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Konrad Willeit: Borneo – die ersten Josefs-Missionare

Aller Anfang ist mühsam

Die Pfarre Long San: rechts die neue Kirche, links das Pfarrhaus. Long San war das Einsatzgebiet des verstorbenen Bruders Albert Rottensteiner (Nachruf im vorigen Missionsboten). ¦ Konrad Willeit, Vinzentinum, Brixen

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Der Wind hatte sich mächtig gedreht, ebenso die Machtverhältnisse in der umkämpften Inselwelt zwischen Singapur und den Philippinen. Vergeblich hatte Msgr. Quarteron versucht, Labuan und Nordborneo für die spanische Krone zu sichern; doch die erfolgreichen Handelbeziehungen mit Honkong stärken den Einfluss Englands in der Region.

Möglicherweise hatte Bischof Herbert Vaughan, der Gründer der St. JosefsMissionare, visionär auch diese politische Entwicklung im Auge, als er in den späten 1870er Jahren vehement darauf drängt, seine Missionare nach Borneo zu schicken. Als Engländer konnte er nämlich im Kielwasser der Britischen Entdecker und Beamten schwimmen und mit Recht auf Unterstützung des britischen Königreiches hoffen. Tatsächlich betreten im Sommer 1881 vier Josefs-Missionare voller Enthusiasmus, Unternehmungsgeist und erfüllt von missionarischem Eifer die Insel Borneo. Zwei bleiben in Sarawak und machen sich sofort an den Aufbau neuer Missionsstationen. Zunächst in Sibu, wenig später am Rejang Fluss in Kapit und Kanowit, während der junge Daniel Kilty und der designierte Apostolische Präfekt, Thomas Jackson, sich in Labuan den Herausforderungen stellen – und deren gibt es jede Menge.

Die Missionare aus England werden zwar vom britischen Verwalter, Raja Charles Brooke, in Sarawak herzlich willkommen geheißen und mit einem feinen Stück Land beschenkt, wo sie die erste Missionsstation errichten können. Es zeigt sich aber bald, dass die Interessen beider Seiten nicht deckungsgleich sind. Die einen haben Mission, Christianisierung, Schulbildung und Hilfe für kranke und ausgebeutete Eingeborene im Sinn. Ihr Hauptaugenmerk gilt der „Rettung der Seelen vor Tod und Teufel“. Aus

dem tiefen Glauben an Gott und Jesus Christus schöpfen sie ihre Kraft und Motivation, unvorstellbare Schwierigkeiten zu überwinden. Die kolonialen Behörden andererseits hoffen, die Missionare nutzen zu können, die Stammeskämpfe und die Revolten gegen die Kolonialmacht zu befrieden. Die Missionare sollen die in den Urwäldern verstreuten Familien in Dorfgemeinschaften zusammenführen und überzeugen, sesshaft zu werden und ihre gewohnte Wanderwirtschaft aufzugeben. Denn Sesshafte kann die Regierung leichter kontrollieren als Menschen, die immer wieder weiterziehen, um fruchtbareren Boden und reichere Fischgründe zu suchen.

Auf Labuan streckt der neue Apostolische Präfekt, Thomas Jackson, seine Fühler aus, wie und wo er das Missionswerk am besten über Borneo ausbreiten könne. Zur selben Zeit weilt der Austro-ungarische Weltenbummler und Abenteurer Franz Xaver Witti auf Labuan. Er ist Entdecker und Forscher und berät die Britische Regierung in Sachen Kolonialisierung. Er gibt Jackson im November 1881 den Hinweis, dass die Mission unter den Volksstämmen der Kadazan und Dusun auf der Hauptinsel wahrscheinlich den meisten Erfolg bringen könnte. Er hält Orte in der Nähe der Mündung des Papar-Flusses und die Gegend am Tampassuk, am Fuße des Mount Kinabalu, als geeignetste Plätze für eine Missionsstation.

