ist auf Pastoralbesuch und betritt die Dorfkirche „Vatikan“. nicht mehr für seine zehnköpfige Familie. So ist Charles gezwungen, hier und dort Tagesschichten bei Maurern und Handwerkern zu suchen. Die größeren seiner Kinder gehen in die Missionsschule, wo der Missionar für sie das Schulgeld bezahlt. Die Kleinen werden daheim von der Mutter Aisha betreut. Manchmal gelingt es Charles, dem Katechisten, des Nachts ein Stück gewildertes Wildschwein mit heimzubringen.

Charles ist ein vortrefflicher Sänger. Auch bei den nächtlichen Bierpartien mitten im Wald schallen seine rhythmischen Lieder in die ansonsten ruhige Nacht. Eines Tags kommt Charles zu uns in die Missionsstation: „Pater, in Siendemke haben wir begonnen, eine Kirche zu bauen. Schon haben wir die Pfosten aus Mipingu-Holz zusammengetragen. Diese Stämme sind eisenhaltig und faulen nicht. Sogar die Termiten können ihnen nichts anhaben. Es fehlt nur noch das Blechdach. Können Sie uns das nötige Wellblech besorgen?“ Später werden sie die Kirchenwände mit frischem Lehm ausfüllen. Die nötige Vorarbeit hat Charles schon geleistet.

Eine Gruppe von Männern und Frauen seien beim Lernen des Katechismus sehr eifrig. Ja, er glaube, sie könnten nach ein paar Monaten getauft werden. Unter ihnen seien auch seine früheren Trunkenbolde. Sein großer Plan: erst einmal die Kirche bauen und dann ein großes Fest organisieren, bei dem die Buschkirche gesegnet und die Täuflinge in die Kirche aufgenommen werden sollten. Bereits hätten sie drei Ziegenböcke als Festmahl bereitgestellt. Und stolz fügt er hinzu: „Und die vierte Ziege spendiere ich als Katechist!“

Einige Wochen später tagt in der Pfarre Witu-Kipini der Pfarrgemeinderat. Katechist Charles Kialo bringt nun seinen Plan als Thema vor die Versammlung und zwar: „Ich schlage vor, den Namen der Außenstation ‚Siendemke‘ zu ändern.“ – „Was meinst du damit?“, wird er gefragt. Seine Gegenfrage lautet: „Versteht

ihr immer noch nicht, was der Name ‚Siendemke‘ bedeutet? Das bedeutet doch: ‚Für Frauen kein Zutritt!‘ Das passt doch schon seit langem nicht mehr. Bei uns in Siendemke wohnen jetzt viele Frauen und Kinder. Wir sind viele nette Familien.“

Und Charles Kialo fügt gleich hinzu: „In drei Wochen halten wir bei uns ein großes Fest. Wir laden dazu die ganze Pfarre Witu-Kipini ein. Wir werden 22 Männer und Frauen taufen und dabei unsere Kirche segnen.“ – „Das ist schön!“, beobachtet jetzt Silas, unser Präsident im Pfarrgemeinderat; „aber wie wollt ihr dann ‚Siendemke‘ umtaufen?“ Charles platzt freudig und ganz überzeugt hervor: „Wir haben einen schönen und heiligen Namen ausgesucht. Von jetzt an heißt unsere Außenstation ‚Vatikan‘.“

Wir alle sind überrascht. „Vatikan, der heilige Ort, wo der Heilige Vater wohnt!? Nein! Nein, das geht nicht!“ – „Und warum nicht?“, entgegnet er. „Vatikan heißt unsere Station, daran ist nicht mehr zu rütteln. Noch vor einigen Jahren waren wir Männer damit beschäftigt, auf die Mikoma Bäume zu klettern, um dort oben Palmwein anzuzapfen. Wir waren noch Trunkenbolde, jetzt aber gehen wir Männer fast geschlossen in die Kirche. Also: wir laden die ganze Pfarre ein, zur Eröffnung und Segnung unserer neuen Kirche zum ‚Vatikan‘ zu kommen.“ – Und: Vatikan heißt diese unsere stolze Außenstation heute noch.

Bischof Willybard lässt sich vom Katechisten Charles Kialo die Geschichte der kleinen Gemeinde erzählen.

Kenia: Die Herausforderung der Seminarausbildung

Erzbischof Muhatia ermutigte die Menschen guten Willens in Kenia, die Ausbildung von Seminaristen finanziell zu unterstützen, da die Mittel aus ausländischen Quellen schwinden. „Früher hat sich die Ausbildung unseres Klerus ganz auf die Unterstützung des Heiligen Vater verlassen“, sagte er und fügte hinzu, dass sich dies ändern werde, da die Mittel des Papstes zurückgehen. „Was passiert, wenn die Mittel ganz wegfallen? Entweder schicken wir unsere Seminaristen nach Hause oder suchen nach einem anderen Weg, sie auszubilden. Wir müssen selber Sorge tragen, weil die externen Quellen versiegen und eines Tages zu Ende gehen werden.“ Fides-Nachrichtendienst

Bei Geldüberweisung, bitte, Namen und volle Anschrift nicht vergessen. Sonst ist ein Dankschreiben unmöglich.

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