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Fokus Klimawandel

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Lebenswelten

Lebenswelten

Bewahrung der Schöpfung auf allen Ebenen

Mission 21 setzt sich dafür ein, dass alle Menschen ein Leben in Würde führen können. Immer öfter spielt in unseren Projekten auch der Klimawandel eine Rolle. Beispiele aus Bolivien, Nigeria, Kamerun und Tansania zeigen, wie wir gemeinsam mit unseren Partnern für Klimagerechtigkeit und gegen fortschreitende Umweltprobleme arbeiten. Oft hängen dabei Projekte zur (theologischen) Bildung eng mit konkreten Aktivitäten im Umweltbereich zusammen.

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Text: Miriam Glass, Mission 21

Fundawi

Es sieht aus wie eine riesige Wassertonne: Ein rundes Betonbecken, es fasst 100000 Kubikmeter Wasser. Fast die gesamte Gemeinde von Sorata in den bolivianischen Anden hat sich versammelt, als der Bau endlich fertig ist. Er soll das Leben der Menschen verbessern, zu einer ausgewogeneren Ernährung und einem besseren Einkommen beitragen.

Bei dem Becken handelt es sich um einen Wasserspeicher, den die Bevölkerung 2021 mit Unterstützung von Fundawi gebaut hat, einer Partnerorganisation von Mission 21. Bedingt durch die Klimaerwärmung nehmen die Niederschläge in der Region ab. Die Menschen in Sorata, auf über 2600 Metern über Meer, kämpfen mit Schwierigkeiten. In anderen Gemeinden in den Anden ist die Lage ähnlich.

Lebensgrundlagen sind bedroht

Viele Kinder und auch Erwachsene in der Region sind krank. Sie leiden an Mangelerscheinungen, weil die Ernährung nicht ausgewogen ist und Nährstoffe fehlen. Die kargen Böden geben nicht genug her, um die Menschen gut zu ernähren. Und es fehlt das Geld, um Nahrungsmittel zu kaufen. «Wenn dann noch die ErnteErträge schwinden, weil das Klima trockener wird, sind die Lebensgrundlagen der Menschen bedroht», sagt Erik Nijland, bei Mission 21 Koordinator für die Projekte zur Ernährungssouveränität in Lateinamerika.

Abhängigkeit von Regen und Chemie

Die Wasserknappheit ist ein Grund dafür, dass die Kleinbauern und -bäuerinnen immer mehr Pestizide und Düngemittel einsetzen, denn im veränderten Klima treten neue Schädlinge auf. Durch die Chemikalien sinkt die Wasser- und Bodenqualität weiter, zugleich werden die Bauernfamilien immer abhängiger von grossen Agrochemiekonzernen.

Der Wasserspeicher in Sorata wird Verbesserungen bringen. In niederschlagsreichen Zeiten wird Wasser gesammelt, das in trockenen Perioden auf tiefer gelegene Felder geleitet werden kann. Die Erträge landen auf dem Tisch der Bauernfamilien, Überschüsse können auf lokalen Märkten verkauft werden.

Ein kleiner Tropfen auf den heissen Stein, könnte man meinen – eine punktuelle Hilfe, die nichts ändern kann an Problemen wie Klimawandel oder sozialer Ungerechtigkeit. Doch Mission 21 arbeitet gemeinsam mit ihren Partnern in grösseren Zusammenhängen an diesen Themen. In den Projekten zur Ernährungssouveränität in Lateinamerika liegt der Schwerpunkt auf agroökologischen Anbaumethoden. Vermittelt werden umweltfreundliche Anbautechniken, die unter klimatisch schwierigen Bedingungen anwendbar sind, sowie Möglichkeiten der politischen Beteiligung. So erlangen Bäuerinnen und Bauern mehr Wissen und Mitspracherechte zum Umgang mit Land und Ressourcen.

Theologische Ausbildung für Veränderung

Grundsätzlich spielt im Lateinamerika-Programm auch die theologische Bildung eine wichtige Rolle. An der Theologischen Hochschule UBL in Costa Rica und weiteren PartnerInstitutionen ist Öko-Theologie fester Bestandteil der Ausbildung. Studierende setzen sich sowohl mit Fragen des Klimawandels und der Bewahrung der Schöpfung als auch mit sozialen Themen auseinander. Viele kehren nach ihrer Ausbildung als Pfarrerinnen oder Entscheidungsträger in ihre Gemeinden zurück, stossen dort Veränderungen an und setzen Projekte um.