Noch im selben Monat brechen die Missionare auf: Kilty an den Papar Fluss und Jackson weiter nördlich in die Gegend am Tampassuk, rund um das heutige Kota Belud. Um einen ungefähren Überblick über sein Missionsgebiet zu bekommen, reist Jackson weiter nach Osten. Es ist auch belegt, dass er im Mai 1882 an der offiziellen Eröffnungsfeier der „British North Borneo Chartered Company“ (BNBC) in Sandakan, an der Ostküste Nordborneos teilnahm.

Die Karte zeigt vom heutigen Staat Malaysia den nördlichen Teil der Insel Borneo, genannt Sabah; an der Küste die Provinzhauptstadt Kota Kinabalu, früher Jesselton; südlich an der Küste liegt Labuan, an der NO-Küste Sandakan.

Eine Strichzeichnung, welche Kirche und Widum der Missionsstation Kanowit in Sarawak zeigt. Sandakan ist heute die zweitgrößte Stadt in Sabah, ein wichtiges Zentrum der Katholischen Kirche. Damals war es wegen der geographischen Nähe zu den Gewürzinseln eine bedeutende Handelsstadt. Später verlegt die BNBC ihren Sitz nach Kota Kinabalu, der heutigen Hauptstadt von Sabah, an der Westküste des Landes. Am 26. Juni 1946 löst sich die Gesellschaft vertraglich auf und übergibt

die Agenden und Anlagen der neu gegründeten Regierung der Britischen Kronkolonie Nordborneo.

Als Apostolischer Präfekt ist Jackson viel auf Reisen, um Kontaktpersonen und geeignete Orte für die Mission zu finden. Vor allem besucht er die bereits gegründeten christlichen Gemeinden und verteilt die wenigen verfügbaren Gelder möglichst gerecht. Die finanzielle Not ist groß, der Bedarf riesig, die Unsicherheit ein ständiger Begleiter. Daniel Kilty, ein scheuer und zurückhaltender Mensch, kommt in Papar mit dieser ausgesetzten und bedrohlichen Lebensweise nur schwer zurecht. 1884 bittet er, in die Mission nach Indien versetzt zu werden, wo er am 30. Dezember 1889, noch sehr jung, stirbt. Indes scheut Mill Hill keine Anstrengung, neue Leute nach Borneo zu schicken. Das Missionsprojekt soll unter keinen Umständen gefährdet sein.

Der Holländer Alois Keyzer und der aus Mauls im oberen Eisacktal gebürtige Benedikt Pundleider treten 1882 die Reise nach Borneo an. Schon ein Jahr später folgt der Holländer Alexander Prenger und der vom Schölzhornhof in Rust bei Sterzing stammende Anton Haidegger. Laut der Chronik kommt er am 27. März 1883 in Sarawak an und arbeitet dort nahezu 50 Jahre, obwohl er gesundheitlich mit einem Nierenleiden stark angeschlagen ist. Seine Missionsarbeit wird 1904 kurz unterbrochen. Er begibt sich nach Europa zum Geldsammeln für Projekte: Kirche, Knabenschule, Behausung für die Schüler, Versammlungshaus für Jugendliche, Mädchenschule, Missionsprokur, Pfarrhaus… 1931 zieht Haidegger, gesundheitlich schwer beeinträchtigt, nach Labuan. Am 30. November 1932 bringt ihn ein Dampfschiff allerdings wieder nach Kuching zurück, wo die katholische Gemeinde „ihrem“ ‚Ko Shinfu‘ zum goldenen Priesterjubiläum am 1. Jänner 1933 ein großartiges Fest bereitet. Am 18. November 1935 stirbt Anton Haidegger und wird in Kuching begraben.

