ReportAGE
W
illkommen auf meiner Burg und auf meinem Zauberberg!“ In bester Laune empfängt Reinhold Messner (65) HÖRZU in seinem Museum „Firmian“ auf Burg Sigmundskron bei Bozen. Trotz 39 Grad schwitzt der berühmteste Bergsteiger der Welt kein bisschen an diesem heißen Augusttag – und scherzt: „Heute werden Sie viele Kalorien verbrennen! Ein Gang durch meine Burg ist kein Sonntagsspaziergang, sondern ein dreistündiger Weg der Erkenntnis – treppauf, treppab. Wer ihn geht, versteht, warum ich erst hoch hinaufsteigen musste, um tief in mich hineinzublicken.“ Dann wird der Grenzgänger sehr persönlich: „Burg Sigmundskron bietet auch eine spannende Entdeckungsreise in die dunklen Spalten meiner Seele.“ Bevor es losgeht, prüft Messner mit kritischem Blick unsere Sneakers, gibt dann sein Okay. Nur mit „festem Schuhwerk“ dürfen wir starten, zu Türmen, über Treppen und Tiefen.
Reinhold Messner
Exklusiv in
uch Burg-Bes n in Boze
„Mein verzauberter Berg“
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Gastronomie
Der berühmteste Bergsteiger der Welt zeigt exklusiv in HÖRZU seine Burg der erkenntnis Rondell West: Schlüsselberge
Gefahren und geheimnisse Messner, der Burgherr. Warum eröffnet ein Extrembergsteiger ein Museum? Die Antwort folgt schneller, als ein Kletterseil nach unten fällt: „Nachdem ich alle 14 Achttausender bezwungen und die äußersten Enden der Welt erkundet hatte, war ich wie neu geboren. Dieses neue, gerettete Leben fülle ich jetzt aus mit dem Berg-Museum. Es ist mein 15. Achttausender. Und der hat mich finanziell mehr gekostet als alle Expeditionen zusammen.“ Seine Motivation: „Ich will zeigen, was mit Menschen passiert, die sich den Gefahren und Geheimnissen der Berge ausliefern, und wie die Berge Dichter, Maler, Philosophen, Gipfelstürmer und Religionsstifter beflügeln.“ Erinnerungsstücke und Kunstschätze aus drei Jahrtausenden hat Messner zum Thema „Mensch und Berg“ zusammengetragen. In Türmen und Rondellen der Burg stellt er sie auf 13.000 Quadratmetern aus. Zu den wertvollsten Exponaten zählen Originalzelte berühmter Kollegen, etwa von Anderl Heckmeier, der 1938 erstmals die Eiger-Nordwand durchstieg. Besonders stolz ist Messner auf eine tibetische Gebetsmühle. Das persönlichste Stück: ein Stiefel seines Bruders Günther, der 1970 am Nanga Parbat tödlich verunglückte.
Rondell Nord: berge und religion
Tunnel: Höhle und Kristalle
Das Gipfel-Museum im Überblick Auf Burg Sigmundskron in Südtirol hat Reinhold Messner auf 13.000 qm fünf große Ausstellungsbereiche eingerichtet
Palas: Geschichte der berge
Rondell Ost: Schlüsselorte Lebende Legende Auch eigene Erinnerungsstücke zeigt Reinhold Messner in seinem Museum: etwa seine Ausrüstung von der Besteigung des Mount Everest 1978.
burgherr
Messner vor seinem Museum nahe Bozen
Die höchsten Gipfel Im Rondell West zeigt Messner Gemälde von den „Seven Summits“, den höchsten Bergen der sieben Kontinente. Zudem sind Ansichten aller Achttausender ausgestellt. Messner: „Jeder Künstler hat eine andere Ausdrucksform.“
TotenGedenken Musikalisch untermalt von Bob Dylans „Blowin’ In The Wind“ erinnern im WestRondell Porträts an verstorbene Bergsteiger. Das persönlichste Exponat: ein Stiefel von Messners Bruder Günther, der am Nanga Parbat verunglückte.