Ressourcensparende Öfen in Nigeria

Aus der theoretischen und theologischen Auseinandersetzung sind zahlreiche konkrete Folgeprojekte entstanden, nicht nur in Lateinamerika. In Nigeria zum Beispiel entwickelte sich aus dem theologischen Fernstudienprogramm der «Kirche der Geschwister» ein Projekt für ressourcenschonende Kochöfen.

In diesem Ausbildungsgang eignen sich jedes Jahr rund 2000 Studierende theologische Kenntnisse an und diskutieren diese miteinander. Die Kurse berühren hochaktuelle gesellschaftliche Themen wie den interreligiösen Dialog zwischen Christ*innen und Muslim*innen, häusliche Gewalt, Führungsverständnis oder Umweltschutz. Die Studierenden setzen das Gelernte praktisch um. In einigen Dörfern entstanden so Kleinunternehmen zur Verbreitung

Wasserspeicher für trockene Tage: In der Gemeinde Sorata in Bolivien ist im Rahmen der Projektarbeit ein Reservoir entstanden, aus dem Felder bewässert werden können.

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Projekte von Mission 21 in der Ökumenischen Kampagne

Während der Fastenzeit läuft die Ökumenische Kampagne von HEKS (das mit «Brot für alle» fusionierte Hilfswerk der evangelischreformierten Kirche Schweiz), und der Fastenaktion. Im Rahmen dieser

Kampagne können Kirchgemeinden, weitere Gruppen oder Privatper-

sonen auch Projekte von Mission 21 unterstützen. Die Ökumenische Kampagne fordert mehr Klimagerechtigkeit weltweit. In diesem Heft finden Sie eine Auswahl unserer Projekte zu diesem Thema. Sie können jedoch im Rahmen der Ökumenischen Kampagne auch für alle weiteren Projekte von Mission 21 sammeln und spenden.

Auskünfte: Kevin Ischi, Tel. 061 260 23 37, kevin.ischi@mission-21.org www.mission-21.org/klima

energieeffizienter Kochherde, die nicht nur mit Holz, sondern auch mit Feldabfällen befeuert werden können. Inzwischen ist daraus ein eigenes Projekt von Mission 21 geworden (Nr. 162.1030, «Bildung für eine nachhaltige ökologische Entwicklung in Nigeria»). Es umfasst Baumschulen und fördert nachhaltige Landwirtschaft und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, was der Abholzung entgegenwirkt.

Holz ist in Nigeria die Hauptenergiequelle, insbesondere auf dem Land. Mit dem Bevölkerungswachstum ist die Nachfrage gestiegen, Es wird immer schwieriger, Holz zu beschaffen. Zum Beispiel für Suela. Sie lebt mit ihren Kindern im Dorf Kala’a und sagt: «Heute sieht man viele Kilometer weit, kein Baum steht im Weg. Das war früher anders.» Um Holz zu beschaffen, musste Suela immer weitere Strecken zurücklegen. Doch im Rahmen des Projekts stellte sie einen energiesparenden Ofen her, der viel weniger Holz benötigt, und sie lernte, Briketts aus landwirtschaftlichen Abfällen anzufertigen.

Jochen Kirsch, Direktor von Mission 21 und früher Programmverantwortlicher für Nigeria, hat das Projekt in dessen Entstehungszeit begleitet. Er sagt: «Die Themen Umweltschutz und Klimawandel wurden neu zu zentralen Aufgaben der Kirche, durch das entsprechende Modul der theologischen Ausbildung. Und es zeigt sich, wie die Kirche durch ihr vielfältiges Sozialkapital in der Lage ist, über ihre eigenen Mitglieder hinaus in der Gesellschaft nachhaltige Veränderungen zu bewirken.»

Gender-Gerechtigkeit und Umweltschutz

In unseren Projekten geht es stets um mehrere Dimensionen, die sich gegenseitig verstärken. So kann mehr Bildung zu mehr Umweltschutz beitragen, ein besserer Umgang mit natürlichen Ressourcen kann die Situation von Frauen verbessern. Die geschlechtsspezifische Dimension des Klimawandels ist offensichtlich. In Nigeria und Bolivien etwa, wo der Rückgang der Bodenfruchtbarkeit und die unregelmässigen Niederschläge zu geringen Erträgen führen, schwinden die Arbeitsmöglichkeiten in ländlichen Gebieten. Männer wandern auf der Suche nach Jobs in die Städte ab. Zurück bleiben die Frauen, um für die Landwirtschaft und ihre oft grossen Familien zu sorgen, unter immer schlechteren Bedingungen.