Derweil geht die personelle „Aufrüstung“ in Nordborneo weiter. 1884 kommen John Byron und erstmalig auch ein Missionsbruder, Theodor Wagner, sowie der aus Cortina gebürtige Subdiakon Franz Xaver Dibona nach Borneo. Cortina, das 1964 durch die Diözesanreform der Diözese Belluno eingegliedert wurde, gehörte damals noch zur Diözese Brixen. Am 7. Dezember 1884 wird F. X. Dibona in Mill Hill zum Subdiakon geweiht. Tags darauf bricht er von England aus

zu seinem Missionseinsatz in Borneo auf. Mit gerade einmal 21 ist er noch zu jung für die Priesterweihe. Erst am 20. Juni 1886 wird er in Singapur fernab der Heimat geweiht. Seine ist die allererste Priesterweihe und Primiz in Singapur überhaupt.

Mit der Ankunft weiterer Missionare kann man ab 1885 von so etwas wie einer halbwegs gesicherten und planbaren Missionsarbeit sprechen. Es bestehen mehrere Missionsstationen, aber erst acht Schulen mit etwa 175 Schülern. Dieses, nach Vorstellung der Missionare, eher magere Ergebnis erklärt sich folgendermaßen: Das Landesinnere ist einerseits nur auf kaum begehbaren Pfaden durch den dichten und gefährlichen Urwald erschlossen. Reisen ist nur zu Fuß oder im Einbaum auf Flüssen möglich. Stromschnellen und Dickicht behindern ein Weiterkommen. Andererseits lebt die einheimische Bevölkerung arg dezimiert im Urwald weit verstreut, aus Angst vor Raubüberfällen und Verschleppung durch Sklavenhändler. Seuchen und andere Krankheiten tun das Ihrige. Die heftigen Widerstände gegen die Fremden aus Europa, ihre neue Religion und die fremde Kultur sind verständlich. Selbst das Interesse an Schulbildung hält sich in Grenzen. Die Missionare brauchen Zeit, um die unterschiedlichen Sprachen, die Kultur und Traditionen der einheimischen Völker kennen und verstehen zu lernen. Die Leute ihrerseits fassen erst allmählich Vertrauen zu den weißen Männern in ihrer sonderbaren Kleidung. Zunächst merken Kinder und Jugendliche, aber schließlich auch die Erwachsenen, dass die Glaubensboten ihnen eigentlich wohlgesinnt sind.

Nach etwa 15 mühsamen Jahren fühlt sich Fr. Jackson zunehmend erschöpft und ausgelaugt. Denn die Missionare sind den vielen beschwerlichen Reisen ausgesetzt, den Sorgen um eine minimale materielle Absicherung der Missionsstationen, der kargen Ernährung, den regelmäßigen Fieberattacken und der zermürbenden Einsamkeit. Nach mehreren erfolglosen Anläufen nimmt der Generalobere Vaughan, damals bereits Kardinal von London, endlich 1896 Jackson’s Rücktrittsgesuch als Apostolischer Präfekt an. Mit Dekret vom 4. Mai 1897 wird der Ire Edmund Dunn zu seinem Nachfolger ernannt, obwohl Anton Haidegger in geheimer Vorwahl die meisten Stimmen erhalten hatte. Im Nachhinein betrachtet – eine gute Entscheidung der Vorgesetzten. Denn so konnte sich Anton Haidegger mit aller Kraft dem Aufbau der Mission in Sarawak widmen.

Anton Haidegger, *1856 in Rust bei Sterzing, stammt aus einer tiefreligiösen Familie: drei Onkel und ein Neffe haben wie er den Priesterberuf gewählt. Er war der 2. Tiroler, der sich den Josefs-Missionaren anschloss. Er wurde 1882 zum Priester geweiht, landete 1883 in Kuching auf Borneo, lernte die Sprache und Gewohnheiten der eingewanderten Chinesen, baute das Schulwesen auf, errichtete 1891 die St. Josefs-Kirche, die 1969 dem Neubau der Kathedrale in Form eines Zeltes weichen musste. Missionar Haidegger stand in hohem Ansehen bei den politischen Behörden. Er starb am 18. November 1935.

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