Mythos Mount Everest Was davon blieb, zeigt Müll vom Basislager des welthöchsten Gipfels. Erstbesteiger Edmund Hillary nannte ihn den „höchs ten Müllberg der Erde“. Messner: „Heute kann jeder Gipfelreisen buchen. Das ist Missbrauch des Everest.“
Messners LieblingsRaum im Nord-Rondell: Hier stellt der Extrem-Bergsteiger eine tibetische Gebetsmühle aus. Wird sie gedreht, erklingt das „Om“ des Musikers Capitanata. Messner: „Dieses Rondell ist den Religionsstiftern aus den Bergen gewidmet.“
ReportAGE eisige Höhe
„Ich musste erst hoch hinaufsteigen, um tief in mich hineinzublicken!“ Reinhold Messner
Messner vor einem Bild des K2, den er 1979 bezwang
Triumph
Selbstauslöserfoto vom Gipfel des Nanga Parbat 1970
Heimat
Messner lebt auf Schloss Juval in Kastelbell
Dann zeigt er uns ein Bild des Künstlers Stephan Huber: „Die Landkarte meiner Seele.“ Sie soll sein Innerstes spiegeln, zeigt fiktive Orte wie den „Zweiten Kreis der Hölle.“ Messner: „Diese Arbeit ist einmalig!“
Der Stein des Sisyphos Treppab. Vorbei am einem Riesenfels, einer Art Stein des Sisyphos. „Er ist ein Symbol für mich, Messner, den ewigen Rebellen. Und für die Schwierigkeit, dieses Museum aufzubauen.“ Immer schneller wird sein
Fotos: s. 22-23: bernhard sulzer (gr.), bernhard Huber für hörzu, quirin leppert für hörzu (5); s. 24-25: quirin leppert für hörzu (2), hgm-press, steinhilber/laif
gingen sie in sie hinein“, Unser erstes Ziel ist das Dialog sagt er. „Weil sie neugieRondell Nord, in dem ReinAutor Mike Powelz hold Messner sich dem rig waren. Drinnen fanden mit Messner auf der Thema „Berge und Reli sie sagenhafte Schätze – Sessellift-Bank gion“ widmet. Eine gigan wie diesen Rauchquarz, tische Steinfigur weist uns einen Edelstein.“ den Weg: ein Inuksuk. „Das Fünf Minuten später. Von ist eine Skulptur aus Alasder inneren Burgmauer ka“, erklärt uns der Burgaus schaut Messner ins Tal, herr. „Die Inuit nutzen sie er deutet auf den Autodort zur Orientierung.“ bahnknotenpunkt BozenIn seinem „ReligionsSüd und auf Tunnel, die Rondell“ offenbart unser in den Berg hineinführen. Gastgeber eine neue Facet„Kein erbaulicher Anblick“, te seiner Person: Messner, so sein Fazit. „Die Berge der Philosoph. „Alle Religionen kamen vom sind durchlässig geworden. Wir rasen mit Berg“, sagt er. „Buddha meditierte im Hima- Autos durch sie hindurch, wir stellen Antenlaja. Moses bekam die 10 Gebote auf dem nen auf ihre Gipfel.“ Und was denkt er über Berg Sinai, Jesus hielt die Bergpredigt.“ den Klimawandel? „Das ist eine Tatsache. Die Politik kann ihn nicht stoppen. Statt Gipfel des göttlichen dessen muß die Technologie neue Fahrzeuge entwickeln.“ Was er selbst fährt? Welcher der Erleuchteten spricht Messner „Einen umweltfreundlichen Lexus.“ am meisten an? „Der Philosoph Milarepa“, Nächste Station: der Palas, ein Saalbau. verrät er, „ein Anarchist.“ Der perfekte Zeitpunkt für eine Sinnfrage: Kommen Gipfel- Hier wird Messner zum Historiker, erklärt uns stürmer dem Göttlichen näher? „Ich bin ein die Geschichte der Berge und ihrer Besteisachlicher Mensch“, antwortet Messner im gung von 1786 bis heute. Eine Lektion im Dunst von Räucherstäbchen. „Auf den Gip- Schnelldurchlauf, emotional illustriert durch feln nehme ich nur wahr, was ist – und bin Erinnerungsstücke wie das Seil, mit dem die weder Buddhist noch Christ. Über Sinn will Berglegende Lionel Terray 1965 in den Tod stürzte. Warum hat Messner selbst die ich nicht weiter sinnieren, lassen Sie uns größten Gefahren überlebt? „Dank lieber in den Berg hineingehen!“ Glück, Vorsicht und In den Berg? Wir haben richtig Schicksal“, lautet gehört. Messner, der Eroberer, die nüchterne führt uns in eine Antwort. Höhle. „Lange bevor die Menschen Berge bestiegen,
Reinhold messner (65) Ein Experte für Extreme Reinhold Messner, geboren am 17. 9.1944 in Brixen, ist ein Rekordjäger, der weder physische noch psychische Grenzen kennt: Er bestieg alle 14 Achttausender der Welt, durchquerte im Alleingang Grönland und die Wüste Ténéré in Niger. Auf seinen Expeditionen verlor er sechs Zehen und traf – angeblich – zweimal den Yeti. Kritiker und Fans sind sich einig: Durch seine Grenzerfahrungen ist Messner
Tempo, Messner zeigt die Seile berühmter Bergsteiger, die er in Marmeladengläsern aufbewahrt, alte Pickel, den Schal von Edmund Hillary, der als Erster den Mount Everest bezwang. Letzte Station: eine Erinnerungshalle. An den Wänden hängen die Porträts verstorbener Bergsteiger. Bob Dylans „Blowin’ In The Wind“ erklingt. „Berge können gefährlich sein“, murmelt Messner. Er berührt seine tibetische Halskette. Hastet hinaus, deutet zuletzt auf einen Sinnspruch über dem Aus-
einer der weltweit größten Experten für menschliches Verhalten in Extremsituationen. Sein Museum „MMM Firmian“, das HÖRZU besuchte, ist das Herzstück von insgesamt vier Museen: In Cibiana di Cadore widmet er sich den Dolomiten, in Sulden dem Eis und in Kastelbell den Bergmythen. 2011 wird sein fünftes Museum über Bergvölker eröffnet, zuvor startet 2010 der Kinofilm „Nanga Parbat“.
gang: „Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel.“ Was er damit meint? „Ich habe alle Achttausender bezwungen, aber zu Hause fiel ich von der Hausmauer!“ Er lacht über sich selbst. Messner, der Überraschende. Mike Powelz
internet www.messner-mountain-museum.it Reinhold messner im Netz Alles über seine Museen: Öffnungszeiten, Aufbau, Anfahrt, Eintritt