Aktivitäten für den Umweltschutz enthalten so oft auch Komponenten zur Stärkung von Frauen und umgekehrt, ebenso wie die Förderung der Ernährungssicherung sowohl mit der Unterstützung von Familien als auch mit Umweltschutz zusammenhängt. Die Würde des Menschen und der Schutz des Planeten sind untrennbar miteinander verbunden.

Wie der Moringabaum Nahrung, Schatten und Hoffnung spendet

Im Südwesten Tansanias leiden die Menschen unter zunehmender Trockenheit. Der Anbau von Neem- und Moringa-Bäumen soll die Situation entschärfen.

Text: Miriam Glass, Mission 21

Mariam Galahenga sagt: «Die Situation ist schlimm. Unser Vieh leidet, wir leiden, es gibt kein Gras und kein Wasser.» Sie lebt im Mbarali District im Südwesten Tansanias. Die Dürre plagt Menschen und Tiere. Mariam Galahenga setzt grosse Hoffnungen in den Anbau von Neem- und Moringabäumen. Sie sollen das Klima verbessern und Schatten spenden.

Der Anbau der Bäume ist Teil eines Projekts, das Mission 21 in Zusammenarbeit mit der lokalen Partnerkirche durchführt, der «Moravian Church in Tanzania». Noch steht es am Anfang, in der laufenden Projektphase von 2022 bis 2025 werden die Pflanzungen vorangetrieben.

Im Mbarali-Disktrikt arbeiten 83 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft, so auch Mariam Galahenga. Die Bauernfamilien stehen jedoch vor Problemen: Um Land zu gewinnen, wurden Wälder abgeholzt. Dies führt zu Wüstenbildung in der ohnehin trockenen Region. Da die Fruchtbarkeit abnimmt, verwenden die Bauern mehr Agrarchemikalien, was die Böden verseucht. Die Umweltprobleme sind für die Bevölkerung lebensbedrohlich, weil das Wasser knapp ist und die Ernten schlecht ausfallen.

Verbessertes Mikroklima

Auch Mariam Galahenga leidet darunter, hatet bisher aber kaum Möglichkeiten, etwas zu unternehmen. Sie gehört zu den 44 Prozent der Bevölkerung im Disktrikt, die weder lesen noch schreiben können. Der durchschnittliche Verdienst liegt bei rund 50 Rappen täglich.

Der Anbau von Neem- und Moringa-Bäumen geht die Herausforderungen auf mehreren Ebenen an. Beide Bäume gedeihen im heissen, trockenen Klima. Die Pflanzungen wirken den fortschreitenden Umweltproblemen entgegen. Sie halten die Bodenerosion auf und tragen dazu bei, den Grundwasserspiegel wieder aufzubauen. Schatten und Kühlung sollen das Mikroklima verbessern.

Die Bestandteile der Bäume können zu Produkten für die Landwirtschaft und die Tierhaltung verarbeitet werden. Begünstigte profitieren durch den direkten Verzehr der Moringa-Pflanzen sowie den Gebrauch und Verkauf diverser Produkte aus den Bäumen.

Nicht zuletzt ist das Umweltprojekt auch ein Projekt zur Förderung von Gender-Gerechtigkeit: Frauen, die in Tansania schlechteren Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt haben, übernehmen die Projektleitung und erhalten Aus- und Weiterbildung in der Agroforstwirtschaft.

Mariam Galahenga.

Neues Projekt in Tansania

«Klima schützen, Frauen stärken: nachhaltige Landwirtschaft in Tansania» ist ein Projekt der «Moravian Church in Tanzania» mit Mission 21. Spenden: Konto PC 40-726233-2, 186.1505 oder online: www.mission-21.org/spenden

Produkte der Neem- und Moringabäume

Produkte des Neem-Baums helfen gegen Pilzerkrankungen, Parasiten und Tierkrankheiten und finden als Antipilzmittel und Insektizid im ökologischen Landbau Verwendung. Der Moringa-Baum (Bild rechts) liefert nährstoffreiche Nahrung sowie effizientes Viehfutter, unter anderem zur Erhöhung der Milchproduktion von Milchvieh.

