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Projekt aktuell
Peru
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Viele Frauen in den Bergregionen Perus hatten nie die Chance auf eine Schulbildung. Sie können nicht lesen, schreiben und rechnen. Viele schämen sich dafür und trauen sich kaum, am öffentlichen und politischen Leben teilzunehmen. Bei unserer Partnerorganisation Alfalit können sie die Schulbildung nachholen. Sie lernen, sich auszudrücken und sich für ihre Bedürfnisse einzusetzen. Während der Corona-Pandemie hat Alfalit das Angebot ausgeweitet und unterstützt nun auch Jüngere beim Lernen.
Buchstäblich zurück ins Leben
In den peruanischen Anden leiden viele Frauen wegen ihrer verpassten Schulbildung. Viele sind Analphabetinnen. Alfalit bietet ihnen Unterricht – nicht nur im Lesen und Schreiben, sondern auch in Kommunikation und zu Sachthemen. So können sie sich auch politisch einbringen. .
Text: Samuel Rink Mission 21
Die Stimme der indigenden, peruanischen Frauen ist wichtig. Dank Unterstützung melden sie sich mehr zu Wort. Behutsam umfasst die Lehrerin die Hand der Schülerin, zwischen deren faltigen Fingern ein Bleistift steckt. Die Spitze gleitet über das Papier und nach ein paar Sekunden lässt die Lehrerin zufrieden los. Sie schaut noch einen Moment lang zu, bevor sie sich den anderen Schülerinnen im Schulzimmer zuwendet.
Im Raum hängen Poster mit Grammatikregeln an den bunt gestrichenen Wänden. Die Frauen sitzen an kleinen Holztischen vor aufgeschlagenen Heften und schreiben. Alle sind hier aus der Umgebung und im mittleren bis höheren Alter. Es ist Unterricht bei unserer Partnerorganisation Alfalit in Chupa in der Region Puno in Peru. Zum ersten Mal lernen die Frauen lesen und schreiben.
In den peruanischen Anden hatten viele Frauen nie die Chance, zur Schule zu gehen. «Wie gerne hätte ich einen anderen Beruf erlernt!», sagt die indigene Kleinbäuerin Francisca Itusaca de Mullisaca. Stattdessen musste sie zu Hause mithelfen, die Tiere zu versorgen und das kleine Stück Land zu bebauen.
Das Problem betrifft mehr Frauen als Männer. Von den über 15-Jährigen sind 16 Prozent Analphabetinnen und nur 4.7 Prozent Analphabeten. Viele können kaum rechnen und sind nie mit digitaler Technik in Berührung gekommen. Die meisten sprechen hauptsächlich Quechua, eine Inka-Sprache, die von den früheren Kolonialherren marginalisiert wurde. Wer die Amtssprache Spanisch nicht spricht, wird heute noch gesellschaftlich an den Rand gedrängt.
Bildung und Frauenförderung in Peru und Chile
Das Alphabetisierungsprogramm ist Teil des Projekts «Gestärkt in die Zukunft: Bildung und Frauenförderung in Chile und Peru» Spenden: Konto PC 40-726233-2, Vermerk 476.1020 oder online: www.mission-21.org/spenden Information: Projektdienst, Tel. 061 260 23 37, kevin.ischi@mission-21.org Isolierende Angst
«Wir trauen uns nicht, am öffentlichen Leben teilzunehmen», sagt María Marlen y Cora. Die Angst, mit anderen zu reden, geschweige denn, sich öffentlich zu äussern, isoliert die Frauen. In der Politik sind Frauen darum eine Seltenheit. Dabei wäre es gerade in der Region Puno wichtig, dass die ganze Bevölkerung sich für ihre Rechte und Interessen einsetzen kann. Rund um den Titicacasee-See gibt es über dreissig illegale Minen, die mit SchwermetallVerschmutzungen die Menschen gefährden. Zudem ist die Gewalt gegen Mädchen und Frauen ein grosses Problem. Darum ist die Stimme der peruanischen Frauen wichtig.
Mit dem Unterricht unterstützt unsere Partnerorganisation Alfalit die Frauen im Alltag und fördert ihren Einfluss in der Lokalpolitik. Neben Lesen und Schreiben stehen auch kommunikative Kompetenzen auf dem Lernplan, zum Beispiel Konfliktmanagement, Konsenssuche und Durchsetzungsvermögen. «Viele Frauen machen enorme Fortschritte und können sich immer besser ausdrücken», sagt Alfalit-Mitarbeiteirn Dora Peña. Auch Francisca traue sich nun mehr, fremde Menschen anzusprechen. Und María sagt: «Bei Alfalit teilzu-
nehmen, ist in jedem Sinne gut für uns». Die Frauen besprechen auch Alltagsthemen, die für Gesellschaft und Familie wichtig sind. So können sie sich für ihre Bedürfnisse einsetzen.