Ein zweites Leben für Altglas und Co.

Lehrpersonen und Studierende ergreifen in Kamerun die Initiative für mehr Umweltschutz und einen bewussteren Umgang mit Abfällen. Die Protestantische Universität in Yaoundé fördert dies mit einem Programm zur Öko-Theologie.

Text: Miriam Glass, Mission 21

Dr. Marcel Ngirinshuti in seinem «Flaschenhaus» in Yaoundé, Kamerun. Dr. Marcel Ngirinshuti hat ein sehr besonderes Büro: Die Wände bestehen aus leeren Flaschen, die mit Zement eingefasst sind. Die Luft im Raum ist frisch, die Sonne, die durch das Glas scheint, taucht alles in ein märchenhaftes Licht.

Die Flaschen hat Dozent Marcel Ngirinshuti mit Studierenden der Protestantischen Universität Zentralafrikas (PUCA) in Kameruns Hauptstadt Yaoundé gesammelt. TheologieStudent Alfred Ondo sagt in den «Peace News», dem Studierenden-Magazin der PUCA: «Die recycelten Flaschen hat mein Lehrer zum Bau eines Hauses verwendet. Das zeigt, dass Müll gut genutzt werden kann, um Gutes für die Gesellschaft und für die Bewahrung von Gottes Schöpfung zu tun.» Genau darum – um die Bewahrung der Schöpfung – geht es im Studiengang Öko-Theologie, der 2019 an der PUCA eingeführt wurde und von Mission 21 unterstützt wird. Er behandelt fächerübergreifend die Themen Agrarwirtschaft, Ökologie und Theologie in Theorie und Praxis.

Die angehenden Theologinnen und Theologen werden darauf vorbereitet, sich zu zentralen gesellschaftlichen Fragen zu äussern und Lösungen zu entwickeln. Klimawandel und Umweltzerstörung spielen im Lehrplan eine wichtige Rolle. Sie werden als genauso gefährlich angeschaut wie die weiteren Krisen, mit denen das Land kämpft: Korruption, steigende Lebenshaltungskosten, Arbeitslosigkeit und terroristische Angriffe von Boko Haram bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Seit 2016 sorgt in den anglophonen Regionen ein Konflikt zwischen Separatisten und der frankophonen Zentralregierung für bürgerkriegsähnliche Zustände.

Wir brauchen Ihre Unterstützung

• Projekt «Kooperationsprogramm Kamerun»: Nummer: 134.1001 • Spenden: Konto PC 40-726233-2, 476.1001 oder online: www.mission-21.org/spenden • Information: Projektdienst, Kevin Ischi,

Tel. 061 260 23 03, kevin.ischi@mission-21.org Klimawandel als Ursache für Konflikte

Laut Mbouba Mbima, Rektor der PUCA, sind die Themen der Öko-Theologie eng mit den gesellschaftlichen Herausforderungen in Kamerun verknüpft. Er sagt: «Wenn es um Fragen der Unsicherheit in Kamerun geht, sind Klimawandel und klimatische Ungerechtigkeit keine Randthemen. Es ist nicht mehr zu leugnen, dass etwa die Ausdehnung der Wüste im Norden zu den Ursachen von klimabedingter Migration gehört. Die Migranten in ihrer schwachen Position werden zu potenziellen Kandidaten für die Rekrutierung durch terroristische Gruppen.» Der Klimawandel sei zudem eine Ursache für Hunger, Arbeitslosigkeit und Konflikte. «Die Schwachen und Armen leiden besonders unter den Folgen. Die Auseinandersetzung mit Klimawandel und Klimagerechtigkeit durch konkrete Projekte ist auch ein Mittel, um Korruption, steigende Lebenshaltungskosten, Arbeitslosigkeit und sogar den vielgestaltigen Terrorismus zu bekämpfen.»

Marcel Ngirinshuti bereitet Lektionen zu diesen Themen in seinem «Flaschenhaus» vor. Er hofft, dass es andere dazu inspiriert, achtsam mit der Schöpfung umzugehen und Abfällen wenn möglich ein zweites Leben zu verleihen.

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