Pandemie gefährdet die Schulbildung
Bei der heranwachsenden Generation konnte Peru das Problem entschärfen. «In den letzten Jahren hat Peru im Bereich Bildung grosse Fortschritte erzielt», sagt Claudia QuispeRampa, Programmverantwortliche für Peru bei Mission 21. «Mehr Menschen haben Zugang zur Ausbildung und die Qualität ist gestiegen. Allerdings gab es wegen Corona Rückschläge.»
Mit der Omikron-Welle wurde Anfang Jahr wieder hybrid unterrichtet. Doch vielen Schüler*innen in den andinen Regionen fehlen die technische Ausrüstung und das nötige Internet-Guthaben oder sie haben Mühe mit selbstständigem Lernen. Darum bietet Alfalit neu Nachhilfe für Kinder an und versorgt sie mit Internet-Guthaben. So können sie Schulstoff nachholen und sich neue Lernstrategien aneignen.
Der Nachwuchs soll von klein auf Selbstvertrauen aufbauen und lernen, sich zu äussern. So können sich die Kinder später zusammen mit ihren Müttern für die Bedürfnisse der Menschen in Puno einsetzen.
Es gibt keinen falschen Zeitpunkt um zu lernen: Kursteilnehmerin von Alfalit in Begleitung eines Kindes.
Die gute Nachricht
zVg
Aurora Luna ist Direktorin der Organisation «Alfalit en el Perú».
Wir teilen: Das Essen, die Freude und unser Wissen
«Und alles Volk ging hin, um zu essen, zu trinken und davon auszuteilen und ein grosses Freudenfest zu feiern; denn sie hatten die Worte verstanden, die man ihnen kundgetan hatte.» (Nehemia 8,12).
Dieses Zitat stammt aus dem biblischen Bericht über das Fest anlässlich der ersten öffentlichen Lesung der heiligen Schrift. Im Zentrum dieses Festes stand das Teilen, mit Freude und ohne Ausgrenzung. Das Ziel der Zusammenkunft war es, den heiligen Text bei der Lektüre zu verstehen. Die Menschen näherten sich dem Text mit dem Wunsch, seine Botschaft zu verstehen. Es waren Menschen aus dem Volk, die nicht lesen konnten, denn zu jener Zeit war das Lesen ein Privileg der Priester und der wohlhabenden Gesellschaftsschichten. Zudem war es eine Lektüre, die die Menschen zunächst nicht verstehen konnten, weil ihnen das Gelesene fremd und unbekannt erschien. Doch eine Gruppe von Leviten (Helfenden), die selbst zum einfachen Volk gehörten, kam auf die Menschen zu und erklärte ihnen das Gelesene in ihrer eigenen Sprache und in ihrem eigenen Umfeld. Die Leviten erleichterten es Frauen und Männern, Jung und Alt, die Worte des Textes zu verstehen und zu begreifen. Das machte es allen möglich, Zugang zur heiligen Schrift zu finden und sie auf ihr Leben anzuwenden. Das beschriebene Fest ist zu verstehen als Feier eines Volkes, das Ausgrenzung hinter sich lässt, als ein Fest aller Menschen. Das Teilen von Essen ist ein Symbol für das Teilen von Wissen und Können. Das Fest ist auch ein lebendiger Ausdruck des Glaubens an einen Gott, der keine Unterschiede zwischen den Menschen macht und den Ausgegrenzten nahe steht. Auch heute sehen wir Freude auf den Gesichtern von Menschen, die zum ersten Mal einen geschriebenen Text in ihrer Muttersprache und in ihrer eigenen Kultur lesen und erklären. Diese Freude spornt uns dazu an, dem Beispiel der levitischen Helferinnen und Helfer zu folgen. Wir gehen auf die Menschen in ihren Gemeinschaften zu. Wir ermutigen sie, um ihnen das Verstehen ihrer eigenen Lebens- und Glaubenserfahrungen sowie ihres Alltags zu erleichtern. Und auch, um ein Teil des Fests zu sein, das alle Menschen verbindet.